Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige Mitteilungen zu machen.
Der Abgeordnete Rösing hat unter dem 15. Juni mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 6. Juni dieses Jahres der Fraktion der CDU/CSU als Mitglied beigetreten ist.
Auf Wunsch der Fraktion der FDP habe ich mitzuteilen, daß sich die Lücken in ihren Bankreihen damit erklären, daß der größere Teil der Fraktion an der Beerdigung des verstorbenen Kollegen Wirths teilnimmt.
Weiter habe ich, was den Abstimmungsmodus betrifft, mitzuteilen, daß wir heute keine Abstimmungen vornehmen vor 15 Uhr und nach 20 Uhr. Die ,,gefährliche Zeit",
die Durststrecke gewissermaßen, ist also zwischen 15 Uhr und d 20 Uhr. Es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn sich das Haus nach 20 Uhr — wenn die „Gefahr" der namentlichen Abstimmung vorüber ist — allzu plötzlich und allzu intensiv leerte.
Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Tagesordnung ein. Ich rufe zunächst Punkt 1:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend Wahl der deutschen Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .
Man hat sich interfraktionell auf die Kandidatenliste geeinigt, die sich auf Drucksache 1475 befindet. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer mit der Wahl der auf dieser Liste verzeichneten Mitglieder des Hauses einverstanden ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Wahl fest.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Wahl des Abgeordneten Dr. Lenz zum Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates.
Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Wer mit dieser Wahl 'einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest und beglückwünsche die gewählten Kollegen zu ihrer Wahl.
Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1100, 1500 bis 1530)
in Verbindung mit der
Zweiten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 1532, zu 1532)
Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle ,
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses zum Entwurf einer Ergänzung (gemäß § 11 RWB) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1531, 1260)
Berichterstatter: Abgeordneter Schoettle,
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Sturmflutschäden an der Nordseeküste (Drucksachen 153.3, 1248)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring;
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rech-
nungsjahr 1955 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 1470)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wellhausen
.
In der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1955 rufe ich auf:
Einzelplan 40: Soziale Kriegsfolgeleistungen .
Dazu hat der Abgeordnete Gengler das Wort. Er spricht als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kleine Berichtigung: In der Drucksache 1526 — Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 40 — ist auf Seite 4 bei Tit. 757 auf der linken Hälfte der Seite ein Druckfehler zu berichtigen. Statt 150 Millionen DM muß es 1 550 000 DM heißen. Bei aller Würdigung der hohen Baupreise in der Schweiz auf den Bergen sind wir erfreulicherweise noch nicht so weit, für eine Heilstätte einen solch hohen Betrag einsetzen zu müssen.
Zum Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen, selbst, beehre mich, im allgemeinen auf den Schriftlichen Bericht *) — zu Drucksache 1526 — Bezug zu nehmen.
Der Zuschußbedarf in diesem Plan in Höhe von rund 6 531 000 000 DM verdient eine besondere Beachtung. Es ist dies ein sehr gewichtiger Teil aus dem Sozialhaushalt des Bundes mit einem Volumen von rund 10,3 Milliarden DM. Diese große Summe beleuchtet die soziale Lage breiter Volksschichten nach dem Kriege, den hohen Sozialbedarf, aber auch die Belastung und Leistung von Volk und Staat.
Beim Einzelplan 40 handelt es sich um einen reinen Sachhaushalt ohne einen Personalhaushalt. Die darin enthaltenen Anforderungen und Ausgaben entstehen auf Grund von Einzelgesetzen.
*) Siehe Anlage 9.
Durch das am 1. April 1955 in Kraft getretene Vierte Überleitungsgesetz sind gegenüber früher im Einzelplan 40 erhebliche — man kann auch sagen: grundsätzliche — Änderungen eingetreten. Ich verweise hierzu insbesondere auf die Einführung der Pauschalierung bei vier Aufwendungen und auf die Art der Verrechnungen mit den Ländern bei der Kriegsfolgenhilfe, besonders bei den Verwaltungskosten der Kriegsopferversorgung. Der Haushaltsausschuß sah sich in den früheren Berichten veranlaßt, auf die Diskrepanz hinzuweisen, die dadurch entstand, daß der Bund die Kosten bezahlt, bei den Ausgaben selbst aber nicht mitzuwirken hat. Die Pauschalierung soll nun die Verwaltungsverantwortung nach Möglichkeit denjenigen Körperschaften übertragen, denen die Ausgabenverantwortung zukommt. Ich beziehe mich hierzu auf das im Schriftlichen Bericht Ausgeführte. Die Folge der Pauschalierung ist unter anderem, daß der ganze Personalhaushalt und die zukünftigen Bauten der Kriegsopferversorgung im Einzelplan 40 weggefallen sind. Die Länder haben nun selbst darüber zu befinden. Eine Reihe von Fragen, die früher hier zu Debatten geführt hatten, fallen damit für uns aus. Es ist zu hoffen, daß die Bearbeitung der Anträge in der Kriegsopferversorgung im neuen Rahmen und Verantwortungsgebiet sich weiterhin befriedigend vollzieht und zu einer Aufarbeitung der Stauungen führt. Man soll aber die Ämter nicht überfordern, indem man zuviel zeitraubende Statistiken von ihnen verlangt.
Noch zu lösen ist im Rahmen eines Nachtragshaushaltsplanes die Frage der Deckung der Kosten der Dritten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz. Der Zuschußbedarf für die Kriegsopferversorgung beträgt nach den Umschichtungen der Verwaltungskosten rund 3 327 000 000 DM, das sind 191,7 Millionen DM mehr, als im Rechnungsjahr 1954 veranschlagt war-en.
In Ergänzung des Schriftlichen Berichts ist anzuführen, daß in Kap. 40 09 Tit. 650 d der Betrag für Förderung von Einrichtungen für Versehrtenleibesübungen von 70 000 DM auf 100 000 DM erhöht wurde. Zu berücksichtigen ist weiter, daß auch im Einzelplan 06 — Bundesminister des Innern — bei Kap. 06 02 Tit. 662 — für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete des Sports — im Rahmen der veranschlagten Gesamtsumme von 575 000 DM ein Betrag von 45 000 DM für den Versehrtensport eingesetzt wurde.
Zum Schluß noch eine Bemerkung zur Kriegsgefangenenentschädigung. Die Aufwendungen des Bundes betrugen im Rechnungsjahr 1954 insgesamt . 48 004 173 DM. Davon entfallen auf Kap. 40 10 Tit. 300 — Entschädigungsleistungen —47 304 173 DM, auf Tit. 530 — Existenzaufbau- und Wohnraumbeschaffungsdarlehen — 50 000 DM und auf Tit. 600 — Hausratbeschaffungsbeihilfe —650 000 DM. Bei den Titeln 530 und 600 handelt es sich um Ausgaben auf Grund der Richtlinien des Bundesvertriebenenministeriums vom 22. Dezember 1953. Diese Richtlinien waren vor Verkündung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes erlassen worden. Sie sahen die Gewährung von Existenzaufbau- und Wohnraumbeschaffungsdarlehen sowie von Hausratbeschaffungsbeihilfen an ehemalige Kriegsgefangene vor, die seit dem 1. Juli 1953 zurückgekehrt sind. Mit der Durchführung der Richtlinien waren die Dienststellen der Lastenausgleichsverwaltung beauftragt. Eine Beteiligung der Länder war nicht vorgesehen. Der Bund hatte
einen Betrag von 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Hiervon sind nur 700 000 DM in Anspruch genommen worden. Mit Ablauf des Rechnungsjahres 1954 werden Leistungen nach diesen Richtlinien nicht mehr gewährt.
Die Aufwendungen der Länder nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz in der bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1954 gültigen Fassung betragen 15 v. H. der Ausgaben, d. h. der eigentlichen Entschädigungsleistungen, da im Rechnungsjahr 1954 Kann-Leistungen nach Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes nicht gewährt worden sind. Diese 15 v. H. der Ausgaben des Bundes zu Tit. 300 seitens der Länder machen den Betrag von 8 347 795 DM aus.
Zur Frage der Verrechnung der Kann-Leistungen auf die Entschädigung folgendes: Die Richtlinien vom 22. Dezember 1953, die ich bereits erwähnt habe, sahen die Anrechnung der Darlehen und Beihilfen auf die Kriegsgefangenenentschädigung vor. Das bedeutet, daß die Entschädigungsleistungen bei denjenigen ehemaligen Kriegsgefangenen, die im Rechnungsjahr 1954 Darlehen oder Beihilfen nach den Richtlinien erhalten haben, um den Betrag der Darlehen oder Beihilfen zu kürzen sind. Der nunmehr neu in Betracht kommende Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes kennt keine Anrechnung von Kann-Leistungen auf die Entschädigung. Das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz bestimmt in § 28, daß die Darlehen und Beihilfen gewährt werden können, „wenn und soweit die nach dem Abschnitt I gewährte oder zu gewährende Entschädigung zur Finanzierung des beabsichtigten Vorhabens nicht ausreicht". Das bedeutet also, daß die bereits gezahlte oder noch zu zahlende Entschädigung bei der Bemessung der Höhe des zu gewährenden Darlehens oder der zu gewährenden Beihilfe bereits berücksichtigt werden muß.
Wie aus den Anträgen des Haushaltsausschusses Drucksache 1526 und meinem Schriftlichen Bericht hervorgeht, sind im neuen Haushalt 1955 die Beiträge für die Kriegsgefangenenentschädigung stark erhöht worden. Statt der im Haushalt 1954 angeforderten 50 Millionen DM sind für die Kriegsgefangenenentschädigung in Kap. 4010 Tit. 300 Entschädigungsleistungen mit 200 Millionen DM eingesetzt. Aus diesem Betrag können bis zum Gesamtbetrag von 5 Millionen DM Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat gewährt werden. Weiterhin sind neu im außerordentlichen Haushalt Kap. A 40 10 Tit. 530 für Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und zum Existenzaufbau, also für die sogenannten Kann-Leistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, 45 Millionen DM angesetzt. Hinzu kommt, worauf ich besonders hinweise, die Interessenquote der Länder mit 20 %. Die Mehranforderungen bei der Kriegsgefangenenentschädigung im Bundeshaushalt betragen 190 Millionen DM. Das ist eine sehr wesentliche Veränderung und Steigerung gegenüber 1954.
Im übrigen beantrage ich namens des Haushaltsausschusses die Zustimmung zum Einzelplan 40 mit den sich aus der Drucksache 1526 ergebenden Änderungen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Ich erbitte zunächst Ihre Aufmerksamkeit für eine Bemerkung außer-
halb der Tagesordnung. Ich sehe dort hinten, auf der letzten Bank, einen Strauß roter Rosen auf dem Platz einer Kollegin. Ich nehme an, daß dieser Strauß von einem Geburtstag Kunde geben soll. Er liegt auf dem Platz der Kollegin Jeanette Wolff. Ich gratuliere im Namen des Hauses, obwohl ich fürchte, daß ich gegen die Regel des Hauses verstoße, nur bei Geburtstagen über 60 Jahre öffentliche Glückwünsche auszusprechen; aber der Rosenstrauß hat mein Herz bewegt.
Unseren herzlichsten Glückwunsch, Frau Kollegin Wolff! Ad multos annos!
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Das Wort zur Begründung der Anträge Umdrucke 441*) und 385**) hat der Abgeordnete Petersen. Ich möchte bemerken, daß noch ein Antrag Umdruck 417 vorliegt, der mit Antrag Umdruck 441 zusammenhängt, aber weitergeht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 441*) legen Ihnen
die Fraktionen der Regierungskoalition einen Änderungsantrag zu dem Tit. 302 des Kap. 40 09 vor. Es ist darin vorgesehen, den Ansatz von 12 600 000 DM um 2 400 000 DM auf 15 000 000 DM zu erhöhen. Dieser Titel behandelt einmalige Unterstützungen an Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen gleichgestellte versorgungsberechtigte Personen, die in besonderen Härtefällen zur Behebung einer vorübergehenden Notlage gegeben werden, die aus eigener Kraft nicht abgewendet werden kann.
Wir haben uns im Kriegsopfer- und Heimkehrerausschuß gerade mit diesem Titel besonders befaßt und aus den praktischen Erfahrungen des Ressortministeriums feststellen müssen, daß der bisherige Ansatz von 12,6 Millionen DM nicht ausreichend war, um die besonderen Härtefälle zu befriedigen. Das sind Fälle, die im Gesetz nicht geregelt werden können, weil sie individueller Natur sind; es sind also insbesondere solche Fälle, die sehr oft im öffentlichen Leben, in der Presse, in der öffentlichen Meinung angeprangert werden, weil der Gesetzgeber hier keinen Weg für eine Regelung gefunden hat. Diesen Menschen, die in dieser ausgesprochenen Notlage leben und denen vom Gesetzgeber nicht geholfen werden kann, soll aus diesem Fonds geholfen werden. Deshalb halten wir es für notwendig, daß dieser Fonds eine Erhöhung erfährt, nachdem sich im vergangenen Jahr gezeigt hat, daß seine Mittel nicht ausreichten.
Hinzu kommt auch, daß aus diesem Fonds besondere Härtefälle in der Auslandsversorgung befriedigt werden müssen, da in der Auslandsversorgung die Kosten für die Heilbehandlung nur in Höhe der Inlandssätze angesetzt werden, die effektiven Kosten aber oft höher sind. Hier sind also auch besondere Härtefälle zu regeln. Die Koalition bittet deshalb, diesem Antrag zuzustimmen, denn durch diesen Antrag soll ein besonderes Anliegen sozial gefährdeter Fälle befriedigt werden. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Zum Antrag Umdruck 385**) habe ich im Namen der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE folgendes vorzutragen. Wir haben uns am 26. Mai
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3. in diesem Hohen Hause sehr eingehend mit der Lage der heimgekehrten Kriegsgefangenen befaßt. Wir haben damals einstimmig festgestellt, daß die Lage der Kriegsgefangenen denkbar schlecht ist, insbesondere soweit es das Gebiet der Kann-Leistungen betrifft, das im II. Abschnitt des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes enthalten ist, wo Darlehen für Wohnraumbeschaffung, für den Existenzaufbau, darüber hinaus aber auch Unterstützungen für die Beschaffung von Hausrat vorgesehen sind. Wir haben damals durch das Hohe Haus eine einstimmige Zustimmung zu dem Antrag erhalten, Mittel in Höhe von 70 Millionen DM hierfür bereitzustellen. Der Haushaltsausschuß hat diesem Anliegen leider nicht in vollem Umfang Rechnung getragen. Er hat im außerordentlichen Haushalt nur Mittel in Höhe von 45 Millionen DM bereitgestellt und weitere 5 Millionen DM aus der Summe, die für Pflichtleistungen der Entschädigung vorgesehen ist, zweckgebunden. Ich glaube, so werden wir nicht verfahren können, wenn wir der Gesamtlage der heimgekehrten Kriegsgefangenen gerecht werden wollen. Es bedarf an sich gar nicht der sehr starken Kritik, die die heimgekehrten Kriegsgefangenen am vorigen Sonntag in Hannover der Öffentlichkeit noch einmal vor Augen geführt haben; das Hohe Haus ist in dieser Frage selbst sehr aufgeschlossen gewesen und hat sich dieses Anliegen zu eigen gemacht. Es ist uns aber nicht ganz verständlich, wieso dann wieder aus rein fiskalischen Überlegungen dieser soziale Notstand im Haushaltsplan nicht in der rechten Form Berücksichtigung gefunden hat.
Der Herr Berichterstatter hat vorhin unterstrichen, im neuen Haushaltsplan seien die Ansätze außerordentlich verbessert. Nun, ganz so erfreulich sind die Dinge nicht. Als das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz im Sommer 1953 vom Bundestag angenommen wurde, hat man sich ausgerechnet, daß man etwa 1,2 Milliarden DM brauchen würde, damit in fünf Jahren die Kriegsgefangenen ihre ihnen gesetzlich zustehenden Gelder erhalten. Das bedeutet doch, daß in jedem Haushaltsjahr rund 240 Millionen DM bereitgestellt werden müssen. Im Haushaltsjahr 1954 haben wir zunächst 50 Millionen DM im Haushaltsplan gehabt. Als dieser Betrag im Oktober ausgegeben war, hat der Herr Bundesfinanzminister noch einmal 50 Millionen DM nachgeschoben. Diese 50 Millionen DM konnten aber im alten Haushaltsjahr nicht mehr ausgegeben werden, weil die Länder Wert darauf legten, daß der Aufruf der Dringlichkeitsstufen durch Rechtsverordnungen geregelt wird. Als diese Rechtsverordnungen im Februar/März 1955 erlassen wurden, war das Haushaltsjahr zu Ende. Diese 50 Millionen DM waren aber bereits verplant. Man kann also nicht sagen, wenn man in diesen Haushalt 150 Millionen eingesetzt hat und die 50 Millionen DM, die bereits im Vorjahr verplant waren, zusätzlich gibt, daß der neue Haushaltsplan einen Ansatz von weiteren 200 Millionen DM bringe. Er bringt tatsächlich nur 150 neue Millionen DM, denn die anderen 50 Millionen DM sind aus dem alten Haushalt und resultieren praktisch aus dem Zeitverlust in der verwaltungsmäßigen Bearbeitung des vorjährigen Ansatzes, für den schon akute Verplanungen vorliegen.
Es sieht also insgesamt so aus, daß wir jetzt in zwei Jahren insgesamt 295 Millionen DM für die Kriegsgefangenenentschädigung bereitgestellt haben, wenn wir einmal die 45 Millionen DM für
Kann-Leistungen im außerordentlichen Haushalt dieses Jahres hinzunehmen. Was hätten wir praktisch ansetzen müssen? 480 Millionen DM, wenn die 240 Millionen DM jährlich angesetzt werden sollten, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, den Gesamtbetrag von 1,2 Milliarden DM in fünf Jahren bereitzustellen. Also wir sind ganz gewaltig im Rückstand. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß wir es uns erlauben können, etwa aus den Pflichtleistungen Abstriche zu machen. Das geschieht aber beispielsweise schon, wenn man sagt, daß aus dem Tit. 300 5 Millionen DM als Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat gewährt werden sollen.
Es besteht gar kein Zweifel — dafür liegen ja die praktischen Arbeiten und Berechnungen des zuständigen Ressortministeriums vor —, daß die 50 Millionen DM des vorigen Jahres verplant sind, daß für weitere Anträge bereits 120 Millionen DM verplant sind und daß also aus diesem Haushalt nur noch eine Reserve von 30 Millionen DM vorhanden ist. Kommen weitere Heimkehrer — und das wollen wir doch erhoffen —, dann haben wir normalerweise überhaupt kaum noch Geld zur Verfügung, das wir den Heimkehrern geben könnten; denn diese kommen als Spätestheimkehrer natürlich sofort in die Dringlichkeitsstufe 1. Es liegt also eine sehr große Gefahr darin, aus dem Ansatz für die Pflichtleistungen jetzt Zweckbindungen für die Kann-Leistungen vorzunehmen.
Noch eines, meine Damen und Herren! Auch die Kann-Leistungen in Höhe von 45 Millionen DM reichen ja nicht aus. Nach den Berechnungen des Heimkehrerverbandes werden 100 Millionen DM notwendig sein. Nach unseren im Ausschuß in Zusammenarbeit mit dem Fachministerium angestellten Berechnungen liegen jetzt schon Anträge in Höhe von rund 69 Millionen DM vor, obwohl der Personenkreis der bisherigen Antragsteller kleiner ist, als er nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vorgesehen ist; denn bisher haben Anträge nur diejenigen gestellt bzw. wurden Anträge nur von denjenigen in Bearbeitung genommen, die nach der 2. Leistungs-Durchführungsverordnung zum Lastenausgleichsgesetz antragsberechtigt waren. Es kommt aber jetzt noch der Kriegsgefangenenjahrgang 1947 hinzu, und es kommen weiterhin die Zivilverschleppten und Zivilinternierten hinzu. Der Kreis der Antragsteller wird also größer. Bei Berücksichtigung der aufgerufenen Dringlichkeitsstufen und der zu erwartenden Anträge wird also die Summe von 45 Millionen DM keinesfalls ausreichend sein. Bei bescheidener Errechnung kommt man auf ein Volumen von 70 Millionen DM, das vielleicht sogar nicht ausreichend sein wird.
Es ist das dringende Anliegen doch wohl aller in diesem Hause — das haben wir ja am 26. Mai schon einmal bekundet —, daß hier keine Sparmaßnahmen getroffen oder Sparüberlegungen angestellt werden sollten. Werden die Gelder wirklich nicht ausgegeben, dann sind sie ja nicht verloren, sondern sie werden auf den nächsten Haushalt übertragen werden können. Ich möchte noch einmal betonen, daß es sich hier um Darlehen handelt, also um Gelder, die nicht für immer verloren sind, sondern die eines Tages wieder zurückfließen.
Deshalb richte ich im Namen der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE noch einmal die herzliche Bitte an Sie — es ist praktisch nur die Wiederholung der von Ihnen bereits am 26. Mai ausgesprochenen Zustimmung —: Sparen wir in diesem Falle nicht! Geben wir den Kriegsgefangenen, was ihnen geziemt, damit die Leidenszeit und die ungeheure Not, die sie erlitten haben, durch eine rasche Eingliederung in das Wirtschaftsleben und ihre Einbeziehung in die soziale Gerechtigkeit beendet werden!
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Minister Dr. Oberländer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 26. Mai behandelte das Plenum des Hohen Hauses den Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, Drucksache 1374, zur Bedienung des Teils II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes 70 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen. Die Redner aller Fraktionen bekannten sich zu diesem Antrag. Es erfolgte sodann ein einstimmiger Beschluß, den Antrag dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Das geschah gegen 12.30 Uhr.
Während der Tagung des Plenums verhandelte auch der Haushaltsausschuß. Er hat am Vormittag den Ergänzungshaushalt meines Ministeriums beraten. Auf der Tagesordnung der Nachmittagssitzung des Haushaltsausschusses war verständlicherweise die Behandlung des soeben im Plenum angenommenen Antrags noch nicht vermerkt. Nach dem Kurzprotokoll der 93. Sitzung des Haushaltsausschusses wurde dann der um die Mittagszeit gefaßte Beschluß des Plenums als Punkt 11 der Tagesordnung behandelt. Das geschah nach meinen Informationen gegen 21.45 Uhr. Eine Benachrichtigung war an mein Ministerium nicht ergangen, obwohl es in dieser Angelegenheit federführend ist. Als Vertreter der Bundesregierung war Ministerialdirigent Vialon vom Bundesfinanzministerium anwesend, der einer Behandlung der Angelegenheit in der Abwesenheit des federführenden Ministeriums nach dem Protokoll nicht widerriet. Mit allen gegen eine Stimme kam nun der Beschluß zustande, die in zwei Kabinettsvorlagen meines Hauses begründete und vom Antrag des BHE aufgenommene Bereitstellung von 70 Millionen DM für die Erfüllung des Teils II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes auf 50 Millionen zu kürzen und davon 45 Millionen in den außerordentlichen Haushalt zu placieren. Wäre mir die Möglichkeit gegeben gewesen, an den Beratungen des Haushaltsausschusses teilzunehmen, hätte ich dem Ausschuß Zahlenmaterial vorlegen können, das bereits in meinen Kabinettsvorlagen vom 16. Oktober 1954 und vom 6. Mai 1955 enthalten war.
Ich darf die Gelegenheit dieser abermaligen Behandlung im Plenum benutzen, um diese Zahlen nun hier bekanntzugeben. Nach einer Mitteilung des Bundesausgleichsamtes, das bis zum Inkrafttreten des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes Darlehen für Existenzaufbau und Wohnungsbau an Heimkehrer im Rahmen des § 3 der Zweiten Leistungs-Durchführungsverordnung zum Lastenausgleichsgesetz aus dem Härtefonds des Lastenausgleichsgesetzes gewährte, blieben rund 6500 Anträge für Existenzaufbau und 4500 Anträge für
Wohnungsbeschaffung unerledigt. Unter Zugrundelegung eines Durchschnittsbedarfs von 8200 DM für Existenzaufbau und von 3400 DM für Wohnraumbeschaffungsdarlehen ergibt sich ein Bedarf von insgesamt 65 Millionen. Dieser Bedarf erhöht sich aus zwei Ursachen: Erstens, weil nach dem Teil II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes auch Haushaltshilfe gewährt werden soll, zweitens, weil der Personenkreis aus dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz größer ist als jener des § 3 der Zweiten Leistungs-Durchführungsverordnung, und zwar um den Entlassungsjahrgang 1947 der Kriegsgefangenen und die seit 1947 entlassenen Zivilverschleppten und Zivilinternierten.
Die Summe von 70 Millionen stellt also, zum mindesten was den Bedarf angeht, keinen Maximalbetrag, sondern einen Mindestbetrag dar. Ich glaube allerdings darauf hinweisen zu müssen, daß es nach meiner persönlichen Meinung notwendig ist, die Mittel in ausreichender Höhe und sofort greifbar zur Verfügung zu stellen, wenn nicht weiterhin Zeit verloren werden soll. Es stehen nur noch neun Monate des laufenden Haushaltsjahres zur Verfügung.
Es handelt sich bei diesen Mitteln mit Ausnahme der Haushaltshilfe, die nur 8 % der Gesamtsumme ausmachen, um Darlehen, deren Rückzahlung durch die Leistung aus dem Teil I des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes zu einem wesentlichen Teil gesichert ist. Wohnungsbeschaffung und Existenzbegründung für die Spätheimkehrer sind ein soziales Anliegen.
Ich würde es begrüßen, wenn das Hohe Haus einen Beschluß herbeiführte, wonach diese Mittel so bereitgestellt werden, daß über sie vom 1. Juli an laufend verfügt werden kann. Wenn 77 Millionen bewilligt werden, dann können 5 Millionen auch wieder für die Pflichtleistung frei gemacht werden.
Im übrigen glaube ich sagen zu können: Wenn heute neue Heimkehrer kommen — und wer von uns hofft nicht, daß neue Heimkehrer kommen —, dann werden die Regierung und das Hohe Haus wohl selbst neue Beträge bewilligen. Es gibt gewiß nichts, was wir lieber täten. Ich glaube, das sogar für den Herrn Finanzminister sagen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter Kollege Gengler hat bereits darauf hingewiesen, daß der Einzelplan der sozialen Kriegsfolgeleistungen mit seinem Zuschußbedarf von 61/2 Milliarden der finanziellen Auswirkung nach einer der wichtigsten Einzelpläne des Bundeshaushalts ist. Nur zu einem Punkt seines Schriftlichen Berichts möchte ich Zweifel an dem, was er geschrieben und gesagt hat, äußern, daß nämlich die Gesamtheit der sozialen Leistungen wegen ihrer finanziellen Höhe nun als „eine soziale Großtat ersten Ranges" angesprochen werden könne. Ich meine, daß derartige Werturteile überhaupt nicht in den Schriftlichen Bericht eines Ausschusses gehören; denn da sollte doch eigentlich nur die trockene und nüchterne Sachlichkeit das Wort haben.
Werturteile werden an anderer Stelle zu fällen sein. Für eine ausreichende soziale Hilfe für diejenigen, die infolge des Krieges und seiner Folgen unverschuldet in bittere Not geraten sind, ist allein oder Lebensstandard des einzelnen betroffenen Menschen .maßgebend,
und jeder einzelne von ihnen muß frei von Not und frei von Angst ein Leben führen können, das menschenwürdig und materiell gesichert ist. Wenn das durch die Anstrengung ,der Gesamtheit erreicht sein sollte, dann wird die Geschichte einmal von einer sozialen Großtat sprechen können. Jeder von uns weiß jedoch ganz genau, daß wir von diesem Ziel noch weit entfernt sind.
Jeder von uns weiß, daß trotz der großen Beträge, die bei den sozialen Kriegsfolgeleistungen veranschlagt sind, der Lebensstandard der einzelnen, die versorgt werden müssen, oft unter dem Existenzminimum liegt. Hier bleibt für die Gesamtheit noch ein weites Feld, um ihre Solidarität mit denjenigen 'zu beweisen, die durch die Maßnahmen des Staates unverschuldet in Not geraten sind. Diese Solidarität ist eine moralische Verpflichtung, von deren Erfüllung wir noch weit entfernt sind.
Ich weise darauf hin — auch das ist allgemein bekannt —, daß beispielsweise die Versorgung der Veteranen und der Kriegsopfer in allen Ländern der freien Welt materiell für den einzelnen besser geregelt ist, als sie bei uns geregelt ist. Ich weise weiter darauf hin, daß die Versorgung der kranken und arbeitsunfähigen Arbeitnehmer in zahlreichen Ländern der freien Welt ebenfalls besser geregelt ist als bei uns. Ich weiß genau so gut wie Sie, daß wir infolge des verlorenen Krieges und der Umstände, die dadurch auf uns zugekommen sind, dieses Ziel noch nicht haben erreichen können. Sie sind alle bemüht, dieses Ziel einmal zu erreichen. Aber erst dann, wenn es erreicht sein wird, kann man vielleicht davon reden, daß hier die Solidarität aller für den einzelnen das gebracht hat, was wir als moralische Verpflichtung tagtäglich empfinden. In die veranschlagten Milliardenbeträge, die gewiß eine Riesensumme sind, teilen sich ja Millionen von Menschen. Allein die Zahl der Versorgungsempfänger nach dem Bundesversorgungsgesetz beträgt rund 4 300 000, und wir wissen, daß wir noch im Jahre 1980 2 Millionen Kriegsopfer zu versorgen haben werden. Es bedarf weiterer großer Anstrengungen, um das Los nicht nur der Kriegsopfer, sondern auch der Vertriebenen, der Flüchtlinge, der Evakuierten, der Kriegssachgeschädigten, der Heimkehrer, der Rentner und der zahlreichen anderen Gruppen zu lindern. Wir sind da keineswegs am Ende der Entwicklung angekommen. Aber wenn ich von „einer sozialen Großtat ersten Ranges" spreche, dann muß ich das Gefühl haben: Nun ist das Ende der Entwicklung erreicht. Und dagegen muß ich protestieren.
— Ich weiß nicht, Herr Kollege Gengler, wie bei Ihnen nach der „sozialen Großtat ersten Ranges" noch weitere Steigerungsmöglichkeiten bestehen. Bei mir gibt es dann keine mehr. Aber wenn bei Ihnen dann noch die „soziale Großtat allerersten Ranges" und die „soziale Größttat allerersten Ranges" kommen, dann will ich Ihnen gern glauben,
daß wir noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen sind. Die soziale Befriedung durch ausreichende Versorgung ist jedoch noch nicht erreicht, und ich freue mich, Herr Kollege Gengler, wenn auch Sie auf diesem Standpunkt stehen und das in Ihrem Bericht haben zum Ausdruck bringen wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang bitte noch den Änderungsantrag meiner Fraktion begründen, den Sie auf Umdruck 417 *) unter Ziffer 2 finden. Ich darf bei dieser Gelegenheit den Herrn Präsidenten bitten, vorzumerken, daß heute nachmittag um 15 Uhr über den Antrag auf Umdruck 417 nach Ziffern getrennt abgestimmt werden muß, weil Ziffer 1 eine andere Angelegenheit behandelt.
Über die Frage der Kriegsgefangenenentschädigung haben hier Herr Kollege Petersen und Herr Bundesminister Oberländer gesprochen. Ich erinnere daran, daß in der ersten Lesung des Haushalts am 8. Dezember 1954 der Herr Staatssekretär Hartmann in seiner Haushaltsrede festgestellt hat, daß für Beihilfen und Darlehen aus dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz leider keine Mittel zur Verfügung gestellt werden konnten. Er erinnerte aber bei dieser Gelegenheit daran, daß gerade der Herr Bundesfinanzminister, der damals infolge Krankheit nicht hier sein konnte, lieber diese Leistungen als die Pflichtleistungen aus dem Teil I des Gesetzes gepflegt gesehen hätte. Auch die Herren Kollegen Ritzel und Krammig kamen bei der ersten Lesung auf diesen Punkt zu sprechen. Herr Kollege Ritzel sprach damals mit Recht davon, daß man sich dagegen wehren müsse, gesetzlich festgelegte Rechte irgendwie anzutasten. Ich erinnere mich, daß der Herr Kollege Krammig das seinerzeit bezweifelte und behauptete, daß die im Haushalt vorgesehenen Mittel nicht zu gering seien. Ich glaube, er hat damals völlig übersehen, daß nicht nur zu geringe, sondern für einen Teil des Gesetzes überhaupt keine Mittel im Haushalt vorgesehen waren.
Diese Stellungnahme für die CDU/CSU-Fraktion hat dann erfreulicherweise der Herr Kollege Dr. Lindrath am 26. Mai korrigiert. Er setzte sich ebenfalls, wie alle anderen Fraktionen, für eine beschleunigte Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes in a 11 en seinen Teilen ein, und von allen Fraktionen wurde damals beschlossen, dem Haushaltsausschuß einen Antrag des GB/ BHE zu überweisen. Dieser Überweisungsbeschluß enthielt die Auflage, in Kap. 40 10 den Betrag von 70 Millionen DM einzusetzen!
Es gab niemanden in diesem Hause, der die Notwendigkeit dieser Mittel nicht befürwortet hätte.
Ich will deswegen heute hierüber kein Wort mehr
verlieren. Leider ist, wie wir aus dem Bericht des
Haushaltsausschusses sehen, diesem Antrage nicht
in vollem Umfange entsprochen worden. Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, im außerordentlichen Haushalt für Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und für den Existenzaufbau 45 Millionen DM zu veranschlagen, und aus dem ordentlichen Haushalt sollen 5 Millionen DM für die Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat verwendet
*) Siehe Anlage 4.
werden dürfen. Wir beantragen nun, daß von den Mitteln des Tit. 300 im ordentlichen Haushalt statt der erwähnten 5 Millionen DM insgesamt 25 Millionen DM für Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und Existenzaufbau sowie für Beihilfen Verwendung finden sollen. Ich unterstreiche die Wichtigkeit dieser Bewilligung insbesondere für die Wohnraumbeschaffung, weil nämlich seit dem 1. April praktisch adle Heimkehrer-Bauvorhaben zum Erliegen gekommen sind und die Eingaben sich auf unseren Tischen häufen, in denen von halbfertigen Bauten berichtet wird, die nicht zu Ende geführt werden können, weil die Mittel aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs nicht mehr fließen und die entsprechenden Mittel aus dem Teil II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes noch nicht zur Verfügung stehen. Durch die Annahme unseres Antrages wird die Gesamthöhe des Haushaltes nicht berührt, es wird lediglich die Zweckbestimmung dies vorhandenen Titels anders eingeteilt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Kollege Merten, gestatten Sie eine Zwischenfrage! Sind Sie sich dessen bewußt, daß nach Ihrem Vorschlag dann die Pflichtleistungen in einer sehr entscheidenden Weise vermindert werden müßten?
Auf diesen Punkt komme ich noch im weiteren Verlauf meiner Ausführungen zu sprechen, Herr Kollege! Ich bitte, die Beantwortung bis dahin verschieben zu dürfen. Ich habe gesagt, daß durch die andere Einteilung der Zweckbestimmung dieses Titels die Gesamthöhe des Haushalts nicht berührt wird, daß wir andererseits aber dadurch dem Wunsche des Bundesvertriebenenministers entgegen kämen, daß sofort Mittel zur Verfügung stehen, um hieraus die Darlehen für Existenzaufbau und Wohnraumbeschaffung zu gewähren. Sie wissen genau, daß, wenn die Mittel im außerordentlichen Haushalt veranschlagt sind, sie nicht sofort zur Verfügung stehen. Wenn aber ein Teil dieser Mittel aus dem ordentlichen Haushalt genommen werden kann, dann stehen sie sofort zur Verfügung, bis dann die Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt auf dem Kapitalmarkt beschafft worden sind.
Durch unseren Antrag würde nun erreicht, daß ohne Erhöhung des Gesamtplafonds des Haushalts trotzdem die 70 Millionen DM zur Verfügung stünden, die am 26. Mai hier beschlossen worden sind. Da die Darlehen praktisch auf die Entschädigungen angerechnet werden, wenn es auch theoretisch anders geregelt ist, wie der Herr Berichterstatter vorhin hier ausgeführt hat, entsteht auch in der weiteren Abwicklung der Entschädigungsleistungen in den kommenden Jahren keine Schwierigkeit, weil dann aus diesen Mitteln lediglich das bezahlt wird, was ohnedies im dritten oder vierten oder fünften Jahr der Abwicklung dieses Gesetzes bezahlt werden müßte. Wir aber erreichen durch die vorzeitige Zahlung und die Anwendung der Anrechnungsbestimmungen, daß die Härtefälle und die sozial schwierigen Fälle aus der Gesamtheit der Fälle herausgenommen werden. Ich verweise auch in diesem Zusammenhang auf die Bundesratsdrucksache Nr. 162, die einen ähnlichen Antrag
des Landes Hessen enthält, wie er heute hier gestellt worden ist.
Ich darf bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß die in den sonstigen Kapiteln des Haushalts für die Betreuung der Heimkehrer ausgeworfenen Mittel verhältnismäßig gering sind. Im Kap. 11 11 werden im Rahmen der Arbeitslosenhilfe für die Unterstützung der Berufsfürsorge für Heimkehrer
4 Millionen DM ausgebracht. Das sind rund 2 Millionen DM weniger als im vorigen Jahre. Im Kap. 1113 sind für die Krankenhilfe für Heimkehrer 2 Millionen DM vorgesehen. Das ist erfreulicherweise etwas mehr als in den vergangenen Jahren.
Diese Zahlen beruhen auf den Bedürfnissen der Kriegsgefangenen, die bereits das Glück hatten, in die Heimat zurückzukehren. Das gilt auch für die Beträge, die für das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz ausgeworfen worden sind. Sie beruhen auf den Ansprüchen der Kriegsgefangenen, die bereits zurückgekehrt sind. Wir hoffen und wünschen aber, daß die baldige Heimkehr der letzten Kriegsgefangenen das Reden von der Entspannung in der Welt zur Tat werden läßt. Dann wird das Hohe Haus, wie das bereits erwähnt worden ist, ohne Zweifel freudig bereit sein, die finanziellen Voraussetzungen für die Eingliederung unserer lang erwarteten Brüder und Schwestern aus der Gefangenschaft durch die nachträgliche Bewilligung der dann notwendigen Mittel zu schaffen. Hier und heute können wir aber den bereits Zurückgekehrten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich bitte Sie deshalb, dem von uns gestellten Antrag Ihre Zustimmung nicht zu verweigern und den Antrag Umdruck 417 Ziffer 2 heute nachmittag bei der Abstimmung zu billigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zum Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen, im wesentlichen auch noch den einen Wunsch, daß die noch weit über 200 000 unerledigten Rentenanträge in der Kriegsopferversorgung im nächsten Jahr endlich ihre Bearbeitung erfahren; denn es geht nicht an, daß zehn Jahre nach Beendigung des Krieges durch den Krieg geschädigte Menschen noch keinen Bescheid haben, ob sie nun einen Anspruch haben oder nicht. Aus diesem Grunde, eben weil noch diese Großzahl der unerledigten Anträge vorliegt, hat meine Fraktion auf Umdruck 417 Ziffer 1 den Antrag gestellt, für die sogenannten Härtefälle einen Mehrbetrag von 5 Millionen DM einzusetzen. Die jetzige Position macht 12,6 Millionen DM aus. Nach übereinstimmenden Aussagen der Leiter von Versorgungsämtern mußten im vergangenen Jahr gut ein Drittel all dieser Anträge abgelehnt werden, und zwar nicht aus sachlichen Gründen, sondern weil für diese Anträge kein Geld mehr vorhanden war. Da man nun erkennt, daß in der Vergangenheit ein Drittel der Anträge abgelehnt werden mußten, und man weiß, daß in diesem Jahre und auch noch in den folgenden Jahren, wie Herr Kollege Petersen ebenfalls ausführte, gerade auf dem Gebiete der Auslandsversorgung eine erhebliche Zahl von Anträgen auf uns zukommen werden, halte ich es für angebracht, diese Position um
5 Millionen DM zu erhöhen. Ich bitte Sie ganz herzlich und dringend, unserem Antrag Umdruck 417
Ziffer 1 heute nachmittag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was sich hier vorhin ereignet hat, als der Herr Bundesminister O b er l ä n d er sprach, scheint mir eine Neuerung in der Geschichte der parlamentarischen Auseinandersetzungen zu sein,
— beruhigen Sie sich, Herr Kollege Samwer; ich komme auf den Punkt — eine Neuerung nicht nur deshalb, weil die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive bisher ziemlich eindeutig in der Weise geklärt waren, daß die Regierung — und nicht einzelne Minister kontra andere Minister oder Ressorts — hier einen Standpunkt vertritt. Es ist auch insofern eine Neuerung, als doch hier offenkundig der Versuch gemacht worden ist, im Wege einer beinahe tendenziösen Darstellung der Beratungen des Haushaltsausschusses dem Hause eine bestimmte Meinung zu suggerieren. Ich muß mich ganz entschieden gegen den Versuch wehren, die Sache so darzustellen, als ob der Haushaltsausschuß etwa die Verpflichtung gehabt hätte, den Herrn Bundesminister für Vertriebene zu hören, als er über einen Antrag beriet, der ihm während der Beratungen, die vormittags 9 Uhr 30 begannen und bis spät in die Nacht, beinahe bis Mitternacht andauerten, von dem Herrn Präsidenten auf Grund eines Beschlusses des Hauses überwiesen worden war. Wir haben diesen Antrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Haushaltsausschuß beraten, und ich verwahre mich dagegen, daß hier der Eindruck erweckt wird, als ob wir das gerade noch als Punkt 11 der Tagesordnung behandelt hätten.
Was ist denn schließlich noch die Aufgabe des Haushaltsausschusses, meine Damen und Herren, wenn man Beschlüsse des Hauses auf Überweisung eines Antrags so bewertet, als ob der Ausschuß dann daran gebunden sei?!
Dann können wir uns ja die Mühe der Beratung ersparen, und das Haus mag gleich im ersten Aufwaschen seine Beschlüsse fassen und uns gefälligst mit der Arbeit verschonen.
Man muß das ganz deutlich aussprechen.
Im übrigen, Herr Bundesminister, wage ich zu bezweifeln, daß das, was hier in der Debatte über diesen Antrag von diesem oder jenem Mitglied Hauses gesagt worden ist, die einhellige Meinung des Hauses war. Wir wissen doch, wie es bei Debatten zugeht. Da sprechen die Vertreter einer bestimmten Auffassung. Aber bei der ersten Beratung eines solchen Antrags faßt das Haus doch keinen im letzten bindenden Beschluß, und die Ausschüsse wären ganz allgemein völlig überflüssig, wenn man Anträge, die hier beraten und ihnen überwiesen werden, so bewerten wollte.
Schließlich möchte ich offen sagen: der Haushaltsausschuß ist verpflichtet — und ich glaube, jeder Ausschuß, der vom Plenum des Hauses irgendeinen Auftrag bekommt, ist verpflichtet —,
einen Weg zu suchen, der den verschiedenen Interessen und Auffassungen entspricht, d. h. einen Kompromiß zu finden. Jeder Ausschuß, und vor allem der Haushaltsausschuß, muß sich dabei auf die Mitteilungen der betreffenden Ressorts verlassen können. Aber auszusortieren, ob nun das Ressort für Heimatvertriebene und Kriegsgefangene oder das Finanzressort richtig liegt, das ist nicht Sache des Ausschusses.
Ich möchte mir entschieden verbitten — ich sage das mit aller Betonung —, daß etwa auf dem Rükken des Haushaltsausschusses Meinungsverschiedenheiten der verschiedenen Regierungsressorts ausgetragen werden.
Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister bitten, hier auch seine eigenen Beamten gegen die Versuche in Schutz zu nehmen, ihre Stellungnahme im Ausschuß etwa als einen Husarenritt zu kennzeichnen, der nicht die Deckung der Bundesregierung findet. Wenn das so wäre, könnten wir uns in Zukunft überhaupt auf keine Mitteilung der Beamten mehr verlassen. Ich glaube also, der Herr Bundesfinanzminister hätte die Aufgabe, hier anzutreten, nachdem sein Kollege vom Vertriebenenressort es für richtig gehalten hat, vor dem Hause einen Einzelgang zu machen.
Das Wort hat der Herr Minister Oberländer.
Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß es mir völlig ferngelegen hat, dem Haushaltsausschuß irgendeine tendenziöse Meinung, wie Sie gesagt haben, zu unterstellen, sondern ich möchte eindeutig sagen: Sie haben eben selbst erklärt, Herr Kollege Schoettle, daß Sie auf die Mitteilungen der Ressorts angewiesen sind. Ich glaube, aus der Rede von Herrn Kollegen Merten schließen zu können, daß er, wenn er gewußt hätte, welche Unterlagen ich hier habe, im Haushaltsausschuß vielleicht auch anders gestimmt hätte. Mir lag doch nur an der einfachen Feststellung, daß ich keine Gelegenheit hatte, das Material, das mir bei der Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage und bei der Bedeutung der 70 Millionen DM notwendig erschien, dem Haushaltsausschuß zu unterbreiten.
Das habe ich festgestellt.
Ob ich mit dem Finanzministerium in der Frage der 70 Millionen DM nicht übereinstimme, dazu wird vielleicht das Finanzministerium Stellung nehmen; das weiß ich nicht. Wenn ich diese Dinge hier bringe, ist das meine Verantwortung. Ob ich sie vor der Regierung verantworten kann, werde ich dort klären. Ich darf nur sagen, daß es mir völlig fern lag, hier eine tendenziöse Meinung festzustellen. Ich wollte nur feststellen, daß es mir nicht möglich war, dies mitzuteilen.
Allerdings erschien mir das wichtig, denn, Herr Kollege Schoettle, ich habe am letzten Sonntag in der Kriegsgefangenenfrage wegen der fehlenden 20 Millionen DM einiges erlebt. Aus den Reihen der Heimkehrer sind Vorwürfe erhoben worden, von denen ich im Interesse aller, Regierung und Parlament, gewünscht hätte, sie wären uns erspart geblieben. Ich glaube, wir hätten sie uns ersparen können. Jedenfalls war, was am letzten Sonntag in Hannover gewesen ist, für uns alle, glaube ich, kein Ruhmesblatt.
Sehen Sie, deswegen habe ich das hier gesagt; ich möchte noch einmal betonen: ohne jede Spitze, sondern im Interesse der Menschen, die heute, glaube ich, ein Recht haben, das zu fordern, und für die ich mich verantwortlich fühle. Aus diesem Grunde glaubte ich das sagen zu dürfen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich schon vor einiger Zeit zum Wort gemeldet, um nach der Begründung der Anträge in Umdrukken 417 und 385 kurz zu ihnen Stellung zu nehmen.
Zunächst darf ich auf den Antrag Ziffer 1 in Umdruck 417*) eingehen; das ist der Antrag, die Unterstützungstitel in der Kriegsopferversorgung von 12,6 Millionen DM um 5 Millionen DM auf 17,6 Millionen DM zu erhöhen. Ich bemerke hierzu folgendes. In den vergangenen Jahren hat dieser Unterstützungsfonds ausgereicht. Der Personenkreis, auf den sich der Unterstützungsfonds bezieht, nimmt nicht zu, sondern ab; es ist mit einer Abnahme von rund 100 000 Menschen zu rechnen. Infolgedessen kann ich einen inneren sachlichen Grund, der ausgerechnet eine Summe von 5 Millionen DM rechtfertigen würde, nicht anerkennen.
Ich weiß, daß inzwischen auch von anderen Parteien des Hauses auf demselben Gebiet ein Antrag gestellt worden ist, der eine Erhöhung vorsieht, möchte aber bemerken, daß alle Anträge, die eine Erhöhung von Ausgaben vorsehen, mit einem Dekkungsvorschlag versehen sein sollten und Anträge nur dann, wenn mit ihnen ein Deckungsvorschlag verbunden ist, ohne Schwierigkeiten in den Haushalt eingegliedert werden könnten.
Zu dem Antrag Ziffer 2 in Umdruck 417 darf ich darauf hinweisen — das ist schon aus der Mitte des Hauses in Zwischenrufen zum Ausdruck gekommen —, daß die Erhöhung der Kann-Leistungen, also der Beihilfen, von 5 auf 25 Millionen DM im ordentlichen Haushalt zur Folge haben würde, daß sich die Auszahlung, die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber den Kriegsgefangenen, zumindest verzögert,
nämlich insofern, als die Mittel in diesem Jahre nicht zur Verfügung stünden und infolgedessen im nächsten Jahr nachgeholt werden müßten. Das wäre auch eine Vorausbelastung der kommenden Jahre. Das ist das Bedenken, das ich gegen diesen Antrag äußern möchte.
Nun zu dem Antrag in Umdruck 385**). Meine Damen und Herren, ich darf zunächst auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle eingehen. Ich muß ihnen grundsätzlich beitreten, weil sie sachlich richtig sind. Ich glaube auch, feststellen zu können — soweit es Herren meines Hauses betrifft —, daß deren Verhalten im Haushaltsaus-
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 3.
schuß keinen Tadel verdient. Ich muß empfehlen, dem Beschluß des Haushaltsausschusses beizutreten, selbst wenn oder gerade wenn man der Meinung ist, daß der Gesamtbedarf auf diesem Gebiet annähernd 70 Millionen DM sein wird. Denn es ist bisher übersehen und in der Debatte nie berührt worden, daß zu den Mitteln, die im Bundeshaushalt genehmigt werden, nach § 45 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes in der Fassung des kürzlich verkündeten Vierten Überleitungsgesetzes die Länder noch eine Quote von 20 % — berechnet aus der Gesamtsumme — hinzuzusetzen haben. Wenn ich also hier im Bundeshaushalt eine Summe von 45 + 5 = 50 Millionen in Aussicht nehme, dann ist die tatsächliche Leistung 62,5 Millionen DM, kommt also der Bedarfsdeckung nahe. Wenn ich dagegen jetzt 70 Millionen im Bundeshaushalt einsetze, dann würden unter Einbeziehung der Länderleistungen 87,5 Millionen DM vorgesehen werden, also eine Summe, die weit über dem geschätzten Bedarf liegt.
Infolgedessen bin ich der Überzeugung. daß der
Haushaltsausschuß bei seiner Beschlußfassung richtig gehandelt hat, und ich darf deswegen bitten,
es bei dem Beschluß des Haushaltsausschusses zu belassen.
Ich darf aber eine ergänzende Feststellung dazu treffen. Der Kollege Oberländer hat darauf hingewiesen, daß j a auch der Fall eintreten könne, daß die Zahl der Heimkehrer sich unerwartet und unvorhergesehen vermehrt. Wir hoffen alle, daß diejenigen, die noch von uns getrennt sind, möglichst bald zu uns zurückkehren können. Dem Wunsch des Kollegen Oberländer, daß der Bundesfinanzminister sich in diesem Fall in der Lage sehen möge, durch eine überplanmäßige Zahlung — und für unerwartete Ereignisse sind überplanmäßige Zahlungen möglich — diesen Bedarf zu decken, entspricht der Bundesfinanzminister sehr gern.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse die Kontroverse mit angehört, die sich soeben zwischen dem Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und dem Herrn Bundesminister Oberländer abgespielt hat. Wenn der Herr Kollege Schoettle die Anliegen des Haushaltsausschusses verteidigt und vertritt, dann tut er das immer mit der ihm eigenen und vielleicht auch mit der uns Schwaben eigenen Entschiedenheit. Da geht mir immer das Herz auf, und ich bin immer bereit, ihm recht zu geben, soweit er recht hat.
Aber ich muß ihm leider sagen, daß ich den Eindruck habe, daß er hier nicht ganz im Recht ist, nicht ganz im Recht! Wenn ich den Herrn Bundesminister Oberländer richtig verstanden habe, so war es j a nur sein Anliegen, Gelegenheit zu bekommen, bei der Beratung des Haushaltsausschusses die Anliegen seines Ressorts zu vertreten,
und er hat sich nur dagegen gewehrt, daß der Haushaltsausschuß in dieser Sache einen Beschluß, der offenbar von großer Tragweite war, gefaßt hat, ohne daß er als Vertreter des verantwortlichen
Ressorts Gelegenheit gehabt hat, seine Sache zu vertreten und dem Haushaltsausschuß das Material vorzulegen, das für die Entscheidung des Haushaltsausschusses von Bedeutung sein mußte.
Lieber Herr Kollege Schoettle, ich appelliere an Ihr Gefühl für Fairneß und Gerechtigkeit und bitte Sie, dem zuständigen Ressortminister nicht abzusprechen, daß er ein legitimes Anliegen vertritt, wenn er dem Hause vorgetragen hat, daß dieser Beschluß des Haushaltsausschusses gefaßt worden ist, ohne daß der Haushaltsausschuß Gelegenheit hatte, das Material, die Zahlen zu bekommen, die für die Beurteilung dieser Angelegenheit maßgebend und bestimmend sind.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Probst.
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Der Herr Berichterstatter hat auf die außerordentlichen Leistungen der deutschen Sozialpolitik hingewiesen, und ich glaube, daß der Deutsche Bundestag allen Grund hat, dem zuzustimmen. Wenn heute mit den Aufwendungen der Länder insgesamt 22 Milliarden DM vom deutschen Volke für soziale Leistungen aufgebracht werden, dann müssen wir auch einmal in der Öffentlichkeit aussprechen, daß hier eine Anstrengung außerordentlicher Art getätigt wird.
Diese Feststellung soll keineswegs besagen, daß nach unserer Auffassung die soziale Aufgabe erfüllt sei. Ganz im Gegenteil! Ich darf daran erinnern, daß von unserer Seite und von der Regierungskoalition immer wieder die Priorität der sozialen Aufgaben vor allen übrigen Aufgaben betont worden ist. Ich möchte das gerade auch in diesem Augenblick wiederholen, in dem wir in die Beratung der Wehrgesetzgebung eintreten.
Lassen Sie mich nun zu den konkreten Fragen kommen, die heute vormittag hier angesprochen worden sind. Das sind einmal die Unterstützungen in der Kriegsopferversorgung. Die Unterstützungen haben den Zweck, in besonderen akuten Notlagen, die vom Bundesversorgungsgesetz her nicht erfaßt werden können, den Kriegsopfern zu helfen. Dieser Unterstützungsfonds hat den Sinn eines sozialpolitischen Ausgleichs. Es kommt ihm also an sich schon eine außerordentliche Bedeutung zu. Ich darf aber außerdem darauf hinweisen, daß inzwischen insofern eine Ausweitung der Wirkungsbreite dieses Fonds erfolgt ist, als die Auslandsversorgten einbezogen sind, insbesondere auch die Leistungen der Heilbehandlung, die bei der Auslandsversorgung .nur in der Höhe gewährt werden, wie die Kosten im Inland für die Heilbehandlung anfallen würden. Es gibt aber eine Reihe von Ländern, in denen die Heilbehandlungskosten bedeutend höher liegen als die Kosten, die im Inland aufgewendet werden müßten. Hier ist also ein legitimes Anliegen gegeben, diesen Fonds zu erhöhen, und ich bitte, dem Antrag der Koalitionsparteien Ihre Zustimmung zu geben.
Zur Darlehnsgewährung im Rahmen der Heimkehrergesetzgebung darf ich sagen, daß gerade wir es gewesen sind — ich darf hier auch sagen: insbesondere ich —, die immer wieder auf die außerordentliche Bedeutung dieser Darlehen und Zu-
schösse hingewiesen haben, die in der Tat dem einzelnen Schicksal gerecht werden und die dem besonderen Bedarf im Einzelfall zu entsprechen vermögen. Das ist ja bei der reinen Entschädigungsleistung in keiner Weise der Fall. Wir sind also der Ansicht, daß alles geschehen muß, um gerade diesen Teil des Heimkehrerentschädigungsrechts so rasch wie nur möglich zu verwirklichen. Ich muß hier auf die Gefahr hinweisen, die im Augenblick dadurch gegeben ist, daß eine große Anzahl von Bauten von Spätheimkehrern notleidend werden, weil die Leistungen nach § 301 des Lastenausgleichsgesetzes auslaufen, ja praktisch schon ausgelaufen sind
und die Mittel für Darlehen aus dem Heimkehrerentschädigungsgesetz noch nicht zur Verfügung stehen. Wir sind der Meinung, daß die 45 Millionen DM eine erste Rate sind und daß dieser Betrag so rasch wie möglich verfügbar gemacht werden muß. Die Besprechungen zwischen den Ressorts, die im Augenblick im Gang sind, und die Besprechungen der Ressorts mit den Ländern dürfen sich nicht derartig verzögern, daß dadurch die Bausaison in diesem Jahre versäumt wird. Ich möchte den Wunsch aussprechen, die Bundesregierung möge dafür sorgen, daß diese Darlehen und Zuschüsse bis zum 1. Juli unter allen Umständen anlaufen.
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Lassen Sie mich zur Frage der Kriegsopferversorgung im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung insbesondere auf ein dringliches Problem hinweisen. Es erscheint mir notwendig, die Frage der Nachuntersuchungen in der Art, wie sie heute getätigt werden, hier zu behandeln. Dieses Problem muß im Kriegsopferausschuß und damit auch im Hohen Hause in einer Sonderbehandlung eingehend beraten werden. Dadurch, daß in der Gerichtsinstanz ein hoher Prozentsatz der Ergebnisse dieser Nachuntersuchungen—und damit Herunterstufungen — wieder aufgehoben wird, zeigt sich ihre volle Fragwürdigkeit. Durch diese Methode entsteht eine derartige Blockierung der Gerichtsinstanzen, ein so hoher Aufwand auf dem Verwaltungssektor, daß wir von der Volksvertretung her die Dinge auch haushaltsmäßig ansprechen müssen und den Wunsch an die Bundesregierung herantragen, die jetzige Art der Nachuntersuchung einer strengen Revision zugunsten der Kriegsopfer zu unterziehen.
Abschließend empfehle ich dem Hohen Hause, dem Antrag der Koalitionsparteien auf Erhöhung der Unterstützungsmittel zuzustimmen, im übrigen den Antrag des Herrn Kollegen Merten abzulehnen, der nach meiner Überzeugung eine Manipulation darstellt, die die Durchführung der Heimkehrerentschädigung gefährden könnte.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Ich habe eine Zwischenfrage an die Frau Kollegin.
Dann bitte ich Sie doch, Frau Probst, wieder heraufzukommen.
Frau Kollegin, ich hätte eine Frage an Sie. Es ist mir nicht ganz klargeworden, was Sie nun bezüglich der Kriegsgefangenenentschädigungsleistungen als Mittel für die KannLeistungen Ihrerseits befürworten, ob Sie meinen, daß 45 Millionen DM ausreichend sind. Sie sprachen vorhin von einer ersten Rate. Das Entscheidende ist doch, daß hier mit dem Ratensystem kaum gearbeitet werden kann.
Ich bin der Meinung, es kommt zunächst darauf an, daß diese 45 Millionen zum Anlaufen kommen. Wir haben. vom Herrn Bundesfinanzminister gehört, daß wir mit der 20%igen Erhöhung, die von den Ländern dazukommt, dem geforderten Betrag sehr nahekommen. Ich betone aber nochmals: nachdem bereits das halbe Kalenderjahr vorüber ist, ist es das Entscheidende, daß die Summe als erste Rate so rasch wie nur möglich greifbar gestellt wird und zum Anlaufen kommt. Ich kann nur noch einmal, genau so wie das Herr Kollege Keller getan hat, meine Bedenken gegenüber dem Vorschlag des Herrn Kollegen Merten äußern, mit Haushaltsmanipulationen Dinge zu tun, die letzten Endes zu einer Gefährdung des Etats für die Heimkehrerentschädigung führen könnten.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Herrn Bundesfinanzminister insofern zustimmen, als es auch mir gefährlich erscheint, in dem Tit. 300 die Zweckgebundenheit für die Kann-Leistungen auf Kosten der Pflichtleistungen noch zu erhöhen.
Denn ich habe mir erlaubt, schon darzulegen, daß bis jetzt schon von den 150 Millionen DM, die im Tit. 300 angesetzt sind — die anderen 50 Millionen vom Vorjahr sind ja völlig verplant —, bereits 120 Millionen verplant sind. Es bleiben also noch 30 Millionen DM übrig. Wenn wir dann noch 5 Millionen zweckgebunden für Kann-Leistungen der Hausrathilfe ansetzen, bleiben ja sowieso nur noch 25 Millionen. Die würden durch Ihren Antrag, Herr Kollege Merten, restlos aufgezehrt werden. In den letzten zwei Wochen sind rund 100 Heimkehrer zurückgekommen. Das bedeutet schon eine halbe Million DM, die schnellstens für die Pflichtleistungen bereitgestellt werden muß. Man kann also diesen Topf der Pflichtleistungen nicht restlos erschöpfen, wenn man nicht nur in der Frage der Kann-Leistungen, sondern sogar in der Frage der Pflichtleistungen zum Erliegen kommen soll.
Meine Damen und Herren, deshalb das Beharren auf unserem Antrage und deshalb vor drei Wochen der von diesem Haus so einmütig gefaßte Beschluß, für die Kann-Leistungen 70 Millionen DM bereitzustellen! Die rund 62 Millionen, Herr Bundesfinanzminister, die Sie aus den 45 plus 5 Millionen plus 20 % errechnen, reichen doch nicht aus, um die vorliegenden Anträge, die der Herr Bundesvertriebenenminister auf 70 Millionen DM beziffert, überhaupt zu befriedigen. Es kommt noch hinzu, daß das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz doch einen vergrößerten Personenkreis zu betreuen hat, wenn jetzt überhaupt Mittel für die Kann-Leistungen bereitgestellt werden; es kommt
doch ein ganzer Jahrgang Kriegsgefangener, der Jahrgang 1947, und es kommen alle Zivilverschleppten vom 1. Januar 1947 mit ihren Anträgen auf Kann-Leistungen hinzu, so daß gar kein Zweifel darüber bestehen kann, daß dann die Summe von 70 Millionen DM erheblich überschritten wird.
Worauf kommt es bei den Kann-Leistungen an? Die Kann-Leistungen müssen schnellstens gewährt werden, damit die wirtschaftlichen und Wohnungsbedürfnisse befriedigt werden. Hier können wir uns Raten überhaupt nicht leisten; denn wir haben ja schon 16 Monate verloren, weil wir 16 Monate lang keine Mittel bereitgestellt haben. Sehr viele Kriegsgefangene sind in einer völlig verzweifelten Lage, weil sie sich weder eine Wohnung noch ausreichenden Hausrat beschaffen können und weil ihnen von uns nicht die Hand zur Existenzgründung gereicht wird. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, dem alten Beschluß vom 26. Mai treu zu bleiben und wieder diese 70 Millionen DM zu bewilligen.
Ich darf für diesen Antrag Umdruck 385 um namentliche Abstimmung bitten.
Darf ich fragen: Wird dieser Antrag von 50 Abgeordneten ,des Hauses unterstützt?
— Es sind über 50 anwesende Abgeordnete. — Das Wort hat 'der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß ich über einen Teil der Debatte mehr als erstaunt bin, besonders auch über die Ausführungen unseres verehrten Kollegen, des Herrn Bausch. Es ist manchmal ganz nützlich, wenn man die Nase noch einmal in das Gesetz steckt. Darf ich Sie zunächst einmal auf Art. 43 des Grundgesetzes hinweisen. Da heißt es: „Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen." In § 46 der Geschäftsordnung heißt es: „Jeder Abgeordnete kann die Herbeirufung eines Mitgliedes der Bundesregierung beantragen." Hierzu möchte ich folgendes feststellen, um zur Klärung der Sachlage beizutragen.
Es handelt sich um einen Antrag, der aus der Mitte des Hauses gestellt worden ist. Das Haus hat diesen Antrag zur Vorberatung, d. h. in diesem Falle zur Beratung der materiellen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Haushalt, dem Haushaltsausschuß pflichtgemäß überwiesen. In Ordnung. Nun kommt dieser Antrag an den Ausschuß. Jetzt kommt die Geschäftsordnung. § 72 lautet: „Ort, Zeit und Tagesordnung jeder Ausschußsitzung sind den beteiligten Ministerien und dem Bundesrat mitzuteilen." Wenn ein Antrag aus dem Hause kommt, der auf 'den Etat Einfluß hat, und ein Fachministerium ist daran interessiert, dann erhält dieses Fachministerium genau so gut wie das Finanzministerium eine Einladung durch die Geschäftsstelle, das Sekretariat des Haushaltsausschusses. Wenn aber eine eilige Angelegenheit vorliegt, dann ist es auch eine Aufgabe des Fachministeriums, sich darüber zu orientieren, wann diese Ausschußsitzung stattfindet, und 'dafür zu sorgen, daß ein Vertreter des Ministeriums da ist.
Die Vertreter der antragstellenden Fraktion hätten Gelegenheit gehabt, nach dem § 46 der Geschäftsordnung zu verfahren und die Herbeirufung des Fachministers zu verlangen. Welche Wirkung hätten dann die Herbeirufung des Fachministers und die Darlegung seiner Argumente gehabt? Dieser Haushaltsplanentwurf, der 'dem Haushaltsausschuß vorlag, heute dem Plenum vorliegt und augenblicklich in der zweiten Beratung steht, ist ein vom Kabinett verabschiedeter Haushaltsplanentwurf, und kein Fachminister hat das Recht, gegen den vom Kabinett beschlossenen Entwurf zu polemisieren und einen Antrag zu stellen. Der Vertreter des Bundesfinanzministers hat in der betreffenden Haushaltsausschußsitzung den Entwurf seiner Regierung, ,d. h. den Entwurf des Kabinetts, vertreten, .und der Haushaltsausschuß ist mit seinem Beschluß, der von Herrn Minister Oberländer vorhin zitiert worden ist, auf den Antrag aus der Mitte des Hauses eingegangen.
Das Haus hat nun zu entscheiden. Es ist das Recht des Hauses, pro oder kontra Stellung zu nehmen, aber es ist nicht das Rechi des Herrn Ministers, auf Grund selbst begangener Fehler —dadurch, daß er sich nicht eingeschaltet, sich nicht über die Sitzungen des Haushaltsausschusses orientiert hat — hier an der Tätigkeit des Haushaltsausschusses Kritik zu üben,
und es ist falsch von Ihnen, Herr Kollege Bausch, unter Nichtberücksichtigung der gegebenen Sach-
und Rechtslage diese Kritik gegenüber dem Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses noch zu verstärken.
Das Wort hat Herr Minister Oberländer.
Herr Kollege Ritzel, ich glaube, wir sind uns über die rechtlichen Dinge völlig einig. Aber das Kabinett hat nachträglich über diese Dinge beraten, und ich war frei, über diese Dinge hier zu sprechen.
Im übrigen möchte ich Ihnen, Herr Kollege
Schoettle, folgendes sagen. Ich habe nie behauptet,
daß der Ausschuß verpflichtet war, mich zu hören.
— Herr Kollege Schoettle, darf ich Sie bitten, einen Augenblick darauf zu achten; ich möchte gerade Sie persönlich ansprechen.
— Hören Sie bitte eine Sekunde zu! — Ich habe eben gesagt, daß der Ausschuß nicht verpflichtet war, mich zu hören. Aber ich möchte Ihnen etwas anderes sagen: Ich habe in Hannover am Sonntag meinen Kopf hingehalten, als Kritik an der Bundesregierung geübt wurde, und habe nicht gesagt: „das war der Haushaltsausschuß, der Haushaltsausschuß hat es beschlossen". Das hätte ich auch sagen können. Das habe ich bewußt nicht getan, sondern habe diese Kritik auf mich genommen als Kritik an der Bundesregierung. Vielleicht werden Sie mir dann heute auch das Recht zugestehen,
daß ich den Wunsch äußere, mit meinen Argumenten, die vielleicht die Dinge verändert hätten, gehört zu werden. Weil ich eben, wie gesagt, die Kritik nicht abgewehrt, sondern auf mich genommen habe, glaube ich auch die Bitte an Sie richten zu können, daß ich gehört werde. Mehr habe ich heute nicht getan. Ich glaube, das werden Sie mir zugestehen, gerade weil ich die Kritik nicht auf andere abgelenkt habe, was sehr viel leichter für mich gewesen wäre.
Die Frage, was im Kabinett gewesen ist: Ich werde die Dinge noch selber im Kabinett vertreten. Wir haben ja lange darüber beraten, wie weit wir gehen und wie weit wir die Mittel erhöhen können. Wir haben jetzt noch nachträglich über diese Dinge bis zur vorletzten Sitzung beraten.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel. — Sie kommen erst als vierter dran, Herr Dr. Keller; zähmen Sie Ihre Ungeduld!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Pflicht — es ist auch eine Ehrenpflicht unserem Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gegenüber —, hier festzustellen, daß die Zitierung eines solchen Vorgangs im Haushaltsausschuß nicht nur ungewöhnlich ist, sondern für die fernere Zusammenarbeit zwischen Legislative und Exekutive auch kein gutes Beispiel bildet.
Es geht hier im wesentlichen nicht darum, Herr Minister, wer formal gesehen recht hat. Wir behaupten — und ich glaube, es ist mit guten Gründen nachgewiesen worden —, daß wir im Recht sind. Vielmehr geht es um einen Eindruck, der hier erweckt werden könnte. Es würde ein schlechtes Vorspiel für die Zukunft sein, wenn wir es in irgendeiner Form hingehen ließen, daß in einer solchen Art und Weise verfahren wird. Selbst wenn es von einem guten Willen getragen ist — den ich nicht bezweifeln möchte —, hielte ich das Verfahren als solches für falsch und schädlich. Das möchte ich zu der Verfahrensweise als solcher sagen.
Ich möchte ferner auf ein Weiteres hinweisen. Versetzen Sie sich bitte einmal in die Lage dieses Ausschusses, der sich unter Opferung seiner sitzungsfreien Wochen seit einem halben Jahr bemüht hat, unter Berücksichtigung dieser Fülle von Gesichtspunkten den Haushaltsplan noch rechtzeitig für die zweite und dritte Lesung sorgfältig zu beraten und zu einem Ende zu bringen. Dann tagte hier parallel das Plenum. Der Haushaltsausschuß muß, wenn er noch einigermaßen vor den Ferien fertig werden will, wenn er also auch Ihrem Anliegen, Herr Minister, entsprechen will — denn auch Sie sind mit Ihrem Ressort daran interessiert, daß wir rechtzeitig fertig werden — und wenn er diese Anliegen mit seinen Aufgaben vereinigen will, in einer solchen Situation als Mindestes verlangen, daß sich die Ressorts nach dem Haushaltsausschuß richten; denn Sie wollen von diesem Ausschuß etwas bewilligt haben und nicht umgekehrt. Ich möchte damit die Reihenfolge und den Anspruch, wer sich hier dem andern anzupassen hat, klargelegt haben, um darüber kein Mißverständnis aufkommen zu lassen.
Was die Sache selbst anbetrifft, so ist das Problem von vielen Seiten her beleuchtet worden; aber
einen Gesichtspunkt hat man hier noch nicht in den Vordergrund gestellt. Wir haben im Haushaltsausschuß, Herr Kollege Petersen, zu keiner Zeit verkannt, daß durchaus eine solche Fülle von Anträgen vorliegen kann und daß vermutlich eine Summe von 70 Millionen DM dringend gebraucht wird. Für uns im Haushaltsausschuß sieht aber die Situation im Hinblick auf den Ausgleich des Haushalts etwas anders aus. Ich möchte Sie bitten, sich doch stets die Sorge zu vergegenwärtigen, die wir haben, als Clearingstelle dieses Hauses zu versuchen, das, was an Ansprüchen vorliegt, mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was wir an Einnahmen zu erwarten haben und was wir eventuell durch außergewöhnliche Einnahmen, durch Anleihen zusätzlich beschaffen sollen.
Nun ist uns hier von einer für uns kompetenten Seite vorgetragen worden, daß, selbst wenn die Länder sich anstrengen, alle diese Anträge durchzuarbeiten, die Summe von 62,5 Millionen DM — wenn der Länderanteil von 20 % hinzukommt — nach Verabschiedung des Haushaltsplans und der dann noch in Betracht kommenden freien Zeit des Haushaltsjahres gerade ausreichen würde, überhaupt verausgabt zu werden. Das war für den Haushaltsausschuß, der sich bemühen muß, die beiden Enden zusammenzubringen, zunächst mit der ausschlaggebende Faktor für seine Entscheidung: Gut, selbst wenn 70 Millionen DM gebraucht werden, in dieser Zeitwerden die 50 Millionen bzw. die 62,5 Millionen, wie wir richtig sagen müssen, ausreichen.
Nun haben Sie vom Bundesfinanzminister — den wir eigens darum gebeten haben, diese Erklärung auch hier abzugeben, damit sie im Raum ist und protokollarisch festgehalten wird — die Zusatzerklärung erhalten, daß, wenn diese Mittel nicht ausreichen sollten, nachher aus überplanmäßigen Mitteln das Notwendige getan wird, sie zu beschaffen.
— Nein, er hat sie weitergehend abgegeben, Herr Kollege Petersen. — Ich möchte hier ausdrücklich festgestellt haben, daß eine solche Erklärung des Bundesfinanzministers jetzt vorliegt. Ich glaube, daß das wohl eine Brücke sein sollte, die wir gemeinschaftlich betreten können.
Ich habe noch ein Weiteres hinzuzufügen. Meine Freunde sind der Auffassung — ich bin nicht Fachmann genug, das sage ich Ihnen ganz offen, die Interna so genau zu kennen wie eine ganze Reihe meiner Freunde und auch Sie vom BHE —, daß dann, wenn der akute Notstand in bezug auf Existenzaufbau usw. so ist, wie er uns hier dargestellt wurde, dem von unserer Seite aus entsprochen werden sollte, indem wir dem Antrag der SPD Umdruck 417 bezüglich der 25 Millionen DM folgen. Herr Kollege Petersen, Sie werden hierüber wahrscheinlich wenig erfreut sein, aber wäre es nicht, wenn der akute Notstand wirklich so groß ist -und Sie haben ihn so dargestellt —, der richtigere Weg, hier zu Rande zu kommen?
Infolgedessen würde ich vorschlagen — Herr Kollege Petersen, ich appelliere an Sie: Sie nehmen zur Kenntnis, was der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, ferner daß die 62,5 Millionen und nicht die 50 Millionen da sind —, wir einigen uns auf den Antrag der SPD, daß von Pflichtleistungen zur
Behebung des akuten Notstandes die 25 Millionen abgezweigt werden. Ich glaube, das wäre ein Kompromiß, auf den wir uns alle in einer Frage, die uns so sehr am Herzen liegt, einigen sollten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Ritzel und des Herrn Kollegen Vogel muß ich doch noch ein Wort zu dieser Angelegenheit sagen. Was die rechtliche Seite dieser Angelegenheit anlangt, wie sie Herr Ritzel dargelegt hat, so habe ich hiergegen gar keine Einwendungen zu machen. Das ist im wesentlichen alles so gesagt worden, wie es auch meiner Auffassung entspricht.
Aber ich kann keinesfalls anerkennen und zugeben, daß der Vorwurf, der hier dem Herrn Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen gemacht worden ist, zu Recht besteht Tatsache ist,
daß der Haushaltsausschuß über diese Angelegenheit, die ihm vom Plenum zur Beschlußfassung zugewiesen worden ist, entschieden hat, ohne daß — ich weiß nicht, aus welchen Gründen — das zuständige Fachressort Gelegenheit hatte, seine Stellung darzulegen. Daran kommen wir nicht vorbei, und wir kommen auch nicht an der Tatsache vorbei, daß das Fachressort, der zuständige Fachminister, ein legitimes Interesse daran hat, bei der Beratung von Angelegenheiten, die in sein Ressort fallen, seine Sache zu vertreten. Unbeschadet dessen, daß der Ressortminister den vom Kabinett beschlossenen Haushalt zu vertreten hat, ist er doch verpflichtet, zu Anträgen Stellung zu nehmen, die im Haushaltsausschuß beraten werden und die sein Ressort betreffen. Dazu hat er keine Gelegenheit gehabt. Ich weiß nicht, warum das Ministerium nicht vertreten war. Offenbar hat es aus irgendeinem Grund keine Ladung bekommen.
Was ist natürlicher, als daß der Fachminister nun, nachdem über seinen Haushalt entschieden wird, das Bedürfnis hat, vor dem Plenum seine Sache zu vertreten? Wie das im Haushaltsausschuß läuft, wissen wir ja alle. Jedenfalls wissen das alle diejenigen Abgeordneten, die einmal im Haushaltsausschuß gearbeitet haben. Da steht auf der einen Seite der Herr Finanzminister, vertritt sein fiskalisches Anliegen und bedient die Ablehnungs-Guillotine am laufenden Band. Das ist sein gutes Recht. Er sagt: Nein, ich habe kein Geld. Aber für die Entscheidung des Haushaltsausschusses ist es doch außerordentlich wichtig, nicht nur die Anliegen des Finanzministers, sondern auch die Anliegen zu hören, die von der Sache her kommen.
Deshalb glaube ich, daß — auch unter dem Gesichtspunkt der Anliegen des Haushaltsaus'schusses betrachtet — nichts Grundsätzliches gegen das eingewandt werden kann, was der Herr Bundesminister für Vertriebene hier gesagt hat. Schließlich wollen wir doch daran festhalten, meine Herren vom Haushaltsausschuß, daß die Endentscheidung über den Haushalt nicht der Haushaltsausschuß, sondern dieses Parlament hier zu fällen hat. Deshalb kann es sich das Parlament nicht nehmen lassen,
sich auch die sachlichen Gesichtspunkte noch einmal vortragen zu lassen, soweit dies zur Beurteilung der Angelegenheit nötig ist.
Nun, Herr Kollege Dr. Keller, haben Sie das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die schwierige Angelegenheit, die wir im Augenblick behandeln, hat offenbar leider nicht bloß eine materiell-inhaltliche, sondern auch eine formelle Seite erhalten, und ich möchte für meine Person sagen, daß ich die entstandene Kontroverse bedauere. Ich bedauere insbesondere die meiner Ansicht nach nicht veranlaßten Ausführungen des Kollegen Ritzel, der irgendwie in dem Hinweis auf die Antragsteller — ich bin Vertreter der Antragsteller im Haushaltsausschuß — geglaubt hat, mir ein Stückchen vom Schwarzen Peter zuspielen zu sollen. Ich muß den Schwarzen
Peter deswegen weitergeben weil er in meiner
Tasche jedenfalls keinen Platz hat.
Das war auch der Grund, Herr Präsident, warum die von Ihnen mit Recht festgestellte Ungeduld mich bewogen hat, hier das Wort zu nehmen. Ich darf mit Ihrer gütigen Genehmigung ein Schreiben des Verbandes der Heimkehrer zitieren, das die Auffassung unterstützt, der wir bereits zum damaligen Zeitpunkt sein konnten, daß sich nämlich in der Frage der ominösen 70 Millionen das Bundeskabinett in dieser Richtung einig sein würde. Das Schreiben ist an einen Kollegen dieses Hauses gerichtet, der Mitglied des Parlamentarischen Beirats des Heimkehrerverbandes ist, und lautet:
Sehr geehrter Herr . . . ! Das Kabinett befaßte sich am 25. Mai 1955 mit dem Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes. Über den Ausgang dieser Sitzung sind verschiedene Versionen in ,der Presse in Umlauf gewesen. Wie der Bundesminister für Vertriebene den VDH unterrichtete, lautete der Kabinettsbeschluß wie folgt: Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer wird keinen Einspruch erheben, wenn im Haushaltsausschuß 70 Millionen für den Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes gefordert werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Meine Damen und Herren! Ich habe hohe Achtung vor der Arbeit des Haushaltsausschusses und bewundere die Kollegen und Kolleginnen, die sich in diesem Ausschuß einer außerordentlich mühsamen und schwierigen Tätigkeit unterziehen.
Aber es wäre doch, glaube ich, besser gewesen, wenn der Herr Fachminister und einzelne Kollegen, die über die betreffenden Dinge fachlich orientiert sind, in der Sitzung des Haushaltsausschusses dabeigewesen wären,
in der über diese Frage gesprochen wurde, und
zwar einfach aus dem Grunde, weil wir uns dann
die ganze Debatte heute morgen hätten ersparen können und es wahrscheinlich auch keine Änderungsanträge gegeben hätte. Liebe Kollegen vom Haushaltsausschuß, insbesondere lieber Vorsitzender, damit ist kein Werturteil gefällt, und damit will ich hier keine Kritik loslassen. Aber ist es denn wirklich so schwer, nun zuzugeben, daß das dann wahrscheinlich glatter gelaufen wäre?
Das soll aber nun kein Anlaß sein, meine Damen und Herren — und ich bitte Sie herzlich darum —, die ganze Frage der Darlehen und Beihilfen für die Heimkehrer hier in einer Geschäftsordnungsdebatte versinken zu lassen.
Erfahrungsgemäß geht dann leicht das Gefühl für die Wichtigkeit der Sache verloren. Ich möchte Sie bitten, sich nun, nachdem zur Geschäftsordnung genügend gesprochen worden ist, der Sache selber zuzuwenden.
Von dem Kollegen Dr. Vogel und auch von der Kollegin Dr. Probst ist hier festgestellt worden, daß die Darlehen und Beihilfen von einer außerordentlichen Dringlichkeit sind und daß sie deswegen in einer Form verabschiedet werden müssen, die erstens garantiert, daß sie sofort flüssig gemacht werden können, und die zweitens garantiert, daß sie in genügender Höhe zur Verfügung stehen. Da nützt es nichts, jetzt einen Betrag einzusetzen, von dem man sagt, er werde später aufgestockt, weil nämlich bei Existenzaufbau- und Wohnraumdarlehen für ein ganzes Jahr geplant werden muß und es nicht möglich ist, jetzt im Vertrauen darauf zu bewilligen, daß da später noch einmal irgend etwas nachkommt. In diesem Falle muß der Betrag von vornherein feststehen, damit die einzelnen Dienststellen wissen, woran sie sind und in welchem Umfange sie die Anträge bedienen können.
Dabei spielt es gar keine Rolle, Herr Dr. Vogel, daß nur noch neun Monate dieses Haushaltsjahres zur Verfügung stehen; denn all diese Anträge auf Beihilfen und Darlehen liegen bereits entscheidungsreif bei den Dienststellen. Sie sind ja bereits in der ganzen Vergangenheit aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs bedient worden, und es handelt sich jetzt nur darum, dieselben Anträge nach denselben Richtlinien und 'unter denselben Gesichtspunkten aus dem Bundeshaushalt zu bedienen. Es bedarf da keines großen Anlaufs, und es bedarf auch keiner großen Verwaltungsvorschriften mehr, sondern das kann sofort weitergehen. Deswegen ist es ganz gleich, ob nur noch neun Monate oder zwölf Monate des Haushaltsjahres zur Verfügung stehen. Bereits jetzt ist in allen Ländern über den Betrag von 70 Millionen disponiert, so daß die Beträge sofort abgerufen werden können.
Was nun die Verzögerung des Abschnittes I des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes anbetrifft, so würde ich vorschlagen, die Mittel, von denen Herr Dr. Vogel soeben gesprochen hat und die der Herr Bundesfinanzminister zugesagt haben soll dazu zu benutzen, den Abschnitt I aufzustocken, damit dort keine Schwierigkeiten entstehen. Vorläufig stehen ja außer den bereits verplanten 120 Millionen DM noch 55 Millionen DM zur Verfügung, und bis dahin können dann weitere Mittel flüssig gemacht werden.
Die Anliegen des Abschnittes II sind wesentlich dringender und aus sozialen Gründen wesentlich größer als die Anliegen aus Abschnitt I. Deswegen
legen wir entscheidenden Wert darauf, daß zunächst einmal damit angefangen wird, diese ausgesprochenen Härtefälle zu befriedigen, ehe man darangeht, die weiteren Rechtsansprüche in die Diskussion einzubeziehen.
Ich möchte noch zu einer Äußerung des Herrn Ministers etwas sagen. Er hat vorhin, als er das erste Mal sprach, darauf verwiesen, wie außerordentlich peinlich die Situation in Hannover bei der Rede, die er dort hielt und die ich leider nicht mit anhören konnte, gewesen sei. Er hat dabei die Wendung gebraucht: peinlich für uns alle. Herr Minister, ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß die Situation lediglich für die Bundesregierung peinlich war. Vom Bundestage, auch vom Haushaltsausschuß, war in diesem Zusammenhange kaum die Rede. Sie haben ja auch dann, als Sie zum zweitenmal hier gesprochen haben, das durchaus in dieser Form dargestellt. Auch auf den Transparenten war, soviel ich gesehen habe, immer nur von der Bundesregierung die Rede. Das Parlament hat ja durch seine Beschlüsse bewiesen, daß es sich seiner Verantwortung gegenüber den ehemaligen Kriegsgefangenen durchaus bewußt ist, und es wäre sehr ungerecht, das Parlament in diesem Zusammenhange anzugreifen.
Das Parlament hat das Seine getan, und deswegen hoffe ich, daß es auch heute das Seine tut, damit nicht in Zukunft auch noch das Parlament in die so außerordentlich peinliche Diskussion über die Ausführung dieses Gesetzes mit einbezogen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich in dem Gestrüpp der Paragraphen und geschäftsordnungsmäßigen Überlegungen, das dankenswerterweise durch die Worte meines verehrten Vorredners ein wenig gelichtet wurde, von einem Eindruck persönlicher Art ausgehe, von einem Eindruck, den wohl alle hatten oder haben konnten, die am vergangenen Sonntag in Hannover die Ausstellung „Wir mahnen!" besichtigt haben. Ich glaube, wenn wir, ob Ausschuß oder Plenum, einmal ganz kurz durch diese Ausstellung des Leidens, der Hoffnung, der Heimatliebe und -sehnsucht hindurchgingen, täten wir uns bei der Beratung und Beschlußfassung über diese Materie vielleicht etwas leichter. Aus dieser Ausstellung würde uns ein solches Übermaß von menschlichem Leid, Opferwillen und von Treue zu uns sichtbar werden, daß wir, glaube ich, gar keine Zeit und keine Lust mehr hätten, uns über alle möglichen Paragraphen der Geschäftsordnung, fiskalische und sonstige Dinge zu unterhalten. Aus diesem Gesichtspunkt möchte ich — Sie mögen das vielleicht primitiv schelten — doch sagen: Was würden sich eigentlich die Betroffenen, wenn ich die ehemaligen Kriegsgefangenen einmal so nennen darf, denken, wenn sie jetzt unsere Debatte verfolgt hätten, sie, die zehn bis zwölf Jahre hinter Stacheldraht stellvertretend für uns gelitten haben, während wir mehr oder weniger sozial eingegliedert und zum Teil schon zufrieden daheim leben konnten und sehr oft gelebt haben, ohne tagtäglich an die zu denken, die jahrelang das Leben noch nicht in dieser Form leben durften! Ich möchte
also sagen — verzeihen Sie mir, wenn ich das aus diesem Gefühl und aus dem Erlebnis gerade dieser Ausstellung heraus sage —, daß ich all das, was wir über Kabinetts-, Ausschuß-, Geschäftsordnungszuständigkeiten und fiskalische Gesichtspunkte hier gesprochen haben — Herr Kollege Schoettle war sogar der Meinung, es sei eine „nützliche Debatte" gewesen! —, nicht richtig aufzunehmen vermag, weil ich nicht verstehe, daß sich an den ohnedies sehr starken fiskalischen Gesichtspunkten bei der Beratung dieser Frage nun heute auch noch geschäftsordnungsmäßige Gesichtspunkte, Probleme und Debatten aufgehängt haben.
— Herr Kollege Dr. Vogel, ich habe manchmal das Gefühl, daß diejenigen, die sich sogar mit einer gewissen Freude an solchen Debatten beteiligen, vielleicht wenig Verständnis haben für das, was die Menschen und insbesondere die Betroffenen draußen zu diesen Dingen denken und davon halten.
Ich möchte dazu aber folgendes sagen: Ich habe das letzte Mal bei der Behandlung dieser Frage der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß wir uns e in letztes Mal über sie unterhalten sollten. Ich glaube, es war wohl allen sehr erstaunlich, daß die seinerzeitige Meinungsbildung des Plenums — Herr Kollege Merten hat mit Recht gesagt, daß diese Meinungsbildung einhellig, auch in der Beschlußfassung einhellig war —, die unseres Erachtens einen gewissen Auftrag oder eine gewisse Richtlinie auch für den Haushaltsausschuß darstellte, eigentlich nicht zum Zuge gekommen ist und daß, wie hier gesagt, gewisse Mentalreservationen immer sichtbar und fühlbar werden. Es ist ein trauriges Zeichen, daß dann, wenn den Rednern der einzelnen Fraktionen zu diesem Problem — das war damals der Fall — einhellig Beifall gespendet wurde, diesem Gesichtspunkt des einhelligen Beifalls, will sägen: der prononcierten Bejahung dieser Materie in den Ausschußberatungen nicht Rechnung getragen worden ist.
Im übrigen möchte ich auch nur ganz kurz zu denjenigen Ausführungen etwas sagen, die zu dem Nicht-polemisieren-Können gegen Kabinettsvorlagen, dem Zu-Wort-Kommen vor dem Ausschuß usw. gemacht worden sind. Ich sehe hier eine gewisse Diskrepanz, daß der für diese Fragen zuständige und federführende Bundesminister auf der einen Seite vor den Betroffenen selbst im wahrsten Sinne des Wortes seinen Kopf hinhalten muß, auf der anderen Seite aber offensichtlich nicht die Möglichkeit hat, diese Anliegen hier ausreichend zu vertreten. Man könnte und müßte da meines Erachtens über alle geschäftsordnungsmäßigen Normen hinweg einen Weg finden — Herr Kollege Merten hat das ja sehr richtig gesagt —, die Dinge gemeinsam zu beraten.
Ich habe — auch das richtigzustellen glaube ich verpflichtet zu sein — die Worte des Herrn Bundesministers hinsichtlich des gemeinsamen Interesses, das er in Hannover zu vertreten hatte, so aufgefaßt: Es ging in Hannover nicht bloß um unsere
Bundesregierung und das, was sie getan oder nicht getan hat, es ging in den Ausführungen des Herrn Bundesministers und in der ganzen Art der Abwicklung dieser Tage in Hannover darum, diesen zum Teil eben erst heimgekehrten Menschen, die ja zwangsläufig überhaupt noch nicht in unser Leben der jungen Demokratie eingewohnt und eingewurzelt sind, die Überzeugung zu stärken, daß wir uns dessen bewußt sind, was sie für uns gelitten haben und wie stark wir mit unserem Herzen dabei sind, ihnen zu helfen. Dies war idas „gemeinsame Interesse", das nichts mit Bundesregierung und nichts mit der Opposition zu tun hat und das zwangsläufig der Sprecher der Regierung am vergangenen Sonntag in Hannover auch vertreten und in den Herzen der Betroffenen wachrufen sollte. Daß dies nicht im erwünschten Ausmaß geschah -
die Reaktion hat es gezeigt —, lag eben daran, daß die anstehenden Dinge nicht so, wie wir letztes Mal erhofften, klargezogen werden konnten. In diesem Sinne, glaube ich, ist es und war es schon ein gemeinsames Interesse, das der Sprecher der Bundesregierung zu vertreten hatte.
Im übrigen habe ich allerhand Zwischenrufe und Zwischenbemerkungen gehört - auch aus der Richtung des Herrn Kollegen Schoettle und der SPD her —, daß Sie im Grundsatz willens und bereit sind, die erforderlichen Mittel doch zu bewilligen. Ich wäre dankbar, wenn Sie das wirklich könnten.
Hinsichtlich der Zusage des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer betreffs der Ausreichung überplanmäßiger Mittel in der Zukunft wollen wir eines hoffen: daß wir recht bald und in recht ausgedehntem Maße Gelegenheit haben, diese Mittel einzuplanen und auszugeben; denn wohin gäben wir sie lieber als diesen Menschen? Wir freuen uns, daß der Herr Bundesfinanzminister diese bindende Zusage gegeben hat, die wir wohl dahin auffassen können, daß er in jeder Form diesen zusätzlichen Anforderungen tatsächlich Genüge leisten will.
Ich möchte Sie zum Schluß bitten, daß wir all dieses mehr oder minder nützliche Debattieren um geschäftsordnungsmäßige Fragen und Zuständigkeiten wieder versinken lassen und daß wir, wie das letzte Mal, wenigstens das Parlament „das Seine tun" lassen, d. h. hier und jetzt das richtig tun, was im Interesse von uns allen liegt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Herr Petersen, wollen Sie noch das Wort haben?
— Ich gebe Ihnen das Wort.
Herr Bundesfinanzminister, ich wäre Ihnen für eine Klarstellung der aufgetretenen Zweifel dankbar, ob Sie mit Ihrer Erklärung vorhin gemeint haben, daß nur bei neu heimkehrenden Kriegsgefangenen die notwendigen Mittel erweitert werden würden, oder ob die Ansicht des Kollegen Vogel richtig ist, daß, wenn die Pflichtmittel verbraucht sind, von Ihnen dann auch ein Nachschub in Höhe des Bedarfs zu erwarten sei. Hier hat sich eine gewisse Diskrepanz in der Auffassung ergeben, und das hängt schließlich auch mit unserer Entscheidung darüber zusammen, wie wir uns gegenüber dem Antrag der SPD verhalten werden. Ich würde Sie bitten, Herr Bundesfinanzminister, hier noch einmal eine Klarstellung für unsere Auffassung zu geben.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war an mich der Appell gerichtet, zu erklären, wie ich mich in dem Fall verhalten würde, daß eine unerwartet große Zahl von Heimkehrern wieder versorgt werden müßten. Auf diesen Appell habe ich zunächst, wie ich gaube, mit einem klaren Ja geantwortet. Aber ich will Ihnen ganz ehrlich zugestehen: ich bin der Überzeugung, daß der Betrag, der entsprechend dem Beschluß des Haushaltsausschusses vorgesehen wird, nach den vorliegenden Unterlagen ausreicht. Sollten unerwartet wirklich Mehrbedürfnisse auftreten, würde der Bundesfinanzminister einer Überschreitung auch hier keine Hindernisse bereiten.
Nunmehr liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Abstimmen können wir nicht, weil wir bis 15 Uhr Abstimmungssperre haben. Wir stellen den Einzelplan so lange zurück und gehen weiter zur Beratung des
Einzelplans 45: Finanzielle Hilfe für Berlin .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Klingelhöfer. Ein Schriftlicher Bericht liegt vor*). Wünschen Sie, den Bericht noch mündlich zu erstatten? — Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Klingelhöfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgabe des Berichterstatters ist einfach. Der Antrag des Ausschusses, den Einzelplan 45 anzunehmen, liegt vor. Ein mündlicher Bericht braucht nicht gegeben zu werden, er liegt dem Hause schriftlich vor.
Ich darf nur die Bitte aussprechen, im zweiten Absatz dieses Berichts in der vorletzten Zeile die Ziffer „16 Millionen DM" in „15 Millionen DM" zu berichtigen. Hier liegt ein Schreibfehler vor, der als Druckfehler wiedergekehrt ist.
Nun darf ich den Herrn Präsidenten fragen, ob ich jetzt als Sprecher meiner Fraktion etwas sagen darf.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile Ihnen — nachdem ich Ihnen für den Bericht gedankt habe — das Wort.
Die Aufgabe des Sprechers meiner Fraktion ist nicht ganz so einfach wie die Aufgabe, die ich als Berichterstatter zu erfüllen hatte. Ich muß — das ist notwendig — eine Kritik anbringen. Aber ich möchte, nachdem Kritik notwendig ist, dieses Haus — weil es sich um Berlin handelt — nicht vergrämen. Denn diesem Hause — nächst dem amerikanischen Steuerzahler — dankt Berlin alles, was in Berlin an Aufbau bisher möglich gewesen ist. Ich möchte auch den Herrn Finanzminister nicht vergrämen. Der Herr Finanzminister muß ein strenger Hausvater sein, er muß mit seinen Mitteln sparen; aber wie ein Sohn sind wir in Berlin darauf angewiesen, daß der strenge sparsame Hausvater dennoch alles für Berlin zu tun bereit ist.
*) Siehe Anlage 10.
Die Merkwürdigkeit dieses Einzelplans liegt in folgendem. Dieser Einzelplan ist der simpelste unseres ganzen Haushalts. Er hat eine respektable Ausgabensumme von 800 Millionen DM, aber merkwürdigerweise keine Einnahmen, obwohl eine Einnahme vorhanden ist; sie steht jedoch an ganz anderer Stelle, und zwar im Einzelplan 60 auf Seite 7 — wenn Sie dort nachsehen wollen — unter dem Stichwort „Notopfer Berlin". Und während der Einzelplan 45 für Berlin Ausgaben in Höhe von 800 Millionen DM ausweist, finden Sie im Einzelplan 60 für 1955 auf Seite 7 Einnahmen im Betrage von 1275 Millionen DM.
Hier liegt ein Problem. Ich möchte dieses Problem weiß Gott nicht bagatellisieren. Hätte dieser Einzelplan zwei Seiten, eine Einnahmeseite und eine Ausgabeseite, so würde sich für die fünf Jahre von 1951 bis einschließlich 1955 folgendes Merkwürdige zeigen: Auf der Einnahmeseite hätte sich die Summe von 645 Millionen DM im Jahre 1951 auf 1275 Millionen DM im Jahre 1955 erhöht; auf der Ausgabeseite hätte sich die Summe von 550 Millionen DM im Jahre 1951 auf 800 Millionen DM im Jahre 1955 erhöht. Und — wiederum merkwürdig —: die Differenz zwischen Einnahme und Ausgabe, Notopfer und Einzelplan 45 für Berlin steigt ebenfalls von Jahr zu Jahr; sie erhöht sich von 95 Millionen DM im Jahre 1951 auf 475 Millionen DM im Jahre 1955.
Das sind merkwürdig hohe Mehreinnahmen — wenn dieser Plan zwei Seiten hätte! Die Gesamtsumme ergibt ein Brutto von 1520 Millionen DM, die in diesen fünf Jahren mehr aufgekommen sind oder aufkommen werden, als für Berlin im Einzelplan 45 eingesetzt worden ist.
Ich habe mit Absicht von einer „Bruttosumme" gesprochen. Der Bundesfinanzminister und dieses Haus sind berechtigt, bestimmte Summen, die Berlin als Steuervergünstigungen zugute kommen und die sich beim Bund als Einnahmeverzichte auswirken, anzurechnen. Wir haben da fünf Jahre Umsatzsteuerrückvergütung, drei Jahre Umsatzsteuerfreiheit für den Warenverkauf von Berlin in die Bundesrepublik und eindreiviertel Jahre Nichterhebung des Notopfers in Berlin zu berücksichtigen. Ich rechne gut, ich rechne 600 Millionen DM; dann senkt sich zwar die Summe von 1520 Millionen DM auf 920 Millionen DM, aber diese 920 Millionen, fast eine Milliarde, sind dann aus dem Notopfer Berlin nicht nach Berlin, in den Einzelplan 45, gegangen, sondern als allgemeine Bundeseinnahme in die allgemeinen Ausgaben des Bundes.
Woher das kommt, ist leicht zu sagen. In der Tat hat der Herr Bundesfinanzminister einen rechtlichen Grund dafür. Als im Jahre 1949 das Notopfer Berlin im Frankfurter Wirtschaftsrat eingeführt und als das Dritte Überleitungsgesetz nach dem Vorgänger der Verwaltungsvereinbarung geschaffen wurde, da wurde festgestellt: Jawohl, es handelt sich hier um ein allgemeines Deckungsmittel des Bundes. Der Rechtsgrund liegt vor, obwohl er sicher für dieses Haus und noch mehr auch für jeden deutschen Bürger eine Überraschung bietet, die so aussieht: Jeder meint sicher, daß das Notopfer für Berlin gezahlt wird und daß diese Gelder nach Berlin gehen. Schon der Bundesrat war erstaunt darüber, daß nicht das volle Auf-
kommen nach Berlin geht, sondern ein so wuchtiger Betrag als allgemeines Deckungsmittel in den allgemeinen Bundeshaushalt.
Selbstverständlich ist das kein geheimes Töpfchen für den Herrn Bundesfinanzminister. Diese Gelder sind ausgegeben, und sie sind auch im Jahre 1955 in den Ausgaben des Bundeshaushalts verplant. Aber diese Tatsache, daß ein Notopfer Berlin besteht, sein Gesamtaufkommen als allgemeines Deckungsmittel vorgesehen ist, Berlin aber durch Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister in jedem Jahr feststellen muß, wieviel denn nun von dem Notopfer nach Berlin gehen darf, diese Tatsache hat sehr, sehr bittere Folgen, sehr, sehr ernste Kehrseiten.
Man braucht sich nur anzusehen und auszudenken, was sich dabei ergeben muß! Wenn etwas allgemeines Deckungsmitteln des Bundes ist, dann rechnet der Bundesfinanzminister doch mit der
Gesamtsumme für all die Aufgaben, die er im
Staatsinteresse zu finanzieren hat, und für diese Gesamtsumme der Bundesaufgaben und Bundesausgaben rechnet er nun: Was kann ich und was muß ich Berlin geben, bzw. ich will doch Berlin möglichst wenig geben, wenn ich auch alle Aufgaben, die in Berlin gestellt werden, anerkennen will; aber ich brauche das Geld zugleich doch auch für die allgemeinen Bundesausgaben.
Wo der Bundesfinanzminister in Verlegenheit kommt — daß er etwa noch nicht an den Kapitalmarkt herankann, daß etwa seine Einnahmen zurückgehen und seine Aufgaben wachsen, daß etwa seine Aufgaben schneller wachsen als seine Einnahmen —, da muß er doch auch an dieses allgemeine Bundesdeckungsmittel heran und muß Berlin unter Druck setzen, und das zeigt sich denn ja auch. In jedem Jahr hat der Senat von Berlin den härtesten Kampf auszustehen, um das, was er in seinem Etat für notwendig gehalten hat, nun auch bei dem Herrn Bundesfinanzminister durchzudrücken. Am Ende steht dann eine Vereinbarung mit dem Senat, und diese Vereinbarung mit dem Senat kommt in den Haushaltsausschuß. Und nachdem der Herr Bundesfinanzminister, der die Bundesregierung vertritt, sich mit dem Senat „geeinigt" hat, soll der Haushaltsausschuß an diesem Zustand noch irgend etwas ändern? Dann soll etwa ein Berliner Vertreter, ein Mitglied dieses Hauses, das Berlin vertritt, im Haushaltsausschuß auftreten und sagen: Das wollen wir anders machen? Das kann man j a gar nicht mehr anders machen!
Es ist eben in diesem Falle so, daß der Herr Bundesfinanzminister deshalb, weil er das Geld hat und das Geld gibt, an einem langen Hebel sitzt, und der Senat von Berlin sitzt an einem kurzen Hebel. Das ist der umgekehrte Fall, den der Herr Bundesfinanzminister in seinem Verhältnis zu den Ländern so zu beklagen hat, weil die Länder im Bundesrat ihre eigenen Interessen vertreten und weil dabei gerade das zentrale Anliegen des Herrn Bundesfinanzministers, eine anständige Bundesfinanzverwaltung zu bekommen und auch jederzeit anständige Bundeseinnahmen zur Verfügung zu haben, deshalb zu kurz kommt, weil hier der Hebel des Herrn Bundesfinanzministers kürzer ist. Ich denke, gerade der Herr Bundesfinanzminister sollte dafür Verständnis haben, daß das gar keine schöne Situation ist.
Wozu hat das geführt? Es hat im vorigen Jahre und in diesem Jahre dazu geführt, daß von normalen Ausgaben des ordentlichen Haushalts eine bestimmte größere Summe nicht befriedigt werden konnte und daß im vorigen Jahr bei 75 Millionen DM auf die Beschaffung am Anleihemarkt verwiesen worden ist und daß in diesem Jahr wahrscheinlich bei 120 Millionen DM auf die Beschaffung am Anleihemarkt verwiesen werden wird. Berlin soll auf den Kapitalmarkt gehen, obwohl es selbst nicht entfernt in der Lage ist, seinen Haushalt auszugleichen. Das kommt mir vor, wie wenn ein Vormund ein Mündel oder ein Vater einen Sohn hat und dieser Sohn oder dieses Mündel eine festumrissene klare und sehr verantwortliche Aufgabe hat. Sie geben sich auch Mühe, zu verdienen, was sie für diese Aufgabe brauchen. Der Vormund und der Vater wissen aber ganz genau, daß das, was das Mündel oder der Sohn nun verdient, nie ausreichen kann. Aber der Vater oder der Vormund sagt: „Lieber Sohn, liebes Mündel, das Geld, das du noch brauchst, brauche ich für etwas anderes. Schreibe mal ruhig einen Wechsel aus. Diesen Wechsel unterschreibe ich als Akzeptant, und dann kannst du ja zur Bank gehen und kannst dir das Geld holen." Ich bin aber nun der Auffassung, das ist dann, wenn es sich um den Kredit eines Gemeinwesens, eines Landes, handelt, keine gute Sache. Man kann nicht ein Land mit einem Etat, der so wenig ausgeglichen ist, auf den Kapitalmarkt schicken. Man kann unmöglich, selbst wenn man ein sehr großer und kapitalstarker, mit seinem Kredit absolut angesehener Petent auf dem Kapitalmarkt ist, einen Sohn oder ein Mündel so hinausschicken. Auf diese Weise wird sowohl der Kredit Berlins als auch der Kredit des Bundes nicht gefördert, und das ist das, was an dieser Sache grundfalsch ist.
Nun haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Wochen und Monaten — und damit will ich zu dem zweiten Punkt kommen, den ich hier zu behandeln habe — eine Masse aus den Zeitungen über den Vierjahresaufbauplan der Bundeshauptstadt Berlin entnommen. Sie haben massive Ziffern gelesen: 1600 Millionen DM — man muß erschrecken. Nun schön, 1600 Millionen DM für vier Jahre ergeben in einem Jahr 400 Millionen DM; das sieht schon anders aus. 400 Millionen DM jährlich für den Aufbau von Gesamtberlin sind für eine 2,2-Millionen-Stadt keine erschreckende Summe.
Ich darf noch etwas hinzufügen und ich darf es nebenbei sagen. Als das Wirtschaftskabinett in Berlin war und da nun lang und breit verhandelt worden war, sah es so aus, als ob diese 1600 Millionen DM nun plötzlich Berlin neu zufließen würden. Davon ist aber auch nicht entfernt die Rede. Von diesen 1600 Millionen DM kommen 800 Millionen DM — jährlich 200 Millionen DM — von vornherein auf Gelder, die entweder nach wie vor von den Amerikanern kommen oder aus Rückflüssen und Zinsen aus ERP-Mitteln stammen, die Berlin ohnehin gehören. Weitere 400 Millionen DM, die hier vorgesehen sind, dienen der Auftragsfinanzierung in all solchen Fällen, in denen große Auftraggeber, zu denen Bundespost und Bundesbahn z. B. gehören, im Augenblick das Geld nicht haben, um die Lieferanten zu bezahlen. Auch das ist eine Sache, die längst im ERP-Sondervermögen vorgesehen gewesen ist und nur in den nächsten
vier Jahren mit je 400 Millionen DM fortgesetzt wird.
Neu an den 1600 Millionen DM, die hier so gewaltig und überraschend vor der Welt standen, sind 400 Millionen DM, die zusätzlich als Auftragsfinanzierung gegeben werden sollen, auch vom ERP-Vermögen, was ja kein Opfer ist, sondern ein Kredit, und zwar ein Kredit, der sogar verzinst wird. Aber zu diesen. 400 Millionen DM — das einzige Neue — ist zu sagen, daß sie von Herrn Vizekanzler Blücher gar nicht zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Herr Vizekanzler möchte mit dieser Summe von 400 Millionen, wenn er selber irgendwie jemandem, der Aufträge zu vergeben hat, Kredite gibt, die Auflage erteilen, daß die Betreffenden im Betrage von 100 Millionen DM in Berlin bestellen, und daß auf diese Weise diese 100 Millionen DM Berlin zugute kommen sollen. In diesen 1600 Millionen DM steckt also nicht viel Neues, und das, was neu ist, ist nicht real. Das wollte ich nur nebenbei sagen.
Dieser Berlin-Plan hat es auf der anderen Seite aber in sich. Wir sind heute in der glücklichen Lage, daß wir hoffen dürfen, der Wille der Welt nach Sicherheit und Frieden ist inzwischen so stark geworden und die Angst und die Sorge vor allem, was ein Krieg bedeuten könnte, sind so bedrückend geworden, daß im Zuge dieser weltweiten Entspannung Deutschland wiedervereinigt werden könnte und Berlin — das hoffen wir ja wohl alle, und nach den Kundgebungen am 17. Juni ist es auch vor der Welt beschworen — Hauptstadt werden wird. Darf man und muß man da nicht vorsorgen für den Augenblick, daß Berlin seine Aufgaben als Hauptstadt erfüllen kann? Das ist der zweite Teil des Berlin-Planes. Der erste Teil dient der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, um unsere 160 000 Arbeitslosen noch unterzubringen. Nachdem Berlin die Gesamtheit seiner Dienstleistungen verloren hat, wird es nicht in der Lage sein, mit dem heutigen Industriepotential das, was es verbraucht, aus eigener Arbeit auch zu bezahlen. Es ist nicht zu Unrecht festgestellt worden, daß wir die heutige Industrieproduktion von Berlin noch verdoppeln müssen, um in die Lage zu kommen, hier vor diesem Haus und dem Herrn Finanzminister nicht als Bittsteller erscheinen zu müssen.
Was neben der Schaffung neuer Arbeitsplätze notwendig ist, sind Kommunalbauten in Berlin. Das sind Bauten für die U-Bahn, für die Universitäten und Hochschulen, der Bau eines Bundes- und Kongreßgebäudes, von Museen und der Bau von Kläranlagen. Für all diese Dinge, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nun Berlin weiß Gott das Geld nicht aufbringen.
Aber was haben wir denn in den letzten Wochen erlebt, als das Kabinett in Berlin war? Der Herr Bundesfinanzminister ist mir nicht sehr böse, wenn ich ihn mit einem sehr weisen und sehr geachteten Mann in Beziehung bringe, nämlich mit dem weisen Grock, der uns allen bekannt ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich diesen Plan angesehen und hat gesagt: Wiederaufbauplan — schöön! Aber haben Sie auch das Geld dazu?
Ta, die Frage ist absolut berechtigt. Aber sie stimmt mich doch etwas traurig, wenn ich daran denke, laß hinter Berlin, wenn die Wiedervereinigung kommt, doch noch einige Aufgaben mehr stehen,
nämlich dafür zu sorgen, daß unsere 18 Millionen zu einem anständigen Lebensstandard kommen und daß in diesem Lande sozialer Frieden herrscht, nachdem wir für die ganze Welt Frieden durch Beseitigung der Spaltung verlangen.
Es werden da größere Aufgaben auf uns zukommen, und wenn unser weiser, witziger, aber sparsamer Vater Schäffer nun sagt: „Wiederaufbau von Berlin — schöön, aber haben Sie Geld?", dann wird mir ein bißchen bange vor dem, was wir in der Zukunft zu erwarten haben werden.
So sah es in Wirklichkeit aus, als damals das Wirtschaftskabinett in Berlin war. Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß meine Fraktion die Anfrage Drucksache 1412 vorgelegt hat, bei der diese Frage des Wiederaufbaus noch behandelt werden soll. Hier aber liegt die Sorge, die uns und, wie ich hoffe, nicht nur uns, sondern das ganze Haus bedrückt, in diesem Widerstreit, daß es ein Notopfer Berlin gibt, daß es eine Festsetzung ganz bestimmter Summen für den Berliner Haushalt gibt und daß sich der Streit um das, was von diesem Notopfer in den Berliner Haushalt geleitet werden darf, jedes Jahr ebenso wiederholt, wie einst unser nun toter Ernst Reuter jedes Jahr nach dem Westen fahren mußte, um — er war so glücklich, wenn er wiederkam und sagen konnte: Ich habe die Kuh ja doch wieder ein Stück mehr vom Eis gebracht — diese Kuh wirklich endgültig vom Eis zu bringen. Diese Sorge ist einfach da und diese Sorge muß behoben werden.
Meine Fraktion hat schon im vergangenen Jahr zum Einzelplan 45 und zum Einzelplan 60 Anträge gestellt. Sie hat den Antrag gestellt, es solle überhaupt nicht mehr ein „Notopfer Berlin" erhoben werden, — denn dieses Notopfer ist immer nur eine negative Propaganda für die Bundeshauptstadt —, sondern es solle eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben werden. Dieses Notopfer solle, solange es erhoben werde, als Einnahme in den Einzelplan 45 eingesetzt und Berlin voll zur Verfügung gestellt werden. Das wird nun angesichts dieses Berlin-Plans eine unausweichliche Notwendigkeit. Ich darf ruhig sagen: mag es doch so sein, wie es im englischen Haushalt ist! In England sagt der Schatzkanzler: Diese Staatsaufgaben stehen vor mir, diese Staatsausgaben sind notwendig, der Steuersatz beträgt soundso viel. Mag man das bei dem Notopfer oder bei einer Ergänzungsabgabe auch so machen, aber dann besteht die Möglichkeit, daß für den Berliner Haushalt und die Berliner Notwendigkeiten nicht gefingert, nicht gedrückt und nicht abgehandelt werden muß mit dem Ergebnis, daß in Berlin stets ein Mißbehagen vorhanden ist, ein Mißbehagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das auch Sie nicht befriedigen kann. Denn es ist nicht schön, ' wenn weder Klarheit noch Wahrheit im Haushalt ist, wenn der Kredit eines Landes, eines so verantwortlichen Landes wie Berlin, gefährdet und der Kredit des Bundes durch diese Methode nicht gefördert wird. Es ist gerechter, zu sagen: in der und der Höhe müssen die Ausgaben Berlins anerkannt werden und wir ändern die Notopfertabelle in jedem Jahr in dem Ausmaße, wie es notwendig sein wird. Dann wäre Klarheit.
Lassen Sie sich nicht vergrämen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich noch ein ganz kurzes Wort zum Schluß sage. Es ist nicht so, daß
ich darüber ein Wort zu sagen brauchte, daß sich die Stadt Berlin, das Land Berlin und die Bevölkerung Berlins politisch bewährt hätten. Wir haben die Nase voll vom Lob über diese politische Bewährung. Wir tun nur das, was sich als selbstverständlich aus der Situation ergibt. Ich bin der felsenfesten Überzeugung: wäre irgendein anderer Deutscher in unserer Lage, würde er genau so handeln. Ich glaube, dieses Haus weiß es, aber der Herr Bundesfinanzminister darf es auch zur Kenntnis nehmen: Berlin ist — und das habe ich bereits 1949 im Frankfurter Wirtschaftsrat gesagt — der beste Schuldner, den der Bund finden kann. Denn die Berliner Bevölkerung arbeitet. Ich darf Ihnen nur eine Zahl nennen; die gerade in wirtschaftlicher Hinsicht Aufschluß gibt. Im Jahre 1949 konnten wir unseren lebensnotwendigen Verbrauch, alle Industriewaren und alle Konsumwaren zusammengerechnet, nur zu 33 % aus eigener Arbeit bezahlen. Im vierten Quartal 1954 hat Berlin diesen lebensnotwendigen Verbrauch, obwohl er sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt hat, nicht zu 33, sondern zu über 80 % aus eigener Arbeit bezahlen können. Das beweist: Berlin ist kein Faß ohne Boden. Berlin wird bald so weit sein, daß es die Hilfe dieses Hauses und auch die besondere Liebe und Sorgfalt des Herrn Bundesfinanzministers nicht mehr brauchen wird. Wahrscheinlich wird dazu freilich die Wiedervereinigung notwendig sein. Denn ohne Dienstleistungen ist es nicht zu schaffen. Diese Leistungsbilanz zeigt, daß es sich lohnt, Berlin zu geben, was es braucht, und daß man kein guter Vater wäre, wenn man nur ein sparsamer wäre. Man muß auch sagen, was dazugehört: daß dieser Sohn, der eine große Aufgabe erfüllt hat und noch weiterhin erfüllen muß, die volle Bewegungsfreiheit erhalten muß, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein.
Es wird auch so werden, wie es einst war, Wenige wissen das, was ich jetzt sage. Es ist einer meiner letzten Sätze, und ich bitte, wohl darauf zu achten. In den sechzehn Jahren von 1928 bis 1944 — ich nehme nicht gern das Dritte Reich mit hinein, aber ich habe keine andere Zahl, und es handelt sich ja auch um ökonomische Daten — hat Berlin aus dem, was in dieser Hauptstadt an Steuern aufkam, nicht weniger als 60 Milliarden Mark an andere Gebiete in Deutschland abgegeben.
— Nein, in Deutschland. — Das waren jährlich 3,6 Milliarden DM. Das wird Berlin in Zukunft auch wieder tun. Dies möge dem Haus nicht nur eine Beruhigung, sondern auch eine Ermunterung sein, ebenso dem Herrn Bundesfinanzminister. Ihm kann es ja gleich sein, woher er das Geld bekommt, von den westdeutschen Großstädten oder von Berlin. Auch dem Herrn Bundesfinanzminister möge es eine Ermunterung sein, Berlin das zu geben, was Berlin braucht. Berlin wird Ihnen wiedergeben, was Sie ihm geben, und es ist nicht zu viel, was Sie ihm heute geben.
Wir haben als Fraktion keinen Antrag zu diesem Einzelplan gestellt. Wir sind uns bewußt, daß es zwar unvernünftig oder nicht der Haushaltswahrheit entsprechend ist, über die Gelder aus dem Notopfer für Bundesausgaben zu verfügen; aber es ist nun bereits darüber verfügt, und eine verantwortungsvolle Opposition kann ohne einen Dekkungsvorschlag nicht zum Haushalt 1955 den Antrag stellen, daß im Einzelplan 45 das Notopfer voll eingesetzt und voll verwendet werden soll. Aber, Herr Bundesfinanzminister, sehen Sie das bitte für das nächste Jahr, für das Jahr 1956, vor! Meine Fraktion wird ihren Wechsel präsentieren; die Unterschrift darauf sitzt!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der sehr erfreulichen und dankenswerten Einmütigkeit, mit der dieses Haus — und auch die Bundesregierung — dem Anliegen Berlins gegenübersteht und auch diesen Etat zu verabschieden gewillt ist, halte ich es nicht für notwendig, lange Ausführungen im einzelnen zu machen, zumal da unsere sozialdemokratischen Kollegen davon abgesehen haben, besondere Anträge zu stellen.
Wenn ich das Wort ergreife, so geschieht es nur, um einen Eindruck zu zerstreuen, der nach den Worten des Kollegen Klingelhöfer vielleicht entstanden sein könnte, nämlich den Eindruck, als ob es sich bisher um einen fürchterlichen Kampf gehandelt habe, innerhalb dessen es dann schließlich gelänge, für Berlin das Lebensnotwendigste herauszuholen. Herr Kollege Klingelhöfer, wenn Sie gesagt haben, jedes Jahr müsse der Senat den härtesten Kampf mit der Bundesrepublik führen, so ist das, gelinde gesagt, eine leise Übertreibung. Ich möchte im Gegenteil dem Herrn Bundesfinanzminister bescheinigen, daß er sich bezüglich der Ausgaben, die ja auch ihm nicht leicht werden und über die er als ein Mann, der für uns verantwortlich ist, pflichtgemäß zu wachen hat, große Mühe gibt und unsere Interessen mit wirklichem Verständnis wahrnimmt. 800 Millionen DM sind ja schließlich kein Pappenstiel! Und wenn der Finanzminister wirklich erst einmal prüft und überlegt, ob er es so oder so machen kann und ob er die Mittel nicht vielleicht irgendwo anders herausholen könnte, so tut er das ja nicht zu seinem Vergnügen, sondern er handelt hier in unserem Interesse, Kollege Klingelhöfer, und wir wollen da bitte nicht tadeln und kritisieren.
Ich glaube im übrigen, Kollege Klingelhöfer, manchmal könnte man es der Bundesregierung und auch unseren Freunden in Westdeutschland und Süddeutschland etwas leichter machen, sich für Berlin zu interessieren. Wenn wir es in einer großen offiziellen Veranstaltung wie jetzt am 17. Juni auf dem Rudolf-Wilde-Platz in Berlin nicht fertigbringen — obwohl wir uns doch als zum Bunde gehörig auffassen —, zum Schluß die Nationalhymne zu singen, wie man es bei allen derartigen Veranstaltungen tut, so ist das doch ein tiefbedauerliches psychologisches Mißverstehen.
Ich sehe auch nicht ein, warum man beispielsweise bei der Ausstellung oder bei Filmen den Eindruck erweckt, als wenn alles, was in Berlin an Aufbauarbeit geleistet worden ist, allein der sozialdemokratischen Leistung zuzuschreiben sei.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr.
Darf ich mir eine Zwischenfrage erlauben, Herr Kollege Friedensburg. Ist Ihnen bekannt, wie hoch im vergangenen Jahr das Aufkommen des Notopfers Berlin war?
Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.
Darf ich Ihnen sagen, daß es 1250 Millionen DM waren. Ist Ihnen bekannt, daß Berlin im vorigen Jahr aus dem Notopfer Berlin nur einen Zuschuß von 710 Millionen DM bekommen hat?
Das ist mir bekannt, Kollege Neumann, und ich wollte auf die Frage ,des Notopfers Berlin noch zu sprechen kommen. Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn Sie auf meine Einwendungen geantwortet hätten und nicht mit einer gänzlich anderen Frage gekommen wären.
Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß das „Mißbehagen gegenüber der Bundesregierung", von dem Herr Kollege Klingelhöfer gesprochen hat, in Berlin nicht vorhanden wäre, wenn es nicht geflissentlich von bestimmten Stellen geschürt würde; sonst wäre eis sicher nicht zu spüren. Ich glaube nicht, daß wir der Sache Berlins wirklich einen Dienst erweisen, wenn wir immer von einem „Mißbehagen" der Berliner sprechen.
Herr Bundesfinanzminister, es ist gewiß unser aller Wunsch, daß das Notopfer Berlin in voller Höhe den Berlinern zukäme. Aber da wir doch mit Freude feststellen können, daß Sie uns im allgemeinen ,großzügig und verständnisvoll helfen, so möchte ich mich mit Ihnen nicht herumstreiten, ob man es auf diesem oder jenem Wege verrechnen soll. Vielleicht läßt sich im nächsten Jahr in der Tat eine bessere Lösung finden.
Herr Bundesfinanzminister, ich möchte Ihnen dazu noch ein paar Zahlen nennen, um Ihnen einmal zu zeigen, wieviel noch zu tun ist. Ich habe in meinem Institut einige Zahlen ausrechnen lassen, die einen guten Wohlstandsindex für die Entwicklung Berlins geben und vielleicht auch Ihnen Anlaß zum Nachdenken sein sollten.
Ich habe Berlin mit der nächstgrößten deutschen Stadt, mit Hamburg verglichen und habe festgestellt, daß im Jahre 1938, also vor dem Kriege, an durch die öffentliche Fürsorge laufend unterstützen Personen in Berlin je 1000 Einwohner weniger waren als in Hamburg, nämlich damals 37 in Berlin und 46 in Hamburg. Heute ist es umgekehrt geworden: Die Zahl der durch die öffentliche Fürsorge laufend unterstützten Personen hat sich in Berlin verdoppelt, in Hamburg halbiert. Es ist also heute so, daß die Stadt Hamburg, die damals prozentual mehr unterstützungsbedürftige Personen zählte, heute nur noch ein Drittel derjenigen von Berlin hat.
Vielleicht noch eine andere Zahl, die auch recht charakteristisch ist. Ich habe einmal die Telefonanschlüsse zählen lassen. Berlin hat vor dem
Kriege an Telefonanschlüssen je 1000 Einwohner etwa ebensoviel wie Hamburg gehabt. Jetzt ist die Zahl für Berlin um nahezu 20 % heruntergegangen, während sie in Hamburg um 10 % gestiegen ist.
Endlich ist vielleicht auch die Zahl der Kraftwagen ein ganz guter Wohlstandsindex. In Berlin hat es vor dem Kriege je 1000 Einwohner 26 Kraftwagen gegeben, in Hamburg 23. Heute ist die Zahl in Berlin um 20 % zurückgegangen und in Hamburg um 50 % gestiegen, so daß Hamburg heute prozentual ungefähr die anderthalbfache Zahl der Kraftfahrzeuge gegenüber Berlin hat.
Ich will die einzelnen Zahlen hier nicht näher erörtern. Es zeigt Ihnen aber, wieviel tatsächlich noch zu tun ist, und ich wäre sehr dankbar, wenn die Bundesregierung mit dem wachen und warmen Verständnis, das sie immer für unsere Dinge gehabt hat, diese Verhältnisse ins Auge fassen wollte. Wir sind uns ja klar darüber, Herr Bundesfinanzminister, daß eine wirkliche Sanierung Berlins in dem Sinne, daß es zu seinem alten Glanz und zu seiner alten Stärke aufsteigt, erst dann erreicht werden wird, wenn Berlin wieder die Hauptstadt in einem wiedervereinigten Deutschland sein wird. Und wir alle wollen dahin wirken, daß dieses Ziel erreicht wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Friedensburg, Sie sprachen soeben von dem Anliegen Berlins an den Bund und an den Herrn Bundesfinanzminister. Ich glaube, es ist gar kein Anliegen Berlins, das hier vorliegt, sondern die Wünsche und die Notwendigkeiten für Berlin zu erfüllen ist ein Anliegen Deutschlands,
sogar ein Anliegen über Deutschland hinaus: Es ist ein Anliegen Europas, ob und wie weit und wie bald Berlin wieder in die Stellung kommt, die es gehabt hat.
Und dann eine vielleicht nach Ihrer Meinung nicht ganz angebrachte Bemerkung: Glauben Sie wirklich, daß Berlin erst wieder die Hauptstadt Deutschlands zu werden braucht? Ich bin der Meinung, Berlin i s t die Hauptstadt Deutschlands,
und es hat keine Zeit gegeben, in der Berlin nicht die Hauptstadt Deutschlands gewesen ist. Ja, Sie lächeln.
— Ja, ich glaube, Sie lächeln manchmal ganz gern. Aber es ist nicht ganz gleichgültig, welche Formulierungen wir für die Stellung und für die Bedeutung Berlins finden,
nicht gleichgültig für das Urteil und die Ansicht der Öffentlichkeit.
Sehr interessant waren die Zahlen, die Herr Kollege Friedensburg aus seinem bekannten Wirtschaftsinstitut gegeben hat. Sie sind — hoffentlich! — sehr geeignet, nicht nur dem Herrn Finanzminister einiges deutlicher zu machen, sondern der breitesten Öffentlichkeit in Deutschland und über die Grenzen Deutschlands hinaus klarzumachen, worum es sich eigentlich handelt.
Es werden oft Vergleiche über die Unterschiede im Auf- und Abstieg zwischen Berlin und den anderen großen Städten gebracht, und Sie haben mehrere angeführt. Woher ist denn Berlin so im Rückstand? Woher haben denn so viele große Städte einen so unerwarteten Aufschwung genommen? Zu einem großen Teil doch deshalb, weil Berlin wie eine belagerte Festung tatsächlich absolut außerstande ist, Leistungen zu erbringen, die es eben früher erbracht hat, und weil die anderen großen Städte ganz erheblichen Nutzen davon gehabt haben, daß diese Leistungen an sie haben übergehen können. Ein ganz beträchtlicher Teil Berliner Intelligenz und Berliner Willens hat dazu beigetragen — leider durch Abwanderungen gezwungen —, anderen Städten den Mist zu geben, den sie brauchten, damit ihre Pflanzen so schnell gedeihen konnten.
Ich gönne das den anderen Städten von ganzem Herzen. Aber man soll sich einmal klarmachen, daß ein großer Teil der Kräfte, die dort in höchst beachtlicher und dankenswerter Weise eingesetzt worden sind, aus Berlin gekommen ist.
Wir müssen immer wieder unterstreichen — der Kollege Klingelhöfer, dem ich für seine Ausführungen sehr dankbar bin, hat schon darauf hingewiesen —, daß es für Berlin nichts Beglückenderes geben könnte, als wenn wir anderer Leute Geld nicht mehr brauchten, um selber nicht nur für Berlin, sondern für Deutschland wieder zu gesunden und wieder der Faktor in der Welt zu werden, der wir gewesen sind.
Deshalb bedauere ich es sehr lebhaft, daß immer wieder Hunderte von Millionen, die für das Notopfer Berlin verwendet werden müßten, im Säckel des Herrn Finanzministers steckenbleiben.
Ich glaube, wir haben einen Anspruch darauf, daß an dieser Stelle nicht gehortet wird. Als Hausfrau weiß ich, was Sparen heißt, Herr Minister. Aber es gibt auch etwas, was über das Sparen hinausgeht und wofür es ein unfreundliches Wort gibt, das ich nicht gebrauchen möchte.
Geben Sie Berlin das, was es braucht, Herr Minister, um Deutschlands willen, und wir sind glückselig, wenn wir zurückgeben können, was wir erhalten haben, weil es für Sie alle nötig war, daß wir es bekamen. Meine lieben Kollegen und Kolleginnen, Sie werden es mit Wucherzinsen von uns zurückbekommen!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können nicht abstimmen, es ist Abstimmungssperre bis 15 Uhr. Ich stelle diesen Einzelplan so lange zurück.
Wir kämen nunmehr zu Einzelplan 60. Aber vorher wollen wir die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1955 durchführen. Es handelt sich um die Drucksachen 1449 und 1470. Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
— Er wird in einer Stunde da sein. Wir können , aber ohne ihn wohl nicht verhandeln. — Ist das Haus damit einverstanden, daß ohne Bericht verhandelt wird? Ist das möglich? Ich kann das nicht übersehen.
— Es scheint mir nicht zweckmäßig zu sein. Dann bin ich in einiger Verlegenheit.
— Herr Dr. Vogel, kommen Sie doch bitte zur Tribüne und sprechen Sie über das Mikrophon!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich den Vorschlag machen, daß wir trotzdem den Einzelplan 60 zunächst einmal vorziehen. Denn die Entscheidung über das Gesetz, das hier ursprünglich dem Einzelplan 60 vorgezogen werden sollte, nämlich das Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und der Körperschaftsteuer durch den Bund, ist ja für uns erst in der dritten Lesung von akuter Wirkung. Ich glaube, wir können, ohne dadurch einen Schaden anzurichten, zunächst die zweite Lesung des Einzelplans 60 vorziehen und brauchen keine Zeit zu verlieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dem Kollegen Vogel widersprechen soll. Wenn es unbedingt erforderlich ist, daß der Herr Kollege Wellhausen den Bericht erstattet, dann müßte man allerdings warten. Aber ich glaube, das Problem, das in dem Gesetz steckt, ist sehr einfach, und es könnte von jedem Mitglied des Finanzausschusses hier kurz berichtet werden, wie die Sache im Finanzausschuß gelaufen ist, ohne daß Herrn Dr. Wellhausen dadurch irgendwie Schaden geschieht.
Herr Kollege Schoettle, es scheint nur so zu sein, daß man nicht gut debattieren kann, ohne daß der Ausschußvorsitzende anwesend ist!
Das ist ein Gesichtspunkt; aber auf der anderen Seite wäre es natürlich vom formalen, technischen Standpunkt aus erfreulich, wenn der Einzelplan 60 in vollem Umfange auch die Deckungsmittel enthielte, die im Inanspruchnahmegesetz stecken. Dann hätte die zweite Lesung erst ihren abschließenden Sinn. Aber bitte, ich stelle anheim; ich will mich nicht darauf versteifen.
Da die Abstimmungen erst um 15 Uhr sind, kann man, glaube ich,
ohne Schaden zunächst einmal zu den Änderungsanträgen zu Einzelplan 60 sprechen. Wir können dann die Zeit umkehren und können zur Berichterstattung zurückgehen. Ich denke, wir werden dann schon zurechtkommen. Ist das Haus einverstanden?
Dann habe ich zunächst bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films um 12 Uhr im Zimmer 204 Süd zu einer kurzen Sitzung zusammentritt. Der Ausschußvorsitzende hat mir gelobt, daß die Sitzung nicht länger als 10 Minuten dauern würde. Wenn er das nicht getan hätte, hätte ich ihm die Genehmigung zu dieser Sitzung nicht erteilt.
Meine Damen und Herren! In diesem Augenblick wird die sterbliche Hülle unseres Kollegen Wirths
auf dem Friedhof zu Elberfeld der Erde übergeben. Wir wollen in einer Minute des Schweigens des verstorbenen Kollegen gedenken. — Ich danke Ihnen.
Wir kommen zu
Einzelplan 60: Allgemeine Finanzverwaltung .
Zu dem Einzelplan, für den der Abgeordnete Wacker Berichterstatter ist, liegen drei Änderungsanträge vor: Umdruck 409, Umdruck 428 Ziffer 2, der schon bei Einzelplan 12 zur Annahme gekommen ist, und Umdruck 440.
Wir haben zunächst die Berichterstattung entgegenzunehmen. Herr Abgeordneter Wacker, ich erteile Ihnen das Wort zur Berichterstattung.
Ich möchte meinen Bericht schriftlich abgeben*).
Sie legen Ihren Bericht schriftlich vor. Das Haus verzichtet auf mündliche Berichterstattung. Dann rufe ich zunächst den Änderungsantrag Umdruck 409**) auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wie ich eben bereits dem Herrn Präsidenten gesagt habe, möchte ich nicht nur zu Umdruck 409 betreffend die Erhöhung der Leistungen des Bundes für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung sprechen, sondern mich auch mit einigen anderen Problemen des Haushalts in Einzelplan 60 befassen.
Zuvor aber erlauben Sie mir, an den Herrn Bundesfinanzminister eine Frage zu stellen in der Hoffnung, daß er in der Lage ist, uns diese Frage beruhigend zu beantworten. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich aus verständlichen Gründen, um einer Schmuggelspezialität entgegenzutreten, die möglich wird, wenn deutsche Kraftfahrer den Tank ihrer Autos in Nachbarländern füllen, in denen der Kraftstoff sehr viel billiger ist, zu zwei Maßnahmen veranlaßt gesehen. Die erste Maßnahme ist die Einführung eines Kraftstoffnachweisscheins, der von dem deutschen Automobilisten verlangt werden soll, wenn er mit einem vollen oder mit einem dreiviertel gefüllten Tank
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 5.
über die Grenze fährt, damit ihm nichts passiert, wenn er mit mehr als der zugelassenen Zahl von Litern Benzin aus dem Auslande zurückkehrt. Weiterhin hat der Herr Bundesfinanzminister eine Vorschrift erlassen, nach der nicht mehr als 25 l Benzin aus dem Ausland eingeführt werden dürfen; alles andere muß verzollt werden. Ich glaube, das Haus hat, solange diese Art von Zollgesetzgebung besteht, für diese Maßnahme des Herrn Bundesfinanzministers volles Verständnis.
Auf der anderen Seite wird aber doch mit dieser neuen Maßnahme der Grenzübertritt in einer sehr wenig erfreulichen Weise erschwert, zunächst einmal durch die Tatsache, daß es sich jemand bescheinigen lassen muß, wenn er mit mehr als 25 1 eine Auslandsfahrt antritt. Es gibt einen Auf enthalt an der Grenze. Ich weiß übrigens nicht — das ist meine erste Frage an den Herrn Bundesfinanzminister —: Gibt es diesen Aufenthalt nur an den Grenzen der Länder, in deren Bereich der Kraftstoff erheblich billiger ist, oder gibt es diesen Aufenthalt an den Grenzen aller Länder? Die Preise sind sehr unterschiedlich. Man kann in einem Lande — wenn ich recht orientiert bin — Kraftstoff für 25 Pf pro Liter kaufen, in einem anderen Lande kostet er 3, 4 Pf weniger — in unserer Währung gerechnet — als in der Bundesrepublik selbst, so daß der Anreiz zum Schmuggel kaum in Betracht kommen dürfte. Dann muß also der betreffende Kraftfahrer, wenn er zurückkommt, nachmessen lassen, und wenn er mehr als 25 1 in seinem Tank hat, muß er entsprechenden Zoll bezahlen.
Ich befürchte sehr, Herr Bundesfinanzminister, daß neben der Verzögerung in der Abwicklung des Grenzverkehrs, einer sehr unangenehmen Erscheinung, auf die Dauer gesehen auch eine erhebliche Personalbeanspruchung und ein wirklich unangenehmer Zustand sowohl für die Bundesfinanzen als auch für die Leute entstehen, die nun einmal aus Beruf oder Neigung über die Grenze gehen. Herr Bundesfinanzminister, bei den durchschnittlichen Personenwagen ist das Fassungsvermögen der Tanks kaum viel größer als 25 1. Frage: Kann man nicht eine Regelung finden, die die Kirche im Dorf läßt und die vermeiden hilft, daß Sie über kurz oder lang gezwungen sind, im Hohen Hause den Antrag auf Vermehrung von Stellen im Bundeszolldienst einzubringen, allein schon wegen der Überlastung der Zöllner aus diesem Anlaß?
Wenn ich an unsere Kohlensituation denke und weiß, wieviel Kohle zum Nachteil unserer Hausbrandversorgung und unserer deutschen Wirtschaft auf Grund des Montanpakts ins Ausland geht, erhebt sich die Frage, ob der Verlust, den wir aus der Einfuhr von ein paar Litern Benzin erleiden, wirklich so groß ist. Man kann ja unterscheiden zwischen denen, die im Verdacht stehen können, daß sie berufsmäßig schmuggeln, und denen, die vielleicht alle 14 Tage oder alle vier Monate oder alle Jahre einmal über die Grenze fahren. Ist dieser Anlaß wirklich so schwerwiegend, daß man eine derartige Erschwerung des Grenzübertritts schaffen muß?
Nun einige Bemerkungen zu Einzelplan 60, zunächst zu den Abschlußzahlen. Als der Haushalt des Bundesfinanzministeriums, der ja alle Einnahmen enthält, die im Bereich der Bundesverwaltung aus Besitz- und Verkehrsteuern, Einkommen- und Körperschaftsteuern, Zöllen, Verbrauchsteuern, der Lastenausgleichsabgabe und den übrigen Ab-
gaben anfallen, vorgelegt wurde, sah er nach dem Beschluß der Bundesregierung eine Summe von 25 014 500 000 DM vor. So kam er in den Haushaltsausschuß. Nach der Feststellung, daß die damals noch vorgesehen gewesene Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 160 500 000 DM mangels gesetzlicher Unterlagen nicht erhoben werden könne, hat er den Ausschuß mit einer Endsumme von 25 472 Millionen DM in Einnahmen verlassen, also mit einem höheren Betrag als dem, mit dem er eingebracht worden war. Es ist nützlich — und nicht uninteressant —, diese Feststellung als einen kleinen Hinweis auf die Arbeiten des Haushaltsausschusses zu treffen.
Nun aber stehen im Raum unterschiedliche Meinungen in bezug auf die dem Etat zugrunde liegenden Schätzungen. Wenn wir die Lastenausgleichsabgaben mit 2020 Millionen DM hier zunächst einmal unberücksichtigt lassen, bleibt nach dem Einzelplan 60 ein echter Steuerbedarf von rund 23 Milliarden DM. Ich habe einmal die Zahlen des Vorjahres herangezogen, um die Schätzungen mit den Erwartungen in Vergleich zu setzen. Es ist nicht uninteressant, das zu sehen. Bei einer Erwartung mit einem Anteil von 42 °/o des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von insgesamt 22 032 Millionen DM im Jahre 1954, bei einer solchen Summe, in der sich auch 250 Millionen DM befanden, die die Bundesbahn an Beförderungsteuer bezahlen sollte und nicht bezahlt hat — was man damals schon wußte, denn man hat es gestundet —, und angesichts der Tatsache, daß nicht 42 % Bundesanteil, sondern weniger festgelegt wurden und so eine Mindereinnahme von 480 Millionen DM veranlaßt wurde, so daß eine echte Erwartung von 730 Millionen DM weniger zu rechtfertigen war, bestand dann bei Abschluß eine echte Einnahme-Erwartung von 21 302 Millionen DM. Das Ist-Aufkommen in 1954 betrug 21 974 Millionen DM. Nach der reinen Zahlenrechnung, die der Herr Bundesfinanzminister anzustellen berechtigt ist — darüber gibt es keinen Zweifel —, bedeutet dieses Ist aus 1954 gegenüber der ursprünglichen Erwartung von 22 032 Millionen DM ein Minderaufkommen von 57,1 Millionen DM. Nach der tatsächlich berechtigten Erwartung aber, nach Abzug der 250 Millionen DM, die der Bundesbahn gestundet wurden, und der Minderbeteiligung mit 480 Millionen DM an dem Ertrag der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nach dieser tatsächlich berechtigten Ist-Erwartung von 21 302 Millionen DM bedeutet der Abschluß 1954 eine Mehreinnahme von 672 Millionen DM.
Diese Überlegungen spielen eine gewisse Rolle in bezug auf die Einnahmeschätzungen im Haushalt 1955. Da gibt es ein Institut „Finanzen und Steuern" in Bonn. Ich weiß nicht, wer es betreut, wer es verwaltet. In seinem Rundbrief — einem grünen Brief — vom 6. Juni 1955 kommt dieses Institut zu der Auffassung, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministers für 1953 und für 1954 ungünstig gewesen seien, und es stellt die Prognose, daß die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers für 1955 auch ungünstig — günstig für ihn, ungünstig für den Ausgleich des Haushalts — seien. Es ist nicht zu übersehen, daß die Länderfinanzminister diese Auffassung im Grunde teilen. Sie sind beispielsweise der Meinung, daß die Erwartung aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer 1,2 Milliarden DM höher anzusetzen sei, als sie der Herr Bundesfinanzminister ansetzt. Ich
weiß nicht, ob das Hohe Haus der Versuchung unterliegt oder ihr widersteht, die Einnahmeansätze zu erhöhen. Der Haushaltsausschuß hat davon abgesehen. Aber es gibt so einiges, was doch zu Bedenken Veranlassung gibt. Man könnte sich vorstellen, daß beispielsweise die Einigung mit den Ländern durch ein gewisses Entgegenkommen des Herrn Bundesfinanzministers in der Bewertung dessen, was da an Einnahmen kommt, nicht unwesentlich erleichtert werden könnte.
Sie werden verstehen, meine Damen und Herren — der Herr Bundesfinanzminister wird es erst recht verstehen —, daß die sozialdemokratische Fraktion des Hohen Hauses trotz aller guten und menschlichen Beziehungen, die zwischen uns besonders auch bei den Beratungen im Haushaltsausschuß immer bestanden haben und hoffentlich immer weiter bestehen werden, in bezug auf die innere Gestaltung des Etats in vielfacher Hinsicht eine andere Meinung vertritt. Wir vermissen eine konstruktive Neugestaltung des Etats, die den von unseren Rednern in den vergangenen sechs Jahren oft genug vertretenen Auffassungen Rechnung trägt.
Ein praktisches Beispiel. Aus besonderem Anlaß haben wir seinerzeit sehr um die Senkung der Umsatzsteuer gekämpft. Es war mir nicht uninteressant, heute morgen im Wirtschaftsteil der „Bonner Rundschau" oder auch „Kölnischen Rundschau" einen Artikel zu lesen mit der Überschrift „Schäffer könnte die Preise senken". Ich empfehle dem Herrn Bundesfinanzminister — er hat ihn schon gelesen — diesen Artikel sehr;
es ist die Wiedergabe der Meinung des Präsidenten des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie, der zu Recht feststellt, daß die Materialien, die die Bekleidungsindustrie herstellt, bis zum Käufer 12 % Umsatzsteuer enthalten, und der sagt: Würde man die Umsatzsteuer auch nur um 0,5 % senken, dann würde der Herr Bundesfinanzminister den Weg für eine Preissenkung und, wie ich hinzufügen möchte, für eine Stärkung der Massenkaufkraft eröffnen.
— Ach, Herr Kollege Dr. Conring,
wenn die Massenkaufkraft dadurch gestärkt wird, daß sich der Einzelpreis durch eine Senkung der Umsatzsteuer ermäßigt, dann entsteht kein Loch. Der Herr Bundesfinanzminister hat seinerzeit so heftig gegen die Senkung der Schaumweinsteuer gekämpft. Wir haben diese Steuer nicht gesenkt, damit die Leute billigen Sekt trinken können, sondern wir haben sie gesenkt — und ich habe aus vollem Herzen ja dazu gesagt —, damit die Weinbauern von ihren billigen Weinen, aus denen bekanntlich Sekt gemacht wird, loskommen und damit Arbeitslosigkeit vermieden würde. Die Entwicklung des Haushalts in der Zwischenzeit zeigt, daß diese Senkung keine Ertragsminderung, sondern eine Steigerung des Ertrages zur Folge hatte. Der Herr Bundesfinanzminister wird mir sagen: Ja, aber, Herr Kollege, die Teesteuer, die Kaffeesteuer ... ! — Stärken Sie die Massenkaufkraft — auch die letzte alte Frau trinkt sehr gern Kaffee, wenn sie ihn bezahlen kann —, dann werden Sie auch Steuern einnehmen!
Wir beanstanden, daß in diesem Haushalt immer noch unverändert und mit steigender Tendenz Massenbelastungen enthalten sind. Ich beschränke mich auf wenige Zahlen: Die Zuckersteuer bringt 390 Millionen, die Salzsteuer 40 Millionen, die Zündwarensteuer — was für ein eitles Spiel haben wir aus Anlaß der Behandlung der Zündwarensteuer doch hier erlebt! — bringt 60 Millionen, die Leuchtmittelsteuer 27 Millionen.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren — ich habe, wie ich glaube, bei der Beratung des Einzelplans 08, schon einmal darauf hingewiesen —, erleben wir, daß mit dem Willen des Herrn Bundesfinanzministers bei der Feststellung der Ablieferung aus dem Branntweinmonopol eine Senkung des Ansatzes von 600 Millionen auf 550 Millionen anerkannt wird. Wir sind der Auffassung, daß der alte Ansatz von 600 Millionen wiederhergestellt werden muß, und stellen den Antrag auf Wiederherstellung des seinerzeitigen Ansatzes. Nach unserer Auffassung hat — und das wird, wie schon angekündigt, im Herbst des näheren dargelegt werden — eine falsche Politik die Abführungsmöglichkeiten des Monopols durch eine übersteigerte Rücklagepolitik eingeschränkt. Ich beziehe mich hier besonders auf die Ausführungen des leider erkrankten Herrn Kollegen Dr. Gülich in der 93. Sitzung des Haushaltsausschusses.
Eine kritische Einstellung haben wir gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister und seinem Etat in dieser Spezialfrage auch, wie es in Umdruck 409 schon angesprochen worden ist, in bezug auf die Bundesleistungen für Zwecke der Wiedergutmachung. Aber ehe ich mich damit beschäftige, möchte ich auch zweier erfreulicher Tatsachen gedenken: einmal, daß sich für Salzgitter aus den Beschlüssen des Haushaltsausschusses eine Erhöhung von 3 auf 8,5 Millionen DM ergab. Ich möchte das Haus sehr bitten — auch entgegen einem in der Zwischenzeit eingereichten Änderungsantrag, nicht gerade zu diesem, sondern zu einem anderen, Salzgitter betreffenden Thema —, Salzgitter alles zukommen zu lassen, was irgendwie im Bereich der bundesfinanziellen Möglichkeiten liegt. Die zweite erfreuliche Tatsache besteht in der Erhöhung des Ansatzes von 6 auf 7 Millionen für Darlehen oder Zuschüsse an die Pensionskasse deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen.
Nun aber ein Wort zu der Frage der Wiedergutmachung! Nach dem Bundesergänzungsgesetz sind als Leistungen des Bundes zur Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung im Jahre 1954 66,6 Millionen DM vorgesehen gewesen. Infolge schleppender Erledigung dieser Aufgabe wurden nur 24 Millionen verbraucht.
Der Bundesfinanzminister rechnet in diesem Jahre mit einer wesentlichen Beschleunigung der Entschädigungsleistungen und sieht unter Tit. 311 seines Haushaltes 160 Millionen vor. Der Herr Bundesfinanzminister anerkennt aber auch, daß die Gesamtentschädigungslast, die auf dem Bund und auf den Ländern ruht, auf 4 Milliarden zu berechnen ist. Da vorgesehen ist, daß die Abwicklung dieser Aufgabe spätestens bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1962 erfolgen soll — lange Zeit genug! —, gibt der Bundesfinanzminister selbst eine Annuität von 400 Millionen DM zu. In Widerspruch hierzu sieht er jedoch im Haushalt nur
160 Millionen DM vor, mit deren voller Ausschöpfung er rechnet. Ich kann nicht annehmen, daß er glaubt, der Rest, die Differenz zwischen 160 und 400 Millionen, sei von den Ländern aufzubringen.
Meine Fraktion hat bereits am 22. Oktober 1954 auf Drucksache 915 eine Belastung des Rechnungsjahres 1955 statt mit 160 mit 250 Millionen für die endliche Durchführung der Wiedergutmachung beantragt, und denselben Antrag enthält der Umdruck 409. Der Haushaltsausschuß hat diesen Antrag leider mit Mehrheit abgelehnt. Ich wiederhole ihn hier namens meiner Fraktion und begründe ihn mit der Bitte, Schluß zu machen mit der weiteren Verschleppung der Entscheidung über berechtigte Anträge auf dem Gebiete der Wiedergutmachung, bevor die Antragsberechtigten das Zeitliche gesegnet haben, was vielfach schon der Fall ist.
Ich glaube, daß bittere Vergleiche zwischen den Opfern des Nationalsozialismus in bezug auf ihre Nichtberücksichtigung und den Nutznießern des nationalsozialistischen Systems in bezug auf ihre Berücksichtigung gerade an diesem Orte sehr wohl am Platz wären.
Und nun eine Bemerkung grundsätzlicher Art! Der Herr Bundesfinanzminister hat in den Vorbemerkungen zu dem Haushalt darauf hingewiesen, daß eine Fülle von Ausgaben vermögenswirksamer Art in die Einzelhaushalte verlagert worden sei, und dieser Haushalt — Einzelplan 60 — enthält nur noch 1,5 Millionen DM für Grunderwerb. Derartige Ausgaben wurden bisher auch im Bereich des Einzelplans 60 im außerordentlichen Haushalt untergebracht. Ich habe mir daraufhin nun einmal extra den außerordentlichen Haushalt angesehen und greife ein Beispiel heraus. In Tit. 601 des außerordentlichen Haushalts ist eine Erhöhung der Zuschüsse an Schleswig-Holstein von 10 Millionen DM auf 25 Millionen DM vorgesehen. Ich habe mich dann der Ausführungen des Herrn Vertreters des Bundesfinanzministers im Haushaltsausschuß über den Charakter und die Realisierbarkeit der im außerordentlichen Haushalt untergebrachten Ausgaben erinnert. In der 93. Sitzung des Haushaltsausschusses hat ein Vertreter des Bundesfinanzministers erklärt, daß ein bestimmter Ansatz -- es handelte sich um Einzelplan 60 Kap. 02 Tit. 600 — nicht im außerordentlichen Haushalt untergebracht werden solle, da dies bedeuten würde, daß völlige Ungewißheit darüber bestünde, ob diese Ausgabe geleistet werden könne oder nicht. Was will ich damit feststellen? Eine Hilfe für Schleswig-Holstein in Höhe von 25 Millionen DM wird in den außerordentlichen Haushalt mit der sehr unsicheren Aussicht auf Erfolg verwiesen; der Ansatz von 1,5 Millionen DM für Grundstückskäufe wird im ordentlichen Haushalt untergebracht, damit die Grundstückskäufe auch sicher vollzogen werden können. Ich spreche nicht gegen die Begründung der Berechtigung dieser Grundstückskäufe. Aber es scheint mir doch, daß hier auf dem Gebiete der Verlagerung — das sage ich nun als meine persönliche Auffassung — in den ordentlichen Haushalt des Guten etwas zuviel getan wird.
Ich habe hier eine amtliche Unterlage: für den Erwerb eines Grundstücks in Bonn 50 000 DM im Einzelplan 01, 432 000 DM für den Neubau eines
Dienstgebäudes im Einzelplan 04, 950 000 DM für den Neubau eines Dienstgebäudes im Einzelplan 04, 10 300 000 DM für Neu-, Um- und Erweiterungsbauten für die Vertretungen des Bundes im Ausland im Einzelplan 05 — ich übergehe eine Reihe von anderen —, 8 800 000 DM im Einzelplan 06 für Instandsetzung von ehemaligen Kasernen, 9 974 000 DM im Einzelplan 08 für Neubauten für die Bundeszollverwaltung, 900 000 DM im Einzelplan 12 für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes für die Abteilung Seeverkehr in Hamburg. Es ist eine sehr gesunde Sache, wenn man die Ausgaben, die man hat, in einem Jahr finanzieren kann. Auf der anderen Seite aber fehlt doch hier etwas! Das ist ein persönliches Anliegen, das ich erneut zum Ausdruck bringen möchte, in der Hoffnung, daß damit endlich einmal eine Bewegung im Lande zustande kommt, die eine Änderung dieses Zustandes herbeiführt. Es fehlt ein echter Verbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf dem Gebiete der Inanspruchnahme der Steuern und der Steuerverteilung. Es fehlt eine Gleichmäßigkeit in der Belastung des ordentlichen und des außerordentlichen Haushalts zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ich betrachte es als eine hervorragende und geschichtlich sehr bedeutungsvolle und dankenswerte Aufgabe des Herrn Bundesfinanzministers, sein Augenmerk einmal auf die Realität nicht nur im Bereich des Bundes, sondern auch auf die Realität beispielsweise im Bereich der Gemeinden und Gemeindeverbänden zu lenken. Ich weiß, der Herr Bundesfinanzminister hat viele Sorgen. Ich verstehe seine Haltung. Aber ich kann sie nicht billigen, wenn ich sehe, was andernorts vorgeht.
Zum Abschluß eine kurze Bemerkung als Vergleich, als Realität. Ich habe hier von dem Leiter des Finanzamts meiner Heimatgemeinde eine Zusammenstellung auf Grund von amtlichen Unterlagen aus einem Vortrag, den er vor der, Industriellenvereinigung des Kreises gehalten hat. Daraus ergibt sich, daß in dem Landkreis Erbach bei der Umsatzentwicklung, bei der Wirtschaft insgesamt gegenüber dem Landesdurchschnitt eine rückläufige Bewegung von 25 % zu verzeichnen ist, daß die Industrie dort infolge Abwanderung und Bevorzugung anderer Industrien in den Grenzgebieten — eine Sache, die wir verstehen — eine rückläufige Entwicklung von 30 % zu verzeichnen hat. Es ist ein Kreis, der gezwungen ist, sogar die Instandsetzungskosten der seiner Verantwortung übertragenen Schulgebäude im außerordentlichen Haushalt unterzubringen, und wenn es sich um so lächerliche Beträge wie 52 400 DM handelt, der für einen zwingend notwendigen Erweiterungsbau für ein Realgymnasium, zu dessen Träger er wider seinen Willen wurde, 225 000 DM im außerordentlichen Haushalt durch Kapitalaufnahme aufbringen muß, der eine Berufsschule durch eine Kapitalaufnahme von 67 800 DM finanzieren muß, der für den Ausbau des Kreiskrankenhauses 45 000 DM auf dem Kapitalmarkt beschaffen muß!
Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, auch ein Bundestagsabgeordneter hat zwei Seelen in seiner Brust. Der Herr Finanzminister hat vielleicht drei;
ich weiß es nicht, ich habe sie nicht zählen können. Aber wenn ich sehe, was hier im ordentlichen Haushalt als vermögenswirksame Ausgabe untergebracht wird und was sogar an Unterhaltungsausgaben und anderen unabweisbaren Dingen bei Kommunen und Kreisen und bei einzelnen Ländern im außerordentlichen Haushalt untergebracht werden muß, so daß dort Schulden gemacht werden müssen, dann muß ich sagen: Hier stimmt etwas nicht. Es stimmt etwas nicht in der Gesamtpolitik, in der Gesamtfinanzpolitik, die uns nicht nur als Bundesbürger und Bundestagsabgeordnete, sondern auch als Kommunalbürger und Landesbürger angeht. Hier — das ist nun die Quintessenz dessen, was ich sagen möchte, Herr Bundesfinanzminister — habe ich wirklich ein dringendes Anliegen an Sie. Ich wäre dankbar, Herr Minister, wenn Sie Veranlassung nehmen wollten, den Bestrebungen auf Erstellung eines nationalen Budgets und, mehr noch, auf Rechenschaftslegung über das Nationaleinkommen überhaupt und seine Verwendung, den Bestrebungen auf Herstellung eines echten Ausgleichs, der die Tendenz hat, vor allem das Leben der Gemeinden vor Verschuldung und Niedergang zu retten in Erinnerung an die Tatsache, daß unser deutsches Volk und unser deutsches Land nichts wäre ohne seine Gemeinden, ähnliche Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen wie den sehr berechtigten Sorgen um den Ausgleich des Bundeshaushalts. Heute steht die Partie vom Standpunkte der Gemeinden aus so: Es gilt wieder wie einstmals schon in der Zeit der Weimarer Republik der Satz: Den Letzten beißen die Hunde. Wir sollten da nicht mitschuldig werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn ich am heutigen Tage wieder zu ,einem Teile des Haushaltsplans 60, und zwar zu dem Tit. 311, Stellung nehme, so tue ich es aus dem Bewußtsein, daß sich die Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus noch immer in sehr schleppender Weise vollzieht. Ich tue es auch mit der bangen Sorge für den Tag, da ,die in Bearbeitung befindliche Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz Tatsache werden wird und wir im Etat nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung haben werden, um dem gerecht zu werden, was zur Erweiterung und Ergänzung des Bundesentschädigungsgesetzes notwendig ist. Wir schreiben heute das Jahr 1955, und über zehn Jahre sind vergangen, seitdem die Tore der KZs und Zuchthäuser sich für die Opfer des „Tausendjährigen Reiches" öffneten. Viele kehrten nicht zurück. Irgendwo, an irgendeiner Stelle haben sie ihre gequälte Seele ausgehaucht, und der geschundene Leib entrann der weiteren Qual. Die Heimgekehrten und die Hinterbliebenen dieser furchtbaren Zeit warten zum Teil heute noch auf ihre materielle Entschädigung. Manche befinden sich in größter Not, manche sind alt geworden und resignieren. Viele sind hinweggestorben in der Enttäuschung darüber, daß ihre Umwelt sie scheinbar vergessen hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in dankenswerter Weise in diesem Jahr für die Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes loo Millionen DM mehr angefordert. Er begründet diese Forderung damit, daß die 160 Millionen DM, die von ihm verlangt werden, in diesem Jahr restlos
aufgebraucht würden. Herr Bundesfinanzminister, wir sind Ihnen für die Erkenntnis sehr dankbar, daß es notwendig ist, die Dinge endlich zu beschleunigen, ene die Gräber sich über denjenigen schließen, die das Opfer dieser furchtbaren Zeit waren. Aber, Herr Finanzminister, wir, die wir aus der praktischen Arbeit der Landesentschädigungsämter kommen, wissen, daß die Summe nicht ausreicht, wenn wir schneller den Ansprüchen der Wartenden gerecht werden wollen. Meine Fraktion wiederholt deshalb auf Umdruck 409 den Antrag, den sie schon mehrmals gestellt hat, die angesetzte Summe des Tit. 311 auf 250 Millionen DM zu erhöhen. Wir begründen das damit, daß wir uns auch einmal politisch die Entwicklung unserer Umwelt ansehen sollen. Wenn wir schon nicht allein aus Gerechtigkeitsgefühl für die Opfer aus der Nazizeit endlich daran denken müssen, ihnen gerecht zu werden, soweit das auf der materiellen Ebene möglich ist, dann haben wir doch als Demokraten die Verpflichtung, die Entwicklung um uns zu sehen. Wir haben manches Mal das Empfinden, daß in bezug auf die Abwehr neofaschistischer Elemente und der ewig Unbelehrbaren etwas zuwenig in der Bundesrepublik und seitens der Bundesregierung getan wird.
Die Treffen des „Stahlhelms" und sonstiger Organisationen aus der Nazizeit mehren sich von Tag zu Tag. Es ist zu beobachten, wie die Vertreter dieser Organisationen in ihren Tönen kühner geworden sind, wie sie immer herausfordernder werden, je höher die Pensionen für jene sind, die sich zum Teil mitschuldig gemacht haben an dem Unglück, an dem unser Volk heute und die kommende Generation noch materiell zu tragen hat und haben wird.
Obwohl das Haus — ich verstehe es — infolge der Ermüdung und der Eintönigkeit der Begründung der Haushaltspläne ziemlich geleert ist — jeder Mensch hat das Recht darauf, einmal aufzuatmen, und auch die Bundestagsabgeordneten müssen mal zu einer gewissen Entspannung kommen —, fühle ich mich dennoch verpflichtet, für unsere Umwelt einiges zu den Dingen zu sagen, damit die Öffentlichkeit auch einmal erfährt, wieviel schneller und besser man in der Lage ist, auf anderen Gebieten die Ruhegehälter, die Kapitalentschädigungen und die Hinterbliebenenrenten zu regeln. Ich spreche nicht über jene Berufssoldaten, die mit einer sehr, sehr kleinen Pension heute ihr Leben fristen müssen, ich spreche nicht über die Schwerbeschädigten und über diejenigen, die in vorderster Linie des Weltkriegs stehend ihre Haut zum Markte tragen und ihre gesunden Glieder opfern mußten, ich spreche nicht über die Hinterbliebenen dieser Kreise, denn sie sind Opfer, so wie wir auch Opfer sind, wenn auch in einem anderen Sinne, aber ich spreche über die Herren Generale des Heeres und der Luftwaffe, ich spreche über die hohen Offiziere ähnlicher Laufbahnen, ich spreche über die Admirale und sonstigen höheren Offiziere, denen man schon gerecht geworden ist dadurch, daß man ihnen das bewilligt hat, was sie glaubten von der Bundesregierung fordern zu dürfen.
Gestatten Sie mir, einen kurzen Bericht des Bundesfinanzministeriums wiederzugeben, der dem Haushaltsausschuß vorgelegen hat. Danach wurden
entschädigt respektive erhalten heute Ruhegehälter Berechtigte der Besoldungsgruppen B 2 bis B 7; das sind die Sondergehälter. Ich möchte Ihnen einmal einen Überblick geben, um wieviele Menschen es sich da handelt. Es handelt sich um 3 141 Personen, die das bekommen, was sie wollten und was ihnen nach ihrer Meinung zustand. Deren Grundgehälter schwanken zwischen 15 000 und 24 000 DM pro Jahr. Dazu kommen 40 % Zuschlag und Wohnungsgeld. Diesen Herren stehen bis zu 75 % dieser Bezüge als Ruhegehalt zu. Das bedeutet für die niedrigsten Gruppen pro Jahr 15 750 DM, pro Monat 1312,50 DM plus Wohnungsgeldzuschuß, für die höchsten Gruppen 18 000 DM pro Jahr oder 1 500 DM pro Monat plus Wohnungsgeldzuschuß. Auch 1 842 Hinterbliebene dieser Gruppen erhalten Witwenrenten in Höhe von 60 bzw. 45 % der ordentlichen Bezüge einschließlich Teuerungs-
und Wohnungsgeldzuschuß und 20 respektive 15 % für die Kinder. Ich habe dieses Zahlenmaterial genommen, um einmal Vergleiche zu ziehen zwischen dem, was die Witwen der im KZ Umgekommenen, also die Witwen der Opfer erhalten, und den Renten der Witwen derer, die in der Nazizeit im Heere sehr hohe Stellen bekleidet haben. Die Witwen der Letztgenannten erhalten in den niedrigsten Gruppen 9 000 DM pro Jahr oder 750 DM pro Monat und für jedes Kind 3 000 DM pro Jahr oder 250 DM pro Monat. Die Witwenpensionen in den höchsten Klassen betragen 15 750 DM pro Jahr oder 1 250 DM im Monat. Dagegen erhalten die Witwen der KZ-Opfer 200 bis 250 DM pro Monat. Dazu kommt für die anderen noch das Wohnungsgeld.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich habe nicht aus irgendwelchen Ressentiments über diese Dinge gesprochen; denn obwohl ich selber Betroffene aus der Nazizeit bin, gehöre ich zu denjenigen, die in der Lage sind, sich wirtschaftlich sehr gut durchzuhelfen. Ich spreche für jene, denen es nicht wie mir vom Schicksal gegeben war, noch einmal wieder eingreifen zu können in den Beruf oder in die Geschicke des Staates oder auf dem Gebiet der Politik oder auf irgendeinem anderen Gebiet, wo es mir möglich war, mir eine anständige Existenz zu schaffen. Ich spreche für jene Kreise, die noch heute Not leiden. Ich spreche für jene Kreise, die heute am Rande des Grabes stehen. Ich spreche für jene Witwen, deren Haare -in jugendlichem Alter ergraut sind, da sie mitlitten unter der Verachtung, als Frauen der Opfer des Nationalsozialismus zu gelten. Sie sind heute noch in einer Notlage, und sie sind diejenigen, derer wir uns anzunehmen haben.
Wir haben ferner darüber nachzudenken, wie es im öffentlichen Leben aussieht, beispielsweise, daß heute ein Richter, der die Untersuchung gegen den Lagerkommandanten eines Konzentrationslagers ,aus der Nazizeit vorzunehmen hat, Drohbrief über Drohbrief bekommt und sich sagen lassen muß: ,,Wenn Sie nicht bald mit diesen Untersuchungen aufhören, dann geht es um Ihre Existenz, und Sie haben nachzuzahlen, was dieser Mann seither wieder verdient hat!" — Es handelt sich um ein Einkommen von über 1000 DM. — Ich kann Ihnen das belegen, denn in diesem Prozeß bin ich einer der Hauptbelastungszeugen. Ich gehöre zu denjenigen, die dieses entsetzliche Lager überlebt haben.
Traurig vielleicht — vielleicht gut! Aber notwendig ist es, daß hier in aller Öffentlichkeit ein-
mal ausgesprochen wird, was im Sinne unserer jungen Demokratie sein muß, — wenn wir nämlich in den Zeitungen lesen, wie vorsichtig man ist mit Urteilen gegen jene, die in der Nazizeit Morde auf ihr Gewissen geladen haben; ob auf höheren Befehl oder ohne Befehl, ist gleichgültig. Wir haben hier im Sinne unserer Demokratie zu denken und zu handeln. Es sind Urteile, die so milde ausfallen, daß wir glauben, in jenen Kreisen der ewig Gestrigen ist der Gedanke aufgetaucht: Wie schwach ist diese Demokratie, daß sie es nicht wagt, gegen ihre eigenen Mörder vorzugehen!
Wir haben im Interesse der Abwehr der Untergrabung der Demokratie daran zu denken, daß wir den Opfern aus der Nazizeit gerecht werden müssen. Das wäre die beste Abfuhr für jene, die immer noch glauben, in der Bundesrepublik oder in Berlin ihre Ansprüche geltend machen zu können, und die laut rasselnd von einem Wiederaufbau Deutschlands in ihrem Sinne sprechen, jene ewig Unbelehrbaren und jene auch Boshaften, die unter der Devise, demokratisch zu sein, die Demokratie unterminieren und Dynamitpatronen unter den Bau
unseres jungen demokratischen Staates legen. Es wäre die beste Demonstration, ihnen zu zeigen: Dieser 'demokratische Bundestag will mit Rücksicht auf die Demokratie alles tun, was finanziell in seiner Kraft liegt, um den Opfern aus der Nazizeit gerecht zu werden.
Dieser Bundestag hat diese Opfer nicht vergessen, ebensowenig wie dieser Bundestag und dieser demokratische Staat je vergessen darf, was jene Verbrecher, die heute wieder laut werden wollen, dem deutschen Volke und seinen Nachkommen angetan haben.
Deshalb möchte ich, meine sehr verehrten Herren und Damen, daß wir, die wir doch auf der einen Seite hohe Pensionen bewilligen, die Erhöhung der Etatsumme in Tit. 311 vornehmen, damit die vielen, die heute noch darauf warten, schon in diesem Jahre eine schnellere und umfassendere Entschädigung erhalten können. Besser als alle Pressenotizen, besser als alle öffentlichen Reden wirkt die Tat, die Tat auch für die Verfolgten der Nazizeit. Unserem Ansehen im Auslande kann es nur gut tun, wenn wir endlich einmal auch an die Verfolgten denken, die noch in Deutschland leben und deren Hinterbliebene oft in großer Not ihr Leben fristen müssen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus im Namen der vielen, die heute noch nicht zu ihrem Recht gekommen sind, deren Angehörige in KZs oder Zuchthäusern umkamen oder die selbst Opfer einer furchtbaren Geschichtsperiode waren, den Antrag der Sozialdemokratie auf Erhöhung des Tit. 311 anzunehmen. Meine Herren und Damen, für mich wäre es das beste Geburtstagsgeschenk, das mir der Bundestag geben könnte, wenn er dieser Erhöhung zustimmte.
Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur aus bitterster Erfahrung mit vielen meiner früheren langjährigen treuesten jüdischen Freunde die Worte meiner Kollegin unterstreichen.
Herr Bundesfinanzminister, ich glaube, Sie entsinnen sich vielleicht trotz Ihrer vielen Arbeit der langen, allzu langen Korrespondenz, die ich mit Ihnen, mit dem Herrn Regierungspräsidenten von Köln und mit anderen zuständigen Stellen gehabt habe, von denen immer jede ihre eigene Zuständigkeit ablehnte und die Zuständigkeit einer anderen zuschob, bis ich mir erlaubt habe, in einem sehr deutlichen Schreiben meine Meinung dazu zu sagen, in welcher Weise auch treue Freunde des Herrn Bundeskanzlers, Familie Falk in Köln, jahraus jahrein darauf haben warten müssen — die alte, 83jährige Dame —, bis es mir gelungen ist, den lumpigen Betrag von einigen tausend Mark aus einem zwanzigfach höheren zugebilligten Betrag herauszubekommen, um die alte Frau nach Deutschland zurückbringen zu können.
Ich möchte hoffen, Herr Bundesfinanzminister, daß das nun der letzte von vielen derartigen Fällen ist, bei deren Erleben allzu viele Leute leider sagen, daß sie den Eindruck haben, man warte auf den Tod solcher Menschen, damit man die Rente nicht zu zahlen brauche. Ich bin weit entfernt davon, Ihnen, Herr Minister, so etwas unterstellen zu wollen, und ich weiß auch, daß die Landesregierungen in gewisser Weise zuständig sind. Aber wäre es nicht doch möglich, Herr Finanzminister, daß Sie einen Druck auf die Länderregierungen dahin ausübten, das zu tun, was zweifellos Ihr Wille ist, nämlich diesen Menschen zu helfen. Ich hoffe sehnlich, daß diese Frau mit ihren 83 Jahren jetzt doch noch von uns zurückgebracht werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung zu Umdruck 409*).
Wird der Antrag von 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt? —
Es sind mehr als 50 Abgeordnete.
— Herr Abgeordneter, ich weise darauf hin, daß in der Geschäftsordnung steht: 50 anwesende Mitglieder.
— Ich wollte es jetzt schon tun, damit wir heute nachmittag flott vorankommen.
— Sie haben gesehen, daß ich mich in der Annahme nicht getäuscht habe, daß Ihre Fraktion mindestens 50 Mitglieder im Saale hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Lindrath.
') Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte grundsätzlicher Art zur Frage der Bundesbeteiligungen sagen. Das Hohe Haus hat bei der Beratung des vorjährigen Haushalts in der Sitzung vom 6. Mai vergangenen Jahres beschlossen, einen Unterausschuß aus den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik, Finanz- und Steuerfragen, Geld und Kredit und dem Haushaltsausschuß zu bilden. Dieser Unterausschuß soll sich mit der Klärung und Prüfung aller Fragen, die mit dem Bundesvermögen in Zusammenhang stehen, befassen. Er soll weiterhin alle noch offenen Fragen zwischen dem Bundesvermögen und dem Landesvermögen klarstellen, und schließlich soll er Vorschläge für die Neuordnung des Bundesvermögens selbst vorbereiten.
Im Einzelplan 60 erscheinen nun zu dieser Frage der Bundesbeteiligungen nur sehr wenige Zahlen, die aus den Beteiligungen resultieren. Das könnte ein völlig falsches Bild von dem Umfang und von der finanziellen Bedeutung dieser Vermögensmasse geben. Es handelt sich schon um ein beachtliches Stück Staatskapitalismus innerhalb einer Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Schon aus diesem Grunde ist eine weitergehende Publizität erforderlich, als sie bisher geübt worden ist. Es soll jedoch anerkennend hervorgehoben werden, daß in den Vorbemerkungen der Bundesregierung zum diesjährigen Haushaltsplan dem allgemeinen Verlangen auf eine sorgfältige Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Umfang, über die Zusammensetzung, über die Verwaltung und über das Ergebnis der Bewirtschaftung in weit besserem Maße Rechnung getragen worden ist als ehedem. Es ist gewiß nicht leicht, einer solchen Forderung zu entsprechen, handelt es sich doch um 429 Gesellschaften mit einem Geschäftsbetrieb und 68 Gesellschaften ohne einen Geschäftsbetrieb, an denen der Bund beteiligt ist. Immerhin sind es fast 500 Gesellschaften, die eine Beteiligung des Bundes aufweisen.
Der Marktwert dieses Vermögens ist wohl kaum schätzbar. Der Bund der Steuerzahler hat einmal einen Betrag von 3,2 Milliarden errechnet. Unser Kollege Atzenroth hat den Marktwert auf 5 Milliarden geschätzt. Es liegen aber auch Schätzungen vor, die nicht unbeträchtlich höher sind als diese Summen. Immerhin wird man diesen Wert gegenwärtig kaum mit irgendwelcher Genauigkeit schätzen können. 214 dieser Gesellschaften sind organisatorisch in sieben Konzernen zusammengefaßt. Die übrigen Gesellschaften sind konzernfrei. Einige befinden sich in stiller oder offener Liquidation.
Nun einige Worte zur Aufwands- und Ertragsrechnung. Äußerlich gesehen ist die Aufwands- und Ertragsrechnung ebenfalls recht dürftig. Nach den Schätzungen des Haushaltsausschusses, die etwas höher liegen als die Schätzungen im Entwurf, wird im laufenden Rechnungsjahr mit einem Gewinn in Höhe von 27,3 Millionen DM gerechnet. Das ist immerhin ein erfreulicher Fortschritt gegenüber den Gewinnen, die in früheren Jahren entstanden sind. Im Vorjahr waren es 9 Millionen DM und im Rechnungsjahr 1953 6 Millionen DM. Die Aufwendungen hingegen, die für Zuschüsse, Kredite, Kapitalerhöhungen, Umstellungskredite und ähnliches vom Bund in diesen drei Rechnungsjahren gegeben worden sind, sind beträchtlich höher. Wenn man diese Zahlen gegenüberstellt, ergibt sich nach meinen Berechnungen für diesen Zeitraum ein Defizit in Höhe von etwa 120 Millionen DM.
Zur gerechten Beurteilung jedoch muß dabei noch auf folgendes hingewiesen werden. Es darf nicht übersehen werden, daß von den Gesellschaften tatsächlich wesentlich höhere Erträge erzielt worden sind, die allerdings zur inneren Stärkung dieser Betriebe Verwendung gefunden haben. So sind allein in zwei der von mir vorhin erwähnten sieben Konzerne in den Rechnungsjahren 1952 und 1953 Sonderabschreibungen in Höhe von fast 290 Millionen DM zugeführt worden. Diese mußten selbstverständlich, bevor sie als Sonderabschreibung Verwendung finden konnten, erst verdient sein, so daß also die Gegenüberstellung der Aufwendungen und der Erträge in der vorhin vorgenommenen Form nur beurteilt werden kann, wenn man auch diese Dinge berücksichtigt.
Außerdem mußten diese Gesellschaften, weil eben gerade der Bund so bedeutsam beteiligt ist, auch politische Aufwendungen zur Erhaltung von gefährdeten Arbeitsplätzen oder zum Teil auch zur Förderung der durch das Vorhandensein dieser Betriebe besonders in Anspruch genommenen Gemeinden leisten. So sind beispielsweise 56 Millionen DM aus den Erträgnissen genommen, um etwa 7000 Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, die sonst nicht hätten aufrechterhalten werden können. Hieraus hat sich eine innere Festigung der Betriebe ergeben.
Welchen Wert dies hat, zeigt sich gerade jetzt wieder bei der Vorlage wegen der Veräußerung der Beteiligung des Bundes an den Howaldtswerken, Hamburg, wo für die 10 Millionen Beteiligung ein Betrag von 26 250 000 DM erzielt wird, also immerhin ein Kurswert von 262,5 Prozent. Das Hohe Haus wird sich in Kürze mit dieser Frage zu befassen haben.
Aus diesem Gesichtspunkte heraus sind wir auch der Auffassung, daß wir die zur Stärkung der Aktiengesellschaft für Berg- und Hüttenbetriebe, also für Salzgitter, in diesem Haushaltsplan vorgesehenen 12 Millionen DM, die zur Fertigstellung und zum weiteren Ausbau dieses Unternehmens dienen sollen, um es gewissermaßen fit zu machen, anerkennen und aufrechterhalten sollten.
Eine klare Übersicht über das Gesamtvermögen und eine übersehbare Aufwands- und Ertragsrechnung fehlen aber heute noch. Alle diese Zahlen, die ich Ihnen vortrug, kann man zwar aus den Vorbemerkungen entnehmen, aber man kann sie nicht aus einer bilanzmäßigen Übersicht und aus einer gewissen Gewinn- und Verlustrechnung herauslesen. Wir werden uns deshalb erlauben, dem Hohen Hause in der dritten Lesung eine Entschließung vorzulegen, die darauf abgestellt ist, die Bundesregierung zu ersuchen, einen besonderen Wirtschaftsplan aufzustellen, der dieses Zahlenmaterial dann in einer solchen Übersicht enthalten soll. Dieser Wirtschaftsplan soll als Anlage dem Haushaltsplan beigefügt werden; er soll alle erforderlichen Angaben über die Werte des Vermögens und eine Ertrags- und Aufwandsrechnung enthalten.
Darüber hinaus fordern wir eine Verstärkung des Einflusses des Parlaments auf die Verwaltung dieser Beteiligungen. Die Mitwirkung des Parlaments muß auch bei der Gründung neuer Wirtschaftsunternehmen, soweit dies erforderlich wird,
und bei der Aufnahme einer Neubeteiligung des Bundes sichergestellt sein. Gegenwärtig ist nach den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung die Mitwirkung des Parlaments hier nicht vorgesehen, so daß also beispielsweise auch die Übernahme einer Beteiligung bei den Röchling-Werken an sich nicht an die Zustimmung des Parlaments geknüpft ist, sondern lediglich an die Zustimmung des Bundesfinanzministers. Bei der Bereitstellung der Mittel allerdings hat das Parlament dann mitzusprechen; aber der Ordnung wegen sind wir der Auffassung, daß auch bei der Aufnahme und beim Abschluß rechtsverpflichtender Erklärungen in solchen Fällen die Zustimmung des Parlaments erforderlich ist. Wir werden infolgedessen auch hier ein entsprechendes Ersuchen an die Bundesregierung richten.
Bei der Veräußerung von Vermögenswerten ist die Zustimmung des Parlaments heute schon erforderlich. Es besteht aber eine amtliche Meinungsäußerung des Bundesrechnungshofs, nach der eine Veräußerung von mittelbaren Beteiligungen der Zustimmung des Parlaments nicht bedürfte. Da diese Gesellschaften, wie ich vorhin sagte, in ihren wesentlichen Teilen in sieben Konzernen zusammengefaßt sind, wäre also die Veräußerung der Beteiligung an einer Untergesellschaft der Dachgesellschaft eines solchen Konzerns durch eine Maßnahme der Bundesregierung allein möglich. Dieser Auslegung des Bundesrechnungshofes vermögen wir nicht zu folgen. Wir ersuchen deswegen die Bundesregierung, hier Vorsorge zu treffen, daß die Veräußerung von mittelbaren Bundesbeteiligungen ebenfalls die Zustimmung dieses Parlaments haben muß.
Auch auf dem Gebiete der Rechnungslegung und -prüfung, vor allem nach der prüfungsrechtlichen Seite, sind noch einige Fragen zu stellen, die wir dann in unserer Entschließung niederlegen werden.
Wir legen ferner Wert darauf, daß die durch zwei unglückselige Kriege eingetretene Massierung gewerblicher Vermögen in der Hand des Bundes baldigst einer Auflösung entgegengeführt wird. Nur diese unglückseligen Kriege sind es ja gewesen, die den Bund überhaupt in den Besitz dieses großen gewerblichen Vermögens gebracht haben. Dort, wo es volkswirtschaftlich zweckmäßig und vertretbar ist, muß dieses Vermögen privatisiert werden. Es erübrigt sich, zu sagen, daß hierbei besonders darauf zu achten ist, daß keine „Geschenke" an irgendwen gemacht werden dürfen. Auch die Notwendigkeit, im Zuge der Wiederaufrüstung neues Vermögen zu erwerben — diese Notwendigkeit wird eintreten —, fordert unseres Erachtens gebieterisch, dieser Vermögensmehrung durch Privatisierung auf anderen Gebieten der Bundesvermögensmasse entgegenzuwirken. Wir werden diese Forderungen in einer Entschließung niederlegen, die wir in der dritten Lesung dem Hohen Hause zur Annahme vorlegen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die allgemeinen Ausführungen des Herrn Kollegen Ritzel zum Einzelplan 60 veranlassen mich, noch einiges zu sagen, zunächst einmal zu der Frage des Erlasses über die Freimengen
an Mineralöl im grenzüberschreitenden Verkehr, die an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet wurde. Herr Kollege Ritzel, Sie haben die Dinge nur von der Sicht der Reisenden dargestellt und haben zunächst nur an diejenigen gedacht, die die Grenze überschreiten, um, sagen wir einmal, wirklich eine Geschäftsreise oder eine Erholungsreise in das Ausland anzutreten und nach einiger Zeit wieder zurückzukehren. Sie haben aber gar nicht diejenigen erwähnt, die vielleicht aus dieser Grenzüberschreitung täglich ein sehr gutes Geschäft machen können, wenn sie mit fast leerem Tank hinüberfahren und mit gefülltem Tank über eine andere Grenzstelle wieder herüberkommen, dann diesen Tank im Inland leerpumpen, das Benzin verkaufen und damit eine ganz schöne Einnahme haben.
— Das können Sie schlecht machen; denn Sie können dem Reisenden, der nach draußen fährt, schlecht ansehen, ob er die Absicht hat, längere Zeit im Ausland zu bleiben oder über die nächste Grenzstation, die 5 km entfernt ist, wieder zurückzukommen. Das ist nicht zu ermitteln. Der Reisepaß allein ist kein genügender Ausweis dafür, daß man die Absicht hat, länger im Ausland zu verweilen.
Eine zweite Seite des Problems, die ich nicht unerwähnt lassen möchte, ist die, daß gerade das Tankstellengewerbe in den Grenzbezirken darüber klagt, daß durch die erheblichen Freimengen, die bisher zugestanden worden sind, dort die Umsätze ganz radikal zurückgegangen seien. Wenn wir schon das Verkehrsfinanzgesetz verabschiedet und dort eine Mineralölsteuererhöhung vorgesehen haben, dann haben wir auch im grenzüberschreitenden Verkehr die Konsequenzen aus diesem Gesetz zu ziehen.
Ich möchte dann noch etwas zu Ihren allgemeinen Bemerkungen über Verbrauchsteuern und insbesondere die Umsatzsteuer sagen. Die Umsatzsteuer, die im Haushalt mit 10,1 Milliarden DM veranschlagt ist, stellt wohl den wichtigsten Einnahmeposten des Einzelplans 60 überhaupt dar, über den der Bund die ausschließliche Gesetzgebung besitzt. Bevor man an eine Reform der Umsatzsteuer herangeht, muß meines Erachtens sichergestellt sein, daß dieser so wichtige Einnahmeposten nicht gefährdet wird. Aber davon einmal abgesehen, stellt sich die Frage, ob es überhaupt zweckmäßig ist, die Umsatzsteuer in ihrer jetzigen Systematik so umzubauen, daß sie zu einer weniger bedeutungsvollen Steuer wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß wir uns im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bei der Beratung des Steuerneuordnungsgesetzes sehr eingehend auch über die Frage unterhalten haben, ob der Gesetzgeber überhaupt in der Lage ist, die jetzt bestehende Abwälzungsmöglichkeit bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu unterbinden. Solange sich nämlich die Einkommen- und Körperschaftsteuer in den Preisen niederschlagen kann, müßte meines Erachtens der Gesetzgeber entweder erwägen, die Einkommen- und Körperschaftsteuer gesetzlich zu einer nicht überwälzbaren Steuer zu machen, oder nach Auswegen suchen, die verhindern, daß das, was aus dem Einkommen des einzelnen gezahlt werden muß, von einem anderen zu tragen ist. Herr Kol-
lege Ritzel, in dieser Hinsicht — um zu vermeiden, daß hier andere zur Leistung einer Steuer herangezogen werden, die der Steuergesetzgeber gar nicht treffen wollte — bietet sich gerade die Umsatzsteuer an, wenn sie entsprechend umgestaltet wird. Ihnen und, meine Damen und Herren, dem ganzen Hause ist ja bekannt, daß wir zum Steuerneuordnungsgesetz eine Entschließung angenommen haben, die die Bundesregierung auffordert, bis Ende des Monats September entsprechende Vorschläge hinsichtlich der Umsatzsteuer uns zu unterbreiten.
Ich hätte es auch sehr begrüßt, wenn wir in der Lage gewesen wären, auf einige Ansätze bei den Verbrauchsteuern zu verzichten, z. B. indem wir das Zuckersteuergesetz umgestaltet hätten, sagen wir durch eine Steuersatzermäßigung. Aber auch hier rächt es sich, daß wir bei der Beratung des Steuerneuordnungsgesetzes in diesem Hause weit über die Vorlage der Regierung hinausgegangen sind. Wir waren uns an sich darüber klar, daß wir vielleicht noch eine halbe Milliarde in die Steuersenkung hineinstecken sollten; aber dann ist noch eine Fülle von Anträgen angenommen worden, die dazu geführt haben, daß diese halbe auf eine ganze Milliarde erhöht worden ist. Wenn man auf der einen Seite bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer das Aufkommen so schmälert, dann bleibt eben — und das ist die Notwendigkeit, vor der wir stehen — für die Senkung der Verbrauchsteuern zunächst einmal nichts nach, bis bekannt ist, wie sich das Steuerneuordnungsgesetz zahlenmäßig auswirkt. Darüber können wir uns erst unterhalten, wenn das erste Rechnungsjahr nach Erlaß dieses Gesetzes abgeschlossen ist; das wäre am 31. März des kommenden Jahres.
Herr Kollege Ritzel, Sie sprachen von der „übersteigerten Rücklagenpolitik" des Branntweinmonopols. Ich hatte an sich nicht die Absicht, bei der Beratung des Einzelplans 60 dieses Problem anzuschneiden. Aber Sie haben mich mit dem Wort „übersteigerte Rücklagenpolitik" gereizt, noch etwas dazu zu sagen. Wir hätten uns besser darauf beschränkt, diese einzelnen Fragen anzusprechen, wenn wir uns nächstens grundsätzlich über das Branntweinmonopol unterhalten. Aber ich möchte nicht, daß das Wort von der „übersteigerten Rücklagenpolitik" hier unwidersprochen im Raume stehenbleibt. Wenn wir uns einmal in der Jahresbilanz vom 30. September 1954 die gesamten Rücklagen der Bundesmonopolverwaltung ansehen, stellen wir fest, daß sie bei rund 107,6 Millionen DM liegen. Wenn Sie nun einmal die 8,5 Millionen DM, die für Unvorhergesehenes zurückgelegt worden sind, absetzen, haben Sie einen runden Betrag von 100 Millionen DM. Nun, ein solcher Betrag läßt sich sehen. Wenn man ihn aber untersucht, um festzustellen, auf welche Einzeldinge sich diese Gesamtrücklage aufteilt, dann muß man mit der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG, die den Geschäftsbericht eingehend geprüft hat, zu der Feststellung gelangen, daß diese Rücklagenpolitik aus wirtschaftlichen Gründen vertretbar und notwendig ist. Da ist zunächst einmal eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von 75 Millionen DM. Sie kann von der Branntweinmonopolverwaltung nicht beliebig eingesetzt werden, sondern sie steht im Verhältnis zu den Branntweinbeständen. Die Monopolverwaltung ist auf Grund des Monopols verpflichtet, allen ihr angedienten Branntwein, der aus den Brennrechten, die zugewiesen sind, gewonnen worden ist, zu übernehmen, und sie muß bei der Übernahme bezahlen. Sie muß also eine Rücklage haben, um überhaupt diese Leistung vollziehen zu können. In diesem Zusammenhang scheinen mir 75 Millionen DM nicht zu hoch zu sein.
Dann ist eine kleinere Rücklage von 2,4 Millionen DM vorhanden für das Verwaltungsgebäude und dessen Einrichtung. Die Bauabrechnung für dieses Verwaltungsgebäude ist noch nicht abgeschlossen. Es wird damit gerechnet, daß der genannte Betrag noch benötigt wird, um endgültig abrechnen zu können. Auch dagegen scheint mir nichts einzuwenden zu sein.
Weiterhin hat die Monopolverwaltung eine Rücklage in Höhe von 4 Millionen DM für Explosions- und Feuerschäden gebildet. Wer die Risiken kennt, die in den Reinigungsanstalten gegeben sind, weiß, daß sie zu einem normalen Feuerversicherungssatz nicht abgedeckt werden können. Aus diesem Grunde muß die Monopolverwaltung auch ihrerseits das Notwendige tun, um Feuer- und Explosionsschäden — mit solchen Unglücksfällen muß ja leider gerechnet werden — aus eigenen Mitteln begegnen zu können.
Ferner existieren noch Rücklagen für Anlagen, für zu erwerbende Anlagen, für Beteiligungen an Unternehmen in Höhe von 3,4 Millionen DM und für die Erneuerung der Anlagen in Höhe von 7,3 Millionen DM. Wer sich einmal die Bilanz ansieht, wird feststellen, daß das Anlagevermögen der Monopolverwaltung sehr niedrig zu Buch steht. Auf diesen niedrigen Buchwert erfolgen die Abschreibungen. Die angesammelten Abschreibungen, die in der Bilanz als Wertberichtigung für das Anlagevermögen ausgewiesen werden, stellen damit also noch nicht einmal die Wiederbeschaffungswerte dar. Wenn aber die betriebsnotwendigen Erneuerungen durchgeführt werden sollen, muß die Monopolverwaltung entweder aus Fremdkapital finanzieren oder auf Rücklagen zurückgreifen können. Es scheint viel vernünftiger zu sein, sie bildet Rücklagen, damit sie selbst finanzieren kann, als daß sie auf Fremdkapital ausweicht, das seinerseits auch wieder Zinsen kostet.
Schließlich ist noch eine Rücklage in Höhe von 7 Millionen DM für Preisstabilisierung vorhanden. Diese Rücklage ist auf ausdrücklichen Wunsch des Gewerbeausschusses gebildet worden; sie war auch dringend geboten, weil künftig zu erwartende Beanspruchung bei der Übernahme und dem Absatz von Branntwein auszugleichen und damit eine möglichst weitgehende Stetigkeit der Verkaufspreise zu sichern ist. Alle diejenigen, die sich mit dem Monopol beschäftigt haben, wissen selbst, daß es ganz wesentlich darauf ankommt, stabile Verkaufspreise zu haben. Da nun gewisse Schwankungen zwangsläufig auftreten — man weiß z. B. nicht von vornherein, ob der Branntwein, der für Ausfuhrzwecke bestimmt ist, nur in einer bestimmten Menge hinausgeht; das ist z. B. ein Zuschußbranntwein, bei dem der zu erzielende Erlös in keinem Verhältnis zum Ankaufspreis steht —, muß eine solche Rücklage vorhanden sein, damit solche Dinge ausgeglichen werden können.
Meine Damen und Herren, verzeihen Sie mir, daß ich auf diese Einzelheiten eingegangen bin. Aber das schien mir wichtig zu sein, damit hier nicht immer nur global der Vorwurf erhoben wird, es handele sich um eine — wie sagte Herr Kollege Ritzel? — „übersteigerte Rücklagenpolitik der Mo-
nopolverwaltung". Vielmehr mußte auch einmal dargestellt werden, daß es sich um eine nach kaufmännischen Gesichtspunkten sehr wohl vertretbare Rücklagenpolitik der Monopolverwaltung handelt!
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 440*), den ich am Schluß meiner Ausführungen begründen will, befaßt sich mit dem Bundesvermögen. Zu diesem Thema hat schon der Kollege Lindrath gesprochen. Er hat darauf hingewiesen, daß es sich hier zwar um den letzten Posten in der langen Reihe unseres Haushalts handelt, aber keineswegs um den kleinsten. Denn nach wie vor — auch heute noch — ist der Bund der größte Grundbesitzer, der größte Darlehensgläubiger, aber auch der größte industrielle Unternehmer Deutschlands. Das Vermögen, das auf diese Weise verwaltet wird, ist es sicherlich wert, daß sich der Bundestag anläßlich seiner Haushaltsberatungen ausführlicher damit beschäftigt.
Wir haben in dem vorjährigen Haushalt zum erstenmal eine Aufstellung über das gewerbliche Vermögen des Bundes erhalten. Sie war, wie jede erste Aufstellung, lückenhaft. Trotzdem sind wir dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß der Anfang gemacht wurde. Denn er hat uns doch manches gezeigt, was wir trotz Anfragen und trotz einzelner persönlicher Vorsprachen nicht in dem Umfang erkennen konnten.
Die diesmalige Aufstellung geht schon etwas weiter. Aber ich glaube ebenso wie Sie, Herr Kollege Lindrath, daß wir zu einer wirklich befriedigenden Klärung nur kommen können, wenn wir bei dieser Aufstellung von dem kameralistischen System abgehen und uns einer echten betriebswirtschaftlichen Form bedienen.
Es ist ja wohl allgemein bekannt, daß ich mich seit Jahren ganz speziell mit dem Thema der Zurückdämmung der Betätigung der öffentlichen Hand im Erwerbswesen und der Überführung der Unternehmungen in die private Unternehmerschaft beschäftigt habe. Man hat mir gesagt, das sei doch eine Sisyphusarbeit, die ich da übernommen hätte. Man hat darauf hingewiesen, daß in der Weimarer Zeit schon einmal solche Versuche unternommen worden sind, die dann mehr oder weniger fehlgeschlagen sind. Ich habe mich trotzdem nicht beirren lassen und bin nun außerordentlich glücklich, heute aus den Ausführungen des Herrn Dr. Lindrath gehört zu haben, daß ich auf die Unterstützung der größten Fraktion dieses Hauses rechnen kann. Denn ich darf wohl das „wir", das Sie immer in Ihren Ausführungen gebraucht haben, als die Meinung der CDU betrachten. Dafür bin ich Ihnen besonders dankbar. Wir haben dann doch wesentlich größere Aussichten, in unserem Bestreben weiterzukommen.
Eine Grundlage für diese Bestrebungen ist immer noch die Frage, warum sich die öffentliche Hand, und zwar sowohl der Bund als auch Länder und Gemeinden, an Erwerbsunternehmungen beteiligen. Der früher einmal angegebene Grund einer avantgardistischen Aufgabe scheint fallengelassen
*) Siehe Anlage 6. worden zu sein. Man muß aber doch immer noch das Gefühl haben, daß man mit dem Gedanken an einen Einsatz dieses Bundesvermögens bei etwaigen Rüstungsaufgaben spielt. Ich möchte von mir aus dagegen Verwahrung einlegen. Zumindest ist uns aber die Bundesregierung immer noch die Antwort auf die Frage „Warum beteiligt sich die öffentliche Hand an Erwerbsunternehmungen?" schuldig geblieben. Wir haben in den Unterausschuß einmal von einem sehr klugen Beamten des Wirtschaftsministeriums eine Erklärung erhalten. Sie war aber doch mehr oder weniger eine unverantwortliche Darlegung. Keiner der Herren Minister hat bisher, auch im Unterausschuß, die von uns erbetene Antwort gegeben.
Wenn man zu der Zulässigkeit einer solchen Betätigung ja sagt, dann erhebt sich die weitere Frage, ob die Organisationsform, in die die derzeitigen Bundesunternehmungen eingegliedert sind, die richtige ist. Bei der Form einer Einmann-AG — in den meisten Fällen handelt es sich um eine solche — oder einer Einmann-GmbH wird die Verwaltung durch einige in die Aufsichtsräte entsandte Beamte der Ministerien, ergänzt durch einige Vertreter der Gewerkschaften, ausgeübt. Das Kontrollrecht der Volksvertretung ist fast gänzlich ausgeschaltet, zumindest dann, wenn es sich um indirekte Beteiligungen handelt. Also müßte man auch für die Zeit, wo man solche Bundesbetriebe noch dulden will, eine andere Form der Leitung und Aufsicht schaffen, die dem wirklichen Inhaber, dem Deutschen Volk, vertreten durch das von ihm gewählte Parlament, größere Rechte und Kontrollmöglichkeiten gibt.
Eine Forderung hat ja wohl überall in der deutschen Öffentlichkeit Beifall gefunden: daß man nicht an eine Erweiterung dieses Vermögens herangehen soll. Trotzdem mußte ich bei Durchsicht dieses Haushaltsplanes sehen, daß man es an einer Stelle doch tut, nämlich in dem von Ihnen angeschnittenen und durch unseren Antrag berührten Fall der Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft für Berg- und Hüttenbetriebe WatenstedtSalzgitter. Ich spreche kein Wort gegen die Notwendigkeit dieser Kapitalerhöhung um 12 Millionen DM. Diese 12 Millionen DM sind in den außerordentlichen Haushalt eingestellt. Es steht in diesem außerordentlichen Haushalt nichts darüber vermerkt, woher die Mittel beschafft werden; ich unterstelle: auf dem allgemeinen Kapitalmarkt. Denn die Überführung vom außerordentlichen in den ordentlichen Haushalt wäre ja, gelinde gesagt, bedenklich. Dann wären es Steuermittel, die da hineingehen. Das will ich gar nicht unterstellen, sondern annehmen, daß wir die Mittel aus dem Kapitalmarkt nehmen. Aber warum dann dieser Umweg? Warum können die Werke nicht direkt an den Kapitalmarkt herangehen, indem sie Aktien emittieren? Daß diese vom Kapitalmarkt aufgenommen werden, daran besteht nicht der geringste Zweifee Diese Werke sind in Zeiten guter Wirtschaft bereits in die Rentabilität hineingekommen. Wenn sie in diesem Jahre noch keine Dividenden abgeworfen haben, so liegt das daran — das ergibt sich auch aus den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan —, daß sie eben noch einmal den Gewinn in ihre eigenen Investierungen gesteckt haben. Aber im nächsten Jahr werden die Reichswerke unter allen Umständen eine Dividende erwirtschaften. Ich würde jedem, der beabsichtigt, Aktien zu kaufen, den guten Rat geben: beteilige
dich bei dieser Aktienausgabe. Also warum den Umweg wählen? Das Anliegen unseres Antrags richtet sich nur gegen den Umweg, daß der Bund an den Kapitalmarkt herangeht und mit Hilfe dieser Mittel dann Aktien für die Kapitalerhöhung zeichnet, die notwendig ist.
— Das wird sich sehr schnell zeigen. Ich behaupte, daß sie weit über pari ausgegeben werden können; diese Überpariausgabe würde den Werken zugute kommen, und das wollen wir doch alle. Die Werke sind mit 350 Millionen DM Aktienkapital eher unterkapitalisiert als überkapitalisiert. Ich hatte glücklicherweise Gelegenheit, vor einiger Zeit diese Werke besichtigen zu können.
Unser Antrag richtet sich nicht gegen die Kapitalerhöhung, das möchte ich mit aller Deutlichkeit noch einmal betonen. Das ist für die Abstimmung, die wir nachher um 15 Uhr vornehmen werden, sehr wichtig. Das Bedauerliche an diesem Verfahren, Herr Präsident, erst um 15 Uhr abzustimmen, ist, daß die große Masse der Kollegen, die ihre Stimme abgeben soll, von meiner Argumentation nichts gehört hat.
Die große Masse liest in unserem Änderungsantrag: dieser Posten wird gestrichen, und unterstellt ohne weiteres, wir wollten eine Kapitalerhöhung dieses Unternehmens verhindern. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen sie nur in zweckmäßiger Form vornehmen.
Noch ein Wort zur Ertragslage der öffentlichen Wirtschaftsunternehmungen. Sie haben schon auf ) meine Schätzung des Verkehrswertes in Höhe von 5 Milliarden DM hingewiesen. Sie ist bestritten, und sie ist auch nur eine grobe Schätzung. Sie haben auch darauf hingewiesen, daß der Ertrag dieser Unternehmungen in diesem Jahre auf die, gemessen an früheren Jahren, ganz beträchtliche Höhe von 27 Millionen DM gestiegen ist. Das ist aber immerhin erst eine Rendite von vielleicht 1/2 %, wenn man 5 Milliarden DM unterstellt, oder 1 %, wenn man 2,5 Milliarden DM als Wert annimmt. Die Rendite entspricht noch keineswegs derjenigen, die heute in der deutschen Wirtschaft durchschnittlich erreicht wird. Es stehen ja auch wieder Ausgaben entgegen. Für Salzgitter müssen wir noch einmal 3 Millionen aufwenden, und auch Sontra müssen wir noch immer in den gesamten Komplex hineinnehmen; es kostet auch noch etwas über 4 Millionen DM, so daß also den Einnahmen noch einmal über 7 Millionen DM Ausgaben gegenüberstehen.
Man kann nicht entgegenhalten, daß die Betriebe, die dem Bund gehören, durch Krieg und Kriegsfolgen besonders stark zerstört worden sind. Bei Salzgitter ist das tatsächlich der Fall gewesen. Aber vergleichen wir diese Betriebe mit privaten Betrieben, die sich in einer ähnlichen Lage befunden haben und heute noch befinden, dann ist festzustellen, daß der Wiederaufbau der privaten Unternehmung soweit gediehen ist, daß sie fast durchweg, mit ganz seltenen Ausnahmen, heute in der Rentabilitätsgrenze stecken und ihre Rendite erbringen. 'Sie hatten nicht die Möglichkeiten der Eigenfinanzierung, die viele Unternehmungen des Bundes bisher gehabt haben. Sie mußten an den Kapitalmarkt herangehen oder mußten über den
Preis finanzieren, zwei- Wege, die doch etwas schwieriger waren.
In unserem Unterausschuß müssen wir auch noch die Frage prüfen, warum die Unternehmungen in Holdinggesellschaften oder zu Konzernen zusammengeschlossen sind. Ganz besonders der Herr Bundeswirtschaftsminister sollte einmal überprüfen, ob diese Form der Konzentration, wie sie vorhanden ist, seiner gesamten Wirtschaftspolitik entspricht. Ich habe das Gefühl, daß das manchmal nicht der Fall ist, daß man da doch vielleicht zu Aufgliederungen kommen könnte und kommen müßte, die der allgemeinen Politik der Sozialen 'Marktwirtschaft mehr entsprechen, als es heute der Fall ist. Vor allen Dingen wäre eine Auflösung dieser zu großen Konzerne einer Überführung in den privaten Besitz wesentlich förderlicher, als wenn wir über solche Machtkomplexe verfügen müssen, wie sie zur Zeit vorhanden sind.
Die Überführung in privaten Besitz hat nun im letzten Jahr die erste, wenn auch noch etwas bescheidene Resonanz gezeigt. Im Haushaltsplan sind unter den Einnahmen 11 Millionen - es ist mir gesagt worden, daß sich die Zahl auf etwa 16 Millionen erhöht habe — Einnahmen aus Veräußerungen vorgesehen. Aber, meine Damen und Herren, ist es richtig, diese Beträge in den ordentlichen Haushalt als Einnahmen einzusetzen? Ich erinnere daran, daß die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 42 eine Erklärung abgegeben hat, in der es heißt, daß die Verwaltung von öffentlichem Vermögen nicht zu einer Schmälerung des Gesamtvermögens führen darf und daß einmalige Veräußerungserlöse — um die handelt es sich hier doch — nicht zur Deckung laufender Ausgaben verwendet werden können. Wenn man dieser Ansicht beipflichtet — und ich tue es —, so muß man doch zu der Überzeugung kommen, daß dieser Einnahmeposten zu Unrecht in Kap. 60 03 Tit. 82 aufgeführt ist. Ich würde den Herrn Bundesfinanzminister bitten, uns hierüber eine Erläuterung zu geben. Denn sonst müßte ich den Antrag stellen, diesen Posten aus dem ordentlichen Haushalt zu streichen.
Der Posten soll ja nach der Erklärung der Bundesregierung dazu bestimmt sein, das Bundesvermögen zu erhalten. Das kann man auch dadurch tun, daß man langfristige Verbindlichkeiten des Bundes tilgt. Wir werden in allernächster Zeit das Kriegsfolgenschlußgesetz vorgelegt bekommen. Ich komme deshalb immer wieder auf meine alte Forderung zurück. Hier liegen Beträge, die dazu dienen könnten, eine bessere Befriedigung zumindest der fundierten Schuld des ehemaligen Reiches herbeizuführen, die wir ja übernehmen müssen. Es handelt sich hier um einen verhältnismäßig geringen Betrag. Aber die echten Privatisierungen sollen ja erst noch kommen, und dann wird die Frage von größerer Bedeutung sein als zur Zeit. Dem Herrn Bundesfinanzminister schwebt immer nur die Möglichkeit eines Verkaufs an interessierte Gruppen vor, wie es jetzt bei den Howaldtswerken geplant ist. Für uns ist das keineswegs die ideale Lösung. Wir sehen nach wie vor die Frage einer Privatisierung des Bundesvermögens im Zusammenhang mit der Tilgung von drückenden Verpflichtungen des Bundes aus Kriegsfolgeschäden. Auch auf diese von uns immer wieder vorgebrachte Forderung ist die Bundesregierung bisher offiziell nicht eingegangen. Wir haben niemals eine Antwort erhalten.
Herr Kollege Lindrath hat angekündigt, daß ein Entschließungsantrag vorgelegt werden wird. Nach den Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, bin ich in der Lage, Ihnen zu erklären, daß meine Fraktion sich diesem Antrag anschließen wird, denn er entspricht in den Tendenzen, die Sie hier dargelegt haben, durchaus unseren Absichten. Ich hoffe, daß es nicht bei bloßen Entschließungen verbleiben wird, sondern daß sich daraus auch konkrete Folgen ergeben werden.
Ich möchte zum Schluß noch einmal auf den Antrag zurückkommen, den ich begründen wollte. Es handelt sich bei dem Antrag Umdruck 440 nicht darum, daß den Reichswerken diese Kapitalerhöhung versagt werden soll, sondern sie soll nur in einer unmittelbareren einfacheren Form durchgeführt werden, und zwar in einer Form, bei der wir auf diesem kleinen Teilgebiet von 12 Millionen gleich die Privatisierung durchführen. Das müßte doch das Anliegen aller derjenigen sein, die im Prinzip unseren Gedanken und unseren Ideen zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Höck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht in die grundsätzliche Erörterung über die Privatisierung von Bundesvermögen und ähnlicher Dinge einsteigen, sondern möchte mich als Salzgitteraner nur mit dem Umdruck 440 des Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth befassen, da doch einige Dinge nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Wie bekannt ist, soll der in Kap. A 60 03 Tit. 890 angeforderte Betrag von 12 Millionen DM, um den es sich hier handelt, der Kapitalerhöhung der Hüttenwerke Salzgitter dienen.
— Im außerordentlichen Haushalt. Das Kapital ist seinerzeit auf 210 Millionen DM festgesetzt worden. Nun kommt vielleicht etwas, was nicht in bezug auf Salzgitter gilt, weil es einmal noch einen Ausnahmefall darstellt. Wir wissen alle, daß in jenem Gebiet Demontagen durchgeführt worden sind wie in keinem anderen Gebiet unserer Bundesrepublik. Bei der Summe von 300 Millionen DM, die dort aufgebracht werden muß, um das Hüttenwerk überhaupt einigermaßen, nicht im Göringschen Stil, betriebswirtschaftlich aufzuziehen, soll doch auch daran gedacht werden, Herr Kollege Atzenroth, daß der Bund eigentlich recht wenig dazu beigetragen hat. Er ist mit nur zirka 20 % daran beteiligt. Die übrigen 80 % dieser 300 Millionen, Herr Kollege Atzenroth, sind aus den Erträgen der Firma und in erheblichem Maße auch aus Fremdfinanzierungen getätigt worden. Weil Sie diese Erörterungen gerade im Zusammenhang mit Salzgitter bringen, fühle ich mich hier gezwungen, zu den Dingen etwas zu sagen.
Dieses alte Hüttenwerk soll also wiederaufgebaut werden, ganz besonders das Blockwalzwerk, von dem Sie nur die Halle, wie Sie selbst gesagt haben, gesehen haben und wo die ganze Einrichtung mit allem Drum und Dran seinerzeit geraubt worden ist.
Aber es sprechen auch andere Dinge mit, die den Bund veranlassen, den Aufbau und die Konsolidierung des Salzgittergebiets mit zu übernehmen. In dankenswerter Weise ist ja der Aufbau gerade hier von Bonn aus unterstützt worden. Er hat zur Sicherung vieler Arbeitsplätze geführt. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen würden durch Ihren Antrag, Herr Kollege Atzenroth, ins Stocken geraten, und der Enderfolg dieser Maßnahmen wäre nicht gesichert. Bedenken Sie doch, daß Ihr Antrag auf ein Werk in der Zonengrenznähe abgestellt ist und welcher psychologische Effekt damit verbunden ist. Sie werden entschuldigen, wenn ich als Salzgitteraner etwas pro domo spreche. Immerhin müssen wir Salzgitter auch in die Kategorie der Schaufenster der Bundesrepublik stellen. Vom Brocken aus kann man in das Salzgittergebiet und in das Werk hineinsehen. Mit Ihrem Antrag ist eine politische Gefahr für die Zonengrenznähe verbunden.
Sie haben dann auch zum Wirtschaftlichen gesprochen, was Sie immer betonen. Ich glaube, gerade die von der Bundesregierung bzw. diesem Hause eingeleiteten Maßnahmen werden das Werk überhaupt erst privatisierungsreif machen. Die Aufgabe, die wir alle miteinander zu erfüllen haben, Gebiet fit ist doch, dieses Gebiet fit zu machen für die Zeit, wenn einmal die Wiedervereinigung eingetreten ist. Dann wird nämlich gerade dieses Gebiet mit seinen Werken am ehesten die großen Aufgaben mit lösen können, die uns bevorstehen.
Ich möchte bitten, diesen Antrag Umdruck 440 abzulehnen, damit die Konsolidierung des Gebietes weiter fortgeführt werden kann und wir Salzgitteraner recht bald nicht mehr hier als Bittsteller auftreten müssen. Ich spreche ganz besonders auch für all die Menschen, die dort beschäftigt sind. Ein Merkmal für Salzgitter ist ja, daß wir über 50 % Vertriebene beschäftigen und damit wieder in Arbeit und Brot gebracht haben. Durch Ihren Antrag — ich darf es noch einmal sagen — würde diese Maßnahme gestört werden. Ich möchte nicht, daß die ganzen Probleme der Privatisierung des Bundesvermögens gerade in bezug auf Salzgitter aufgerollt werden, sondern ich bitte — so leid es mir tut, dafür muß ich um Verständnis bitten —, das Salzgittergebiet aus diesen Überlegungen herauszunehmen. So weit sind wir in Salzgitter noch nicht. Ich bitte noch einmal, den Antrag Umdruck 440 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Buchka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zu dem Antrag des Kollegen Atzenroth sprechen. Ich möchte vielmehr zunächst nur meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß der Haushaltsausschuß im ordentlichen Haushalt bei den Tit. 620 und 621 die Zuschüsse für Salzgitter von 3 Millionen auf 8,5 Millionen DM und von 200 000 auf 500 000 DM erhöht hat. Hierauf hat ja dankenswerterweise auch schon Herr Kollege Ritzel hingewiesen. Es kommt in diesem Hohen Hause leider nicht allzuoft vor, daß wir von links bis rechts und von rechts bis links völlig einig sind. Ich habe aber die feste Zuversicht, daß in diesem Falle, wo es sich um die Zuschüsse für Salzgitter handelt, diese Einigkeit in unserem Hohen Hause tatsächlich bestehen wird.
Wenn ich über den Beschluß des Haushaltsausschusses besondere Freude empfinde, so geschieht das nicht zuletzt, weil ich alter Kommunalpolitiker
bin. Lassen Sie mich nun in dieser Eigenschaft, allerdings unabhängig von Salzgitter, noch ein ernstes Wort zu dem sagen, was wir ebenfalls hier bereits gehört haben, nämlich über die schwierige finanzielle Lage der Gemeinden und Gemeindeverbände. Dem Hohen Hause ist sicherlich nicht unbekannt, daß diese Sorge tatsächlich außerordentlich groß ist. Wer in der kommunalen Praxis steht, weiß, wie bedenklich es bei vielen Gemeinden, bei vielen Städten, bei vielen Landkreisen aussieht. Wir wissen aber ebensogut, daß ein gesunder Staat in seinen Gemeinden und Gemeindeverbänden unbedingt einen gesunden Unterbau haben muß. Wo die Kommunen anfangen zu kränkeln, da wird auch der Staat nicht allzu lange mehr verschont bleiben.
Auch ich weiß, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie vielerlei Sorgen haben. Ich weiß auch, daß die kommunalen Angelegenheiten zum allergrößten Teil Länderangelegenheiten sind. Bei der Bedeutung dieser ganzen Frage wird es aber, glaube ich, unerläßlich sein, daß die Bundesregierung und der Bundestag im Einvernehmen mit den Ländern gerade diesen Problemen ernsteste Aufmerksamkeit widmen. Meine Damen und Herren, rechtzeitige Hilfe ist notwendig; die Lage ist ernst. Videant consules!
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich muß noch eine Antwort auf die Ausführungen des Kollegen Höck geben. Der von mir begründete Antrag liegt nach unserer Absicht im Interesse von Salzgitter. Er ist geboren aus einer Hochachtung vor den Erfolgen, die man in Salzgitter erzielt hat. Sie wissen, Herr Kollege Höck, daß ich mich durch eine Reise von dem habe überzeugen können, was dort geleistet worden ist.
Ich kann aber Ihre Argumente nicht verstehen. Sie sagen, durch unseren Antrag würde irgendeine Schädigung von Salzgitter eintreten. Wieso denn? Salzgitter braucht eine Kapitalerhöhung von 12 Millionen DM. Über diese Tatsache sind wir uns einig. Es handelt sich nur darum, woher diese 12 Millionen DM kommen sollen. Sollen sie auf dem Umwege kommen, daß der Bund erst an den allgemeinen Kapitalmarkt herangeht, sich dort die Mittel herholt und dann die Kapitalerhöhung vornimmt? Oder soll Salzgitter unmittelbar an den Kapitalmarkt herangehen — was leicht möglich ist, ich wiederhole es — und auf diesem Wege das Geld vielleicht noch schneller bekommen? —Warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht! So könnte ich hier etwas volkstümlich argumentieren. Ich wiederhole: Salzgitter soll alles das bekommen, was ihm zusteht.
Das Bedauerliche ist, daß man diese Argumente den Kollegen, die um 15 Uhr hier ihre Stimme abgeben sollen, nicht vortragen kann.
Es ist also in diesem Hause gar nicht möglich, jemanden durch Überzeugen von einer vielleicht vorgefaßten Meinung abzubringen. Das ist eine sehr bedauerliche Tatsache, und ich möchte die Kollegen, die eigentlich dasselbe Ziel im Auge haben wie ich, bitten, sich diese Argumente nochmals zu überlegen und mit ihren Kollegen zu besprechen.
Meine Damen und Herren, ich bedaure auf das tiefste, daß das Haus nicht stärker besetzt ist, nicht zuletzt infolge der Beisetzung eines Kollegen. Aber da wir fest entschlossen sind, in dieser Woche mit dem Haushalt fertig zu werden, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als die im Ältestenrat wiederholt getroffenen Übereinkünfte strikt einzuhalten. Ich denke, daß wir, wenn wir die Beratung des Einzelplans 60 beendet haben — der Bundesfinanzminister bekommt gleich noch das Wort —, noch das Haushaltsgesetz beraten werden. Die Abstimmungen bleiben bis 15 Uhr zurückgestellt. Wenn wir vorher fertig sind, werden wir die Sitzung bis 15 Uhr unterbrechen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre auch mir sehr angenehm gewesen, wenn die sehr kurzen Ausführungen, die ich zu den Anträgen machen muß, von denen gehört worden wären, die an der Abstimmung beteiligt sind, und zwar sowohl bei dem Antrag Umdruck 409 wie bei dem Antrag Umdruck 440.
Umdruck 409*) — um zurückzukehren — ist der Antrag, der dahin geht, den Betrag in Kap. 60 04 Tit. 311 „Leistungen des Bundes nach dem Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus" von 160 auf 250 Millionen zu erhöhen. Aus diesem Anlaß sind hier bewegte und bewegende Worte gesprochen worden. Aber ich bedaure, dazu ganz nüchtern feststellen zu müssen, daß die Entscheidung über diesen Antrag für die Ausführung des Gesetzes, dafür, was der einzelne erhält, ohne jede Bedeutung bleibt. Es handelt sich bei dieser Etatposition nur darum, daß der Bund eine Summe einsetzen muß, die er den Ländern zu ersetzen hat, den Ländern, die inzwischen auf Grund der bestehenden Gesetzgebung und Durchführungsverordnungen — die ja jetzt alle da sind, so daß auf nichts mehr gewartet zu werden braucht — das Gesetz durchführen. Ob ich 160 Millionen oder 1600 Millionen drinstehen habe, ändert an der Tatsache nichts, daß ich den Ländern alles das ersetzen muß und ersetzen werde, was sie im Laufe dieses Rechnungsjahres in Vollzug des Gesetzes ausgeben.
Der Posten von 160 Millionen hat also nur einen Schätzungswert, hat nur den Wert, festzustellen, was die Länder unter den gegebenen Umständen voraussichtlich ausgeben werden und — ich darf dazusetzen — bei den verwaltungsmäßigen Voraussetzungen auch überhaupt ausgeben können. Darum dreht es sich hier. Es hat den Wert, daß ich diese Zahl richtig schätzen muß, um auf der anderen Seite nach dem Abgleichungsprinzip den Haushalt nicht unwahr aufzustellen und durch Erhöhung des Postens eine Deckung irgendwo zu erzwingen, wo sie gar nicht notwendig ist, weil der Betrag nicht gebraucht werden wird.
Da muß ich nun versichern, daß wir nach all den Grundlagen, die wir haben, auch nach den Erfahrungen der ersten zwei Monate dieses Jahres fest überzeugt sind, daß der Betrag von 160 Millionen völlig ausreichen wird, um den Ländern den Ersatz für die wirklichen Aufwendungen zu geben.
Ich möchte also noch einmal feststellen: Die Abstimmung ist keine Abstimmung der Sympathie
*) Siehe Anlage 5.
oder der Antipathie für den Gedanken des Bundesergänzungsgesetzes. Nein, es ist lediglich eine Abstimmung, ob eine Schätzungszahl voraussichtlich als richtig befunden wird oder nicht. Das ist der Sinn. Und da ich nun der festen Überzeugung bin, daß die 160 Millionen ausreichen werden, muß ich bitten, es bei dem Ansatz, wie er vom Haushaltsausschuß genehmigt worden ist, zu belassen.
Nun darf ich zu dem Antrag Atzenroth einen Satz nur sagen. Der Herr Kollege Atzenroth hat ja ausdrücklich betont, daß er gegen den Ausbau des Werkes Watenstedt-Salzgitter keinerlei Bedenken vorzutragen hat und ihn begrüßt. Er hat aber gesagt, es sei möglich, die dazu notwendigen Mittel durch eine Aktienemission in dem entsprechenden Betrag aufzubringen. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen leider sagen: Ich halte das für völlig unmöglich. Wie die Dinge heute liegen, ist es so, daß ich für das Reichswerk Watenstedt-Salzgitter nicht einmal einen normalen Kredit erhalten würde, wenn ich nicht jeweils eine Bundesbürgschaft gäbe.
Das Reichswerk Watenstedt-Salzgitter ist noch kein
rentables Werk. Es ist eine soziale Leistung ersten Ranges von der Bundesrepublik, daß sie seit dem Jahre 1949 für den Aufbau von Watenstedt-Salzgitter so viele und so erfolgreich Mittel aufwenden konnte. Aber dieReichswerkeWatenstedt-Salzgitter sind heute noch kein Unternehmen, mit dem ich am Kapitalmarkt — ohne Bundesbürgschaft, sage ich — Kredite aufnehmen könnte. Wenn ich also heute die Aktien der Reichswerke auf den Markt werfen wollte, wäre gar nicht daran zu denken, daß sich ein Markt für Aktien al pari finden würde, und ich will verhindern — das sage ich ehrlich —, daß die Aktien von solchen Werken Spekulationsobjekte werden.
Das möchte ich ganz kurz dazu sagen. Da gehen unsere Anschauungen auseinander. Aber ich bin der Meinung, daß der einfache Weg, den Herr Kollege Atzenroth genannt hat, nicht gegangen werden kann.
Nun zu einigen Fragen, die Herr Kollege Ritzel angeschnitten hat und die die Öffentlichkeit interessieren. Zu der Regelung der steuerfreien Einfuhr von Benzin beim Grenzübergangsverkehr möchte ich nur eine kurze Feststellung treffen. Ich habe bei der Beratung des Verkehrsfinanzgesetzes darauf hingewiesen, daß die Preisdifferenz gegenüber dem Ausland so groß werden muß, daß ein Schmuggel unter Ausnützung der sogenannten steuerfreien Grenze verhindert werden muß. In erster Linie muß verhindert werden, daß irgendwelche Unternehmer, Fuhrunternehmer usw., die Grenze gewerbsmäßig passieren, um jeweils ihren Tank gefüllt, aber zollfrei in das Gebiet der Bundesrepublik zurückzubringen. Ich möchte versichern, daß die Regelung, die für Personenkraftwagen gedacht ist, so gehandhabt werden soll, daß sie den Grenzverkehr für Personenkraftwagen möglichst wenig stört. Der stille Wille ist, nur in den Fällen, in denen angenommen werden kann, 'daß ein sehr häufiger und damit verdächtiger Grenzverkehr stattfindet, die Tankprobe vorzunehmen. Ich glaube, daß damit das für den Grenzverkehr befürchtete Hemmnis vermieden wird.
Ich bemerke, daß der Papierkrieg, von dem Herr Kollege Ritzel gesprochen hat, von allen Beteiligten, von denen, die die Papiere auszufüllen haben, und von denen, die die Papiere verlangen müssen, sehr bedauert wird. Aber das ist nun einmal eine internationale Krankheit, die national allein schwer beseitigt werden kann, und ich darf sagen, daß gerade Bestrebungen im Gange sind, speziell mit der Schweiz über eine Minderung dieses Papierkriegs in ein ernsthaftes und hoffentlich erfolgreiches Gespräch zu kommen.
Was nun den Kölner Artikel „Kann der Bundesfinanzminister die Preise senken?" betrifft, so habe ich ihn auch gelesen, Herr Kollege Ritzel; ich war aber von der Richtigkeit dieses Artikels, seiner Logik und inneren Wahrhaftigkeit nicht sehr überzeugt. Selbstverständlich besteht theoretisch die Möglichkeit, daß, wenn die Umsatzsteuer gemindert oder aufgehoben wird, die Waren um den Betrag der Umsatzsteuer verbilligt an den Verbraucher abgegeben werden. Theoretisch, Herr Kollege Ritzel! Ob praktisch die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, daß sich die Minderung der Umsatzsteuer zugunsten des letzten Verbrauchers in eine Minderung der Preise umsetzt, scheint mir sehr fraglich zu sein. Nach den Erfahrungen, die ich bisher manchmal mit Senkungen von Verbrauchsteuern gemacht habe, muß ich ehrlich gestehen: mein Vertrauen in die automatische Auswirkung solcher Senkungen auf den Preis, also zugunsten des Verbrauchers, ist nicht gewachsen, sondern hat sich leider gemindert. Daher auch meine Bedenken gegen die Werbung für Steuersenkungen mit diesem Motiv.
Das Wort hat ' der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich muß einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers machen. Ich habe es nicht verstanden, Her.- Minister, wenn Sie gesagt haben, Sie müßten irgendeine Umwandlung vornehmen. Wenn wir den Einzelplan 60 auf Seite 24 nachlesen, dann heißt es hier bei diesem Ausgabeposten ausdrücklich: Erhöhung des Grundkapitals der AG für Berg- und Hüttenbetriebe Watenstedt-Salzgitter, also Erhöhung des Grundkapitals einer bestehenden Aktiengesellschaft. Was soll da noch umgewandelt werden? Das ist mir nicht verständlich.
Ich bedauere außerdem, Herr Minister, daß Sie eigentlich eine so pessimistische Auffassung von diesem immerhin bedeutenden Werk und bedeutenden Teil der Bundesunternehmen haben. Der Pessimismus ist nicht berechtigt. Das Werk hat einen solchen Aufschwung genommen, daß es zweifellos bereits im nächsten Jahr in die Rentabilitätssphäre hineinkommen wird. Daran kann kein Zweifel bestehen. Und daß die 12 Millionen DM Aktien von dem deutschen Kapitalmarkt aufgenommen werden, das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei der heutigen Lage am Kapitalmarkt, wo sogar Aktien aufgenommen werden, von denen man weiß, daß sie zur Zeit keine Rendite erbringen. Bei Watenstedt-Salzgitter ist, wenn nicht im nächsten Jahr — ich behaupte nach wie vor, im nächsten Jahr —, aber spätestens in einigen Jahren mit einer guten Rendite zu rechnen. Die Argumente des Herrn Bundesfinanzministers kann ich also nicht anerkennen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Beratung von Einzelplan 60 abgeschlossen.
Ich rufe nunmehr auf die
zweite Beratung des Entwurfs des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1500, zu 1500, Umdruck 393).
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Haushaltsberatungen gewöhnt man sich auch als Berichterstatter daran, vor leerem Haus zu sprechen, vor allem, wenn das Haushaltsgesetz zu behandeln ist. Ich hätte darauf verzichtet, über den Schriftlichen Bericht, der dem Hause vorliegt *), hinaus etwas zu sagen, aber ich glaube, daß wir einige Fragen zu den Akten des Bundestages geben müssen, damit sie endlich einmal im Protokoll erscheinen. Da sei mir gestattet, noch einige zusätzliche Bemerkungen zu machen.
Der Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 wurde dem Bundestag von der Bundesregierung unter dem 3. Dezember 1954, also zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt, vorgelegt und im Plenum in erster Lesung am 9. Dezember behandelt. Der Haushaltsausschuß hat von diesem Tage an den Versuch gemacht, mit den Kräften, die ihm zur Verfügung standen, die Aufgabe zu erfüllen, die ihm das Haus zugewiesen hat. Wir haben in 44, zum großen Teil ganztägigen Sitzungen den Haushalt beraten. Das Ergebnis ist nicht, wie wir alle wünschen, eine Senkung des Haushaltsvolumens, sondern eine Erhöhung. Der Haushalt, wie er dem Hause heute vorliegt, schließt mit rund 30,5 Milliarden DM in Einnahme und Ausgabe ab. Zu dieser Position werde ich noch eine Bemerkung zu machen haben, damit sie verständlich wird. Da der größte Teil der Ausgaben, insbesondere die in das Gebiet der Kriegsfolgelasten, der Verteidigung und der sozialen Aufgaben fallenden Ausgaben, unverrückbar feststeht und die Notwendigkeit, einen ausgeglichenen Haushalt herzustellen, nach Art. 110 des Grundgesetzes besteht, ist der Rahmen für Ermessensentscheidungen hinsichtlich der durch gesetzliche und andersartige rechtliche Verpflichtungen nicht gebundenen Ausgabebeträge außerordentlich beschränkt. Das ist dem Haus ja hinreichend bekannt. Wir haben des öfteren in der Vergangenheit darüber bereits gesprochen. Viele wohlgemeinte Vorschläge und Anträge, die aus den einzelnen Ausschüssen kamen, sind im Haushaltsausschuß nicht verwirklicht worden. Sie konnten nach der Meinung des Ausschusses nicht verwirklicht werden, so wünschenswert das im einzelnen Fall gewesen sein mochte. Jeder von Ihnen, der in einem Fachausschuß tätig ist, wird selber die Enttäuschung erlebt haben, die ihm der Haushaltsausschuß bereiten mußte. Das ist nun einmal die unangenehme Pflicht eines Ausschusses, der mit dem Bundesfinanzminister dafür zu sorgen hat, daß die materiellen Forderungen der öffentlichen Hand an den Staatsbürger nicht über die unbedingt notwendigen Grenzen hinausgehen. Der Haushaltsausschuß hat
*) Siehe Anlage 13.
sein Augenmerk insbesondere auf die personellen Mehranforderungen gelenkt und ist nach gründlicher Prüfung zu der Auffassung gekommen, daß sie, abgesehen von ganz wenigen und wirklich begründeten Fällen, die im einzelnen genau untersucht worden sind, nicht verwirklicht werden konnten. Auch die Ansätze für Sachausgaben sind in vielen Fällen nach Prüfung ihrer sachlichen Grundlagen gesenkt worden. Wir haben vom Bundeskabinett eine Ergänzungsvorlage ausschließlich mit personellen Nachforderungen erhalten, über deren Entstehungsgeschichte ich hier nichts sagen will. Sie ist vom Haushaltsausschuß bei den Einzelberatungen der Haushaltspläne der Ministerien im wesentlichen abgelehnt worden, und nur in ganz wenigen Fällen wurde sie in die Vorlagen eingebaut.
Alles in allem ist die Linie des vom Bundesminister der Finanzen bereits 'angestrebten Stopps in der Ausgabenwirtschaft eingehalten worden und zugunsten der Verwirklichung dringender, der Initiative der parlamentarischen Organe entspringender Pläne noch verstärkt worden. Die zu dem Entwurf des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts von dem Haushaltsausschuß im einzelnen gefaßten Beschlüsse finden Sie im Schriftlichen Bericht, auf den ich in diesem Zusammenhang verweise.
Ich möchte aber darüber hinaus noch einige Bemerkungen machen. Der Haushaltsausschuß hat bei den Beratungen, die seit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs eingetretenen gesetzlichen oder sonstigen Änderungen weitgehend berücksichtigt. Daraus ergibt sich auch im wesentlichen die Veränderung der Abschlußzahlen des Haushalts gegenüber der Regierungsvorlage. Die Erhöhung von rund 326 Millionen DM entspricht den aus dem Verkehrsfinanzgesetz erwarteten Mehraufkommen an Mineralölsteuer und Beförderungsteuer, die bekanntlich durch das Gesetz zweckgebunden gemacht sind. Die sonst vom Ausschuß vorgenommenen Ausgabenerhöhungen wurden durch Ausgabensenkungen an anderer Stelle und durch die Einstellung einer Minderausgabe in Höhe von 314,7 Millionen DM ausgeglichen. Wir haben im allgemeinen bei den Ausgabensenkungen den Versuch gemacht, innerhalb des Einzelplans eines Ressorts einen Ausgleich zu finden, weil wir der Meinung waren, daß das die gerechte und realistische Lösung sei an Stelle einer Lösung — die wir auch hätten anstreben können —, einfach Mehrausgaben zu beschließen und am Schluß einen Ausgleich zu suchen. Das schien uns nicht der geeignete Weg zu sein.
Was die Minderausgabe von rund 314 Millionen DM betrifft, so ist sie jener Posten, den der Bundesfinanzminister nach dem Haushaltsgesetz durch die Einführung einer 10-%-Sperrklausel zur Verfügung hat — das ist ja ein echter Ausgleichsposten des Haushalts —, damit das rechnerische Minus, das sonst eintreten würde, ausgeglichen werden kann.
Dann mache ich darauf aufmerksam, daß sich im außerordentlichen Haushalt eine beträchtliche Steigerung der Ansätze zeigt, die aus der Einstellung eines Betrages von 2,4 Milliarden DM in Einnahmen und Ausgaben resultiert. Es ist eine durchlaufende Position, die aus dem Rückstellungskonto „Überhang an Besatzungskosten" stammt, die die ehemaligen Besatzungsmächte im Rechnungsjahr 1955 in dieser Höhe verwenden wollen.
Die Anleiheermächtigung selbst mußte um rund 85,6 Millionen DM erhöht werden, davon allein rund 45 Millionen DM für die in den außerordentlichen Haushalt eingestellten Mittel für KannLeistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz. Wir werden abwarten müssen, ob sich durch die Abstimmung heute nachmittag in diesem Titel etwas ändert; das wird dann berücksichtigt werden müssen.
Bei den Beratungen über den bei dem Kap. 09 02 neu zu schaffenden Tit. 963 mit der Zweckbestimmung „Nachträgliche Beteiligung der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an den Einnahmen aus dem Vertrieb von Mineralöl in den Jahren 1949 und 1950 zum Ausgleich notwendig gewesener Subventionsmaßnahmen " wurde vom Haushaltsausschuß die Frage erörtert, ob und in welcher Weise Sicherungen dafür geschaffen werden könnten, daß die Forderungen, die der Bund an die Länder habe, auch tatsächlich erfüllt werden.
Die unerledigten Forderungen des Bundes an die Länder — ohne Berlin — aus Überleitungsvorgängen werde ich noch im einzelnen darstellen. Ich habe in erster Linie deshalb zum Haushaltsgesetz das Wort ergriffen, weil ich wünschte, daß diese Forderungen des Bundes an die Länder auch im Protokoll des Bundestages erscheinen*). Sie sind nämlich strittig. Ich muß da auf eine Übersicht des Bundesfinanzministeriums zurückgreifen, die lins zur Verfügung gestellt worden ist.
Das Land Baden-Württemberg schuldet dem Bund einen Betrag von 9,25 Millionen DM, einen Restbetrag eines Bundesdarlehens an die ehemaligen Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern zur Abdeckung von rückständigen Besatzungskostenverbindlichkeiten aus der Zeit vor dem 1. April 1950. Es ist also eine Verbindlichkeit aus der Zeit vor der Schaffung des Südweststaates, als die Länder der ehemaligen französischen Zone in einer Sondersituation waren. Ich will den Sachverhalt hier im einzelnen nicht dartun. Ich gebe nachher die ganze Anlage zu Protokoll.
Das Land Bayern schuldet dem Bund durch eine ungerechtfertigte Belastung des Bundes durch die für die Zeit vor dem 1. April 1950 zu leistenden Nachzahlungen auf Grund des damals im Lande Bayern geltenden Kb-Leistungsgesetzes 150 bis 170 Millionen DM. Der Betrag ist seit Jahren strittig. Es taucht immer wieder ein Merkposten von 50 Millionen DM im Haushalt auf. Wir haben uns verschiedentlich darüber unterhalten, ob wir das nicht endlich liquidieren könnten. Der Haushaltsausschuß hat sich beharrlich geweigert, diese Summe verschwinden zu lassen, und zwar mit dem guten Grund, daß der Bund ja keine Forderung aufgeben kann, die noch Gegenstand eines Verfahrens ist. Der Bundesrechnungshof ist nach § 20 des Ersten Überleitungsgesetzes als schiedsrichterliche Instanz eingesetzt und beschäftigt sich mit der Frage eines Vergleichs zwischen Bund und Land Bayern. Was dabei herauskommt, steht noch nicht fest. Das Verfahren ist schon seit mehreren Jahren anhängig.
Das Land Hamburg schuldet dem Bund einen Anteil am Bundesfehlbetrag von 1949 mit 5,0 Millionen DM. Es hat die Zahlung von der Aufrechnung strittiger Forderungen an den Bund abhän-
*) Siehe Anlage 14.
gig gemacht, die sich auf Vorgänge des Ersten und des Zweiten Überleitungsgesetzes beziehen. Auch in dieser Frage ist beim Bundesrechnungshof ein Verfahren nach § 20 des Ersten Überleitungsgesetzes anhängig.
Hamburg, Bremen, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Schleswig-Holstein schulden dem Bund insgesamt 2,15 Millionen DM aus Darlehen der genannten Länder an die Deutsche Bundesbahn zur Abdeckung von Beförderungsteuerschulden der Bundesbahn aus der Zeit vom 1. Januar bis zum 20. Juni 1948. Auf diese Frage will ich hier nicht im einzelnen eingehen.
Hessen, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg schulden 0,46 Millionen DM zu wenig abgeführte Interessenquote für geleistete Bundesausgaben für Heimkehrertransporte. Nordrhein-Westfalen — Sie sehen, es ist keinerlei Unterschied festzustellen zwischen den sogenannten finanzstarken und den finanzschwachen Ländern — —
— Es kommt jeder dran! Ich habe es ja auch so aufgezählt, damit klar ist, daß jeder drankommt.
Zu drängeln braucht hier wirklich keiner.
Das Land Nordrhein-Westfalen also schuldet dem Bund 3,65 Millionen DM, und zwar ist diese Forderung des Bundes in den Rechnungsjahren 1950/ 1951 entstanden für zu Lasten des Bundes gebuchte Weihnachtsbeihilfen für Empfänger von Alu und Alfu. Ich bedaure, daß ich diese algebraischen Formeln nicht ohne weiteres übersetzen kann. Die Sachverständigen aus dem Bereich der Sozialversicherung wissen es wahrscheinlich viel besser als ich. Gerade fällt mir nebenbei ein, es heißt Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung.
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg schulden dem Bund 6,5 bis 13,5 Millionen DM. Schon aus den beiden Ziffern ist klar, daß es sich um eine variable Forderung handelt: Beförderungsteuerzahlungen der ehemaligen Südwestdeutschen Eisenbahnen, die von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vereinnahmt worden sind, nach § 18 Abs. 1 des Ersten Überleitungsgesetzes jedoch dem Bund zufließen müssen. Auch hier ist ein Verfahren beim Bundesrechnungshof anhängig.
Rheinland-Pfalz schließlich schuldet dem Bund 12,7 Millionen DM, nämlich den Rest eines Besatzungskostendarlehens.
Insgesamt beläuft sich die Forderung des Bundes an die Länder auf 189,7 bis 216,7 Millionen DM. Ich habe noch hinzuzufügen, daß die endgültige Abrechnung über die Verpflichtungen und Zahlungen der Länder für Lebensmittelsubventionen 1949 ebenfalls noch aussteht; die hierzu erforderlichen Abrechnungsunterlagen der Außenhandelsstelle und des Bundesrechnungshofs liegen noch nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es war notwendig, diese Dinge einmal aktenkundig zu machen. Irgendwann muß die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern ja ein Ende finden — wie immer. Im Haushaltsausschuß wurde der Gedanke der Schaffung eines Generalbereinigungsgesetzes zwischen Bund und Ländern analog dem Kriegsfolgenschlußgesetz erwogen. Es ist aber wohl
zu früh, hierzu schon im Hause eine fertige Stellungnahme abzugeben.
Ich darf die Aufmerksamkeit des Hauses weiter auf die vor dem bisherigen § 13 des Haushaltsgesetzes als neuen Paragraphen eingefügte Bestimmung lenken:
Der Bundesminister der Finanzen wird zur Unterstützung von Offenmarktgeschäften der Bank deutscher Länder ermächtigt, durch Verwendung des Erlöses aus der Begebung von Wechseln und unverzinslichen Schatzanweisungen im Betrag von bis zu 2 000 000 000 Deutsche Mark Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder im gleichen Nennbetrage vorübergehend zurückzuerwerben.
Sie ersehen aus meinem Schriftlichen Bericht die von dem Bundesminister der Finanzen dafür gegebene Begründung. Die Bank deutscher Länder will für einen Teilbetrag von 2 Milliarden DM ihre Ausgleichsforderung, die sie an den Bund hat und die mit 3 % verzinst wird, Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen des Bundes übernehmen. Dadurch soll also der Bank deutscher Länder die Möglichkeit gegeben werden, in größerem Stil ebenso wie die Notenbanken anderer Länder Offenmarktpolitik am Geldmarkt zu betreiben. Sollte beispielsweise die Geldflüssigkeit infolge neuer Zahlungsüberschüsse im Außenhandel oder durch andere Ereignisse zunehmen, so würde die Bank deutscher Länder dadurch zu einer Regulierung des Geldvolumens instand gesetzt werden. Die Bundesregierung und die Notenbank versprechen sich von dieser Maßnahme eine Stärkung ihrer Bestrebungen zur Erhaltung der Kaufkraft und Festigkeit der Währung. Der Haushaltsausschuß kann die darauf hinauslaufenden Maßnahmen nur begrüßen und hat daher Bedenken gegen die Aufnahme der erwähnten Bestimmung nicht geltend gemacht.
Ich bitte namens des Haushaltsausschusses um Annahme seines Antrages in dem Mündlichen Bericht, den Sie in der Drucksache 1500 vorfinden.
Nun noch einige Bemerkungen zu den Anträgen, die der Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz zu behandeln hatte. Das waren die Drucksache 1261, eine Vorlage der Fraktion des GB/BHE: Entwurf eines Gesetzes über die Angleichung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr, und die Drucksache 940, ein Antrag der Fraktion der Deutschen 'Partei betreffend Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Die Bundesregierung hat sowohl in den Vorbemerkungen zum Haushalt als auch im Haushaltsausschuß selbst dazu Stellung genommen. Das Ergebnis der Beratungen war, daß der Haushaltsausschuß zunächst keine Möglichkeit sah, dem Haus diese Vorlagen zur Annahme zu empfehlen, denn offenbar haben die Bemühungen, wegen der Vorverlegung des Beginns des Rechnungsjahres vom 1. April auf den 1. Januar zu einer Verständigung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden — vor allem zwischen Bund und Ländern — zu kommen, bisher zu keinem Ergebnis geführt. Ich möchte aber als Meinung des Ausschusses aussprechen: Es ist gar keine Frage, daß eine Angleichung des Haushaltsjahres der öffentlichen Körperschaften, des Bundes, der Länder und der Gemeinden, an das Kalenderjahr für alle Teile der Wirtschaft und wahrscheinlich auch für die öffentliche Hand ein
außerordentlicher Fortschritt wäre, der z. B. dazu führen könnte, daß die Mittel, die in den öffentlichen Haushalten zur Wiederinvestition in der Wirtschaft enthalten sind , zu
einem Zeitpunkt zu fließen beginnen, zu dem sie auch wirklich in vollem Umfang eingesetzt und verwendet werden könnten!
Demgegenüber ruft heute das Auseinanderklaffen von Haushaltsjahr und Kalenderjahr viele Schwierigkeiten hervor, die wir immer wieder in Form von Klagen aus der Wirtschaft zu hören bekommen.
Das wollte ich zum Schluß noch sagen. Im übrigen empfehle ich Ihnen, wie gesagt, die Annahme der Anträge des Haushaltsausschusses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Beratung in der zweiten Lesung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf den § 4. Hier liegt auf Umdruck 393*) ein Änderungsantrag vor. Ich frage den Herrn Antragsteller, ob er das Wort zur Begründung des Antrages wünscht. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ,die Ehre, den letzten Änderungsantrag in der zweiten Lesung des Haushaltsplans 1955 zu vertreten. Ich bedaure dabei auch, daß die Besetzung des Hauses aus den schon angeführten Gründen so schwach ist, und ich befürchte, daß unsere Kolleginnen und Kollegen, die meine Ausführungen nicht hören, über diesen Antrag vielleicht auch zur Tagesordnung übergehen wie bei den früheren Anträgen, die ich gestellt habe.
Ich will mich aber dadurch nicht entmutigen lassen, besonders weil ich ja sehe, daß so viele Prominente hier vertreten sind.
Es handelt sich also um den Antrag auf Umdruck 393, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Hinter § 4 wird folgender § 4 a eingefügt:
§ 4a
Bei der Bewirtschaftung der Personalmittel wird jede vierte freiwerdende Beamten- oder Angestelltenstelle nicht wieder besetzt. Über den weiteren Verbleib der Stellen ist im Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich weiß, über die Hälfte dieses Hohen Hauses ist mit mir darin einer Meinung, daß man der immer mehr zunehmenden Bürokratisierung unseres öffentlichen Lebens entgegentreten muß. Es werden Pläne hin und her überlegt, und es wird Ihnen so gehen wie mir. Durch die Gespräche draußen und auch durch die Erörterungen in der Presse zieht es sich wie ein roter Faden: Wir müssen zu einem Abbau
*) Siehe Anlage 7.
der Bürokratie und zur Vereinfachung der Verwaltung kommen.
— „Aber es bleibt bei dem Alten", das ist hier auch schon häufig pessimistisch zum Ausdruck gekommen. Ich bin im Leben immer Optimist gewesen und bin auch in diesem Fall Optimist. Ich glaube, daß wir diese Dinge hier ändern können.
— Herr Mellies, Sie haben schon mehrmals so zweideutige Äußerungen gemacht, als ob ich mit meiner ,Ansicht nicht ganz ernst zu nehmen sei. Das verstehe ich durchaus nicht. Denn wir beide — jetzt spreche ich mal mit Ihnen, weil Sie den Zwischenruf gemacht haben — sind seit dem 11. Januar 1948 zusammen im Haushaltsausschuß des Wirtschaftsrats gewesen. Wir sind nachher zusammen im Haushaltsausschuß des 1. Bundestages gewesen. Nachdem Sie nun zu höheren Aufgaben in Ihrer Partei gekommen sind, sind Sie uns untreu geworden. Ich bin immer bei den Mitgliedern des
Haushaltsausschusses geblieben, weil ich auf dem Standpunkt stehe: Es ist sehr wichtig für den einzelnen und auch für den Staat, daß man seinen Haushalt in Ordnung hält. Das ist nicht immer eine populäre Angelegenheit. Das haben wir hier heute und in den letzten Tagen erfahren müssen, als an den Beschlüssen des Haushaltsausschusses Kritik geübt worden ist. Das habe auch ich erfahren müssen, als ich einige Anträge zu den verschiedenen Haushalten eingebracht habe. Es kommt dann sehr leicht dahin, daß man sagt: Das Verhalten ist unsozial, oder: Diese Anträge zeigen, daß der Mann nicht sehr viel Sachkenntnis hat. Aber das gleitet an mir herunter, und deshalb habe ich den Mut, auch in Zukunft für die Vereinfachung in der Verwaltung zu kämpfen. Denn der heutige Zustand ist nicht befriedigend.
Wir klagen — ich spreche ja hier zu Ihnen als Bauer — über hohe Lasten und über hohe Kosten in unserer Wirtschaft. Daran sind nicht zuletzt die hohen Verwaltungskosten schuld, die überall, nicht nur bei uns im Bund, sondern auch in den Ländern, in den Gemeinden und — ich bin auch ehrlich genug, Ihnen zu sagen: in der Wirtschaft entstanden sind.
Hier hat einmal ein Vertreter der Opposition die Bürokratie angeklagt. Ich konnte dieses Manuskript nicht so schnell wieder bekommen. Aber er hat gesagt, die zunehmende Bürokratisierung sei das Schicksal aller Völker. Ich glaube, er sagte, daß in unserem Nachbarlande Frankreich schon auf jeden arbeitenden Menschen ein Mensch komme, der sich mit dem Ordnen von Papier usw. beschäftige. Wenn das bei uns auch noch nicht so ausgeprägt ist, so liegt doch die Befürchtung nahe, daß auch wir Deutschen auf diesem Wege schrittweise weitergehen. Da bin ich der Meinung, daß wir nun endgültig einmal Wandel schaffen müßten und daß wir uns — und das soll durch diesen Antrag erreicht werden — einmal vor Augen halten sollten, wie es zu dieser Erhöhung und zu dieser Vergrößerung der Verwaltung gekommen ist. Für uns, die wir im Haushaltsausschuß gewesen sind, ist ganz klar, daß jede Stelle von uns genehmigt worden ist. Es wurde uns immer der unabweisbare Bedarf vor Augen geführt. Häufig haben wir aber sehen
müssen, daß im Hintergrund beamtenrechtliche Gründe standen oder daß es sich darum handelte, bei den schlechten Besoldungsverhältnissen der Beamten in der Vergangenheit, in der Reichsmarkzeit, einen Anreiz für einen Stelleninhaber zu schaffen. So sind dann die Stellenerhöhungen und Stellenvermehrungen vorgenommen worden, nicht aus Gründen des unabweisbaren Bedarfs, sondern aus anderen Gründen, die ich eben schon kurz angedeutet habe. Weil ich weiß, wie es zu solchen Stellenvermehrungen gekommen ist, bin ich der Meinung, daß wir den Mut haben müssen, jetzt wieder einen Schritt zurückzugehen.
Zur Überwindung dieses Übelstandes werden viele Wege angeführt. Ein Kollege von mir hat den Antrag gestellt, hier einen Ausschuß zu bilden. Ich habe diesen Antrag deshalb nicht unterschrieben, weil ich mir sage: wir haben es hier in der Hand, und wir, die wir im Haushaltsausschuß sind, haben die Möglichkeit, einen Abbau zu vollziehen. Ich stehe sogar auf dem Standpunkt, ein neuer Ausschuß würde wieder viele wichtige Beamte in den Ministerien lahmlegen; es würde ein weiteres Tauziehen hin und her über Monate un vielleicht über
Jahre hinweg erfolgen. Schließlich käme dann dabei heraus, daß noch neue Ämter aufgebaut werden müßten. Deshalb müssen wir hier jetzt handeln, und wir müssen den Mut zu einschneidenden Maßnahmen haben.
Mein Kollege Herr Dr. Conring, hat schon gesagt, daß das nicht immer populär ist. Wir haben auch gesehen, daß unsere Beratungen im Haushaltsausschuß während der 44 oft ganztägigen Sitzungen, von denen der Herr Vorsitzende eben gesprochen hat, die wirklich — das muß ich einmal zur Ehre aller Mitglieder sagen — von einem großen Verantwortungsbewußtsein, von einem großen Verantwortungsgefühl zeugten, so in das Zwielicht hineingekommen sind, als ob wir nicht das genügende Verständnis für die Nöte oder für die Anliegen des Volkes hätten. Ich glaube, man darf einmal zwei Zahlen aus den Haushaltsberatungen im Ausschuß anführen, die hier noch nicht genannt worden sind, die aber zeigen, daß drüben im Haushaltsausschuß eine viel bessere Sparfront herrschte als hier in der Öffentlichkeit im Plenum des Bundestages. Wenn ich unsere Beratungen der letzten Woche und ,dieser Woche betrachte, so muß ich feststellen, daß alle Sparanträge und alle Anträge auf Kürzungen unter den Tisch gefallen sind und daß Anträge, die eine Erhöhung des Haushaltsansatzes verursachen, häufig glatt über die Bühne gegangen sind, weil man sich vielleicht - ich will es mal etwas drastisch sagen — hier in der Öffentlichkeit etwas lieb Kind machen will. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Bundestag keine Ursache hat, als Weihnachtsmann aufzutreten und nach allen Seiten hin irgendwelche kleinen Fonds auszuschütten, um sich damit beliebt zu machen. Wir haben uns im Haushaltsausschuß — das möchte ich noch einmal zur Ehre dieses Ausschusses sagen — in einer Einheitsfront zusammengefunden. Ich bin der Meinung, da, wo es um ein Anliegen aller Parteien geht, nämlich zu sparen, sollten wir auch hier zu einer Einheitsfront, sagen wir mal, Herr Mellies, zu einer großen Koalition der Männer kommen, die nun eisern den Besen ansetzen wollen, um hier einmal auszufegen.
— Ja, gerade in diesem Augenblick, wo wir davor stehen, eine Verteidigungsmacht aufzustellen, halte ich es für außerordentlich wichtig. Denn wir als Altere haben ja alle noch Erinnerungen an die damalige Zeit. Wir wissen ganz genau, daß bei der Verteidigung auch Kräfte ans Ruder kommen, die leicht den Rahmen verlieren und nicht die sparsame Linie innehalten, die wir uns hier gerne erhalten möchten.
— Beim Bundespresseamt haben Sie aus politischen Gründen, Herr Mellies, einen Antrag eingebracht. Sie müssen nun den Bauern nicht für so dumm halten, daß er von Politik keine Ahnung hätte.
Das wissen wir genau zu unterscheiden. Ich habe mit Ihnen gegen die Sonderminister und auch gegen den Familienminister gestimmt. Das ist keine politische Angelegenheit, sondern eben das Votum, auch unserem Herrn Bundeskanzler zu zeigen, daß wir im Volke keine weiteren Aufblähungen wollen und keine weiteren Ministerien schaffen wollen. Wenn Sie aber den Antrag einbringen, den Verfügungsfonds des Bundeskanzlers zu beschneiden, so handelt es sich dabei — seien wir doch ganz ehrlich — nur um einen politischen Antrag.
Das können Sie nicht von mir verlangen, daß ich da mit Ihnen zusammen marschiere, auch nicht bei meinem Koalitionsangebot an Sie.
Jedenfalls haben wir im Haushaltsausschuß in diesen 44 häufig ganztägigen Sitzungen eine Einheitsfront gehabt. Wir haben uns gar nicht darum gekümmert, was unsere eigene Regierung, meine Regierung, für die ich ja eintrete, für Wünsche gehabt hat. Diese Regierung hatte uns Personalanforderungen gestellt, die sehr groß waren. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 3. Dezember selbst festgestellt, daß er mit Sorge und mit großem Bedauern davon Kenntnis genommen hat, daß unsere Regierung wieder soviel neue Stellen anfordert. Er hat dabei geäußert, er hätte erwartet. daß es zu einem Abbau gekommen wäre. Ich weiß nicht, ob nun gerade der Bundesrat mit so einer reinen Weste dasteht. Denn wir wissen, daß gerade in den Ländern auf diesem Gebiete vielleicht viel mehr passiert als bei uns in Bonn.
— In Niedersachsen haben wir auch frische Erfahrungen, bedauerlich, außerordentlich bedauerlich. Sollte ich mal an einer Regierungsbildung teilnehmen können, dann würde ich unter allen Umständen verlangen, daß nicht solche Aufblähungen — —
— Na, ich will mich aber nicht so sehr von meinem Thema abbringen lassen.
Ich wollte Ihnen nur sagen, daß wir im Haushaltsausschuß auf Grund unserer gemeinsamen Zusammenarbeit unserer Regierung 111 Beamtenstellen und 65 Angestelltenstellen gestrichen haben. Das ist für manchen sehr bedauerlich gewesen. Ich weiß, der Präsident des Bundesrechnungshofes war sehr traurig darüber, und ich glaube, selbst unser Finanzministerium war enttäuscht über unsere Haltung. Wir sind aber konsequent diesen Weg gegangen. Meine Damen und Herren, warum wollen wir denn hier in aller Öffentlichkeit nicht einmal denselben Versuch machen, mit aller Gewalt — —
— Das ist ja wunderschön. Dann bin ich davon überzeugt, daß mein Antrag diesmal eine Mehrheit bekommt. Ich rede auch nur so lange darüber, weil ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe.
— Meine Fraktion kennt meine Pläne. Sie werden festgestellt haben, daß bei meinem Antrag betreffend den Neubau des Patentamtes diese Front durch alle Parteien geht. In allen Parteien, auch in Ihrer, standen da nun wieder föderalistische Gründe der Sache entgegen. Das ist ja leider Gottes so. Unsere Bürokratie hat auf allen Gebieten Hilfstruppen. Das ist nicht zu leugnen.
Herr Abgeordneter, sprechen Sie bitte weiter.
Das habe ich nicht ganz verstanden.
Ich auch nicht, aber ich habe Ihnen das Wort erteilt.
— Eine Zwischenfrage oder Wortmeldung?
— Herr Abgeordneter Brese hat also weiter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an Sie die Aufforderung richten: Überwinden Sie alle Rücksichten, die Sie nach irgendeiner Seite nehmen, und reihen Sie sich ein in die Front derer, die ganz entschlossen zu einem Verwaltungsabbau kommen wollen! Wir brauchen keinen neuen Ausschuß, wir brauchen keinen Sparkommissar. Meine Damen und Herren, es liegt an uns und es liegt an Ihnen, ob Sie zu den Anträgen ja sagen werden, und es ist nun unsere Aufgabe, solche Anträge zu erarbeiten. Dann kann es wirklich dahin kommen, daß wir auch mal nach unten hin etwas Entlastung bekommen. Wir alle in diesem Hause sind gute Demokraten. Sehen Sie sich einmal an, was von der Selbstverwaltung bei unserer Gesetzgebung unten übrigbleibt! So ein Beirat z. B. in einer Krankenkasse ist doch nur Befehlsempfänger von oben her. Unsere Verwaltungen haben den Ehrgeiz, beim Menschen alles bis
zum letzten Bereich zu ordnen, und das ist nach meiner Auffassung etwas, was der Demokratie durchaus abträglich ist, denn wir brauchen unten Persönlichkeiten, die auch die Möglichkeit haben, sich einmal selbst zu entscheiden.
— Dann will ich mich mal zur anderen Seite rüberdrehen, sie ist nur so schlecht besetzt.
Es ist doch so: Wir haben die Wirtschaft von den Fesseln weitgehend befreit, aber wir verstricken den Menschen immer mehr und mehr in Gesetze. Dann können wir von diesem Menschen nicht mehr verlangen, daß er zu der Demokratie große Zuneigung hat.
Ich will aber nun zum Schluß kommen und bitte
Sie noch einmal recht herzlich, diesem Antrag Ihre
Zustimmung zu geben. Sie geben damit dem Haushaltsausschuß die Möglichkeit, über diese frei werdenden Stellen zu entscheiden. Es ist in diesem
Hause häufig unser Altreichskanzler Bismarck
erwähnt worden, und gerade Herr Erler von der Opposition hat es vor ein paar Tagen noch getan. Gestatten Sie mir daher auch ein Zitat von Bismarck. Er hat in der Zeit, in der er damals lebte und in der es, wie wir glauben, keine so größe Bürokratie wie heute gab, folgendes gesagt:
Ein Staat, der sich von einer Bürokratie wie der unsrigen nicht durch einen heilsamen Gewittersturm losreißen kann, ist und bleibt dem Untergang geweiht.
Meine Damen und Herren, mein Antrag ist noch kein Gewittersturm, sondern ist nur ein leiser Luftzug. Ich bin aber der Meinung, auch dieser leise Luftzug kann schon einen Heilungsprozeß einleiten, wenn wir im nächsten Jahre auf diesem Wege weitergehen. Daher noch einmal meine Bitte: Stimmen Sie wenigstens diesem Antrag zu!
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brese hat davon gesprochen, daß sein Antrag noch kein Gewittersturm sei; ich nehme an, er ist eine Brese.
Im übrigen: ich will keine langen Reden halten. Sie haben unsere volle Unterstützung. Man kann zwar in diesem oder jenem Punkt der Meinung sein, daß eine etwas über den Daumen gepeilte Forderung da und dort einmal Schwierigkeiten in der Verwaltung erzeugen wird. Aber wir haben es bei Personalbeschlüssen häufig der Verwaltung überlassen, sich in dem Rahmen zu arrangieren, den ihr das Parlament gesetzt hat. Das ist auch in diesem Fall möglich.
Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, als ob wir nur wegen der Publikumswirkung diesem Antrag zustimmten. Wir sind in der Tat der Meinung, daß irgendwo einmal ein Anfang gemacht werden muß mit dem Druck auf die Verwaltung, die bisherige Entwicklung resolut zu stoppen. Deshalb kann man, glaube ich, Ihren Antrag durchaus akzeptieren. Ich hoffe, daß Ihre eigenen Freunde dasselbe tun wie wir.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zu § 4 liegen nicht vor. Ich schließe damit die Einzelberatung zu § 4.
Ich rufe auf die §§ 5, — 6, — 7, — 8, — 9, — 10, —11, — 12, — 13, — 14, — 15, — Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung dieser Bestimmungen in der zweiten Lesung. Die Abstimmung wird, wie gesagt, zurückgestellt. Damit ist die Beratung des Haushaltsgesetzes in der zweiten Lesung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich mache den Vorschlag, daß wir eben noch den Bericht zu folgendem Tagesordnungspunkt entgegennehmen:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1955 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 1470).
In Stellvertretung des vorgesehenen Berichterstatters, des Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen,*) hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, Herr Dr. Wellhausen, ist durch seine Anwesenheit bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für unseren Kollegen Wirths leider verhindert, die Berichterstattung, die er sich selber vorbehalten hatte, vorzunehmen. Ich bin gebeten worden, einige Worte zu dem zu sagen, was im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bezüglich dieses Gesetzes besprochen worden ist und welchen Antrag der Ausschuß Ihnen vorlegt.
Zunächst war hervorgehoben worden, daß es sich bei diesem Gesetz eigentlich um den Schlußstein der ganzen Haushaltsbearbeitung handelt. Nachdem die Einnahmen und Ausgaben auf beiden Seiten festgestellt und in die Waage gelegt worden sind, soll nun die Differenz zwischen Einnahme und Ausgabe dadurch ausgeglichen werden, daß gemäß den Vorschriften des Art. 106 des Grundgesetzes durch die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein Ausgleich herbeigeführt wird. Der Herr Bundesfinanzminister hatte hierbei einen Prozentsatz von 40 % ermittelt, der einen Fehlbetrag von 4 790 Millionen DM ausgleichen soll. Dieser Betrag ist dadurch zustande gekommen, daß der Bundesfinanzminister die Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer geschätzt hat. Es ist heute schon von Herrn Kollegen Ritzel darauf hingewiesen worden, daß andere diese Einnahmen höher geschätzt haben, insbesondere auch der Bundesrat. Wenn man die höheren Schätzungen zugrunde legte, würde man naturgemäß, um zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, einen niedrigeren Vomhundertsatz anzusetzen haben. Nun haben aber die Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers und des Bundesfinanzministeriums auf alle Fälle für sich, daß sie im Endergebnis — jedenfalls in der Regel — gestimmt haben oder doch nur zu einem sehr geringen Prozentsatz von dem tatsächlichen Ist abgewichen sind. Der Ausschuß hat sich daher veranlaßt gesehen,
`) Siehe Anlage 12: Schriftlicher Bericht.
auch im vorliegenden Fall von diesem Schätzungsergebnis auszugehen.
Der Bundesrat hat aber schon bisher Befürchtungen geäußert, daß das tatsächliche Aufkommen höher sein könnte und daß dann Beträge der Bundeskasse zufließen würden, die in dieser Höhe vom Bund zur Herstellung des Ausgleichs nicht gebraucht würden. Der Bundesfinanzminister hat in seinen Bemühungen, diese Schwierigkeiten zu überbrücken, Verhandlungen aufgenommen. Dabei hat er gesagt: Ich will den festen Betrag von 40 % meiner Schätzung haben. Diese entspricht etwa 38 % der Schätzung des Aufkommens seitens der Länder. Was darüber hinaus aufkommt — wenn also tatsächlich die höheren Schätzungen des Bundesrats zutreffen würden —, das wollte er nicht erheben; also nur 40 % des jetzt vom Bundesfinanzministerium geschätzten Aufkommens.
Der Ausschuß hat sich sehr eingehend mit diesem Problem befaßt und ist zu der Überzeugung gekommen, daß er hier dem Bundesfinanzminister nicht folgen kann. Die Art des Vorgehens ist im Grundgesetz genau vorgeschrieben. Der Ausschuß war der Meinung, daß ein Weg, wie der Herr Bundesfinanzminister ihn vorgeschlagen hat, eine Umwandlung des Systems des Grundgesetzes etwa zu den Matrikularbeiträgen hin in die Wege leiten könnte. Der Ausschuß ist daher zu der Empfehlung gekommen, es bei dem Gesetzentwurf zu belassen und 40 vom Hundert der Einnahmen in Anspruch zu nehmen, die ,den Ländern im Rechnungsjahr 1955 aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zufließen.
Zu § 2 des Gesetzentwurfs ist festgestellt worden, daß der Inhalt dieses Paragraphen auch in dem vom Hohen Hause bereits angenommenen und verabschiedeten Vierten Überleitungsgesetz steht. Der § 2 wird daher für überflüssig angesehen, und es wird vorgeschlagen, ihn zu streichen.
Zum Schluß ist noch erörtert worden, ob der § 4 geändert werden müßte, weil es dort heißt, daß dieses Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Es ist aber festgestellt worden, daß § 4 in Verbindung mit § 1 nach der gesetzestechnischen Regelung bedeutet, daß, wenn dieses Gesetz endgültig verabschiedet sein wird, diese Inanspruchnahme für das gesamte Rechnungsjahr 1955, also vom 1. April dieses Jahres ab, wirksam wird.
Der Ausschuß schlägt Ihnen daher vor, den Gesetzentwurf, wie er Ihnen in der Drucksache 1449 vorliegt, in dieser Fassung mit der Maßgabe anzunehmen, daß § 2 gestrichen wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Einzelberatung. Ich rufe auf den § 1. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich bei diesem Gesetz, das ja praktisch aus dem § 1 besteht, auf das beziehen, was namens meiner Fraktion in der ersten Lesung gesagt worden ist. Wir sehen angesichts der bei vielen Posten ungeklärten Lage davon ab, Änderungsanträge zu diesem Gesetz zu stellen. Auch von anderer Seite sind keine Anträge eingebracht worden, so daß wir nicht Stellung zu nehmen haben. Im übrigen betrachten wir dieses Gesetz als einen tragenden Teil des Haushalts und lehnen es aus
denselben Gründen ab, aus denen wir den Haushalt ablehnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf § 2. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. § 3. — Keine Wortmeldungen. § 4, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe damit die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund.
Nun, meine Damen und Herren, sind wir mit unserer Arbeit so weit, daß wir vor den Abstimmungen stehen. Es ist vereinbart, die Abstimmungen nicht vor 15 Uhr durchzuführen. Ich unterbreche deshalb jetzt die Sitzung für eine halbe Stunde bis 15 Uhr 15 Minuten.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 19 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Die Sachberatungen sind beendet, wir haben jetzt nur noch die Abstimmungen durchzuführen.
— Ich höre eben, Herr Abgeordneter Wellhausen, daß Herr Lindrath den Bericht zum Inanspruchnahmegesetz schon erstattet hat.*) Aber bitte!
Dann rufe ich auf Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen, und zwar zunächst Umdruck 417**).
Herr Abgeordneter Schoettle, zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts des Umstandes, daß ein großer Teil der Mitglieder des Hauses während der Beratung der Einzelpläne aus durchaus respektablen Gründen nicht anwesend war, wäre es, glaube ich, für die Abstimmung zweckmäßig, wenn der Herr Präsident jeweils nicht nur die Nummer der Drucksache, sondern auch die Antragsteller und vielleicht durch die Titelzeile den materiellen Inhalt des Antrags bekanntgäbe, so daß die Mitglieder des Hauses wissen, worüber sie abstimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde wunschgemäß verfahren.
Ich rufe also Umdruck 417 Ziffer 1 auf. Es handelt sich um den Antrag der SPD-Fraktion; Inhalt:
In Kap. 40 09 wird der Ansatz in Tit. 302 von 12 600 000 DM um 5 000 000 DM auf 17 600 000 DM erhöht.
Ich habe einen gleichen Antrag auf Umdruck 441***), den ich aufrufe, vorliegen, der lautet:
*) Siehe auch Anlage 12.
**) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 2.
In Kap. 4009 wird der Ansatz in Tit. 302 von 12 600 000 DM um 2 400 000 DM auf 15 000 000 DM erhöht.
Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß der Änderungsantrag ,der SPD in Umdruck 417 Ziffer 1 der weitergehende ist.
Ich komme also zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 417 Ziffer i. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag auf Umdruck 417 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Nunmehr rufe ich den Antrag auf Umdruck 441 auf, nach dem der gleiche Tit. 302 nur um 2 400 000 auf insgesamt 15 000 000 DM erhöht werden soll. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bittte ich um ein Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe nunmehr Umdruck 417 Ziffer 2 auf; Inhalt:
— Das hat sachlich gar nichts miteinander zu tun. Umdruck 385 betrifft den außerordentlichen Haushalt.
Ich rufe also auf den Antrag Umdruck 417 Ziff. 2. Inhalt:
In Kap. 40 10 — —
— Lassen Sie mich doch erst einmal den Inhalt bekanntgeben! Ich weiß nicht, warum ist das Haus so nervös und so aufgeregt? Wir machen das doch viel besser in Ruhe.
Ich gebe also erst einmal den sachlichen Inhalt bekannt. Der Antrag, den ich eben aufgerufen habe, beinhaltet den Wunsch, daß in Kap. 40 10 Tit. 300 der Zweckbestimmungsvermerk folgende Fassung erhält:
Aus diesen Mitteln sind 25 Millionen DM für Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und zum Existenzaufbau sowie für Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat bestimmt.
So, Abgeordneter Arndgen zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Parteifreunde habe ich zu erklären, daß wir an dem Ausschußbeschluß festhalten, und zwar einmal deswegen, weil dieser Beschluß durch Koalitionsbesprechungen vorbereitet worden ist, und zum zweiten, weil der Herr Finanzminister heute morgen erklärt hat, daß er, falls die Mittel für die Zwecke dieses Titels nicht ausreichen, bereit sei, die weiteren notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir sind der Meinung, daß damit der Ausschußbeschluß dem Etat Genüge tut.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme nunmehr zur Abstimmung. Wer dem Antrag 417 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf Antrag Umdruck 385*). Wie ich höre, ist da namentliche Abstimmung beantragt. Es sei auch schon festgestellt, daß dieser Antrag nach der Geschäftsordnung genügend un-
*) Siehe Anlage 3.
terstützt ist. Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 385, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. A 40 10 wird der Ansatz für Tit. 530 — Darlehen zur Wohnraumbeschaffung und zum Existenzaufbau — auf 70 000 000 DM erhöht.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln.
Ich frage das Haus: Sind Damen und Herren da, die in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgestimmt haben? — Ich bitte Sie, sich zu beeilen.
Ich frage noch einmal: Sind noch Stimmkarten für die namentliche Abstimmung abzugeben? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekannt: Insgesamt haben 357 stimmberechtigte Abgeordnete ihre Abstimmungskarte abgegeben. Mit Ja haben 163, mit Nein 190 Abgeordnete gestimmt, enthalten haben sich 4. Berliner Abgeordnete: Abgegebene Stimmen 16, mit Ja haben 11, mit Nein haben 5 Mitglieder gestimmt. Damit ist der Antrag Umdruck 385 abgelehnt.
Ich kommen nunmehr zur Schlußabstimmung der zweiten Beratung über den Einzelplan 40. Wer den Antrag des Ausschusses Drucksache 1526 Ziffer 1 mit den eben beschlossenen Änderungen annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 2 des Ausschußantrags Drucksache 1526, die lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion des GB/BHE betr. Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes — Drucksache 1374 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Einzelplan 45, Finanzielle Hilfe für Berlin. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen daher sofort zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1527:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Entwurf des Einzelplans 45 unverändert nach ,der Vorlage anzunehmen.
Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Bevor wir zu Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, kommen, halte ich es für logisch und sachdienlich, das Inanspruchnahmegesetz, das ja bereits in zweiter Lesung beraten ist, nunmehr auch zur Abstimmung zu bringen, weil durch seine Annahme oder Ablehnung der Einzelplan 60 tangiert wird.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 5130.
Ich rufe also auf: Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1955, und zwar in der zweiten Lesung. Ich rufe auf zur Einzelberatung § 1 — § 2 ist bereits durch den Ausschuß gestrichen —, § 3,
§ 4. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Einzelberatung zu diesen Paragraphen. Wer den soeben aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Damit ist ,die zweite Beratung des aufgerufenen Gesetzes beendet.
Ich trete ein in die
dritte Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge zur idritten Beratung liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das aufgerufene Gesetz ist in ,der dritten Beratung mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe nunmehr auf Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung. Ich rufe auf Umdruck 409*), Antrag der Fraktion der SPD, welcher lautet:
In Kap. 60 04 wird in Tit. 311 — Leistungen des Bundes nach dem Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung — der Ansatz auf 250 000 000 DM erhöht.
Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist genügend unterstützt. Wir treten also in die namentliche Abstimmung ein. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich frage das Haus, ob es nicht vielleicht zweckmäßig wäre, bis wir die Auszählung hinter uns haben, die Punkte 4, 5, 6, 7 und 8 der heutigen Tagesordnung so weit zu erledigen, wie das noch möglich ist. Es handelt sich um die Beschlußfassung und Zustimmung des Hauses zu Verfügungen des Herrn Bundesfinanzministers, Bestellungen von Erbbaurechten und dergleichen mehr. Ist das Haus damit einverstanden? —
— Das ist der Fall.
Dann rufe ich zwischendurch auf Punkt 4 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers .der Finanzen betreffend nachträgliche Mitteilung an den Bundestag von der Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Artillerie-Arsenals und des ehem. Scheibenhofs in Kiel-Friedrichsort (Drucksachen 1439, 1322).
*) Siehe Anlage 5.
Verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
— Das ist der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1439 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung von Teilflächen der ehem. Lüttich-Kaserne in Göttingen, Geismarlandstraße 33, an die Gothaer Lebensversicherung a. G. und die Gothaer Allgemeine Versicherung AG (Drucksachen 1400, 1343).
Verzichtet auch hier das Haus auf Berichterstattung?
— Das ist der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1440. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig verabschiedet.
Sind noch Damen und Herren da, die in der namentlichen Abstimmung, die noch läuft, ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Ich rufe auf Punkt 6:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung der Halle 15 nebst einer Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamts in Wiesbaden-Kastel an die Firma Elster & Co. in Wiesbaden-Kastel (Drucksachen 1441, 1350).
Auch hier verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
— Das ist der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1441 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Heeresverpflegungsamtes Flensburg-Harrislee (Drucksachen 1442, 1225).
Auch hier verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
— Das ist der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1442. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Leweck-Kaserne in Oldenburg-Kreyenbrück an die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) (Drucksachen 1443, 1342).
Auch hier verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
— Das ist ,der Fall. Ich stelle das fest und komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1443. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit wären die Punkte 4 bis 8 der heutigen Tagesordnung zwischendurch noch abgewickelt.
Ich gebe bekannt, daß der Haushaltsausschuß heute um 17 Uhr tagen wird. Herr Abgeordneter Schoettle, in welchem Zimmer?
— In seinem üblichen Sitzungszimmer. Ebenfalls tagt heute nachmittag um 17 Uhr der Ausschuß für Sozialpolitik in Zimmer 206 Süd, wie mir gesagt wurde, in einer kurzen Sitzung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen der stimmberechtigten Abgeordneten 363, Ja 135, Nein 213, Enthaltungen 15; Berliner Abgeordnete insgesamt 1G, Ja 11, Nein 5. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 409 in namentlicher Abstimmung abgelehnt.
Ich mache darauf aufmerksam, daß eigentlich noch über den Änderungsantrag Umdruck 428 Ziffer 2 **) abzustimmen wäre. Wenn mich mein Gedächtnis nicht verläßt, haben wir das aber schon gestern bei dem Einzelplan 12 getan, und ich habe das Haus gestern schon darauf hingewiesen, so daß es materiell erledigt ist.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 440 der Fraktion der FDP, in Kap. A 60 03 die Ausgabe Tit. 890 zu streichen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nun zur Abstimmung über den Einzelplan 60 in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung mit der Maßgabe, daß ihn die gestrige Abstimmung verändert hat, im übrigen nach dem Antrag des Ausschusses Drucksache 1530 Ziffer 1. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 1530 Ziffer 2:
den Antrag der Fraktion der SPD betr. Bundesmittel für die Wiedergutmachung — Drucksache 915 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären.
Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Damit ist auch der
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 5130. **) Siehe Anlage 8 der 89. Sitzung.
Einzelplan 60 in ,der zweiten Beratung verabschiedet.
Ich rufe nunmehr auf in der zweiten Beratung den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 , Mündlicher Bericht Drucksache 1500, Schriftlicher Bericht z u Drucksache 1500 *) und als Unterlage Drucksache 1100. Der Bericht ist schon erstattet.
Ich trete in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf, in der Ausschußfassung, § 1, — § 2, — § 3 — und § 4. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich 'die Einzelberatung. Wer den soeben aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Umdruck 393**), Antrag des Abgeordneten Brese, hinter dem soeben angenommenen § 4 einen § 4 a einzuschieben, der lauten soll:
§4a
Bei der Bewirtschaftung der Personalmittel wird jede vierte freiwerdende Beamten- oder Angestelltenstelle nicht wieder besetzt. Über den weiteren Verbleib der Stellen ist im Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 zu entscheiden.
Wer diesem Antrag Brese auf Umdruck 393 zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen!
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe, damit wir das Geschäft abwickeln können.
Ich rufe nunmehr auf § 5, — § 6, — § 7, — § 8, —§ 9, — § 10, — § 11, — § 12, — § 12a,—§ 13, —§ 14 — und § 15. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Einzelberatung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen. Damit ist auch das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für, das Rechnungsjahr 1955 in zweiter Lesung verabschiedet.
Mir wurde gesagt — ich war nicht hier, weil ich nicht hier sein konnte —, daß eine interfraktionelle Vereinbarung bestünde, heute nicht mehr in die dritte Lesung des Haushalts einzutreten. Ist das richtig?
— Gut.
Da ich ,die anderen Punkte der heutigen Tagesordnung zwischendurch abgewickelt habe, sind wir am Ende. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen früh 9 Uhr und schließe die heutige Sitzung.