Protokoll:
18244

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 244

  • date_rangeDatum: 30. Juni 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:56 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/244 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 244. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. Juni 2017 Inhalt: Zur Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25105 B Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts Drucksachen 18/6665, 18/12989 Buchstabe a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25105 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 25106 A Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 25106 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25107 C Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25108 B Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25109 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 25110 A Erika Steinbach (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . 25110 D Dr . Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 25111 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25112 D Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25113 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25114 B Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 25115 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 25115 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25117 A Zusatztagesordnungspunkt 12: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Rechts- durchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) Drucksachen 18/12356, 18/13013 . . . . 25115 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- serung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerk- durchsetzungsgesetz – NetzDG) Drucksachen 18/12727, 18/13013 . . . . 25115 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Renate Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommentare, „Fake News“ und Missbrauch von „So- cial Bots“ Drucksachen 18/11856, 18/13013 . . . . . . . 25116 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 25116 A Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 25120 A Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU) . . . . 25121 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25122 B Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25123 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25124 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017II Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 25125 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25126 B Zusatztagesordnungspunkt 13: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfor- dernisse der Wissensgesellschaft (Ur- heberrechts-Wissensgesellschafts-Ge- setz – UrhWissG) Drucksachen 18/12329, 18/12378, 18/13014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25127 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Petra Sitte, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in Öffentlichen Bibliotheken si- cherstellen Drucksachen 18/5405, 18/13014 . . . . . . . . 25128 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 25128 A Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 25129 A Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25130 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25131 A Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25131 D Dr . Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25132 D Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 25134 A Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25134 C Zusatztagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzent- geltstruktur (Netzentgeltmodernisierungs- gesetz) Drucksachen 18/11528, 18/12999 . . . . . . . . . . 25136 A Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25136 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 25137 B Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25138 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25139 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 25141 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 25141 D Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25142 C Zusatztagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Teleme- diengesetzes Drucksachen 18/12202, 18/12496, 18/13010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25144 B Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25144 B Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 25145 B Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25146 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25146 D Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25147 D Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25148 C Tagesordnungspunkt 29: a) Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Dr . Anton Hofreiter, Oliver Krischer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Emissionsfreier Mobilität zum Durchbruch verhelfen – Mit sauberen Autos Wettbewerbsstärke, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft erhalten Drucksache 18/12948 . . . . . . . . . . . . . . . . 25149 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Matthias Gastel, Oliver Krischer, Dr . Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Die Bahnpolitik auf das richtige Gleis setzen Drucksachen 18/10383, 18/11219 . . . . . . . 25149 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infra- struktur zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Radverkehr konsequent fördern Drucksachen 18/11729, 18/12816 . . . . . . . 25149 D Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25150 A Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25151 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 25153 A Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25154 B Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . 25155 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 25158 A Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25158 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25159 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 III Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25160 C Dr . Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 25162 B Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 25163 A Tagesordnungspunkt 30: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Leitlinien der Bundesregierung – Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern Drucksache 18/12813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25164 C Sigmar Gabriel, Bundesminister AA . . . . . . . . 25164 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 25167 A Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25168 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25169 C Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25170 D Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25171 D Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des 5. Un- tersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25172 D Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 25172 D Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25174 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25176 B Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25178 B Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25179 D Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25181 A Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25182 A Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25184 A Tagesordnungspunkt 32: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Frak- tionen der CDU/CSU und SPD: Reform- bestrebungen weiter mit Leben füllen – Leistung, Transparenz, Fairness und Sauberkeit in den Mittelpunkt der künf- tigen Spitzensportförderung stellen Drucksachen 18/12362, 18/12683 . . . . . . . 25185 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Özcan Mutlu, Monika Lazar, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Konzept zur Spitzensportreform grundlegend überarbeiten – Beteili- gungsrechte für Athletinnen und Athle- ten verankern Drucksachen 18/10981, 18/12684 . . . . . . . 25185 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Özcan Mutlu, Monika Lazar, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für verbindliche politische Regeln im internationalen Sport – Menschenrech- te achten, Umwelt schützen, Korruption bekämpfen Drucksachen 18/3556, 18/12171 . . . . . . . . 25185 D Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25185 D Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 25187 A Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 25188 A Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25189 B Gudrun Zollner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25190 B Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 25191 B Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch den Bund auch nach 2019 ermöglichen Drucksachen 18/11169, 18/12901 . . . . . . . . . . 25192 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25192 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 25194 A Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25195 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25197 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25198 B Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25199 C Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25201 A Tagesordnungspunkt 28: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Engagementbericht – Demografi- scher Wandel und bürgerschaftliches En- gagement: Der Beitrag des Engagements zur lokalen Entwicklung – und Stellung- nahme der Bundesregierung Drucksache 18/11800 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25202 B Dr . Katarina Barley, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25202 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017IV Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 25203 B Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25204 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25205 D Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25206 D Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25208 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25209 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25211 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Brähmig und Arnold Vaatz (beide CDU/ CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts (Zusatztagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . 25211 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Hirte und Matern von Marschall (bei- de CDU/CSU) zu der namentlichen Abstim- mung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen glei- chen Geschlechts (Zusatztagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . 25212 A Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein- führung des Rechts auf Eheschließung für Per- sonen gleichen Geschlechts (Zusatztagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . 25213 A Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25213 A Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25213 A Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25214 B Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25215 A Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 25215 D Ute Bertram (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25216 A Dr . Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25216 B Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25216 C Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25217 A Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25217 D Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25218 C Dr . Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . 25219 B Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25219 D Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25220 B Hermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25220 C Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . . 25221 A Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25221 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25221 D Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25222 B Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25222 D Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25223 A Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25223 C Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 25224 A Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25224 D Uda Heller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25225 B Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25225 C Xaver Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25226 B Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 25226 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25226 D Ronja Kemmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25227 A Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25227 B Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25227 D Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25228 A Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers (CDU/CSU) . . . . 25228 C Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25229 B Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25229 D Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . . 25230 C Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25231 C Yvonne Magwas (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25232 A Dr . Thomas de Maizière (CDU/CSU) . . . . . . . 25232 C Gisela Manderla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25233 A Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25233 B Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25234 A Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25234 C Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25235 B Dr . Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25235 C Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25235 D Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25236 A Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25236 D Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25237 B Kerstin Radomski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25237 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 V Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25237 D Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 25238 B Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25238 C Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25238 D Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . 25239 A Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25240 A Johannes Steiniger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25240 D Thomas Stritzl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25241 B Dr . Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 25241 C Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25242 A Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25242 D Michael Vietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25243 C Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . . 25244 C Sven Volmering (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25244 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . . 25245 B HonD Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25245 C Dr . Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25246 B Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . . 25246 C Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25246 D Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . . 25247 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25247 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25248 D Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25249 B Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchset- zungsgesetz – NetzDG) (Zusatztagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . 25249 C Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25249 C Iris Eberl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25250 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach (fraktionslos) zu den Ab- stimmungen über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechts- durchsetzung in sozialen Netzwerken (Netz- werkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Renate Künast, Tabea Rößner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommentare, „Fake News“ und Missbrauch von „Social Bots“ (Zusatztagesordnungspunkt 12 a und b) . . . . . 25250 C Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker und Dr . Stefan Heck (beide CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung des Telemediengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . 25251 A Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Tankred Schipanski (CDU/CSU) zu der Ab- stimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . 25251 D Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25252 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25105 244. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. Juni 2017 Beginn: 8 .00 Uhr
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    Maik Beermann (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25211 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beyer, Peter CDU/CSU 30 .06 .2017 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 30 .06 .2017 Ernstberger, Petra SPD 30 .06 .2017 Färber, Hermann CDU/CSU 30 .06 .2017 Gunkel, Wolfgang SPD 30 .06 .2017 Kunert, Katrin DIE LINKE 30 .06 .2017 Mortler, Marlene CDU/CSU 30 .06 .2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 30 .06 .2017 Motschmann, Elisabeth CDU/CSU 30 .06 .2017 Post, Florian SPD 30 .06 .2017 Rode-Bosse, Petra SPD 30 .06 .2017 Veith, Oswin CDU/CSU 30 .06 .2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 30 .06 .2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Brähmig und Arnold Vaatz (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Ab- stimmung über den vom Bundesrat eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Zusatztagesordnungspunkt 11) Homosexualität ist ein Teil menschlicher Normalität und eine natürliche Gegebenheit, die Respekt verdient . Die sexuelle Orientierung eines Menschen bedarf keiner Bewertung und duldet keine Diskriminierung . Die da- raus erwachsenden Lebensformen haben ein Recht auf Akzeptanz, soweit sie nicht Grenzen überschreiten, die das Recht auf Schutz oder auf Selbstbestimmung anderer tangieren . Dies alles ist, soweit der Staat gefordert ist, mit der bis heute geltenden Rechtslage vollumfänglich gewährleistet . Indem der Deutsche Bundestag nun jedoch die „Ehe für alle“ einführt, stellt er nun auch begrifflich auf eine Ebene, was – bis auf Gleichheit im Adoptionsrecht – auch bisher schon rechtlich faktisch gleichgestellt ist . Damit stellt er auch Beziehungen zwischen Sexualpart- nern, die von vornherein darauf angelegt sind, sich der Weitergaben des Lebens für die nächste Generation zu entziehen, auch begrifflich auf eine Ebene mit Beziehun- gen, die genau dies leisten können und wollen . Wenn es sich bei Letzterem um einen grundsätzlich verzichtbaren Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft han- delte, wäre dies akzeptabel . Wir hielten es bis jetzt für selbstverständlich, dass gleichgeschlechtliche Paare, deren soziale Einbettung in den Generationenvertrag und deren Unterstützung oder Pflege bei irgendwann eintretender Hilfsbedürftig- keit – zum Beispiel im Alter – ausschließlich deshalb ge- währleistet werden kann, weil sich genügend Menschen gerade nicht für die von ihnen praktizierten Lebensent- würfe – und damit nicht gegen, sondern für die Zeugung und Erziehung neuen Lebens – entschieden haben, dieser Lebensleistung wenigstens die Anerkennung des solitä- ren Begriffes „Ehe“ gönnen . Die heutige Entscheidung verschafft gleichgeschlecht- lichen Partnerschaften keinen zusätzlichen Respekt . Sie entwertet die Beziehung zwischen Mann und Frau . Nachdem andere Beziehungen als die zwischen Mann und Frau auch „Ehe“ heißen dürfen, kann dem Ehebe- griff nicht mehr zwingend die Fähigkeit zugeordnet wer- den, Keimzelle neuen Lebens zu sein . Darauf angelegten Beziehungen wird vielmehr jeder Alleinstellungsbegriff entzogen . Das Bestreben, Leben zu zeugen und weiter- zugeben, wird seiner besonderen Würde beraubt, seine einzigartige Funktion wird negiert . Wir erleben die par- lamentarische Abbildung des diskriminierenden und herabwürdigenden Tons, in dem in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten die traditionelle Beziehung zwischen Mann und Frau medial und politisch behan- delt wird und der sich in Begriffen wie „Herdprämie“, „Heimchen am Herd“ „die drei ‚K‘ für die Frau“ wider- spiegelt . Solche Worte sind Anschläge auf Lebensleis- tungen, mit denen Generationen von Frauen, denen wir die Existenz unseres Lebens verdanken, posthum als hilf- lose Opfer einer patriarchalischen Ordnung bevormundet werden, von denen ausgeschlossen werden könne, dass sie mit ihrer Lebenslage zufrieden gewesen sein könnten . Wir schämen uns fremd für den Umgang dieser Gesell- schaft mit den Lebensauffassungen unserer Vorfahren, die sich nicht mehr verteidigen können und zu deren Mit- menschen auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes zählten . Mit der heutigen Entscheidung wird nicht die Ehe für alle eingeführt, sondern die Ehe für Mann und Frau ab- geschafft . Wir lehnen diese Maßnahme ab, weil wir nie- mals Nein sagen werden zu der Kraft zum Ja für Kinder, die unsere Vorfahren hatten und denen wir unser Leben verdanken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725212 (A) (C) (B) (D) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Hirte und Matern von Marschall (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Zusatztagesordnungspunkt 11) Den Gesetzentwurf zur Änderung des §1353 BGB lehne ich ab . Eines der Grundprobleme dieser Debatte ist, dass nun innerhalb von Stunden und wenigen Tagen verzweifelte Wahlkämpfer einiger Parteien versuchen, politisch Land zu gewinnen. Ich zumindest zweifle daran, dass es den Initiatoren dieses jetzigen Gesetzgebungsverfahrens ernsthaft darum geht, einen Rechtsstatus zu verändern . Es geht darum, mit möglichst großem Pomp diejenigen vorzuführen, die eine andere Haltung zu einem Thema haben . Das allein halte ich innerhalb einer Koalition für scheinheilig. Ich finde aber vor allem, dass dieses Proze- dere dem eigentlichen Anliegen nicht gerecht wird, das Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit verdient hat . Eingetragene Partnerschaften sind in nahezu allen Bereichen der Ehe rechtlich gleichgestellt . Unterschiede bestehen derzeit noch beim Personenstands- und beim Adop tionsrecht . Aber selbst dies ist bei näherer Betrach- tung eine Scheindebatte: Wer Schwierigkeiten hat, seine Partnerschaft Partnerschaft zu nennen, wird auch Schwie- rigkeiten haben, offen zu seinem gleichgeschlechtlichen Partner zu stehen . Auch die bereits bestehende Sukzes- sivadoption bietet bereits umfangreiche Möglichkeiten . Dennoch: Eine völlige Gleichstellung auch in dieser Fra- ge halte ich für diskutabel . Wenn man nun also Gleichbehandlung möchte und „Diskriminierungen“ beseitigen möchte, müsste man sich schlicht auf diese Punkte konzentrieren . Doch genau dies wird durch die Schrillheit des jetzigen Verfahrens verhindert, das im Grunde ein brutaler Vertrauensbruch durch die SPD im Rahmen des bestehenden Koalitions- vertrages ist . Das alles hat jedoch nichts zu tun mit ei- ner „Ehe für alle“ . Rechtliche Fragen und die kulturelle, soziale, historische und religiöse Prägung eines Begriffs sind zwei völlig verschiedene Dinge . Genau deshalb ist die Ehe etwas anderes als eine Partnerschaft . Ehe ist die ideale Voraussetzung für das Entstehen ei- ner Familie mit Kindern und deshalb eben etwas Einzig- artiges und damit besonders Schutzwürdiges . Die Gesell- schaft heute ist gewiss eine andere, als sie es zu Zeiten der Entstehung des Grundgesetzes war . Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass der besondere Schutz von Ehe und Familie, wie es 1949 formuliert wurde, auch noch 2017 seine Gültigkeit nicht verloren hat . Ehe und Familie haben nicht allein deshalb einen besonderen Ver- fassungsrang erhalten, weil zwei Menschen zueinander Ja sagen, sondern weil es die damals noch viel selbstver- ständlichere Voraussetzung für die Erziehung von Kin- dern war . Heute mögen Ehe und Kinder nicht mehr so unmittelbar zusammenhängen . Die Ehe genießt aber nach unserer Verfassung auch unabhängig von Kindern deren Schutz . Die Ehe war und ist eine kulturelle Institution, nach meinem Verständnis von Wortsinn und Tradition her genau und ausschließlich die bei uns praktizierte, religiös-kulturell-sozial definier- te dauerhafte Verbindung von Mann und Frau . Alle ande- ren Partnerschaftsmodelle sind damit nicht Ehe . Und genau dieses Verständnis und diese Prägung wird nicht einfach per Parlamentsbeschluss ausgehebelt . Das sollten wir Parlamentarier uns auch nicht anmaßen . Mein Eindruck ist, dass es auch denjenigen, die nun nicht laut genug nach „Gleichstellung“ rufen, im Kern gar nicht um diesen kulturellen Ehebegriff geht, sondern um An- erkennung für „Familienmodelle“ . Dies ist mehr als eine semantische Spielerei . Denn Ehe ist mehr als die Über- nahme von Verantwortung füreinander oder ein weiterer Schritt eines Liebesbeweises . Die Ehe zwischen Mann und Frau ist – so zumindest bisher auch das Verfassungs- gericht – das Rechtsinstitut, das im Wesentlichen die Grundlage für das Heranwachsen von Kindern ist . Das heißt nicht, dass Kinder nicht auch in gleichgeschlechtli- chen Partnerschaften leben und liebevoll umsorgt werden können . Aber jede gleichgeschlechtliche Partnerschaft braucht für den Kinderwunsch eben einen „Dritten“ . In- sofern kann eben auch Familie entstehen; aber es bleibt doch etwas anderes als die Ehe . Genau deshalb stellt sich schon die Frage, wer eigent- lich „alle“ ist . In anderen Kulturkreisen ist die Ehe nicht auf nur eine Frau des Mannes beschränkt . Würde unser „Respekt vor anderen Kulturen“ irgendwann verlangen, dass auch dies Ehe sein und in Deutschland eingeführt werden kann? Wer dies mit Verweis auf eine eigene kul- turelle Tradition verneint, muss doch auch die bisherige jahrtausendealte Tradition der Ehe zwischen Mann und Frau als einzigartig anerkennen . Anders formuliert: Fa- milienmodelle sind gewiss vielfältiger, als sie es vor 30, 40 oder 50 Jahren waren . Aber die Ehe bleibt aus meiner Sicht etwas Einzigartiges, das genau deshalb auch unter dem besonderen Schutz des Staates steht . Wer dies öff- nen will, müsste zumindest auch über Konsequenzen für unsere Verfassungsartikel nachdenken . Diese gesamte Komplexität kann natürlich nicht in einem Wahlkampf- manöver von wenigen Tagen abgebildet werden . Was mich massiv irritiert, ist die Schärfe der Angriffe gegen diejenigen, die eine Debatte über die rechtlichen Bewertungen nicht in einer Showveranstaltung von Rot- Rot-Grün abhandeln wollen . Die Ernsthaftigkeit des Suchens nach weiterer Gleichstellung wird denen abge- sprochen, die andere Argumente vortragen . Genau das ist eine unmittelbare Konsequenz dieses jetzigen Verfah- rens . Auch in aufgeregten Zeiten muss Raum für Diffe- renzierung bleiben . Und Ehe ist und bleibt etwas anderes als eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft . Politiker, die meinen, per Dekret eine kulturelle Prägung „abschaf- fen“ zu können, sind für mich nicht Vertreter einer Mo- dernitätsidee, sondern sie zeigen, dass sie nicht fähig und willens sind, unsere gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen zu verstehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25213 (A) (C) (B) (D) Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Zusatztagesord- nungspunkt 11) Peter Altmaier (CDU/CSU): Über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird seit Jahren ge- sellschaftlich debattiert, kontrovers und mit beachtlichen Argumenten . Ich möchte, dass diese Debatte nun zu ei- nem versöhnlichen Abschluss kommt . Ich stimme dem Gesetzentwurf zu, weil ich überzeugt bin, dass das so wichtige Institut der Ehe dadurch ge- stärkt und unser gesellschaftlicher Zusammenhalt gefes- tigt wird . Maik Beermann (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf werde ich zustimmen und möchte nachfolgend meine Position zur Sache wie folgt erklären: Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind wir mit einem freien Mandat ausgestattet und unserem Gewissen verpflichtet. Die heutige Abstimmung ist aus meiner demokratischen Sicht eben auch eine besondere Gewissensentscheidung . Die Verfahrensweise bei diesem emotionalen The- ma, für die sich unser Koalitionspartner gemeinsam mit Linken und Grünen entschieden hat, ist aus meiner Sicht sehr unglücklich und der Sache sowie der Debatte un- würdig . Innerhalb weniger Stunden eine Gesetzesände- rung durchzuboxen, ist nicht das Vorgehen, welches ich mir gewünscht hätte . Unser Koalitionspartner, mit dem wir in den vergangenen 3,5 Jahren weitestgehend erfolg- reich zusammengearbeitet und das Land regiert haben, versucht nun, mit diesem Thema Wahlkampf zu betrei- ben, aber vor allem, diese erfolgreiche Arbeit mit einem Vertrauensbruch zu beenden . Rot-Rot-Grün hat in dieser Debatte gezeigt, dass sie ihre verborgene Mehrheit aus- spielen . Dieses Vorgehen ist weder des Themas noch des Deut- schen Bundestages würdig . Die Betroffenheit Einzelner wurde hier zum Spielball im parteipolitischen Kalkül . Anstatt sich die notwendige Zeit zu nehmen, um alle Punkte der Gesetzesänderung zur Genüge zu erörtern, sollen kurz vor der Bundestagswahl auf dem Rücken der Gesellschaft noch schnell Fakten geschaffen werden . Ich hätte mir hier einen breiten Dialog gewünscht . Es ist gut, zu wissen, dass Rot-Rot-Grün in der Lage ist, Gesetze im Eilverfahren beschließen zu wollen . Vielleicht zeigen Sie diese Fähigkeit in Zukunft auch im Angesicht globaler Herausforderungen, anstatt wichtige Gesetze unnötig zu verzögern . Für mich zeigt dieses Vorgehen unseres Koalitions- partners aber auch, dass Rot-Rot-Grün im Bund nach der Bundestagswahl Realität werden kann – auch entgegen den Lippenbekenntnissen mancher Sozialdemokraten . Dieses gilt es aus meiner Sicht zu verhindern . Nach der heutigen Abstimmung gilt es aber auch, sich schnell den großen Herausforderungen der Digitalisie- rung, der Gestaltung der Rente, den Sorgen für die Si- cherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger und der Stärkung unserer Familien zu widmen . Zudem müssen wir dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft so stabil bleibt, damit der Wohlstand in unserem Land weiter gesichert ist . Nun aber zu der Gewissensentscheidung über das Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts . Ich bin mir der vielen Konflikte des Für und Wider im Bereich des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts durchaus bewusst . Die heutige Gewissensentscheidung, in der ich ganz persönlich mit Ja stimmen werde, birgt die Möglichkeit, eine moderne und ebenso an unseren christlichen Werten orientierte Politik mitzugestalten . Dass zwei Menschen in der Ehe verbindlich füreinander einstehen, ist ein Grundwert meiner Union . Solche Werte bieten Orientierung . Ein Le- ben lang – in guten wie in schlechten Zeiten – finanziell und fürsorglich füreinander einstehen: Dies sind genau die bürgerlichen Werte von Verlässlichkeit, von Freiheit, Verantwortung und von Zusammenhalt, wegen derer ich einmal in die CDU eingetreten bin . Diese Werte haben bei meiner Gewissensentscheidung ebenfalls eine Rolle gespielt . Diese müssen wir wieder offensiver vertreten . Zu diesen Werten gehört für mich neben dem Schutz von Ehe und Familie auch die Gleichberechtigung von ande- ren Formen des Zusammenlebens . Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht das erste Land, welches sich für die Öffnung der Ehe ausspricht . Ein Blick in die Rechtsordnungen unserer internationa- len Partner zeigt, dass Belgien, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Finnland, Kanada, Südafrika, Spanien, Nor- wegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Argenti- nien, Brasilien, Uruguay, Neuseeland sowie Schottland, England und Wales, 41 Bundesstaaten der USA und der District of Columbia sowie die Hauptstadt Mexikos die Zivilehe für Personen gleichen Geschlechts bereits ein- geführt haben . Darüber hinaus werden gleichgeschlecht- liche Ehen in Israel anerkannt . In meinem Abwägungsprozess zu dieser heutigen Entscheidung ist mir deutlich geworden, dass ich mich glücklich schätzen kann, mit meiner Frau Sonja eine Frau und Partnerin fürs Leben gefunden zu haben . Die- se Beziehung wird inhaltlich, rechtlich und emotional in keiner Art und Weise infrage gestellt; uns wird durch die Anerkennung der Ehe Gleichgeschlechtlicher auch nichts weggenommen . Anders sieht es bei gleichgeschlechtlichen Partnern aus, die derzeit zwar „eingetragene Lebenspartnerschaf- ten“ eingehen dürfen, aber nicht dieselben Rechte genie- ßen wie meine Frau und ich und damit häufig ein Ge- fühl der Diskriminierung empfinden. Als Familienvater möchte ich, dass meine Töchter in einem Land aufwach- sen, in dem sie dieselben Rechte und Pflichten genießen wie jeder und jede andere, egal ob sie irgendwann Män- ner oder Frauen lieben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725214 (A) (C) (B) (D) Das Grundgesetz garantiert diese Gleichberechtigung schon seit 1949 in Artikel 3, indem es allen Menschen die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert . In vielen Debatten der vergangenen Tage wurde immer wieder auf Artikel 6 des Grundgesetzes verwiesen und den daraus resultieren- den Schutz der Ehe . Richtig ist aus meiner Sicht in die- sem Zusammenhang, dass das Grundgesetz die Ehe als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft unabhängig von der Familie versteht . Als Familienvater und Famili- enpolitiker wünsche ich mir für kommende Debatten und Entscheidungen, dass wir die Familie als Anker für Zu- sammenhalt und bereichernde Gemeinschaft für die Zu- kunftsfähigkeit unseres Landes wieder viel stärker in den Fokus rücken . Familie ist für mich da, wo auch Kinder sind . Hier können wir mit unserem Werteverständnis und unserer politischen Verantwortung deutlich machen, wo wir Förderschwerpunkte setzen . Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter . Diesem stimme ich uneingeschränkt zu . Ist es aber richtig oder wissenschaftlich belegbar, dass zwei Mütter oder zwei Väter grundsätzlich schlechtere Eltern sind als Vater und Mutter? Ich kenne keine wissenschaftlich begleitete Studie, die darüber eine verlässliche Aussage trifft . Dass auch ich mich beim Adoptionsrecht für gleichgeschlecht- liche Paare etwas schwertue, will ich nicht verhehlen . Aufgrund der Einzelfallprüfung des Jugendamtes bin ich mir jedoch sicher, dass das Wohl des Kindes immer an erster Stelle steht . Als Christdemokrat bin ich überzeugt: Dort, wo wir eine Familie haben, dort, wo Kinder erzogen werden, wird für die Zukunft unseres Landes gesorgt, egal welche sexuelle Orientierung die Eltern haben . Deshalb freue ich mich, dass wir heute diese Entscheidung treffen und nicht Gerichte uns den Weg vorgeben . Abschließend ist mir jedoch eines sehr wichtig: Ich persönlich habe großen Respekt jenen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die bei der heutigen Abstimmung gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stimmen . Das gilt ebenso für jene, die eine andere Meinung vertreten als ich, und diese sollten nicht gleich als „homophob“ oder „ewig gestrig“ beschimpft werden; hier gilt es verbal ab- zurüsten . Ebenso erwarte ich aber auch, dass man mir den selben Respekt für meine Gewissensentscheidung entgegenbringt . Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich werde gegen das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts – der Ehe für alle (EfA) – stimmen . Erstens ging es im Koalitionsvertrag lediglich um „die Beseitigung rechtlicher Regelungen, die gleichge- schlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen“ . Insofern wäre nur eine einfachgesetzliche Regelung zur Volladoption durch Lebenspartnerschaften vom Koa- litionsvertrag gedeckt gewesen, denn in allen anderen Rechtsbereichen sind Lebenspartner Ehepartnern recht- lich gleichgestellt . Insofern stellt schon das Einbringen des Gesetzes durch die SPD mithilfe der Stimmen der Opposition einen eindeutigen Koalitionsbruch dar, der meines Erachtens nach ein Ende der schwarz-roten Re- gierung und einen zum bisherigen Termin 24 . September 2017 möglicherweise vorgezogenen Wahltermin zur Fol- ge haben müsste . Im Übrigen beweist hier die SPD das, was sie seit den verlorenen Landtagswahlen immer zu verschweigen ver- suchte: Es gibt eine gewollte Zusammenarbeit mit den Kommunisten, also Rot-Rot-Grün, nicht nur als Mehr- heitsbeschaffer . Zweitens kann ich nicht erkennen, wieso die Struk- turprinzipien des Instituts der Ehe, einer auf Dauer ange- legten Lebensgemeinschaft zwischen den verschiedenen Geschlechtern von Mann und Frau, die im Grundgesetz festgeschrieben, in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fortgeschrieben und erst jüngst in einem Urteil des Europäischen Menschen- rechtsgerichtshofes (EMRG, 09 .06 .2016) bestätigt wur- den, in der Gesetzesbegründung von Rot-Rot-Grün als „überkommene Lebensform“ bezeichnet werden . Auch kann ich keinen „grundlegenden Wandel des traditionel- len Eheverständnisses “ und einen „Bedeutungswandel in der Gesamtentwicklung“ entdecken . Denn schließ- lich werden jährlich über 400 000 Ehen zwischen Mann und Frau geschlossen (Tendenz steigend) aber ledig- lich 7 500 Lebenspartnerschaften zwischen Gleichge- schlechtlichen – wobei es das Lebenspartnerschaftsge- setz als eigenes Rechtsinstitut immerhin schon seit 2001 gibt . Mit der Lebenswirklichkeit der allermeisten hat EfA also nichts zu tun . Drittens ist in diesem Lebenspartnerschaftsgesetz der Schutz einer vertrauens-, verantwortungs- und liebevol- len Verbindung gleichgeschlechtlicher Partner vorbild- haft geregelt . Eine Diskriminierung vor dem Gesetz gibt es nicht mehr . Die eingetragene Lebenspartnerschaft für Gleichgeschlechtliche ist daher ein voll- und gleichwer- tiges Rechtsinstitut neben der Ehe für Mann und Frau . Das entspricht auch dem Rechtsgrundsatz, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln – Ehe für Verschiedengeschlechtliche und Lebenspartnerschaft für Gleichgeschlechtliche . Viertens, Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz des Grundgesetzes . Artikel 6 umfasst nach stän- diger Auslegung des Bundesverfassungsgerichts die Ehe zwischen Mann und Frau . Die Rechtsauffassung kann nicht durch ein einfaches Gesetz außer Kraft gesetzt werden, sondern bedarf einer Grundgesetzänderung . Die vorgelegte Gesetzesänderung zur EfA verletzt daher das Ehegrundrecht . Es ist mehr als unseriös, einen so weitrei- chenden Beschluss auf einer so unsicheren Verfassungs- grundlage in einer derartigen Eile ohne einen vorherigen gesellschaftlichen Dialog zu treffen . Das bestätigen mir auch die Schreiber von über 1 000 Mails, die seit Mitt- wochnachmittag bei mir eingetroffen sind . Das merkwürdige Zusammenspiel von möglichen strategischen Überlegungen der Kanzlerin und kurz- zeitigen Bodengewinnen und Triumphgeheul der SPD werden der Bedeutung der Sache, nämlich einem we- sentlichen Teil der Verfasstheit unseres Landes – Grund- gesetz genannt –, nicht gerecht und werden uns allen noch ziemlich auf die Füße fallen . Gleichmacherei und Gerechtigkeit sind zwei verschiedene Paar Schuhe . Die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25215 (A) (C) (B) (D) Menschen haben das Gefühl, dass Beliebigkeit und grenzenlose Toleranz offenbar den letzten verbindlichen Wert darstellten . Diese Toleranz wird mit einer solchen Vehemenz und Inttoleranz eingefordert, dass es den Ver- fechtern traditioneller Wertvorstellungen nur noch angst werden kann . Auch das wird aus den vielen, vielen Zu- schriften und meinen Gesprächen mit den Bürgern deut- lich . Weniger die wirtschaftlichen Verhältnisse bereiten den Menschen Zukunftsängste, sondern die gesellschaft- liche Verfasstheit und die Auflösung von Strukturen, die bisher Halt und Identität gaben . Die Kanzlerin muss sich vorwerfen lassen, das Tor dazu wieder ein Stück mehr aufgestoßen zu haben . EfA ist, wie Jürgen Habermas sagt, „das endgültige Moment der Fundamental-Liberali- sierung der Union“, was konservative Politiker wie mich besonders schmerzt . Sybille Benning (CDU/CSU): Ich bin dankbar, dass die Entscheidung ausdrücklich als Gewissensentschei- dung anerkannt ist, und ich möchte meinen Respekt denjenigen zuteilwerden lassen, die anders entscheiden als ich . Gleichzeitig bitte ich um denselben Respekt für meine Entscheidung . Mich haben dazu viele Bürgerbrie- fe aus Münster und aus ganz Deutschland erreicht, mit sehr unterschiedlichen und weit auseinandergehenden Ansichten und Argumenten . Sie alle habe ich wahrge- nommen . Mein Abstimmungsverhalten möchte ich Ihnen wie folgt erklären: Für mich als Katholikin ist die christliche Ehe ein Sak- rament, das Frau und Mann miteinander verbindet . Daran habe ich auch nach dieser Entscheidung keinen Zweifel . Die Frage ist jedoch, ob ich dieses katholische Ver- ständnis von Ehe gesetzlich für alle vorschreiben kann . Kann der Gesetzgeber von Menschen verlangen, sich al- lein nach dem katholischen Verständnis von Ehe gesetz- lich trauen zu lassen? Davon bin ich nicht überzeugt . Be- reits mit dem Scheidungsrecht hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit anders entschieden – nämlich unabhängig von der religiösen Maxime . Unser Eherecht stellt die auf Dauer eingegangene Verbindung zweier Menschen und ihre gegenseitige Ver- antwortung füreinander in den Mittelpunkt . Auch wenn nach herkömmlichem Verständnis dies eine Verbindung zwischen Mann und Frau ist, lässt sich dieser Grundge- danke dauerhafter Verantwortung füreinander auch auf gleichgeschlechtliche Paare anwenden . Wenn Menschen sich dazu entscheiden, eine auf Dauer angelegte Partner- schaft einzugehen und Verantwortung füreinander zu tra- gen, dann ist das für mich ein zutiefst konservativer Wert, den es meiner Überzeugung nach zu fördern gilt . Diese Werte bieten Orientierung und geben Halt . Ehen, Famili- en und Lebenspartnerschaften sind aus meiner Sicht tra- gende Säulen unserer Gesellschaft . Die Rechte und Pflichten für eingetragene Lebenspart- nerschaften wurden in den vergangenen 15 Jahren kon- tinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angegli- chen, sodass sich Ehe und Lebenspartnerschaft in der gesetzlichen Ausgestaltung praktisch nicht mehr unter- scheiden . Das Zustandekommen der rechtlichen Bin- dung, der gemeinsame Name, die gegenseitigen Rechte und Pflichten, die gemeinsame Wohnung, das Erbrecht, der Unterhalt, Getrenntleben und Auflösung – in all die- sen Fragen sind die rechtlichen Regelungen von Ehe und Lebenspartnerschaft aneinander bereits angeglichen . Nur das Recht auf eine gemeinsame Adoption durch Perso- nen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft le- ben, ist nicht gegeben . Da über Adoptionen das Vormundschaftsgericht in je- dem Einzelfall nach Maßgabe des Kindeswohls entschei- det, habe ich keine Bedenken, auch gleichgeschlechtli- chen Paaren die Adoption von Kindern aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des Vormundschaftsge- richts zu gestatten . Auch heute schon leben Kinder und Jugendliche mit Eltern, die eine eingetragene Lebenspart- nerschaft eingegangen sind, als Familie zusammen . Wenn also in der materiellen Ausgestaltung der bis- herigen eingetragenen Lebenspartnerschaft keinerlei Un- terschied zur zivilen (!) Ehe mehr besteht, gibt es keinen Grund, diese Beziehung anders zu nennen – auch wenn das für manche zunächst ungewöhnlich klingt . Der be- sondere Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes bleibt davon unberührt . Ehen von Mann und Frau sind von dieser Erweiterung in keiner Weise betroffen . Prämisse meiner Politik war und ist das Gespräch, die Diskussion mit unseren Mitmenschen . Gesetze ent- stehen aus den Bedürfnissen der Gesellschaft heraus und nehmen diese zukunftsorientiert und verantwortungsvoll auf . In Fällen, in denen es unterschiedliche Überzeugun- gen gibt, kann nur im Dialog Akzeptanz entstehen . Ich bin dazu bereit, auch diesen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern in Münster fortzuführen . Nichtsdestotrotz möchte ich auch an dieser Stelle ver- deutlichen, dass ich der Vorgehensweise unseres Koaliti- onspartners in dieser Thematik vehement widerspreche . Die Behandlung dieses Themas entspricht nicht dem von der CDU, CSU und SPD unterzeichneten Koalitionsver- trag . Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Die eingetra- gene Partnerschaft Homosexueller ist der Ehe inzwischen in fast allen Punkten gleichgestellt, sogar im Steuerrecht . Deshalb sehe ich das Erfordernis für eine weitergehen- de Gesetzgebung nicht . – Die Möglichkeit, füreinander Verantwortung zu übernehmen, ist bereits jetzt gewähr- leistet . Neben der Grenze, die die Natur bei der Zeugung ge- meinsamer leiblicher Kinder setzt, unterscheiden sich beide Institutionen lediglich durch die Bezeichnung „Ehe“ und das Adoptionsrecht . Solange jedes Kind (biologisch) einen Vater und eine Mutter hat, verdient die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können, einen ei- genen Status . Ich weiß, dass die Adoption nicht für alle, aber für eine Gruppe der Homosexuellen als sehr wichtig empfunden wird und habe bereits öfter die Gelegenheit gehabt, mit Betroffenen zu diskutieren . Die mir dabei engagiert vorgetragene Argumentation nehme ich sehr wohl ernst, mache sie mir aber nicht zu eigen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725216 (A) (C) (B) (D) Ich bin der Auffassung, dass wir eine Entscheidung, die strikt nach dem Kindeswohl ausgerichtet wird, nicht zu einer Frage der Gleichberechtigung von Homosexu- ellen oder gar einer Frage der Selbstverwirklichung ma- chen sollten . Das ist keine Frage von Diskriminierung, sondern von Differenzierung . Ich werde den vorgelegten Antrag daher ablehnen . Ute Bertram (CDU/CSU): Zur aktuellen Diskussion und bevorstehenden Abstimmung zur sogenannten „Ho- mo-Ehe“ erkläre ich: Die Ehe ist für mich die Verbindung von Mann und Frau und zugleich auf eine Familiengründung hin ange- legt . Sie ist damit die Keimzelle einer jeden menschli- chen Gemeinschaft . Dies ist für mich eine unverrückbare Tatsache, an der auch der Zeitgeist nicht rütteln kann . Damit schließe ich nicht aus, dass Menschen auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungsformen füreinander einstehen können . Die eingetragene Lebenspartnerschaft gewährt in rechtlicher Hinsicht, speziell auch im Steu- errecht sowie im Unterhalts- und Erbrecht, weitgehend die gleichen Rechte wie die Ehe . Deshalb kann ich auch darin keine Diskriminierung erkennen . Mich besorgen aber Aussagen aus der SPD, wo- nach im Adoptionsrecht sichergestellt werden soll, dass gleichgeschlechtliche Paare bei der „Vergabe“ anteilmä- ßig berücksichtigt werden sollen . Ich warne die SPD: Eine Adoption hat ausschließlich dem Wohl des Kindes zu dienen . Ein „Recht auf ein Kind“ kann und darf es nicht geben . Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung, eine gleich- geschlechtliche Partnerschaft kann keine Ehe sein . Dr. Helge Braun (CDU/CSU): Ich befürworte, dass die Partnerschaft von zwei Menschen gleichen Ge- schlechts der Ehe von Mann und Frau rechtlich gleich- gestellt wird . Jede Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung hat in einem modernen Rechtsstaat und ei- ner offenen Gesellschaft keinen Platz . Es ist aber falsch, der Ehe, die als christliches Sakrament und in unserem Grundrecht sowie sprachlich bis heute eindeutig als Ver- bindung zwischen Mann und Frau definiert ist, gesetzlich eine andere Bedeutung geben zu wollen . Weil auch ich die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ nicht als geglücktes Konstrukt für eine verbindliche, lebenslange und auf Liebe basierende Verbindung zwi- schen zwei Menschen empfinde, wäre es nach meiner Auffassung vorzugswürdig, ein Institut zu definieren, welches die Unterschiedlichkeit und die Gleichwertig- keit gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gegenüber der Ehe angemessen zum Ausdruck gebracht hätte . Die politische Instrumentalisierung und die kurzfris- tige Erzwingung der Entscheidung über dieses Thema durch SPD, Grüne und Linke im Bundestag ist der gesell- schaftlichen Bedeutung des Themas völlig unangemes- sen . Deshalb stimme ich heute mit „Nein“, in der Hoff- nung, damit eine erneute, angemessene parlamentarische Befassung und eine bessere Lösung zu ermöglichen . Gitta Connemann (CDU/CSU): Vor Jahren hätte ich die Öffnung der Ehe noch abgelehnt . Denn ich bin aufgewachsen mit dem Bild der Ehe zwischen Frau und Mann . Aber heute ist für mich klar: Wenn Menschen sich lieben und beständig füreinander Verantwortung über- nehmen, wenn sie einander Stabilität und Halt geben, verdienen sie Wertschätzung . Sie sollten gleiche Rechte haben – unabhängig vom Geschlecht . Dies ist für mich eine christliche und wertkonservative Entscheidung . Dieses Umdenken hat in einem längeren Prozess statt- gefunden . Ich habe deshalb auch größten Respekt vor den Abgeordneten, Bürgerinnen und Bürgern, die zu ei- ner anderen Entscheidung kommen . Es gibt nach wie vor intensiven Gesprächsbedarf . Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob mit der Entscheidung eine Grundgesetzän- derung verbunden ist . Dieser Bedarf wird mit der jetzt er- zwungenen Abstimmung im Galoppverfahren überrannt . Gleichgeschlechtlichen Paaren stand bisher das In- stitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Verfü- gung. Dessen Rechte und Pflichten wurden in den ver- gangenen 15 Jahren kontinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angeglichen . Auch in dieser Legislaturperiode haben wir als Ge- setzgeber diesen Weg weiter beschritten . So wurde die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspartner gesetz- lich geregelt . Der Bundestag hat das Gesetz zur Berei- nigung des Rechts der Lebenspartner verabschiedet, mit dem Unterschiede in der Behandlung von Ehe und Le- benspartnerschaft in zahlreichen Einzelgesetzen beseitigt wurden . Ich selbst habe mich für die Anwendung des steuerlichen Splittings bei eingetragenen Lebenspartner- schaften eingesetzt . Lange Zeit habe ich bei gleicher rechtlicher Behand- lung, die ich für notwendig halte, für eine unterschiedli- che Benennung gestritten . Dies habe ich auch deswegen getan, weil viele Menschen in meinem Umfeld den Weg zu einer völligen Gleichsetzung nicht nachvollziehen können . Diesen hätte ich gerne mehr Zeit dafür gegeben . In zahlreichen Gesprächen mit gleichgeschlechtlichen Paaren habe ich aber auch festgestellt, welchen hohen Stellenwert der Begriff „Ehe“ auch für diese hat . Das Sakrament der Ehe spenden die Kirchen . Diese können selbst entscheiden, an wen sie es vergeben . Und das ist richtig so . Die Ehe im staatlichen Sinne ist dem- gegenüber ein Verwaltungsakt . Ich kann heute keinen Grund mehr sehen, diese gleichgeschlechtlichen Paaren zu verwehren . Dies gilt auch nicht mehr im Hinblick auf das Recht auf Adoption, mit dem ich lange Zeit größte Schwierig- keiten hatte . Um nicht missverstanden zu werden: Ich glaube nicht, dass gleichgeschlechtliche Paare keine gu- ten Eltern sein können . Die Frage, ob Eltern Problem- eltern sind, ist keine Frage der sexuellen Orientierung . Die persönlichen Anforderungen an potenzielle Adoptiv- eltern und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ad- option sind streng geregelt . Gleichgeschlechtliche Paare können bereits Betreuer von Pflegekindern werden und erfüllen diese Aufgabe überzeugend . Meine Sorge gilt vielmehr dem Kind . Unbestritten gibt es weiterhin sehr heftige Debatten über gleichgeschlechtliche Elternpaare . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25217 (A) (C) (B) (D) Ich möchte nicht, dass diese emotionalen Debatten auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden . Deshalb hätte ich mir für die Abgeordneten, die Bür- gerinnen und Bürger, denen gegenüber ich diese Position seit geraumer Zeit vertrete, mehr Zeit für ausgiebige Ge- spräche gewünscht . Eine offene Diskussion im Respekt vor den unterschiedlichen Meinungen wäre aus meiner Sicht wichtig gewesen, um einen breiten gesellschaftli- chen Konsens herbeizuführen . Diesem Kurs hatte auch die SPD bis vor einigen Ta- gen zugestimmt . Denn wir hatten uns als Koalitionspart- ner darauf verständigt, die Diskussion nicht mehr in die- ser Legislaturperiode abzuschließen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Diskussion in der Gesellschaft noch nicht am Ende ist . Diese Chance wird heute durch eine Abstimmung im Hauruckverfahren vergeben . Ich gehöre zu denen, die die Debatte für sich selber abschließen konnten . Deshalb werde ich im Falle einer Abstimmung für die Öffnung der Ehe stimmen . Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Ich werde heu- te dem Gesetzentwurf des Bundesrates nach reiflicher Überlegung, aber aus voller Überzeugung nicht zustim- men . Dabei lasse ich mich von folgenden Überlegungen leiten: Erstens . Nach herrschender Rechtsprechung des Bun- desverfassungsgerichts ist die Ehe „eine auf Dauer ange- legte, auf freiem Entschluss beruhende, gleichberechtigte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, deren Überein- stimmung durch staatlichen Mitwirkungsakt festgestellt wird“ (BVerfGE 105, 313 [345]) . Der Europäische Ge- richtshof für Menschenrechte (EGhMR) stellt in seiner Entscheidung in der Rechtssache Chapin und Charpen- tier gegen Frankreich (Beschwerde Nr . 40183/07) klar, dass in der Europäischen Menschenrechtskonvention unter dem Begriff „Ehe“ ausschließlich die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gemeint ist . Daraus folgt für mich in verfahrensrechtlicher Hin- sicht zwingend, dass eine Öffnung der Ehe für gleich- geschlechtliche Partnerschaften eine Änderung des Artikels 6 des Grundgesetzes bedingt . Eine einfachge- setzliche Regelung durch eine Ergänzung des Bürgerli- chen Gesetzbuchs (BGB) ist hierfür nicht ausreichend . Zweitens . Die von den Eltern des Grundgesetzes ge- wählte Formulierung „besonderer Schutz von Ehe und Familie“ ist mit Bedacht erfolgt . Mit dem besonde- ren Schutz würdigt der Verfassungsgeber nicht nur die Verantwortungsgemeinschaft der Eheleute füreinander, sondern insbesondere die Verantwortungs- und Schutz- gemeinschaft der Eheleute für ihre Kinder . Es ist richtig, dass es auch Ehen gibt, die aus verschiedensten Gründen kinderlos bleiben . Das ändert aber nichts daran, dass die Ehe zwischen Mann und Frau bei der ganz überwiegen- den Mehrheit der Eheleute die Basis für die Weitergabe des Lebens ist . Drittens . Es ist unstreitig, dass auch in anderen Le- bensgemeinschaften als der Ehe Werte gelebt werden . Dem hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft im Sinne des Artikels 17 b) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) der Ehe in rechtlicher Hinsicht gleichgestellt ist . Eine Subsummierung der eingetrage- nen Lebenspartnerschaft unter die Begrifflichkeit der Ehe ist daher nicht erforderlich und aus dem folgenden Grund auch nicht wünschenswert: Wenn unter „Ehe“ nicht nur die Gemeinschaft von Mann und Frau zur Wei- tergabe des Lebens, sondern auch die Verantwortungs- gemeinschaft von zwei gleichgeschlechtlichen Partnern verstanden werden soll, fehlt die Begründung, weshalb die „Ehe“ überhaupt auf zwei Personen beschränkt ist . Es ist daher nicht nur folgerichtig, sondern auch wahr- scheinlich, dass der Gesetzgeber spätestens dann, wenn aus dem politischen Bereich Forderungen dahin gehend laut werden, die bisher auf zwei Personen beschränkte Einrichtung Ehe auf mehrere Personen ausdehnen muss . Dies bedeutet dann faktisch das Ende der bisher gelten- den Ehe-Begrifflichkeit. Viertens . Die Politik begeht einen folgenschweren Fehler, wenn sie sich auf den verschiedensten Gebieten weiterhin von den völlig falsch verstandenen Begriffen „Gleichheit“ und „Diskriminierung“ leiten lässt . Jede Form der staatlichen Förderung hat zwangsläufig eine Ungleichbehandlung zur Folge . Wer Gleichheit im Er- gebnis postuliert, riskiert, dass jede Gruppe, die nicht in den Genuss einer staatlichen Förderung kommt, sich zu- künftig gegenüber der geförderten Gruppe darauf berufen kann, vom Staat aus politischen Gründen diskriminiert zu werden . Der Philosoph Christoph Menke formuliert daher treffend: „Gleichheit heißt, dass jeder gleich viel zählen soll, nicht, dass jeder gleich viel bekommen soll .“ Fünftens . Für mich persönlich ist die Ehe nicht nur ein Rechtsinstitut mit Verfassungsrang, sondern aus christ- licher Sicht auch ein Sakrament . Es ist mit meinem Ge- wissen nicht vereinbar, dass ich das staatliche Rechtsin- stitut, das aus gutem Grund vom kirchlichen Sakrament abgeleitet ist, durch meine Zustimmung irreparabel be- schädige . Sechstens . Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist in Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes eindeutig bestimmt . Einer In- terpretation durch Regierungsmitglieder, wann diese gel- te und wann nicht, bedarf es daher nicht . Jutta Eckenbach (CDU/CSU): Ich stimme gegen den Beschluss des Ausschusses für Recht und Verbrau- cherschutz, den vorgelegten Gesetzentwurf in dieser Fas- sung anzunehmen . Meine Ablehnung gegen diesen Gesetzentwurf rich- tet sich nicht gegen eine Gleichsetzung von Ehe und Lebenspartnerschaften . Meine Ablehnung hat etwas mit dem derzeitigen parlamentarischen Verfahren und ver- fassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem vorgeleg- ten Gesetzentwurf zu tun . Der Gesetzentwurf des Bundesrates wurde im No- vember 2015 gefertigt und ein Jahr später in erster Le- sung in den Deutschen Bundestag eingebracht . Seitdem fand keine Debatte über den vorgelegten Gesetzentwurf statt . Den Vorwurf, dass keine Debatte stattgefunden hat, mache ich nicht nur meiner eigenen Fraktion . Er richtet Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725218 (A) (C) (B) (D) sich auch gegen die SPD-Bundestagsfraktion, die ebenso einer jeden Vertagung der Debatte im Rechtsausschuss zugestimmt hat und sich jetzt in der Öffentlichkeit jeder Verantwortung entzieht . Ich bin überzeugtes Mitglied der Christlich Demo- kratischen Union . 2007 verabschiedet die CDU ihr Grundsatzprogramm, in dem es heißt: „Die Ehe ist un- ser Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau .“ Dass die CDU-geführte Bundesregierung sich bereits für eine Angleichung von Lebenspartnerschaften und Ehe eingesetzt hat, darf dabei nicht verschwiegen wer- den . So führen Ehegatten eine Ehe oder eine eheliche Lebensgemeinschaft, Lebenspartner führen eine einge- tragene Lebenspartnerschaft oder eine partnerschaftli- che Lebensgemeinschaft . Ehen werden ins Eheregister, Lebenspartnerschaften ins Lebenspartnerschaftsregis- ter eingetragen . Ehegatten schließen Eheverträge, Le- benspartner Lebenspartnerschaftsverträge . Ehegatten er- halten nachehelichen Ehegattenunterhalt, Lebenspartner nachpartnerschaftlichen Unterhalt . Ehegatten lassen sich scheiden, Lebenspartner betreiben die Aufhebung ihrer Lebenspartnerschaft . Das Verlöbnis unter künftigen Ehe- gatten ist in der Lebenspartnerschaft das Versprechen, eine Lebenspartnerschaft begründen zu wollen . Keine Unterschiede gibt es begrifflich bei Heirat und Trauung. Auch wenn die Rechtsstellung der eingetragenen Le- benspartnerschaft in den vergangenen 15 Jahren an die Rechtsstellung der Ehe weitgehend angeglichen wor- den ist, bleibt die Unterscheidung der beiden Institute bedeutsam . Ehe im Sinne des Artikel 6 Absatz 1 GG ist danach das „auf Dauer angelegte Zusammenleben von Mann und Frau“, so das Bundesverfassungsgericht in seiner konstanten Rechtsprechung . Der verfassungs- rechtliche Schutzgedanke des Grundgesetzes im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 GG umfasst auch den Schutz zur Entstehung neuen Lebens . So stellte das Bundesverfas- sungsgericht fest, dass die Ehe auch deswegen verfas- sungsrechtlich dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt wurde, „weil sie eine rechtliche Ab- sicherung der Partner bei einer Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern ermöglichen soll“ . Während zwei Menschen des gleichen Geschlechts in lobenswer- ter Weise Verantwortung füreinander übernehmen kön- nen, fehlt es ihrer Partnerschaft an dem zweiten Merk- mal, der natürlichen Offenheit für Nachwuchs, auf den die Gesellschaft aber stets angewiesen ist . In der Diskussion wurde oft formuliert, dass es ledig- lich um eine sprachliche Gleichsetzung gehe . Für mich persönlich ist eine Gleichsetzung von Partnerschaften gleichen und ungleichen Geschlechts jedoch mehr als eine reine sprachliche Ausgestaltung und eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) . Der vorgelegte Gesetzentwurf zielt auf eine meines Erachtens nach un- zulässige einfachgesetzliche Änderung des Bedeutungs- gehalts verfassungsrechtlicher Begrifflichkeiten ab; das halte ich für verfassungswidrig . Im persönlichen Austausch mit den verschiedensten Gesprächspartnern habe ich erfahren, dass es den gleich- geschlechtlichen Paaren gerade auch auf ein vom Grund- gesetz geschütztes Rechtsgut ankommt . Diesem Wunsch wäre mit einer BGB-Änderung nicht Genüge getan; es bedürfte vielmehr einer Grundgesetzänderung . Dass eine ausführliche Diskussion notwendig ist, zeigt auch, dass in wenigen Tagen über 500 Personen ihre Meinung zu meinem Abstimmungsverhalten per Mail und Telefon mitgeteilt haben . Erst mit einer ausführlichen Meinungsbildung kann nach meinem Dafürhalten eine fundierte Entscheidung getroffen werden . Auch wenn in der Öffentlichkeit von einer Gewissensentscheidung gesprochen wird, so darf die Abstimmung kein Ausdruck von Bauchgefühl sein, sondern bedarf einer umfassenden Analyse über verfas- sungsrechtliche Fragen und Auswirkungen und gegebe- nenfalls weiterer Änderungen . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Als Mitglied der Fraktion der CDU/CSU habe ich auf das im Koalitions- vertrag von CDU, CSU und SPD vereinbarte Verfahren zum Thema „Öffnung der Ehe“ vertraut . Das Verhalten der SPD widerspricht dieser Vereinbarung und ist aus meiner Sicht ein klarer Vertrauensbruch, der die Ver- trauenswürdigkeit und Abredefähigkeit der SPD infrage stellt . Den einseitigen Bruch der Koalition seitens der SPD, die diese für viele Menschen im Land aus ethischen und religiösen Gründen so bedeutende Frage zum rein taktischen Wahlkampfthema reduziert, verurteile ich . Seit 2011 sind sukzessive bis auf das Adoptionsrecht und die Benennung der Institutionen sämtliche Un- gleichbehandlungen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beseitigt worden . Die jetzige Diskussion um eine „Liebe erster oder zweiter Klasse“ führt in die Irre – weil der Argumenta- tionsrahmen moralischer und nicht rechtlicher Natur ist . Zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft gibt es Unterschiede, die nicht wegzudiskutieren sind . Ein We- sensmerkmal der Ehe ist die Verschiedengeschlechtlich- keit der Ehegatten . Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Einführung des Lebenspart- nerschaftsgesetzes dieses Strukturmerkmal der Ehe aus- drücklich bestätigt: Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einher- gehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung ei- nes Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer ange- legten Lebensgemeinschaft ist . In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsge- richt die Einführung des Rechtsinstituts der eingetrage- nen Lebenspartnerschaft gerade deshalb nicht als Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 GG angesehen, weil die ein- getragene Lebenspartnerschaft keine Ehe im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 GG sei . Sie sei vielmehr ein „aliud zur Ehe“, wobei ihre Andersartigkeit in der Gleichge- schlechtlichkeit der Lebenspartner begründet sei . Die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner unterscheide das In- stitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Ehe und konstituiere es zugleich . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25219 (A) (C) (B) (D) Erhellend in diesem Zusammenhang ist auch die Ent- scheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte (EGhMR) in der Rechtssache Chapin und Char- pentier gegen Frankreich (Beschwerde Nr . 40183/07), mit der klargestellt wird, dass in der Europäischen Men- schenrechtskonvention unter dem Begriff „Ehe“ aus- schließlich die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau gemeint ist . In diesem Urteil hat der Gerichts- hof klargestellt, dass der Begriff „Ehe“ in der Europä- ischen Menschenrechtskonvention heute keine andere Bedeutung hat als 1950, dem Jahr, in dem die Konven- tion verabschiedet wurde . Die sogenannte „Ehe für alle“ ist nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Menschenrecht . Es ist deutlich erkennbar, dass die von SPD, Lin- ken und Bündnis 90/Grünen vorgeschlagene Änderung des § 1353 Absatz 1 S . 1 BGB dahin gehend, dass auch zwei Personen gleichen Geschlechts die Ehe eingehen können, dem anstehenden Wahlkampf geschuldet sind . Schließlich verstoßen die Regelungsvorschläge eindeu- tig gegen Artikel 6 Absatz 1 GG . Die politische Instru- mentalisierung dieses Themas zeigt aber auch, dass die SPD jenseits aller Beteuerungen die Chance rot-rot-grü- ner Bündnisse im Bund ergreifen wird, sollte sich diese Gelegenheit ergeben . Daher stimme ich bei der zweiten und dritten Lesung zum Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung ei- nes Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts am Freitag, den 30 . Juni 2017, mit Nein . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Wo zwischen zwei erwachsenen Menschen gleiche Werte gelebt, Rech- te und Pflichten gegenseitig gewährt und übernommen werden und wo das Füreinander-Einstehen zum verbind- lichen Lebensziel erklärt wird, sollten auch gleichwertige rechtliche Maßstäbe angelegt werden . Aus diesem Grund befürworte ich die volle rechtliche Gleichstellung der ‎eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe und setze mich dafür ein, dass neben der Ehe auch die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den besonderen Schutz unse- rer Verfassung in Artikel 6 Grundgesetz gestellt wird . Ich erkenne darüber hinaus an, dass Kinder auch in Le- benspartnerschaften eine fürsorgliche sowie vertrauens- und liebevolle Umgebung erfahren können . Angesichts der seit langem geübten Rechtspraxis von Jugendämtern, Kinder aus dem Kindeswohl abträglichen Familien- verhältnissen auch in die Obhut gleichgeschlechtlicher Paare zu geben, und der bereits jetzt möglichen sukzes- siven Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtli- che Partner setze ich mich dafür ein, dass eingetragene Lebenspartnerschaften die Möglichkeit zur Volladoption in einem Akt nach einer am Kindeswohl orientierten in- dividuellen Einzelfallprüfung erhalten . Dennoch lehne ich den zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts (Drucksache 18/6665) ab . Unbestreitbar ist der Wesensgehalt des traditionel- len Eheverständnisses, der sich aus der Verbindung von Mann und Frau ergibt . Der explizite Schutz dieser Ver- bindung, die seit biblischen Zeiten durch gesellschaftli- che und religiöse Regeln gesichert wurde, diente dazu, den in der Ehe geborenen Kindern ein Aufwachsen in stabilem Lebensumfeld zu ermöglichen . Denn nur in der Paarkonstellation von Mann und Frau können gemein- same Kinder gezeugt und Leben weitergegeben werden . Dieser Umstand unterscheidet unabänderbar die Ehe von der eingetragenen Lebenspartnerschaft . Daher ist meiner Meinung nach die Bezeichnung „Ehe“ der auf Dauer an- gelegten, vor Staat und/oder Kirche eingegangenen Ver- bindung von Frau und Mann vorzubehalten, ohne dass damit eine Diskriminierung homosexueller Paarbezie- hungen erfolgen würde . Darüber hinaus geht nach ständiger, auch jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Ehebegriff des Grundgesetzes von einer Verschieden- geschlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe aus. Eine Umdefinition des Begriffs „Ehe“, der eben nicht nur rechtlich, sondern auch historisch, kulturell und religiös geprägt ist, kann nach meinem Rechtsverständnis nicht einfach-gesetzlich ohne eine Verfassungsänderung erfolgen . Die Grundgesetzänderung würde eine Zwei- drittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordern . Ich bedaure außerdem, dass die SPD aus wahltakti- schen Gründen zum Ende der Legislaturperiode in einem konfrontativen Verfahren eine Abstimmung über dieses viele Menschen existenziell berührende Thema im Hau- ruckverfahren erzwingt . Dieser bewusst kalkulierte Ver- trauensbruch und die daraus resultierenden parlamentari- schen Abläufe werden der gesellschaftlichen, normativen und auch emotionalen Tragweite der Thematik nicht ge- recht und verhindern so einen möglichen breiteren Kon- sens . Ingo Gädechens (CDU/CSU): Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander über- nehmen, die einander Stabilität und Halt geben wollen, verdienen Anerkennung und Wertschätzung . Ausdruck dieser Hochachtung war und ist neben der Ehe als Ge- meinschaft von Mann und Frau die Einführung des In- stituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft . Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jah- ren kontinuierlich erweitert und an die Ehe angeglichen . Somit sind Ehe und Lebenspartnerschaft heutzutage in der gesetzlichen Ausgestaltung – bis auf die gemein- schaftliche Adoption und den Begriff selbst – gleichge- stellt . Gleichwohl besteht die Forderung, diese letzten Un- terschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft auf- zuheben . So sehr ich anerkenne, dass diese Frage vom Deutschen Bundestag diskutiert und beantwortet werden muss, bin ich gleichzeitig in keiner Weise mit dem über- fallartigen Durchpeitschen dieser Entscheidung auf Be- treiben der SPD, der Linkspartei sowie von Bündnis 90/ Die Grünen durch den Deutschen Bundestag einverstan- den . Daher werde ich dem Gesetzentwurf nicht zustim- men . Aufgrund der Tragweite der Entscheidung und der großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen halte ich es nicht für vertretbar, mit größtmöglicher Eile die- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725220 (A) (C) (B) (D) se bedeutende Entscheidung in einer kurzen Debatte am frühen Morgen des letzten regulären Sitzungstages vor der Bundestagswahl zu treffen . Es war zwischen den Partnern der Großen Koalition ausgemacht, dass die Ent- scheidung erst in der kommenden Legislaturperiode fal- len wird . Mit der Missachtung dieser Vereinbarung hat die SPD einen schwerwiegenden Vertrauensbruch began- gen und trotzdem der Sache selbst nicht gedient . Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil bis heute nicht geklärt ist, ob eine einfachgesetzliche Regelung ausreicht oder – was für mich persönlich plausibler ist – das Grundgesetz geändert werden müsste . Denn es ist offensichtlich, dass der Ehebegriff des Grundgesetzes auf einer Verbindung von Mann und Frau beruht. Diese Definition gilt vor al- len Dingen deshalb, weil aus dieser Beziehung Kinder hervorgehen können und das auf Dauer angelegte Zu- sammenleben der Eltern als bestmöglicher Hort zum Aufwuchs für Kinder erkannt wurde . Wenn nun der Ehe- begriff auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt werden soll, bedarf es also offensichtlich einer Änderung des Grundgesetzes, die mit dem zur Abstimmung stehen- den Gesetzentwurf aber eben nicht erfolgt . Damit besteht die große Gefahr, dass der Deutsche Bundestag sehenden Auges ein verfassungswidriges Gesetz beschließt . Auch in Zeiten des herannahenden Wahlkampfes müs- sen solch wichtige Entscheidungen durch den Deutschen Bundestag in einer würdigen Form herbeigeführt wer- den . Dies ist – unabhängig von allen Pro- und Kontraar- gumenten – nicht gegeben . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Ich habe mir die Entscheidung für die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts nicht leicht gemacht . Ich treffe diese Entscheidung auf Grund- lage meines christlichen Menschenbildes und meiner christlichen Überzeugung: Jeder Mensch hat die gleiche von Gott gegebene Würde . In den letzten Tagen habe ich die Argumente und Positionen sorgfältig abgewogen . Ich betone ausdrücklich, dass ich Respekt vor anderen Mei- nungen und Schlussfolgerungen habe . Es entspricht meiner Überzeugung, dass Diskrimi- nierungen dort, wo sie noch bestehen, beendet werden müssen . Ich bin davon überzeugt, dass auch in homose- xuellen Beziehungen Werte gelebt werden, die für unsere Gesellschaft grundlegend sind . Wenn zwei Frauen oder zwei Männer rechtlich verbindlich erklären, dass sie ein Leben lang füreinander einstehen, dann ist dies auch Ausdruck von bürgerlichen Werten wie Zusammenhalt, Verantwortung, Verbindlichkeit und Vertrauen . Um was geht es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf? Rechtlich unterscheiden sich eingetragene Lebenspart- nerschaften und die Ehe schon heute nur noch beim Na- men – also in der Begrifflichkeit – und einem kleinen Teilaspekt des Adoptionsrechts . Bereits heute können Partner einer eingetragenen Le- benspartnerschaft fremde Kinder adoptieren . Bisher hat zunächst ein Lebenspartner das Kind allein adoptiert, der zweite Partner konnte das Kind erst in einem weiteren Schritt adoptieren (sukzessive-Adoption) . Die gemein- same Adoption in einem Akt ist bislang nur bei Ehegat- ten vorgesehen . Diesen verbliebenen Verfahrensunter- schied jetzt aufzuheben, ist ein vergleichsweise kleiner Schritt . Für mich ist entscheidend: Bei einer Adoption muss auch künftig ausschließlich das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen . Dies gilt für gleich- wie für ver- schiedengeschlechtliche Beziehungen . Dies muss in je- dem Einzelfall gewährleistet sein . Die Erfordernisse des Kindeswohls müssen immer im Vordergrund stehen . Um was geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf nicht? Es geht nicht um eine „Ehe für alle“, wie in irre- führender Weise immer wieder ins Feld geführt wird . Es geht nicht um Polygamie, nicht um Ehe mit Kindern oder Verwandten und nicht um ein Recht auf Kinder . Es geht bei diesem Gesetz auch nicht um die Rechte der Kirchen- und Religionsgemeinschaften . Diese Rechte bleiben von einer Neuregelung unberührt . Sondern es geht um eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare . Die SPD hat sich in dieser Frage bewusst nicht an den Koalitionsvertrag gehalten und eine Vereinbarung gebro- chen . So geht man in einer Koalition nicht miteinander um . Das trägt nicht zu einer Versachlichung der Debatte bei und ist für die Sache eher schädlich . Hermann Gröhe (CDU/CSU): Unter der gemäß Arti- kel 6 unseres Grundgesetzes zu schützenden Ehe ist, mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, die „Verei- nigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“ zu verstehen . Zugleich verbietet unsere Verfassung jede Diskriminierung auf- grund der sexuellen Orientierung . Zu Recht steht daher homosexuellen Paaren mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Institution zum Schutz der wechselseitigen, dauerhaften Verantwor- tungsübernahme zur Verfügung, die inzwischen der Ehe weitgehend gleichgestellt ist . Aus meiner Sicht wäre es daher folgerichtig, auch eingetragene Lebenspartner- schaften in Artikel 6 Grundgesetz unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen . Bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Beziehungen geht es dagegen um weit mehr als um den gleichberechtigten Zugang zur Ehe, nämlich um eine Neudefinition der Ehe selbst. Eine solche Neudefinition lehne ich ab . Dabei gründet meine Haltung wesentlich in meinem Glauben und der christlichen Tradition . Der orientierende, eine Beziehung schützende Charakter der Institution Ehe hat aus meiner Sicht nicht zuletzt darin sein Fundament, dass diese Institution in ihrem tradierten Verständnis weit vor unserer Rechtsordnung entstanden ist und unseren Kulturraum seit Jahrhunderten prägt . Selbstverständlich kann es gute Gründe geben, ein solches tradiertes Verständnis zu ändern . Eine solche Neudefinition der Ehe müsste aber im Grundgesetz selbst erfolgen, erfordere mithin eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat . Daher lehne ich den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates, der auf eine Neudefinition der Ehe im Rah- men des Zivilrechts abzielt, ab . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25221 (A) (C) (B) (D) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Meiner An- sicht nach ist eine Ehe die enge Verbindung zwischen Mann und Frau, wie es auch das Bundesverfassungsge- richt festgestellt hat . Ich bin gleichzeitig der Überzeugung, dass auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind . Dazu zählen Liebe, Fürsorge sowie Verantwortung für- einander . Jede Diskriminierung von gleichgeschlechtli- chen Beziehungen lehne ich ab . Neben der Einführung des Lebenspartnerschaftsge- setzes wurden in den vergangenen Jahren auch zahlrei- che weitere Regelungen getroffen, um noch bestehende Benachteiligungen von gleichgeschlechtlichen Part- nerschaften zu beenden, so im Erbschafts- und Grund- erwerbsteuer-, Beamten- und Adoptionsrecht . Diese Gleichstellungsschritte habe ich stets unterstützt, um schrittweise noch vorhandene Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität zu beenden . Zu dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sind aller- dings noch zahlreiche Fragen offen, die in Ruhe geklärt werden müssen . So geht aus der ständigen Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerichts hervor, dass für eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6 Absatz 1) erforderlich ist . Diese Ansicht hat auch das Bundesmi- nisterium der Justiz vertreten . Geklärt werden müssen auch Fragen des Adoptionsrechts, die eine solche Öff- nung aufwirft . Es ist in mehrfacher Hinsicht verantwortungslos, dass SPD, Linke und Grüne zu diesem Thema jetzt eine Ent- scheidung erzwingen . Den von diesen Fraktionen über- stürzt zur Abstimmung gestellten Gesetzentwurf lehne ich deshalb ab . Monika Grütters (CDU/CSU): In meiner mittler- weile mehr als 20-jährigen Parlamentszeit ist mir eine Entscheidung zu einer Abstimmung noch nie so schwer gefallen wie diese . Abgesehen von den bedauerlichen Umständen der Abstimmung – aus einem so hochsensib- len Thema sollte niemand ein schäbiges Wahlkampfma- növer machen – und abgesehen von sehr wohl begrün- deten verfassungsrechtlichen Zweifeln, abgesehen auch von dem Zeitdruck und der damit verbundenen Zuspit- zung in der Debatte um ein Pro und Kontra einer „Ehe für alle“ fällt es mir als gläubiger Katholikin in dieser sehr weltoffenen und für ihre vielfältigen Lebensstile bekann- ten Stadt Berlin schwer, mich ohne Zweifel eindeutig zu positionieren . Einerseits gehört der Eigensinn der sakramentalen Ehe zu den zentralen Werten kirchlich gebundener Le- bens- und Gesellschaftseinstellungen . Ihr gilt ein beson- derer Schutz, weil eben in der Verbindung von Mann und Frau auch leibliche Kinder geboren werden können und Familien eine umfassende Fürsorge der Gesellschaft ver- dienen . Andererseits sehen auf Dauer angelegte, in Liebe zueinander und in Sorge füreinander angelegte Bezie- hungen in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft wie unserer heutigen inzwischen sehr vielfältig aus . Diese Vielfalt empfinde ich als große Bereicherung unseres Zusammenlebens . Deshalb ist es bedauerlich, dass Betroffene die geltende Rechtslage als Diskrimi- nierung empfinden und auf der anderen Seite traditio- nell Verheiratete und kirchliche Kreise befürchten, der Begriff der Ehe und ihr Gehalt könnten zum beliebigen In strument werden. Gerade auch diese Empfindungen nehme ich sehr ernst . In einem Land wie unserem heutigen Deutschland, das in den vergangenen Jahrzehnten so viel offener, viel- fältiger und gelassener geworden ist, muss es möglich sein, Unterschiede diskriminierungsfrei festzustellen . Und aus meiner Sicht bleiben die Ehe zwischen Mann und Frau und eine Familie mit leiblichen Kindern im- mer noch etwas anderes als eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft . Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dennoch entschieden, für die Öffnung der staatlichen Eheschlie- ßung für gleichgeschlechtliche Paare zu stimmen, nicht obwohl, sondern weil ich katholisch bin . Es ist die christ- liche Botschaft der Nächstenliebe, die uns dazu auffor- dert, im menschlichen Miteinander das Verbindende über das Trennende zu stellen – die Ebenbildlichkeit Gottes über unterschiedliche Lebensweisen – und aus dieser Haltung heraus nicht nur das Eigene, sondern gleicher- maßen auch das andere anzuerkennen und zu achten . Was heterosexuelle von homosexuellen Menschen unterscheidet, ist die sexuelle Orientierung und damit verbunden die Option, in ihrer Partnerschaft miteinan- der leibliche Kinder bekommen zu können . Was hetero- sexuelle und homosexuelle Menschen verbindet, ist der Wunsch, für einen geliebten Menschen einzustehen, sich dauerhaft zu binden und damit nicht nur Verantwortung füreinander zu übernehmen, sondern auch ein sichtbares Zeichen der Liebe und des Bekenntnisses zueinander zu setzen . Ich wünsche mir, dass der gegenseitige Respekt ge- genüber unterschiedlichen Lebensentwürfen wächst und dass die Ehe zwischen Mann und Frau und dass Familien weiterhin im Zentrum staatlicher Fürsorge stehen . Fritz Güntzler (CDU/CSU): Der Deutsche Bundes- tag beschließt heute in nur 38-minütiger Plenardebatte über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paa- re . Ich bedaure, dass wir dieses äußerst wichtige Thema aufgrund von wahlkampftaktischen Überlegungen der SPD jetzt einfach so im Vorbeigehen behandeln . Es hät- te eine breitere parlamentarische Befassung und gesell- schaftliche Debatte verdient . Nichtsdestotrotz stimme ich für die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts . Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander über- nehmen, verdienen Anerkennung und Wertschätzung, unabhängig davon, ob sie gleichen oder verschiedenen Geschlechts sind . Gleichgeschlechtliche Paare können seit 15 Jahren eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen . Mitt- lerweile haben eingetragene Lebenspartner beinahe voll- ständig die gleichen Rechte und Pflichten wie Eheleu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725222 (A) (C) (B) (D) te. Ich finde, es war an der Zeit, die hundertprozentige Gleichbehandlung herzustellen . Mit der Öffnung der Ehe für Personen gleichen Ge- schlechts bekommen gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, ein Kind ohne Umwege gemeinschaftlich zu adoptieren . Schon bisher konnten sie im Wege der so- genannten Sukzessivadoption ein Kind gemeinsam adop- tieren, und zwar indem zunächst die eine Partnerin oder der eine Partner das Kind adoptiert hat und dann auch noch die andere Partnerin oder der andere Partner dieses Kind adoptiert hat . Rein faktisch ändert sich an dieser Stelle also nichts . Voraussetzung der Adoption ist nach wie vor auch in diesen Fällen, dass die Adoption dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen den Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Ver- hältnis entsteht . Die Adoptionsvermittlungsstellen und die Familiengerichte haben dafür in jedem Einzelfall Sorge zu tragen . Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Grund- gesetz lasse es nicht zu, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen . Es bedürfe hierfür einer Änderung des Grundgesetzes . Der Begriff der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz, wonach Ehe und Familie unter dem beson- deren Schutze der staatlichen Ordnung stehen, erfasse gleichgeschlechtliche Paare nämlich nicht . Das Grund- gesetz ist nicht statisch, sondern dynamisch auszulegen . Es atmet also gewissermaßen mit dem gesellschaftlichen Wandel . Am Ende wird das Bundesverfassungsgericht darüber zu entscheiden haben . Ich bin mir aber sicher, dass wir mittlerweile so weit sind, dass unter dem Begriff der Ehe im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Grundgesetz auch gleichgeschlechtliche Paare zu verstehen sind . Christian Haase (CDU/CSU): Für mich ist das We- sensmerkmal der Ehe eine lebenslange Vereinigung von Mann und Frau . Diese Vereinigung, aus der neues Le- ben hervorgehen kann, schützt auch das Grundgesetz Artikel 6 Absatz 1 GG . Denn die Ehe ist die Keimzelle der Familie . Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Einführung des Lebenspartnerschafts- gesetzes 2002 herausgearbeitet, dass die Gleichge- schlechtlichkeit den Unterschied zwischen Ehe und Le- benspartnerschaft begründe und konstituiere . Gibt man in der Definition der Ehe die Verschiedengeschlechtlich- keit als Wesensmerkmal auf, so geht man de facto von ei- nem in seinem Kern veränderten verfassungsrechtlichen Ehebegriff aus und überschreitet meines Erachtens nach somit die Grenzen der zulässigen Verfassungsauslegung . Für mich ist jeder Mensch gleich viel wert, gleich von Gott geliebt und geschätzt, gleichgültig welche sexuelle Neigung er hat . Es geht in dieser Diskussion um die För- derung einer bestimmten Lebensform und ausdrücklich nicht um die Diskriminierung einer anderen . Die Ehe, in der Mann und Frau füreinander Verant- wortung übernehmen und offen für die Weitergabe des Lebens an leibliche Kinder sind, hat nicht nur eine be- sondere Bedeutung für den Einzelnen, sondern auch für die ganze Gesellschaft und das Gemeinwesen . Man darf an dieser Stelle auch den Aspekt der Staatserhaltung er- wähnen, der nochmals den von der Verfassung gewähr- ten Schutz der Ehe und Familie begründet . Ich erkenne die große Vielfalt der familiären Situatio- nen in unserem Land und in der Welt an . Trotzdem stehe ich für eine Unterscheidung und Abgrenzung verschiede- ner Lebensmodelle . Gleichgeschlechtliche Partnerschaf- ten sind ein Lebensmodell, in dem Menschen sicherlich genauso Verantwortung füreinander übernehmen kön- nen . Ihnen bleibt aber die Weitergabe des Lebens an leibliche Kinder verschlossen . Nichtsdestotrotz haben wir in den vergangenen Jahren das Institut der eingetra- genen Lebenspartnerschaft sukzessiv an das Institut der Ehe angeglichen . In allen rechtlichen Regelungen – sei es hinsichtlich des Zustandekommens der rechtlichen Bindung, des gemeinsamen Namens, der gegenseitigen Rechte und Pflichten, der gemeinsamen Wohnung, des Erbrechts, des Unterhalts oder der Sukzessivadoption – gibt es heute in der rechtlichen Ausgestaltung praktisch keine Unterschiede mehr zwischen diesen beiden Insti- tutionen . Zudem störe ich mich an dem Kampfbegriff „Ehe für alle“ . Dieser ist meines Erachtens nach bewusst of- fen und weit gewählt . Man kann bei der Forderung nach einer „Ehe für alle“ niemanden mehr ausschließen . Ich habe das Gefühl, dass es hier nicht mehr nur um die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geht, sondern sehe die Gefahr, dass damit auch schleichend der Vielehe Tür und Tor geöffnet wird . Ich möchte nicht, dass die mit einer Ehe verbunden Werte und Normen aufgeweicht und zur Disposition ge- stellt werden . Dieser Wunsch spiegelt sich auch in der überwiegenden Mehrheit der Zuschriften wider, die mich im Vorfeld der Abstimmung erreicht haben . Deshalb stimme ich gegen den Gesetzentwurf des Bundesrates . Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Für die parla- mentarische Behandlung des Gesetzentwurfes ist von entscheidender Bedeutung, ob das Institut der Ehe im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Grundgesetz eine Öffnung für Personen gleichen Geschlechts zulässt oder ob der verfassungsrechtliche Begriff „Ehe“ dem entgegensteht, mithin eine einfachgesetzliche Änderung des Ehebegriffs eine Änderung des Grundgesetzes voraussetzt . Bereits in seinem ersten Urteil zur eingetragenen Le- benspartnerschaft vom 17. Juli 2002 definierte das Bun- desverfassungsgericht die Ehe im Sinne des Grundgeset- zes als „die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“ . Es ist seither von dieser Definition nicht abgegangen und hat in den nachfolgenden Urteilen die Ehe als Institut bezeich- net, in dem Mann und Frau eine lebenslange Verbindung eingehen, die der Mitwirkung des Staates bedarf . Die Verabschiedung des vorgelegten Gesetzentwurfs, der lediglich eine Änderung des einfachen Rechts, nicht je- doch des Grundgesetzes vorsieht, stellt folglich eine Ab- kehr von der ständigen Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts dar . Dieser Befund gebietet es – jedenfalls aus Gründen der Rechtssicherheit –, das verfolgte Anliegen im Wege einer Grundgesetzänderung umzusetzen . Diese Auffas- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25223 (A) (C) (B) (D) sung hat auch das SPD-geführte Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bis in die jüngere Vergangenheit vertreten – vergleiche auch Drucksa- che 18/4862 vom 8 . Mai 2015 . Unter diesen Umständen bleibt mir nur die Möglich- keit, den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/6665 abzu- lehnen . Die mit dem vorliegenden Entwurf intendierte ge- setzliche Gleichstellung Homosexueller im Bereich der sogenannten Volladoption erscheint mir in der Sache ge- rechtfertigt . Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, verdienen Anerkennung und Wertschät- zung . Das gilt für mich unabhängig davon, ob sie gleich- oder verschiedengeschlechtlich sind . Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates . Des- halb haben wir die eingetragene Lebenspartnerschaft geschaffen. Die damit verbundenen Rechte und Pflich- ten wurden in den vergangenen 15 Jahren kontinuier- lich erweitert und an die Ehe angeglichen . Ehe und Le- benspartnerschaft unterscheiden sich in der gesetzlichen Ausgestaltung praktisch nicht mehr . Das Zustandekom- men der rechtlichen Bindung, der gemeinsame Name, die gegenseitigen Rechte und Pflichten, die gemeinsame Wohnung, das Erbrecht, der Unterhalt, Getrenntleben und Auflösung – in all diesen Fragen sind die rechtlichen Regelungen von Ehe und Lebenspartnerschaft aneinan- der angeglichen . Von einer rechtlichen Diskriminierung von Lebenspartnern kann man deshalb nach meiner Auf- fassung nicht mehr sprechen . Zu den Wesensmerkmalen der Ehe, die Artikel 6 Ab- satz 1 GG als Institutsgarantie schützt, zählt, dass sie die Vereinigung von einer Frau mit einem Mann ist . Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entschei- dung zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2002 bestätigt, in der es die eingetragene Le- benspartnerschaft als „aliud“ zur Ehe ansieht und fest- stellt, dass die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Ehe unterscheide und es zugleich konstituiere . Dass die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten ein We- sensmerkmal der Ehe ist, hat das Bundesverfassungsge- richt auch in seinen nachfolgenden Entscheidungen zur Rechtstellung der eingetragenen Lebenspartner nicht infrage gestellt . Die einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare steht für mich daher mit einem verfassungsrechtlichen Wesensmerkmal der Ehe nicht im Einklang . Die Ehe ist für mich ein Institut, das verschiedenge- schlechtlichen Paaren vorbehalten bleiben sollte . Nur aus dieser Verbindung können Kinder hervorgehen . Diese Verbindung hat daher sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft und ihren Fortbestand eine erhebli- che Bedeutung . Deshalb war es in der Vergangenheit so, dass der Staat der Ehe eine besondere Rolle zugestanden hat . Ich möchte, dass die Ehe diese Rolle weiter behält . Deshalb genießt sie besonderen verfassungsrechtlichen Schutz . Ich werde daher für eine Beibehaltung des Ehe- begriffs stimmen, der allein eine Verbindung von Frau und Mann umfasst . Ich respektiere – auch ohne eine Änderung des Grund- gesetzes – die Entscheidung von Bürgerinnen und Bür- gern, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit gleichen Rechten und Pflichten zusammenzuleben. Mechthild Heil (CDU/CSU): In der heutigen Abstim- mung über den Antrag des Bundesrats zur Öffnung der Ehe stimme ich aus folgenden Gründen zu: Ich stimme heute nicht über eine religiöse Frage ab . Unseren Kirchen bleibt vorbehalten, für sich zu klären, was die kirchliche Ehe oder das Sakrament der Ehe aus- macht . Als katholische Christin bringe ich mich gerne in diese Diskussion ein . Ich stimme heute über die Frage ab, ob der Staat dafür sorgen soll, dass alle Partnerschaften, die vor dem Gesetz besiegelt werden, dieselbe rechtliche Stellung und Anerkennung erhalten . Kinder wachsen heute in den unterschiedlichsten Fa- milienkonstellationen auf . Insbesondere aus Sicht der Kinder verdient jede Familienform Anerkennung, Zu- spruch und rechtliche Absicherung . Dies spiegelt sich auch im aktuellen Adoptionsrecht wider . Für das allein maßgebliche Kindeswohl sind die wenigen verbliebenen Verfahrensunterschiede ohne Bedeutung . Die vielen Zu- schriften, die ich im Vorfeld dieser Abstimmung erhalten habe, zeigen mir, wie wenig bekannt ist, dass bereits heu- te Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auch fremde Kinder adoptieren können, mit dem einzigen Un- terschied, dass sie das nur nacheinander, in einer zeitli- chen Abfolge tun können . Die gleichzeitige gemeinsame Adoption, die das Gesetz nur für Ehegatten vorsieht, soll vor allem sicherstellen, dass beide Eheleute das Adoptiv- kind annehmen und nicht einer der Partner einen Vorbe- halt gegenüber dem Kind hat. Ich finde, diese Sicherheit für das Kind muss auch in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gelten . Die Verfolgung homosexueller Menschen hat in Deutschland über viele Jahre großes Unrecht und Leid verursacht – in der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch in der neu gegründeten Bundesrepublik und in der Deutschen Demokratischen Republik . In der aktuellen Diskussion über die Rehabi- litierung wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen verurteilter Menschen wurde dies nochmals deutlich . Diese Verfolgung wirkt bis heute nach und trägt zu der Grundhaltung bei, sich – berechtigt oder unberechtigt – als ausgegrenzt und weniger anerkannt zu empfinden. Erhöhte Selbstmordzahlen bei homosexuell orientierten Jugendlichen sind dafür ein bestürzendes Zeichen . Der heutige Beschluss kann hier eine positive Wir- kung entfalten . Ich bedaure allerdings, dass die SPD entgegen der Ab- sprache nun ein konfrontatives Verfahren forciert . Dies verstellt die Chance, in einer Diskussion mit den Men- schen in Deutschland und den Kirchen in einem großen gesellschaftlichen Konsens die Öffnung des Ehebegriffs voranzubringen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725224 (A) (C) (B) (D) Auch verfassungsrechtliche Bedenken hätten dann mit breiter parlamentarischer Mehrheit ausgeräumt wer- den können . Trotz dieser Bedenken habe ich mich entschieden, dem Antrag des Bundesrates zuzustimmen . Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Heute fäl- len wir eine Gewissensentscheidung: Der Deutsche Bun- destag stimmt in namentlicher Abstimmung über den Entwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts ab . Zunächst möchte ich feststellen: Das Gewissen macht nicht an Fraktionsgrenzen halt . Eine Gewissensfrage nö- tigt uns Parlamentariern höchsten Respekt für die Ent- scheidung der anderen ab . Polemisierungen und Diffa- mierungen sollten in dieser Debatte keinen Raum haben . Unsere Entscheidung hat Auswirkungen auf einzelne Menschen, auf das gesellschaftliche Klima und reicht bis in das Verständnis unserer Grundwerte, die im Grundge- setz formuliert sind, hinein . Eine solche grundsätzliche Überlegung muss viele Facetten berücksichtigen: Wie hat das Bundesverfassungsgericht bisher geurteilt? Was sind die möglichen juristischen Folgen? Werden Werte oder Rechte verletzt? Und viele andere Aspekte mehr . Innerparteilich setzen wir uns seit Jahren mit dem Thema auseinander . Unsere Parteitagsbeschlüsse, Grundsatzprogramme und Leitlinien sowie der geltende Koalitionsvertrag lehnen eine Öffnung der Ehe ab . Eine neue Abwägung braucht Zeit, sie braucht Debat- ten, sie braucht Expertisen . Daher bedaure ich es, dass der Deutsche Bundestag heute darüber abstimmt . Die Koalitionspartner hatten sich geeinigt, das nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode zu tun . Eine Grund- satzentscheidung politisch durchzupeitschen, kann zu ei- nem starken Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern führen . Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf . Da ich, vor allem in den vergangenen Tagen, viele Anfragen erhielt, möchte ich mein Abstimmungsverhalten gerne begrün- den . Erstens die Rechtshistorie: Das Bundesverfassungsge- richt stellte mehrfach fest, zuletzt 2013, dass Verschie- dengeschlechtlichkeit das Wesensmerkmal des Instituts Ehe ist . Zweitens . Wir beschließen nicht nur über eine Ände- rung im BGB, sondern greifen damit in das Grundgesetz ein: Auf eine Kleine Anfrage der Grünen hat das Justiz- ministerium 2015 angegeben, dass „eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes) voraussetzen“ würde . Drittens . Dass diese Tatsache selbst für Justizminis- ter Heiko Maas (SPD), aus dessen Haus diese Antwort stammt, heute keine Rolle mehr spielt, lässt aufhorchen . Mir scheint hier eine Gewissensfrage für Wahlkampf- zwecke missbraucht zu werden . Viertens . Dieser Eingriff ins Grundgesetz wird Kla- gen vor dem Bundesverfassungsgericht nach sich ziehen . Eine genauere Prüfung der Sachlage im Vorherein wäre nötig gewesen . Fünftens . In dem Gesetzentwurf heißt es: „Gleich- geschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt .“ Was unter einer „symbolischen Diskriminierung“ ver- standen wird, ist in dem Entwurf nicht weiter ausgeführt . Sechstens . Zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wird nach dem juristischen Grundsatz differenziert, dass „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln“ ist . So können auch keine heterosexuellen Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen . Der Vorwurf einer einsei- tigen Diskriminierung durch die Ehe ist daher faktisch nicht nachweisbar . Siebtens . Wo konkrete Diskriminierungen von Men- schen in Lebenspartnerschaften vorliegen, müssen diese beseitigt werden . Dafür reicht das vorliegende Rechtsin- stitut aber vollkommen aus, wie die vergangenen Jahren gezeigt haben . Gesetzliche Regelungen, wie beispiels- weise beim Ehegattensplitting, wurden auf den Weg ge- bracht, um Diskriminierungen und Schlechterstellungen entgegen zu wirken . Achtens . Ein Wesensmerkmal der Ehe ist die prin- zipielle Generativität . In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung können auf natürlichem Wege keine Kinder entstehen . Das ist keine Diskriminierung, sondern eine Tatsache . Die Öffnung der Ehe kommt damit einer Auf- lösung des Wesens der Ehe gleich . Insofern handelt es sich heute um eine Werteentscheidung: Soll die beson- dere Privilegierung der Ehe der Generativität Rechnung tragen oder aber auf die Rechte und Pflichten der Partner reduziert werden? Neuntens . Unsere Entscheidung könnte zur Folge ha- ben, dass künftig weitere normative Veränderungen des Ehebegriffs vorgenommen werden . Dies könnte in der Folge zur Legalisierung von Polygamie oder Geschwis- terehen führen . Ich kann aus diesen genannten Gründen einer Neuinterpretation der Ehe und damit des Grundgesetzes nicht zustimmen . Mark Helfrich (CDU/CSU): Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander über- nehmen, die einander Stabilität und Halt geben wollen, verdienen Anerkennung und Wertschätzung, unabhän- gig davon, ob sie gleich- oder verschiedengeschlechtlich sind . Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates . Ausdruck dieses Verständnisses war die Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspart- nerschaft. Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angeglichen . Auch in dieser Legis- laturperiode hat der Gesetzgeber diesen Weg weiter be- schritten . So wurde zu Beginn der Legislaturperiode die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspartner gesetz- lich geregelt sowie Unterschiede in der Behandlung von Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25225 (A) (C) (B) (D) Ehe- und Lebenspartnern in zahlreichen Einzelgesetzen beseitigt . Somit sind Ehe und Lebenspartnerschaft heut- zutage in der gesetzlichen Ausgestaltung – bis auf die gemeinschaftliche Adoption und den Begriff des Insti- tuts – gleichgestellt . Mit den Gesetzentwürfen wird § 1353 des Bürgerli- chen Gesetzbuches um eine Definition der Ehe ergänzt, die vorsieht, dass auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen können . Persönlich würde ich eine Grund- gesetzänderung befürworten . Sowohl im Rechtsaus- schuss als auch in der Wissenschaft ist die Frage nicht abschließend einhellig beantwortet, ob die „Eheöffnung“ eine Änderung des Artikels 6 Absatz 1 Grundgesetz vor- aussetzt . Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss, die sich in dieser Legislaturperiode ebenfalls mit der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung bezüglich der „Eheöffnung“ intensiv beschäftigt hat, ergab keine eindeutige Stellungnahme der sachverständigen Verfas- sungsrechtler . Vor dem Hintergrund der geschilderten Uneinigkeit der verfassungsrechtlichen Bewertungen und der ge- sellschaftspolitischen Bedeutung würde ich ein Gesetz bevorzugen, das zweifellos einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält . Durch meine Zustimmung zum Gesetzentwurf des Bundesrates erkenne ich den gesellschaftlichen Wandel in dieser Frage sowie den persönlichen Wunsch gleich- geschlechtlicher Paare nach einer formalen rechtlichen Gleichstellung an . Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geht die Gleichstellung Homosexueller bei der Adoption einher . Das einzig entscheidende Kriterium ist hier das Kindeswohl . Wichtig ist, dass im Einzelfall aus der allein entscheidenden Perspektive des Kindeswohls das Jugendamt bei seiner Auswahlentscheidung darauf Rücksicht nimmt, ob dem Kind Mutter und Vater ver- mittelt werden oder zwei Personen gleichen Geschlechts . Hier gilt der Grundsatz: Der zweite Vater ersetzt nicht die Mutter, die zweite Mutter nicht den Vater . Andere As- pekte wie vor allem eine Vorbeziehung (zum Beispiel als langjähriges Pflegekind oder aufgrund Verwandtschaft) können aber im Einzelfall auch aus der Kindeswohlpers- pektive ein anderes Ergebnis begründen . Uda Heller (CDU/CSU): Am Freitag, 30 . Juni 2017 stimmt der Deutsche Bundestag in namentlicher Abstim- mung über den oben genannten Gesetzentwurf ab . Kern- stück des Gesetzentwurfes ist die Ergänzung des § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch die Klar- stellung, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können . Ich werde bei dieser Abstimmung über den Gesetzent- wurf auf Drucksache 18/6665 mit Enthaltung stimmen, weil ich es ablehne, eine Entscheidung über dieses wich- tige gesellschaftliche Thema unter Zeitdruck innerhalb weniger Tagen treffen zu müssen . Ich erwarte im Vorfeld der Abstimmungen umfassende Informationen über die verfassungsrechtliche Relevanz, über den Geltungsbereich des Gesetzes, über die Kon- sequenzen für unsere Sozialsysteme und gegebenenfalls auch über handwerkliche Mängel . Diese Informationen liegen mir nicht vor . Vielmehr bewerte ich diese über- stürzte und erzwungene Abstimmung als Wahlkampfpo- pulismus . Da ich nicht wieder für den Deutschen Bundestag kan- didiere, möchte ich der Entscheidung der Bundestagsab- geordneten der 19 . Wahlperiode nicht vorgreifen . Thomas Jarzombek (CDU/CSU): „Ehe und Fami- lie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung .“ So steht es in Artikel 6 des Grundgesetzes . An diesem Artikel habe ich mich nie gestoßen . Dieser spricht keine Diskriminierung aus, sondern stellt Ehe und Familie unter besonderen Schutz . Sie werden oft als die „Keimzelle unserer Gesellschaft“ bezeichnet . Wenn man eine Ehe eingeht, übernimmt man auch Verantwortung für den anderen . Das ist ein Prinzip, das meinen Wertevorstellungen entspricht. Ich finde es gut, wenn Menschen Verantwortung füreinander übernehmen und damit einen Beitrag für die Gesellschaft leisten . Deshalb begrüße ich es auch sehr, wenn gleichge- schlechtliche Paare Verantwortung übernehmen und sich zu einer festen Verbindung verpflichten. Ist dies aber auch eine Ehe? Eine Ehe ist für mich und viele Men- schen, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, eine Gemeinschaft von Mann und Frau und darauf angelegt, Kinder zu zeugen . Darf dies dazu führen, dass gleichgeschlechtliche Paa- re diskriminiert werden? Nein . Ich habe mich in der Ver- gangenheit bei vielen Diskussionen in unserer Partei für die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren eingesetzt . Meine klare Haltung: Gleiche Rechte für alle . Deshalb spreche ich mich ausdrücklich für eine voll- ständige rechtliche Gleichstellung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe aus . Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff „Ehe für alle“ . Auch wenn die Initiatoren das sicher nicht meinen, so ist es doch wichtig, klarzustellen: Ich will keine Ehe mit Kindern erlauben und finde es richtig, dass wir dies gerade noch einmal strenger als bisher ausgeschlossen haben . Ich will keine Ehe von Eltern und Kindern . Ich sehe auch keine Verbindung von mehreren als eine Ehe . Dann gibt es den Fall, wo Menschen im Alter eine Verbindung eingehen, um füreinander zu sorgen, ohne dass es in dieser Form der Beziehung eine sexuelle Ver- bindung gibt oder diese angestrebt wird . Ist auch das eine Ehe? Nein . Es ist aber inzwischen gelebte Praxis und eine begrüßenswerte Verbindung . Auch hier spreche ich mich für gleich Rechte aus, ohne es aber „Ehe“ nennen zu wollen . Daher meine ich: Gleiche Rechte Ja, gleiche Bezeich- nung Nein . Ich werde heute aber auch deshalb mit Nein stimmen, weil ich das Verfahren für unwürdig halte . Bei anderen ethischen Entscheidungen im Bundestag ohne Fraktions- voten – dem, was im Allgemeinen „Gewissensentschei- dung“ genannt wird – haben wir uns umfangreich Zeit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725226 (A) (C) (B) (D) genommen für ausführliche Richtungsdebatten im Ple- num, für umfangreiche Gutachten, Zeit, um die Zuschrif- ten ausführlich zu lesen und auszuwerten, und Zeit, um ausführlich mit den Wählern vor Ort zu diskutieren . Diese Sorgfalt fehlt uns heute . Natürlich gibt es Kol- legen, die bei der heutigen Frage sehr firm sind. Doch es gibt auch viele, die ihr Wissensbedürfnis von Dienstag bis heute – also in nicht einmal drei Tagen – nicht stillen konnten . So vermag ich auch deshalb heute nicht zuzustimmen, weil ich eine Neuregelung ohne Grundgesetzänderung als zweifelhaft ansehe . Noch im Jahr 2015 vertrat die Bundesregierung die Auffassung, dass mit Blick auf die einschlägige ständige Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts (BVerfGE 10, 59 [66]; 53, 224 [245]; 62, 323 [330]; 105, 313 [345]; 128, 109 [125]; 131, 239 [259]; 133, 377 [409]) eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes) voraussetze . Ge- rade das sieht der Gesetzentwurf, über den heute abge- stimmt werden soll, ausdrücklich nicht vor . Ein späteres Gezerre vor dem Verfassungsgericht hilft nicht, sondern schadet der Sache . Und diese Sache ist gut: Unabhängig davon, ob die Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare künftig „Ehe“ heißen oder nicht: Es ist gut, wenn Menschen Ver- antwortung füreinander übernehmen . Das ist eine zutiefst konservative Haltung . Xaver Jung (CDU/CSU): Dem heute vorliegenden Antrag „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts“ werde ich in der vorliegenden Form zustim- men . Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Grundsätzlich wurde ich von der freien Abstim- mung über die Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts noch in dieser Legislaturperiode sehr über- rascht . Ich muss deutlich sagen, dass ich den Vertrauens- bruch unseres Koalitionspartners missbillige, vor allem da er einer Partei, die gerne den Bundeskanzler stellen würde, nicht würdig ist und wie ein verzweifelter Ver- such von Martin Schulz wirkt, nun auch mit solchen The- men Wahlkampf zu machen . Dennoch bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss gekommen, dass ich dem heutigen Antrag zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts zustimmen werde . Grundsätzlich ist für mich die Ehe die Verbindung zwischen Mann und Frau, und ich glaube, dass dies auch die Väter unseres Grundgesetzes so gesehen haben . Dennoch sehe ich es als meine Pflicht an, mich mit der Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts kri- tisch auseinanderzusetzen, da sie von einer Mehrheit der Bevölkerung bereits gesellschaftlich anerkannt ist und ebenfalls befürwortet wird . Zudem ist das Eintreten für konservative Werte nicht zwangsweise mit dem Festhal- ten an bisher immer dagewesenen Regelungen verbun- den . Denn ich bin mir bewusst, dass auch zwei gleich- geschlechtliche Menschen wie ein Ehepaar verbindlich füreinander einstehen können . Wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und damit auch traditionelle konservative Werte vertreten, dann sollten sie auch einen rechtlichen Schutz genießen können . Mein zweiter Standpunkt hat für mich überwogen, auch wenn ich glaube, dass eine andere Herangehens- weise zielführender gewesen wäre . Hier hätte in einer umfangreichen Debatte möglicherweise eine gleiche rechtliche Lösung für gleichgeschlechtliche Lebenspart- nerschaften gefunden werden können, ohne diese in den Begriff „Ehe“ einzubetten . Mit der Abstimmung über die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts haben wir zu Recht für einen entsprechenden Schutz für gleichgeschlechtliche Paare gesorgt . Jetzt muss es aber auch unser klares Ziel sein, die Förderung junger Fami- lien und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wieder mehr in den Vordergrund zu rücken . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Der vorlie- gende Gesetzentwurf des Bundesrates betrifft – ebenso wie die nicht debattierten Gesetzentwürfe der Oppositi- on zur selben Fragestellung – die Grundfesten unserer Gesellschaft . Ich halte daher eine breite Diskussion in Parlament und Öffentlichkeit unter Beteiligung der Kir- chen für dringend geboten . Dieses war jedoch aufgrund der kurzfristigen Aufsetzung des Tagesordnungspunktes nicht möglich . Zudem bin ich überzeugt, dass auch verfassungs- rechtliche Fragen noch unzureichend geklärt sind und womöglich eine Anpassung des Grundgesetzes mit den einfachgesetzlichen Änderungen einhergehen muss . Die kurzfristige Behandlung dieses Gesetzentwurfes widerspricht daher in mehreren Punkten einer guten Ge- setzgebung . Folgerichtig habe ich diesem Vorhaben heu- te nicht zugestimmt . Alois Karl (CDU/CSU): Zunächst möchte ich beto- nen, dass ich die Entscheidung von Menschen, die ihren Lebensentwurf in anderen Formen der Partnerschaft als der Ehe verwirklichen möchten, selbstverständlich res- pektiere . Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen werden grundlegende Werte unserer Gesellschaft gelebt . Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partner- schaft zusammenleben, toleriere ich selbstverständlich und werde ihr Zusammenleben niemals diskriminieren . Nach meiner Überzeugung ist dem Bedürfnis gleich- geschlechtlicher Lebenspartner nach Anerkennung und rechtlicher Absicherung mit dem Lebenspartner- schaftsgesetz bereits umfassend Rechnung getragen . Lebenspartnerschaften werden bereits in vielfacher Hin- sicht den Verhältnissen, die sich aus der gesetzlichen Ehe ergeben, gleichgesetzt . Keine Gleichstellung kann es beim Adoptionsrecht geben . In Fragen des Adoptionsrechts gilt nicht nur der Blickwinkel der Bezugspersonen, sondern ausschließlich der des Kindes . Die gesetzliche Gleichsetzung von Ehe und Nicht-Ehe im Bereich der Volladoption berücksich- tigt aus meiner Sicht das Wohl des Kindes gerade nicht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25227 (A) (C) (B) (D) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grund- satzurteil zur eingetragenen Lebenspartnerschaft vom 17 . Juli 2002 herausgestellt, dass die eingetragene Le- benspartnerschaft eine andere Form zur Ehe ist, aber kei- ne Ehe mit falschem Etikett . Darüber hinaus ist es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe in Artikel 6 Grundgesetzes grundsätzlich ver- wehrt, die grundgesetzlich geschützte Ehe mit anderen Lebensformen gleichzusetzen . Ich lehne daher eine vollständige Gleichsetzung aller Lebenspartnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau ab . Ronja Kemmer (CDU/CSU): Ich werde den zur Ab- stimmung stehenden Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts – Drucksache 18/6665 – ablehnen . Die rechtliche Gleichstellung zwischen der eingetra- genen Partnerschaft und der Ehe halte ich für richtig . Wer aus staatlicher Sicht Verantwortung füreinander über- nimmt und Werte lebt, der soll auch gleiche Rechte und Pflichten erhalten. Das Verfahren in dieser Woche lässt jedoch viele Fra- gen ungeklärt, so zum Beispiel hinsichtlich des Volladop- tionsrechtes sowie der Rolle und Definition der Begriffe von „Mutter“, „Vater“ und „Eltern“ und der bereits heute erhobenen Forderung, diese Begriffe geschlechtsneutral zu formulieren . Dies alles muss offen diskutiert werden, sowohl in der Gesellschaft als auch im Parlament, darf aber nicht ohne verfassungsrechtliche Sicherheit in ei- nem Hauruckverfahren beschlossen werden . Deswegen kann ich dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen . Markus Koob (CDU/CSU): In den vergangenen Jahren wurden zunehmend eingetragene Lebenspartner- schaften von Personen gleichen Geschlechts mit der Ehe von Mann und Frau gleichgestellt . So wurden unter ande- rem Auskunftsrechte, steuerliche und beamtenrechtliche Regelungen sowie Hinterbliebenenansprüche angepasst . Diese Angleichungen begrüße ich ausdrücklich . Viele dieser Angleichungen gingen auf Urteile des Bundesver- fassungsgerichtes zurück, das eine entsprechende Anglei- chung für rechtlich geboten erachtet hat . Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Recht- sprechung regelmäßig darauf verwiesen, dass die in Ar- tikel 6 des Grundgesetzes besonders geschützte Ehe die Verbindung von Mann und Frau bedeutet . Die Ehe von Mann und Frau unterscheidet sich von der eingetrage- nen Lebenspartnerschaft in dem Punkt, dass aus der Ver- bindung von Mann und Frau Kinder entstehen können, was für mich einen wesentlichen Aspekt des besonderen Schutzgebotes darstellt . Die Ehe von Mann und Frau und die eingetragene Lebenspartnerschaft haben gemein, dass in beiden Beziehungen verbindliche Verantwortung füreinander übernommen wird . Ich habe in meinem per- sönlichen Umfeld mehrere beeindruckende Beispiele dafür, wie in eingetragenen Lebenspartnerschaften Werte wie Liebe, Verantwortung, Verlässlichkeit und Vertrauen gelebt werden – unter auch heute oftmals immer noch schwierigeren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, als dies bei heterosexuellen Paaren der Fall ist . Diesen Umstand erkenne ich ausdrücklich an und hätte mir daher als Lösung gut vorstellen können, die Aufzählung des Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem Ehe und Familie geschützt werden, um die eingetragenen Le- benspartnerschaften zu erweitern . Damit wären diese auf das gleiche Schutzniveau gestellt worden, ohne dabei die Unterschiedlichkeit beider Verbindungen zu negieren . Da diese Option aber nicht zur Abstimmung steht, be- gründe ich mein Abstimmungsverhalten zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts wie folgt: Erstens . Das Bundesverfassungsgericht hat in stän- diger Rechtsprechung die Ehe als die Verbindung von Mann und Frau definiert. Eine Öffnung dieses Begrif- fes setzt daher nach meiner rechtlichen Überzeugung entweder eine Änderung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder eine Änderung des Grundgesetzes voraus . Eine einfachrechtliche Gesetzes- regelung halte ich hingegen nicht für ausreichend . Auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- schutz und das Bundesministerium des Innern sind in ihrer rechtlichen Einschätzung zu dem Ergebnis gekom- men, dass eine Erweiterung des Begriffs der Ehe eine Grundgesetzänderung erforderlich macht . Zweitens . Mit der Öffnung des Ehebegriffs auf ein- fachgesetzlicher Grundlage wird die oben erwähnte Verschiedenartigkeit der Beziehung von Mann und Frau einerseits und eingetragener Lebenspartnerschaften an- dererseits nicht hinreichend rechtlich gewürdigt . Aus diesen beiden Gründen werde ich dem Gesetz- entwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts nicht zustimmen . Ich bedaure, dass die Frage – in der man aus guten Gründen unterschiedliche Meinungen vertreten kann – auf diese in meinen Augen würdelose Art und Weise im Parlament noch vor der Sommerpause durchgedrückt wird . Der schnelle politische Erfolg, dem politischen Gegner noch schnell eins auszuwischen, wird seitens der SPD-Fraktion über die auch in der Unionsfraktion statt- findende breite und konstruktive Diskussion gestellt. Ich habe hohen Respekt für die Kolleginnen und Kol- legen, die in dieser Frage anders abstimmen . Niemand macht sich diese Abstimmung leicht, auch ich nicht . Den gleichen Respekt erwarte ich aber auch für die Positio- nierung derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die diesen Schritt nicht gehen wollen oder können . Uwe Lagosky (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf des Bundesrates „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen des gleichen Geschlechts“ (Drucksache 18/6665) werde ich nicht zustimmen . Als Christdemokrat erkenne ich an, dass in gleich- geschlechtlichen Lebenspartnerschaften familiäre Wer- te gelebt werden und Menschen gemeinsam ihren Le- bensentwurf verwirklichen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725228 (A) (C) (B) (D) Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich in der gesetzlichen Ausgestaltung nur noch geringfügig . Das Zustandekommen der rechtlichen Bindung, die ge- genseitigen Rechte und Pflichten, die gemeinsame Woh- nung, der gemeinsame Name, Erbrecht, Sozialrecht, Un- terhalt und sogar die Regelungen zur Scheidung wurden angeglichen . Im Hinblick auf Adoptionen gibt es jedoch Unterschiede . Eine Gleichstellung bei der Adoption fremder Kinder sehe ich kritisch . Aus meiner Sicht ist es erstrebenswert, einem Kind das Aufwachsen mit Elternteilen beider Ge- schlechter zu ermöglichen . Dies kann dank der zahlrei- chen adoptionswilligen Ehepaare gewährleistet werden . Für mein Abstimmungsverhalten ist das Kindes- wohl maßgeblich . Aus meiner Sicht ist die rechtliche Angleichung der Ehe und der gleichgeschlechtlichen Le- benspartnerschaft ausreichend, weshalb ich keinen An- lass für eine Änderung sehe . Die Art und Weise, wie diese Abstimmung herbeige- führt wurde, halte ich für misslungen . Zudem bin ich der Überzeugung, dass eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Homosexualität ist ein Teil menschlicher Normalität und eine natürliche Gegebenheit, die Respekt verdient . Die sexuelle Orien- tierung eines Menschen bedarf keiner Bewertung und duldet keine Diskriminierung . Die daraus erwachsenden Lebensformen haben ein Recht auf Akzeptanz, soweit sie nicht Grenzen überschreiten, die das Recht auf Schutz oder auf Selbstbestimmung anderer tangieren . Dies alles ist, soweit der Staat gefordert ist, mit der bis heute gelten- den Rechtslage vollumfänglich gewährleistet . Indem der Deutsche Bundestag nun jedoch die „Ehe für alle“ einführt, stellt er auch begrifflich auf eine Ebe- ne, was – bis auf Gleichheit im Adoptionsrecht – bisher schon rechtlich faktisch gleichgestellt ist . Die heutige Entscheidung verschafft gleichgeschlecht- lichen Partnerschaften keinen zusätzlichen Respekt, ent- wertet aber die Beziehung zwischen Mann und Frau . Nachdem andere Beziehungen als die zwischen Mann und Frau auch „Ehe“ heißen dürfen, kann dem Ehebe- griff nicht mehr zwingend die Fähigkeit zugeordnet wer- den, Keimzelle neuen Lebens zu sein . Darauf angelegten Beziehungen wird vielmehr jeder Alleinstellungsbegriff entzogen . Das Bestreben, Leben zu zeugen und weiter- zugeben, wird seiner besonderen Würde beraubt, seine einzigartige Funktion wird negiert . Wir erleben die parlamentarische Abbildung des dis- kriminierenden und herabwürdigenden Tons, in dem in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten die traditionelle Beziehung zwischen Mann und Frau medi- al und politisch behandelt wird . Dieser Ton spiegelt sich in Begriffen wie „Herdprämie“, „Heimchen am Herd“ „die drei ‚K‘ für die Frau“ wider . Solche Worte sind An- schläge auf Lebensleistungen, mit denen Generationen von Frauen posthum als hilflose Opfer einer patriarchali- schen Ordnung bevormundet werden . Diesen Frauen ver- danken wir aber die Existenz unseres Lebens . Außerdem wird suggeriert, dass bei diesen Frauen ausgeschlossen werden könne, dass sie mit ihrer Lebenslage zufrieden gewesen sein könnten . Dieser Umgang der Gesellschaft mit den Lebensauffassungen meiner Vorfahren ist zu ver- urteilen, auch deshalb, weil diese sich nicht mehr ver- teidigen können . Zu diesen Vorfahren gehören auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes . Mit der heutigen Entscheidung wird nicht die Ehe für alle eingeführt, sondern die Ehe für Mann und Frau ab- geschafft . Ich lehne diese Maßnahme ab, da damit eine Grundlage unserer Gesellschaft in Gefahr gebracht wird . Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers (CDU/CSU): Seit 23 Jahren bin ich Mitglied des Deutschen Bundestages . In dieser langen Zeit habe ich vieles erlebt – Höhen und Tiefen . Der rüde Umgang mit den Gepflogenheiten des Deutschen Bundestages, nämlich den Abgeordneten die Chance zu einer umfassenden und vertieften Diskus- sion zum Thema „Ehe für alle“ zu nehmen, erschüttert mich . Aus reinen Wahlkampfgründen scheut sich Martin Schulz nicht, quasi über Nacht diese hochsensible Ent- scheidung am Freitag auf die Tagesordnung des Par- laments zu stemmen . Ein so wichtiges Thema hätte es verdient, in der nächsten Legislaturperiode offen, ehrlich und tiefschürfend besprochen und dann entschieden zu werden . Jetzt wird es durchgeprügelt . Das geht mir gegen den Kamm . Genauso empört mich die perfide Attacke des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz auf die Bundes- kanzlerin, bei der er von einem „Anschlag auf die De- mokratie“ sprach . Das ist so ungeheuerlich, dass ich sie nicht weiter kommentieren möchte . Reden Sie bitte nicht mehr von Fairness und Würde, Herr Schulz! Ihr Verhal- ten ist stillos und eines Kanzlerkandidaten unwürdig . Meine heutige Entscheidung über die „Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare“ habe ich mir nicht leicht gemacht. Ich habe sie nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Abwägung getroffen . Auch zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gibt es natürlich Werte, die beispielhaft gelebt werden, Verbun- denheit und Treue . Letztlich geht es um eine Verbindung, in der sich zwei Menschen lieben und Verantwortung für- einander übernehmen . Bereits heute gibt es in der gesetzlichen Ausgestaltung kaum noch Unterschiede zwischen einer Ehe und einer Lebenspartnerschaft . Mit dem Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner hat der Bundestag Unter- schiede in der Behandlung von Ehe und Lebenspartner- schaft in zahlreichen Einzelgesetzen beseitigt und die rechtlichen Regelungen aneinander angeglichen . Mittlerweile gibt es auch bereits verschiedene Mög- lichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare, Kinder zu adoptieren: Ich nenne die Sukzessivadoption, die Stief- kindadoption und die Möglichkeit, im Ausland Adoptio- nen vorzunehmen . In Deutschland entscheiden Jugendämter und Fami- liengerichte darüber, in welche Obhut Kinder gegeben Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25229 (A) (C) (B) (D) werden . In jedem konkreten Einzelfall wird geprüft, ob die Adoption dem Kindeswohl dient – auch wenn ein Mann und eine Frau gemeinsam ein Kind adoptieren möchten . Ich bin überzeugt, dass keiner in unserer Gesellschaft die Zurücksetzung oder Missachtung von gleichge- schlechtlichen Paaren wünscht . Ich jedenfalls nicht . Innerhalb von drei Tagen soll jetzt aber ein Gesetzes- vorhaben beschlossen werden, dessen Verfassungsmä- ßigkeit von vielen Seiten bezweifelt wird . Nach Artikel 6 unseres Grundgesetzes stehen Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ . Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach deutlich ge- macht, dass mit Ehe ausschließlich eine auf Dauer ange- legte, auf freiem Entschluss und Gleichberechtigung be- ruhende und förmlich geschlossene Lebensgemeinschaft zwischen Frau und Mann gemeint ist . Als Jurist hätte ich mir gewünscht, im Rahmen eines geordneten Gesetzgebungsverfahrens die Frage zu klä- ren, ob für eine vollständige Gleichstellung eine Grund- gesetzänderung nötig ist . Die Bundeskanzlerin wollte mit ihrer Initiative gewiss den Weg dazu ebnen, nach der Bundestagswahl und einer ausführlichen parlamentarischen Beratung ein entspre- chendes Gesetz auf breiter Grundlage zu verabschieden, das alle Aspekte berücksichtigt . Diese Chance hat die SPD vertan – aus Machtstreben . Schade . All das hat mich letztlich bewogen, heute mit Nein zu stimmen . Mein Respekt gilt allen Kolleginnen und Kollegen für ihre individuelle Gewissensentscheidung . Antje Lezius (CDU/CSU): Wo gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten gegenseitig gewährt und übernom- men werden und wo das Füreinander-Einstehen zum ver- bindlichen Lebensziel erklärt wird, sollten deshalb auch gleichwertige rechtliche Maßstäbe angelegt werden . Aus diesem Grund befürworte ich die volle rechtliche Gleich- stellung der ‎eingetragenen Lebenspartnerschaft und setze mich dafür ein, dass neben der Ehe auch die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den besonderen Schutz unse- rer Verfassung in Artikel 6 Grundgesetz gestellt wird . Ich erkenne an, dass Kinder auch in Lebenspartner- schaften eine fürsorgliche sowie vertrauens- und liebe- volle Umgebung erfahren können . Angesichts der seit langem geübten Rechtspraxis von Jugendämtern, Kinder aus dem Kindeswohl abträglichen Familienverhältnis- sen auch in die Obhut gleichgeschlechtlicher Paare zu geben, und der bereits jetzt möglichen sukzessiven Ad- option von Kindern durch gleichgeschlechtliche Partner setze ich mich dafür ein, dass eingetragene Lebenspart- nerschaften die Möglichkeit zur Volladoption in einem Akt nach einer am Kindeswohl orientierten individuellen Einzelfallprüfung erhalten . Dennoch werde ich den zur Abstimmung stehen- den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts nach reiflicher Überlegung ablehnen: Nach ständiger, auch jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht der Ehebegriff des Grundgesetzes von einer Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe aus . Eine Um- definition des Begriffs „Ehe“, der in erster Linie histo- risch, kulturell und religiös besetzt ist, kann nach mei- nem Rechtsverständnis nicht einfachgesetzlich ohne eine Verfassungsänderung erfolgen . Die nach Artikel 1 des Grundgesetzes geschützte Wür- de der Person ist unumstritten nicht abhängig von ihrer sexuellen Orientierung . Ebenso unbestreitbar ist der We- sensgehalt des traditionellen Eheverständnisses, der sich aus der expliziten Verbindung von Mann und Frau ergibt . Dazu gehört auch die Tatsache, dass nur in der Paar- konstellation von Mann und Frau Kinder gezeugt und Leben weitergegeben werden kann . Deshalb kann eine „eheliche“ Verbindung nicht für „alles“ stehen und unter- scheidet sich von der eingetragenen Lebenspartnerschaft . Allein diese sprachliche Differenzierung von „Ehe“ und „eingetragener Lebenspartnerschaft“ begründet für sich genommen keine Diskriminierung, die zu gesetzlichem Handeln zwingt . Die „Ehe für alle“ ist explizit nicht Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD . Ich bedaure, dass die SPD aus wahltaktischen Gründen zum Ende der Legislaturperiode in einem konfrontativen Verfahren eine Abstimmung erzwingt . Dieser bewusst kalkulierte Vertrauensbruch und die daraus resultieren- den parlamentarischen Abläufe werden der gesellschaft- lichen, normativen und auch emotionalen Tragweite der Thematik nicht gerecht und verhindern so einen mögli- chen breiteren Konsens . Andrea Lindholz (CDU/CSU): Die Vorgehenswei- se der SPD-Bundestagsfraktion in dieser Frage verstößt gegen den Koalitionsvertrag, gegen das Prinzip der Ko- alitionstreue und gegen die parlamentarischen Gepflo- genheiten . Es ist offensichtlich, dass der nun erfolgte Vertrauensmissbrauch der SPD nicht der Sache, sondern allein dem beginnenden Wahlkampf geschuldet ist . Die plumpe Forderung nach einer „Ehe für alle“ erachte ich als eine unwürdige Verkürzung einer sehr sensiblen The- matik . Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit ihrem oppor- tunistischen Vorgehen ihrem Ansehen als Regierungspar- tei und verlässlicher Koalitionspartner enorm geschadet . Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ist der Ehe rechtlich bereits weitgehend gleichgestellt . Ich begrüße diesen gesellschaftlichen Wandel, da auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind . Das verdient Anerkennung . Es ist richtig, dass der Staat mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine eigene Institution dafür vorhält . Jegliche Form von Diskrimi- nierung gegenüber diesen Partnerschaften lehne ich ent- schieden ab . Dem vorliegenden Gesetzentwurf kann ich aus mehr- facher Hinsicht nicht zustimmen: Erstens . Änderungen des Grundgesetzes dürfen nicht durch einfachgesetzliche Regelungen erfolgen . Die Bundesregierung schrieb 2015 unter Federführung des Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725230 (A) (C) (B) (D) Bundesjustizministers in ihrer Antwort auf Drucksa- che 18/4862 auf Seite 5: „Mit Blick auf die einschlägi- ge ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungs- gerichts (BVerfGE 10, 59 [66]; 53, 224 [245]; 62, 323 [330]; 105, 313 [345]; 128, 109 [125]; 131, 239 [259]; 133, 377 [409]) würde eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes) voraussetzen .“ Im Gegensatz zur SPD und ihrem Bundesjustizminister teile ich weiterhin diese Rechtsauffassung . Die Väter und Mütter des Grundgesetzes interpretierten das Rechtsin- stitut der Ehe zweifelsfrei als eine auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau . Bis heute folgen alle gängigen Rechtskommentare dieser Interpretation . Für eine Änderung des Rechtsbegriffes der Ehe wäre eine Grundgesetzänderung und dementsprechend eine Zwei- drittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag erforderlich . Eine eindeutige verfassungsändernde Mehrheit könnte maßgeblich zur Befriedung dieses umstrittenen Themas beitragen . Zweitens . Mir geht es um eine wertfreie Differenzie- rung . Die Privilegierung der Ehe zwischen Mann und Frau ist sachlich begründet und basiert auf ihrer natür- lichen Veranlagung, Kinder hervorbringen zu können . Aus diesem Grund bezeichnet das Bundesverfassungs- gericht in seinem Urteil von 2002 die gleichgeschlecht- liche Lebenspartnerschaft als ein aliud zur Ehe mit der Begründung: „Nicht ihre Bezeichnung begründet ihre Andersartigkeit, sondern der Umstand, dass sich in der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht Mann und Frau, sondern zwei gleichgeschlechtliche Partner binden kön- nen . In ihrer Gesamtheit geben die Strukturprinzipien, die die Ehe kennzeichnen, dieser die Gestalt und Ex- klusivität, in der sie als Institut verfassungsrechtlichen Schutz erfährt .“ (1 BvF 1/01) Im Ergebnis beschränkt der vorliegende Gesetzentwurf die Begründung für die Privilegierung der Ehe auf eine dauerhafte Verbindung zwischen zwei Menschen . Diese Verkürzung wirft zahl- reiche Fragen auf . Eine Grundgesetzänderung würde die Möglichkeit eröffnen, den Schutz von Ehe und gleich- geschlechtlicher Lebenspartnerschaft verfassungsrecht- lich anzugleichen, ohne dabei offensichtlich Ungleiches gleich zu machen . Drittens . Der Antrag sieht das Recht auf Volladoption vor. Im Gegensatz zur Pflegeelternschaft begründet der Staat bei der Adoption ein neues Verwandtschaftsver- hältnis mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten. Damit besteht zwischen Adoption und Pflege ein funda- mentaler Unterschied . Als Fachanwältin für Familien- recht halte ich es für unabdingbar, dass das Kindeswohl ausschließliches Entscheidungskriterium bleibt und der Kinderwunsch nachrangig behandelt wird . Vater und Mutter sind als Bezugspersonen für das Kindeswohl von elementarer Bedeutung . Ebenso sind ein adäquates Einkommen und ein angemessenes Alter der Adoptivel- tern unerlässliche Voraussetzungen . Diese Vorgaben sind nicht als Diskriminierung gegenüber einkommensschwä- cheren, älteren oder gleichgeschlechtlichen Adoptivel- tern zu werten, sondern dienen allein dem alles überra- genden Kindeswohl . Auch in diesem Punkt würde eine Grundgesetzänderung die Möglichkeit zur Differenzie- rung eröffnen . Der vorliegende Gesetzentwurf verhindert aber, dass über diesen Punkt überhaupt debattiert und verhandelt werden kann . Ich bedaure sehr, dass sich SPD, Bündnis 90/Die Grü- nen und die Linke für dieses unwürdige Verfahren ent- schieden haben, das dem Thema nicht ansatzweise ge- recht wird . Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU): Erstens zur Sache: Ich wertschätze alle auf Dauer, Verbindlich- keit und wechselseitige Verantwortung angelegten Part- nerschaften . In besonderer Weise werden diese Werte in der Ehe und in der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwirklicht . Sie sind gut für das Zusammenleben in un- serer Gesellschaft und entscheidend für deren Zukunft . Wo gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten gegensei- tig gewährt und übernommen werden und wo das Fürei- nander-Einstehen zum verbindlichen Lebensziel erklärt wird, sollen auch gleiche rechtliche Maßstäbe angelegt werden . Deshalb befürworte ich die volle rechtliche Gleich- stellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft und setze mich dafür ein, dass neben der Ehe auch die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den besonderen Schutz unse- rer Verfassung in Artikel 6 des Grundgesetzes gestellt wird Diese rechtliche Gleichstellung ist insbesondere beim Adoptionsrecht noch nicht vollzogen . Die bestehenden Unterschiede sollten ebenso angeglichen werden . Trotz rechtlicher Gleichstellung und hoher Wertschät- zung, die ich beiden Rechtsinstituten zukommen las- se, sind sie für mich aber nicht identisch . „Ehe“ ist ein zentraler historischer, kultureller, religiöser und gesell- schaftlich geprägter Begriff . Zum Wesensmerkmal einer Ehe gehört danach, dass sie eine auf Lebenszeit angeleg- te Verbindung von Mann und Frau ist . Die Frage ist nun, ob „gleiches Recht“ auch den An- spruch meint, diesen Begriff umzudeuten – und das selbst dann, wenn davon keine weiteren substanziellen Rechte abhängen . Für mich ist es dagegen wichtig und legitim, weiter eine begriffliche Unterscheidung zu machen. Un- terschiedliches darf und muss man auch unterschiedlich benennen können . Jede faktische Diskriminierung muss unterbunden werden . Ich bin allerdings auch der Mei- nung, dass Differenzierungen allein nicht schon Diskri- minierung sind . Zweitens zum Verfahren: Ich halte es für eine richtige Entscheidung der Fraktionsspitze, bei diesem Thema den Fraktionszwang aufzuheben und damit der persönlichen Gewissensfreiheit jedes einzelnen Bundestagsabgeord- neten, die immer besteht, ausdrücklich mehr Raum zu geben . Nach ständiger auch jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht der Ehebegriff des Grundgesetztes in Artikel 6 von einer Verschiedenge- schlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe aus. Eine Neudefinition des Begriffs Ehe kann nach mei- nem Rechtsverständnis deshalb auf keinen Fall einfach- gesetzlich ohne eine Verfassungsänderung erfolgen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25231 (A) (C) (B) (D) „Ehe für alle“ ist explizit nicht Bestandteil des ak- tuellen Koalitionsvertrages . Das Verhalten der SPD in dieser Frage verstößt gegen die vertraglich vereinbarten Kooperationsbedingungen dieser Koalition . Das nenne ich einen kalkulierten Vertrauensbruch . Es ist unseriös, das Thema gegen alle getroffenen Vereinbarungen in der letzten Sitzungswoche auf die Tagesordnung des Deut- schen Bundestages zu setzen . Das wird der gesellschaft- lichen, normativen und auch emotionalen Tragweite die- ser Entscheidung in keiner Weise gerecht . Stattdessen wäre ein seriöses parlamentarisches Ver- fahren dringend geboten, wie das auch bei anderen The- ma, bei denen der Fraktionszwang aufgehoben wurde, selbstverständlich war . Drittens zu meinem Votum: Es geht im Gesetz allein um die Zivilehe, die sich von dem kirchlichen Ehever- ständnis, das mich als überzeugte Katholikin prägt, schon heute sehr unterscheidet . Meine eigene religiöse Über- zeugung kann und will ich niemandem überstülpen . Ich persönlich habe außerdem durch viele Gespräche und vor allem durch persönliche Begegnungen mit gleichge- schlechtlichen Paaren viel dazugelernt . Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Ar- gumente werde ich aber den Gesetzentwurf des Bundes- rats zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache 18/6665) aus den genannten Gründen ablehnen . Weitere Anmerkungen: Nicht nur angesichts der schon längst geübten Rechts- praxis bei uns im Land setze ich mich dafür ein, dass eingetragene Lebenspartnerschaften die Möglichkeit zur Volladoption in einem Akt nach einer am Kindeswohl orientierten Einzelfallprüfung (wie bei anderen Paaren auch üblich) erhalten . Wir erlauben in Deutschland die Eigenkindadoption und ermöglichen die Sukzessivadop- tion . Wir geben nach sorgfältiger Prüfung, die bei allen übrigen Verfahren auch nötig ist, Pflegekinder auch in gleichgeschlechtliche Paarhaushalte . So bleibt „ledig- lich“ eine Unterscheidung bei der Fremdkindadoption . Es gibt keine überzeugenden Argumente, in dieser Situ- ation eine Fremdkindadoption weiterhin grundsätzlich abzulehnen . Wir haben in Deutschland hervorragende Fachdienste, die die Adoptionsverfahren durchführen und nach ausführlicher Prüfung nach bewährten Kriteri- en im Sinne des Kindeswohles Einzelfallentscheidungen treffen . Diese sollten zukünftig auch bei Fremdkindad- optionen bei gleichgeschlechtlichen Paaren Anwendung finden. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von einer gesetzlichen Neuregelung natürlich un- berührt . Schon jetzt unterscheiden sich das Konzept der Zivilehe und das katholische sakramentale Eheverständ- nis in Blick auf die Voraussetzungen für eine mögliche Eheschließung und die Definition von Ehe. Die Kirche definiert für sich, was das Sakrament der Ehe ausmacht. Und gleichzeitig gilt: Welche Christin und welcher Christ könnte Liebe, Treue, lebenslange Verantwortung und Sorge zwischen zwei Frauen oder zwei Männern ab- werten wollen? Es wird der besondere Schutz von Ehe und Familie nicht ausgehöhlt, wenn eingetragene Lebenspartner glei- che Rechte erhalten . Es wird deshalb keine Ehe weniger geschlossen und kein Kind weniger geboren . Besonders bemerkenswert an der aktuellen Debatte ist für mich die parteiübergreifende Selbstverständlichkeit, mit der die Ehe nun zur entscheidenden Säule der deut- schen Gesellschaft erklärt wird . Das ist im guten Sinne konservative Politik, die hier die Agenda bestimmt . Ehe und Familie stark zu machen und zu fördern, ist nicht nur ureigenes CDU-, sondern ganz besonders auch kirchli- ches Anliegen . Hier sehe ich noch große Aufgaben und eine besondere Verantwortung für den Gesetzgeber, aber auch für die Kirchen, um für unterstützende Rahmen- bedingungen zu sorgen . Ich gehe davon aus, dass das CDU-Wahlprogramm 2017 dafür klare Zeichen setzen wird . Karin Maag (CDU/CSU): Die baden-württembergi- sche Landeshauptstadt, die ich vertrete, ist eine weltoffe- ne und tolerante Stadt, eine Stadt, in der man tagtäglich erleben kann, dass Menschen gleichen Geschlechts für- einander Verantwortung übernehmen mit dem Ziel, den Lebensweg gemeinsam zu gehen . Als die gesetzliche Le- benspartnerschaft vor 14 Jahren eingeführt wurde, war es mir in meiner damaligen Funktion als Büroleiterin des Stuttgarter Oberbürgermeisters wichtig, dass diese nicht irgendwo in einem Hinterhof geschlossen wird, sondern ein würdiger Rahmen gegeben ist . Denn diese eingetra- genen Lebensgemeinschaften sollen eine gleiche Würdi- gung wie die Ehe erfahren . Darauf haben in der Folgezeit viele gesetzliche Regelungen abgezielt . Trotzdem lehne ich den zur Abstimmung stehen- den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge- schlechts (Drucksache 18/6665) ab; denn für mich sind noch zu viele Fragen offen: Erstens . Bisher zielt der in der Verfassung veran- kerte Ehebegriff auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner ab . Um die Ehe überhaupt für gleichge- schlechtliche Paare zu öffnen, bedürfte es nach meinem Rechtsverständnis einer entsprechenden Verfassungsän- derung . Zweitens . Ein ganz zentrales Thema, das mich ganz besonders beschäftigt, ist das Thema Kinder . Selbstver- ständlich können Kinder in Lebenspartnerschaften beste Lebens- und Entwicklungschancen vorfinden. Fakt ist aber, dass bei gleichgeschlechtlichen Verbindungen mit Blick auf Familiengründung das Adoptionsrecht die zen- trale Rolle schlechthin spielt . Deshalb bedarf es gerade in diesem Bereich einer entsprechend ausführlichen und angemessenen abschließenden Diskussion im Vorfeld . In diesem sensiblen Bereich nachzujustieren, ginge gege- benenfalls zulasten der Kinder – was aus meiner Sicht unvertretbar wäre . Drittens . Die Bürgerinnen und Bürger, die wir ver- treten, erwarten zu Recht, dass wir uns für Themen, die eine große gesellschaftliche Tragweite haben – und dazu gehört für mich zweifelsohne dieser Gesetzentwurf –, ge- nügend Zeit nehmen . Natürlich kann man dagegenhalten, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725232 (A) (C) (B) (D) dass wir in der Vergangenheit immer wieder über dieses Thema gesprochen haben . Für mich macht es aber einen großen Unterschied, ob man einfach darüber nur spricht oder ob man darüber spricht mit dem Ziel, das Ganze in eine Form zu gießen . Da gilt es, Voraussetzungen und Fakten genau zu prüfen . 72 Stunden – das wiederhole ich gerne – sind für mich nicht angemessen . Für das wahltak- tische Vorpreschen des Koalitionspartners SPD entgegen allen Absprachen habe ich kein Verständnis . Yvonne Magwas (CDU/CSU): Ich werde dem Ge- setzentwurf zur Öffnung der Ehe nicht zustimmen . Ich hatte dazu in den vergangenen Tagen sehr viele Gesprä- che und einen regen Austausch mit Bürgerinnen und Bür- gern . Diese waren stets geprägt von hohem Respekt und Toleranz gegenüber den verschiedenen Lebensformen . Meine Meinung ist ausdrücklich kein Votum gegen homosexuelle Frauen und Männer, deren Verantwortung füreinander und Liebe zueinander ich vollumfänglich sehe, sondern es ist erstens ein Votum für die Ehe, so wie wir sie auch als CDU in unserem Grundsatzprogramm beschlossen haben . Viele Menschen verstehen die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau, vor allem deshalb, weil daraus neues Leben, gemeinsame Kinder, entstehen können . Im Übrigen hat dies auch die Kanzlerin in ihrem Interview der Zeitschrift Brigitte deutlich herausgestellt . Sowohl in der Ehe als auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaf- ten werden oft die gleichen Werte vermittelt . Für viele Menschen sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften weder besser noch schlechter, sie sind nur anders . Gleiches ist nach dem allgemeinen Gleichheitssatz unseres Grundgesetzes gleich zu behandeln . Ungleiches aber eben nicht . Es gibt hier aktuell keine Diskriminie- rung . Die Ehe und die gleichgeschlechtliche Partner- schaft haben gleiche Rechte und Pflichten. Einzig das volle Adoptionsrecht begründet nur die Ehe . Hier geht es aber nicht um Rechte der Erwachsenen, sondern der Kin- der . Um das Kindeswohl . Darüber, ob dem in gleichge- schlechtlichen Partnerschaften gleichermaßen Rechnung getragen wird, sprechen wir bereits länger . Diese Debatte muss weitergeführt werden . Aus diesen Gründen, damit komme ich zum zweiten Punkt meiner Stellungnahme, wäre eine intensivere und verantwortliche Debatte nötig und wichtig gewesen . Viele Fragen, die mir die Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Tagen stellten, sind auch für mich noch nicht beantwortet, beispielsweise ob es einer Grundge- setzänderung bedarf oder nicht, ob es wirklich der Be- griff der „Ehe“ für gleichgeschlechtliche Partnerschaften sein sollte . Diese Fragen sind tiefgreifend und nicht bin- nen dreier Tage zu beantworten . Auch das hat die Bun- deskanzlerin in ihrem oben genannten Interview deutlich gesagt . Jetzt im Wahlkampf ist es eine populistische Hau- ruckaktion . In meinen Augen versucht die SPD, wenige Wochen vor der Bundestagswahl die Union auf Kosten des Zusammenhalts der Gesellschaft vor sich herzutrei- ben, was ich nicht mitmache . Die SPD hat mit ihrem Verhalten einen Vertrauens- bruch in der Koalition begangen . Es ist ein weiteres Zei- chen, dass die rot-rot-grüne Mehrheit steht . CDU und CSU haben ihre Position in diesen Tagen nicht geändert . Wir haben alle uns im Verfahren stehenden Möglichkei- ten, diese Abstimmung zu verhindern, genutzt . Leider letztlich erfolglos . Die Mehrheit entscheidet in der De- mokratie . Das ist zu akzeptieren . Inakzeptabel ist aber die Art und Weise, die an das ein oder andere Verhal- ten von US-Präsident Trump erinnert . Herr Schulz sollte besser das nächste Mal in den Spiegel schauen, bevor er US-Präsident Trump kritisiert . Dr. Thomas de Maizière (CDU/CSU): Bei der Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- rung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts habe ich mit Nein gestimmt . Ich begründe mein Abstimmungsverhalten wie folgt: Erstens . Das Gesetzgebungsverfahren weist Mängel auf; es hat keine Anhörung zu diesem Gesetz gegeben . Die Aufsetzung erfolgt nur aus wahlkampftaktischen Gründen . Zweitens . Nach meiner Auffassung hätte die Verab- schiedung dieses Gesetzes einer vorherigen Änderung des Grundgesetzes bedurft . Die Annahme, das Bundes- verfassungsgericht werde dem Gesetzgeber schon folgen und seine bisherige Rechtsprechung ändern, ist mit er- heblichen verfassungsrechtlichen Bedenken verbunden und wird von der dieses Gesetz unterstützenden Gruppie- rung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei bei anderen Gesetzesvorhaben – etwa zum Sicherheits- bereich – strikt abgelehnt . Drittens . Das Gesetz ist so gar nicht vollziehbar . Es bedarf umfangreicher begleitender Regelungen im Per- sonenstandsrecht, um die praktische Umsetzung in den Standesämtern zu gewährleisten und Unklarheiten zu beseitigen . Dass diese begleitenden Regelungen nicht erfolgt sind, spricht für die nur politisch zu erklärende Hektik dieses Gesetzgebungsverfahrens . Unklar nach diesem Gesetz sind zum Beispiel die Mo- dalitäten des Verfahrens bei der Eheschließung als Um- wandlungserklärung und deren Beurkundung im Ehere- gister, die Modalitäten der Beurkundung der Auflösung einer Lebenspartnerschaft im Lebenspartnerschaftsre- gister durch Umwandlung in eine Ehe – wobei zudem unklar ist, ob die bisherige Lebenspartnerschaft aufge- löst oder nur gegenstandslos wird –, die Anpassung der elektronischen Registerführung und der elektronischen Datenübermittlung der Standesämter an andere Standes- ämter und Behörden sowie die Tatsache, dass aus dem Gesetzentwurf nicht klar hervorgeht, welches Datum als Eheschließungsdatum zu beurkunden ist . Möglich wäre der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft oder der Tag der Eheschließung . Würde der Tag der Eheschlie- ßung beurkundet, ohne dass die Lebenspartnerschaft auf der Urkunde vermerkt wird, könnten die in der Zeit der Lebenspartnerschaft erworbenen Ansprüche etwa famili- en- oder erbrechtlicher Art verloren gehen . Viertens . Für mich als Christ ist die Ehe die auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau . Eine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25233 (A) (C) (B) (D) Diskriminierung anderer auf Dauer angelegter, verant- wortlicher Zweierbeziehungen soll damit nicht verbun- den sein . Entscheidend ist, dass die Rechtsfolgen einer Lebenspartnerschaft keine Diskriminierungen gegen- über einer Ehe bedeuten . Insoweit ist das Anliegen des Gesetzentwurfs berechtigt. Allein auf die Begrifflichkeit der Ehe abzustellen zeigt, dass es hier in Wahrheit um Symbolpolitik geht . Gisela Manderla (CDU/CSU): Ich stimme dem Ge- setz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Per- sonen des gleichen Geschlechts (Drucksache 18/6665) aus Verfahrensgründen nicht zu . Eine Entscheidung, die erhebliche Implikationen für das Grundgesetz mit sich bringt und gegen die substanzielle verfassungsrechtli- che Bedenken vorliegen, darf nicht leichtfertig „über das Knie gebrochen“ werden . Das gilt insbesondere für die bedenkliche Art und Weise der Herbeiführung dieser Ab- stimmung, die in meinen Augen nichts anderes als einen durchsichtigen Versuch darstellt, mittels wahlkampftak- tischer Manöver aus der Regierungsverantwortung aus- zuscheren . Die Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwoch, in der die SPD ihr wahres Gesicht gezeigt und gemeinsa- me Sache mit den Grünen und Linken gemacht hat, hat klar gezeigt, wie wenig sich die Sozialdemokraten um den Wählerauftrag und die darauf ausgerichtete Koali- tionsvereinbarung scherten . Das ist unverantwortlich, gefährdet das Vertrauen in politisches Handeln und wirft zugleich ein bedenkliches Licht darauf, was unser Land unter einer möglichen rot-rot-grünen Koalition zu erwar- ten hätte . Ich wünsche mir, dass wir diese Debatte in einem breitangelegten öffentlichen Diskurs führen, der alle relevanten Positionen angemessen einbezieht und die verfassungsrechtlichen Bedenken im Vorfeld so gut es geht ausräumt . Dies ist aber beim heute vorliegenden Gesetzentwurf und mit Blick auf den absurden und letzt- lich gefährlichen Aktionismus des rot-rot-grünen Bünd- nisses nicht passiert . Deshalb kann ich dem Gesetz nicht zustimmen . Jan Metzler (CDU/CSU): Mir ist bewusst, dass die Öffnung der Ehe kontrovers diskutiert wird und es auf beiden Seiten nachvollziehbare Argumente gibt . Gera- de weil meine Heimat christlich und traditionell geprägt ist, habe ich mir die Entscheidung keineswegs leicht gemacht . Dabei bin ich sehr dankbar für die unzähligen Briefe, Anrufe und E-Mails, die mich erreicht haben . Nach vielen sehr persönlichen Gesprächen mit Befür- wortern und Gegnern überwiegen für mich am Ende aber die Argumente für eine Öffnung . Um es deutlich zu ma- chen: Es geht um die Öffnung der Zivilehe, nicht um eine Öffnung der kirchlichen . Ich halte es gerade bei einer solch emotionalen Debat- te für geboten, Befürwortern und Gegnern, sei es in der Politik oder in der Bevölkerung, mit Respekt vor ihrer Haltung und Meinung zu begegnen . Menschen, denen es aus welchen Gründen auch immer schwerfällt, eine Öff- nung der Ehe zum jetzigen Zeitpunkt oder auch generell zu unterstützen, als rückständig oder gar homophob zu diffamieren, entspricht nicht meiner Vorstellung einer sachlichen Debatte . Wer Verständnis für die eigene Posi- tion erwartet, sollte auch der anderen ein Mindestmaß an Respekt entgegenbringen . In der Sache ist die Öffnung der Ehe für Paare glei- chen Geschlechts der letzte logische Schritt einer etap- penweisen Angleichung der Rechte von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren . Dass dabei in den vergan- genen fast 20 Jahren die rechtliche Gleichstellung nach und nach umgesetzt wurde und eine Entwicklung durch- lief, halte ich für grundlegend und entscheidend für die heutige Debatte . Denn nur so konnten mit jedem Schritt die Akzeptanz und die Selbstverständlichkeit in der Ge- sellschaft und auch in den politischen Parteien mehr und mehr wachsen . Der Deutsche Bundestag kommt dieser gesellschaftlichen Entwicklung mit der heutigen Abstim- mung nach . Meine Zustimmung zur Öffnung der Zivilehe ent- spricht dabei Werten, die mich in meinem Leben und meiner Politik prägen und leiten: Entscheidend ist für mich nämlich der Wille und das Bekenntnis, verbindlich und mit allen Konsequenzen füreinander einzustehen . Wenn zwei Menschen diese gegenseitige Verantwor- tung für Zusammenhalt und Verlässlichkeit übernehmen wollen und dies vor dem Staat vertraglich erklären und besiegeln, dann sind dies für mein Verständnis zutiefst bürgerliche Grundwerte, für die auch – und vielleicht so- gar zuallererst – die CDU steht . Ehe bedeutet Rechte, aber auch finanzielle und für- sorgliche Pflichten und darüber hinausgehende Verbind- lichkeiten für beide Partner . Deshalb widerspreche ich vehement dem Argument, dass sich aus der rechtlichen Öffnung eine Beliebigkeit des Begriffs Ehe ableiten lässt . Das greift zu kurz und wird der Institution Ehe per De- finition nicht gerecht. Denn den Wert der Ehe danach zu bemessen, ob gleichgeschlechtliche Paare ebenfalls heiraten dürfen oder nicht, halte ich für falsch . Eine Ehe zwischen Mann und Frau steht in keiner Weise in Konkurrenz zu einer Ehe gleichgeschlechtlicher Partner . Auch wird der Schutz von Ehe und Familie weder auf- geweicht noch aufgehoben . Familien und Kinder bleiben Fundament unserer Gesellschaft . Das Verständnis von Ehe hat sich im Laufe der Zeit stets gewandelt und war beispielsweise im 19 . Jahrhundert und sogar bis weit in das 20 . völlig anders geprägt, als wir dies heute sehen . In den letzten Jahrzehnten hat sich ein weiterer Wan- del in der Wahrnehmung von Partnerschaft und Ehe voll- zogen . Dem sollten wir nun auch rechtlich nachkommen . Darum bin ich für die Öffnung der Ehe und stimme heute dem vorliegenden Gesetz zu, das eine Änderung des Bür- gerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsieht . Allerdings ist die Art und Weise, wie wir uns nun parlamentarisch mit der Öffnung der Ehe im Deutschen Bundestag befassen, mehr als unwürdig: Eine 38-Minu- ten-Debatte, anberaumt in aller Kurzfristigkeit und in die laufende Tagesordnung des letzten Sitzungstages dieser Legislaturperiode gepresst, halte ich keineswegs für ei- nen ernsthaften und angemessenen Umgang mit diesem gesellschaftspolitisch so wichtigen Thema . Darüber hi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725234 (A) (C) (B) (D) naus ist das Ausschlachten dessen für Wahlkampfzwecke mehr als beschämend . Ich persönlich hätte eine Vereinbarung darüber, sich zu Beginn der nächsten Legislatur in aller Sorgfalt und Ausführlichkeit mit dieser Gewissensfrage zu befassen, für würdiger und auch für symbolträchtiger erachtet . Erst dann wäre die Debatte zu einer Sternstunde des Parla- mentarismus geworden statt zu einer Ad-hoc-Abstim- mung im Hauruckverfahren . Maria Michalk (CDU/CSU): Dem vorliegenden Ge- setzentwurf werde ich nicht zustimmen . In Deutschland ist mit dem Lebenspartnerschaftsge- setz der Schutz von Familien auch für die Lebenspart- nerschaften von Personen gleichen Geschlechts geregelt . Bis auf die Möglichkeit der Volladoption sind alle Unter- schiede beseitigt worden . Die wertvolle Verbindung zwischen zwei Frauen oder zwei Männern, die sich zu einer rechtlich geordneten Le- bensgemeinschaft finden, in der sie eine die gegenseitige Verantwortung bejahende Haltung zeigen, ist geschützt . Der Schutz ist auch zum Wohle vorhandener Kinder an- gelegt . Aus meiner Sicht ist faktisch keine Diskriminie- rung vorhanden . Artikel 6 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes ge- währt der Ehe einen besonderen Schutz der staatlichen Ordnung . Der Staat hat alles zu unterlassen, was die Ehe schädigt oder ihr abträglich ist . Dem Begriff der Ehe liegt dabei von alters her die selbstbestimmte, auf Dauer an- gelegte Beziehung zwischen Mann und Frau zugrunde . Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner ständi- gen Rechtsprechung – zuletzt in seiner Entscheidung vom 7 . Mai 2013 (2 BvR 909/06 – Rn 81) über das Ehe- gattensplitting – von dieser grundsätzlichen Differen- zierung nicht abgewichen: In allen seinen Urteilen zur Schutzweite des Grundrechts postuliert das Gericht stets die Verschiedengeschlechtlichkeit der Beziehung als We- sensmerkmal des Instituts der Ehe . Das unterstreicht nach meiner Auffassung die Ein- zigartigkeit der Ehe, der zugrunde liegt, dass allein die Beziehung zwischen Mann und Frau prinzipiell die Wei- tergabe von Leben ermöglicht . Es steht dem Staat offen, in einer Werteentscheidung die besondere Privilegierung des Eheinstituts zu regeln, um diesem Umstand der po- tenziellen Elternschaft Rechnung zu tragen . Das ist für die Zukunft unserer Gesellschaft weiterhin unverzicht- bar . Die bisherige rechtliche Angleichung der eingetrage- nen Lebenspartnerschaft an das Institut der Ehe durch das Lebenspartnerschaftsgesetz berührt den Wesensge- halt dieses besonderen eherechtlichen Schutzgedankens des Artikels 6 I GG deshalb nicht, weil die Lebenspart- nerschaft sich von der Ehe durch die Gleichgeschlecht- lichkeit der Partner unterscheidet . Schon wegen dieses Unterschiedes mit der Ehe konkurrieren beide Institute nicht miteinander, und die Lebenspartnerschaft kann dem Institut der Ehe daher auch nicht abträglich sein . Es erschließt sich mir nicht, warum die Unterschiedlich- keit – im Wortsinne – aufgegeben werden sollte . In Anbetracht der tiefgreifenden gesellschaftspoliti- schen Bedeutung dieser familienrechtlichen Gesetzesän- derung wäre es gut, die Debatte nicht einem kurzfristigen Kalkül und schon gar nicht der Emotionalität des Wahl- kampfes zu opfern, sondern sie mit Klugheit, mit Weit- blick und mit dem Ziel eines großen gesellschaftlichen Konsenses zu führen . Deshalb stimme ich dem Gesetz nicht zu . Karsten Möring (CDU/CSU): Grundlegende Werte wie Liebe, Treue, Geborgenheit und Verlässlichkeit in einer auf lebenslange Dauer angelegten Beziehung wird auch von gleichgeschlechtlichen Paaren gelebt . Dort, wo gleiche Werte, Rechte und Pflichten beiderseits gelten und Menschen füreinander einstehen, sollen auch gleiche rechtliche Maßstäbe gelten . Die rechtliche Gleichstel- lung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ist durch das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft weitestgehend gegeben . Offen ist hier allein noch das un- eingeschränkte Adoptionsrecht . Nach den vorliegenden Erfahrungen und der Praxis der Adoptionsbehörden, die am Kindeswohl orientiert sind, würde ich einem unein- geschränkten Adoptionsrecht zustimmen . Dies jedoch steht nicht zur Abstimmung . Die Vorstellung eines Rechts auf Eheschließung für Personen des gleichen Geschlechts verkennt die Bedeu- tung der „Ehe“ . Ehe ist aus kulturellen, religiösen und verfassungsrechtlichen Gründen eindeutig als Verbin- dung von Mann und Frau bestimmt . Nur in der Verbin- dung von Mann und Frau können auf natürliche Weise Kinder geboren werden . Das ist das Einmalige und Be- sondere dieser Verbindung . Und deshalb bestimmt das Grundgesetz an prominenter Stelle im Artikel 6: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung .“ Und deshalb auch hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Urteil zum Ehegattensplitting 2013 diese Auf- fassung mit dem Satz bestätigt, die Ehe sei ein „allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut“ . Das SPD-geführte Bundesjustizministerium hat noch am 8 . Mai 2015 in einer Antwort auf eine Kleine Anfra- ge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausgeführt: „Mit Blick auf die einschlägige ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 10, 59 [66]; 53, 224 [245]; 62, 323 [330]; 105, 313 [345]; 128, 109 [125]; 131, 239 [259]; 133, 377 [409]) würde eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes) voraussetzen .“ (Drucksache 18/4862, Seite 5) . Die vom Verfassungsgeber gewollte Bevorzugung von Ehe und Familie durch die besondere Unterschutz- stellung steht dem Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes auch nicht entgegen . Denn offensichtlich ist diese Unterscheidung verschiedener Lebensmodelle vom Verfassungsgeber so gewollt . Deshalb kann sein Wille auch nur mit verfassungsändernder Mehrheit ver- ändert werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25235 (A) (C) (B) (D) Es ist für mich deshalb klar, dass ich der Vorlage nicht zustimmen kann. Ich befinde mich dabei in Übereinstim- mung mit Grundsatzbeschlüssen meiner Partei, die nach wie vor richtig sind und im Übrigen auch die Auffassung eines großen Teils unserer Gesellschaft widerspiegeln . Ich möchte jedoch eines ganz deutlich machen: Ich re- spektiere und akzeptiere Lebensgemeinschaften gleich- geschlechtlicher Paare uneingeschränkt . Aber ebenso erwarte ich umgekehrt auch den Respekt vor meiner Auf- fassung . Die SPD als bisheriger Koalitionspartner der CDU/ CSU-Fraktion hat einen schweren Vertrauensbruch be- gangen, indem sie in Kenntnis der unterschiedlichen Po- sitionen und der innerparteilichen Diskussion in meiner Fraktion gemeinsam mit den Linken und Grünen erzwin- gen will, einen Antrag des Bundesrates zur Einführung eines Rechts „auf Eheschließung für Personen des glei- chen Geschlechts“ auf die Tagesordnung des Bundesta- ges zu setzen, um eine Abstimmung herbeizuführen . Noch in einer Aktuellen Stunde zum Thema „Ehe für alle“ am 8 . März 2017 hat für die SPD der Abgeordnete Dr . Brunner ausgeführt: „Wir … haben nicht die Absicht, zuzulassen, dass der Koalitionsvertrag gebrochen wird .“ (Plenarprotokoll 18/220, Seite 22040) Die SPD wird völ- lig unglaubwürdig, wenn sie jetzt solche früheren Stel- lungnahmen einfach über den Haufen wirft . Der Grund dafür ist aber offensichtlich der lahmende SPD-Wahl- kampf . Deshalb missbraucht die SPD das Parlament und die demokratischen Spielregeln in einer Koalition um eines kleinen vermeintlichen Vorteils willen . Das ist un- würdig und dem Problem nicht angemessen . Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Die Entscheidung über mein Abstimmungsverhalten ist mir nicht leicht gefallen; vielen Kolleginnen und Kollegen von mir wird es ähnlich gegangen sein . Gerade deswegen hinterlässt die offensichtlich von wahlkampftaktischen Erwägungen der SPD motivierte Entscheidung zur Her- beiführung einer außerordentlich kurzfristig anberaum- ten Abstimmung ein ungutes Gefühl . Nicht gänzlich unberechtigte verfassungsrechtliche Bedenken werden hierdurch bei der Beratung abgekürzt; bemerkenswert hierbei ist, dass solche Bedenken noch in dieser Legislaturperiode durch das SPD-geführte Justiz- ministerium vorgebracht worden sind . Bei meiner Entscheidungsfindung konnte ich folgende Umstände nicht übergehen: In den vergangenen Jahren wurden die eingetragene Lebenspartnerschaft und das Rechtsinstitut der Ehe materiellrechtlich immer weiter aneinander angeglichen . Auch die Bewertung in der Ge- sellschaft hat diese Entwicklung begleitet . Für mich steht außer Frage: Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, die einander Stabilität und Halt geben wollen, verdienen Anerken- nung, Wertschätzung und Unterstützung . Deswegen stimme ich dem Gesetzentwurf zu . Nicht vollkommen außer Betracht lassen möchte ich hierbei, dass auch politische Vermächtnisnehmer der sogenannten seinerzeitigen „Kommune 1“ und auch sol- che Vertreter insbesondere bei Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei nunmehr ihre Begeisterung für das Rechtsinstitut der Ehe entdeckt haben . Bei diesem Weg der Einsicht in zutiefst bürgerliche Werte möchte ich nicht im Wege stehen . Mit Blick auf die SPD ist auffällig, welche offensicht- liche Führungs- und Meinungsstärke von Bundeskanzle- rin Dr . Angela Merkel auf die Bundestagsabgeordneten der Sozialdemokratie ausgeht: Erst in dem Moment, in dem die Kanzlerin die heute zur Abstimmung stehende Frage für sich selbst zu einer Gewissensentscheidung er- klärte, traute man sich auch bei der Sozialdemokratie zu einer solchen Bewertung . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Der Begriff der Ehe hat eigentlich einen kirchlich-religiösen Ursprung . Erst im Jahre 1875 unter dem Kanzler Otto von Bismarck wurde der zivile Ehebegriff im Deutschen Reich einge- führt, um das Institut der Ehe auch rechtlich zu veran- kern . Inzwischen hat sich unsere Gesellschaft weiterent- wickelt . Neben der klassischen Ehe von Mann und Frau haben auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die auf Dauer angelegt sind und gegenseitig ebenso Verant- wortung übernehmen, die gleichen Rechte erworben und sind auch vor dem Gesetz gleichgestellt . Das ist in unse- rer Zeit auch gut und angemessen . Allein bei der Adoption gibt es noch rechtliche Unter- schiede, die heute wahrscheinlich nicht mehr angemes- sen sind . Hier soll, wie auch sonst, allein das Kindeswohl im jeweiligen individuellen Fall für eine Adoptionsent- scheidung zählen . Die über viele Generationen getragene Vorstellung, dass die klassische Familie bestehend aus Vater und Mutter mit ihren leiblichen Kindern der Kern unserer gesellschaftlichen Mitte ist, leitet auch meine politische und gesellschaftliche Arbeit . Aber ich erkenne an, dass es heute auch andere Varianten des Zusammenlebens gibt, denen ebenso Respekt und Anerkennung gebührt . Aus meiner Sicht gibt es für beide Sichtweisen – Bei- behaltung des bisherigen christlich kulturell geprägten Ehebegriffs oder auch Erweiterung des zivilrechtlichen Ehebegriffs – gute Argumente . Ich kann verstehen, dass sich viele konservativ geprägte Menschen mit der Erwei- terung schwertun . Ich habe mich aber entschlossen, dem vorliegenden Antrag, der auf eine Erweiterung des Ehebegriffs abzielt, zuzustimmen, insbesondere für diejenigen, von denen ich weiß, dass ihnen diese Erweiterung sehr viel bedeutet . Andrea Nahles (SPD): Ich werde heute im Bundes- tag für den Gesetzentwurf einer „Ehe für alle“ stimmen . Gerade als Katholikin habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht . Ich nehme sehr ernst, dass die katholische Kirche in der Öffnung der Ehe für gleich- geschlechtliche Paare einen deutlichen Widerspruch zu ihrer Auffassung sieht, dass eine Ehe ein Lebens- und Liebesbund zwischen Mann und Frau ist . Umgekehrt sehe ich aber den weltanschaulich neutralen Staat der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725236 (A) (C) (B) (D) Bundesrepublik in der Pflicht, gleichgeschlechtlichen Paaren die gleichen Rechte auf Schutz und Förderung ihrer verbindlichen Lebensgemeinschaft zu gewähren wie heterosexuellen Ehepartnern . Das ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit . Die Öffnung der Ehe für homo- sexuelle Paare stellt für mich keine Missachtung oder Herabwürdigung der Ehe zwischen Mann und Frau dar . Ich betrachte sie vielmehr als Ausdruck des politischen Willens, verbindliche Lebensgemeinschaften in unserer Gesellschaft zu stärken . In dem Ziel, verlässliche Part- nerschaften bestmöglich zu unterstützen, weiß ich mich mit meiner Kirche verbunden . Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Dass Menschen un- terschiedlicher sexueller Orientierung bei uns – anders als zu anderen Zeiten und in vielen anderen Ländern – heute grundsätzlich offen und unbefangen leben können, ist ein wirklicher gesellschaftlicher Fortschritt, auf den wir gemeinsam stolz sein können . Wir haben in dieser Wahlperiode das Instrument der eingetragenen Lebenspartnerschaft in praktisch allen rechtlichen Einzelregelungen mit der Ehe gleichgestellt . Es war auch ein wichtiger und mehr als notwendiger Schritt, die Rehabilitierung der nach dem früheren § 175 strafrechtlich Verurteilten gesetzlich zu regeln . Auch dies haben wir in dieser Wahlperiode erreicht . Damit verbleiben im Wesentlichen zwei offene Punk- te, die in Teilen der Gesellschaft weiter umstritten sind: zum einen die eher symbolische Begrifflichkeit der Ehe, zum anderen die konkrete Frage der Volladoption . In vielen engagierten Diskussionen habe ich erfah- ren, dass diese Fragen für viele unmittelbar Betroffene nicht nur den Kern ihrer persönlichen Lebensgestaltung betreffen, sondern in ihrer persönlichen Wahrnehmung auch die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Würde und Gleichwertigkeit als Mensch berühren . Andere fühlen sich durch diese Diskussion in ihrem eigenen Grundver- ständnis von Ehe und Familie herausgefordert, selbst in ihrer wiederum ganz persönlichen Lebensgestaltung in- frage gestellt oder gar in ihren religiösen Gefühlen und Überzeugungen verletzt . Ich habe daher immer dafür plädiert, diese sensible Diskussion mit Toleranz und gegenseitigem Respekt so miteinander zu führen, dass es gelingt, die Gesellschaft am Ende zusammenzuführen und im Ergebnis zur Ver- söhnung beizutragen . Daher halte ich es für gut und rich- tig, diese Fragen dem vordergründigen parteipolitischen Streit zu entziehen, und begrüße daher auch den Vorstoß der Bundeskanzlerin ausdrücklich . Aus meiner Sicht wäre es sachgerecht und zielführend gewesen, diese Fragen in der kommenden Wahlperiode des Deutschen Bundestages in einem geordneten und offenen Beratungsverfahren auf Basis einer individuel- len Gewissensentscheidung der Abgeordneten so zu ent- scheiden, wie wir dies in dieser Wahlperiode etwa mit dem ebenfalls hochsensiblen Thema der Sterbehilfe in vorbildlicher Weise getan haben . Ich bedaure sehr, dass uns dieser gangbare Weg nun- mehr aus offenbar rein parteitaktischen Erwägungen ver- wehrt werden soll . Stattdessen soll in einem geradezu handstreichartigen Verfahren am letzten Sitzungstag der Wahlperiode und unter Vertrauensbruch in einer beste- henden Koalition eine Abstimmung in dieser wichtigen Frage ohne angemessene Beratung herbeigeführt werden . Dieses Vorgehen trägt gerade nicht zur notwendigen Befriedung einer in jeder Hinsicht hochsensiblen gesell- schaftlichen Debatte bei . Deshalb habe ich zunächst in der Geschäftsordnungsdebatte gegen die Aufsetzung des Tagesordnungspunktes gestimmt . Wenn aber nunmehr der Zeitpunkt für eine Entschei- dung in der Sache gekommen ist, halte ich es im Sinne der Befriedung und Versöhnung der Gesellschaft für ge- boten, diese quälende Debatte mit einer möglichst breit getragenen Entscheidung des Gesetzgebers zu beenden . Damit wird auch die Möglichkeit für eine etwaige ver- fassungsrechtliche Überprüfung durch das Bundesver- fassungsgericht eröffnet . In der Gesamtabwägung komme ich trotz aller vor- getragenen Bedenken zu dem Ergebnis, dass es letzt- endlich keine ausreichende Rechtfertigung dafür geben kann, seitens des Gesetzgebers die Freiheit und Würde derjenigen einzuschränken, die im Rahmen ihrer ganz persönlichen sexuellen Orientierung für sich und ihre Le- benspartnerschaft ausdrücklich die Rechte und Pflichten der staatlichen Institution der Zivilehe anstreben . Im Urteil des U .S . Supreme Court von 2015 hat es der noch von Präsident Reagan nominierte Richter Anthony Kennedy so formuliert: Anzunehmen, dass diese Männer und Frauen die Idee der Ehe nicht respektieren, würde ihnen nicht gerecht . Sie respektieren sie, sie respektieren sie so sehr, dass sie diese Erfüllung für sich selbst wün- schen . . . Sie erbitten sich die gleiche Würde vor dem Gesetz . Die Verfassung garantiert ihnen dieses Recht . Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass dies für das Grundgesetz in gleicher Weise gilt . Deshalb werde ich dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen . Ulrich Petzold (CDU/CSU): Die Ehe ist nach dem Grundgesetz definiert als Verbindung zwischen Frau und Mann mit dem Ziel der Hervorbringung einer nachfol- genden Generation zum Erhalt der menschlichen Ge- meinschaft . Das haben sowohl das Bundesverfassungs- gericht als auch der Europäische Gerichtshof in Urteilen festgestellt, in denen sie die Verbindung von Mann und Frau bestätigt und als auf Fortpflanzung ausgerichtete Gemeinschaft definiert haben. Die Regelung, die jetzt von den Grünen, Linken und der SPD vorgelegt wurde, steht dieser Definition entge- gen, indem sie die Ehe als reine Beistandsgemeinschaft sieht . Eine Beistandsgemeinschaft ist jedoch wesentlich weiter zu sehen als eine Gemeinschaft, die auf Fortpflan- zung ausgerichtet ist . Natürlich ist eine gleichgeschlechtliche Lebensge- meinschaft auf einen gegenseitigen Beistand ausgerich- tet . Das ist in unterschiedlichen Gesetzen geregelt und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25237 (A) (C) (B) (D) auch geschützt; aber sie ist nicht explizit auf eine Fort- pflanzung der Gesellschaft ausgerichtet. Eine Gesellschaft ist aber gerade davon abhängig, dass nachwachsende Generationen entstehen und Ver- pflichtungen auch gerade gegenüber der Elterngeneration übernehmen . Unser Sozialsystem ist ohne diesen Gene- rationenvertrag nicht aufrecht zu erhalten und daher von einer Gemeinschaft abhängig, die auf die natürliche Er- zielung von Nachwuchs ausgerichtet ist . Diese Gemein- schaft ist die Ehe . Diese wird daher im Grundgesetz und in vielen anderen Verfassungen der Welt zu Recht unter einen besonderen Schutz gestellt . Die Fortpflanzung in einer gleichgeschlechtlichen Ge- meinschaft ist nicht auf natürliche Art und Weise möglich . Sie bedarf zum Beispiel der künstlichen Befruchtung, ei- ner Leihmutterschaft oder anderer schwerwiegender me- dizinischer Eingriffe . Sie ist dadurch gerade in der Regel nicht auf die Erzielung von Nachwuchs ausgerichtet, sondern ist selbst nach allen Statistiken nur in Ausnah- mefällen Keimzelle einer nachfolgenden Generation . Sie bleibt daher fast immer eine Beistandsgemeinschaft, die durchaus wertvoll ist, aber nicht den Rang einer hetero- sexuellen Gemeinschaft erreicht . Eine Beistandsgemeinschaft besteht zum Beispiel auch, wenn eine Mutter ihr behindertes Kind bis zum Lebensende pflegt. Doch niemand würde auf die Idee kommen, dieses als Ehe zu bezeichnen . Eine Beistands- gemeinschaft besteht auch zwischen einem Blindenhund und dem Hilfsbedürftigen . Selbstverständlich besteht eine Beistandsgemeinschaft auch zwischen einem nach Deutschland eingereisten Muslim mit einer Hauptfrau und mehreren Nebenfrauen . Mit der Erweiterung des Ehebegriffs auf eine Bei- standsgemeinschaft muss sofort die Frage gestellt wer- den: Wo ist hier die Grenze? Diese Grenze ist dann nicht mehr natürlich vorgegeben und wäre immer wieder ju- ristisch angreifbar . Weswegen genehmigen wir dann die gleichgeschlechtliche Ehe und verbieten die Vielehe? Die Erweiterung des Ehebegriffs ist so gravierend, dass sie nicht in einem einfachen Gesetzgebungsverfah- ren neu geordnet werden kann, sondern sie hat für mich in jedem Fall Verfassungsrang . Deswegen kann ich eine einfachgesetzliche Regelung nur ablehnen, da dies mei- nes Erachtens nur durch eine grundgesetzliche Änderung geregelt werden kann . Thomas Rachel (CDU/CSU): In Deutschland kann jeder nach seiner Fasson glücklich werden . Das ist gut so . Würde und Wertschätzung einer Person sind unabhän- gig von sexueller Orientierung oder anderen Unterschei- dungsmerkmalen . In einer offenen, freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft gibt es vielfältige Formen von Familien und Partnerschaftsmodellen . Grundlegende Werte wie Liebe, Treue, Geborgenheit und Verlässlichkeit in einer auf le- benslange Dauer angelegten Beziehung werden auch von gleichgeschlechtlichen Paaren gelebt . Dort, wo gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten beidseitig ausgeübt werden und Menschen füreinander einstehen, sollten auch gleichwertige rechtliche Maßstäbe ermöglicht wer- den . Der Begriff der „Ehe“ hat eine lange kulturelle und religiöse, christliche Tradition als eine auf Lebenszeit angelegte verbindliche Verbindung von Mann und Frau . Ausschließlich Paare von Frau und Mann können Kinder zeugen und Leben schenken . Jedes Kind hat einen Vater und eine Mutter . Dies zeigt, dass die „eingetragene Lebenspartner- schaft“ und die „Ehe“ trotz ihrer rechtlichen Gleichstel- lung dennoch in einem zentralen Wesensmerkmal unter- schiedlich sind . Der Begriff der „Ehe“ sollte deshalb aus meiner Sicht nicht umdefiniert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut definiert und gesteht ihr einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz durch Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz zu. Eine Umdefinition des verfassungs- rechtlich geschützten und vom Bundesverfassungsge- richt klar bestimmten Ehebegriffs kann nach meinem Rechtsverständnis nicht einfachgesetzlich ohne eine Ver- fassungsänderung erfolgen . Auf Basis dieser Überlegungen befürworte ich eine rechtliche Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlecht- lichen Lebenspartnerschaften . Den vorliegenden Gesetz- entwurf „Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ lehne ich aber ab, da er den Begriff der Ehe umdefiniert. Kerstin Radomski (CDU/CSU): Ich werde gegen den Antrag zur Einführung des Rechts auf Eheschlie- ßung für Personen gleichen Geschlechts stimmen . Die- ses Thema ist zu vielschichtig, um es zur Wahlkampfzeit im Hauruckverfahren zu beschließen . Stattdessen hätte ich mir gewünscht, dass es in den kommenden Mona- ten eine offene und differenzierte Debatte dazu gegeben hätte . Dazu gehört für mich die Diskussion verschieden ausgestalteter Gruppenanträge, die auch den Aspekt Ad- optionsmöglichkeiten in seiner Gänze beleuchten . Erwin Rüddel (CDU/CSU): Die Ehe zwischen Mann und Frau als die historisch, kulturell und religiös hervor- gehobene und durch das Grundgesetz geschützte Institu- tion hat ihren besonderen Status auch deshalb, weil nur aus dieser Verbindung Kinder hervorgehen und die Zu- kunft unseres Landes sichern können . Wurde die Ehe lange Jahre in Teilen unserer Gesell- schaft als überholt abgelehnt und bekämpft, so wird sie nunmehr von ebendiesen Kräften geradezu propagiert – zumindest insoweit, als es um ihre Ausweitung auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften geht . Das ist ein bemerkenswerter Sinneswandel . Ich bekenne mich ausdrücklich zu Toleranz und Res- pekt gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, in denen gegenseitige Verantwortung für ein gemein- sames Leben übernommen wird . Deshalb kann ich die hervorgehobene Rechtsstellung der Ehe und ihren blei- benden besonderen Schutz nicht als Diskriminierung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725238 (A) (C) (B) (D) gleichgeschlechtlicher Männer und Frauen verstehen . Es stellt sich vielmehr die Frage, ob die Gleichstellung von Ungleichem nicht ihrerseits Diskriminierung zur Folge hat . Dazu kommen aus meiner Sicht erhebliche verfas- sungsrechtliche Bedenken . Die Frage, ob die Eheöffnung überhaupt durch ein einfaches Gesetz umgesetzt werden kann oder ob damit die Grenzen der Rechtsfortbildung des Artikels 6 unseres Grundgesetzes überschritten wer- den, ist ungeklärt . Mit Rechtsunsicherheit ist indes nie- mandem gedient . Zur Frage von Adoptionen bleibt festzuhalten: Ein „Recht“ auf eine Adoption gibt es auch nicht für hetero- sexuelle Paare; ganz gleich, wer ein Kind adoptiert, es bleibt immer eine Einzelfallentscheidung, bei der das Kindeswohl im Mittelpunkt steht . Dieser Tatsache wird nach meiner Beobachtung in der aktuellen Diskussion nicht hinreichend Rechnung getragen . Alle diese Fragen hätten eine vertiefende – und der Tragweite dieser gesellschaftspolitisch wichtigen Ent- scheidung angemessene – Beratung im Deutschen Bun- destag verdient . Demgegenüber sind 38 Minuten Debatte freitagmorgens um 8 .00 Uhr am letzten Tag der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode einfach nur unwür- dig und schaden dem Ansehen unseres Parlaments . Dem vorliegenden Gesetzentwurf werde ich aus den genannten Gründen nicht zustimmen . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Bei der heu- tigen Abstimmung über den Antrag des Bundesrates zur Öffnung der Ehe stimme ich aus folgenden Gründen zu: Heute wird keine religiöse Entscheidung getroffen . Das Recht unserer Kirchen, selbst zu bestimmen, wie sie die Ehe definieren, bleibt erhalten. Das war ein Punkt, der mir als Katholikin wichtig war . Worüber heute abgestimmt wird, ist, dass der Staat die Partnerschaft von gleichgeschlechtlichen Menschen anerkennt und sie in der Zivilehe auf die gleiche Ebene hebt, rechtlich und symbolisch . Die Gleichberechtigung homosexueller Paare und der Schutz der Familie schließen sich nicht aus . Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft genießt noch immer einen besonderen Schutz, an dem nicht gerüttelt wird und für den ich mich auch weiterhin einsetzen werde . Allerdings bedaure ich, dass die SPD entgegen der Absprache nun ein konfrontatives Verfahren forciert . Dies verstellt die Chance, in einer Diskussion mit den Menschen in Deutschland und den Kirchen in einem gro- ßen gesellschaftlichen Konsens die Öffnung des Ehebe- griffs voranzubringen . Auch verfassungsrechtliche Bedenken hätten dann mit breiter parlamentarischer Mehrheit ausgeräumt wer- den können . Trotz dieser Bedenken habe ich mich entschieden, dem Antrag des Bundesrates zuzustimmen . Jana Schimke (CDU/CSU): Gleichgeschlechtli- che Partnerschaften erfahren heute bereits eine hohe gesellschaftliche und rechtliche Toleranz . Dazu zählt vor allem die steuerliche Gleichstellung oder auch die Erweiterung auf die Sukzessivadoption . Die Bundesre- gierung hat in den vergangenen Jahren damit bestehen- de Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften abgebaut . Die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ist jedoch einzigartig, weil aus ihr neues Leben entstehen kann . Diese Einzigartigkeit sollte sich auch weiterhin in unserem Rechtssystem abbilden . Was unter einer Ehe im Sinne des Artikel 6 Absatz 1 unseres Grundgesetzes zu verstehen ist, hat das Bundes- verfassungsgericht in seinem Urteil vom 17 . Juli 2002 noch einmal klargestellt . Demnach geht auch das Bun- desverfassungsgericht als Hüterin der Verfassung von einem Begriff der Ehe aus, die aus einem Mann und einer Frau besteht . Ohne die Verbindung von Mann und Frau wäre Leben nicht möglich . Sie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft und genießt daher einen besonderen verfas- sungsrechtlichen Rang . Diesen möchte ich gewahrt wis- sen . Aus meiner Sicht ist es daher mehr als bedenklich, wenn der Gesetzgeber durch die schlichte Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches ein anderes Rechtsver- ständnis implementiert, als es unser Grundgesetz kennt . Bestätigt werden meine Zweifel auch durch eine Ant- wort des SPD-geführten Bundesjustizministeriums vom 8 . Mai 2015 (Drucksache 18/4862) auf eine Kleine An- frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . Darin wird unterstrichen, dass eine Öffnung der Ehe auch für gleich- geschlechtliche Personen zwingend eine Änderung des Grundgesetzes erfordert . Deshalb habe ich auch an der Verfassungsmäßigkeit des vorliegenden Gesetzentwurfes meine erheblichen Zweifel . Aus diesen Gründen kann ich dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung des Rechts auf Eheschlie- ßung für Personen gleichen Geschlechts nicht zustimmen und stimme daher mit Nein . Tankred Schipanski (CDU/CSU): Die SPD hat ge- meinsam mit Linken und Grünen in dieser Woche eine kurzfristige Abstimmung im Deutschen Bundestag über die „Ehe für alle“ erzwungen . Für mich ist die Ehe ein kulturell und religiös ge- prägter Begriff, der die Verbindung von Mann und Frau meint, aus der auch Kinder hervorgehen können . Als sol- che ist sie durch Artikel 6 des Grundgesetzes geschützt . Daher habe ich bei der Abstimmung gegen eine „Ehe für alle“ gestimmt . Zugleich respektiere ich es, wenn Menschen in gleich- geschlechtlichen Partnerschaften glücklich sind und für- einander einstehen . Deshalb haben wir auch in den letz- ten Jahren die eingetragenen Lebenspartnerschaften der Ehe in vielen rechtlichen Belangen gleichgestellt sowie eine steuerliche Gleichbehandlung festgelegt . Dass die SPD unter dem Druck ihrer schlechten Um- fragewerte Vertrauensbruch begeht, den rot-rot-grünen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25239 (A) (C) (B) (D) Schulterschluss sucht und das Thema durch das Parla- ment peitscht, ist unwürdig . Schließlich sprechen wir hier nicht nur von irgendeiner Fußnote, sondern über eine sehr sensible verfassungsrechtliche und gesellschaftliche Frage . Umso mehr spaltet dieses taktische Wahlkampf- manöver der SPD jetzt die Menschen . Nicht zuletzt habe ich große Zweifel an der Verfas- sungskonformität des Gesetzentwurfes, der zur Abstim- mung stand . Denn Artikel 6 Grundgesetz umfasst nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes die Ehe zwischen Mann und Frau . Diese Rechtsauffassung kann nur durch eine Änderung des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt werden, wofür eine Zweidrittelmehrheit im Bun- destag und im Bundesrat notwendig ist . Ich hätte mir gewünscht, dass die Diskussion über die „Ehe für alle“ mit Ruhe und Respekt geführt wird vor denen, die dafür offen sind, ebenso wie vor denen, die sich damit schwertun . Dies war auch das Anliegen von Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel – und nicht etwa innerhalb weniger Tage im Bundestag eine Abstimmung herbeizuführen . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Ich stim- me dem Gesetzesantrag nicht zu und begründe dies wie folgt: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind der zu achtende Ausdruck persönlicher menschlicher Beziehun- gen und Lebensentwürfe . Wenn Menschen sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, einander Stabilität und Halt geben wollen, verdient dies Anerkennung und Wertschätzung, unabhängig davon, ob sie gleich- oder verschiedengeschlechtlich sind . Ihnen ge- bührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates und seiner Rechtsordnung . Dieses gilt auch für gleichge- schlechtliche Paare . Mit dem Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft haben wir diesem Verständnis Aus- druck verliehen . In den vergangenen 15 Jahren haben wir dabei kontinuierlich die Rechte und Pflichten erweitert und dieses Institut dem Institut der Ehe bis auf sehr be- grenzte Ausnahmen rechtlich und faktisch gleichgestellt . Auch in dieser Legislaturperiode hat der Gesetzge- ber diesen Weg weiter beschritten . Dementsprechend wurde zu Beginn der Legislaturperiode die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspartner gesetzlich gere- gelt, das heißt, ein Lebenspartner kann seither das von seinem Partner adoptierte Kind als zweiter Elternteil adoptieren . Überdies hat der Bundestag das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner verabschie- det, mit dem Unterschiede in der Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in zahlreichen Einzelgesetzen beseitigt wurden . In der Praxis unterscheiden sich Ehe und Lebenspartnerschaft heutzutage in der gesetzlichen Ausgestaltung somit nicht mehr . In umfassender Weise wurden die rechtlichen Rege- lungen von Ehe und Lebenspartnerschaft aneinander an- geglichen – sei es beim Zustandekommen der rechtlichen Bindung, beim gemeinsamen Namen, den gegenseitigen Rechten und Pflichten, der gemeinsamen Wohnung, dem Erbrecht, dem Unterhalt, dem Getrenntleben und der Auflösung. Von einer rechtlichen Diskriminierung von Lebenspartnern kann man deshalb nach meiner Auffas- sung nicht mehr sprechen . Ehe und Familie stehen bei der Christlich-Sozialen Union im Mittelpunkt . Ehe bezeichnet seit Jahrhunderten die auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau, Lebenspartnerschaft die Verbindung von zwei Personen gleichen Geschlechts . Das Verständnis von Ehe als der Gemeinschaft von Mann und Frau liegt unzweifelhaft unserer Verfassung zugrunde, welche Ehe und Familie in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes unter den „beson- deren Schutze der staatlichen Ordnung“ stellt . Das Bun- desverfassungsgericht urteilt dazu in ständiger Recht- sprechung, dass die Ehe im Sinne des Grundgesetzes „allein der Verbindung zwischen Mann und Frau“ vor- behalten ist (vgl . BVerfGE 105, 313, [345]) . Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei der Ver- schiedengeschlechtlichkeit der Partner um ein wesent- liches Strukturmerkmal des Ehebegriffs . Dazu kommt, dass die klassische Ehe grundsätzlich auf Generationen- folge ausgerichtet ist . Sie ist gemeinsam mit der Fami- lie deswegen in Artikel 6 GG grundrechtlich besonders geschützt, weil sie nicht nur eine kulturell und ethisch begründete Form des Zusammenlebens darstellt, son- dern weil sie grundsätzlich auf Kinder angelegt ist, ohne die wir nicht weiterleben können . Sie wird deswegen zu Recht auch als die „Keimzelle der Gesellschaft“ bezeich- net . Ich wende mich daher gegen jegliche Relativierung durch eine Überdehnung des Ehebegriffs . Gleichgeschlechtliche Partnerschaften von zwei Män- nern oder zwei Frauen sind in rechtlichen Rahmenbedin- gungen gleichzustellen, sind aber nicht dasselbe wie eine Ehe . Unter Zugrundelegung der diesbezüglichen klaren Rechtsprechung wäre zudem ein einfaches Gesetz, mit dem die Ehe auf gleichgeschlechtliche Verbindungen ausgedehnt wird, verfassungswidrig . Vielmehr bedürfte es eines verfassungsändernden Gesetzes im Sinne von Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes, um den Ehebe- griff in Artikel 6 GG zu ändern . Solch ein Gesetzesantrag liegt nicht vor . Selbst wenn er vorläge, würde ich aus den oben genannten Gründen bei allem Respekt vor gleichge- schlechtlichen Lebenspartnerschaften solch einer Verfas- sungsänderung nicht zustimmen . Nach meiner Auffassung sollte es beim traditionellen Eheverständnis bleiben . Ich sehe darin keine Zurückset- zung oder Missachtung von gleichgeschlechtlichen Paa- ren . Sie übernehmen genauso wie Ehepaare dauerhaft die Verantwortung für den Partner, schenken einander Fürsorge und Unterstützung und bereichern somit unsere Gesellschaft – ganz unabhängig von der Bezeichnung . Zu Recht hält der Staat mit der eingetragenen Le- benspartnerschaft eine eigene Institution vor . Jegliche Form von Diskriminierung gegenüber diesen Partner- schaften lehne ich entschieden ab . Dies rechtfertigt aber nicht die Öffnung der Ehe „für alle“ und eine dafür not- wendige Grundgesetzänderung . Ich bedaure sehr, dass die SPD diese ethisch und rechtlich so schwierige Frage zu einer Demonstration einer rot-rot-grünen Mehrheit instrumentalisiert . Das ist Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725240 (A) (C) (B) (D) einer respektvollen Behandlung des Themas nicht ange- messen . Ich erwarte, dass die Rechtslage beim BVerG geklärt wird . Ich werde dem Gesetzentwurf daher nicht zustimmen . Gleichwohl habe ich Respekt und Verständnis, wenn an- dere Bundestagsabgeordnete auch in meiner Partei bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine andere Entscheidung treffen . Tino Sorge (CDU/CSU): Ich kann verstehen, dass es bei der Diskussion zur Öffnung der Ehe (oder missglückt als „Ehe für alle“ tituliert) unterschiedliche Auffassungen gibt . Aber ich werde der Öffnung der Ehe im Bundestag zustimmen, nicht obwohl, sondern weil ich Konservati- ver bin . Vor Jahren hätte ich dies noch abgelehnt . Ich bin aufgewachsen mit dem Bild der Ehe zwischen Mann und Frau . Auch wenn ich dies weiterhin für den Re- gelfall und die weitaus überwiegende Realität in unserem Land halte, werden in vielen gleichgeschlechtlichen Part- nerschaften wie in heterosexuellen Partnerschaften Wer- te gelebt, für die die CDU steht . Als Volkspartei spiegelt die CDU das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen Diskussion wider . Unabhängig davon, dass nach meinem Eindruck die Menschen andere Themen brennender in- teressieren, erwarten sie aber auch, dass wir das Thema aufgreifen und zu einer Entscheidung darüber kommen . Dass diese Entscheidung aber in der bereits laufenden letzten Sitzungswoche im „Schnellverfahren“ im Deut- schen Bundestag – als durchschaubares Wahlkampfma- növer der SPD – herbeigeführt wird, halte ich für wenig gelungen . Denn eine Debatte über die Ehe als Kernin- stitution unserer Gesellschaft und eine Diskussion der unterschiedlichen Auffassungen hätte einer tiefergrei- fenden gesellschaftlichen und parlamentarischen Ausei- nandersetzung bedurft als einer lediglich 38-minütigen Debatte freitagmorgens um 8 Uhr im Plenum . Dies wird dem Thema und den unterschiedlichen Standpunkten, die es zu diskutieren und zu respektieren gilt, nicht gerecht . Und ich finde es schäbig, dass die SPD damit ihren Wahl- kampf einläuten will . Mir ist wichtig, klarzustellen, dass niemand die Quali- tät der Institution Ehe infrage stellen will . Durch die Öff- nung wird keinem etwas weggenommen . Und schon gar nicht wird das kirchliche Ehesakrament geschwächt . Die Kirchen können auch in Zukunft selbständig entschei- den, an wen sie es vergeben . Wenn der Staat neutral gegenüber Überzeugungen ist, dann können sich Gläubige allein nach ihren religiösen Überzeugungen richten . Der Staat aber behandelt alle gleich . Dies ist wichtig, um eine breite Zustimmung zu erlangen, die konstitutiv für unser Zusammenleben ist . Ich kann die Bedenken gegen die Öffnung der Ehe verstehen und bin mir der vielen Konflikte des Für und Wider bewusst . In der Gewissensentscheidung, die ich als Parlamentarier treffen muss und bei der ich ganz per- sönlich mit Ja stimmen werde, sehe ich aber die Möglich- keit, eine moderne und ebenso an unseren christlichen Werten orientierte Politik mitzugestalten . Grundwert für mich als Christdemokrat und die CDU ist, dass, wenn zwei Menschen sich lieben, dauerhaft füreinander einstehen und Verantwortung übernehmen, wir dies respektieren und wertschätzen . Es geht darum, ein Leben lang – in guten wie in schlechten Zeiten – fürsorglich füreinander da zu sein . Dies sind genau die bürgerlichen Werte von Verlässlichkeit, von Freiheit, Verantwortung und von Zusammenhalt, die für mich aus- schlaggebend waren, einmal in die CDU einzutreten . Unabhängig davon ist Deutschland nicht das erste Land, welches sich für die Öffnung der Ehe ausspricht . Ein Blick in die Rechtsordnungen unserer internationa- len Partner zeigt, dass Belgien, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Finnland, Kanada, Südafrika, Spanien, Nor- wegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Argenti- nien, Brasilien, Uruguay, Neuseeland sowie Schottland, England und Wales, 41 Bundesstaaten der USA und der District of Columbia sowie in der Hauptstadt Mexikos die Zivilehe für Personen gleichen Geschlechts bereits eingeführt haben . Darüber hinaus werden gleichge- schlechtliche Ehen in Israel anerkannt . Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht ge- macht, gerade im Hinblick darauf, dass Kinder ein Recht auf Vater und Mutter haben, was ich ausdrücklich befür- worte . Ist es aber richtig oder wissenschaftlich belegbar, dass zwei Mütter oder zwei Väter grundsätzlich schlech- tere Eltern sind als Vater und Mutter? Dies ist bisher we- der wissenschaftlich belegt, noch ist dies gesellschaftli- che Realität . Auch wenn ich mich beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare lange Zeit schwertat, bin ich überzeugt, dass die Frage, wer gute Eltern sein kann, nicht von der sexuellen Orientierung abhängig ist . Auf- grund der Einzelfallprüfung des Jugendamtes bin ich mir zudem sicher, dass das Wohl des Kindes immer an erster Stelle steht . Als Christdemokrat bin ich überzeugt, dass in Fami- lien, dort, wo Kinder erzogen werden, für die Zukunft unseres Landes gesorgt wird . Deshalb ist es richtig, dass wir im Parlament diese Entscheidung treffen und nicht Gerichte uns den Weg vorgeben . Ich habe persönlich großen Respekt jenen Kollegin- nen und Kollegen gegenüber, die bei der Abstimmung gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stimmen und eine andere Meinung vertreten als ich . Wir sollten davon ab- sehen, andere Meinungen als „falsch“ oder „homophob“ oder „ewig gestrig“ zu diffamieren, und jedem Einzelnen Respekt für diese nicht einfache Gewissensentscheidung entgegenbringen . Johannes Steiniger (CDU/CSU): Die Öffnung der Ehe auch für Paare gleichen Geschlechts ist der letzte Teil der schrittweisen Angleichung der Rechte von ver- schieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren . Mit dieser kommt der Deutsche Bundestag der gesellschaftlichen Entwicklung zunehmender Akzeptanz gleichgeschlecht- licher Partnerschaften nach . Meine heutige Zustimmung zur Öffnung der Ehe ent- spricht Werten, die mich in meiner Politik leiten . Für mich ist nicht entscheidend, ob eine Frau und ein Mann oder zwei Frauen oder zwei Männer eine Ehe miteinan- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25241 (A) (C) (B) (D) der eingehen . Entscheidend ist der Wille, in einer solchen Partnerschaft verbindlich füreinander einzustehen . Wenn zwei Menschen füreinander nachhaltig Verantwortung übernehmen wollen, dann spiegeln sich hierin Werte wi- der, für die die CDU steht . Mit dem neuen Gesetz stellen wir die gleichge- schlechtlichen Ehen jetzt auch in Bezug auf das Adopti- onsrecht gleich . Verheiratete Schwule und Lesben erhal- ten das volle Adoptionsrecht . Es wird beiden Eltern zu gleichen Teilen anerkannt werden . Genau wie bei jeder anderen Adoption besteht aber auch hier kein Recht auf ein Kind . Es wird auch in Zukunft in jedem Einzelfall einzig und allein nach dem Kindeswohl entschieden . Mit den Rechten stellen wir also auch die Pflichten gleich . Das gilt genauso für Unterhaltszahlungen wie weitere Eheverbindlichkeiten . Für diejenigen, die eine Ehe durch das neue Recht fortan eingehen, ergeben sich somit entsprechende Verpflichtungen, die die Institution Ehe hochhalten . Die politische Debatte in der CDU/CSU-Bundestags- fraktion war durch den großen Respekt vor der Haltung und der Meinung jedes einzelnen Abgeordneten ge- prägt – sei sie religiös oder weltanschaulich begründet . Insofern begrüße ich, dass nunmehr jedes Mitglied des Bundestages in freier Abstimmung entscheidet . In der Sache stimme ich dem Gesetz ausdrücklich zu . Das Vorgehen des Koalitionspartners SPD allerdings, gemeinsam mit der Opposition am heutigen letzten Sit- zungstag der Legislaturperiode die Plenarberatungen kurzfristig aufzusetzen und in letzter Minute die Koaliti- on infrage zu stellen, kritisiere ich deutlich . Thomas Stritzl (CDU/CSU): Die Fähigkeit von Mann und Frau, gemeinsam neues Leben schenken zu können, ist etwas ganz Besonderes . Diesem in unserem Grundgesetz durch das Institut der Ehe entsprechend Rechnung zu tragen, halte ich für bedeutsam . Gleichwohl ist mir wichtig, dem Anspruch gleichge- schlechtlicher Paare auf einen „sicheren Hafen“ ihrer Le- bensbeziehung Rechnung zu tragen . Eine entsprechende verfassungsrechtliche Anerkennung liegt ebenfalls im wohlverstandenen Eigeninteresse unserer Gesellschaft . Hierzu ein eigenes Institut in unserem Grundgesetz zu verankern, welches auch heterosexuellen Paaren als Wahlmöglichkeit offen gestanden hätte, wäre für mich deshalb die vorzugswürdige Entscheidung gewesen . Angesichts der durch das bewusst koalitionswidrige Verhalten der SPD herbeigeführten „politischen Druck- situation“, innerhalb von 72 Stunden eine abschließende Regelung vorlegen zu müssen, war der Raum für eine vertiefende Betrachtung jedoch nicht mehr eröffnet . Die jetzt vorgelegte „einfache Änderung“ des Bürgerlichen Gesetzbuches halte ich weder verfassungsrechtlich noch aber verfassungspolitisch für ausreichend . Ich habe deshalb der beabsichtigten Ad-hoc-Abstim- mung und als auch dem Antrag selbst nicht zustimmen können . Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Men- schen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung für- einander übernehmen, die einander Stabilität und Halt geben wollen, verdienen Anerkennung und Wertschät- zung, unabhängig davon, ob sie gleich- oder verschie- dengeschlechtlich sind . Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates . Ausdruck dieses Verständnisses war die Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft . Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angeglichen . Auch in dieser Legislaturperiode hat der Gesetzgeber diesen Weg weiter beschritten, den ich als Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das Familienrecht begleiten durfte . Dementsprechend wurde zu Beginn der Legislaturperiode die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspartner gesetzlich geregelt, und Unterschiede in der Behandlung von Ehe- und Le- benspartnern wurden in zahlreichen Einzelgesetzen be- seitigt . Somit sind Ehe und Lebenspartnerschaft heutzutage in der gesetzlichen Ausgestaltung – bis auf die gemein- schaftliche Adoption und den Begriff des Instituts – gleichgestellt . In meiner Funktion als Berichterstatterin für das Fami- lienrecht habe ich mich für die Abschaffung der verblie- benen Unterschiede zwischen dem Institut der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft nachdrücklich eingesetzt . Ich habe gleichgeschlechtliche Paare getrof- fen, die mir von großen Schwierigkeiten und gefühlten Ungerechtigkeiten, insbesondere im Adoptionsrecht, be- richtet haben . Meine eigene Erfahrung sowie die wissen- schaftliche Studienlage zeigen, dass homosexuelle Eltern in ihrer elterlichen Kompetenz heterosexuellen Paaren in nichts nachstehen . Innerhalb meiner Fraktion habe ich mich daher für eine gleiche rechtliche Ausgestaltung des Adoptionsrechts ausgesprochen . Ich habe dabei auch im- mer betont: Es gibt kein Recht auf ein Kind . Alleiniges Kriterium ist und bleibt das Kindeswohl . Darüber hinaus habe ich in meiner parlamentarischen Arbeit versucht, einen breiteren Konsens herbeizuführen, insbesondere durch meinen Vorschlag, die eingetrage- ne Lebenspartnerschaft neben dem Institut der Ehe im Grundgesetz zu statuieren . Dieser Kompromiss fand je- doch weder in der eigenen Fraktion noch in den anderen Fraktionen eine Zustimmung . In dieser Legislaturperiode haben wir innerhalb der Fraktionsgremien sowie im Rechtsausschuss ebenfalls eine intensive Diskussion zur „Eheöffnung“ geführt . Mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates wird § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches um eine Definition der Ehe ergänzt, die vorsieht, dass auch gleichgeschlechtli- che Paare eine Ehe eingehen können . Persönlich würde ich eine Grundgesetzänderung be- fürworten . Sowohl im Rechtsausschuss als auch in der Wissenschaft ist die Frage nicht abschließend einhellig erörtert, ob die „Eheöffnung“ eine Änderung des Arti- kels 6 Absatz 1 des Grundgesetzes voraussetzt . Die öf- fentliche Anhörung im Rechtsausschuss in dieser Legis- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725242 (A) (C) (B) (D) laturperiode, die sich ebenfalls mit der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung bezüglich der „Eheöffnung“ intensiv beschäftigt hatte, ergab keine eindeutige Ein- schätzung der sachverständigen Verfassungsrechtler . Vor dem Hintergrund der geschilderten Uneinigkeit der verfassungsrechtlichen Bewertungen und der gesell- schaftspolitischen Bedeutung würde ich ein Gesetz be- fürworten, das zweifellos einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält . Durch meine Zustimmung zum Gesetzentwurf des Bundesrates erkenne ich den gesellschaftlichen Wandel in dieser Frage sowie den persönlichen Wunsch gleich- geschlechtlicher Paare nach einer vollumfänglichen rechtlichen Gleichstellung an . Sie übernehmen genauso wie Ehepaare dauerhaft die Verantwortung für den Part- ner, schenken einander Fürsorge und Unterstützung und verdienen daher die staatliche Anerkennung in Form des Instituts der Ehe . Als christliche und konservative Politi- kerin freue ich mich über den neu artikulierten Zuspruch für ein bereits als antiquiert und verstaubt abgetanes Konstrukt . Antje Tillmann (CDU/CSU): Menschen, die sich lie- ben und beständig Verantwortung füreinander überneh- men, die einander Stabilität und Halt geben, verdienen Anerkennung und Wertschätzung . Ihnen gebührt die Un- terstützung der Gesellschaft und des Staates . Gleichgeschlechtlichen Paaren stand bisher das In- stitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Verfü- gung, um diese Verabredung zu festigen . Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jahren kon- tinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angegli- chen . Auch in dieser Legislaturperiode hat der Gesetz- geber diesen Weg weiter beschritten . Dementsprechend wurde die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspart- ner gesetzlich geregelt . Überdies hat der Bundestag das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner verabschiedet, mit dem Unterschiede in der Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in zahlreichen Einzel- gesetzen beseitigt wurden . Ich selbst habe mich sehr früh für die Anwendung des steuerlichen Splittings und eine Gleichstellung in den So- zialgesetzen bei den eingetragenen Lebenspartnerschaf- ten eingesetzt . Lange Zeit habe ich bei gleicher rechtlicher Behand- lung, die ich für notwendig halte, für eine unterschiedli- che Benennung der klassischen „Ehe“ und der gleichge- schlechtlichen Partnerschaft gestritten, auch deswegen, weil viele Menschen in meinem Umfeld den Weg zu einer völligen Gleichsetzung noch nicht nachvollziehen können . Diesen hätte ich gern Zeit für ein Umdenken ge- geben . In zahlreichen Gesprächen mit gleichgeschlechtlichen Partnern musste ich aber feststellen, dass hier der Begriff „Ehe“ einen hohen Stellenwert hat . Mit dem Recht auf Adoption hatte ich lange sehr viel größere Schwierigkeiten – keineswegs weil ich glaube, dass gleichgeschlechtliche Paare keine guten Eltern sein können . Meine Sorge gilt hier vielmehr dem Kind . Unbe- stritten gibt es weiterhin sehr heftige, manchmal auch un- erfreuliche Debatten über gleichgeschlechtliche Eltern- paare . Ich möchte nicht, dass diese emotionale Debatte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird . Gerade diese Überlegungen führen dazu, dass ich für mich und die Bürgerinnen und Bürger, denen gegenüber ich diese Position seit Jahren vertrete, mehr Zeit für aus- giebige Gespräche gewünscht hätte, um ein Umdenken, das in einem längeren Prozess zweifellos auch bei mir stattgefunden hat, zu erklären . Eine offene Diskussion im Respekt vor den unterschiedlichen Meinungen wäre aus meiner Sicht wichtig gewesen, um einen breiten gesell- schaftlichen Konsens herbeizuführen . Die persönlichen Anforderungen an potenzielle Adop- tiveltern und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Adoption sind streng geregelt . So ist die Annahme als Kind nur zulässig, „wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht“ . Hier erfolgt in jedem Fall eine am kKindeswohl orientierte individuelle Einzelfallprüfung, und das bleibt auch so, wenn künftig die Adoption gleichgeschlechtlichen Paa- ren offensteht . Gleichgeschlechtlichen Paaren ist eine Sukzessiv- adoption bereits möglich; sie können außerdem bereits Betreuer von Pflegekindern werden und erfüllen diese Aufgaben überzeugend . Das erkenne ich an und sehe, am Kindeswohlinteresse orientiert, durch die Möglichkeit der Adoption die Rechtsstellung des Kindes zusätzlich gestärkt . Unabhängig von meiner Kritik am Verfahren ist in der Sache für mich ausschlaggebend, dass Menschen, die sich lieben, füreinander dauerhaft Verantwortung übernehmen . In Zeiten, wo Belanglosigkeit, Werteverfall und Bindungslosigkeit um sich greifen, ist gerade der Wunsch, sich in einer Ehe verbindlich festzulegen, eine wertkonservative Entscheidung . Daher stimme ich dem Antrag zu . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Der Bundestag ent- scheidet über einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) . Ich kann diesem Gesetz nicht zustimmen und begründe dies wie folgt: Es entspricht der parlamentarischen Kultur in Deutsch- land, Verabredungen über Koalitionen einzuhalten, um stabile Verhältnisse zu garantieren und politische Verläss- lichkeit zu schaffen . Wenn die SPD beim vorliegenden Gesetzentwurf mit der Opposition stimmt, so stellt dies einen eklatanten Verstoß gegen die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarung einer einheitlichen Abstim- mung dar . Nicht wenige sprechen daher auch offen von einem Koalitionsbruch . Dass eine erfolgreiche Koalition zum Ende der Wahlperiode einseitig von einem Koaliti- onspartner aufgekündigt wird, ist in der Geschichte der Bundesrepublik eine bislang einmalige Angelegenheit und fügt dem Vertrauen in die Politik großen Schaden zu . Der Bundestag hat sich in seiner Geschichte beson- ders dann ausgezeichnet, wenn er sensible Entscheidun- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25243 (A) (C) (B) (D) gen von großem Gewicht durch die nur ihrem Gewissen unterworfenen Abgeordneten getroffen hat . Oftmals wurden diese Debatten – wie zuletzt jene über den assis- tierten Suizid – berechtigterweise als „Sternstunden“ des Parlaments bezeichnet . Jenen Abstimmungen ging stets ein langer und intensiver Arbeits- und Diskussionspro- zess voraus, in welchem alle Aspekte abgewogen und be- wertet werden konnten . Das ist beim heute zu beratenden Gesetz anders . Vielen Menschen in unserem Land ist die Frage der Öffnung der Ehe persönlich sehr wichtig, und sie be- schäftigen sich sehr intensiv damit, ganz gleich ob sie dieses Gesetz vehement herbeisehnen oder entschieden ablehnen. Ähnliches empfinden wir als die zur Entschei- dung berufenen Abgeordneten . Ich meine, dass beide Standpunkte hohen Respekt verdienen und daher eine intensive inhaltliche Befassung im Bundestag erfahren müssten . Genau das verweigert die Fraktion der SPD ge- meinsam mit den Fraktionen der Grünen und der Linken dem Parlament und seinen Abgeordneten . Die heutige Abstimmung ist eine nicht hinnehmbare unwürdige Hauruckaktion, die sich wohl nur im Zusam- menhang mit dem nahenden Wahlkampf erklären lässt . Es ist ein Testlauf für eine mögliche rot-rot-grüne Ko- alition nach der Bundestagswahl . Ich bin nicht bereit, diese Art der parlamentarischen Meinungsbildung aus rein wahltaktischen Gründen hinzunehmen und zu unter- stützen . Der Gesetzentwurf des Bundesrates kann auch keine Zustimmung finden, weil wesentliche Fragen nicht ge- klärt sind und er somit nicht entscheidungsreif ist . Nicht hinreichend beantwortet wird die Frage, ob die „Öffnung“ der Ehe nicht einer Grundgesetzänderung be- darf . Sowohl die Entstehungsgeschichte des Artikels 6 des Grundgesetzes im Kontext der Beratungen im Parla- mentarischen Rat als auch die ständige, bis ins Jahr 2013 reichende Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts zum Ehebegriff lassen die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung als zumindest nicht ausgeschlos- sen erscheinen . Die vom Bundesverfassungsgericht ge- prägte verfassungsrechtliche Definition sieht die Ehe als ein der „Verbindung von Mann und Frau vorbehaltenes Institut“ an . Dies bedeutet nicht, dass sich der Ehebegriff durch den kulturellen und sozialen Wandel nicht ändern kann, ganz im Gegenteil. Eine solche Neudefinition steht dem Gesetzgeber sogar ausdrücklich zu . Allerdings ist möglich, dass dazu eine verfassungsändernde Mehrheit notwendig ist . Diese Überlegungen mögen für manche übertrieben oder spitzfindig erscheinen. Ich erachte eine gewisse Sorgsamkeit bei Gesetzesänderungen im Kernbereich unseres Grundgesetzes jedoch für eine angemessene He- rangehensweise . Das benötigt Zeit und eine sorgfältige verfassungsrechtlich ergebnisoffene Prüfung, welche durch Form und Umstände dieses Verfahrens eben nicht gewährleistet werden kann . Auch werden durch diesen Gesetzentwurf weitere aufgeworfene Fragen nicht beantwortet. So finden sich keine Ausführungen zum Adoptionsrecht . Im Perso- nenstandrecht führt der Gesetzentwurf sogar zu einem möglichen neuen Ansatzpunkt für eine personenstands- rechtliche Diskriminierung, weil bisherige Lebenspart- ner sich ohne Umwandlung in eine Ehe weiterhin nicht als „verheiratet“, sondern im amtlichen Gebrauch eben nur als „verpartnert“ bezeichnen dürfen . Das ist vor dem Hintergrund des notwendigen Diskriminierungsschutzes nicht hinnehmbar . Der Gesetzentwurf ist an dieser Stelle handwerklich schwach . Ich bin überzeugt und möchte das explizit betonen, dass in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften wie in verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften Wer- te wie Fürsorge und gegenseitige Verantwortung gelebt werden, die der Gesellschaft Sinn und Halt geben . Daher ist eine rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Le- benspartnerschaft mit der Ehe unerlässlich und aus dem Gleichheitsgrundsatz heraus auch geboten . Dafür habe ich mich stets eingesetzt . Ich rufe dazu auf, dass wir uns bei der Beratung über diesen Gesetzentwurf und im öffentlichen Diskurs über die „Ehe für alle“ stets mit großer Wertschätzung und Achtung voreinander begegnen . Diejenigen, die aus guten Gründen gegen eine Öffnung der Ehe plädieren, haben ebenso Respekt und Anerkennung ihrer Meinung verdient wie diejenigen, die dies aus nachvollziehbaren Gründen fordern . Diese Haltung der gegenseitigen Tole- ranz und Achtung muss stets Grundlage der politischen Debatte sein und bleiben . Michael Vietz (CDU/CSU): Ich habe dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschlie- ßung für Personen gleichen Geschlechts trotz eines kri- tikwürdigen Verfahrens und aus meiner Sicht noch offe- ner rechtlicher Fragen zugestimmt . Das völlig überstürzte Verfahren ist einer tiefgehenden Gewissensprüfung nicht würdig und wird der Sache auch inhaltlich nicht gerecht . Dieses Thema hätte eine große und mehrstufige parlamentarische Debatte verdient – so wie wir es in der Vergangenheit bei großen ethischen, un- sere Bevölkerung tief bewegenden Sachverhalten getan haben . Es geht dabei zunächst um die endgültige begriffliche und rechtliche Gleichstellung der bisherigen eingetrage- nen Lebenspartnerschaft mit der staatlichen Zivilehe . Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichtes umfasst der Schutzbereich nach Artikel 6 Absatz 1 GG die „auf Dauer angelegte, in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätz- lich unauflösliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau“ . Es stellte darüber hinaus auch fest: „Der beson- dere Schutz der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Le- benspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen .“ Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften kom- men also nach Auffassung des Bundesverfassungsge- richts der Ehe maximal gleich, sind also nach der Mei- nung unserer höchsten Richter keine Ehe . Deshalb wäre es meines Erachtens geboten gewesen, das Grundgesetz den Intentionen dieses Gesetzes anzupassen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725244 (A) (C) (B) (D) Die Ausdehnung des zivilrechtlichen Instituts und Begriffs der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare ist aus staatlicher Sicht ohne Bedenken . Die kirchliche Trauung und die sakrale Ehe sind hiervon nicht betroffen . Diese unterliegen selbstverständlich weiterhin dem jeweiligen Kirchenrecht . Die Trennung von Staat und Kirche bedeu- tet auch, dies weiterhin zu respektieren . Durch die Ausdehnung des Instituts der Ehe auf Per- sonen gleichen Geschlechts wird keine bestehende oder zukünftige Ehe rechtlich oder moralisch schlechterge- stellt . Sie werden weder infrage gestellt noch entwertet . Familien mit Kindern – und hier gibt es eine Vielzahl von Modellen – werden auch weiterhin als Kern unserer Ge- sellschaft besonders geschützt und gefördert . Dafür ste- hen sowohl ich als auch meine Partei . Die größte inhaltliche Konsequenz dieses Gesetz- entwurfs ist die Gleichstellung von Ehen von Personen gleichen Geschlechts mit solchen von Personen unter- schiedlichen Geschlechts im Adoptionsrecht . Durch die- se Angleichung des Adoptionsrechts wird die Rechtspo- sition heterosexueller Paare nicht beeinträchtigt, sondern zusätzlich eine neue Rechtsposition für homosexuelle Paare aufgebaut . Entscheidender Aspekt im Adoptionsrecht ist und bleibt das Wohl des Kindes . Auch weiterhin wird in je- dem einzelnen Fall das zuständige Jugendamt entschei- den, ob die Adoption eines Kindes durch ein Paar im Wohl des Kindes liegt oder nicht . Es wird die Auffassung vertreten, dass eine Adopti- on durch gleichgeschlechtliche Paare per se nicht dem Kindeswohl diene . Dies ist bisher wissenschaftlich noch nicht fundiert belegt oder widerlegt worden . Stattdessen sagt die praktische Erfahrung, dass heterosexuelle Paare bei der Erziehung ebenso versagen, wie homosexuelle Paare brillieren können – und umgekehrt . Die Entscheidung für eine Ehe ist immer eine Ent- scheidung für ein zutiefst wertkonservatives Lebens- modell . Die Ehepartner versprechen einander, „in guten und in schlechten Zeiten“ Verantwortung füreinander zu übernehmen . Dem gebührt Respekt und Zustimmung . Demokratie bedeutet den Wettstreit von Ideen, Kon- zepten und Argumenten . Das bedingt auch den Respekt vor abweichenden Positionen und Meinungen . Dement- sprechend respektiere ich sowohl diejenigen, die aus re- ligiösen oder anderen Gründen gegen eine Öffnung der Zivilehe stimmen, ebenso wie diejenigen, die dies anders sehen . Klare Meinungen dürfen nicht dazu führen, den Res- pekt unter Demokraten vor unterschiedlichen Überzeu- gungen zu verlieren . Nicht nur verbale Abrüstung, auch mehr entspanntes Selbstbewusstsein sind gefordert . Missionare mit einem einfachen Schwarz-Weiß-Denken nutzen keiner Diskussion und schon gar nicht einer auf Interessenausgleich angelegten freiheitlichen und viel- fältigen Demokratie . Schon Friedrich der Große sagte, dass jeder nach sei- ner Fasson selig werden solle . Dies bedingt gerade auch, dass man diejenigen akzeptiert und respektiert, die sich für eine andere Fasson entscheiden als man selbst . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Gleiche Rechten und Pflichten für alle ist für mich ein Grund- prinzip meines politischen Handelns . Dafür spielt auch die sexuelle Orientierung eines Menschen keine Rolle . Gleichbehandlung ist für mich selbstverständlich . Es ist zutiefst menschlich, wenn zwei Partner ihre Zu- neigung zueinander, ihre Verantwortung zueinander, ihr Leben miteinander durch einen lebenslangen Bund aus- drücken wollen und dafür auch die besondere Fürsorge und den Schutz des Staates in Anspruch nehmen wollen . Das ist das gute Recht aller . Aber die Ehe, so wie sie mich meine Eltern und meine Familie gelehrt und mir vorgelebt haben und so wie ich sie mit meiner Ehefrau lebe und weitergeben möchte, ist anders als eine gleichgeschlechtliche . Sie ist weder bes- ser noch schlechter, sie ist anders! Aus ihr heraus kann neues Leben entstehen und prägt die Entwicklung ge- meinsamer Kinder . Wegen dieses Unterschiedes kann ich dem Gesetzent- wurf in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen . Sven Volmering (CDU/CSU): Nach reiflicher Über- legung werde ich heute gegen die sogenannte „Ehe für alle“ stimmen, auch im Bewusstsein, dass mir diese Po- sition von nicht wenigen Menschen negativ ausgelegt wird, als „falsch“, „hinterwäldlerisch“, „spießig“, „ho- mophob“, „reaktionär“, „enttäuschend“ . Ich sei wegen meiner Position „nicht mehr wählbar .“ Dies habe ich von Menschen gehört, die ich persönlich kenne, aber auch von Bürgern . Mit dieser Kritik muss und werde ich natür- lich leben . Unterschiedliche Positionen gehören zur Po- litik . Nachdenklich macht mich, dass es viele Menschen gibt, für die Toleranz und eine „Gewissensentscheidung“ immer nur gelten, solange diese ihre eigenen Positionen und Haltungen stärken . Toleranz ist keine Einbahnstraße . Ich respektiere die Argumente der Befürworter der „Ehe für alle“ und ich werde selbstverständlich den Bundes- tagsbeschluss anerkennen . Und ja, es freut mich, dass sich nun homosexuelle Menschen, die ich kenne, ihren Traum einer Ehe erfüllen können . Aber ich erwarte eben- falls den gleichen Respekt für meine Entscheidung . In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es viele Be- fürworter der „Ehe für alle“, aber eben auch sehr viele Befürworter der „klassischen Ehe“ . Eine „Gewissens- entscheidung“ im Deutschen Bundestag bedeutet, dass man den Menschen, die eine andere Meinung vertreten, Respekt zollt und ihre Meinung akzeptiert . Hochmut in die eine oder andere Richtung, belehrende Aussagen mit erhobenen Fingern sind bei dieser schwierigen Fra- ge verfehlt . Ich bin sehr stolz, wie einfühlsam die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion diese Debatte am Dienstag ge- führt hat . Jeder Abgeordnete meiner Fraktion, den ich kenne, hat sich darüber Gedanken gemacht, sich ausge- tauscht, diskutiert . Die Häme, die von manchem politi- schen Wettbewerber nun ausgeschüttet wird, verwundert mich . Ich stehe an keiner Stelle dem Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit all seinen Rech- ten und Pflichten kritisch gegenüber. Zum parlamentarischen Verfahren möchte ich Folgen- des anmerken: Es ist sicherlich richtig, dass die Kanzle- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25245 (A) (C) (B) (D) rin die Frage der „Ehe für alle“ mit Blick auf die nächste Legislaturperiode zu einer Gewissenentscheidung erklärt hat . Einen Vertrauensbruch – manche sprechen sogar von einem Koalitionsbruch –, hat die SPD dennoch begangen . Im Koalitionsvertrag war die „Ehe für alle“ nicht verein- bart . Nun gemeinsam mit Linken und Grünen Abstim- mungen innerhalb von wenigen Tagen durchzusetzen, die zu einer Gewissensentscheidung erklärt worden sind, erscheint mir gegenüber den Abgeordneten des Deut- schen Bundestages nicht angemessen . Bei der Debatte über die Sterbehilfe hat sich der Deutsche Bundestag in seiner Gesamtheit und nicht nur in einem federführenden Ausschuss und einigen mitberatenden Ausschüssen über diese Thematik ausgetauscht . Es stellen sich mir eine Reihe von Fragen, die teilwei- se bis heute unbeantwortet geblieben sind . Als Beispiel nenne ich die Frage, ob das Grundgesetz nicht geändert werden muss. Ich bin als Abgeordneter verpflichtet, bei meinen Entscheidungen zu berücksichtigen, was das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts sagen – auch wenn manche dies verges- sen . Dafür wurde ich gewählt . Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Ehe zwischen Mann und Frau und daraus resultierend die Familie unter den besonde- ren Schutz des Grundgesetzes gestellt . Entscheidend hierfür war die Tatsache, dass aus einer solchen Ver- bindung Kinder hervorgehen können . Bis heute wurde diese Position, der ich uneingeschränkt zustimme, vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt . Mein Kenntnisstand ist der, dass die Bundesregierung bislang immer den Standpunkt vertreten hat, dass für eine Ände- rung des Ehebegriffes das Grundgesetz geändert werden muss . Die Änderung des BGB reicht meiner Meinung nach nicht aus . Ich weise auf einen anderen Aspekt der Diskussion hin . Der Begriff „Ehe für alle“ erweckt einen falschen Eindruck und eröffnet den Interpretations- und Hand- lungsspielraum für eine weitere Öffnung der Ehe . Ich mache darauf aufmerksam, dass aus gutem Grund in Deutschland Kinderehen und Polygamie verboten sind . Eine „Ehe für alle“ kann es daher gar nicht geben . Verbunden mit der Öffnung der Ehe ist auch das un- eingeschränkte Adoptionsrecht . Ich unterstütze nach wie vor das strenge Verfahren, das bei einer Adoption anzu- wenden ist . Ich stehe dabei auf dem Standpunkt, dass zum Beispiel ein heterosexuelles Ehepaar von Mann und Frau, welches die rechtlichen Voraussetzungen einer Ad- option erfüllt, jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, Kinder zu zeugen, und oftmals einen sehr leidvollen Weg auf dem Weg zu einer Adoption auf sich nehmen muss, einem homosexuellem Paar, welches the- oretisch nie in der Lage sein kann, Kinder zu zeugen, bei der Entscheidung über die Adoption vorzuziehen ist . Und um weiteren Diskussionen vorzubeugen, sage ich ganz deutlich, dass ich das Instrument der Leihmutterschaft ablehne . Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Grundsätz- lich trete ich für die rechtliche Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren ein . Für diese Form der Part- nerschaft haben wir bereits viel bewirkt . Dem vorliegenden Gesetzentwurf stimme ich jedoch nicht zu . Dabei leiten mich folgende Gründe: Als Abgeordnete eines ländlichen und christlich/reli- giös geprägten Wahlkreises vertrete ich in der Mehrzahl Bürgerinnen und Bürger, die unter Ehe die Verbindung von Mann und Frau verstehen . Dies zeigen mir die zahl- reichen Gespräche vor Ort und auch die Vielzahl von ak- tuellen Zuschriften und Telefonaten . Das sensible Thema „Ehe für gleichgeschlechtliche Paare“ verdient – wie andere Gewissensentscheidungen auch – eine breite gesellschaftspolitische Diskussion . Die Ergebnisse dieser Diskussion sollten – wie sonst auch im parlamentarischen Verfahren – in Form von verschiede- nen fraktionsübergreifenden Anträgen zur Abstimmung gestellt werden . Dies geschah dieses Mal nicht . Zudem habe ich große Bedenken hinsichtlich einer notwendigen Grundgesetzänderung und deren Auswir- kungen auf komplementäre Gesetze . Wir müssen beson- ders bei diesem sensiblen Thema mit größter Sorgfalt vorgehen . HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Menschen, die sich lieben und beständig Verantwortung füreinander übernehmen, die einander Stabilität und Halt geben, ver- dienen Anerkennung und Wertschätzung . Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates . Gleichgeschlechtlichen Paaren stand bisher das In- stitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Verfü- gung, um diese Verabredung zu festigen . Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jahren kon- tinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angegli- chen . Auch in dieser Legislaturperiode hat der Gesetz- geber diesen Weg weiter beschritten . Dementsprechend wurde die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspart- ner gesetzlich geregelt . Überdies hat der Bundestag das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner verabschiedet, mit dem Unterschiede in der Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in zahlreichen Einzel- gesetzen beseitigt wurden . Ich selbst habe mich sehr früh für die Anwendung des steuerlichen Splittings und eine Gleichstellung in den So- zialgesetzen bei den eingetragenen Lebenspartnerschaf- ten eingesetzt . Lange Zeit habe ich bei gleicher rechtlicher Behand- lung, die ich für notwendig halte, für eine unterschiedli- che Benennung der klassischen „Ehe“ und der gleichge- schlechtlichen Partnerschaft gestritten, auch deswegen, weil viele Menschen in meinem Umfeld den Weg zu einer völligen Gleichsetzung noch nicht nachvollziehen können . Diesen hätte ich gern Zeit für ein Umdenken ge- geben . In zahlreichen Gesprächen mit gleichgeschlechtlichen Partnern musste ich aber feststellen, dass hier der Begriff „Ehe“ einen hohen Stellenwert hat . Mit dem Recht auf Adoption hatte ich lange sehr viel größere Schwierigkeiten – keineswegs weil ich glaube, dass gleichgeschlechtliche Paare keine guten Eltern sein können . Meine Sorge gilt hier vielmehr dem Kind . Unbe- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725246 (A) (C) (B) (D) stritten gibt es weiterhin sehr heftige, manchmal auch un- erfreuliche Debatten über gleichgeschlechtliche Eltern- paare . Ich möchte nicht, dass diese emotionale Debatte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird . Gerade diese Überlegungen führen dazu, dass ich für mich und die Bürgerinnen und Bürger, denen gegenüber ich diese Position seit Jahren vertrete, mehr Zeit für aus- giebige Gespräche gewünscht hätte, um ein Umdenken, das in einem längeren Prozess zweifellos auch bei mir stattgefunden hat, zu erklären . Eine offene Diskussion im Respekt vor den unterschiedlichen Meinungen wäre aus meiner Sicht wichtig gewesen und ist es auch nach wie vor, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens herbei- zuführen und Homophobie und Ausgrenzung den Boden zu entziehen . Die persönlichen Anforderungen an potenzielle Adop- tiveltern und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Adoption sind streng geregelt . So ist die Annahme als Kind nur zulässig, „wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht“ . Hier erfolgt in jedem Fall eine am Kindeswohl orientierte, individuelle Einzelfallprüfung, und das bleibt auch so, wenn künftig die Adoption gleichgeschlechtlichen Paa- ren offenstehen würde . Gleichgeschlechtlichen Paaren ist eine Sukzessiv- adoption bereits möglich; sie können außerdem bereits Betreuer von Pflegekindern werden und erfüllen diese Aufgaben überzeugend . Das erkenne ich an und sehe, am Kindeswohlinteresse orientiert, durch die Möglichkeit der Adoption die Rechtsstellung des Kindes zusätzlich gestärkt . Dennoch überwiegt meine Kritik am Verfahren . Dass Menschen, die sich lieben, füreinander dauerhaft Verant- wortung übernehmen, verdient von mir als überzeugtem Christen vollsten Respekt . In Zeiten, wo Belanglosigkeit, Werteverfall und Bindungslosigkeit um sich greifen, ist gerade der Wunsch, sich in einer Ehe verbindlich fest- zulegen, eine wertkonservative Entscheidung . Dennoch kann ich aufgrund der Umstände, mit denen über dieses wichtige und für viele Menschen bedeutsame Thema nun entschieden werden soll, dem eingebrachten Gesetzent- wurf weder zustimmen; noch kann ich ihn ablehnen . Daher enthalte ich mich aus Respekt allen Beteiligten gegenüber dem Antrag . Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Ich werde dem Gesetzentwurf nicht zustimmen . Die Ehe von Mann und Frau steht unter dem besonderen Schutz des Staates . Grund hierfür ist, dass aus einer Ehe zwischen Mann und Frau Kinder hervorgehen können . In einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft werden grundlegende Werte unserer Gesellschaft gelebt, und die Partner stehen füreinander ein . Das verdient unseren Respekt . Deshalb haben wir als Gesetzgeber die Gleich- stellung in fast allen Bereichen bereits vollzogen (zum Beispiel der gemeinsame Name, das Erbrecht, das Steu- ersplitting, der Unterhalt, Getrenntleben und Auflösung, die Ermöglichung von Sukzessivadoptionen, die beam- tenrechtliche Versorgung) . Jegliche Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren lehne ich ab . Aber eine Gleichstellung in der Sache wird durch die Bezeichnung „Ehe“ nicht erreicht . Unter Juristen ist es zudem strittig, ob für die so- genannte „Ehe für alle“ nicht auch eine Änderung des Grundgesetzes und somit eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag erforderlich wäre . Auch diese Fra- ge hätte meiner Meinung nach zunächst geklärt werden müssen, bevor die Abstimmung ohne ausführliche Dis- kussion im Deutschen Bundestag in einer Hauruckaktion auf die Tagesordnung gesetzt wurde . Bei allen Themen, die als Gewissensentscheidungen eingestuft wurden, wie zum Beispiel dem Thema Sterbehilfe, sind lange Debat- ten im Plenum und in den Fraktionsgremien vorausge- gangen, bei denen sich die Abgeordneten ihre Meinung bilden und einbringen konnten . Außerdem wende ich mich gegen den Begriff „Ehe für alle“, weil weder Geschwister heiraten dürfen noch bei- spielsweise Ehen von einem Mann und mehreren Frauen erlaubt sind . Aus all diesen Gründen werde ich dem Gesetzentwurf zur „Ehe für alle“ nicht zustimmen . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Ich stimme heute für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften . Meine Entscheidung beruht auf meiner tiefen eigenen Überzeugung, dass zwei Men- schen, die sich lieben, die füreinander einstehen und sorgen, in keiner Weise rechtlich benachteiligt werden dürfen . Rechtlich gibt es derzeit insbesondere noch eine Un- gleichbehandlung im Falle der Volladoption . Hier bin ich der Überzeugung, dass auch gleichgeschlechtliche Paare gute Eltern sein können . Zudem wird in jedem Einzelfall durch Jugendämter und Gerichte immer das Wohl des Kindes bei der Entscheidung für die Adoption maßge- bend sein . Aufs Schärfste verurteile ich die Vorgehensweise ins- besondere der SPD: Die erzwungene Abstimmung ist eine Verletzung des Koalitionsvertrages und ein Vertrau- ensbruch . Zudem hätte ich mir für dieses wichtige Thema, wie bisher auch bei Gewissensentscheidungen üblich, eine breitere gesellschaftspolitische Diskussion gewünscht . Die Ergebnisse dieser Diskussion hätten dann in frakti- onsübergreifende Anträge einfließen und letztlich mit der gebührenden Sorgfalt zu einer Mehrheitsentscheidung führen können . Meine rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer not- wendigen Grundgesetzänderung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit halte ich aufrecht . Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Ich werde im Rah- men der Abstimmung am 30 . Juni 2017 dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts nicht zustimmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25247 (A) (C) (B) (D) Menschen die sich lieben und Verantwortung fürei- nander übernehmen, die einander auf Dauer Stabilität und Halt geben, verdienen Respekt und Wertschätzung unabhängig davon, ob sie in einer gleich- oder verschie- dengeschlechtlichen Partnerschaft bzw . Ehe leben . Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staa- tes . Deshalb halte ich die in den letzten Jahren vom Bun- desverfassungsgericht entschiedene einfachgesetzliche Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartner- schaften gegenüber Ehen für angemessen und berechtigt . Die geplante Gesetzesänderung verstößt meiner Auf- fassung nach gegen unsere Verfassung . Deshalb stimme ich mit Nein und damit gegen dieses Gesetz . Durch dieses Gesetz sehe ich Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen . Nach meiner persönlichen Auffassung umfasst der Begriff der Ehe nur die Verbindung zwischen Frau und Mann . Dies sieht auch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung so, wonach die Verschiedenge- schlechtlichkeit der Ehepartner zu den Strukturelementen des grundgesetzlichen Ehebegriffs gehört . Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung, wenn die Ehe für Paare gleichen Geschlechts geöffnet werden soll bzw . die gleichgeschlechtliche Verpartnerung sich als Ehe bezeichnen will . Die zur Abstimmung vorgelegte einfachgesetzliche Regelung reicht dafür nicht aus . Mit dieser Rechtsauffassung befinde ich mich auch in Übereinstimmung mit der juristischen Bewertung durch das Bundesjustizministerium, das auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestagsdruck- sache 18/4724) am 8 . Mai 2015 im Namen der Bundesre- gierung erklärt hat, dass eine Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts eine Änderung des Grundgesetzes voraussetze . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Wo gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten gegenseitig gewährt und übernommen werden und wo das Füreinander-Ein- stehen zum verbindlichen Lebensziel erklärt wird, sollten deshalb auch gleichwertige rechtliche Maßstäbe ange- legt werden . Aus diesem Grund befürworte ich die volle rechtliche Gleichstellung der ‎eingetragenen Lebenspart- nerschaft mit der Ehe und setze mich dafür ein, dass ne- ben der Ehe auch die eingetragene Lebenspartnerschaft unter den besonderen Schutz unserer Verfassung in Arti- kel 6 Grundgesetz gestellt wird . Ich erkenne darüber hinaus an, dass Kinder auch in Le- benspartnerschaften eine fürsorgliche sowie vertrauens- und liebevolle Umgebung erfahren können . Angesichts der seit langem geübten Rechtspraxis von Jugendämtern, Kinder aus dem Kindeswohl abträglichen Familien- verhältnissen auch in die Obhut gleichgeschlechtlicher Paare zu geben, und der bereits jetzt möglichen sukzes- siven Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtli- che Partner setze ich mich dafür ein, dass eingetragene Lebenspartnerschaften die Möglichkeit zur Volladoption in einem Akt nach einer am Kindeswohl orientierten in- dividuellen Einzelfallprüfung erhalten . Nach reiflicher Überlegung lehne ich den zur Abstim- mung stehenden Gesetzentwurf des Bundesrates zur Ein- führung des Rechts auf Eheschließung für Personen glei- chen Geschlechts (Drucksache 18/6665) dennoch ab .: Nach ständiger, auch jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht der Ehebegriff des Grundgesetzes von einer Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe aus . Eine Umde- finition des Begriffs „Ehe“, der in erster Linie historisch, kulturell und religiös besetzt ist, kann nach meinem Rechtsverständnis nicht einfach-gesetzlich ohne eine Verfassungsänderung erfolgen . Die nach Artikel 1 des Grundgesetzes geschützte Wür- de des Menschen ist unumstritten nicht abhängig von sei- ner sexuellen Orientierung . Ebenso unbestreitbar ist der Wesensgehalt des traditionellen Eheverständnisses, der sich aus der expliziten Verbindung von Mann und Frau ergibt . Dazu gehört auch die Tatsache, dass nur in der Paarkonstellation von Mann und Frau Kinder gezeugt und Leben weitergegeben werden kann . Deshalb kann eine „eheliche“ Verbindung nicht für „alles“ stehen und unterscheidet sich von der eingetragenen Lebenspart- nerschaft . Allein diese sprachliche Differenzierung von „Ehe“ und „eingetragener Lebenspartnerschaft“ begrün- det für sich genommen keine Diskriminierung, die zu ge- setzlichem Handeln zwingt . Die „Ehe für alle“ ist explizit nicht Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD . Ich bedaure, dass die SPD aus wahltaktischen Gründen zum Ende der Legislaturperiode in einem konfrontativen Verfahren eine Abstimmung erzwingt . Dieser bewusst kalkulierte Vertrauensbruch und die daraus resultieren- den parlamentarischen Abläufe werden der gesellschaft- lichen, normativen und auch emotionalen Tragweite der Thematik nicht gerecht und verhindern so einen mögli- chen breiteren Konsens . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Bei der heutigen Abstimmung zur Öffnung der Ehe habe ich mich enthalten . Meine Gründe: Erstens . In Lebenspartnerschaften werden wie in einer Ehe gleiche Werte gelebt, Rechte und Pflichten gegensei- tig gewährt und übernommen und zum verbindlichen Le- bensziel erklärt . Dort sollten deshalb auch gleichwertige rechtliche Maßstäbe angelegt werden . Aus diesem Grund befürworte ich die volle rechtliche Gleichstellung der ‎eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe. Dazu gehört auch die rechtliche Gleichstellung beim Thema Adoption . Ich erkenne an, dass Kinder auch in Lebenspartnerschaften eine fürsorgliche sowie vertrau- ens- und liebevolle Umgebung erfahren können . Bereits heute können Partner einer eingetragenen Lebenspart- nerschaft auch fremde Kinder adoptieren; das entspricht Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts . Allerdings – das ist der einzige verbliebene Unterschied – kann dies in einem komplizierteren Verfahren nur nacheinander er- folgen (Sukzessivadoption) . Die gemeinsame Adoption in einem Akt, die das Gesetz nur Ehegatten vorschreibt, war aber nicht als Privileg von Ehegatten gegenüber Le- benspartnern gedacht (auch wenn es heute oft so interpre- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725248 (A) (C) (B) (D) tiert wird); sondern sie sollte vor allem sicherstellen, dass beide Eheleute das Kind als das Ihre annehmen und nicht einer der Partner einen Vorbehalt gegenüber dem Kind des anderen hat . Dieser Gedanke ist auf Lebenspartner ebenso übertragbar . Unverändert muss gelten, dass jedes Elternpaar nicht nach seinen eigenen Wünschen, son- dern allein nach den Erfordernissen des Kindeswohls ausgewählt wird, wobei nach meiner Überzeugung die Auswahl eines Elternpaars mit Vater und Mutter auch weiterhin ein entscheidendes, positives Kriterium dar- stellen muss. Andere Aspekte, vor allem ein Pflegever- hältnis, Verwandtschaft oder Gewalterfahrungen in der Herkunftsfamilie, können aber wichtiger sein und die Adoptionsentscheidung zugunsten einer eingetragenen Lebenspartnerschaft begründen . Das muss im Einzelfall das Jugendamt entscheiden . Weitere relevante rechtliche Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft bestehen nicht mehr . Für die Abschaffung der früher bestehenden steuerlichen Ungleichbehandlung – die eine klare Dis- kriminierung beinhaltete – habe ich bereits vor einigen Jahren mit Überzeugung auch öffentlich in der Fraktion und auf dem Bundesparteitag gegen die damalige Mehr- heitsmeinung gestritten . Erst in dieser Wahlperiode ist außerdem ein langer Katalog verschiedenster Gesetzesänderungen durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner umgesetzt worden . Zweitens . Ich habe andererseits aber Bedenken gegen- über einer Öffnung der Ehe auf dem Weg eines einfachen Gesetzes . Zum einen halte ich hierfür eine Verfassungs- änderung für erforderlich . Nach ständiger, auch jüngerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht der Ehebegriff des Grundgesetzes von einer Verschieden- geschlechtlichkeit der Partner als Wesensmerkmal der Ehe in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes aus . Dies hat auch der Bundesjustizminister im Mai 2015 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 18/4862) bekräftigt . Zum anderen halte ich es für den falschen Ansatz, die Gleichstellung herbeizuführen, indem der Begriff der Ehe umdefiniert wird. Die bloße Verwendung von ver- schiedenen Begriffen kann keine Diskriminierung „vor dem Gesetz“ darstellen . „Ehe“ (bzw . entsprechende Be- griffe anderer Sprachen) ist ein historisch, kulturell und religiös besetzter Begriff, der als auf Lebenszeit angeleg- te und gesetzlich geschützte Verbindung einer Frau mit einem Mann zu verstehen ist . Er ist nicht durch staatliche Definition geprägt, sondern durch dieses Vorverständnis und wird in diesem Sinn weiterhin zum Beispiel von der katholischen Kirche verwendet . Diese Bedeutung ist in meinem Umfeld weiterhin maßgeblich, auch wenn sich hier Änderungen abzeichnen mögen . Mit der Lebenspartnerschaft steht ein Begriff bzw . ein Institut zur Verfügung, das der Ehe (mit der geschil- derten Änderung im Adoptionsrecht) gleichgestellt ist . Auch wenn manche die Verschiedenheit der Begriffe als Diskriminierung empfinden, was ich sehr bedaure, kann das meines Erachtens kein Grund sein, einen zentralen Begriff wie die Ehe inhaltlich zu verändern . Stattdessen habe ich die Aufnahme des Begriffs der Lebenspartner- schaft in das Grundgesetz vorgeschlagen, um so zu einem gleichen Schutz beider Institute zu kommen und auch die gleiche Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen . Klar ist: Man kann diese Argumentation teilen oder auch zu einem anderen Ergebnis kommen . Die zum Teil sehr überzogenen Reaktionen auf meine Position mit den üblichen Unterstellungen und Vorwürfen sind für mich aber gerade kein Anlass, meine Haltung zu ändern . Die Verfolgung homosexueller Menschen hat in Deutschland über viele Jahre großes Unrecht und Leid verursacht – in der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch in der neu gegründeten Bundesrepublik und in der Deutschen Demokratischen Republik . In der Diskussion über die Rehabilitierung we- gen einvernehmlicher sexueller Handlungen verurteilter Menschen wurde dies nochmals deutlich . Aus Gesprä- chen und Begegnungen mit Homosexuellen weiß ich, dass diese Verfolgung weiterhin selbst bei jungen Men- schen nachwirkt und zu der Grundhaltung beiträgt, sich als ausgegrenzt und weniger anerkannt zu empfinden. Erhöhte Selbstmordzahlen bei homosexuellen Jugendli- chen sind dafür ein bestürzendes Zeichen . Hier erkenne ich die positive Signalwirkung des heutigen Beschlusses ausdrücklich an und habe mich deshalb entschieden, ihn nicht abzulehnen . Ich bedaure aber, dass die SPD aus wahltaktischen Gründen entgegen dem geltenden Koalitionsvertrag der 18 . WP nun ein konfrontatives Verfahren gewählt hat, sodass eine breitere Diskussion (wie von der Kanzlerin vorausgesetzt), die in einen neuen Koalitionsvertrag der 19 . WP münden könnte, nicht mehr möglich ist . In die- sem Fall hätte die Möglichkeit bestanden, eine deutlich größere politische und damit letztlich auch gesellschaft- liche Mehrheit für die Gleichstellung herbeizuführen . Verfassungsrechtliche Bedenken hätten dann mit breiter parlamentarischer Mehrheit ausgeräumt werden können . In Abwägung dieser verschiedenen Aspekte habe ich mich entschieden, mich bei der Abstimmung über den Antrag des Bundesrates zu enthalten . Barbara Woltmann (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz nicht zu . Begründung: Der Artikel 6 Absatz 1 GG schützt die Ehe und Familie . Mit dem Begriff Ehe ist die auf Dauer angelegte, auf freiem Entschluss und Gleichberechtigung beruhende und förmlich geschlossene Lebensgemein- schaft zwischen Frau und Mann gemeint . Das ist durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts mehrfach bestä- tigt . Nicht erfasst werden nichteheliche oder eheähnli- che Lebensgemeinschaften . Auch gleichgeschlechtliche Verbindungen wie die eingetragene Lebenspartnerschaft sind nach der Meinung des Bundesverfassungsgerichts keine Ehe, da der Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes allein heterosexuelle Lebensgemeinschaften meint . Ge- schützt sind diese Partnerschaften durch Artikel 3 Ab- satz 1 GG . Ob verschieden- oder gleichgeschlechtlich, der Staat unterstützt alle Lebensformen, die von Verant- wortung füreinander getragen sind . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25249 (A) (C) (B) (D) Die Beeinträchtigung des Artikels 3 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) setzt eine Ungleichbehandlung voraus, das heißt eine unterschiedliche Behandlung zweier ver- gleichbarer Sachverhalte . Die heterosexuelle Ehe ist aber nicht vergleichbar mit der gleichgeschlechtlichen Ehe, da zwei Männer oder zwei Frauen miteinander keine Kinder haben/zeugen und gebären können . Das heißt also, dass es kein gleicher Sachverhalt ist . Der Artikel 3 Absatz 1 GG verbietet allerdings nicht nur die Ungleichbehand- lung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleich- behandlung von wesentlich Ungleichem . Insofern sehe ich rechtlich keine Nachteile und keine Verletzung der Artikel 3 Absatz 1 oder Artikel 6 Absatz 1 GG . Wenn da- her von Benachteiligung gesprochen wird, kann ich das nicht nachvollziehen . Die Öffnung des Rechtsinstituts Ehe für gleichge- schlechtliche Partnerschaften ist der Wertentscheidung des Verfassungsgebers vorbehalten . Ohne eine Verfas- sungsänderung des Artikels 6 Absatz 1 GG ist daher eine Erweiterung des Ehebegriffs auch auf gleichgeschlechtli- che Paare nach meiner Rechtsauffassung nicht möglich . Dies bedeutet aber nicht, dass die Union Menschen, die sich lieben, die dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen und die sich Stabilität geben wollen, keine Anerkennung oder Wertschätzung zuteil werden lassen möchte, ganz im Gegenteil . Die Nachteile hat der Ge- setzgeber in den vergangenen 15 Jahren immer weiter abgebaut . Besonders die steuerliche Gleichstellung zwi- schen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ist eine große Errungenschaft gewesen . Dazu zählt auch die Er- weiterung der Sukzessivadoption für gleichgeschlechtli- che Paare . Emmi Zeulner (CDU/CSU): Ich werde dem Antrag „Ehe für alle“ nicht zustimmen . Vorab: Dieses Thema derart für den Wahlkampf und politische Zwecke zu missbrauchen, wie es die SPD ge- tan hat, ist unwürdig . Ich bin entschieden gegen jegliche Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren, und sollte ich eine solche Ungerechtigkeit in meinem Umfeld erleben, habe ich mich in Vergangenheit und werde ich mich auch zu- künftig couragiert gegen eine solche stellen . Ich habe selbst in meinem engen Freundeskreis gleichgeschlecht- liche Paare und respektiere selbstverständlich ihre Mei- nung zur „Ehe für alle“ . Im Gegenzug hoffe ich auch, dass meine Meinung respektiert wird . Die hier geforder- te Toleranz muss für beide Seiten gelten . Denn letztlich geht es darum, dass wir die Werte des anderen hören, respektieren und im besten Fall nachvollziehen können . Ich stehe hinter dem Grundsatzprogramm der CSU . Dies stellt die Ehe von Mann und Frau unter staatlichen Schutz und erkennt zugleich an, dass die Werte, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt werden, grundlegend für unsere Gesellschaft sind . Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass alle Paare, gleichgeschlechtlich oder nicht, offiziell als „verheiratet“ bezeichnet werden und die noch bestehenden Ungleich- behandlungen bei der Adoption ausgeräumt werden . So- mit wäre der Begriff der Ehe, die als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit innehat, nicht betroffen . Letztlich ist es für mich aber keine reine Gewissen- sentscheidung . Denn ich habe als direkt gewählte Ab- geordnete einen Auftrag von meinen Wählern erhalten, sie auch in Berlin zu vertreten . Diese haben mich in dem Vertrauen gewählt, dass bestimmte Grundsätze nicht an- getastet werden . Letztlich haben sich die gesellschaftlichen Werte und Anschauungen gewandelt; aber das christliche Wertebild ist in den Grundzügen dasselbe geblieben . Diese Bestän- digkeit hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern ist Ausdruck einer Verlässlichkeit . Deswegen werde ich dem Antrag „Ehe für alle“ nicht zustimmen . Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurch- setzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurch- setzungsgesetz – NetzDG) (Zusatztagesordnungs- punkt 12) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz kann ich nicht zustim- men . In meiner Haltung bestätigt fühle ich mich durch das Ergebnis der öffentlichen Anhörung vor dem Rechts- ausschuss des Bundestags, bei der sich acht von zehn Experten explizit gegen den bisherigen Entwurf ausge- sprochen haben . Einige Gründe möchte ich im Folgen- den anführen . Grundsätzlich begrüße ich das Ziel der Bundes- regierung, dass illegalen Inhalten oder sogenannten „Hass-Postings“ in den sozialen Netzwerken ein Riegel vorgeschoben wird . Facebook, Twitter und andere haben sich in der Vergangenheit zu wenig kooperativ gezeigt, wenn es um die Bekämpfung von Hetze und Belästigung ging . Nicht einverstanden bin ich allerdings, dass beispiels- weise die Prüfung von Inhalten an die Betreiber der so- zialen Netzwerke delegiert wird . Sie wird beispielsweise nicht von unabhängigen Gerichten durchgeführt . Außer- dem könnte die kurze Frist für die Löschung bzw . Sper- rung ungewünschter Inhalte und die hohen Strafen für die Betreiber zu einer Überregulierung der sozialen Netz- werke und damit zu einer Unterdrückung legitimer Mei- nungsäußerungen führen . Konkret steht dazu im Gesetz, dass „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte innerhalb ei- nes Tages gelöscht und „rechtswidrige Inhalte“ binnen einer Woche gelöscht werden müssen . Insbesondere die- se kurzen Löschfristen bedeuteten aus meiner Sicht einen schweren Eingriff in die Meinungsfreiheit, denn das Ri- siko eines Bußgeldes führt in der Praxis sicherlich dazu, dass die Entscheidungs- und Abwägungsregeln ignoriert werden müssen . Außerdem stellt sich mir die Frage, in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725250 (A) (C) (B) (D) welchem Fall man von einer „Hassrede“ spricht oder von „Fake News“? Wie grenzt man sie ab? Treffend zusammengefasst hat es der Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, Andrus Ansip, im Handelsblatt: „Fake News sind schlimm, aber ein ,Wahrheitsministeri- um‘ ist schlimmer .“ Aus meiner Sicht haben die in der Tat stattfindenden und schwer zu ertragenden Hetzen und Beleidigungen einen gesellschaftlichen Ursprung . Diesem Phänomen kann meines Erachtens nicht allein mit Gesetzen begeg- net werden . Das Grundproblem ist nämlich mangelnder Respekt und mangelnder Anstand im Umgang mit dem Nächsten . Vielleicht sollten wir mehr auf den Zustand der Familien als Erziehungsort und den Zustand der Schulen als Lehranstalten einer Nation achten . Denn schon unsere Vorväter wussten: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr .“ Wir beschäftigen uns hier also nicht mit dem Ursprung des Problems, sondern wir versuchen, die Auswirkungen von Fehlern mit juristischem Flickwerk abzumildern . Als gelernter DDR-Bürger habe ich erlebt, wie es ist, wenn der Staat eine weitgehende Kontrolle der Gedan- ken und Worte der Menschen anstrebt, um jede Form von Opposition bzw . Kritik notfalls im Keim zu ersticken . Wo dieser Verfolgungswahn hinführt, haben wir Deut- sche in zwei totalitären Diktaturen erleben müssen . Jetzt übergeben wir die Verantwortung für die Kontrolle über einen menschlich fairen Umgang im Internet der privaten Wirtschaft und sorgen mit sehr kurzfristigen Löschfristen dafür, dass die Unternehmen schon aus wirtschaftlichen Gründen Massenlöschungen vornehmen werden . Auf- gabe des Staates ist es, das richtige Augenmaß bei einer Gesetzgebung zu finden, die empfindliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit hat . Und, mit Verlaub, das rech- te Maß wurde trotz Namensähnlichkeit vom derzeitigen Bundesjustizminister sicherlich nicht gefunden . Als Par- lamentarier verweigere ich deshalb auch meine Geburts- hilfe bei diesem juristischen Stück- und Flickwerk . Iris Eberl (CDU/CSU): Hiermit zeige ich an, dass ich am Freitag, 30 . Juni 2017, gegen den Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, Drucksache 18/12356 sowie Drucksache 18/12727, stimmen werde . Das Gesetz enthält einen unangemessenen und ver- fassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit, den ich in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland nicht mitverantworten will . Weitere Begründung: Ich habe den Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsge- setzes in seiner ursprünglichen Fassung zur Begutach- tung an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages gegeben, um die Frage seiner Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Europäischen Recht zu klären . Das Ergebnis ist eine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz . Auch bezüglich des Europarechts wurden große Probleme gesehen . Da die Einzelpunkte, die zum Schluss der Unverein- barkeit führten, in der vorliegenden neuen Fassung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes noch enthalten sind, folgere ich, dass auch dieses verfassungswidrig und wohl auch europarechtswidrig ist . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach (fraktions- los) zu den Abstimmungen über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) und die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommentare, „Fake News“ und Miss- brauch von „Social Bots“ (Zusatztagesordnungs- punkt 12 a und b) Wenn einfachgesetzliche Normen wie Beleidigungen, Volksverhetzungen oder Gewaltdarstellungen, im eröff- neten Schutzbereich der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit im Netz durchgesetzt werden sollen, dann bewegen wir uns auf sehr glattem Eis . Die verein- barten Änderungen stellen die Netzkonzerne besser, weil ihr Bußgeldrisiko sinkt . Das mildert den Protest ab . Mir geht es jedoch darum, das Grundrecht der Mei- nungsfreiheit nicht zu beschädigen, indem man einen Überwachungs- und Tilgungsdienst einrichtet, der sich am Ende nicht wird verantworten müssen . Wie wird die Zentrale aussehen, die über die Löschungen befindet? Wird am Ende nicht gelöscht, was rechtswidrig ist, son- dern am Ende all das, was missliebig sein könnte? Dem Unternehmen ist der Gewinn oder die Freiheit von sich aufaddierenden Strafzahlungen wichtiger als die neu- trale, kostenintensive Prüfung, ob tatsächlich komplexe Rechtsnormen verletzt sind . Der UN-Sonderbeauftragte für die Meinungsfreiheit, David Kaye, benennt genau diese Gefahr der „Überregulierung“ . Überregulierung über Verschlagwortung, Sprache als Gegensatz von herr- schendem „Mainstream“ und dann ausgemerzter Minder- meinung? Sich den Ärger vom Hals halten, wie die FAZ schrieb . Das schafft auf Dauer sogar eine Gesellschafts- lenkung, kreiert eine neue Gesellschaftsrealität . Das vor allem, wenn die „vertrauenswürdigen Partner“ der Netz- überwacher, die Gut und Böse definieren, Genossen um- fasst wie „ausgerechnet die Amadeu Antonio Stiftung der ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane, die nicht nur an den Task-Force-Gesprächen von Bundesjustiz- minister Heiko Maas (SPD) mit Facebook und Twitter teilnahm, sondern sich auch sonst schon als ideologische Kehrmachine im Netz betätigt hat“ . Die FAZ berichtete am 27 . Juni 2017 . Ist dann „Beat the fascist insect“ wie- der aktuell? Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25251 (A) (C) (B) (D) Birgt das nicht die Gefahr, dass die Meinung der Mehrheit – oder der vermuteten Mehrheit – alle anderen mundtot macht? Hier droht die „Tyrannei der Mehrheit“, die schon der französische Publizist und Politiker Alexis de Toqueville als Gefahr der Demokratie beschrieb . Die aktive Teilnahme der Bürger wird so unverhältnismäßig eingeschränkt . Diese Überkorrektur beraubt die betroffe- nen Bürger und jene·Bürger, die befürchten, Betroffene zu werden, der politischen Eigeninitiative . Sie werden in die innere Emigration getrieben, in eine fremdver- schuldete Unmündigkeit, in der sie sich nur um ihre wirtschaftliche Existenz kümmern und das Politische bei Wahlen und der Steuerzahlung erfüllen sollen . Das Netzdurchsetzungsgesetz dient dann – wie es der Name schon zu sagen scheint – ganz offensichtlich dazu, sich mit einer genehmen Meinung im Netz durchzuset- zen . Gut gemeint ist also nicht gut gelungen, insbesonde- re nicht beim Netzdurchsetzungsgesetz . Aus diesen Gründen stimme ich dem Antrag nicht zu . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker und Dr. Stefan Heck (beide CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (Zusatztages- ordnungspunkt 15) Wir unterstützen das Ziel, die Verbreitung von WLAN-Netzen in Deutschland zu fördern . Zugleich ha- ben wir erhebliche politische und rechtliche Bedenken gegen den vorliegenden Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes . Der Wunsch gerade von Hoteliers und Einzelhänd- lern, ihren Kunden einen WLAN-Internetzugang mög- lichst ohne eigene Haftungsrisiken anbieten zu können, ist zwar nachvollziehbar . Doch dürfen dabei weder die Konsequenzen für diejenigen, deren Rechte über einen solchen Internetzugang verletzt werden, zum Beispiel Künstler, Kreative, Verlage etc ., aber auch die Opfer von Mobbing oder Verleumdung, noch für die Kriminalitäts- bekämpfung vergessen werden . Im vergangenen Jahr wurde bereits mit dem 2 . TMG-Änderungsgesetz klargestellt, dass WLAN-Be- treiber in gleicher Weise wie sonstige Accessprovider von den Haftungsprivilegien des Telemediengesetzes profitieren. Diese gesetzlichen Änderungen waren aus unserer Sicht richtig und ausreichend . Unserer Auffassung nach begegnet der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form aus zwei Gründen besonderen europarechtlichen Bedenken: Zum einen bezieht sich die in § 8 Absatz 1 Satz 2 TMG-E vorgesehene Regelung nicht nur auf die Betreiber von WLAN-Netzen, sondern auf sämtliche Internetzugangsprovider, ohne dass Rech- teinhaber diesen gegenüber noch irgendeinen Rechtsbe- helf in der Hand haben . Die Regelung des § 7 Absatz 4 TMG-E, die Urhebern und anderen Inhabern geistiger Eigentumsrechte einen Anspruch auf „Sperrung der Nutzung von Informationen“ gibt, kann ausschließlich gegenüber WLAN-Betreibern geltend gemacht werden, nicht aber gegenüber sonstigen Diensteanbietern im Sin- ne des § 8 TMG . Das ist unserer Auffassung nach nicht mit Artikel 8 Absatz 3 der RL 2001/29/EG und Artikel 11 RL 2004/48/EG in Einklang zu bringen . Die Richtlini- en schreiben vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Rechteinhaber gerichtliche Anordnun- gen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden . Diese Vorgabe wird mit dem 3 . TMGÄndG nicht mehr erfüllt . Zweitens ist die in § 7 Absatz 4 Satz 4 und § 8 Absatz 1 Satz 2, 2 . Halbsatz TMG-E normierte Kostenregelung nach unserer Auffassung nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar . Zukünftig sollen Kostenerstattungs- ansprüche der Rechteinhaber gegenüber den Accesspro- vidern ausgeschlossen sein . Artikel 14 der RL 2004/48 besagt aber, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müs- sen, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der ob- siegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegen- stehen. Diesen Grundsatz finden wir auch im deutschen Recht, wo es üblich ist, dass die unterlegene Partei die Prozesskosten zu tragen hat . Schließlich sprechen sicherheitspolitische Bedenken gegen den Gesetzentwurf . Der gesetzliche Ausschluss ei- ner Passwortpflicht und das Verbot der Auferlegung einer Registrierungspflicht führen zu einer völlig anonymen und unbeschränkten Nutzung der WLAN-Netze . Diese erweiterte Anonymisierung der Internetnutzer kann die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten im Internet erheblich erschweren . Gleichzeitig steht sie im Wider- spruch zu den jüngsten gesetzlichen Maßnahmen zur verbesserten Aufklärung von Straftaten unter Nutzung von Telekommunikationsmitteln . So wird beispielsweise die Datenverifizierungspflicht bei der Registrierung von Prepaid-Mobiltelefonen wirkungslos, wenn sich Straftä- ter oder Gefährder in offene WLAN-Netze nach Belieben anonym einwählen können . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Tankred Schipanski (CDU/ CSU) zu der Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 15) In der vorgeschlagenen erneuten Änderung des Tele- mediengesetzes sehe ich keine Verbesserung gegenüber der aktuellen Rechtslage . Gleichwohl stimme ich diesem Gesetz aus Koalitionsdisziplin zu . Die Union beweist sich hier als verlässlicher Koalitionspartner . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725252 (A) (C) (B) (D) Anlage 9 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2015 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2015 Drucksachen 18/5065, 18/5162 Nr. 12 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2015 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2015 Drucksachen 18/5767, 18/5976 Nr. 1.9 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2015 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2015 Drucksachen 18/6952, 18/7116 Nr. 3 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2015 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2015 Drucksachen 18/8346, 18/8461 Nr. 1.7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2017 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaus- haltsordnung über die Einwilligung in eine über- planmäßige Ausgabe bei Kapitel 1408 Titel 821 03 – Beschaffung von Liegenschaften für militärische Zwecke und Werterstattungen nach § 61 Absatz 1 der Bundeshaushaltsordnung für bundeseigene Grundstücke sowie Restwertentschädigungen – bis zur Höhe von 48 Mio. Euro Drucksachen 18/11864, 18/12181 Nr. 1.4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen im Bereich der Flüchtlings- und Inte- grationskosten und die Mittelverwendung durch die Länder im Jahr 2016 Drucksachen 18/12688, 18/12879 Nr. 1.4 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Struktur-, Rechts- und Finanzie- rungselemente der substantiellen Intensivierung des KfW-Engagement im Bereich der Wagniskapi- tal- und Beteiligungsfinanzierung Drucksachen 18/12748, 18/12879 Nr. 1.10 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Programme zur Innovations- und Technologieförderung im Mittelstand, in der lau- fenden Legislaturperiode, insbesondere über die Entwicklung des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) für das Jahr 2016 Drucksache 18/12442 Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Reformprozesse, mögliche Miss- stände und sonstige aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin Drucksache 18/3566 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Reformprozesse, mögli- che Missstände und sonstige aktuelle Entwicklun- gen in der Transplantationsmedizin Drucksache 18/7269 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Reformprozesse, mögli- che Missstände und sonstige aktuelle Entwicklun- gen in der Transplantationsmedizin Drucksache 18/10854 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ressortübergreifende Strategie Soziale Stadt – Nachbarschaften stärken, Miteinander im Quartier Drucksachen 18/9588, 18/9733 Nr. 1.1 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stickstoffeintrag in die Biosphäre Drucksachen 18/12690, 18/12879 Nr. 1.6 – Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Stellungnahme des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung zur Deutschen Nachhal- tigkeitsstrategie 2016 Drucksachen 18/12742, 18/12879 Nr. 1.11 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 2017 25253 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- genabschätzung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung (TA) Synthetische Biologie – Die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie Drucksache 18/7216 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Aktionsplan Nanotechnologie 2020 der Bundesre- gierung Drucksache 18/9670 – Unterrichtung durch die Bundesregierung 16. Bericht des Ausschusses für die Hochschulsta- tistik für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2016 Drucksache 18/10851 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Strategie der Bundesregierung zur Internationali- sierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung Drucksache 18/11100 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Gutachten zu Forschung, Innovation und technolo- gischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017 Drucksache 18/11270 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zur Umsetzung der Hightech-Strategie – Fortschritt durch Forschung und Innovation Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutach- ten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017 Drucksache 18/11810 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 2017 Drucksache 18/11969 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 Drucksache 18/12310 Ausschuss Digitale Agenda – Unterrichtung durch die Bundesregierung Digitale Agenda 2014 bis 2017 Drucksache 18/2390 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Legislaturbericht Digitale Agenda 2014 bis 2017 Drucksache 18/12130 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Innenausschuss Drucksache 18/9605 Nr . A .17 Ratsdokument 11316/16 Drucksache 18/9605 Nr . A .18 Ratsdokument 11317/16 Drucksache 18/9605 Nr . A .19 Ratsdokument 11318/16 Drucksache 18/12184 Nr . A .3 Ratsdokument 6914/17 Drucksache 18/12184 Nr . A .4 Ratsdokument 6925/17 Drucksache 18/12184 Nr . A .5 Ratsdokument 6941/17 Drucksache 18/12184 Nr . A .6 Ratsdokument 6943/17 Drucksache 18/12184 Nr . A .7 Ratsdokument 6949/17 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/419 Nr . A .53 Ratsdokument 17635/13 Finanzausschuss Drucksache 18/6607 Nr . A .12 Ratsdokument 12601/15 Drucksache 18/11693 Nr . A .7 EP P8_TA-PROV(2017)0041 Drucksache 18/12456 Nr . A .5 EU-Dok 119/2017 Drucksache 18/12654 Nr . A .4 Ratsdokument 8873/17 Haushaltsausschuss Drucksache 18/12456 Nr . A .6 Ratsdokument 8257/17 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/10932 Nr . A .13 Ratsdokument 15090/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .14 Ratsdokument 15091/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .15 Ratsdokument 15108/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .16 Ratsdokument 15151/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .14 Ratsdokument 5358/17 Drucksache 18/11229 Nr . A .15 Ratsdokument 15120/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .16 Ratsdokument 15135/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .17 Ratsdokument 15149/16 Drucksache 18/11229 Nr . A .18 Ratsdokument 15150/16 Drucksache 18/11484 Nr . A .12 Ratsdokument 5868/17 Drucksache 18/11484 Nr . A .13 Ratsdokument 5890/17 Drucksache 18/11484 Nr . A .14 Ratsdokument 5902/17 Drucksache 18/12654 Nr . A .5 Ratsdokument 8765/17 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 244 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 30 . Juni 201725254 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/12456 Nr . A .9 Ratsdokument 7998/17 Verteidigungsausschuss Drucksache 18/12892 Nr . A .10 KOM(2017)294 endg . Drucksache 18/12892 Nr . A .11 Ratsdokument 10164/17 Drucksache 18/12892 Nr . A .12 Ratsdokument 10165/17 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/12184 Nr . A .15 Ratsdokument 7119/17 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/12456 Nr . A .14 Ratsdokument 7873/17 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/6855 Nr . A .11 Ratsdokument 13330/15 Drucksache 18/6855 Nr . A .12 Ratsdokument 13352/15 Drucksache 18/7127 Nr . A .7 EP P8_TA-PROV(2015)0395 Drucksache 18/7127 Nr . A .8 Ratsdokument 13348/15 Drucksache 18/7286 Nr . A .28 Ratsdokument 14790/15 Drucksache 18/8140 Nr . A .28 Ratsdokument 6803/16 Drucksache 18/10116 Nr . A .38 Ratsdokument 12185/16 Drucksache 18/10116 Nr . A .39 Ratsdokument 12192/16 Drucksache 18/10706 Nr . A .14 Ratsdokument 14357/16 Drucksache 18/10706 Nr . A .16 Ratsdokument 14359/16 Drucksache 18/10706 Nr . A .17 Ratsdokument 14630/16 Drucksache 18/10932 Nr . A .31 Ratsdokument 15073/16 Drucksache 18/11693 Nr . A .16 Ratsdokument 6619/17 Drucksache 18/11883 Nr . A .1 Ratsdokument XT20001/17 Drucksache 18/12299 Nr . A .1 Ratsdokument XT21009/17 Drucksache 18/12456 Nr . A .16 EP P8_TA-PROV(2017)0102 244. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 11 Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts ZP 12 Netzwerkdurchsetzungsgesetz ZP 13 Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz ZP 14 Netzentgeltmodernisierungsgesetz ZP 15 Änderung des Telemediengesetzes TOP 29 Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr TOP 30 Leitlinien zur Krisenprävention, Friedensförderung TOP 31 Bericht des 5. Untersuchungsausschusses (Abgas) TOP 32 Spitzensportförderung TOP 33 Förderung des sozialen Wohnungsbaus TOP 28 Zweiter Engagementbericht: Demografischer Wandel Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich zur 244 . Plenarsitzung der jetzt allmählich zu
Ende gehenden Legislaturperiode . Ich freue mich, dass
zu ungewöhnlich früher Zeit ungewöhnlich viele Kolle-
ginnen und Kollegen anwesend sind;


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


das könnte mit der Tagesordnung zu tun haben . Auch
auf der Pressetribüne habe ich selten so viele Journalis-
ten gleichzeitig und noch nie zu dieser Uhrzeit gesehen .
Auch Ihnen ein herzliches Willkommen .


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


Ich möchte Ihnen mitteilen, dass der Ältestenrat sich
in seiner gestrigen Sitzung darauf verständigt hat, in der
Plenarsitzung, die wir für den 5 . September eingeplant
haben, keine Befragung der Bundesregierung, keine Fra-
gestunde und auch keine Aktuelle Stunde durchzuführen .


(Beifall des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Ich frage, ob Sie damit einverstanden sind . – Das ist of-
fensichtlich der Fall . Dann können wir das so festhalten .

Wir kommen nun zu einem Geschäftsordnungsan-
trag. Die Fraktionen der SPD, Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen haben fristgerecht beantragt, die heu-
tige Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung
des vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfs zur
Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen
gleichen Geschlechts auf den Drucksachen 18/6665 und
18/12989 zu erweitern und jetzt sofort im Anschluss mit
einer Debattenzeit von 38 Minuten zu beraten . Über die-
sen Geschäftsordnungsantrag lasse ich nun abstimmen .
Wer stimmt für den Antrag auf Erweiterung der Tages-
ordnung? – Wer stimmt dagegen? – Das Erste war er-
kennbar die Mehrheit . Enthaltungen gibt es keine .


(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Beifallsstürme nach Geschäftsordnungsentscheidun-
gen hatten wir auch eher selten .


(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute ist alles anders!)


Ich rufe somit Zusatzpunkt 11 auf:

Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein-
führung des Rechts auf Eheschließung für
Personen gleichen Geschlechts

Drucksache 18/6665

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/12989 Buchstabe a

Über diesen Gesetzentwurf werden wir später nament-
lich abstimmen .

Ich möchte eine Vorbemerkung machen . Nach der jetzt
folgenden Debatte stimmen wir über ein Anliegen ab, das
erkennbar viel mehr Menschen intensiv beschäftigt und
umtreibt, als davon unmittelbar betroffen sind; das gilt in
die eine wie in die andere Richtung . Auch diesmal gibt es
bei ruhiger, nüchterner Betrachtung jeweils beachtliche
Gründe für wie gegen die geltende Rechtslage . Es wäre
schön, wenn in der folgenden Aussprache der wechsel-
seitige Respekt deutlich würde, den beide Positionen
zweifellos verdienen .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir hatten uns vorhin schon darauf verständigt, dass
diese Debatte 38 Minuten dauern soll . – Auch dazu kann
ich keinen Widerspruch feststellen .

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort
dem Kollegen Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(B) (D)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824400100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue

mich, dass es heute zu einer Entscheidung kommt .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Öffnung der Ehe ist ein wichtiger gesellschaftspoli-
tischer Fortschritt . Darauf haben viele Menschen in die-
sem Land lange gewartet .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bei der Ehe geht es nicht um das Geschlecht, sondern
darum, ob Menschen füreinander einstehen und Verant-
wortung übernehmen wollen . Nach Artikel 6 des Grund-
gesetzes stehen Ehe und Familie unter dem besonderen
Schutz des Staates .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau!)


Dieses Grundrecht schützt im Kern die Verantwortungs-
gemeinschaft von Menschen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb brauchen wir auch keine Grundgesetzänderung,
um die Ehe für alle einzuführen .

Niemand kann sagen, dass wir über dieses Thema
nicht gründlich genug diskutiert hätten . Wir entscheiden
heute über einen Gesetzentwurf, der bereits 2015 auf Ini-
tiative von Rheinland-Pfalz im Bundesrat beschlossen
wurde . Es gab eine ordentliche Anhörung im Rechtsaus-
schuss zu diesem Thema, und der Bundestag hat fünfmal
im Plenum darüber debattiert . Dass wir heute darüber
entscheiden, ist vielleicht nicht gut für die Koalition, aber
es ist gut für die Menschen,


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und es ist gut für das Parlament .

Es gibt seit Jahren im Deutschen Bundestag eine klare
Mehrheit der Abgeordneten für die Öffnung der Ehe .


(Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Eine Abstimmung ist aber bisher durch Koalitionsverträ-
ge verhindert worden . Erfreulicherweise ist seit Montag
auch unser Koalitionspartner der Meinung, dass diese
Frage eine Gewissensentscheidung ist .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine zwingende, logische Folge daraus ist, dass die Ab-
stimmung freigegeben werden muss .

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit
des gesellschaftlichen Wandels . Gleichgeschlechtliche
Paare werden heute akzeptiert . Das ist in einer offenen,
toleranten Gesellschaft möglich . Ganz unterschiedliche
Lebensentwürfe gehören heute zum Alltag . Wenn unsere

Verfassung eines garantiert, dann, dass jeder in diesem
Land so leben kann, wie er es für richtig hält, wie sie es
für richtig hält .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das konnten sie bis heute auch!)


Ich habe aber auch Verständnis für alle, die gegenüber
der Öffnung der Ehe Bedenken haben und diesen Schritt
noch nicht mitgehen wollen. Ich finde, das muss man re-
spektieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU])


Diese Personen sollten aber Folgendes bedenken: Wenn
die Ehe für alle kommt, dann wird vielen etwas gegeben,
aber niemandem etwas genommen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sollten diejenigen bedenken, die heute dagegenstim-
men wollen .

Ich wünsche mir eine möglichst große Mehrheit für
dieses Gesetz .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400200

Dietmar Bartsch ist der nächste Redner für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824400300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist

heute sicherlich ein historischer Tag für viele Menschen .
Wir beschließen das Recht auf Eheschließung für Men-
schen gleichen Geschlechts . Das ist vor allen Dingen ein
Erfolg des langjährigen Kampfs vieler Aktivistinnen und
Aktivisten, die sich jahrelang außerhalb des Parlaments
engagiert haben .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will denen auch ausdrücklich gratulieren .


(Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Wir schaffen ein Stück weit Normalität in unserem
Land . Der rechtliche Raum auch für gleichgeschlechtlich
liebende Partner wird vollständig geöffnet . Aber, meine
Damen und Herren, der Kampf in der Gesellschaft, der
Kampf im Alltag um Gleichstellung ist noch lange nicht
vorbei . Wir dürfen nicht zulassen, dass gleichgeschlecht-
liche Paare weiterhin an der einen oder anderen Stelle
Angst haben müssen, Hand in Hand durch die Straßen






(A) (C)



(B) (D)


zu gehen . Also lassen Sie uns den Kampf auch nach der
Entscheidung heute fortführen .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Thomas Oppermann, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, ich habe Sie ja selten so gelöst
erlebt wie heute .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Ich will aber schon anmerken: Das hätten Sie natürlich
die ganzen vier Jahre über haben können .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir hätten doch so viel an fortschrittlicher Politik hier im
Deutschen Bundestag beschließen und umsetzen können .
Das wäre doch wunderbar gewesen .


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)


Wir als Linke werden allerdings nie die CDU-Vorsit-
zende um Erlaubnis fragen, ob wir fortschrittliche Politik
beschließen dürfen . Das werden wir nie machen .


(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Schade! – Zurufe von der SPD)


– Für Sie ist das schade, das kann ich nachvollziehen;
aber wir werden es nicht machen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Egal!)


Lassen Sie mich deswegen zum Abschluss folgen-
de Bemerkung machen: Heute steht auch nach der Ab-
stimmung nicht die Frage im Raum, ob Merkel oder ob
Schulz gewonnen hat . Das ist, ehrlich gesagt, in dieser
Frage völlig unerheblich .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin stolz, dass meine Fraktion zur Ehe für alle
auch einen Beitrag geleistet hat . Der erste Antrag war
unser Antrag


(Christine Lambrecht [SPD]: Ja, ja!)


– wie viele andere – mit der schönen Drucksachennum-
mer 18/8 .

Ich fordere Sie alle auf, heute für Würde, Gleichheit
und die Liebe abzustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400400

Für die CDU/CSU-Fraktion hat Volker Kauder das

Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1824400500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

In meiner Fraktion gibt es zu diesem Thema, das heute
zur Abstimmung ansteht, unterschiedliche Auffassungen .
Es gibt in ihr Kolleginnen und Kollegen, die der Eheöff-
nung zustimmen werden, und es gibt Kolleginnen und
Kollegen, die zu genau einer anderen Erkenntnis gekom-
men sind . Als Vorsitzender dieser Fraktion habe ich Res-
pekt vor beiden Seiten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich selbst habe mehrfach öffentlich erklärt, dass ich
nach intensivem Nachdenken und Überlegen der Mei-
nung bin, dass die Ehe die Verbindung von Mann und
Frau ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch wenn ich weiß, dass man auch als Christ zu ei-
ner anderen Überzeugung kommen kann, war für mich
schon klar, dass ich persönlich aus Gewissensgründen
nie irgendetwas unterschreiben würde, in dem „Ehe für
alle“ steht, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Gewissensentscheidung, die ich für mich getroffen
habe, muss ich natürlich und will ich auch allen anderen
zugestehen . Deswegen ist es völlig selbstverständlich –
das geschieht übrigens nicht zum ersten Mal im Deut-
schen Bundestag bei solchen gesellschaftlichen Fragen;
ich erinnere nur an die Sterbehilfe, an die PID und an ein
paar andere Entscheidungen –, zu sagen: Da muss jeder
wirklich nach seinem Gewissen entscheiden können .

Wir entscheiden heute nicht darüber, ob wir homose-
xuelle Menschen diskriminieren oder nicht . Das ist längst
entschieden, weil wir hier im Deutschen Bundestag klar
und deutlich gesagt haben: Mit der gleichgeschlechtli-
chen Partnerschaft wird Diskriminierung aufgehoben .
Um diese Frage geht es hier also gar nicht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht auch nicht um die Frage, ob auch in Beziehun-
gen von gleichgeschlechtlichen Partnern Liebe, Treue,
Aufmerksamkeit gelebt werden können, sondern es geht
schlicht und ergreifend um die Frage, ob der Begriff der
Ehe, die in unserem Kulturraum seit Jahrhunderten als
Verbindung von Mann und Frau definiert wird, nun auch
geöffnet wird . Da kann ich nur sagen: Es bleibt für mich
schon klar, dass das nicht dasselbe ist, weshalb es durch-
aus gerechtfertigt ist, den Begriff „Ehe“ als Beziehung
von Mann und Frau zu definieren.

Man kann nun die Frage stellen: Ist dies mit dem
Grundgesetz vereinbar? Die einen sagen: Die Verfassung
geht bei dem Ehebegriff von einer Verbindung von Mann
und Frau aus . Die anderen sagen: Die Verfassung gibt
das her .

Was mich natürlich schon ein wenig irritiert, ist, dass
die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesminis-
terium der Justiz und für Verbraucherschutz, in dieser
Legislaturperiode auf eine Kleine Anfrage erklärt hat,

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


dass eine Öffnung der Ehe nach der ständigen Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundge-
setz nicht vereinbar sei – das ist zunächst einmal ein Fakt
aus dem Jahr 2015 –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


während das gleiche Haus mit demselben Minister recht-
zeitig vor dieser heutigen Entscheidung im Bundestag er-
klärt, dass eine Grundgesetzänderung nicht erforderlich
ist . Da sage ich nur:


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Entscheiden Sie sich!)


Vorsicht, Herr Minister! Es darf nicht der Eindruck er-
weckt werden, als ob die Frage, ob etwas verfassungs-
konform ist oder nicht, aufgrund politischer Opportunität
beurteilt wird .


(Anhaltender Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, unabhängig da-
von, wie die Entscheidung ausfallen wird – man kann es
ja schon voraussagen –, sage ich für mich und auch für
meine Fraktion: Wir haben Respekt vor der Haltung ei-
nes jeden Kollegen und einer jeden Kollegin . – Wenn ich
die Diskussionen der letzten Zeit an mir vorüberziehen
lasse, dann habe ich aber allen Grund, auch zu sagen:
Auch diejenigen, die sagen, dass sie dem Gesetzentwurf
„Ehe für alle“ aufgrund ihrer christlichen und ihrer per-
sönlichen Überzeugung nicht zustimmen können, haben
denselben Respekt verdient .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400600

Das Wort erhält nun die Kollegin Katrin Göring-

Eckardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Meine Damen und Herren! Auf den Tribünen und wahr-
scheinlich auch draußen an den Bildschirmen werden
morgens zwischen 8 und 9 Uhr normalerweise nicht so
viele schon Bundestagsdebatten verfolgen .

Man sollte mit Worten wie „historisch“ besser spar-
sam umgehen, doch es gibt diese Momente, an denen
man weiß: Hier wird gerade Geschichte gemacht . Und
das hier ist ein solcher Moment .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Er ist zuerst historisch für uns, für unsere Gesellschaft
und für ihre Werte, denen wir heute weiterhin Kraft ver-
leihen: für die Menschenwürde, für die freie Entfaltung
der Persönlichkeit, vor allem für die Gleichheit aller

Menschen vor dem Gesetz . Darüber – und nicht über we-
niger – stimmen wir heute ab, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Er ist sodann historisch für Lesben und Schwule, die
das Unwort „verpartnern“ endlich aus dem Wortschatz
streichen können . „Ja, ich will“ reicht . Es ist genug Ehe
für alle da, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Er ist historisch für die Zivilgesellschaft und deren
politischer Kampf für gleiche Rechte . Nach mehr als
25 Jahren, unzähligen CSDs, Initiativen und Aktionen
freue ich mich, dass es heute hoffentlich seinen hochver-
dienten Höhepunkt findet, meine Damen und Herren.

Es geht um etwas Simples, um etwas Einfaches: Es
geht um die Ehe . Aber es geht eben auch darum, wie wir
in unserem Land zusammenleben . Die Ehe, heißt es ja,
sei konservativ . Deswegen verstehe ich so wenig, warum
dann Konservative so sehr dagegen sind . Nein, es wird
niemandem etwas genommen . Vertrauen, Verbindlich-
keit, Verlässlichkeit: Darum geht es, und zwar für alle .
Nehmen Sie doch Ihr Gewissen in die Hand, und freuen
Sie sich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Gewissen in die Hand?)


Freuen Sie sich auch, dass Paare Kinder adoptieren wol-
len; denn es ist großartig, mit Kindern zusammenzule-
ben, und zwar verbindlich und ohne Unterschied zu an-
deren Partnern mit Kindern . Auch darum geht es heute .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Der Weg war lang: 1992 die „Aktion Standesamt“ –
250 homosexuelle Paare hatten das Aufgebot bestellt, sie
könnten heute schon Silberhochzeit feiern –, 1994 der
Roth-Report im Europäischen Parlament zur Gleichbe-
rechtigung . Danke, Claudia Roth .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im gleichen Jahr: der erste grüne Gesetzentwurf im Bun-
destag . 1999 folgte die Hamburger Ehe, von Krista Sager
durchgesetzt, die sich damals wie eine Schwiegermutter
fühlte . Oder 2001: das Dauerprovisorium „eingetragene
Lebenspartnerschaft“, hart erkämpft . Auch in der damali-
gen Koalition waren nicht alle Fans dieses Instituts . Vor-
kämpferin damals: Renate Künast .

Dass sich dann einige von den unionsregierten Län-
dern dazu entschieden haben, dass die eingetragene Le-
benspartnerschaft nur in Kfz-Meldestellen geschlossen
werden konnte, zeigt mir jedenfalls, dass man ziemlich
ideologisch sein kann, auch wenn es um die Liebe geht .

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


Gut, dass so etwas inzwischen nicht mehr gängige Praxis
ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Seitdem gab es Anträge und Gesetzentwürfe von uns
und anderen, gab es Entscheidungen des Bundesverfas-
sungsgerichts . 80 Prozent der Menschen in diesem Land
und übrigens 70 Prozent der Unionswählerinnen und
Unionswähler befürworten die Ehe für alle . Herr Kauder,
da müssten doch eigentlich selbst Sie schwach werden .
Drei Gesetzentwürfe in dieser Legislatur, darunter jener
vom Bundesrat, stammen aus Rheinland-Pfalz von der
grünen Ministerin Irene Alt .

Die Erfolge auf diesem Weg haben wir vielen Men-
schen zu verdanken . Mein Dank und meine Anerkennung
gelten heute einem, der sich schwer selber loben kann .
Deshalb stehe ich hier . Unermüdlich, beharrlich, unbeirr-
bar: Lieber Volker Beck, du hast deine Gegner und deine
Freunde gleichermaßen genervt .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400700

Frau Kollegin .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist dein Lebenswerk . Du bist kein Lobbyvertre-
ter . Du bist Bürgerrechtler . Darauf sind wir Grüne stolz .
Danke, Volker Beck .


(Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Abgeordnete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)


Sehr geehrte Damen und Herren, die Argumente sind
ausgetauscht . Wir haben lange diskutiert . Lassen Sie
uns Geschichte schreiben in einer Sache, die nur wenige
Menschen konkret betrifft, aber dennoch uns alle, einer
Sache, die unser Land gerechter und unseren Rechtsstaat
stärker macht .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824400800

Eva Högl ist die nächste Rednerin für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1824400900

Einen schönen guten Morgen, Herr Präsident! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Endlich, endlich stimmen wir heute über

das Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Ge-
schlechts ab .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in dieser Legisla-
turperiode für genau diese Abstimmung eingesetzt, und
deswegen ist es gut, dass wir heute die Möglichkeit ha-
ben, eine Entscheidung zu treffen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserer Gesell-
schaft gibt es vielfältige Formen des Zusammenlebens .
Das ist Realität, und ja, das ist Normalität . Menschen le-
ben mit Kindern und ohne Kinder zusammen . Sie haben
einen Trauschein oder haben keinen . Sie nennen es Ehe
oder eingetragene Partnerschaft . Das ist Ausdruck der
freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschen-
würde . Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes besagt, dass 82 Prozent der Befragten eine Ehe
für alle befürworten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn sich die Gesellschaft wandelt – das sage ich in
Richtung der Union –, dann müssen wir als Gesetzgeber
handeln . Dann müssen wir reagieren und dürfen das nicht
ignorieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg . Jan Korte [DIE LINKE] und Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Menschen sich lieben, wenn sie ihr Leben tei-
len, wenn sie füreinander sorgen, wenn sie vielleicht Kin-
der großziehen oder auch nicht, wenn sie sich entschei-
den, diese Verbindung auf Lebenszeit einzugehen, dann
nennen wir das Ehe . Darum steht diese Verbindung unter
dem besonderen Schutz des Staates . Es ist eine nicht zu
rechtfertigende Diskriminierung, wenn wir hierbei nach
dem Geschlecht unterscheiden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was nach Artikel 6 unseres Grundgesetzes unter der
Ehe zu verstehen ist, das ist nicht auf Ewigkeit festge-
schrieben . Es wandelt sich, und das wissen wir auch alle,
wenn wir daran zurückdenken, wie die Ehe in den letz-
ten Jahrzehnten verstanden wurde . Deshalb brauchen wir
auch keine Änderung des Artikels 6 unseres Grundgeset-
zes, Herr Kollege Kauder, sondern wir können das ohne
eine Änderung des Grundgesetzes heute so beschließen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Herr Maas sieht das anders!)


Wenn wir diese Grundgesetzänderung brauchten, dann
hätten wir das in den letzten dreieinhalb Jahren längst
machen können; denn dazu wären wir als SPD-Bundes-
tagsfraktion bereit gewesen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Katrin Göring-Eckardt






(A) (C)



(B) (D)


Wir gehen heute als Gesetzgeber den letzten entschei-
denden Schritt . Denn das Bundesverfassungsgericht hat
die Ehe schon dem Wandel in der Gesellschaft angepasst
und durch seine Rechtsprechung sukzessive in ihrer Be-
deutung verändert .

Jetzt ist es an uns, dem Gesetzgeber, den letzten
Schritt zu gehen, und das ist keine Frage des Geschmacks
oder des Bauchgefühls, liebe Kolleginnen und Kollegen,
sondern es ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Men-
schenwürde . Deswegen sagen wir heute Ja zur Ehe für
alle .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824401000

Nächster Redner ist der Kollege Harald Petzold für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824401100

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Auch für mich
schließt sich heute hier ein Kreis . Ich habe meine ers-
te Rede im Deutschen Bundestag zur Einführung des
Rechts auf Eheschließung für Menschen gleichen Ge-
schlechts halten dürfen, und wir beschließen nun heute
an seinem letzten regulären Sitzungstag dieser Legisla-
turperiode endlich die Einführung dieses Rechts .

Ich bin meiner Fraktion sehr dankbar, dass sie ihre ers-
te Gesetzesinitiative diesem wichtigen Thema gewidmet
hat . Unsere Fraktion hat sie eingebracht, und ich danke
ihr auch dafür, dass sie mir dieses wichtige Projekt anver-
traut hat . Ich danke auch all jenen, die uns innerhalb und
außerhalb des Parlaments unterstützt haben, insbesonde-
re auch den Abgeordneten, die nicht mehr Mitglied des
Deutschen Bundestages sind, beispielsweise meiner Vor-
gängerkollegin Dr . Barbara Höll, die ich auf der Besu-
chertribüne ganz herzlich begrüße, und Christian Schenk
aus unserer Fraktion,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


aber auch all denjenigen, die hier im Hause, beispiels-
weise in der überfraktionellen Abgeordnetengruppe, mit
dafür gesorgt haben, dass wir den heutigen Moment er-
leben und den Gesetzentwurf gemeinsam beschließen
können .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin auch froh, dass wir dann ab heute die Ressour-
cen haben und auch den Kopf dafür frei haben, uns auch
weiteren wichtigen Fragen auf diesem Gebiet widmen
zu können, dass wir endlich eine Reform des Transsexu-
ellengesetzes und die Förderung von Regenbogenfami-
lien anpacken und einen nationalen Aktionsplan gegen
Homo- und Transphobie auf den Weg bringen können .

All das werden wir ab morgen in Angriff nehmen kön-
nen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, auch
wir hätten uns ein anderes Zustandekommen dieses Ge-
setzes gewünscht . Insofern verstehe ich Ihren Ärger . Ich
respektiere Ihre Position, auch wenn ich sie nicht verste-
he . Ich kann Ihnen sagen: Fürchtet euch nicht! Auch mor-
gen wird sich die Welt genauso weiterdrehen wie heute .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen Sie sich darum keine Sorgen!)


Es wird nicht eine heterosexuelle Ehe weniger geben .
Die erste nächste Eheschließung, an der ich als Gast teil-
nehmen werde, wird die zwischen meiner Freundin Juli-
ane Lorenz und meinem Kumpel Thomas Wehling sein,
also eine Heteroehe .


(Heiterkeit)


Es wird also niemandem etwas weggenommen . Nie-
mand muss, alle dürfen . Es wird lediglich ein paar glück-
liche Menschen mehr geben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824401200

Das Wort erhält nun die Kollegin Erika Steinbach .


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1824401300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Grundgesetz stellt in Art . 6 Abs . 1 Ehe und Fa-
milie unter den besonderen Schutz der staatlichen
Ordnung . … Die Ehe als allein der Verbindung zwi-
schen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt
durch Art . 6 Abs . 1 einen eigenständigen verfas-
sungsrechtlichen Schutz .


(Christine Lambrecht [SPD]: Wo steht das?)


So das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19 . Juni
2012 .

Der heute in einer Art Sturzgeburt zur Abstimmung
stehende Gesetzentwurf,


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)


die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, steht
diesem Urteil diametral entgegen . Eine solche Debatte
aus dem Handgelenk, das haben unser Grundgesetz und
auch das Thema nicht verdient – in 38 Minuten heute .

Insofern kann ich natürlich den Fraktionsvorsitzenden
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gut verstehen, wenn
er sich über diese erzwungene Abstimmung empört . Al-
lerdings zielt Volker Kauder mit seiner Kritik an der SPD

Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


auf den falschen Adressaten . Es war die Bundeskanzle-
rin – und nicht die SPD-Fraktion –,


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


die mit ihrer wohlkalkulierten Einlassung, dass dies al-
lein eine Frage des Gewissens sei, die Türen für die heu-
tige überstürzte Entscheidung sperrangelweit geöffnet
hat und sich auch noch als quasi neue Fraktionsvorsitzen-
de der Unionsfraktion dazu hat hinreißen lassen, generös
die Abstimmung freizugeben, zudem auch noch entgegen
dem eigenen, nach wie vor gültigen Grundsatzprogramm
der CDU; denn darin steht zu lesen:

Die Ehe ist unser Leitbild der Gemeinschaft von
Mann und Frau . … Deshalb steht die Ehe unter dem
besonderen Schutz unseres Grundgesetzes .

Daran sehe ich: Beschlüsse der CDU sind offenkundig
nicht das Papier wert, auf dem sie stehen .

Insgesamt ist der heutige Vorgang an Peinlichkeit
kaum zu überbieten .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Rede auch!)


Unberechenbarkeit und Beliebigkeit erschüttern die
Grundfesten unserer Demokratie . Ich werde diesen Ge-
setzentwurf ablehnen, weil er dem Grundgesetz und auch
meiner persönlichen Überzeugung widerspricht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach 27 Jahren im
Deutschen Bundestag ist das heute meine letzte Rede .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es waren intensive Jahre – danke für den Beifall –, die
ich nicht missen möchte, insbesondere meine erste Le-
gislaturperiode im auch erstmals gesamtdeutschen Bun-
destag mit Bundeskanzler Helmut Kohl . Das war eine
singuläre historische Lebenserfahrung . Ich bedanke mich
bei allen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen des
Hauses für eine konstruktive, teils harmonische, teils
kontroverse, zumeist respektvolle Zusammenarbeit . Vom
neuen Bundestag erhoffe ich, dass er seine Kontrollfunk-
tion gegenüber der Bundesregierung verantwortungsvol-
ler wahrnimmt, als es in den letzten Jahren geschehen ist .
Wir haben keine Kanzlerdemokratie . Wir haben eine par-
lamentarische Demokratie, und unsere parlamentarische
Demokratie bedarf dringend der Wachsamkeit .

Danke schön .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824401400

Frau Kollegin, ich möchte eine Bemerkung in Ihrer

Rede zum Anlass für eine Klarstellung nehmen . Nach
unserer Verfassung entscheidet jeder einzelne Abgeord-
nete


(Abg . Erika Steinbach [fraktionslos] begibt sich erneut zum Rednerpult)


– Sie haben gleich nicht noch einmal das Wort; ich habe
jetzt nicht die Absicht, mit Ihnen eine Debatte zu füh-
ren –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


wie er sich zu welchem beliebigen Tagesordnungspunkt
auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages ver-
hält . Dazu bedarf es keiner Freigabe, weder durch Frakti-
onen noch durch Parteien .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch für die vielstrapazierte Frage, was denn eine Ge-
wissensentscheidung sei, gibt es eine einzige zuständi-
ge Instanz: Das ist der jeweils einzelne Abgeordnete . Es
wäre schön, wenn das für die Zukunft unmissverständ-
lich deutlich bliebe .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Jan-Marco Luczak ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Jan-Marco Luczak (CDU):
Rede ID: ID1824401500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Mit dem
heutigen Tag findet eine Debatte ihren Schlusspunkt, in
der höchst kontrovers gestritten, in der leidenschaftlich
gerungen wurde und in der die Emotionen das eine oder
andere Mal auch wirklich hochgingen, auch und gerade
in meiner eigenen Partei .

Ich fand dabei immer wichtig – das ist heute schon
betont worden –, dass wir die Meinungsunterschiede hart
in der Sache, aber immer mit gegenseitigem Respekt
für die Sichtweise des jeweils anderen ausgetragen ha-
ben . Nicht jeder, der heute nicht für die Öffnung der Ehe
stimmt, ist damit gleich homophob . Deswegen wünsche
ich mir, dass wir nicht herausgehen und schauen, wer
heute wie abgestimmt hat, um es uns dann gegenseitig
im Wahlkampf vorzuwerfen . Bei der Gleichstellung geht
es vielmehr um Toleranz und Respekt. Ich finde, wir alle
sollten sie auch denjenigen gewähren, die nicht unserer
Meinung sind .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Richtig ist: Die Debatte hat lange gedauert – sehr lan-
ge . Aber vielleicht hat die Länge dieser Debatte auch et-
was Gutes; denn manche gesellschaftliche Veränderung
benötigt Zeit, wenn sie akzeptiert werden soll . Das zeigt
zum Beispiel ein Blick nach Spanien, das zeigt ein Blick
nach Frankreich, wo die Gleichstellung mit knappen
Mehrheiten, aber dafür sehr schnell umgesetzt wurde .

Manche Menschen haben sich dadurch überfordert
gefühlt . Sie sind zu Millionen auf die Straße gegangen
und haben dagegen demonstriert . Das ist in Deutschland
glücklicherweise nicht der Fall . Heute sagen uns Umfra-
gen, dass 82 Prozent der Menschen für die Öffnung der

Erika Steinbach






(A) (C)



(B) (D)


Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind . Deswegen sage
ich: Der Zeitpunkt für die Öffnung der Ehe ist heute da .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe in der ganzen Zeit manchmal das Gefühl ge-
habt, dass aus dem Blick geraten ist, worum es bei der
Ehe im Kern geht . Für mich ist die Ehe der wunderba-
re Liebesbeweis von zwei Menschen, die in guten und
schlechten Zeiten füreinander einstehen wollen – bis dass
der Tod sie scheidet . Zwei Menschen sind bereit, Verant-
wortung füreinander zu übernehmen . Es geht um Treue;
es geht um Beständigkeit; es geht um Verlässlichkeit . All
dies sind zutiefst konservative Werte, die Anerkennung,
die Respekt verdienen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann nicht erkennen, wieso das Geschlecht hierbei
einen Unterschied machen soll .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin für die Öffnung der Ehe, aber nicht, obwohl ich
Christdemokrat bin, sondern gerade weil ich Christde-
mokrat bin: Es geht um konservative, bürgerliche Werte .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn nun demgegenüber argumentiert wird, gleich-
geschlechtliche Ehen seien ein Angriff auf Familien, so
möchte ich entgegnen: Es wird nicht ein einziges Kind
weniger geboren und es wird nicht eine einzige Ehe zwi-
schen Heterosexuellen weniger geschlossen, nur weil es
zukünftig auch Schwulen und Lesben erlaubt ist, zu hei-
raten . Den einen wird nichts genommen, nur weil den
anderen etwas ermöglicht wird .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Genau so sieht es auch die Evangelische Kirche in
Deutschland . Sie hat gerade noch einmal betont:

Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau
wird dadurch keineswegs geschmälert . Im Gegen-
teil – sie wird noch einmal unterstrichen .

Ich finde das richtig. Es wäre doch absurd, die Ehe
dadurch schützen zu wollen, dass man Menschen aus-
schließt, zu heiraten . Das passt doch nicht zusammen .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Nun stellt sich natürlich die Frage: Brauchen wir
dazu eine Änderung unserer Verfassung? Ich persönlich
glaube, das ist nicht der Fall . Wenn wir uns den verfas-
sungsrechtlichen Ehebegriff in Artikel 6 Absatz 1 unse-
res Grundgesetzes anschauen, und zwar in der Diktion
der Rechtsprechung unseres Bundesverfassungsgerichts,
dann stellen wir fest, dass dieser Begriff offen ist . Er
muss in den zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet wer-
den . Er muss mit Blick auf einfachgesetzliche Regelun-
gen und mit Blick auf die gesellschaftlichen Anschauun-
gen interpretiert werden .

Das Verständnis der Ehe, meine Damen und Herren,
hat sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt .
Früher durfte es keine Ehe zwischen Adligen und Bür-
gerlichen geben . Früher durfte es auch keine Ehe zwi-
schen Katholiken und Protestanten geben . Früher konnte
der Ehemann seiner Ehefrau das Arbeitsverhältnis kündi-
gen, ohne diese zu fragen .

Heute haben wir das Lebenspartnerschaftsgesetz ein-
geführt . Heute sind diskriminierende Regelungen abge-
schafft worden . Heute sind gleichgeschlechtliche Paare
selbstverständlicher Teil unserer gesellschaftlichen Rea-
lität . Und heute wird auch sprachlich nicht mehr differen-
ziert, ob jemand verpartnert oder verheiratet ist .

Deswegen glaube ich, dass die Politik an diesen Ver-
änderungen nicht vorbeigehen kann . Ich glaube: Auch
die Auslegung unserer Verfassung kann daran nicht vor-
beigehen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb möchte ich zum Schluss betonen: Wenn wir
heute die Öffnung der Ehe beschließen, setzen wir damit
ein Stück bürgerliche und konservative Politik um . Des-
wegen sage ich auch insbesondere an meine eigene Frak-
tion gerichtet, gerichtet an diejenigen, die noch mit sich
ringen, die noch Zweifel haben, wie sie heute abstimmen
wollen: Gebt euch einen Ruck!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind schon immer diejenigen gewesen, die neue
Entwicklungen mit tradierten Werten zusammenbringen .
Ich bin überzeugt: Wir können heute nicht nur für die
Gesellschaft, sondern auch für die Unionsparteien ein
wichtiges Zeichen für eine moderne, für eine tolerante,
aber eben auch für eine im besten Sinne wertkonservati-
ve Politik setzen .

Und deswegen werbe ich dafür, dass möglichst viele
von euch heute bei dieser Abstimmung ein klares Ja zur
Ehe sagen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824401600

Volker Beck erhält nun das Wort für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824401700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende
Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen .
Dulden heißt beleidigen .

So spricht Goethe .

Dr. Jan-Marco Luczak






(A) (C)



(B) (D)


Schwule und Lesben sind Menschen mit gleicher
Würde und gleichen Rechten wie Heterosexuelle . Dar-
aus folgt: Das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Part-
ner muss fallen . Die Ehe für alle muss kommen . Denn
alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wenn der Bundestag heute die Ehe für gleichge-
schlechtliche Paare öffnet, ist das ein historischer Tag für
unsere Minderheit . Es ist ein Beitrag zu Einigkeit und
Recht und Freiheit für unser Land . Die Verheißungen un-
serer Verfassung und unserer Hymne werden dann end-
lich auch für Lesben und Schwule wahr .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Phase der Toleranz ist beendet; die Epoche der Ak-
zeptanz kann heute beginnen .


(Beifall der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Das Ja zur Ehe für alle nimmt niemandem etwas weg,
es beendet lediglich die Diskriminierung der Lesben und
Schwulen .

Ich appelliere an die Konservativen hier im Saal – ich
spreche da keine Partei an, sondern eine Wertehaltung –:
Konservativ sein heißt, im zu Bewahrenden das Bewah-
renswerte zu erkennen und zu erhalten . Und was ist an
der Ehe bewahrenswert? Die Verantwortungs- und Ein-
stehensgemeinschaft zweier Menschen, aber nicht die
Diskriminierung von Homosexuellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Heute ist ein großer Tag für Schwule und Lesben . Ich
danke allen, die sich hierfür in den letzten drei Jahrzehn-
ten in der LGTB-Community engagiert haben, insbeson-
dere Eddi Stapel, Manfred Bruns, Günter Dworek vom
LSVD, und die diesen Tag möglich gemacht haben .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824401800

Nein, Herr Beck, das geht jetzt nicht .


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824401900

Und ich danke dem Bundesrat, stellvertretend

Winfried Kretschmann, aber auch Irene Alt, die uns die
Vorlage für diesen Tag hier heute geliefert haben .


(Widerspruch bei der SPD)


Meine Damen und Herren, lassen Sie heute die Parteipo-
litik beiseite,


(Lachen bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Ha, ha, ha! Gerade Sie!)


lassen Sie uns die Lesben und Schwulen und ihre Rechte
in den Mittelpunkt stellen .

Vielen Dank .


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Abgeordnete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402000

Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1824402100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Für Lesben und Schwule ist heute ein großer
Tag . Es hat lange genug gedauert . Ich möchte insbe-
sondere denjenigen danken, die in den 50er-, 60er- und
70er-Jahren noch unter Androhung von Haft für die
Rechte von Lesben und Schwulen in diesem Land ge-
kämpft haben . Einige davon sind heute hier . Noch einmal
herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben hier viele Debatten geführt . Wir haben lan-
ge diskutiert . Ich möchte mich noch einmal ganz herz-
lich bedanken bei Volker Beck, Michael Kauch – er sitzt
oben auf der Tribüne –, Stefan Kaufmann, Karl-Heinz
Brunner, aber auch den Schwusos bzw . der SPDqueer
und ihrer Bundesvorsitzenden Petra Nowacki, die eben-
falls heute anwesend sind . So etwas wie heute schafft
man nur gemeinsam .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Ich muss allerdings auch sagen, dass heute der letzte
Moment war . Wir haben hier Legislaturperiode für Le-
gislaturperiode diskutiert, und immer war es die CDU/
CSU, die in jeder Frage die Gleichstellung von Lesben
und Schwulen blockiert hat, trotz aller gegenteiligen Re-
den heute .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Einige Kommentatoren loben Frau Merkel und sa-
gen, dass es eine große strategische Glanzleistung war .
Ehrlich gesagt, das war es nicht . Frau Merkel, ich kann es
Ihnen nicht ersparen: Es war erbärmlich . Es war peinlich .
Seit 2005 haben Sie die Diskriminierung von Lesben und
Schwulen unterstützt


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Buhrufe und Pfiffe bei der CDU/CSU)


und haben nichts dafür getan, dass es zu einer Gleichstel-
lung kommt . Sie haben sich hier verstolpert . Das war Ihr
Schabowski-Moment .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nennen Sie das Respekt?)


Sie haben ernsthaft gesagt, dass erst die Abgeordneten
der nächsten Legislaturperiode ein Gewissen haben dür-

Volker Beck (Köln)







(A) (C)



(B) (D)


fen . Aber in dieser Legislaturperiode hätten wir mit un-
serem Gewissen hier und heute nicht abstimmen dürfen,
und deswegen, wirklich deswegen ist es wichtig, dass
wir heute für die Öffnung der Ehe stimmen . Das ganze
Verschwurbeln steht mir bis hier . Wir haben die Gleich-
stellung verdient . Ich glaube, dass die Öffnung der Ehe
dazugehört .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die auf den
CSDs, an Infoständen und in Diskussionen dafür gear-
beitet haben . Ich habe in den Koalitionsverhandlungen
immer wieder erlebt, dass die Union blockiert hat, genau-
so wie noch in den letzten Tagen im Rechtsausschuss und
im Innenausschuss . Heute wollten Sie diesen Tagesord-
nungspunkt gar nicht aufsetzen . Das ist erbärmlich . Das
ist peinlich . Ehrlicherweise, Frau Merkel: Vielen Dank
für nichts!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Man kann es auch versemmeln! Das hat geklappt! Das hat die SPD 2 Prozent gekostet!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402200

Gerda Hasselfeldt ist die nächste Rednerin für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1824402300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

will versuchen, den Ton der Debatte wieder auf ein Ni-
veau zu führen, das der Bedeutung des Themas angemes-
sen ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Für mich ist unbestritten: Die Entscheidung von zwei
Menschen, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft
einzugehen, verdient Anerkennung und Toleranz und
braucht auch eine rechtliche Absicherung . Diese rechtli-
che Absicherung haben wir vor vielen Jahren dieser Ge-
meinschaft mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft
gegeben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich betone: Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist
nicht weniger und nicht mehr wert als die Ehe . Sie ist
gleichwertig, aber sie ist nicht identisch . Ehe und Le-
benspartnerschaft sind unterschiedlich .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In der Ehe geht es nicht nur um das Füreinanderein-
stehen, was natürlich auch in der Lebenspartnerschaft
gelebt wird – das bestreitet niemand, und das ist wesent-
lich für beide –; die Ehe ist auch die Grundlage für die
Familie . Sie ist und bleibt nach meinem Dafürhalten –
ich sage bewusst: meine Einschätzung – die Grundlage
dafür, dass unsere Gesellschaft auch weiterhin besteht .
Es ist eine Gemeinschaft von Mann und Frau, aus der

auch die Kinder geboren werden und die Zukunft unserer
Gesellschaft gesichert wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Damit ist sie die Keimzelle unserer Gesellschaft und die
Grundlage auch für die Ordnung unseres Staates .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dies ist der Grund dafür, dass Ehe und Familie durch
das Grundgesetz unter den Schutz des Staates, der staat-
lichen Ordnung gestellt werden, und dies ist auch der
Grund dafür, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung
Ehe als Gemeinschaft von Frau und Mann definiert.
Das ist die rechtliche Position . Liebe Kolleginnen und
Kollegen, bei aller verständlichen Emotionalität sollten
wir das, was unseren Staat ausmacht, was unser Zusam-
menleben ausmacht, was unsere rechtliche Ordnung
ausmacht, nicht einfach auf die Seite schieben, und wir
sollten nicht so tun, als wäre damit Diskriminierung ver-
bunden . Im Gegenteil: Die Achtung, die Toleranz, die
rechtliche Absicherung sind gegeben . Aber Ungleiches
ist nun einmal nicht gleich .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich wundere mich etwas darüber, dass die Frage der
Verfassungsmäßigkeit so einfach abgetan wird: Das spie-
le keine Rolle, und das müsse man jetzt anders sehen .
Tatsache ist – Volker Kauder hat darauf hingewiesen –,
dass es gar nicht so lange her ist, dass aus dem Bundes-
justizministerium die klare Ansage kam: Zu einer Än-
derung, wie Sie sie heute beschließen wollen, ist eine
Grundgesetzänderung notwendig . – Heute klingt das an-
ders . Ich sage mal aus meiner Sicht, ehrlich gesagt: Mit
Glaubwürdigkeit, mit Ernsthaftigkeit, auch mit meinem
Verständnis von Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserer Fraktion,
auch bei mir in der Landesgruppe, sind die Meinungen
naturgemäß unterschiedlich . Für mich ist diese Entschei-
dung eine wirklich höchstpersönliche Entscheidung . Ich
respektiere die Entscheidung jedes Einzelnen, sowohl in
meiner Landesgruppe als auch in der Fraktion sowie in
diesem Hause und in der Bevölkerung .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich würde mir wünschen, dass dieser Respekt aber auch
jenen zuteilwird, die heute diesem Gesetzentwurf nicht
zustimmen, aus guten Gründen, dass wir uns gegenseitig
anhören, aber dann individuell so entscheiden, wie wir es
mit unserer Meinung, mit unserem Gewissen, mit unse-
rem Verständnis vereinbaren können .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402400

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)


Johannes Kahrs






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1824402500

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen

und Kollegen! Viele von uns kennen das wunderba-
re Lied What a Wonderful Day – Was für ein schöner
Tag! – Was für ein schöner Tag, politisch zu arbeiten und
Politik Wirklichkeit werden zu lassen! Was für ein Ge-
fühl, wenn eine jahrzehntelange Debatte zu ihrem Ende
kommt – zum Wohle der Menschen! Wer könnte dies
besser verkörpern als Patrick Pronk, der dort oben auf
der Zuschauertribüne sitzt . Er hatte im Jahre 2013 in der
ARD-Wahlarena der Vorsitzenden der CDU/CSU-Frak-
tion die Frage gestellt, warum er seinen Partner nicht
ehelichen, sondern mit ihm nur in Lebenspartnerschaft
leben könne .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wie schön, dass die Ehe für alle, dieses Grundrecht, in
diesem Land ohne Gerichtsentscheidung möglich wird,
aus der Mitte der Gesellschaft heraus, politisch gewollt
umgesetzt, unterstützt von weit mehr als 80 Prozent der
Bevölkerung, einer tollen starken Community, vielen
Unterstützerinnen und Unterstützern über alle Partei-
grenzen hinweg . Heute geht es um ein Gesetz, das zu
mehr Freudentränen, Rührung, Erleichterung, Freude
und Glück führen wird als jedes, das zumindest ich in
den letzten vier Jahren hier im Deutschen Bundestag er-
leben konnte . Am Ende dieses Morgens wird niemandem
etwas genommen, niemand wird seiner Rechte beraubt,
niemand wird ärmer, nein, wir in Deutschland werden
reicher . Wir werden heute Geschichte geschrieben haben
und dieses Land ein Stück reicher gemacht haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn Liebe und Verstand drängen heute endlich zu ihrem
Recht .

Das ist ein Erfolg, eine Freude für die Lesben und
Schwulen in diesem Land, aber auch für unsere Demo-
kratie, für unser tolerantes, für unser buntes Deutschland
und nicht zuletzt auch für dieses Hohe Haus . What a
wonderful day!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bitte stimmen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen,
heute dem Gesetzentwurf des Bundesrates zu, damit den
Schwulen und Lesben, den Lesben und Schwulen, den
Männern und Frauen, den Menschen in unserem Land
Gerechtigkeit widerfährt, damit die rechtliche Diskrimi-
nierung von Lesben und Schwulen in Deutschland end-
gültig ein Ende findet.

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402600

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den vom
Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Einführung

des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge-
schlechts .

Dazu liegen mir etwa 80 persönliche Erklärungen zur
Abstimmung vor, die wir wie immer dem Protokoll bei-
fügen .1)

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12989, den Gesetzentwurf des Bundesra-
tes auf Drucksache 18/6665 anzunehmen . Ich bitte die-
jenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um
das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Das Erste war zweifellos die Mehrheit . Damit ist
der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Wir stimmen über den Gesetz-
entwurf des Bundesrates auf Verlangen der Fraktionen
SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen namentlich
ab . Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer bit-
ten, die vorgesehenen Plätze einzunehmen . – Sind alle
Abstimmungsurnen jeweils mit zwei Schriftführerinnen
und Schriftführern besetzt? – Das scheint der Fall zu
sein . Dann eröffne ich die Abstimmung .

Ist noch jemand im Saal anwesend, der seine Stimm-
karte nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich nicht
der Fall . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen . Wir geben das Ergebnis der namentlichen
Abstimmung später bekannt .2)

Es wäre schön, wenn diejenigen, die auch am nächsten
Tagesordnungspunkt mitwirken wollen, sich auf einen
der wenigen freien Plätze setzen würden .

Ich rufe die Zusatzpunkte 12 a und 12 b auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung
der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netz-

(Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)


Drucksache 18/12356

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Verbesserung der Rechts-
durchsetzung in sozialen Netzwerken

(Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)


Drucksache 18/12727

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/13013

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-

1) Anlagen 2 bis 4
2) Ergebnis Seite 25117A






(A) (C)



(B) (D)


cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Renate
Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz und Recht im Netz – Maßnah-
men gegen Hasskommentare, „Fake News“
und Missbrauch von „Social Bots“

Drucksachen 18/11856, 18/13013

Auch hier soll nach einer interfraktionellen Vereinba-
rung die Aussprache 38 Minuten dauern . – Ich sehe dazu
keinen Widerspruch, also verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Bundesjustizminister Heiko Maas .


(Beifall bei der SPD)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Seit nunmehr zwei Jahren findet
in Deutschland eine außerordentlich intensiv und auch
eine außerordentlich kontrovers geführte Debatte darü-
ber statt, wie wir der Hasskriminalität im Netz begeg-
nen können . Es ist eine schwierige Debatte, es ist eine
wichtige Debatte, aber es ist eine Debatte, die wir führen
müssen; denn das Schlechteste, was wir tun können, ist,
nichts zu tun angesichts dessen, was sich dort zurzeit ab-
spielt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wie groß das Problem ist, zeigt die aktuelle Statistik
des Bundeskriminalamtes . In den letzten beiden Jahren
ist die Hasskriminalität in Deutschland um über 300 Pro-
zent gestiegen .

Deshalb geht es heute nicht nur um ein bisschen Re-
gulierung und ein paar neue Compliance-Vorschriften .
Es geht um eine Grundsatzentscheidung für das digitale
Zeitalter . Damit das Internet nicht länger ein rechtsfreier
Raum bleibt,


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


müssen wir Recht und Gesetz endlich auch im Netz
durchsetzen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ja, die Grundwerte, die
hier auf dem Spiel stehen, sind keine geringeren als Frei-
heit und Gleichheit . Die Meinungsfreiheit ist ein hohes
Gut . In einer offenen Gesellschaft, in einer Demokratie
sind Streit und Debatte völlig unverzichtbar . Zur Mei-
nungsfreiheit gehören auch hässliche Äußerungen . Das
muss in einem freien Land jeder ertragen können . Aber
die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt .
Deshalb ist die Einhaltung von Recht und Gesetz kein
Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern die Garantie
der Meinungsfreiheit . Genau darum geht es in diesem
Gesetz .

Ich frage deshalb: Wo bleibt diese Freiheit, wenn An-
dersdenkende im Netz ohne Konsequenzen beleidigt,
bedroht oder mit Mordaufrufen attackiert werden? Mit
kriminellen Hasspostings sollen Andersdenkende einge-
schüchtert und mundtot gemacht werden . Solche Hass-
postings sind die wahren Angriffe auf die Meinungsfrei-
heit .

Mit diesem Gesetz beenden wir das verbale Faustrecht
im Netz und schützen die Meinungsfreiheit aller, die im
Netz unterwegs sind und sich dort auch äußern wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir stellen sicher, dass jeder seine Meinung äußern kann,
ohne deswegen beleidigt und bedroht zu werden . Das ist
keine Einschränkung, sondern es ist eine Voraussetzung
für die Ausübung der Meinungsfreiheit .

Der zweite Grundwert, der hier auf dem Spiel steht,
ist die Gleichheit . „Alle Menschen sind vor dem Gesetz
gleich“, so steht es im Grundgesetz . Aber die Realität sah
gerade in diesem Punkt etwas anders aus . Jeder Journa-
list, der eine Zeitung macht, jeder Verleger, der ein Buch
herausgibt, jeder Mensch, der sich auf dem Marktplatz
auf eine Holzkiste stellt und eine Rede hält, muss sich
an unsere Gesetze und auch an das Strafrecht halten . Ich
sehe keinen Grund, warum das gleiche Recht nicht auch
für die großen Internetkonzerne gelten sollte . Niemand
steht über dem Gesetz, auch nicht Facebook und Twitter .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Meine Damen und Herren, Facebook hat allein in
Deutschland rund 30 Millionen Nutzer . Weltweit hat es
allein im ersten Quartal des Jahres einen Rekordgewinn
von 3 Milliarden Euro gemacht . Diese Zahlen zeigen,
dass es hier noch um einen dritten Grundwert unseres
Zusammenlebens geht . Auch dieser steht im Grundge-
setz, nämlich „Eigentum verpflichtet“. Die Erfahrung
hat gezeigt: Ohne politischen Druck werden die großen
Plattformbetreiber ihre Verpflichtungen nicht erfüllen.
Wir haben es 14 Monate mit Gesprächen versucht . Des-
halb ist es richtig, jetzt mit einem Gesetz tätig zu werden .

Die Beratungen im Ausschuss haben zu vielen und
sinnvollen Klarstellungen im Gesetz geführt . Das Ziel
bleibt aber völlig unverändert . Trotzdem – auch das sage
ich – werden wir mit diesem Gesetz nicht alle Proble-
me lösen können . Wir bleiben auch künftig gefordert: die
Plattformbetreiber, die Zivilgesellschaft und natürlich
auch und vor allem die Justiz . Und wir werden auch auf
europäischer Ebene für gemeinsame Lösungen streiten .
Wir werden weiter gegen die sprachliche Verrohung im
Netz streiten . Zum Schutz der Meinungsfreiheit müssen
wir verhindern, dass ein Klima der Angst und der Ein-
schüchterung entsteht . Deshalb müssen strafbare Inhalte,
strafbarer Hass, künftig schneller aus dem Netz gelöscht
werden . Mit diesem Gesetz kommen wir dem einen ganz
wesentlichen Schritt näher .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402700

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen das

von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte
Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum vorhe-
rigen Tagesordnungspunkt – Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen
gleichen Geschlechts – mitteilen: abgegebene Stimmen
623 . Mit Ja haben gestimmt 393,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


mit Nein haben gestimmt 226, 4 Kolleginnen und Kolle-
gen haben sich der Stimme enthalten . Damit ist der Ge-
setzentwurf angenommen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Die Abgeordne ten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich – In den Reihen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN werden Konfettiwerfer betätigt)


– Nein, nein, nein! Also, liebe Leute, mal unabhängig
davon, dass es nach unserem Reglement unzulässig ist:
Ich halte es auch für eine völlig unangemessene Reaktion


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


auf eine Debatte und auf ein Anliegen, bei dem ich es
besonders bedauerlich fände, wenn diejenigen, die sich
mit ihrem Anliegen heute durchgesetzt haben, dadurch in
den Verdacht der Albernheit gerieten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 623;
davon

ja: 393
nein: 226
enthalten: 4

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Maik Beermann
Sybille Benning
Dr . Maria Böhmer
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Dr . Dr . h . c . Bernd Fabritius
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Thomas Gebhart
Cemile Giousouf
Klaus-Dieter Gröhler
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Mechthild Heil
Mark Helfrich
Marion Marga Herdan
Dr . Heribert Hirte

(Dort mund)

Dr . Hendrik Hoppenstedt
Bettina Hornhues
Anette Hübinger
Andreas Jung
Xaver Jung

Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Jürgen Klimke
Rüdiger Kruse
Dr . Roy Kühne
Dr . Katja Leikert
Dr . Ursula von der Leyen
Dr . Jan-Marco Luczak
Andreas Mattfeldt
Jan Metzler
Dr . h . c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg

(Braun schweig)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Ingrid Pahlmann
Dr . Martin Pätzold
Anita Schäfer (Saalstadt)

Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder

(Wies baden)

Uwe Schummer
Christina Schwarzer
Tino Sorge
Jens Spahn
Dr. Wolfgang Stefinger
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Dieter Stier
Gero Storjohann
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann

Michael Vietz
Dr . Johann Wadephul
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Sabine Weiss (Wesel I)

Karl-Georg Wellmann
Kai Whittaker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Tobias Zech
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Bettina Bähr-Losse
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone

Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h . c . Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)







(A) (C)



(B) (D)


Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)


Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Christoph Strässer

Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese

(Wol mirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert

Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek






(A) (C)



(B) (D)


Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann

Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsru he-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Rainer Hajek

Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Frank Heinrich (Chemnitz)

Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Margaret Horb
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Ronja Kemmer
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Bettina Kudla
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz

Philipp Graf Lerchenfeld
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Maria Michalk
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Dr . Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg

Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Albert Stegemann
Christian Frhr . von Stetten
Rita Stockhofe
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz

Thomas Viesehon
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Ingo Wellenreuther
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)


Klaus-Peter Willsch
Barbara Woltmann
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner

Fraktionslos

Erika Steinbach

Enthalten

CDU/CSU

Uda Heller
Dr . Silke Launert
HonD Albert Weiler
Elisabeth Winkelmeier-

Becker

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Sitte für die
Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824402800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was lan-

ge währt, wird endlich gut – passt doch –, was weniger
lange währt, wohl eher nicht . So jedenfalls könnte man
es durchaus für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sa-
gen . Es ist schon auffällig, dass heute einige Themen auf
der Tagesordnung sind, die seit vielen Jahren hoch und
runter diskutiert werden – wie eben die Ehe für alle, das
Wissenschaftsurheberrecht, die Störerhaftung . Und doch
wollen einige am liebsten die ganze Diskussion jeweils
wieder von vorne aufrollen .

Auf der anderen Seite kann es hier, beim Netzwerk-
durchsetzungsgesetz, einem vor wenigen Monaten über-
haupt erst in die Diskussion gekommenen, völlig neuar-
tigen Gesetzesvorhaben, gar nicht schnell genug gehen .
Natürlich hat Herr Maas recht: Es gibt Probleme mit
Hass- und Falschnachrichten und der Rolle, die soziale
Netzwerke da als Plattformen spielen . Die gibt es aber
nicht erst seit gestern, und sie sind unbedingt ernst zu
nehmen . Gerade deshalb ist eine ernsthafte und gründli-
che Prüfung von Lösungsansätzen notwendig, und genau
das verkörpert dieser Entwurf nicht .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Bundestag konnte ihn in den letzten Wochen auch
nicht nachhaltig verbessern .

Dabei will ich nicht bestreiten, dass der Änderungs-
antrag der Koalition einige deutliche Verbesserungen mit
sich bringt – für die war ja auch, wie angedeutet, sehr viel
Luft . Es sind einige handwerkliche Probleme beseitigt .
Es sind einige Stellen behoben, an denen der Entwurf
weit über das hinausgegriffen hätte, was zu seiner Be-
gründung angeführt wird .

Als er uns zuerst vorlag, war eines unserer größten
Probleme: Worauf richten wir eigentlich unsere Kritik?
Was sollten wir kritisieren? Denn wir hätten uns in dem

Falle angesichts der großen Masse der zu kritisierenden
Punkte auch in Details verlieren können . Der jetzt vorlie-
gende Entwurf gibt uns zumindest die Chance, uns ganz
auf den Kern des Problems zu konzentrieren .

Den Kern des Problems will ich anhand des neuen
Entwurfs daher noch einmal sehr deutlich nennen: Immer
noch verpflichten Sie Netzwerke dazu, bestimmte Inhal-
te innerhalb von sieben Tagen zu löschen, wenn sie sich
nicht hohen Bußgeldern aussetzen wollen . Davon soll es
zwar jetzt Ausnahmen geben, so zum Beispiel, wenn die
Strafbarkeit von bestimmten Umständen abhängt oder
wenn eine Einrichtung der Selbstregulierung eingeschal-
tet wird; aber auch die soll dann innerhalb von sieben
Tagen entscheiden . Ein „offensichtlich rechtswidriger In-
halt“ soll innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, und
da darf diese Selbstregulierung nicht stattfinden.

Damit werden den Plattformen teils sehr schwierige
rechtliche Entscheidungen auferlegt, bei denen eigent-
lich nur die Löschung am selben Tag tatsächlich Sankti-
onsfreiheit garantiert . Dass sie im Zweifel auch rechtmä-
ßige Inhalte sozusagen sicherheitshalber löschen, liegt
doch auf der Hand .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das gilt auch dann, wenn die Koalition sagt, sie wolle
erst im Wiederholungsfall und erst nach dem Nachweis
von strukturellen Defiziten sanktionieren. In Anbetracht
der Bedeutung, die soziale Netzwerke heute für unsere
Kommunikation haben, wäre dieser Vorgang beunruhi-
gend . Außerdem werden Abwägungen und Entscheidun-
gen über Strafbarkeit, für die eigentlich Gerichte zustän-
dig sein sollten, nach wie vor in die Hände von Privaten
gelegt . Deren Macht über unser Kommunikationsverhal-
ten wollten wir aber gerade eingrenzen .

Lassen Sie mich festhalten: Es gibt also durchaus
sinnvolle Teile des Gesetzes . Über Vorschriften zur Er-
reichbarkeit der Netzwerke, über Transparenz- und Be-
richtspflichten und auch über die Strukturierung von
Beschwerdeverfahren hätten wir uns wohl relativ schnell






(A) (C)



(B) (D)


einigen können . Was darüber hinausgeht, können wir
aber in dieser Form nicht mittragen .


(Beifall des Abg . Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ob es überhaupt verfassungsrechtlich und europarecht-
lich am Ende trägt, bleibt noch offen . In jedem Fall kann
dieses Gesetz nicht als Schlusspunkt einer Debatte stehen
bleiben . Wir werden in der nächsten Wahlperiode ganz
sicher erneut und umfänglich darüber beraten müssen .
Selbst die Koalitionsfraktionen haben das im Ausschuss
jeweils schon zum Ausdruck gebracht .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824402900

Das Wort hat nun die Kollegin Nadine Schön für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist völlig klar: Soziale Netzwerke bieten ganz neue
Möglichkeiten und Chancen der Kommunikation . Noch
nie war es so einfach, sich zu informieren, sich auszutau-
schen, zu diskutieren und auch streitbar zu debattieren .
Das ist ein großer Gewinn auch für die Demokratie .

Aber es war auch noch nie so einfach, öffentlich zu
pöbeln, zu hetzen, zu Straftaten aufzurufen oder selbst
strafbare Inhalte zu posten . Ich zitiere mit Erlaubnis des
Präsidenten aus einem Post auf der Facebook-Seite des
Berliner Abgeordnetenkollegen Stefan Evers von vor
zwei, drei Tagen: Ich möchte Stefan Evers, CDU, an
einem Bajonett die Halsschlagader und die Luftröhre
durchtrennen . Dann kann der Nazi-Bastard nicht mehr
hetzen oder heulen, sondern gurgelt nur noch . Kurz:
standrechtlich erschießen wäre auch möglich . Und die
ökologischste sinnvolle Variante wäre, Stefan Evers,
CDU, an einem langen Strick an einem Baum aufzuhän-
gen . Strick um den Hals, das andere Ende um eine An-
hängerkupplung und über die Stadtautobahn wäre auch
lustig .

Dass das kein Post ist, der unter die Meinungsfreiheit
fällt, dürfte jedem von uns einleuchten .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Das ist Aufruf zum Mord, das ist eine Straftat . Als Be-
troffener hätte ich die Erwartung, dass dieser Post so
schnell wie möglich aus Facebook entfernt wird, und das
zu Recht .

Natürlich, liebe Kollegin Sitte, ist Strafverfolgung Sa-
che der Justiz . Natürlich braucht es auch eine lebendige
Zivilgesellschaft, um Hetze, Hass und Verleumdung im
Netz zu begegnen . Das ist völlig unbestritten . Aber doch
schon heute haben Plattformbetreiber die Pflicht, straf-
bare Inhalte von ihren Seiten zu löschen . Das ist nach
dem Telemediengesetz schon heute die Verantwortung
der Plattformbetreiber, und wir mussten doch feststellen,

dass sie über Monate und Jahre dieser nicht nachgekom-
men sind . Zahllose Beispiele kennen wir, bei denen sich
Menschen, die Opfer von Straftaten im Netz wurden, an
die Plattformbetreiber gewendet haben und nichts pas-
siert ist .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es ist auch nicht immer eindeutig!)


Deshalb sind wir der Meinung, dass die Zeit der leeren
Versprechungen vorbei ist und dass wir ein Gesetz brau-
chen . Es ist wirklich sehr schade, dass dieser Gesetzent-
wurf so spät vorgelegt wurde


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das lag an euch!)


und dass er auch noch handwerklich wirklich schlecht
gemacht war . Nicht umsonst gab es eine breite Kritik in
der Bevölkerung . Wir hatten große Mühe und haben mit
vereinten Kräften daran gearbeitet, diesen Gesetzentwurf
zu ändern . Bei allem Respekt, lieber Heiko Maas: Wir
haben nicht nur für Klarstellungen gesorgt, sondern wir
haben ihn an vielen entscheidenden Stellen deutlich ver-
ändert und deutlich nachgebessert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


An dieser Stelle möchte ich Dank sagen: zum einen
dem Koalitionspartner SPD, der mit uns gemeinsam die-
se Änderungen vorgenommen hat, und zum anderen dem
Ministerium, das am Schluss gute Zuarbeit geleistet hat .

Der Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, ist viel-
leicht nicht der Weisheit letzter Schluss, denn die Ent-
wicklung ist dynamisch, und wir müssen sie weiterhin
beobachten; aber es ist der Entwurf eines Gesetzes,
mit dem wir dem Thema Hass und Straftaten im Netz
die Stirn bieten . Wir verhelfen den Menschen zu ihrem
Recht, aber gleichzeitig respektieren wir die Meinungs-
freiheit .

Liebe Kollegin Sitte, ich weiß nicht, ob Sie sich unse-
re Änderungsanträge durchgelesen haben . Wenn Sie jetzt
immer noch behaupten, wir überließen es Privaten, darü-
ber zu entscheiden, was von Meinungsfreiheit gedeckt ist
und was nicht, dann ist das schlicht falsch .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein!)


Wir haben – und das ist die entscheidende Änderung in
diesem Gesetzentwurf – nun ein System der regulierten
Selbstregulierung eingeführt .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Kann!)


Künftig können sich Plattformbetreiber einer Selbstre-
gulierungsstelle anschließen, die schon bei dem leisesten
Zweifel, ob ein strafbarer Inhalt vorliegt oder nicht – so
etwas wie „Alle Juden gehören ins Gas“ ist zweifellos
ein strafbarer Inhalt –, nach klaren Kriterien und mit qua-
lifiziertem Personal neutral entscheidet,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür sind aber die Gerichte zuständig!)


ob die Äußerung strafbar ist oder nicht .

Dr. Petra Sitte






(A) (C)



(B) (D)


Das alles ist nichts Neues; wir kennen es aus dem Ju-
gendmedienschutz, das ist gängige Praxis . Tun Sie doch
nicht so, als wäre das etwas völlig Neues . Das ist das
optimale Setting, um dafür zu sorgen, dass die Entschei-
dung über Wahrheit oder Unwahrheit im Netz nicht Pri-
vaten überlassen wird,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern?)


aber gleichzeitig etablieren wir keine staatliche Über-
wachungsbehörde . Die regulierte Selbstregulierung geht
genau den richtigen Mittelweg . Deshalb war es uns ein
großes Anliegen, diese ins Gesetz zu übernehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben viele andere Änderungen vorgenommen,
zum Beispiel was den Anwendungsbereich angeht . Man-
che machten sich große Sorgen, wer von diesem Gesetz
überhaupt betroffen ist . Es gab bei Start-ups, die teilwei-
se sehr schnell wachsen, die Sorge, ob sie von heute auf
morgen ein Beschwerdemanagement vorhalten müssen .
Diesen geben wir künftig drei Monate Zeit, wenn sie die
Schwelle von 2 Millionen Nutzern überschreiten . Auch
den Nutzerbegriff haben wir konkretisiert . Zukünftig
müssen es registrierte Nutzer sein . Das sind wichtige
Klarstellungen, die wir ins Gesetz eingefügt haben .

Ich will noch einen weiteren Punkt nennen, der uns
sehr wichtig war: Das ist das Thema des Zustellungs-
bevollmächtigten . Es ist wichtig, dass die Menschen in
Deutschland auch bei internationalen Großkonzernen
einen Zustellungsbevollmächtigten im Land haben, der
den Weg dafür öffnet, dass man klagen kann, dass man
zu seinem Recht kommt . Dieser muss – und das ist neu –
innerhalb von 48 Stunden antworten . Das ist eine maß-
gebliche Verbesserung in diesem Gesetzentwurf .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte zum Schluss für meine Fraktion sagen:
Wir sind der Meinung, die Zeit der leeren Versprechun-
gen ist vorbei . Es ist wichtig, dass wir jetzt eine gesetzli-
che Regelung bekommen . Mit den Änderungen, die wir
vorgenommen haben, haben wir den Gesetzentwurf, der
eine starke Schieflage hatte, zu einem guten Gesetzent-
wurf gemacht; denn er verbindet den hohen Respekt vor
der Meinungsfreiheit mit dem Anspruch derjenigen, die
Opfer von Straftaten geworden sind, zu ihrem Recht zu
kommen . Es ist ein guter Gesetzentwurf, und deshalb
kann ich uns allen die Zustimmung empfehlen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824403000

Renate Künast ist die nächste Rednerin für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen .


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824403100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eins will

ich vorausschicken: Wir stellen heute grundlegende Wei-
chen für das digitale Zeitalter . Wir testen nicht einfach
etwas aus; vielmehr gibt Deutschland weltweit ein Mus-
ter vor . Ich weiß, dass viele andere Staaten dieser Welt
beobachten, wie Deutschland diesen Bereich regelt . Das

macht mir und uns an dieser Stelle übrigens Sorgen; denn
wir geben vor, wie eine Abwägung zwischen Meinungs-
freiheit auf der einen Seite und Persönlichkeitsschutz,
Schutz vor Diskriminierung und Volksverhetzung auf
der anderen Seite erfolgen kann, und da schauen auch
nichtdemokratische Länder auf uns . Es ist deshalb be-
deutsam, was wir heute diskutieren . Darum ringen wir
um Seriosität und um einen guten verfassungsrechtlichen
Ausgleich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Auch wenn die EU-Kommission nicht interveniert
hat: Wir wissen, dass sie das Ganze als Testballon be-
trachtet . Wir wissen doch alle – die Komplexität des
Themas kommt mir hier zu kurz; denn die ganze Debatte
bezieht sich nur auf den vorliegenden Gesetzentwurf –:
Eigentlich hätte hier angesichts all der Hasskommenta-
re, die teilweise strafbar sind, teilweise nicht, und der
vergifteten Debattenkultur eine Debatte darüber geführt
werden müssen, was in unserer Gesellschaft passiert, was
sich verändert .

Das erinnert mich manchmal an die Zeit nach der
Wende . Denken Sie an Rostock-Lichtenhagen, an Ho-
yerswerda, an Kameradschaften und an Rechtsextreme,
die die Jugendzentren übernahmen . Damals wussten
demokratische Jugendliche gar nicht mehr, wo sie hin-
gehen können . Auch damals haben wir angefangen, eine
Grundsatzdebatte darüber zu führen, wie wir unsere ge-
sellschaftlichen Strukturen und den Respekt vor dem
Menschen – ich würde es positiv sagen: die Political Cor-
rectness; andere nicht zu diskriminieren, runterzumachen
und zu verletzen – verteidigen und vertreten können . Das
geht natürlich nicht allein mit Bußgeldtatbeständen, über
die wir heute diskutieren, bei weitem nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])


Diese Engführung der Debatte macht mich nervös .

Auch – mit Verlaub – das Verfahren bis hierhin war
nicht gut . Egal wie sehr ihr von CDU/CSU und SPD euch
untereinander gekloppt habt,


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: Das willst du nicht wissen!)


es war nicht gut, dass ihr erst einmal interne Gespräche
geführt habt, ohne Einbeziehung des Parlaments . Zum
angekündigten Evaluierungszeitpunkt wertete Herr Maas
diese Gespräche aus und kam kurz vor Ostern plötzlich,
wie Kai aus der Kiste, mit einem Gesetzentwurf, der hel-
les Entsetzen auslöste . Das hat nichts mit dem Niveau
und der Seriosität zu tun, die wir hier gebraucht hätten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit, Persönlich-
keitsschutz und Schutz vor Diskriminierung liefert dieser
Gesetzentwurf im Übrigen nicht .

Meine Vorrednerin Nadine Schön hat ein schauriges
Beispiel gebracht . Ich will eins hinzufügen, um Ihnen zu
zeigen, wie kompliziert das Ganze ist . Ich sage es einmal

Nadine Schön (St. Wendel)







(A) (C)



(B) (D)


so: Auch ich habe mich über unterschiedliche Unterneh-
men geärgert, die glauben, sie könnten globusweit Geld
mit Werbung usw . verdienen und mit ihren Algorithmen
faktisch auch Meinungen machen, ohne sich um das je-
weilige nationale Recht kümmern zu müssen . Der poli-
tische Druck und die Debatte waren nötig, damit an den
entsprechenden Stellen überhaupt Personal eingestellt
wurde, ja . Wir müssen aber eine Differenzierung hinbe-
kommen . Wir können nicht sagen, dass alles, worüber
wir uns ärgern, gelöscht werden muss . Wir müssen, digi-
tal wie analog, mit der Meinungsfreiheit umgehen . Des-
halb ist es ja so wichtig, mehr zu tun, als Paragrafen zu
schaffen . Wir müssen uns wehren, gegebenenfalls aber
auch Entscheidungen akzeptieren .

Ich war bei einem Dienstleister . Dort habe ich erzählt,
was mir passiert ist . Mir hat jemand geschrieben, in gren-
zenloser Weisheit: Von Ihnen würde ich auch gerne ein
Enthauptungsvideo sehen . – Nach langem Quengeln –
man muss immer nerven – durfte ich die Qualitätssiche-
rung bei Arvato aufsuchen . Die für die Qualitätssiche-
rung zuständige Frau hat nach langem Überlegen zu mir
gesagt: Ich würde das nicht löschen, weil kein konkreter
Hinweis und keine konkrete Aufforderung vorliegen . –
Sie guckte mich unsicher an, weil ihr natürlich klar war,
dass das auf emotionaler Ebene nicht das gewünschte
Ergebnis war . Ich konnte ihr dann aber sagen, dass die
Berliner Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt
das genauso sehen .

Daran erkennt man das Problem: Wenn wir über das
Löschen von bestimmen Inhalten reden, müssen wir uns
auch fragen, ob wir uns nicht etwas vormachen . Wir re-
den nur über die Löscherei; aber das Verfassungsgericht
hält in der Rechtsprechung immer die Meinungsfreiheit
hoch . Damit müssen wir uns auseinandersetzen . Dafür
reicht dieser Gesetzentwurf nicht, sosehr ich mich auch
über solche Sachen ärgere und mich frage, wes Geistes
Kind diese Leute eigentlich sind . Die Gesellschaft muss
im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir hätten uns ein ande-
res parlamentarisches Verfahren gewünscht . Die Mehr-
heit der Sachverständigen im Ausschuss hatte neben der
Verfahrenskritik auch schwere verfassungsrechtliche
Bedenken an der alten Fassung des Gesetzentwurfs ge-
äußert . Ein paar Dinge haben Sie geändert: Sie haben
den Straftatenkatalog reduziert . Der inländische Zustel-
lungsbevollmächtigte – ich will mal loben – ist eine gute
Idee; immerhin etwas . Vielleicht hätten wir in dieser Le-
gislaturperiode an dieser Stelle enden sollen und uns Zeit
lassen sollen .

Ein paar Regelungen sind gar nicht so schlecht, Frau
Schön, zum Beispiel die regulierte Selbstregulierung .
Das ist aber eine Kannregelung, die nicht sofort in Kraft
tritt . Außerdem ist sie nicht ausformuliert . Sie haben
nach der Sieben-Tage-Regelung unverzüglich, in der
Regel innerhalb von sieben Tagen zu löschen . Ich frage
jedes Erstsemester: Wer weiß, was das bedeutet?


(Präsident Dr . Norbert Lammert klopft auf das Mikrofon)


– Ich komme zum Schluss . – Sie haben beim Bußgeld-
verfahren eine Vorabentscheidung durch das Bundesamt
für Justiz vorgesehen . Ich wünsche viel Vergnügen bei
diesem schwierigen Verfahren mit Tausenden, Zehntau-
senden von Angaben . Sie haben nicht gesagt, wie unab-
hängig diese regulierte Selbstregulierung ist und wer sie
eigentlich finanziert. Sie haben immerhin einen Richter-
vorbehalt bei der Auskunft vorgesehen .

Meine Damen und Herren, ich finde, wir haben eine
Engführung . Dieser Gesetzentwurf entspricht nicht un-
seren Vorstellungen . Ich habe immer noch das Gefühl,
dass der Reiz, zu löschen, größer ist als der Reiz, das
Recht einzuhalten und die Meinungsfreiheit anzuerken-
nen . Und ich habe das sichere Gefühl: Wir hätten eine
breitere Diskussion führen müssen, eine Diskussion, in
der wir die Gesellschaft entsprechend aufstellen und uns
gemeinsam für die Würde des Menschen und für Respekt
einsetzen müssten . Das wird eine Aufgabe für die nächs-
te Wahlperiode sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824403200

Lars Klingbeil ist der nächste Redner für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1824403300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben in den letzten Monaten und Jahren in der Tat eine
sehr schwierige Diskussion geführt . Dabei ging es um
nicht weniger als um die Fragen: Wer trägt eigentlich
Verantwortung im Netz? Und wie haben wir als Staat
bzw. als Politik unsere Rolle dort zu definieren? Ich fin-
de, dass der Ansatz von Minister Maas genau der richtige
Weg ist, nämlich zunächst mit den sozialen Netzwerken
in einen ausführlichen Dialog zu treten und zu gucken,
was im Rahmen von Absprachen möglich ist, und, wenn
dann erkannt wird, dass Absprachen nicht wirksam sind,
zu sagen: Der Gesetzgeber muss eingreifen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin Minister Maas außerordentlich dankbar für das
Gesetz, das er in den Bundestag eingebracht hat . Auch
finde ich, dass wir es als Große Koalition geschafft ha-
ben – dafür danke ich dem Koalitionspartner –, an vielen
Stellen Hinweise auch von Sachverständigen aufzuneh-
men. Weiterhin finde ich es gut, dass wir es geschafft ha-
ben, dieses Gesetz noch in dieser Legislatur auf den Weg
zu bringen, um es jetzt gleich hier im Deutschen Bundes-
tag verabschieden zu können .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einige Punk-
te, die in der Tat für uns sehr wichtig sind . Der inländi-
sche Zustellungsbevollmächtigte ist angesprochen wor-
den . Ich glaube, niemand hier im Haus stellt infrage, dass
es einen solchen Bevollmächtigten geben muss und dass
Ansprechpartner bei den sozialen Netzwerken benötigt
werden . Wir haben es – da haben wir uns an dem Po-
sitionspapier der SPD-Fraktion orientiert – in den Ver-
handlungen geschafft, die regulierte Selbstregulierung
in das Gesetz aufzunehmen und sie damit möglich zu
machen . Weiter haben wir es geschafft, die Sieben-Ta-

Renate Künast






(A) (C)



(B) (D)


ge-Regelung, die von vielen kritisiert wurde, zu lockern .
Auch das, was in Bezug auf das sogenannte Overblock-
ing immer als Zensurvorwurf im Raum stand, haben
wir entschärft . Das geschah übrigens schon vonseiten
des Ministeriums aufgrund vieler Hinweise . Wir wollen
deutlich machen: Es geht nicht um den einzelnen Post,
sondern darum, dass ein effektives Beschwerdemanage-
ment vorgehalten werden muss .


(Beifall bei der SPD)


Für uns als SPD-Fraktion war sehr wichtig, dass der
Auskunftsanspruch mit einem Richtervorbehalt versehen
wird . Von daher werden wir eine enge Begrenzung ha-
ben . Auch das wurde in den Verhandlungen aufgenom-
men. Ich finde, wir haben jetzt ein sehr gutes Gesetz, dem
wir als Parlament zustimmen können .

Wenn die Kollegin Künast sagt: „Das darf aber nicht
der Endpunkt sein“, dann bin ich voll bei ihr . Denn ich
glaube, dieses Thema wird uns in der nächsten Legisla-
tur an den unterschiedlichsten Stellen wieder begegnen .
Dabei geht es um die Fragen: Wer trägt eigentlich Verant-
wortung im Netz? Und wie gehen wir mit all dem, was
wir im Netz erleben, um?

Wir reden hier heute über offensichtliche Rechts-
verletzungen . Dagegen bedarf alles das, was unter dem
Stichwort „Fake News“ – ich finde, das ist ein schwieri-
ger Begriff –, was unter den Begriffen „Manipulation“,
„Falschmeldungen“ oder „Lügen“ diskutiert wird, ande-
rer Maßnahmen . Wir müssen hier im Bundestag endlich
einmal intensiv über die Frage reden: Wie bekommen wir
digitale Bildung und digitale Sensibilität hin? Des Weite-
ren müssen wir im Parlament darüber reden, wie wir Ini-
tiativen wie „Ich bin hier“, die in den sozialen Netzwer-
ken auf Toleranz und konstruktiven Dialog setzen, auch
zivilgesellschaftlich stärken können . Und wir müssen
überlegen, wie wir es schaffen können, dass vernünftige
und seriöse Inhalte im Netz stärker verbreitet werden . All
das sind Punkte, die wir sicherlich in der nächsten Legis-
latur intensiv diskutieren werden .

Lassen Sie mich am Ende zu den unterschiedlichen
Kritiken kommen, die es gab . Die einen haben gesagt:
„Das Gesetz kam zu schnell“, die anderen: Das hat alles
zu lange gedauert . – Ich möchte mich beim Koalitions-
partner entschuldigen, wenn wir ihn im Rahmen dieses
Gesetzgebungsverfahrens das eine oder andere Mal über-
fordert haben . Für uns war es wichtig, dass wir zu einem
Ergebnis kommen . Und das passiert mit dem heutigen
Tag .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824403400

Elisabeth Winkelmeier-Becker hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1824403500

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir bringen

heute ein wichtiges Gesetzgebungspaket auf den Weg .
Anspruchsvolle Arbeit liegt hinter uns . Und wer hier wen
überfordert hat, das muss man vielleicht der öffentlichen
Bewertung überlassen . Ich stelle jedenfalls fest, dass wir
einen Gesetzentwurf gehabt haben, der in der Anhörung
von den Sachverständigen unisono sehr stark kritisiert
worden ist . Wir haben uns dann aber in sehr konstruktive
Beratungen begeben . Gerade wir von der Union haben
uns mit sehr guten Vorschlägen eingebracht, die auch von
den Experten ausdrücklich gelobt worden sind . Ich glau-
be, dass sich das Ergebnis, das wir heute vorlegen, sehen
lassen kann .

Bei dem heutigen Projekt geht es um sehr viel; es geht
nämlich mal wieder um nicht weniger als um den Primat
der Politik, um die Frage: Wer bestimmt die Regeln?

Das erinnert mich an die Diskussionen, die wir hier
vor einigen Jahren um den Primat der Politik gegenüber
den Finanzmärkten geführt haben . Damals ging es da-
rum, wer eigentlich bestimmt, gegen welchen Staat ge-
wettet werden kann und wie die Regeln lauten . Auch da
ging es darum, dass sich der demokratisch legitimierte
Gesetzgeber mit den Regeln, die er für die analoge und
die digitale Welt aufstellt, durchsetzt . Darum geht es
auch hier . Wir dürfen das Internet nicht wie bisher den
Konzernen überlassen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir dürfen es nicht den Konzernen überlassen, die die
Holocaustlüge für nicht so schlimm halten, auf der ande-
ren Seite aber jeden Busen eliminieren, egal ob es sich
um einen medizinischen Kontext oder was auch immer
handelt . Wir dürfen es auch nicht den Hetzern und Mob-
bern überlassen, die meinen, dass sie die Anstandsre-
geln komplett hintanstellen können, sondern wir müssen
wirklich die Regeln setzen .

Das ist nicht leicht . Viele Netzwerkbetreiber haben
sich eine Zeitlang überhaupt nicht darum geschert und
nur ganz langsam – auf großen Druck – reagiert . Das ist
aber auch technisch nicht einfach; das muss man zuge-
stehen . Trotzdem ist es notwendig, denke ich, auf jeden
Fall das zu tun, was möglich ist; denn sonst bleibt die
Schülerin, die in der Umkleidekabine fotografiert wird
und deren Bild in die Netzwerke gestellt wird, schutzlos .
Sonst bleiben die Politikerin und der Politiker und auch
der Schiri, dem nach dem Spiel gedroht wird, schutzlos .
Und das geht nicht . Deshalb ist es gut, dass wir hier heute
die Facebooks dieser Welt in die Pflicht nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wie das funktioniert? Innerhalb von 24 Stunden müs-
sen die eindeutig rechtswidrigen Posts gelöscht werden .
Innerhalb von 7 Tagen müssen auch schwierigere Dinge
jedenfalls bearbeitet sein . Wenn sich herausstellt, dass
man erst rückfragen muss, dann ist auch dafür die not-
wendige Zeit gegeben . Daneben haben wir die regulierte
Selbstregulierung eingeführt .

Ich denke, mit diesem neuen Angebot – dieser Struk-
tur, die wir neu eingeführt haben – haben wir die Gefahr
des Overblockings gut gebannt .

Lars Klingbeil






(A) (C)



(B) (D)


Mit dieser gestuften Fristsetzung haben wir erreicht,
dass nicht schon im vorauseilenden Gehorsam wegen
der Androhung eines spürbaren Bußgeldes auf Nummer
sicher gegangen und vieles gelöscht wird, was doch ei-
gentlich hätte stehen bleiben können .

Es wurde klargestellt, dass eine Entscheidung des
Bundesamts für Justiz, möglicherweise Sanktionen zu
verhängen, nur dann erfolgen kann, wenn wirklich sys-
temische Mängel nachgewiesen sind . Nicht die einzelne
Entscheidung ist es, die dafür zum Anlass genommen
werden kann, sondern es muss sich insgesamt herausstel-
len, dass das Beschwerdesystem nicht funktioniert, dass
es unterfinanziert, unterbesetzt oder nicht qualifiziert ist.

Wir haben also, wie gesagt, die regulierte Selbstregu-
lierung eingeführt, und sie hat noch mehr Potenzial . Wir
hätten gerne schon jetzt in den Gesetzentwurf geschrie-
ben, dass diese Selbstregulierung maßgeblich in die Be-
antwortung der Frage mit einbezogen werden kann, ob
das System insgesamt ausreichend ist .

Dieses Instrument, das wir jetzt im Gesetzentwurf an-
gelegt haben, wird weiter auszubauen sein . Obwohl wir
einen konkreten Formulierungsvorschlag dafür hatten,
wurden unsere Vorschläge jetzt noch nicht übernommen .
Es mag sein, dass auch das Notifizierungsverfahren dabei
ein Stück weit eine Rolle gespielt hat . Wir werden dabei
aber nicht stehen bleiben, sondern das Instrument noch
weiter ausbauen . Mit ihm ist eine sehr gute Systematik
gegeben, um einen Ausgleich zwischen Meinungsfreiheit
auf der einen Seite und Kontrolle im Sinne des Persön-
lichkeitsschutzes auf der anderen Seite zu schaffen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wichtig ist für uns auch der Aspekt – Frau Künast hat-
te es schon angesprochen –, dass dieses Gesetz für andere
Länder eine Blaupause sein kann . Ich glaube, dass sehr
stark beobachtet wird, was wir hier liefern . Wir sind das
erste Parlament, das sich mit dieser Aufgabe auseinan-
dersetzt .

Ich glaube, in diesem Zusammenhang stellt die Struk-
tur der regulierten Selbstregulierung einen ganz wichti-
gen Vorschlag dar . Wenn sich nämlich die Erdogans oder
Putins dieser Welt darauf berufen, dass Deutschland ja
jetzt auch das Internet und damit die Meinungsfreiheit re-
guliert, dann können wir ihnen entgegenhalten: Der Staat
will hier nicht das Monopol haben, sondern er bietet kon-
kret an, dass diese Regulierung durch ein gesellschaftlich
plural besetztes Gremium geschieht . Mit diesem Vor-
schlag können sich die Diktatoren dieser Welt gerne mal
auseinandersetzen . Wir stärken gerade nicht die staatli-
che Durchgriffsbefugnis, sondern die gesellschaftlichen
Kräfte .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Uns ist auch der Auskunftsanspruch wichtig . Wir
sagen: Die strittigen Dinge müssen von einem Gericht
entschieden werden . Genau dieser Auskunftsanspruch ist
aber die Voraussetzung dafür, dass einzelne Fälle vor ein
Gericht gebracht werden können . Deshalb ist auch das
ein wichtiger Beitrag .

Wir sind in diesen Fragen noch nicht am Ende der Dis-
kussion, aber ich bin am Ende meiner Rede . Ich bitte um
Ihre Zustimmung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824403600

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Johannes

Fechner das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1824403700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie-

be Zuschauerinnen und Zuschauer! Vorgestern habe ich
mich mit einem Polizisten unterhalten, der im Bereich
der Onlinekriminalität tätig ist . Das, was er mir gezeigt
hat, war wirklich erschütternd . Es ist immer wieder un-
fassbar, in welchem Ausmaß im Netz gehetzt wird, wie
dreist Pädophile versuchen, mit Kindern in Kontakt zu
kommen, und wie schlimm im Netz gemobbt und belei-
digt wird . Sie alle haben sicherlich ähnliche Erfahrungen
gemacht . Deshalb ist es gut, dass wir nach diesen Bera-
tungen nun alle der Meinung sind: Wir müssen auf diesen
massiven Umfang an Hetze und Hass im Netz gesetzlich
reagieren . Deswegen müssen wir hier tätig werden, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin Justizminister Maas sehr dankbar, dass er nicht
nur im Netz immer wieder Flagge gegen Hass und Hetze
sowie für Demokratie und Freiheit zeigt, auch wenn er
dadurch selbst heftig attackiert wird . Besonders dankbar
bin ich ihm, dass er die Initiative dazu ergriffen hat, dass
wir in Deutschland ein Gesetz gegen Hass und Hetze in
sozialen Netzwerken beschließen können . Ganz herz-
lichen Dank dafür, Herr Minister . Ich glaube ernsthaft,
dass dies eines der wichtigsten Gesetze ist, das wir in
dieser Legislaturperiode beschließen .


(Beifall bei der SPD)


Wenn soziale Netzwerke Milliardengewinne machen,
dann stehen sie auch in der Pflicht, gegen Hass und Het-
ze vorzugehen . Im Moment tun sie das absolut unzurei-
chend . Deshalb ist es richtig, dass wir sozialen Netz-
werken ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50 Millionen
Euro androhen, wenn sie kein Beschwerdemanagement
vorhalten, um rechtswidrige Inhalte zu löschen . Dabei
wollen wir natürlich verhindern, dass soziale Netzwerke
aus Angst vor diesem hohen Bußgeld quasi in voraus-
eilendem Gehorsam Inhalte in Zweifelsfällen löschen .
Aber genau gegen diese Problematik hat sich auch schon
der Gesetzentwurf gerichtet . Sobald ein Zweifel daran
besteht, ob eine Äußerung eine zu löschende Straftat
darstellt, hat das soziale Netzwerk sieben Tage Zeit zur
Prüfung, in Ausnahmefällen sogar länger . Selbst wenn
es mit vertretbarer Begründung einen Inhalt nicht löscht,
den ein Gericht später als zu löschen beurteilt, droht kein
Bußgeld . Um es ganz klar zu sagen: Das Bußgeld kann
nur bei einem Systemversagen des einzurichtenden Be-

Elisabeth Winkelmeier-Becker






(A) (C)



(B) (D)


schwerdemanagements verhängt werden, nicht, wenn
eine einzelne Äußerung falsch eingeschätzt wird .

Auf unsere Initiative hin haben wir die wichtigste Re-
gelung im Gesetzentwurf erweitert, nämlich dass wir in
Deutschland endlich einen Ansprechpartner, einen Zu-
stellungsbevollmächtigten für Ermittlungsbehörden und
für Zivilrechtsverfahren bekommen . Ich glaube, das ist
eine ganz wichtige Norm . Alle Sachverständigen, die
wir in der Anhörung dazu befragt haben, haben uns da-
für gelobt und erklärt: Das müsst ihr so machen . – Wir
gehen noch einen Schritt weiter . Auf den Vorschlag der
SPD-Fraktion hin werden die sozialen Netzwerke nun-
mehr verpflichtet, einen Zustellungsbevollmächtigten im
Internet für jedermann deutlich zu benennen . Ich glaube,
das ist ein Meilenstein gegen Hass und Hetze im Netz .


(Beifall bei der SPD)


Wichtig ist uns auch, dass das Auskunftsersuchen ei-
ner Behörde tatsächlich erfüllt wird . Deshalb erhöhen
wir den Druck auf die sozialen Netzwerke: Es muss
innerhalb von 48 Stunden auf eine Anfrage, etwa einer
Staatsanwaltschaft, reagiert werden . Ansonsten wird ein
Bußgeld fällig . Auch das ist eine ganz wichtige Maßnah-
me .

Schließlich haben wir verhindert, dass durch eine vor-
getäuschte Straftat die Identität eines anonymen Nutzers
preisgegeben werden muss, der sich überhaupt nichts hat
zuschulden kommen lassen . Ein soziales Netzwerk darf
nun die Bestandsdaten aufgrund der von uns geforder-
ten Beschränkungen des Auskunftsanspruches nur dann
übermitteln, wenn eine Straftat behauptet wird und wenn
ein Richter dies so beschlossen hat . Auch das ist, glaube
ich, eine ganz wichtige Klarstellung in diesem Gesetz .

Was wir in der nächsten Wahlperiode angehen sollten,
ist die Ausgestaltung eines Rechtsanspruchs für Nutzer,
dass ihre zu Unrecht gelöschte Aussage wieder veröffent-
licht wird . Eine solche AGB-feste Regelung sollten wir
uns für die nächste Wahlperiode vornehmen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns alle eint das
Ziel, gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen . Diesem
Ziel dient dieser Gesetzentwurf . Stimmen wir also zu!

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824403800

Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der

Kollege Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Frakti-
on das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alexander Hoffmann (CSU):
Rede ID: ID1824403900

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn man im Netz unterwegs ist, dann stößt man auf
so einiges . Herr Präsident, gestatten Sie, dass ich zwei
Beispiele zum Besten gebe, und seien Sie versichert:
Das ist noch mit das Seichteste, was ich gefunden habe .

Da schreibt jemand – ich zitiere –: Warum wird dieses
Biest nicht gesteinigt? So eine hat doch null Charakter .
Für Geld und Macht verkauft die sich doch zur Not auch
selbst .

Ein anderer schreibt: Kann der Alten nicht irgend-
jemand in den Kopf schießen? Das muss doch mal ein
Ende haben .

Beide Kommentare wurden an Facebook gemeldet .
Facebook hat auch reagiert, und zwar mit folgendem
Satz:

Wir haben den von dir im Hinblick auf Verherrli-
chung drastischer Gewalt gemeldeten Kommentar
geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere
Gemeinschaftsstandards verstößt .

Wenn man sich dann andere Ereignisse, die mit dem
Netz zu tun haben, anschaut, wird es noch tragischer .
Eine 15-jährige Kanadierin wurde im Jahr 2012 auf einer
Party von vier Männern erst betrunken gemacht und dann
vergewaltigt . Es wurden Bilder angefertigt, und die wur-
den ins Netz gestellt . Das hat das Mädchen seitdem nicht
mehr losgelassen . Sie wurde als Schlampe beschimpft,
und ein Jahr später hat sie sich das Leben genommen .

Eine andere Kanadierin ist Opfer von Cybergrooming
geworden . Mit zwölf Jahren hat sie sich dazu verleiten
lassen, intime Bilder von sich zu schicken, und der Täter
hat diese ins Netz gestellt . Das Mädchen wurde drogen-
abhängig, alkoholabhängig und hat im Alter von 15 Jah-
ren ihrem Leben ein Ende gesetzt .

Wenn wir das auf uns wirken lassen, dann müssen uns,
glaube ich, vier Erkenntnisse treiben:

Erstens . Die Hemmschwelle im Netz sinkt . Wenn man
sich nicht mehr Auge in Auge gegenübersteht, dann traut
man sich ein ganzes Stück mehr .

Zweitens . Soziale Plattformen sind entweder nicht
willens oder nicht in der Lage, dem entschieden entge-
genzutreten .

Die dritte Erkenntnis: Wenn erst einmal etwas in die
digitale Welt entsendet und um die Welt gejagt worden
ist, dann ist das nicht mehr rückholbar .

Und viertens: Die Neugierde der Menschen kennt of-
fenbar keine Grenzen . Denn anders ist es nicht zu erklä-
ren, dass Prügelattacken millionenmal angeklickt werden
und Mordvideos hunderttausendmal .

Der Blick ins Internet offenbart Handlungsbedarf . Ich
denke, uns allen wäre es lieber gewesen, wenn Facebook
und Co gehandelt hätten . Aber sie haben eben nicht ge-
liefert, und deshalb ist es nun an uns .

Wir reden über eine sensible Materie . Denn es geht um
Meinungsfreiheit, und wir wollen eben nicht – da spreche
ich für uns alle – in den Verdacht geraten, hier der Zensur
Tür und Tor zu öffnen . Diesen Gesetzentwurf – vor allem
in der überarbeiteten Fassung – mit Zensur in Verbindung
zu bringen, wird ihm, glaube ich, nicht einmal im Ansatz
gerecht . Dafür will ich Ihnen drei Argumente nennen .

Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


Zum einen zielen wir auf rechtswidrige Äußerungen
ab, und rechtswidrige Äußerungen sind vom Grundrecht
der Meinungsfreiheit nicht gedeckt .

Die zweite Erkenntnis – ich glaube, auch das sollten
wir nicht vergessen –: Facebook löscht und filtert heute
schon Äußerungen, aber letztendlich immer nach will-
kürlich selbst gegebenen Maßstäben, nämlich den Ge-
meinschaftsstandards, ohne dass das transparent ist und
ohne dass nachvollziehbar ist, anhand welcher Maßstäbe
Facebook welche Entscheidungen trifft .

Die dritte Erkenntnis ist für mich fast die wichtigste:
Jede Zeitung und jeder Fernsehsender ist dafür verant-
wortlich, zu prüfen, bevor zum Beispiel ein Leserbrief
veröffentlicht oder ein Interview ausgestrahlt wird, dass
darin keine rechtswidrigen Inhalte enthalten sind . Genau
diese Maßstäbe müssen wir selbstverständlich auch dort
anlegen, obwohl natürlich klar sein muss, dass das Gan-
ze de facto eine andere Dimension haben wird, weil wir
über ein Massenmedium in der digitalen Welt sprechen .

Ich glaube, der Schritt ist richtig, und ich glaube, der
Schritt ist überfällig . Justizminister Maas hat das sehr
früh auf seine Agenda gesetzt, und das war richtig .


(Beifall des Abg . Dr . Johannes Fechner [SPD])


Ich will aber auch das sagen: Ich glaube, Sie haben
zu lange auf den Goodwill der großen Konzerne vertraut
und sich viel zu lange vertrösten lassen . Das führt jetzt
am Ende dazu, dass wir auf der Zielgeraden dieser Le-
gislaturperiode ein ganz wichtiges Gesetz verabschieden
müssen . Wenn wir Gesetze beschließen, dann hat das im-
mer auch etwas mit Akzeptanz zu tun . Allein dass wir das
Gesetz so kurz vor knapp beschließen, lässt bei vielen
Menschen die Akzeptanz fehlen . Viele denken: Es wird
einfach durchgepeitscht . – Das fällt leider in Ihren Ver-
antwortungsbereich .

Ich bitte um Zustimmung . Ich glaube, wir müssen die-
sen Weg gehen .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824404000

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzent-
wurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozia-
len Netzwerken .

Auch hierzu liegen mir drei persönliche Erklärungen
zur Abstimmung vor .1)

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 18/13013, den Gesetzentwurf der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksa-
che 18/12356 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich
bitte diejenigen, die diesem Gesetzentwurf in der Aus-

1) Anlagen 5 und 6

schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf in zweiter Lesung bei Gegenstimmen der
Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen und einer Gegenstimme aus den Rei-
hen der CDU/CSU-Fraktion angenommen .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen
zu erheben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich
der Stimme? – Bei gleichem Stimmverhalten – mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linken
und die Stimme einer Kollegin der CDU/CSU-Fraktion
und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen – ist der Gesetzentwurf damit angenommen .

Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem von
der Bundesregierung eingebrachten Parallelgesetzent-
wurf ab . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 18/13013, diesen Gesetzentwurf der
Bundesregierung für erledigt zu erklären . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Das könnten eigentlich
alle sein . – Das wird auch zunehmend so . Ist jemand an-
derer Meinung oder enthält sich der Stimme? – Damit ist
diese Beschlussempfehlung angenommen .

Unter dem Zusatzpunkt 12 b geht es um die Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Recht und Verbraucherschutz zum Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Transparenz
und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommen-
tare, ,Fake News‘ und Missbrauch von ,Social Bots‘“ .
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Be-
schlussempfehlung auf der Drucksache 18/13013, die-
sen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
der Drucksache 18/11856 abzulehnen . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Die Antragsteller . Wer enthält sich? – Damit ist die Be-
schlussempfehlung mit den übrigen Stimmen des Hauses
angenommen .

Ich rufe die Zusatzpunkte 13 a und 13 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Angleichung des Urheberrechts an die ak-
tuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft

(Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG)


Drucksachen 18/12329, 18/12378

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/13014

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Petra Sitte,

Alexander Hoffmann






(A) (C)



(B) (D)


Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE

Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend
analoger Werke in Öffentlichen Bibliotheken
sicherstellen

Drucksachen 18/5405, 18/13014

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor .

Vereinbart ist, dass die Debatte 38 Minuten dauern
soll . Ist jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall . Dann
verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und bitte auch hier den
Bundesjustizminister, die Aussprache zu eröffnen .


(Beifall bei der SPD)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode haben
wir wahrhaftig das Urheberrecht gründlich reformiert .
Wir haben das Recht der Verwertungsgesellschaften
modernisiert, damit Urheber schneller ihre Vergütungen
bekommen und Unternehmen mehr Rechtssicherheit ha-
ben . Wir haben das Urhebervertragsrecht reformiert, da-
mit die Rechte der Kreativen, der ausübenden Künstler,
auch im digitalen Zeitalter gewahrt werden . Wir haben
die Beteiligung der Verleger an den Pauschalvergütun-
gen nach dem Urheberrecht gesichert . Jetzt schließen wir
ein weiteres Großprojekt ab: Wir erleichtern Bildung und
Wissenschaft die digitale Nutzung geschützter Werke .


(Beifall des Abg . René Röspel [SPD])


Das ist wirklich eine ganze Menge für eine Legislatur-
periode .

Wir schaffen jetzt einen gesetzlichen Basiszugang,
damit an Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Ar-
chiven eben nicht mehr mit viel Aufwand und Bürokra-
tie um Erlaubnis gefragt werden muss, wenn geschützte
Werke für Unterricht und Lehre genutzt werden sollen .


(Beifall bei der SPD)


Dabei sage ich auch und ganz bewusst: Es muss zwar
nicht mehr um Erlaubnis gefragt werden; aber selbst-
verständlich muss diese Nutzung dann weiterhin ange-
messen vergütet und damit das geistige Eigentum auch
respektiert werden .

Was wir mit dieser Reform vor allen Dingen schaffen,
ist mehr Rechtssicherheit; denn jetzt ist klar geregelt, was
erlaubt ist und was eben nicht erlaubt ist . Das hat auch
zu einem großen Streit geführt, weil erstmals klar war,
was geht und was nicht geht . Wir schaffen damit ein pra-
xistaugliches Recht; denn die Vorstellung, dass ein Leh-
rer oder ein Dozent erst einen Lizenzvertrag mit einem
Verlag abschließen muss, bevor er einen Text einscannt
und an die Schüler versendet, die ist schlichtweg lebens-
fremd . Das haben wir in der Praxis in den letzten Jahren
immer mehr gemerkt: Kein Lehrer und kein Dozent kann

beurteilen, ob Preis- und Vertragsbedingungen für solche
Lizenzen angemessen sind oder eben nicht .

Trotzdem wird natürlich auch in Zukunft der größte
Teil der Nutzung auf Lizenzbasis stattfinden. Studenten
werden weiterhin Lehrbücher kaufen, und Bibliotheken
werden auch weiterhin wissenschaftliche Zeitschriften
abonnieren . Deshalb bin ich sicher, dass die deutschen
Wissenschaftsverlage mit dem gesetzlichen Basiszugang
auch in der digitalen Zukunft werden bestehen können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben in den Beratungen entschieden, dass diese
Reform befristet wird . Wir werden bis spätestens 2023
prüfen, ob sich dieses Recht und ob sich dieser System-
wandel dann auch bewährt haben . Die Bundesregierung
wird außerdem für eine europäische Regelung zur Ver-
legerbeteiligung eintreten – ein Thema, das gerade ganz
besonders in Brüssel diskutiert wird . Wir haben bereits
dafür gesorgt, dass die Kommission hier einen Vorschlag
gemacht hat . Wir werden weiter auf eine schnelle Umset-
zung drängen, weil das für unsere Verlage wichtig ist . In
Deutschland werden wir beobachten, wie sich die Ver-
teilung der Vergütung zwischen Autoren und Verlegern
entwickelt, ob Verlage wirtschaftlich in Not geraten und
deshalb möglicherweise besondere Formen der Hilfe ge-
boten sind .

Meine Damen und Herren, über das Projekt, das wir
mit diesem Gesetz abschließen, ist weit mehr als ein
Jahrzehnt gestritten worden . Wir bringen es nun zum Ab-
schluss, und das, obwohl – das haben die Diskussionen
und auch der ganze Streit gezeigt – man manchmal den
Eindruck hatte, dass sich die Positionen völlig unver-
söhnlich gegenübergestanden haben . Dass wir uns trotz-
dem zu einer Regelung durchringen können, ist auch ein
Beispiel für die Handlungsfähigkeit der Politik .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das rechts- und verbraucherpolitische Arbeitspen-
sum dieser Wahlperiode zeigt – das Urheberrecht ist ein
ganz besonders deutlicher Hinweis –, wie konstruktiv die
Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker zusammenge-
arbeitet haben . Wir waren sicher nicht immer einer Mei-
nung; aber wir hatten stets den Willen zum gemeinsamen
Erfolg . Deshalb gilt an dieser Stelle mein ganz besonde-
rer Dank Eva Högl und Johannes Fechner genauso wie
Stephan Harbarth und Elisabeth Winkelmeier-Becker für
diese gute Zusammenarbeit . Es hat sich gelohnt, wie man
an den Ergebnissen erkennt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich danke aber auch allen Mitgliedern des Ausschus-
ses für Recht und Verbraucherschutz, den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern der Fraktionen, die uns unterstützt
haben, sowie dem Sekretariat des Rechtsausschusses und
natürlich deren Vorsitzender, Renate Künast . Ich danke
auch Frau Keul und Frau Wawzyniak sowie allen wei-
teren Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition, die
ihrem Auftrag, wie ich finde, in dieser Legislaturperiode
rechts- und verbraucherpolitisch gerecht geworden sind .

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824404100

Vielen Dank, Herr Minister . – Als Nächster erteile ich

Frau Dr . Petra Sitte für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824404200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der

heutigen Beschlussfassung zum Urheberrecht wird für
Schulen und Bibliotheken, für Forschungseinrichtungen
und ganz besonders natürlich für die Hochschulen eine
lange Zitterpartie zu Ende gehen, aber leider nur unter
Vorbehalt .

Diese Einrichtungen kämpfen seit langem damit, dass
sie keine umfassenden und rechtssicheren Nutzungsrege-
lungen für urheberrechtlich geschützte Werke haben, die
den Bedingungen des digitalen Zeitalters gerecht werden .
Seit Jahren diskutieren wir daher über die Einführung ei-
ner allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke
im Urheberrecht .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat keine sol-
che allgemeine Schranke beinhaltet . Er enthielt aber
immerhin deutliche Verbesserungen, sodass ich, als Sie
den Gesetzentwurf eingebracht haben, noch Zustimmung
signalisiert habe, insbesondere auch mit Blick auf den
Hochschulbereich, wo eine Lösung drängt .

Was halten wir für wichtig? Wir halten für wichtig
eine allgemeine Öffnungsklausel im Entwurf, eine Rege-
lung zum Verleih von E-Books, die Rücknahme der jetzt
erst gesenkten Prozentgrenzen gegenüber dem Referen-
tenentwurf sowie die langfristige Weiterentwicklung zu
einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke .
Dazu haben wir Ihnen mit dem Entschließungsantrag
weiter gehende Vorschläge unterbreitet . Gerne hätten wir
das im Entwurf selbst gesehen . Dann hätten wir auch zu-
gestimmt .

Es wäre keine echte Urheberrechtsdebatte im Bundes-
tag, wenn wir es nicht massiv mit der Verlagslobby zu tun
bekommen hätten . Dass sie es geschafft hat, noch bei den
Beratungen innerhalb der Bundesregierung die Grenze
vieler erlaubten Nutzungen von 25 Prozent auf 15 Pro-
zent zu drücken, ist das eine . Offenbar war ihr das aber
nicht genug . In den letzten Wochen haben wir eine Kam-
pagne sondergleichen erlebt . Dass Wissenschaftsverlage
gegen jede noch so behutsame Ausweitung der Schran-
kenregelungen Sturm laufen, ist nun für alle Beteiligten
keine Neuigkeit . Aber nun haben wir es auch noch mit
den Zeitungsverlagen zu tun bekommen, die in den letz-
ten Wochen nicht nur mit Zeitschriften, sondern auch mit
Artikeln und großformatigen Anzeigen eine Bedrohung
der Pressefreiheit signalisiert haben .

Insbesondere ist völlig absurd, was sich die Frankfur-
ter Allgemeine Zeitung geleistet hat . Da kann man nur
von einer Desinformationskampagne sprechen .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da wurden Falschaussagen bezüglich der Regelungsin-
halte getroffen . Da wurden Dinge, die seit Jahren gelten-
des Recht sind, zur existenziellen Bedrohung erklärt, und
das von einer Zeitung, die für sich immer Qualitätsjour-
nalismus in Anspruch nimmt .

Obwohl es die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker
der Koalition eigentlich besser wissen sollten, sind sie
am Ende doch wieder vor dieser Verlagslobby einge-
knickt, wie damals auch beim Leistungsschutzrecht . Herr
Uhl hat das vor dem Bundesverfassungsgericht bezogen
auf die Rolle der Abgeordneten so umschrieben: Man
solle ihre Verantwortung und ihre Urteilsfähigkeit nicht
unterschätzen . – Das wäre jetzt ein guter Beitrag dazu
gewesen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ihre Änderungsanträge sehen einmal vor, dass Arti-
kel in Zeitungen und Zeitschriften gar nicht mehr unter
die Schranke fallen sollen . Diese Regelung hatte der ur-
sprüngliche Entwurf gar nicht angefasst . Jetzt also ein
deutlicher Rückschritt: Wer für den Schulunterricht oder
für die wissenschaftliche Forschung auf Zeitungsartikel
zurückgreifen will, fällt zukünftig in völlige Rechtsun-
sicherheit . Damit tun sich im Übrigen auch die Verlage
keinen Gefallen . Aber das einzusehen, ist Ihnen ja schon
beim Leistungsschutzrecht bis heute misslungen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Entwurf sieht jetzt eine Befristung der Schranken
bis 2023 vor . Mit Befristungen haben wir im Urheber-
recht eh schon schlechte Erfahrungen gemacht . Es geht
dabei wohlgemerkt aber nicht um die Änderungen, über
die wir heute reden, sondern um alle Schranken für Bil-
dung und Wissenschaft . Statt nun endlich wenigstens
einen vorläufigen Schlussstrich unter dieses Thema zu
ziehen, haben wir nun – um es ein bisschen gewalttätig
zu umschreiben – eine tickende Zeitbombe in diesem Ge-
setz . Wir werden in fünf Jahren wieder anfangen, über
die ganze Problematik zu diskutieren . Ich bin mir nicht
sicher, ob wir dann beim Status quo bleiben oder ob wie-
der Verschlechterungen drohen . Etwas mehr Mut hätten
Sie aufbringen können .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die von mir vorhin beschriebene Zitterpartie ist also nur
ausgesetzt .

Ohnehin ist mir bis heute ziemlich unklar, was den
Hochschulen im kommenden Wintersemester eigentlich
droht . Wir haben gerade erlebt, wie chaotisch die Zustän-
de sind . Dieses Gesetz soll jedenfalls erst im März 2018
greifen . Was soll denn an den Hochschulen in der Zwi-
schenzeit passieren? Die Vereinbarungen laufen doch im
Oktober aus .

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Alles in allem: Auch wenn manches besser wird – Herr
Maas hat das durchaus zutreffend beschrieben –, können
wir angesichts der erheblichen Verschlechterungen die-
sem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Schade!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824404300

Vielen Dank, Frau Dr . Sitte . – Als Nächste hat die

Bundesministerin Dr . Johanna Wanka für die Bundesre-
gierung das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Meine Da-
men und Herren! Ende des vergangenen Jahres gab es
große Unruhe an den Hochschulen . Viele Hochschul-
lehrer und Professoren haben befürchtet, dass sie ihre
Lehrinhalte bzw . Auszüge aus Werken nicht mehr in ihre
elektronischen Semesterapparate einstellen können und
dass die Studierenden wieder in die Sekretariate gehen
müssen, um aus Papierordnern zu kopieren . Das ist Stu-
dierenden im Jahr 2017, in Zeiten der Digitalisierung,
nicht zumutbar .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es entspricht auch nicht dem Anspruch Deutschlands,
innovativ und zukunftsgewandt zu sein . Deshalb freue
ich mich sehr, dass wir heute nach langen Diskussionen
die vorliegende Novelle zum Urheberrecht am letzten
Sitzungstag noch verabschieden . Viele haben darauf ge-
wartet: die Bibliotheken, die Schulen und die Archive,
aber vor allen Dingen die Forschungseinrichtungen und
die Hochschulen . Diese haben sich besonders engagiert .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Mit dem Gesetz schaffen wir einen neuen Rechtsrah-
men, der für den Umgang mit urheberrechtlich geschütz-
ten Werken in Wissenschaft und Lehre gut ist . Das, was
wir bisher hatten, ist nicht praxistauglich und passt vor
allen Dingen nicht zu den modernen Formen, zur Di-
gitalisierung . Mit diesem Gesetz wird das Problem nun
gelöst . Es ist rechtssicher und praktikabel . Des Weiteren
regelt es Sachverhalte, die noch nie gesetzlich festgelegt
wurden . Schließlich ist die technologische Entwicklung
weitergegangen .

Ich nenne ein Bespiel für die Auswirkungen der Digita-
lisierung . Das Gesetz regelt nun das sogenannte Text und
Data Mining . Es ist klargestellt, dass Forscherinnen und
Forscher große Textmengen mit dieser Methode – diese
ermöglicht unter anderem das Suchen nach bestimmten
Begriffen – auswerten können . Wir verdeutlichen zudem,
dass jeder Lehrende an einer Hochschule Auszüge aus
Werken rechtssicher in elektronische Semesterapparate
einstellen kann . Das ist für die Wissenschaftsszene sehr
gut . Ich weiß natürlich – das war unüberhörbar und un-

übersehbar –, dass es eine heftige Diskussion über dieses
Gesetz und viele Bedenken vonseiten der Verlage gab .
Wir haben diese Bedenken ernst genommen und geprüft .
Ich muss deutlich sagen – das war eines der Argumente,
die mich am meisten aufgeregt haben –: Es geht nicht um
Bildung zum Nulltarif . Im Gesetz wurde von Anfang an
klargestellt, dass die Nutzungen nach den gesetzlichen
Schranken angemessen vergütet werden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wer die Praxis an den Hochschulen kennt, weiß: Viele
haben Lizenzverträge mit Verlagen . Was dort geleis-
tet wird – ich nenne als Stichworte „Onlinesuche“ und
„Verlinkung“ –, wird auch weiterhin lizenziert und den
Verlagen entsprechend vergütet werden . Das Gesetz lässt
den Verlagen auch genügend Spielraum für neue Mög-
lichkeiten .

Wir haben immer wieder gehört, wie schwierig die
Situation der Verlage ist . Durch die Digitalisierung ge-
hen den Verlagen klassische Geschäftsmodelle verloren;
sie müssen sich auf neue einstellen . Aber die Digitalisie-
rung ist nicht nur eine Herausforderung für die Verlage,
sondern auch für die Wissenschaftsszene . Wir müssen in
Deutschland aufpassen, dass wir international leistungs-
stark sind . Deswegen ist es zwingend notwendig, dass
der Zugriff auf Texte und die Art und Weise des Um-
gangs miteinander so geregelt werden, dass wir uns im
internationalen Wettbewerb nicht ein Bein stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was ist Aufgabe des Gesetzgebers? Aufgabe des Ge-
setzgebers ist es, eine Balance zwischen widerstreiten-
den Interessen herzustellen; das ist an dieser Stelle ge-
schehen . Aufgabe ist es aber auch, das Grundgesetz zu
respektieren . Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut .
Gerade in der heutigen Zeit ist es ein als besonders wert-
voll geschätztes Gut . Ich glaube, dass wir dem gerecht
geworden sind mit den Kompromissen, die eingegangen
wurden, vor allen Dingen mit dem Kompromiss, der den
Durchbruch brachte . Wir verabschieden das Gesetz nun
mit einer Befristung auf fünf Jahre . Nach vier Jahren gibt
es eine Evaluation . Das ist eine angemessene Zeit, um
zu schauen, wie es wirkt und was wir eventuell ändern
müssen, aber auch zu demonstrieren, dass es nicht die be-
fürchteten Auswirkungen auf die Verlagslandschaft hat,
wovon ich ganz fest überzeugt bin .

Ich glaube, man kann sagen, dass wir zum Ende der
Legislaturperiode mit dieser Novellierung einen Kraftakt
geschafft haben; wir haben diskutiert bis zur letzten
Minute . Es ist ein ganz entscheidender, ein wichtiger
Schritt, ein wichtiges Signal für eine moderne Wissen-
schaftslandschaft sowie die Leistungsfähigkeit und Inno-
vationskraft unseres Landes, und das bewirkt eine hohe
Lebensqualität . Deswegen ist heute ein schöner Tag .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824404400

Vielen Dank, Frau Ministerin . – Jetzt erteile ich dem

Kollegen Kai Gehring für Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .

Dr. Petra Sitte






(A) (C)



(B) (D)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824404500

Vielen Dank . – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Auch für mich ist heute ein großartiger Tag,
nicht so sehr wegen dieses Gesetzentwurfs, sondern we-
gen der Abstimmung über die Ehe für alle .

Bis zum letzten Sitzungstag dieser Wahlperiode muss-
ten Lehrende und Lernende, Forscherinnen und Forscher
auf die Schlussberatung des Urheberrechts-Wissensge-
sellschafts-Gesetzes warten . Vor allem durch die Digi-
talisierung unserer Wissensgesellschaft hat sich hier ein
großer Modernisierungsstau gebildet, den Ihre Reform
leider nur teilweise auflöst. Seit zehn Jahren stehen die
kleinteiligen, hochkomplizierten Regelungen des Urhe-
berrechtsgesetzes für Bildung und Forschung in der Kri-
tik, und das zu Recht . Zwar wurde im Koalitionsvertrag
versprochen, eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke
einzuführen; diese Vereinbarung lösen Sie heute aber nur
maximal halbherzig ein . Was lange währte, wurde leider
nicht gut genug .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne im Bundestag setzen uns dafür ein, die
Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen . Deshalb
fordern wir seit Jahren die Einführung einer allgemeinen
Bildungs- und Wissenschaftsschranke . Damit könnten
Nutzungs- und Vergütungsregeln klar und verständlicher
gefasst werden . Das wäre der bessere Weg, um das Ur-
heberrecht für Forschung, Lehre und Lernen im digitalen
Zeitalter fit zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Leider haben Sie in den letzten Jahren all unsere Initia-
tiven für ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrechts-
gesetz abgelehnt, und das war zukunftsblind .


(Dr . Stefan Heck [CDU/CSU]: Keiner klatscht!)


– Das war zukunftsblind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit)


Anstelle einer generellen Regelung werden mit Ihrem
Gesetz einige Erlaubnistatbestände erweitert . Das ist
durchaus ein Fortschritt für Bildung und Wissenschaft,
den wir grundsätzlich unterstützen; denn diese Schran-
kenregelungen sind natürlich besser als keine .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Ihrem Ursprungsentwurf hätten wir sogar zustimmen
können . Er war kein großer Wurf, hätte aber die Basis für
einen fairen Interessenausgleich gelegt . Bei den Beratun-
gen in der Koalition hat er jedoch eine Unwucht bekom-
men, und das nicht aus fachlichen Gründen . Unionsfrak-
tionschef Kauder wollte offenbar den Börsenverein und
einige Zeitungsverlage bedienen, die vor massenhafter
Enteignung gewarnt haben, als er auf der Titelseite der
Bild-Zeitung auf den letzten Metern barsch in die Bera-
tungen des Gesetzes eingriff . Ihm und seinen Rechtspoli-

tikern ist die Beschränkung des Gesetzes auf Fachpubli-
kationen zu verdanken . Das ist für Medienanalysen zum
Beispiel in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein
Rückschritt und erschwert den Zugang von Schüler- und
Lehrerschaft zu Zeitungsartikeln für Unterricht, Haus-
aufgaben und Co . Das war unnötig, und das ist schlicht
schade .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als wäre diese Verschlechterung nicht schlimm ge-
nug, machen Sie plötzlich erneut den Kardinalfehler bis-
heriger Regelungen, die Gültigkeit des Gesetzes auf fünf
Jahre zu begrenzen . Diese Befristung produziert Rechts-
unsicherheit, und die lehnen wir klar ab .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es hätte doch wirklich gereicht, eine Evaluation der
Gesetzesfolgen vorzusehen . Ein automatisches Auslau-
fen der gesetzlichen Erlaubnisregeln ist aber ein dicker
Fauxpas .

Es ist schade, dass die Koalition sich einseitig Lob-
byinteressen beugt, statt auszutarieren . Neben Befristung
und kleineren Eingrenzungen, die Sie vorgenommen ha-
ben, haben Sie aus dem Ursprungsentwurf gestrichen,
dass 25 Prozent eines Werkes genehmigungsfrei nutzbar
sind . Nun sind es nur 15 Prozent . Ein unnötiger Rück-
schritt ohne fachlich fundierte Gründe!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Von den guten Verbesserungsvorschlägen aus der Wis-
senschaft, unter anderem aus der Anhörung des Rechts-
ausschusses, zum Beispiel zur Öffnungsklausel, haben
Sie dagegen keinen einzigen übernommen . Auch das ist
sehr schade . So haben Schulen und Hochschulen auf den
letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens das Nach-
sehen, und es bleibt ein gewisser Nachgeschmack . Das
zeigt: Man kann sich nie darauf verlassen, dass Große
Koalitionen große politische Würfe hinbekommen, selbst
dann nicht, wenn sie im Koalitionsvertrag stehen .

Ihre befristeten Erlaubnisregeln sind ein halbherziger
Zwischenschritt . Dem großen Wurf sind Sie abermals
nicht gerecht geworden . Er ist vertagt, er ist verschoben
auf die nächste Wahlperiode . In spätestens fünf Jahren
muss eine nachhaltige und langfristige Lösung in Kraft
treten . Ansonsten würden wir als Bildungsnation und als
Wissensgesellschaft zurückfallen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824404600

Vielen Dank, Herr Kollege Gehring . – Als Nächs-

tes erteile ich dem Kollegen Christian Flisek für die
SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1824404700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolle-

ginnen und Kollegen! Die Opposition zeichnet in ihren






(A) (C)



(B) (D)


bisherigen Redebeiträgen ein Bild vom Urheberrecht
in dieser Legislaturperiode, das den Tatsachen nicht
entspricht . Mit dem Urheberrechts-Wissensgesell-
schafts-Gesetz schließen wir heute eine hervorragende
Legislaturperiode für das Urheberrecht ab .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Minister hat es bereits angedeutet: Nach der Novel-
le zum Urhebervertragsrecht und der umfassenden Re-
form des Verwertungsgesellschaftengesetzes ist dies nun
die dritte große Reform in einem anspruchsvollen Feld .
Damit haben die Koalitionsfraktionen die Ziele aus dem
Koalitionsvertrag umfassend umgesetzt . Es wurde gelie-
fert . Das ist der große Unterschied zur vorangegange-
nen Legislaturperiode, in der, außer zu reden, überhaupt
nichts passiert ist .


(Beifall bei der SPD)


Wir verabschieden heute ein ausgewogenes Gesetz,
ein Gesetz, das für Rechtssicherheit an deutschen Uni-
versitäten, Schulen und Bibliotheken sorgen wird . Das
war uns als SPD-Fraktion wichtig . Im Interesse von Un-
terricht und Forschung haben wir einen erlaubnisfreien
Basiszugang geschaffen, der pauschal zu vergüten ist .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Damit gibt es eine praktikable Lösung für Universitäten
und eine angemessene Vergütung für die Rechteinhaber .
Die Zeit, in der Universitäten jahrelange Rechtsstreite
führen mussten, um zu wissen, was erlaubt ist und was
nicht, um zu erfahren, was angemessen ist und was unan-
gemessen, ist damit vorbei . Mit der Reform wird ein um-
ständliches Lizenzmanagement vermieden, und die dro-
hende Abschaltung der digitalen Semesterapparate zum
Wintersemester 2017/18 wird damit wohl verhindert .

Die SPD-Fraktion hat sich lange und ausführlich mit
den Verlagen, mit den Urhebern und Rechteinhabern,
aber eben auch mit den Vertretern der Hochschulen und
Bibliotheken auseinandergesetzt . Am Ende ging es vor
allem um einen Punkt, nämlich um die Frage, ob ange-
messene Lizenzangebote die gesetzlichen Regelungen,
die sogenannten Schranken, aushebeln können . Wir ha-
ben von Anfang an klargemacht, dass dies mit uns nicht
zu machen ist .


(Beifall bei der SPD)


Man muss sich einmal klarmachen, was ein Vorrang der
Lizenzangebote ganz allgemein bedeutet hätte . Schon ein
Lizenzangebot, also allein das Angebot, hätte dazu ge-
führt, dass ein Verlag die gesetzlichen Schrankenregelun-
gen hätte aushebeln können . Wenn wir einen Ausgleich
zwischen Verlegern auf der einen Seite und Wissenschaft
und Lehre auf der anderen Seite schaffen wollen, dann
können wir eine gesetzliche Regelung nicht zur Dispo-
sition nur einer Seite stellen . Deswegen haben wir uns
entschieden dagegen gewehrt .


(Beifall bei der SPD)


Die SPD-Fraktion hat hier eine rote Linie gezogen und
den Kern der Reform, den Vorrang der Schranke vor

vertraglichen Angeboten, durchgesetzt . Das ist unserer
klaren Linie geschuldet . So haben wir den bildungs- und
wissenschaftsfreundlichen Charakter dieses Gesetzes er-
halten können .

Meine Damen und Herren, ich möchte mich abschlie-
ßend auch im Namen der SPD-Fraktion bei all jenen,
die sich im Urheberrecht engagiert haben, für die aus-
gezeichnete Arbeit bedanken . Ich danke dem Bundesmi-
nister der Justiz und für Verbraucherschutz, Herrn Heiko
Maas, und dem zuständigen Parlamentarischen Staatsse-
kretär Christian Lange . Aber ich bitte Sie, Herr Minister,
dieses Lob auch an Ihr Referat weiterzugeben . Es war
über die weite Strecke dieser Legislaturperiode hinweg
eine sehr intensive, fachlich höchst kompetente und im-
mer konstruktive Zusammenarbeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte mich aber auch bei den Kolleginnen und
Kollegen meiner Fraktion bedanken, die über alle Fach-
bereiche hinweg Interesse am Urheberrecht hatten . Es
sei mir erlaubt, dass ich einen hervorhebe, nämlich Siggi
Ehrmann, weil er in der nächsten Legislaturperiode dem
Bundestag nicht mehr angehören wird .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Siggi, bei dir waren die urheberrechtlichen Interessen der
Kreativen und der Kulturschaffenden immer gut aufge-
hoben . Herzlichen Dank dafür!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss
meinen Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen des
Koalitionspartners richten . Trotz aller Interessengegen-
sätze haben wir immer fair zusammengearbeitet . Gerade
bei diesem letzten Thema – das muss ich als Rechtspo-
litiker sagen – gab es eine ganz besondere Nähe zu den
Bildungspolitikern in der Fraktion .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


So ist das nun einmal . Aber wir sind zu einem guten Er-
gebnis gekommen .

Herzlichen Dank und Ihnen noch eine gute Zeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824404800

Vielen Dank, Herr Kollege Flisek . – Als Nächster hat

Dr . Stefan Heck für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Stefan Heck (CDU):
Rede ID: ID1824404900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir setzen heute den Koa-
litionsvertrag um, in dem festgelegt wurde, dass wir eine
Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen wollen .
Aber ich will ganz ehrlich sagen: Ich kann die Euphorie,

Christian Flisek






(A) (C)



(B) (D)


die hier teilweise in den Wortmeldungen aus den Rei-
hen der Koalition aufkam, als Rechtspolitiker der Union
nicht so richtig teilen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


Wir haben in dieser Legislaturperiode ein ausgespro-
chen anspruchsvolles Arbeitsprogramm im Bereich des
Urheberrechts gehabt .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit den Börsen!)


Wir haben zu Beginn auf Grundlage einer europäischen
Richtlinie das Verwertungsgesellschaftengesetz neu ge-
regelt . Wir haben uns dann sehr intensiv mit dem Urhe-
bervertragsrecht beschäftigt und die Novelle gemeinsam
zum Abschluss gebracht . Es war gut, dass wir bei all
diesen Gesetzen eines immer ganz besonders im Blick
hatten: die Rechte der Urheberinnen und Urheber und der
Rechteinhaber, die dafür sorgen, dass das geistige Eigen-
tum, über das wir sprechen, überhaupt erst entsteht . Uns
als Union war dabei immer wichtig, dass wir die grundle-
genden Regeln und Überzeugungen, die wir im analogen
Zusammenleben haben, auf das Digitale zu übertragen
versuchen . Das gilt für viele Rechtsbereiche; das gilt für
die Innenpolitik, und das gilt ganz besonders auch für die
Rechtspolitik . Da ist es eben so, dass ein Ausgleich der
Interessen, von dem gesprochen worden ist, im Regelfall
dadurch stattfindet, dass eine Seite für die Leistungen der
anderen Seite Geld bezahlt .


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das wird auch in Zukunft so sein!)


Es ist schade, dass wir diesen Weg heute ein Stück
weit verlassen . Wir haben Schranken im Urheberrecht,
und sie haben ihre gute Berechtigung . Ja, es geht um die
Wissenschaftsfreiheit, die im Grundgesetz zu Recht ei-
nen besonderen Schutz erfährt; aber es geht eben auch
um die Eigentumsfreiheit aus Artikel 14 des Grundge-
setzes . Wir wissen, dass im Urheberrecht immer auch in
besonderer Weise das Persönlichkeitsrecht der Urhebe-
rinnen und Urheber eine Rolle spielt . Ich glaube, dass
in diesem besonderen Spannungsfeld der Grundrechte
für uns als Gesetzgeber besondere Vorsicht geboten sein
sollte .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will zu dem Gesetz, das wir heute beschließen,
vier kurze Anmerkungen machen .

Erster Punkt . Als wir im Dezember 2013 den Koa-
litionsvertrag beschlossen haben, war nicht absehbar,
welche dramatische Veränderung sich für viele Verlage
ergeben würde . Die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs zum Fall Reprobel und die Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs, bekannt geworden unter
dem Schlagwort „Vogel-Urteil“, hätten wir damals nicht
kommen sehen können . Ich muss Ihnen sagen: Ich bin
unsicher, ob wir, wenn wir das geahnt hätten, diese Ver-
abredung so getroffen hätten . Wir haben die Situation,
dass gerade kleine und mittelständische Verlage durch
die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die ich gar
nicht kritisieren möchte, in eine teilweise existenzbedro-

hende Situation gekommen sind . Aber es hätte niemals
ein Deutscher Bundestag sehenden Auges eine Regelung
beschlossen, die zu dieser Situation führen würde . Des-
wegen waren wir, glaube ich, gut beraten, zunächst auf
nationaler Ebene sehr viel dafür zu tun, hier Abhilfe zu
schaffen . Wir warten jetzt darauf, dass die endgültige
Regelung auf europäischer Ebene getroffen wird . Es war
uns schon ein wichtiges Anliegen, dass wir das hinkrie-
gen . Herr Minister, hier mussten Sie zum Jagen getra-
gen werden . Wir hätten uns gewünscht, das Ganze wäre
schon sehr viel eher geschehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Johannes Fechner [SPD]: Na ja! Das war schon euer Dauerberatungsbedarf, der das so verzögert hat! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Herr Kauder war ein größeres Problem! Herr Kauder war mal wieder die große Bremse!)


Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist
der Vorrang von vertraglichen Vereinbarungen . Es ist
hier mehrmals angesprochen worden: Dass vertragliche
Vereinbarungen Vorrang haben vor freiem Zugang zu
Leistungen, ist ein Element, das wir in keinem anderen
Rechtsgebiet überhaupt diskutieren würden . Wir hätten
uns sehr gewünscht, dass wir dieses Instrument im Urhe-
berrecht weiterhin nutzen . Es ist schade, dass es uns am
Ende nicht gelungen ist, dies aufzunehmen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die dritte Anmerkung . Wir haben gerade im Bereich
der Wissenschaft unglaublich viel an Digitalisierung
erlebt und sind erstaunt, was alles möglich ist . Was ich
nicht begreife, ist, dass es uns nicht gelingt, ein funk-
tionierendes System der Einzelabrechnung für urheber-
rechtlich geschützte Werke zu etablieren . Da haben wir
als Gesetzgeber möglicherweise nicht genug getan, aber
vor allem sind da die Hochschulen und die Verlage in
der Pflicht. Deswegen ist es uns ein wichtiges Anliegen,
innerhalb der nächsten Jahre eine rechtssichere Onlineli-
zenzierungsplattform zu schaffen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine letzte Anmerkung, wenn Sie mir das erlauben .
Wir haben sehr lange mit diesem Gesetz gerungen; das
ist ein offenes Geheimnis . Es gab auch in unserer Frak-
tion unterschiedliche Herangehensweisen und Ansätze .
Für uns war am Ende Bedingung für die Zustimmung,
dass wir dieses Gesetz befristen . Wir glauben, dass es
nicht der Weisheit letzter Schluss ist . Ich glaube, wir
sollten die fünf Jahre als Zeitraum des Übergangs nutzen
und gemeinsam daran arbeiten, dass wir insbesondere ein
funktionierendes Lizensierungssystem hinbekommen .

Ich hoffe, dass wir, wenn wir das nächste Mal im Deut-
schen Bundestag über dieses Thema beraten, Mehrheiten
finden, die das geistige Eigentum wieder höher schätzen,
als wir es heute tun .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Stefan Heck






(A) (C)



(B) (D)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824405000

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr . Heck . – Als Nächs-

tes erteile ich Frau Marianne Schieder für die SPD-Frak-
tion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1824405100

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Diese Woche ist eine gute Woche für Bildung, Wis-
senschaft, Forschung, Hochschulen und Bibliotheken
und auch für uns Bildungspolitikerinnen und Bildungs-
politiker .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit den neuen Schrankenregelungen im Urheberrecht
werden die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben neu und
übersichtlich geordnet und wird das Gesetz zeitgemäß
gestaltet .

Herr Kollege Heck, da Sie sagten, der Herr Minister
musste zum Jagen getragen werden, darf ich, um im Bild
zu bleiben, entgegnen: Mit uns ist er zum Schießen ge-
kommen . Bei Ihnen hätte er nicht einmal ein Gewehr be-
kommen, und dann wäre gar nichts zustande gekommen .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und getroffen hat er natürlich auch .

Ich will mich den Punkten zuwenden, die mir als Bil-
dungspolitikerin besonders wichtig erscheinen . Das ist
zum einen die Vereinfachung . Es war doch bislang oft
sehr schwierig, wenn man im Unterricht einen Bildaus-
schnitt oder etwas anderes verwenden wollte, festzustel-
len, was man verwenden darf und was nicht . Jetzt ist auf
einen Blick und auch ohne Jurastudium klar, was man
darf und was man nicht darf .

Ich möchte auch die digitalen Semesterapparate an-
sprechen . Es war doch wirklich dramatisch, als die Hoch-
schulen im letzten Herbst gedroht haben, diese Apparate
abzuschalten . Nur durch ein Moratorium konnte dies in
letzter Sekunde verhindert werden . Ich bin wirklich froh,
dass wir mit diesem Gesetz, mit dieser Reform erreichen,
dass die Semesterapparate weiter betrieben werden kön-
nen und dass generell eine zeitgemäße Arbeit im Wissen-
schaftssystem sichergestellt wird .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Tankred Schipanski [CDU/CSU])


Als Drittes möchte ich darauf hinweisen, dass wir
endlich eine Grundlage für eine legale Nutzung haben
werden . Es ist doch kein Geheimnis, dass ein viel zu
großer Teil urheberrechtlich geschützter Werke über Pi-
raterie zu den Nutzerinnen und Nutzern gekommen ist .
Die allermeisten von ihnen wollten doch gar nicht gegen
das Urheberrecht verstoßen . Aber ein wirklich kompli-
ziertes und unübersichtliches Gesetz hat es ihnen schwer
gemacht, das Urheberrecht einhalten zu können . Damit
ist Schluss . Alle wissen künftig, wie geistiges Eigentum
zu schützen, zu nutzen und auch zu achten ist . Mit die-

sem Gesetz geben wir einen Weg für eine einfache, legale
und angemessen vergütete digitale Nutzung von wissen-
schaftlicher Literatur vor .

Auch ich möchte herzlich Danke sagen, und zwar an
Herrn Kollegen Schipanski und die Rechtspolitikerinnen
und Rechtspolitiker der SPD-Fraktion – die Union kann
ich leider nicht einschließen –, allen voran Eva Högl und
Christian Flisek, sowie natürlich auch an das BMJV .
Danke für die gute Zusammenarbeit und die bis zur letz-
ten Minute engagierte Arbeit am Gesetz! Ich meine, die
Mühe hat sich gelohnt . Man kann heute wirklich sagen:
Was lange währt, wird endlich gut .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824405200

Vielen Dank, Frau Kollegin Schieder . – Nunmehr hat

der Kollege Michael Kretschmer für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1824405300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das

Urheberrecht regelt eine wirklich schwierige Materie:
den Anspruch von Verlagen, von Autoren auf ihr geis-
tiges Eigentum und auf der anderen Seite die Frage, wie
die Wissenschaft, wie andere Nutzer das Werk verwen-
den können . Mit dem Versprechen, eine Bildungs- und
Wissenschaftsschranke einzuführen, um dieses Thema
grundlegend zu regeln, haben wir uns ein wichtiges, aber
eben auch schwieriges Thema vorgenommen .

Ich bin sehr froh – mit mir die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion, im Besonderen natürlich die Wissenschaftspo-
litiker, aber eben auch die gesamte Wissenschafts- und
Hochschullandschaft in Deutschland –, dass uns dieses
Mammutwerk gelungen ist, meine Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn wir finden mit diesem Gesetz einen wirklich fairen
Ausgleich – der nicht einfach ist, der im Übrigen ange-
sichts der schwierigen Lage nur von einem Parlament
zu erreichen ist – zwischen den Interessen der Verleger,
der Autoren und der Nutzer . Die erlaubnisfreie Nutzung
urheberrechtlich geschützter Werke für die akademi-
sche Lehre in dieser Art und Weise, das heißt mit einer
pauschalen Vergütung, ermöglicht den einfachen und
unkomplizierten Einsatz der wissenschaftlichen Lehrbü-
cher im digitalen Zeitalter .

Wir haben an der Universität Osnabrück einen Ver-
such gemacht, um der Frage nachzugehen, ob nicht auch
eine Einzelerfassung der Nutzungen eine mögliche Vari-
ante ist . Aber jeder, der sich vorstellt, dass in einer Bib-
liothek Tausende Bücher sind, für die es wirklich in je-
dem einzelnen Fall eine eigene Regelung bräuchte, wird
nachvollziehen können, dass eine Einzelvergütung zu
komplex, zu bürokratisch wäre und am Ende Aufwand
und Kosten in keinem Verhältnis zu dem stünden, was






(A) (C)



(B) (D)


als Umsatz generiert würde . Deswegen ist es richtig, dass
wir in Zukunft eine Pauschalvergütung haben werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es bleibt die Aufgabe, dass sich auch die Verlage gera-
de im Bereich der Wissenschaft auf das digitale Zeitalter
einstellen . Wir machen mit diesem Urheberrecht tatsäch-
lich ein echtes Angebot . Wir schaffen ein Urheberrecht,
das die Erfordernisse der Digitalisierung berücksichtigt .
Jetzt liegt es an den Verlagen – nicht an den Hochschulen
oder den Schulen – entsprechende Angebote zu machen
und die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen . Es wird
sich zeigen, ob ihnen das gelingt, was im Bereich der
Musik- und Filmindustrie sehr lange gedauert hat – man
könnte auch sagen: zu lange –, am Ende aber tatsächlich
zu praktikablen und auch akzeptierten Konzepten geführt
hat, die heute von uns allen genutzt werden . Das brauchen
wir auch im Bereich der Wissenschaft . Es wäre natürlich
eine große Chance, in einem Land mit 80 Millionen Ein-
wohnern, in der Wissenschaftsnation in Europa – wer ist
stärker als der Wissenschaftsstandort Deutschland? – ein
solches Modell aufzusetzen und es zum Standard für Eu-
ropa und darüber hinaus zu machen . Das könnte ein ech-
ter Wettbewerbsvorteil sein . Man kann nur hoffen, dass
sich die Verlagsbranche zusammenfindet und ein solches
System aufsetzt, meine Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen die digitale Nutzung, wir wollen die faire
Vergütung, und wir möchten, dass auch im Bereich der
Schulen und der Lehre eine breite Nutzung von Zeitun-
gen und Zeitschriften, übrigens auch von Tageszeitungen
stattfindet. Es ist wichtig für unsere Demokratie, dass
sich junge Leute mit ihr auseinandersetzen, dass sie einen
guten Zugang zu Informationen bekommen und eine täg-
liche Berührung haben – nicht nur mit sozialen Netzwer-
ken, sondern mit wirklich hochwertigen journalistischen
Produkten . Deswegen kann man nur hoffen, dass auch in
diesem Bereich sich etwas bewegt .

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung hat
mit dem Digitalpakt, der jetzt mit den Ländern ausver-
handelt ist, ein Angebot gemacht .


(René Röspel [SPD]: Wo ist das Geld?)


Wir werden hier in der nächsten Legislaturperiode – zu-
mindest wird die CDU/CSU dafür kämpfen – einen deut-
lichen Schritt nach vorn machen und über 5 Milliarden
Euro in die Ausstattung von Schulen, von Berufsschulen
mit digitalen Medien investieren, die die Grundlage dafür
sind, dass das, was wir in diesem Gesetz regeln, am Ende
in der Praxis, in den Schulen ankommt . Ich hoffe, meine
Damen und Herren, dass uns das am Ende gelingen wird .


(Beifall bei der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Das ist wie den Kindern Geschenke versprechen, auch wenn ich kein Geld habe!)


Ob es gelingen wird, ob es eine Bildungscloud geben
wird, ob wir diese ganzen Dinge wirklich in den Schulen

einsetzen, hat auch etwas mit politischen Mehrheiten zu
tun . Unsere Position dazu ist klar .


(Marianne Schieder [SPD]: Hat Herr Heck deutlich gemacht!)


Mit dem heute vorliegenden Urheberrechts-Wissensge-
sellschafts-Gesetz leisten wir einen ganz wichtigen Bei-
trag und schaffen die Voraussetzung dafür, dass diese
Dinge am Ende möglich sind .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824405400

Herzlichen Dank, Herr Kollege Kretschmer . – Ich

schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Anglei-
chung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse
der Wissensgesellschaft .

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/13014, den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung auf Drucksachen 18/12329 und 18/12378 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen
gegen die Stimmen der Linken und bei Enthaltung der
Grünen angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie soeben
angenommen .

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/13014 empfiehlt der Ausschuss, eine Ent-
schließung anzunehmen .


(Unruhe)


– Wir sind noch nicht am Ende der Abstimmung . – Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenpro-
be! – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der
Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition
angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/13022 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Regie-
rungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und bei
Enthaltung der Grünen abgelehnt .

Zusatzpunkt 13 b . Wir setzen die Abstimmung zu der
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und
Verbraucherschutz auf Drucksache 18/13014 fort . Der
Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die

Michael Kretschmer






(A) (C)



(B) (D)


Linke auf Drucksache 18/5405 mit dem Titel „Verleih-
barkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in
Öffentlichen Bibliotheken sicherstellen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthal-
tungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken
und bei Enthaltung der Grünen angenommen .

Ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Modernisierung der Netzentgeltstruk-
tur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz)


Drucksache 18/11528

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/12999

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Johann Saathoff für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1824405500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Mit dem Beschluss über die Ehe für alle
haben wir heute Morgen schon etwas für die Gerechtig-
keit in Deutschland getan . Mit dem Netzentgeltmoder-
nisierungsgesetz, das wir jetzt gleich beschließen wol-
len, wollen wir ebenfalls etwas für die Gerechtigkeit in
Deutschland tun . Darin geht es nämlich um die Gerech-
tigkeit bei der Energiewende . Gestern haben wir mit dem
Mieterstromgesetz auch schon etwas für die Gerechtig-
keit in der Energiewende getan . Irgendwie scheint das
Thema Gerechtigkeit Thema der Woche zu sein .


(Beifall bei der SPD)


Bezogen auf das NEMoG müsste man dann nämlich
sagen: Gleiche Übertragungsnetzentgelte für alle! Wenn
es um die Kosten des Baus und um den Betrieb von
Stromleitungen geht, muss man vor allem zwischen zwei
verschiedenen Ebenen unterscheiden . Zum einen gibt es
das Verteilnetz, an das jeder zu Hause angeschlossen ist;
zum anderen gibt es das Übertragungsnetz, das Strom in
großen Mengen zwischen den Regionen in Deutschland
transportiert, in Zukunft vor allem grünen Strom aus dem
Norden Deutschlands, der in die Lastzentren im Süden
und Westen Deutschlands transportiert werden muss .
Beim Übertragungsnetz geht es also um deutschland-
weite Interessen . Die Kosten fallen bislang aber in den
vier Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber in unter-
schiedlicher Höhe an . Die Netzentgelte auf dieser Ebene
sind also nicht gleich verteilt . Das wollen wir nun ändern .

Mit der bundesweiten Angleichung werden wir diese
Übertragungsnetzentgelte schrittweise angleichen . Alle

werden am Ende das Gleiche zahlen, egal ob in Emden
oder Freiburg, in Chemnitz oder in Kassel .

Die Netzentgelte auf Übertragungsebene sind vor al-
lem für industrielle Großverbraucher bedeutsam . Hier
schlagen die zum Teil erheblichen Erhöhungen der Über-
tragungsnetzbetreiber dieses Jahr voll durch . Auch die
Klagen der letzten Monate über die Standortnachteile
aufgrund hoher Netzentgelte, gerade in den neuen Bun-
desländern, kann ich ein Stück weit nachvollziehen . Des-
halb hatte sich auch der Bundesrat für eine Vereinheit-
lichung ausgesprochen, und das, liebe Kolleginnen und
Kollegen, setzen wir jetzt um .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Mark Hauptmann [CDU/CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der übernächsten Wahlperiode!)


Man muss aber sagen, lieber Kollege Olli Krischer:
Wenn es um die Modernisierung der Netzentgeltstruktur
geht, ist dieses Gesetz bestenfalls ein Reförmchen . Eine
umfassende Reform der Netzentgeltsystematik, die mit
Maßnahmen zur Sektorkopplung einhergeht und auch
die Finanzierung der Energiewende insgesamt behandelt,
muss sehr gut vorbereitet sein . Wir arbeiten schon daran,
und ich bin mir sicher: In der nächsten Legislaturperiode
werden wir hier zu einer umfassenden Reform kommen,
ja sogar zu einer umfassenden Reform kommen müssen .

Heute wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf einen weiteren Punkt regeln . Dieser betrifft die
vermiedenen Netzentgelte; zugegebenermaßen ein Fein-
schmeckerthema in der energiepolitischen Debatte . Die
vermiedenen Netzentgelte sind im Grunde eine Vergü-
tung für dezentrale Erzeuger, die Netzausbau auf höhe-
ren Spannungsebenen durch ihre Erzeugung von Energie
vermeiden . Diese vermiedenen Netzentgelte sind in den
vergangenen Jahren stark gestiegen . Ob das in diesem
Maß gerechtfertigt war, darüber kann man diskutieren .
Auf jeden Fall war ein Anstieg in der Höhe selbst für
Investoren nicht zu erwarten .

Bei den vermiedenen Netzentgelten sind wir den Vor-
schlägen des Bundeswirtschaftsministeriums nur teilwei-
se gefolgt . Vor allem das Abschmelzen der vermiedenen
Netzentgelte sehen wir kritisch . Mit der KWKG-Novelle
haben wir den Betreibern der Anlagen Planungssicherheit
gegeben . Wir haben das getan, weil wir die KWK-Anla-
gen zur Erreichung unserer Klimaziele brauchen . Wenn
wir den Betreibern die vermiedenen Netzentgelte gestri-
chen hätten, hätten wir der KWK wieder den Boden unter
den Füßen weggezogen . Wir brauchen mit dem Voran-
schreiten der Energiewende aber auch die steuerbaren
Anlagen; denn diese müssen die Residuallast und andere
wichtige Aufgaben erbringen . Weil das so ist, schmelzen
wir die vermiedenen Netznutzungsentgelte nicht ab und
geben den Betreibern, vornehmlich den Kommunen, da-
mit die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit,
die sie brauchen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Man kann das auch mit kleinen Gaskraftwerken ma-
chen, die man den Übertragungsnetzbetreibern an die

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


Hand gibt, aber ehrlich gesagt, bin ich von diesem In-
strument nicht wirklich überzeugt . Es ist ein Kompro-
miss, so wie wir in dieser Periode eine ganze Reihe von
Kompromissen schließen mussten, die uns nicht wirklich
geschmeckt haben .

Ich möchte zum Abschluss dieser Periode noch einen
Ausblick wagen . Die Reform der Netzentgeltsystematik
in Kombination mit der Sektorkopplung habe ich bereits
angesprochen . Aber da wir wissen, dass der Netzausbau
nicht hinterherkommt, müssen wir auch über Maßnah-
men sprechen, die uns in den nächsten zehn Jahren Ent-
lastungspotenziale im Netz bieten . Als ich gehört habe,
wie hoch der durchschnittliche Auslastungsgrad der
Stromnetze in Deutschland ist, habe ich erst einmal ge-
schluckt: Es sind 27 Prozent . Es geht in Zukunft also auch
um innovative Maßnahmen beim Netzbetrieb, durch die
der geplante Netzausbau keinesfalls infrage gestellt wer-
den soll, die aber alles in allem höhere Übertragungsraten
liefern sollen – um eine Anleihe aus dem digitalen Jargon
zu bemühen .

Es gibt eine ganze Reihe vielversprechender Ansätze .
Diese wollen wir uns in den nächsten Monaten genauer
anschauen, auf ihr Potenzial prüfen und gegebenenfalls
schnellstmöglich umsetzen; denn das günstigste Netz
ist das, das nicht gebaut werden muss, das optimiert be-
trieben wird . In der Energiepolitik wird uns also in den
nächsten Jahren sicher nicht langweilig werden .

Ich möchte mich abschließend herzlich bedanken bei
meinen Kollegen Berichterstattern, speziell auch bei
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMWi . Herr
Staatssekretär, nehmen Sie den Dank bitte mit an die
Kolleginnen und Kollegen . Ich hätte nie gedacht, dass
ich in meinem Leben einmal so vielen Ministerialbeam-
ten das Wochenende vermiese bzw. schlaflose Nächte
bereite . Schöne Grüße an die Kolleginnen und Kollegen .

Ich möchte meine Rede auf Plattdeutsch beenden:
Besten Dank för’t tauhörn un leckerst un best för’t tau-
kunft! Moin!


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824405600

Vielen Dank, Herr Kollege Saathoff . Nun erteile ich

das Wort dem Kollegen Ralph Lenkert für die Fraktion
Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824405700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Die Strompreise für Haushalte, Handwer-
ker sowie kleine und mittlere Unternehmen steigen mas-
siv an . Gerade im Norden und Osten der Republik sind
inzwischen die Netzentgelte, die Sie, liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer, zahlen, die Haupttreiber des Strompreises .
Während die Netzentgelte in Düsseldorf bei 4 Cent je
Kilowattstunde liegen, liegen sie in Teilen Brandenburgs
schon bei 11 Cent . Die Lage ist absurd: In Brandenburg,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, also dort, wo viel
Strom produziert wird, ist er teurer als in Bayern, wo er
aufwendig hintransportiert wird . Ein Stahlwerk in Thü-
ringen zahlte 2016 900 000 Euro mehr Stromkosten als

ein vergleichbares Werk im Ruhrgebiet . Stromintensive
Unternehmen siedeln sich dort an, wo der Strom billig
ist . In der Folge wird mehr Stromtransport benötigt, wer-
den Netze weiter ausgebaut und steigen die Netzentgelte
weiter . Wir sind aber ein Land, haben einen Börsenstrom-
preis und sind alle auf ein funktionierendes Stromsystem
angewiesen .


(Beifall bei der LINKEN)


Das Stückwerk des Koalitionskompromisses, „Netz-
entgeltmodernisierungsgesetz“ genannt, ermöglicht es
jetzt wenigstens, dass die Kosten des Übertragungsnetzes
zwischen den Regionen ausgeglichen werden – bis 2023 .


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Also sinnvoll!)


– Na ja, ein Anfang, aber die große Differenz bei den
Verteilnetzen bleibt . Darum fordert die Linke komplett
einheitliche Netzentgelte für alle Kunden .


(Beifall bei der LINKEN – Johann Saathoff [SPD]: Darüber würde ich aus ostdeutscher Sicht noch einmal nachdenken!)


Ein Beispiel: Eine große bayerische Autofirma kauft
billigsten Strom beim Kraftwerk Hamburg-Moorburg
ein . Das Kraftwerk speist 10 Millionen Kilowattstunden
ins Netz ein . Die bekommt es bezahlt, logisch . In Bay-
ern kommen wegen der Transportverluste von 2 Prozent
auf 100 Kilometern nur 8 Millionen Kilowattstunden an .
Die Autofirma zahlt nur diese 8 Millionen, logisch. Die
2 Millionen Kilowattstunden Netzverluste zahlen Sie, die
Verbraucherinnen und Verbraucher . Das ist doch absurd!


(Beifall bei der LINKEN)


Dass Spekulanten und Stromhändler die Netze mitbe-
zahlen, hätte in den Gesetzentwurf geschrieben werden
müssen . Liebe Bürgerinnen und Bürger, genau diese Bör-
senstromhändler, Kraftwerkskonzerne und Großkunden
fordern für eigene Profite einen maximalen Netzausbau;
denn sie müssen den ja nicht bezahlen . Die für diese Pro-
fite geplanten Starkstromtrassen UltraLink, SuedLink
und SuedOstLink lehnt die Linke ab .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Also lehnen Sie die Energiewende ab?)


Dass Alternativen technisch möglich und sogar bil-
liger sind, hat die Studie „Dezentralität und zellulare
Optimierung – Auswirkungen auf den Netzausbau“ der
Stadtwerke Nürnberg, der Friedrich-Alexander-Univer-
sität Nürnberg und der Prognos AG belegt .


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Keine Energiewende mit den Linken!)


Aber Sie von CDU/CSU und SPD und auch die Grünen
hören ja lieber auf die Übertragungsnetzbetreiber . Sie hö-
ren lieber das Märchen, die Energiewende sei vom Netz-
ausbau abhängig .


(Lachen der Abg . Mark Hauptmann [CDU/ CSU] und Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kordula Schulz Johann Saathoff Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil ist richtig!)





(A) (C)


(B) (D)


Netzbetreiber erhalten 7 Prozent garantierte Rendite
auf investiertes Kapital – bei null Risiko . Da baut doch
jeder Kapitalist so viele Stromtrassen wie möglich . Lie-
be Koalition, behaupten Sie lieber nicht, dass die Bun-
desnetzagentur, BNetzA, die Angaben der Netzbetrei-
ber ernsthaft kontrolliert; denn alle Bundesregierungen
haben der BNetzA eigene Berechnungsprogramme zum
Stromnetz verweigert . Die BNetzA rechnet mit der Soft-
ware nach, die die Netzbetreiber freundlicherweise zur
Verfügung stellen . Ein Schelm, der Arges dabei denkt!


(Beifall bei der LINKEN)


Darüber hinaus fehlen der BNetzA wichtige Infor-
mationen zum Stromsystem . 2014 fragte ich Bundes-
netzagentur und Bundesregierung nach dem Alter der
Starkstromtrassen in Deutschland . Antwort: Das wissen
wir nicht . Vorletzte Woche fragte ich die Bundesnetz-
agentur, wie viele schwarzstartfähige Kraftwerke es in
Deutschland gibt . Das sind spezielle, meist Gas- oder
Pumpspeicherkraftwerke, die auch nach einem komplet-
ten Stromausfall, einem Blackout, noch Strom liefern
können . Für mich als Techniker war die Antwort scho-
ckierend . Die Bundesnetzagentur wusste nicht einmal,
dass das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands,
Goldisthal in Thüringen, schwarzstartfähig ist, also bei
einem Blackout Strom liefern kann .

Klartext: Eine Behörde, die weder das Alter der
Stromtrassen noch den Kraftwerkspark in Deutschland
kennt und kein unabhängiges Rechenprogramm besitzt,
kann die Berechnungen der Netzbetreiber gar nicht nach-
vollziehen .

Wenn dieser Gesetzentwurf heute mit Koalitionsmehr-
heit beschlossen wird, werden diese drängenden Fragen
und vor allem eine faire Kostenverteilung der Netze
weiterhin nicht gelöst . Die Linke lehnt daher UltraLink,
SuedLink, SuedOstLink und diesen verkorksten Entwurf
eines Netzentgeltmodernisierungsgesetzes ab .


(Beifall bei der LINKEN – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Sie lehnen die Energiewende ab!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824405800

Danke, Herr Kollege Lenkert . – Nun spricht der Kol-

lege Dr . Matthias Heider für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Matthias Heider (CDU):
Rede ID: ID1824405900

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen und Herren! Herr Lenkert, wenn
man einmal in Betracht zieht, dass es gerade einmal fünf
Höchstspannungsleitungen zwischen den neuen und den
alten Bundesländern gibt, von denen sich eine in Bayern
befindet, dann kann ich mich dem Verständnis der Ener-
giewende, das Sie gerade präsentiert haben, nicht so ganz
anschließen .

In der Tat beschließen wir hier heute aber ein Gesetz,
das mit der heißen Nadel gestrickt ist . Das liegt nicht nur

daran, dass wir in der Phase kurz vor Ende der Legisla-
turperiode stehen .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Es gibt 23 Gigawatt Übertragungsleistung zwischen Nord und Süd!)


Es ist aber trotzdem wichtig, dass wir uns am letzten re-
gulären Sitzungstag mit dem wichtigen Thema der Netz-
entgelte beschäftigen . Das liegt daran, dass hier in der Tat
einiges aus dem Ruder gelaufen ist und dass kein Han-
deln seitens des Gesetzgebers eine fahrlässige Vernach-
lässigung unserer Pflichten für das gesamte Bundesgebiet
wäre . Vom französischen Rechtsgelehrten Montesquieu
stammt allerdings die Erkenntnis:

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen,
dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen .

Das hätte uns hier nicht weitergeholfen, sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen, wenngleich aus der Perspek-
tive der Industrien, einiger Bundesländer und auch vieler
kommunaler Unternehmen kein Gesetz weniger Erlös-
verlust und damit weniger finanzielle Einbuße bedeutet
hätte .

Wir haben uns aber im Koalitionsvertrag gemein-
sam – ich zitiere – dazu bekannt:

Die Koalition wird das System der Netzentgelte auf
eine faire Lastenverteilung bei der Finanzierung der
Netzinfrastruktur überprüfen .

Meine Damen und Herren, was bedeutet „überprüfen“?
Der Preis der Energiewende erschließt sich nur durch ei-
nen intensiven Blick auf Ihre Stromabrechnung . 55 Pro-
zent der Umlagen, Abgaben und Steuern sind darin ver-
zeichnet, und die staatlich geregelten Netzentgelte im
System der Anreizregulierung kommen noch dazu .

Die Netzentgelte machen einen durchschnittlichen
Anteil an der Stromrechnung von bis zu 25 Prozent aus .
Schon für uns Verbraucher ist das eine ordentliche Sum-
me . Für die energieintensiven Unternehmen aber stellt
das eine erhebliche Belastung dar .

Werfen wir der Vollständigkeit wegen einmal einen
Blick auf die regionalen Unterschiede, die Sie alle im
Hinblick auf die Netzentgelte gerade angesprochen ha-
ben . Derzeit betragen Netzentgelte im Westen Deutsch-
lands 63 Euro pro transportierter Kilowattstunde im Jahr .
Im Nordosten Deutschlands sind es bis zu 122 Euro . Die
Gründe dafür sind sehr verschieden . Das hängt zum ei-
nen mit der geringen Bevölkerungs- und Industriedichte
in diesen Regionen zusammen . Ins Gewicht fällt zum an-
deren aber auch der in Nord- und Ostdeutschland über-
proportional starke Ausbau der erneuerbaren Energien .

Speziell in Ostdeutschland ist auch die Investitions-
historie eine andere als im Rest des Bundesgebietes .
Vielfach sind Investitionen in die Netze nach der Wende
zeitlich geschoben worden, wofür es technische, politi-
sche und eine ganze Anzahl anderer guter Gründe geben
mochte .

Fakt ist, dass es nur fünf Höchstspannungsleitungen
gibt, Herr Lenkert . Vielleicht wären wir bei der Energie-

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


wende schon einen Schritt weiter, wenn wir etwas eher
angefangen hätten, uns damit zu beschäftigen .

Das alles führt jetzt zu Handlungsbedarf bei den Netz-
nutzungsentgelten, meine Damen und Herren . Ich sage
Ihnen aber: Mit einem kräftigen Ruck am Tischtuch,
um die Entgelte bundesweit zu glätten, würde man der
Sachentscheidung auch nicht gerecht werden . Denn bei
einem solchen Ruck würden eine ganze Menge Dinge
vom Tisch fallen . Deshalb ist eher vorsichtiges Ziehen
mit Augenmaß geboten .

Von einer grundsätzlich unfairen Lastenverteilung –
ob jetzt zwischen Nord und Süd, Ost und West – kann
man nach meiner Auffassung eh nicht sprechen . Dazu
lohnt auch ein Blick auf die EEG-Umlage . Was sie an-
betrifft, gibt es ebenso bevorteilte wie benachteiligte
Regionen . So zahlte zum Beispiel Nordrhein-Westfalen
2014 mit Verbrauchern und Unternehmen 3,1 Milliarden
Euro in die EEG-Umlage . Zum Vergleich: Nach Schles-
wig-Holstein flossen in diesem Zeitraum netto 675 Mil-
lionen Euro aus der EEG-Umlage . Unterschiedliche
Netzausbaukosten können insoweit zumindest teilweise
gegenläufig und damit kostenglättend wirken. Es kommt
auf einen Gesamtblick auf diese Belastungen an .

Während wir bei der EEG-Umlage eine besondere
Ausgleichsregelung – einen Schutzmechanismus – für
energieintensive Unternehmen haben, fehlt dieser Me-
chanismus bei den Netzentgelten . Darin liegt das Pro-
blem, und ich mache das noch einmal an dem Stahlwerk
in Salzgitter und an dem Stahlwerk in Duisburg deutlich:
Dem einen Stahlwerk ist ein geringeres Netzentgelt als
dem anderen Stahlwerk zu zahlen . Bei der EEG-Umlage
stehen beide als energieintensive Unternehmen dagegen
gleich .

Im Koalitionsvertrag steht nicht nur die Überschrift
„Die Energiewende zum Erfolg führen“, sondern auch
die Überschrift „Deutschlands Wirtschaft stärken“ . Auch
daran müssen wir denken, und deshalb darf ein Arbeits-
platz im Osten oder im Norden nicht unsicherer sein, nur
weil dort der Strom teurer ist . Als Nordrhein-Westfale
kann ich durchaus verstehen, dass es ein Interesse daran
gibt, aber im Westen des Landes sagen wir: Die Beseiti-
gung der Wettbewerbsnachteile in anderen Regionen darf
nicht dazu führen, dass sie in wiederum anderen Regio-
nen erwachsen .


(Beifall des Abg . René Röspel [SPD])


Das gehört auch dazu . Deshalb sind wir mit den Maß-
nahmen, auf die wir uns verständigt haben, zwar nicht
glücklich, aber zufrieden .

Wir gleichen die Netzentgelte jetzt in einem Zeitraum
von fünf Jahren schrittweise an, sodass 2023 ein einheitli-
ches Niveau erreicht wird . Wir verschieben die Offshore-
anbindungskosten in die Haftungsumlage . 1,3 Milliarden
Euro werden zukünftig über eine gesonderte Umlage ge-
wälzt, und die energieintensive Industrie wird entlastet .
Das ist ein gutes Ergebnis, und letztendlich gibt es noch
eine Auffangregelung für den Fall, dass wir mit dieser
ganzen Nummer beihilferechtlich Schiffbruch erleiden;
denn das steht in Brüssel noch zur Debatte .

Wir haben einen Kompromiss gefunden, aber trotz-
dem werden wir uns in den nächsten Jahren – das hat der
Kollege Saathoff richtig eingekreist – generell über die
Netzentgeltsystematik, über die Systematik der Steuern,
Abgaben und Umlagen im Rahmen der Energiewende
Gedanken machen müssen .

Lassen Sie mich noch etwas zu den vermiedenen
Netzentgelten sagen: Das ist in der Tat ein Feinschme-
ckerthema, und jeder, dem man versucht das in drei Mi-
nuten an der Straßenecke zu erklären, steigt schon nach
einer Minute aus . Ich glaube aber, das Thema ist wichtig
für unsere kommunalen Unternehmen und die Investiti-
onen, die sie deutschlandweit in KWK-Anlagen getätigt
haben; das ist schützenswert .

Wir haben als Basisjahr das Jahr 2016 gewählt . Das
lässt die Erlösverluste an dieser Stelle geringer ausfallen .
Nach einem ersten Blick auf das, was die kommunalen
Anlagenbetreiber zurückgemeldet haben, kann man sa-
gen: Der Unterschied gegenüber dem Jahr 2015 wird un-
gefähr bei 25 Prozent liegen . Das ist ein ausgesprochen
gutes Ergebnis, und das können wir auch unseren kom-
munalen Mandatsträgern an dieser Stelle weiterreichen .


(Beifall des Abg . Bernhard Kaster [CDU/ CSU])


Das ist ein Erfolg vor allen Dingen auch aufgrund des
Vorschlags vonseiten der Union . Ich bin zufrieden, dass
wir uns zusammen darauf verständigt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich fasse die anderen Punkt einmal kurz zusam-
men: Wir werden uns künftig noch einmal über das
Einspeisemanagement, über die Verringerung der Re-
dispatch-Maßnahmen, über das wettbewerbliche Markt-
design unterhalten müssen, wir müssen die Energiefor-
schung voranbringen . Vor allen Dingen müssen wir bei
einem intelligenten Verkoppeln von Großabnehmern und
Einspeisern von erneuerbarer Energie mehr auf Effizienz
und Kostensenkung setzen . Ich glaube, auch das ist einer
der Punkte, die wir beachten müssen .

Meine Damen und Herren, so viel zu den Netzentgel-
ten für heute . Ich bedanke mich auch bei den Kollegen
der SPD für die gute Zusammenarbeit in dieser Legisla-
turperiode und bei den Kollegen der Union für die Un-
terstützung .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824406000

Herzlichen Dank, Herr Dr . Heider . – Als Nächster hat

der Kollege Oliver Krischer für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen das Wort .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824406100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie beschließen heute ein Gesetz, das Sie Netzentgelt-
modernisierungsgesetz nennen . Der Kollege Saathoff,
den ich sehr schätze, hat gerade schon gesagt: Das ist

Dr. Matthias Heider






(A) (C)



(B) (D)


eigentlich keine Reform, das ist bestenfalls ein Reförm-
chen . – Wenn schon der zuständige Vertreter einer Regie-
rungsfraktion das so nennt, dann mag man erahnen, wie
dünn und bedeutungslos das, was Sie hier machen, am
Ende ist . Man könnte es auch mit einem alten Werbeslog-
an umschreiben: Nicht überall, wo Nutella draufsteht, ist
auch Nutella drin . – Eine Netzentgeltreform ist das nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da hat Herr Saathoff völlig recht .

Sie haben groß angekündigt, sich dieser Aufgabe zu
widmen . Dafür haben Sie vom Bundeswirtschaftsminis-
terium Grünbücher und Weißbücher anfertigen lassen .
Demzufolge gibt es eine dringende Notwendigkeit zur
Reform . Da geht es um Flexibilisierung, Sektorkopplung
und Redispatch . All das sind wichtige Themen, die wir
im Rahmen der Energiewende regeln müssen . Aber man
muss leider feststellen: Diese Koalition hat trotz einer
Mehrheit von 80 Prozent nicht die Kraft aufgebracht,
eine Netzentgeltreform anzugehen . Übrig geblieben ist –
ich zitiere Herrn Saathoff – ein Reförmchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hatte eigentlich gedacht, die Einführung von bun-
deseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten sei schon
lange Konsens . Darüber haben wir schon vor Monaten
geredet . Aber dann war es irgendwie schwierig . Jetzt
kommen Sie nach langem Hin und Her doch noch mit
bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten . Aber
Sie führen sie nicht sofort ein, sondern schrittweise . Das
Ganze endet auch nicht in der nächsten, sondern in der
übernächsten Legislaturperiode . Also langsamer geht es
wirklich nicht .

Wenn es ein Problem gibt, dann regelt man es so-
fort . Wenn man etwas nicht als Problem ansieht, dann
lässt man es . Aber das, was Sie machen, ist ein typischer
großkoalitionärer Kompromiss . So können am Ende die
Kollegen in Ostdeutschland sagen: „Ja, wir haben doch
etwas gemacht“, und Herr Heider kann dafür in Nord-
rhein-Westfalen erzählen: „Das ist alles gar nicht so be-
deutungsvoll .“


(Zuruf des Abg . Thomas Jurk [SPD])


Das ist nicht das, was es zur Energiewende in Deutsch-
land braucht . Das ist das exakte Gegenteil . Das bringt
uns nicht voran .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie feiern jetzt die nicht erfolgte Streichung der ver-
miedenen Netznutzungsentgelte, weil diese – das hat die
Anhörung gezeigt; darin waren sich alle Sachverständi-
gen einig – vor allen Dingen die Kraft-Wärme-Kopp-
lung, die wir alle gemeinsam ausbauen wollen, unwirt-
schaftlicher gemacht hätte . Das ist aber, ehrlich gesagt,
auch kein Erfolg . Die Streichung hatte ja Ihr eigenes
Wirtschaftsministerium und damit die eigene Bundes-
regierung vorgeschlagen . Jetzt verhindern Sie, dass der
Unsinn, den sich die Bundesregierung ausgedacht hat,
beschlossen wird . Also, das kann man wirklich nicht
als Erfolg feiern, meine Damen und Herren . Das ist die

Verhinderung von Unsinn und keine positive, nach vorne
gerichtete Politik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Matthias Heider [CDU/ CSU] – Johann Saathoff [SPD]: Ureigenste Aufgabe des Parlaments!)


Meine Damen und Herren, Sie wären nicht die Gro-
ße Koalition, wenn Sie es nicht noch schaffen würden,
in einem solchen Gesetz einen wirklichen Klopper
unterzubringen . Ehrlich gesagt sind mir fast die Au-
gen ausgefallen, als das diese Woche plötzlich kam .
Laut Gesetzentwurf kann der Netzbetreiber im Süden
Deutschlands – sprich: in Bayern – TenneT ein 2-Giga-
watt-Gaskraftwerk ohne Zustimmung der Bundesnetz-
agentur ausschreiben .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: 1,2 Gigawatt! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht um Versorgungssicherheit!)


Wir hören immer von Ihnen: Es soll keine Kapazitäts-
märkte geben . Es soll wettbewerblich ablaufen .

Meine Damen und Herren, da kann man doch erfüh-
len, was passiert ist . CDU und SPD haben sich gestrit-
ten, auch die CSU war irgendwie dabei . Am Ende musste
wieder Herr Seehofer bedient werden. Ich finde, ehrlich
gesagt, das ist skandalös .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Damit belohnen Sie eine Politik von Herrn Seehofer, mit
der der Windenergieausbau verhindert und der Netzaus-
bau blockiert werden soll . Zum Dank bekommt er jetzt
von allen Stromkunden in Deutschland Gaskraftwerke
zur Absicherung bezahlt . Das ist energiewirtschaftlich
absurd . Damit degradieren Sie die Energiewende endgül-
tig zu Regionalisierungspolitik für eine südostdeutsche
Regionalpartei . Meine Damen und Herren, das kann
überhaupt nicht sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Besser als eine Klientelpartei wie die Grünen!)


Ich finde, damit konterkarieren Sie all das, was Sie
sonst immer erzählen . Wir hören von Ihnen immer et-
was von Marktwirtschaft, von Ausschreibungen und
von Wettbewerb im Bereich erneuerbare Energien . Aber
dann, wenn Regionalinteressen bedient werden sollen,
spielt all das plötzlich keine Rolle mehr . Dann spielt auch
keine Rolle mehr, dass das nach EU-Regeln nicht erlaubt
ist, weil ein Netzbetreiber kein Kraftwerk betreiben darf .
Das widerspricht den Unbundling-Regelungen . Das in-
teressiert Sie alles gar nicht mehr . Eine solche Regelung
wird dann eben so in das Gesetz hineingezaubert . Damit
konterkarieren Sie Ihr eigentliches Gerede, meine Da-
men und Herren . Das ist typisch für Ihre Energiepolitik:
auf der einen Seite eine große Show zu machen und auf
der anderen Seite notwendige Regelungen zu verhindern
und die Erneuerbaren auszubremsen .

Deshalb bitte ich Sie: Haben Sie Verständnis, dass wir
dieses Minireförmchen, das in Wahrheit gar keines ist,
nicht mitmachen . Für den Unsinn, dass andere für die In-

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


teressen der CSU und Bayerns bezahlen sollen, sind wir
nicht zu haben . Das müssen sie schon selber machen . An
der Stelle werden wir unsere Zustimmung verweigern .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824406200

Danke, Herr Kollege . – Als Nächster spricht der Kol-

lege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1824406300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute ist fast der letzte Sitzungstag dieser Legislaturpe-
riode, und es geht noch um wichtige Gesetze . Wir haben
lange in der Koalition darum gerungen, eine Einigung
zum Netzentgeltmodernisierungsgesetz zu erreichen .
Die unterschiedlichen Positionen sind in den Reden des
Kollegen von der Union wie auch des Kollegen von der
Linken und von Herrn Krischer deutlich geworden .

Wir haben uns als Sozialdemokraten das Ziel gesetzt,
dass wir die Energiewende umsetzen, aber dass wir sie
auch gerecht und fair finanzieren; und da haben wir eine
extreme Regelungslücke entdeckt, die wir dann auch be-
hoben haben . Sie besteht darin, dass wir vor allem im
nordostdeutschen Bereich – Bayern wird ja jetzt immer
wieder zu Ostdeutschland gezählt; Herr Krischer hat
eben auch wieder von der CSU als „südostdeutsche Re-
gionalpartei“ gesprochen; das war mir ganz neu –


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da protestieren wir!)


extrem hohe Netzentgelte haben . Dort sind sie deutlich
höher als in Baden-Württemberg, NRW und insbeson-
dere Rheinland-Pfalz . Diese Ungleichheit wollten und
mussten wir beheben, und das ist uns mit diesem Gesetz
gelungen . Deswegen werden wir ihm heute auch zustim-
men und halten es für einen großen Fortschritt für unser
Land .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben in der Debatte auch gemerkt, dass es zwi-
schen SPD und CDU/CSU Unterschiede gab . Die Ver-
handlungen in den letzten zwei Wochen waren intensiv .
Die Ausgangslage war, dass die Union eine sehr lange
Übergangszeit wollte und die SPD das zügig umsetzen
wollte .


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Ach!)


– Ja, Herr Hauptmann, Sie können gerne darauf einge-
hen . – Die Verhandlungsführer der Unionsseite wollten
eine zehnjährige Übergangszeit: zehn Jahre, bis wir ein-
heitliche Entgelte hätten .


(Johann Saathoff [SPD]: Hört! Hört!)


Wir wollten maximal drei Jahre . Jetzt haben wir uns auf
vier Jahre geeinigt . Ich halte das für einen noch vertret-
baren Zeitraum . Aber dies bedeutet, dass insbesondere in
Nordostdeutschland die Kunden noch länger einen höhe-

ren Preis zahlen . Wir hätten uns eine kürzere Übergangs-
zeit vorgestellt . Das ist leider an Ihnen gescheitert .


(Beifall bei der SPD)


Nichtsdestotrotz ist es gut, dass wir noch in dieser Le-
gislatur den Einstieg schaffen . Denn selbst dann, wenn
sich in der nächsten Legislaturperiode ein neuer Bundes-
tag konstituiert hat, bei welchen Mehrheiten auch immer,
würde es sicherlich noch eine Weile dauern, bis es zu ei-
ner Einigung kommt . Dann hätte es mit Sicherheit keine
frühere Angleichung gegeben . Von daher stimmen wir
dem Gesetzentwurf heute zu .

Herr Kollege Lenkert aus Jena


(Zuruf von der CDU/CSU: Muss man nicht kennen!)


– doch; er ist ja Carl-Zeiss-Jena-Fan; ich als Rot-Weißer
aus Erfurt kann das ergänzen – hat gesagt, dass er jede
Form der vorgesehenen Stromtrassen ablehne .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Diese drei Formen!)


Deutschland besteht zwar aus vielen Bundesländern,
aber wir sind ein Deutschland, und der Strom wird im
Norden produziert und im Süden verbraucht . Er muss
also irgendwie dorthin transportiert werden . Dafür brau-
chen wir die Trassen .

Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Thüringer Landes-
regierung dem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmen
wird, und an deren Spitze steht Ihr Ministerpräsident,
der sich per Pressemitteilung ausdrücklich für die guten
Verhandlungen, die wir beide hatten, zu diesem Gesetz-
entwurf bedankt hat und das Ergebnis begrüßt . Ganz so
einheitlich scheinen die Positionen in der Linkspartei,
zumindest innerhalb Thüringens, nicht zu sein .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Mark Hauptmann [CDU/CSU])



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824406400

Herr Kollege Schneider, lassen Sie eine Zwischenfra-

ge des Kollegen Lenkert zu?


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1824406500

Wenn es der Erhellung dient, gern .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824406600

Herr Kollege Schneider, nehmen Sie zur Kenntnis,

dass ich ausdrücklich gesagt habe, dass die Angleichung
der Übertragungsnetzentgelte ein winziger Schritt in die
richtige Richtung ist . Der Ministerpräsident von Thürin-
gen hat an dieser Stelle natürlich zuzustimmen . Aber über
die anderen Fragen, also über den Bau von UltraLink,
SuedLink, SuedOstLink, hat die Landesregierung über-
haupt keine Entscheidungshoheit mehr; darüber kann nur
der Bundestag entscheiden . Deswegen müssen wir hier
die entsprechenden Gesetze ablehnen . In Thüringen kann
man darüber sowieso nicht entscheiden . Denn das hat
die Koalition, die in der vorangegangenen Wahlperiode
regierte, verhindert . Wo welche Netze und Stromtrassen
gebaut werden, entscheiden nicht mehr die Länder; das

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


entscheidet jetzt der Bundestag bzw . die Bundesregie-
rung .

Insofern kann man dieses differenzierte Abstim-
mungsverhalten durchaus erklären . Denn Thüringen
kann nur darüber beschließen, was in seine Zuständig-
keit fällt, und das sind die Übertragungsnetzentgelte . Die
Trassen selbst werden hier im Hause beschlossen, und
wir lehnen sie ab .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1824406700

Herr Lenkert, danke für die Aufklärung . Aber klar

ist: Mit dem Gesetzentwurf regeln wir nicht die Trassen,
sondern die Netzentgelte .


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Genau! Das ist der Punkt!)


Über die Entgelte haben wir auch im Bundesrat eine Ei-
nigung erzielt . Von daher hätte ich erwartet, dass Sie heu-
te zustimmen . Aber es bedarf zumindest in diesem Punkt
heute nicht Ihrer Zustimmung, um die nötige Mehrheit
zu bekommen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen will, ist die
Kraft-Wärme-Kopplung . Wir haben den Stadtwerken
insbesondere in den letzten Jahren den Ausbau von
Kraft-Wärme-Kopplung und Stromfernwärme ermög-
licht . Wir haben ihnen dafür Anreize gegeben und sie un-
terstützt, in diese Richtung zu gehen . Der Abbau dieser
vermiedenen Netznutzungsentgelte – ich verzichte da-
rauf, ihn zu erklären, nenne nur die Stichworte: degressiv,
Zehnjahreszeitraum – hätte deren Geschäftsgrundlage
zerstört . Daher haben wir den Erlös, den sie bekommen,
auf ein vertretbares Maß reduziert, nämlich auf den Stand
von 2016 eingefroren, sodass die KWK-Anlagen auch
weiterhin ihren Teil zur Energiewende beitragen können .

Zum Dritten und zum Abschluss will ich noch einen
Punkt ansprechen, nämlich die Kernbrennstoffsteuer .
Wir reden hier viel über Geld und was die Energiewende
kostet . Sie kostet sehr viel Geld . Ich glaube, die ganze
Energiewende würde ein bisschen weniger kosten, wenn
wir sie über den Bundeshaushalt finanziert hätten.

Aber einen Teil der Finanzierung hatten Sie, die
schwarz-gelbe Regierung – Stichwort „Sparpa-
ket 2010“ –, über die Kernbrennstoffsteuer vorgesehen .
Wir müssen jetzt 7 Milliarden Euro zurückzahlen, weil
dieses Gesetz von Schwarz-Gelb so schlecht gemacht
wurde, dass das Bundesverfassungsgericht es als verfas-
sungswidrig eingestuft hat . Meine Damen und Herren,
das ist nicht zu akzeptieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Deswegen wollen wir Sozialdemokraten uns dieses Geld
wiederholen . Während der Restlaufzeiten der Kernkraft-
werke soll das zurückgezahlt werden . Ich kann überhaupt
nicht verstehen, dass ein Unternehmen wie RWE diese
Windfall Profits – das sind ja Einmaleffekte – nutzt, um
in der schwierigen Lage, in der das Unternehmen ist –

hohe Verschuldung und kein klares Geschäftskonzept –,
Dividende auszuschütten, also dem Unternehmen noch
Kapital zu entziehen . Meine Damen und Herren, das ist
nicht zu akzeptieren . Das ist Steuergeld, das aufgrund
des schlechten Gesetzes von Schwarz-Gelb direkt in die
Kassen der Aktionäre geht . So macht man die Energie-
wende nicht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Kapitalismus pur!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824406800

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider . – Nun hat der

Kollege Mark Hauptmann für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Mark Hauptmann (CDU):
Rede ID: ID1824406900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz vor
Ende dieser Legislaturperiode ist noch einmal ein guter
Tag für Deutschland; denn heute beschließen wir mit
dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz nach langer Zeit,
auch nach Zeiten der Blockade, lieber Carsten Schneider
und liebe Kollegen der SPD, eine wichtige Regelung .
Wir hatten das schon einmal in einem Referentenentwurf
des BMWi . Die entsprechende Regelung wurde aber
großzügig vor der NRW-Wahl herausgestrichen . Genützt
hat es dem Wahlerfolg nicht . Jetzt aber können wir diesen
Punkt nachholen und eine wichtige Entscheidung im Sin-
ne der Akzeptanz der Energiewende bei den Bürgerinnen
und Bürgern treffen .

Keinem Menschen in Deutschland ist doch erklärbar,
warum diejenigen, die die Lasten baulicher Natur in ih-
ren Bundesländern haben, auch die finanziellen Lasten
zu tragen haben, selbst wenn sich der eigene Nutzen für
sie und für die Region in überschaubaren Grenzen hält .
Ich will ein Beispiel aus meiner Heimat bringen .

Über die Thüringer Strombrücke leiten wir den Strom
von Nord- nach Süddeutschland, haben den Ausbau vor
Ort im Freistaat Thüringen, tragen die Kosten, aber Nut-
zen für unseren Freistaat ergibt sich nicht, sondern die-
sen haben die energieintensiven Unternehmen, die Ge-
werbetreibenden und die Verbraucher in Süddeutschland .
Deswegen schaffen wir etwas Ungerechtes ab, nämlich
die Stromleitung vor der Nase und die Rechnung im
Briefkasten . Mit dem heutigen Gesetz haben wir einen
Vorschlag gemacht, wie wir die Kosten für unsere Strom-
netze auf viele Schultern verteilen . Wir entlasten Bun-
desländer im Norden und im Osten, aber auch im Süden,
im TenneT-Gebiet . Die größten Unterschiede bei Netz-
entgelten gibt es übrigens im Freistaat Bayern . Deswe-
gen ist es ein Gebot der Fairness, dass wir die regionalen
Unterschiede bei der Höhe der Übertragungsnetzentgelte
beseitigen .

Ich glaube, wir können die Energiewende nur zu ei-
nem Erfolg bringen, wenn wir die Kostenverteilung
gesamtgesellschaftlich angehen . Da lohnt ein Blick in
die derzeitige Ausgangssituation . Derzeit haben wir im

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


Norden und Osten unseres Landes Netzentgeltpreise,
die zu einem Drittel der Strompreise in diesen Gebieten
beitragen . Stromabnehmer müssen hier teilweise 7 Cent
pro Kilowattstunde mehr bezahlen als beispielsweise in
Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen .

Die Industrie- und Handelskammer in meinem Wahl-
kreis hat ausgerechnet, was es für ein mittelständisches
Unternehmen aus der Kunststoffbranche bedeutet, wenn
es von heute auf morgen seinen Unternehmenssitz in ein
Gebiet verlagert, wo es niedrigere Preise gibt: Es spart
mehrere 10 000 Euro im Jahr, weil niedrigere Kosten
anfallen . Das heißt, wir erleben heute schon, dass die
Netzentgelte ein maßgeblicher Kostenfaktor für die Wirt-
schaft sind und nicht gleich in Deutschland verteilt sind .
Deswegen ist es richtig, dass wir diesen Nachteil bis zum
Jahr 2023 vollständig abschaffen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist ein gutes Signal für unsere gewerblichen Stro-
mabnehmer in den neuen Bundesländern, aber zum Bei-
spiel auch in Schleswig-Holstein, in Hamburg, teils auch
in Bayern .

Wie es bei einem Kompromiss üblich ist, trifft man
sich in der Mitte. 12 von 16 Bundesländern profitieren
von dieser Regelung . Das bedeutet aber auch: Manche
Bundesländer müssen in Zukunft höhere Anteile für die
Netzinfrastruktur leisten . Deswegen ist es richtig, dass
wir es im parlamentarischen Prozess – da danke ich dem
Koalitionspartner, der SPD, aber auch den Verhand-
lungsführern der Union und des BMWi – geschafft ha-
ben, die Vereinheitlichung nicht von heute auf morgen
durchzuführen, so wie es im ursprünglichen Plan des
BMWi vorgesehen war, sondern dass wir dafür einen An-
passungszeitraum definiert haben, der letztendlich auch
Planbarkeit schafft .

Herr Krischer, deswegen ist Ihr Vorwurf falsch, dass
wir es mit dieser Regelung in die Zukunft verschleppen .
Letztendlich sorgen wir vielmehr für alle Beteiligten in
Ost und West, weil wir die Energiewende in Deutschland
gesamtgesellschaftlich gestalten, für Planbarkeit . Auch
das ist eine Frage der Fairness im Zuge der Energiewen-
de .

Richtigerweise wurde schon gesagt: Wir schaffen die
vermiedenen Netzentgelte für nicht steuerbare Energie-
erzeuger wie Wind oder Solar ab, weil sie keine netzent-
lastende Wirkung haben . Deswegen ist es richtig, dass
die Regelungen für KWK-Anlagen oder große Biomas-
seanlagen grundsätzlich fortbestehen, und zwar für Neu-
anlagen bis einschließlich 2022. Sie sind energieeffizient,
steuerbar und daher netzentlastend . Deswegen ist auch
diese Sonderregelung, die wir hier für die KWK-Anlagen
treffen, eine Entscheidung, die im Sinne der Energiewen-
de zu rechtfertigen ist .

Auch hier will ich noch einmal auf den Vorwurf
der Grünen eingehen, dass die Wirtschaftlichkeit der
KWK-Anlagen durch dieses Gesetz gefährdet werde . Ich
habe mit den Stadtwerken in meiner Heimat, aber auch
mit anderen Stadtwerken in meinem Heimatfreistaat
Rücksprache gehalten . Hierbei ist ein ganz anderer Punkt
zutage getreten, dass nämlich die Energieversorger von

sich aus sagen, sie begrüßten ausdrücklich die Regelung,
die wir jetzt getroffen haben, weil sie nämlich Planungs-
sicherheit schafft, weil sie die Rolle der KWK-Anlagen
als Energieversorger stärkt und weil anerkannt wird, dass
diese Anlagen einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität
dank der flexiblen und steuerbaren Einspeisungen leis-
ten .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich
möchte ich zum Abschluss noch auf einen Punkt einge-
hen, der die Zukunft betrifft; es ist vor allem eine Aufga-
be der nächsten Legislaturperiode . Wir folgen mit dieser
Entscheidung heute einem Beschluss der Länderkammer .
Mit diesem Gesetz gestalten wir, wie wir es auf beiden
Seiten des Hauses debattiert haben, die Energiewende
ein Stück weit gerechter . Aber das ist nur der Anfang;
denn letztendlich müssen wir auch in Zukunft Anpassun-
gen und Reformen vornehmen . Ich bin der Überzeugung:
Wir brauchen in der nächsten Legislaturperiode eine
grundlegende Überarbeitung der Netzentgeltstrukturen .
Wir müssen den Netzausbau noch stärker mit dem Aus-
bau der erneuerbaren Energieträger koppeln .

Ich will dafür einmal ein Beispiel liefern: Das Land
Niedersachsen äußert permanent den Wunsch, dass mehr
für den Ausbau der Anlagen getan werde . Die Landes-
regierung hat es aber bis zum heutigen Tag nicht fertig-
gebracht, auch nur einen einzigen Meter Netzausbau in
diesem Bundesland zustande zu bringen .


(Johann Saathoff [SPD]: Das ist falsch! Sollen wir einmal einen Faktencheck machen? Das stimmt einfach nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hauptmann, das stimmt einfach nicht!)


Wir können die Energiewende nicht erfolgreich gestalten,
wenn wir mit dem Netzausbau nicht hinterherkommen,
wenn wir Offshoreanlagen wie BorWin 3 nicht anbinden
können, wenn der Strom stückweise sprichwörtlich im
Sande verläuft .


(Beifall der Abg . Barbara Lanzinger [CDU/ CSU] – Johann Saathoff [SPD]: Schönen Gruß an Herrn Fuchs!)


Deswegen ist es richtig, dass wir im Zuge der Energie-
wende darauf achten, dass wir Netzausbau vor Anlagen-
ausbau gewährleisten, um sie zu einem Erfolg zu machen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Sachkenntnis wäre gut!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Ab-
schluss möchte ich sagen: Uns eint, wie ich glaube, ein
Ziel . Wir haben in dieser Legislaturperiode einen Sys-
temwechsel zustande gebracht – einen Systemwechsel
von reiner Planbarkeit und Planwirtschaft, was den Aus-
bauzeitraum, den Ausbaukorridor und die Höhe der Ver-
gütung angeht, hin zu Ausschreibemodellen . Wir haben
jetzt gesehen, dass die erste Ausschreibung im Offshore-
bereich gezeigt hat, dass auch mit 0 Cent Subventionen
Anlagen gebaut werden können . Das Ziel für die nächste
Legislaturperiode ist, dass die erneuerbaren Energieträ-
ger in Zukunft ohne Subventionen auskommen, dass sie
sich also selber tragen können . Die übergeordneten Ziele,

Mark Hauptmann






(A) (C)



(B) (D)


die wir mit dieser Energiewende verbinden, sind soziale
Bezahlbarkeit, wirtschaftliche Verträglichkeit, aber auch
Netzstabilität . Diesen Zielen dient letztendlich das Ge-
setz, das wir heute vorgelegt haben .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407000

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hauptmann . – Ich

schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Moder-
nisierung der Netzentgeltstruktur . Der Ausschuss für
Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/12999, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11528 in
der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dage-
gen? – Gibt es Enthaltungen? – Die stelle ich nicht fest .
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen
der Opposition angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine . Der
Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Abstimmungsergeb-
nis wie bei der vorangegangenen Abstimmung angenom-
men .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/13047 . Wer stimmt für den Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen
gibt es keine . Der Entschließungsantrag ist mit den Stim-
men der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der
Grünen und Linken abgelehnt .

Ich rufe den Zusatzpunkt 15 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Telemediengeset-
zes

Drucksachen 18/12202, 18/12496

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/13010

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat zunächst der
Kollege Marcus Held für die SPD-Fraktion .


Marcus Held (SPD):
Rede ID: ID1824407100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Zuhörer und Zuschauer! Wir

haben diese Woche offenbar die Woche der Erleuchtung
oder, wenn ich es anders auf heute übertrage, die Woche
der Einsicht . Heute Morgen haben wir gemeinschaftlich
hier im Deutschen Bundestag ein wichtiges Gesetz auf
den Weg gebracht .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das war gut!)


– Herr von Notz, es war sehr gut sogar . – Mit dem Än-
derungsgesetz zum Telemediengesetz, das wir jetzt noch
kurz vor Ende der Legislaturperiode, nämlich wenige
Stunden vor Ende der letzten regulären Sitzungswoche,
verabschieden, setzen wir einen weiteren Meilenstein
um . Ich hätte mir in den letzten Monaten nicht erträumt,
dass wir das tatsächlich noch vollziehen können .

Wir hätten diese Entscheidung schon sehr viel früher
haben können . Leider war das innerhalb der Koalition
sehr schwierig . Ich weiß, dass wir mit den Wirtschafts-
politikern der Union – mit denen haben wir lange Zeit
sehr gut zusammengearbeitet – eigentlich in dieser Frage
gute Zwischenergebnisse hatten . Leider konnten sie sich
in ihrer Fraktion nicht durchsetzen; deswegen haben wir
ein bisschen länger dafür gebraucht . Es hat dieses Mal
aber zumindest keines Versprechers der Kanzlerin be-
durft, um dieses Gesetz umzusetzen . Insofern freue ich
mich darüber, dass wir das Telemediengesetz jetzt ändern
und damit die WLAN-Störerhaftung in Deutschland end-
lich aufheben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, wenn ich Besuchergrup-
pen aus anderen europäischen Ländern bei mir habe,
zum Beispiel aus Polen, aus dem Partnerlandkreis mei-
nes Heimatlandkreises, aus dem Kreis Koscian, muss ich
den Schülern erst einmal sehr aufwendig erklären, was
überhaupt die WLAN-Störerhaftung ist . Dann frage ich:
Habt ihr ein Handy? Habt ihr schon mal in Deutschland
versucht, über WLAN ins Internet zu kommen? Dann be-
antworten mir die meisten die Frage so: Ja, aber da muss
man immer so ein schwieriges Passwort eingeben . – Das
gibt es in allen anderen Ländern Europas nicht .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Das gibt es in allen anderen Ländern der Welt nicht .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Hier sind wir über Jahre hinweg Entwicklungsland gewe-
sen, meine Damen und Herren . Das ändern wir heute, da-
mit wir endlich in der Technologie vorankommen, damit
wir endlich mehr offene WLAN-Netze in Deutschland
hinbekommen . Dafür bin ich sehr dankbar .


(Beifall bei der SPD)


Das ist nämlich nicht nur eine Frage, die zum Beispiel
uns hier im Plenum betrifft, wenn der eine oder andere
auf sein Handy schaut oder etwas im Internet machen
will, sondern das ist tatsächlich auch eine wirtschaftli-
che Frage . Zum Beispiel hier in Berlin, wo immer mehr
Touristen in die Stadt kommen und im Grunde selbst mit
ihrem Guide durch die Stadt laufen können, sind offene

Mark Hauptmann






(A) (C)



(B) (D)


WLAN-Netze eine große Bereicherung . In Rheinhes-
sen in Rheinland-Pfalz, wo ich herkomme, entwickelt
sich der Tourismus ebenfalls . Immer mehr Menschen
nehmen auch im Einzelhandel, wenn sie zum Beispiel
im Supermarkt sind, Preisvergleiche vor . Auch dort
sind die Anbieter immer wieder bereit gewesen, offene
WLAN-Netze zur Verfügung zu stellen . Sie haben es al-
lerdings aufgrund ihrer Verantwortung nicht gewagt, ihre
WLAN-Netze ohne Zugangspasswort zur Verfügung zu
stellen .

Wir schaffen es nur, in Deutschland tatsächlich
WLAN-Netze in der Breite anzubieten, wenn wir sie öff-
nen . Wenn der Kunde bzw . der Bürger sozusagen von ei-
nem Hotspot in den anderen übergehen kann, ohne zu be-
merken, dass der Sender wechselt, kann er die Angebote
im Internet umfassend in Anspruch nehmen . Ich denke,
das ist für uns alle ein Fortschritt .

Insofern hat der letzte Sitzungstag noch einiges ge-
bracht: heute Morgen die Ehe für alle als großen Fort-
schritt, eine Bewegung für Deutschland, und heute Mittag
den Wegfall der WLAN-Störerhaftung, für den wir als
SPD über Jahre hinweg in dieser Koalition gekämpft ha-
ben . Der Kampf hat sich gelohnt – für die Menschen in
Deutschland, für die Wirtschaft und für den Fortschritt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407200

Vielen Dank, Herr Kollege . – Nunmehr hat das Wort

Dr . Petra Sitte für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824407300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute

reden wir mal wieder – und voraussichtlich zum letzten
Mal in dieser Legislaturperiode – über die endgültige Ab-
schaffung der Störerhaftung


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Voraussichtlich! So ist es!)


– genau, voraussichtlich –, dieses Mal tatsächlich anhand
eines Antrags, der halten sollte, was er verspricht . Es
wird endlich klargestellt, dass WLAN-Betreiber, die ihr
Netz frei zur Verfügung stellen, keine Haftung für Drit-
te tragen . Diese Störerhaftung ist – das hat der Kollege
gerade gesagt – tatsächlich eine rein deutsche Erfindung,
allerdings keine gute,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Marcus Held [SPD])


und ist in anderen Ländern völlig unbekannt . Das hat den
rechtssicheren Betrieb von WLAN-Netzen lange behin-
dert und damit ihren Ausbau wirksam begrenzt . Damit
soll nun also Schluss sein .

Es bleibt aber festzuhalten, dass man das alles auch
viel früher hätte haben können, wenn Sie damals, 2014,
unserem Antrag zugestimmt hätten .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Besser wäre es gewesen!)


Aber nicht nur 2014, sondern auch im letzten Jahr, als wir
darüber diskutiert haben, haben wir Ihnen gesagt, dass
das so nicht geregelt bleiben kann, weil das zu Proble-
men führt . Nun ist genau das passiert . Nun gut, dass Sie
nicht auf mich hören, erschüttert mich nicht so tief . Aber
wenigstens haben Sie auf den Europäischen Gerichtshof
gehört .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir können ja anscheinend froh sein, dass es über-
haupt noch zur Abstimmung kommt . Da gab es nämlich –
so jedenfalls die Signale in der letzten Woche – eine gan-
ze Reihe von Hürden, die zu überwinden waren . Bei der
Anhörung im Wirtschaftsausschuss haben die Sachver-
ständigen der Union freies WLAN in Gänze verteufelt;
es hat nicht wirklich Spaß gemacht, dort zuzuhören . Bei
den Bedrohungen, die da an die Wand gemalt wurden,
wenn etwa Cafés freie Internetzugänge bieten, hätte mich
nicht verwundert, wenn einer der Sachverständigen in ei-
nem Schlusssatz gesagt hätte, dass wir auch die Cafés
verbieten sollten .

Dass sich diese Denkweise am Ende nicht durchset-
zen konnte, ist ein Grund zur Freude . Getrübt wird diese
allerdings dadurch, dass hier nicht einfach die Störerhaf-
tung abgeschafft wird, sondern dass Sie dies mit einer
weiteren Regelung, einer weiteren Bedingung verknüp-
fen . Es wäre auch zu schön gewesen, wenn Sie etwas
richtig durchgezogen hätten .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Gutes, das wäre schön gewesen!)


Betreiber von WLAN-Zugängen sollen jetzt im Fall einer
Rechtsverletzung verpflichtet werden können, Netzsper-
ren gegen bestimmte Inhalte einzurichten .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha, Netzsperren wollt ihr einrichten!)


Das soll nun wirklich verstehen, wer will . Es ist ja nicht
so, als ob wir nicht schon hundertmal über Erfolg und
Misserfolg von Netzsperren in diesem Haus geredet hät-
ten . Jetzt taucht das wieder auf . Wir wissen längst, dass
solche Sperren ein vollkommen untaugliches Mittel zur
Bekämpfung illegaler Inhalte sind


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Richtig!)


und immer mit der Gefahr verbunden sind, dass auch In-
halte gesperrt werden, die rechtmäßig sind .

Marcus Held






(A) (C)



(B) (D)


Die technische Umsetzung solcher Sperranordnungen
liegt dann bei Privatpersonen, die WLAN anbieten, oder
bei Geschäftsinhabern . Damit droht erneut Unsicherheit .
Wie viele von Ihnen wüssten denn, was Sie auf Ihrem
Router einstellen müssten, wenn Ihnen eine solche Auf-
forderung ins Haus käme, um rechtlich und technisch auf
der sicheren Seite zu sein?

Am Ende bleibt wohl bloß das Motto der Großen Ko-
alition: keine Verbesserung ohne Verschlechterung . Wir
werden uns diesmal bei der Abstimmung über den Ge-
setzentwurf enthalten . Das ist vielleicht eine Ermutigung
für Sie, in der nächsten Wahlperiode diesen Punkt anzu-
gehen und ihn dann auch noch zu beseitigen .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407400

Vielen Dank, Frau Dr . Sitte . – Nunmehr hat das Wort

der Kollege Axel Knoerig für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Axel Knoerig (CDU):
Rede ID: ID1824407500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist
richtig: Der Weg ist frei für freies WLAN . Denn in Zu-
kunft gilt: Wer anderen Zugang zum Internet gewährt, ist
nicht mehr für die Rechtsverletzungen der Nutzer verant-
wortlich . Diese Neuregelung ist gerade für Hotels, Cafés
und Gaststätten wichtig . Sie müssen keine Abmahnun-
gen mehr fürchten . Meine Damen und Herren, damit för-
dern wir eine schnelle Ausbreitung von freien Hotspots
in ganz Deutschland . Ich denke, das ist ein Erfolg, den
wir heute mit nach Hause nehmen können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich erwähne aber auch, dass mit dem Gesetz alle Ac-
cess-Provider von der Haftung befreit sind . Das heißt:
auch die großen Telekommunikationsunternehmen . Die-
sen Punkt haben wir in den Verhandlungen als kritisch
bewertet; denn die großen Netzbetreiber sind schon jetzt
von der Haftung für fremde Inhalte befreit . Nun werden
sie im Grunde genommen noch weiter begünstigt . Unter-
lassungs- und Beseitigungsansprüche entfallen auch für
sie . Deshalb ist es richtig – das sage ich mit Blick auf die
Ministerin Zypries, die heute nicht da ist –, dass dieses
Gesetz in zwei Jahren überprüft wird, gerade an dieser
Stelle .

Im Entwurf war außerdem vorgesehen, dass Passwör-
ter oder eine Registrierung nicht mehr vorgeschrieben
sind . Meine Damen und Herren, hier hat sich die Union
aber für eine Klarstellung eingesetzt: WLAN-Betreiber
dürfen weiter freiwillig Sicherheitsvorkehrungen treffen .
Hier haben wir die Bedenken der Hotels und Gaststätten
berücksichtigt. Eine Registrierungspflicht ist auch aus
innenpolitischer Sicht wichtig . Das hat der Anschlag in
Dortmund gezeigt . Der Täter konnte durch seine Anmel-
dung im Hotel-WLAN identifiziert werden. Ebenso hat
der Europäische Gerichtshof die Registrierungspflicht
unterstrichen .

Noch ein Hinweis an die SPD-Kolleginnen und -Kol-
legen sowie an das Wirtschaftsministerium: Auch das
neue EU-Programm zur WLAN-Förderung setzt auf
eine Anmeldepflicht der Nutzer, und das wird in den
Mitgliedstaaten der Union sehr wohl schon praktiziert;
denn der Europäische Gerichtshof hat eines festgehalten:
Wenn es einerseits eine Haftungsbefreiung gibt, muss es
andererseits auch eine effektive Rechtsdurchsetzung ge-
ben . Und was hält Frau Ministerin Zypries für effektiv?
Netzsperren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie sa-
gen: WLAN ja, aber nur mit Sperren,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


und in letzter Konsequenz auch mithilfe von Netzsper-
ren .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dagegenstimmen! Noch können Sie Nein sagen!)


Diese Beschränkung sollten Sie dann in der Öffentlich-
keit aber auch so kommunizieren . Als Wirtschaftspoliti-
ker der Union kann ich solche Sperren nur bedingt mit-
tragen . Schließlich ist die Branche schon viel weiter .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb wird es Sperren – das ist letztendlich schon
wieder gut formuliert im Gesetz – nur bei mehrfachem
Missbrauch geben . WLAN-Betreiber brauchen hier kei-
ne Gängelei zu befürchten .

Meine Damen und Herren, aus meinem Wahlkreis
Diepholz – Nienburg weiß ich, wie dringend unsere In-
ternetversorgung im mobilen und auch im Breitbandbe-
reich besser werden muss, gerade – das betone ich hier
noch einmal – im ländlichen Raum . Ich denke, dass die-
ses Gesetz durchaus einen Beitrag dazu leisten wird, dass
die Abdeckung besser wird .

Daher bleibt unter dem Strich: Das freie WLAN ist
da . Es ist insbesondere für den ländlichen Raum ein Ge-
winn . Deswegen tragen wir dieses Gesetz auch in dieser
Fassung mit .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407600

Vielen Dank, Herr Kollege Knoerig . – Nunmehr hat

das Wort der Kollege Dr . Konstantin von Notz für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat ein
Déjà-vu . Wir stehen hier tatsächlich zum soundsovielten
Mal sozusagen in der 120 . Minute der Spielzeit . Unzähli-
ge Male wollte der Treffer nicht gelingen – und das, ob-

Dr. Petra Sitte






(A) (C)



(B) (D)


wohl kein Torwart im Tor steht . Man stellt sich die Frage:
Schaffen Sie es diesmal, das kleine Einmaleins der Digi-
talisierung irgendwie hinzubekommen?


(Marcus Held [SPD]: Nur mit Ihrer Hilfe!)


Seit geschlagenen sieben Jahren ist hierzulande ein
Problem, was woanders in der Welt völlig normal ist,
nämlich im offenen WLAN leicht, kostenfrei und rechts-
sicher zu surfen . Dabei würden auch in Deutschland
Freifunker, Gastronomen und Kirchengemeinden ihr
Netz gern zum Nutzen aller öffnen . Einige trauen sich
das, trotz großer Rechtsunsicherheiten – und das, obwohl
ihr Engagement von Ihnen als Großer Koalition nicht als
gemeinnützig anerkannt wird . Und es ist Ihnen in dieser
Woche nicht mehr gelungen, das durchzusetzen . Deswe-
gen sage ich an dieser Stelle: Herzlichen Dank allen Frei-
funkerinnen und Freifunkern draußen im Land .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Seit 2013 will diese Regierung für Rechtssicherheit
sorgen, bekommt es aber auch im dritten Anlauf und
trotz Kanzlerinnenmachtwort nicht hin; in anderen Fäl-
len scheint es ja zu helfen . Die Haftungsfragen haben
Sie – das wurde hier bereits gesagt – heute einigerma-
ßen ausgeräumt . Aber dafür führen Sie Netzsperren ein –
Netzsperren –,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahnsinn!)


als hätte man nicht schon genug Diskussionen dazu ge-
habt . Die Anhörung hat klipp und klar gezeigt, dass die
Argumente, die da ins Feld geführt werden, es komme
massenhaft zu Urheberrechtsverstößen und zu sogenann-
ter WLAN-Kriminalität, nicht zutreffen . Das ist nicht
existent . Dafür gibt es keine Zahlen, nirgendwo .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Damit lassen Sie den Bäcker an der Ecke, den Freifunker
und andere im Regen stehen; denn natürlich bleibt eine
Rechtsunsicherheit . Sie kriegen also noch nicht einmal
diesen Elfmeter ohne Torwart hin .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Trotzdem ist jetzt ein guter Moment, auf die Netzpoli-
tik der 18 . Wahlperiode zurückzublicken .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oje!)


Dazu fallen mir ein paar Themen ein . Derzeit werden wir
weltweit wieder heimgesucht von einer IT-Angriffswel-
le und Trojanern . Da kann man nur sagen: Das passiert,
wenn Sicherheitslücken der Geheimdienste in die fal-
schen Hände gelangen . Doch Schwarz-Rot hatte in den
letzten Wochen nichts Besseres zu tun, als das Gesetz zur
Onlinedurchsuchung durch dieses Haus zu winken und
damit staatliche Zero-Day Exploits legal zu machen . Da-
mit wird die IT-Sicherheit in Deutschland und der Welt

am Ende nicht gestärkt, sondern wird weiter geschwächt .
Das ist schlecht, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Vor Gericht gibt es für die Vorratsdatenspeicherung
eine klatschende Ohrfeige nach der anderen . Ich darf der
Großen Koalition sagen: Nach dem Versuch 2009 und
dem erneuten Anlauf in dieser Legislaturperiode ist die
Vorratsdatenspeicherung ein Symbol für Ihre verfehlte
Sicherheits-, aber auch für Ihre verfehlte Digitalpolitik .
Sie lassen die Unternehmen mit einer Rechtsunsicherheit
leben . Es ist gut, dass die Bundesnetzagentur jetzt fest-
gestellt hat, das müsse nicht umgesetzt werden; denn Ihr
Gesetz ist offenkundig nicht konform mit Europarecht .
Der EuGH hat recht: Die Vorratsdatenspeicherung geht
nicht . Treten Sie sie endlich in die Tonne!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zu guter Letzt: Von den hehren netzpolitischen Ver-
sprechungen, die am Anfang dieser Legislaturperiode
kamen, ist sehr wenig umgesetzt worden . Es bleibt zu
hoffen, dass das diesem Haus und uns in der 19 . Wahlpe-
riode besser gelingt, mit mehr Visionen, mit mehr Hoch-
druck und hoffentlich besser koordiniert .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407700

Vielen Dank, Herr Kollege von Notz . – Jetzt hat das

Wort der Kollege Lars Klingbeil für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1824407800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Angesichts dessen, dass sich die Linken enthalten wer-
den und der Kollege von Notz nach einer Redezeit von
eineinhalb Minuten auf andere netzpolitische Themen
umschwenken musste, kann das, was wir als Große Koa-
lition auf den Weg bringen und heute noch verabschieden
werden, gar nicht so schlecht sein .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu Beginn möchte ich mich ausdrücklich bei Minis-
terin Brigitte Zypries bedanken . Wenn sie in der letzten
Woche nicht noch einmal richtig Druck gemacht hätte,
dann hätten wir dieses Gesetz nicht zustande bekommen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist sie denn?)


– Ich glaube, die meisten hier wissen, dass sich die Mi-
nisterin gestern den Arm gebrochen hat und deswegen
jetzt im Krankenhaus ist . Ich will ihr von dieser Stelle
nicht nur vielen Dank sagen, sondern ihr auch gute Bes-
serung wünschen . Ich denke, das kann ich im Namen von
uns allen tun .


(Beifall im ganzen Hause)


Dr. Konstantin von Notz






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es als
Große Koalition in dieser Legislatur geschafft, die digi-
tale Infrastruktur voranzubringen . Wir haben massiv in
den Breitbandausbau investiert und schaffen die offenen
WLAN-Netze . Das ist gut für die digitale Infrastruktur,
auch wenn wir natürlich wissen, dass wir gerade im Be-
reich des Breitbandausbaus in der nächsten Legislatur
noch einmal eine Schippe obendrauf legen müssen . Wir
brauchen eine bessere Versorgung mit Glasfaserkabeln;
das wissen wir alle . Aber es ist gut, dass wir in diesen
vier Jahren vorangekommen sind .

Wir haben das Gesetz zur Verbesserung der WLAN-Si-
tuation in Deutschland schon einmal auf der Tagesord-
nung gehabt, haben aber durch ein Urteil des Europäi-
schen Gerichtshofes noch einmal nachbessern müssen .
Das Ministerium ist hier sofort aktiv geworden und hat
in diesem Gesetzestext einige Klarstellungen formuliert,
mit denen wir in der Tat Rechtssicherheit für WLAN-Be-
treiber schaffen .

Ich glaube, wir alle kennen die Situation aus unseren
Wahlkreisen . Ich habe meinen Wahlkreis in der Lüne-
burger Heide . Wenn ich dort unterwegs bin und sehe,
wie an vielen Orten von den Kommunen, von den Café-
und Restaurantbetreibern überlegt wird, ob man offene
WLAN-Netze betreibt, um die Situation gerade mit Blick
auf den Tourismus zu verbessern, dann merke ich, mit
welchen rechtlichen Auseinandersetzungen sie zu kämp-
fen haben .

Wir alle kennen die Situation der Schulen, wo Schul-
leitungen überlegen, offene WLAN-Netze in den Schu-
len anzubieten, damit im Unterricht digitale Medien
eingesetzt werden können . Wir alle wissen, mit welcher
Unsicherheit die Schulen zu kämpfen haben . Deswegen
ist es gut, dass wir als Koalition heute diese Klarstellung
vornehmen und den Weg für offene WLAN-Netze in
Deutschland an vielen unterschiedlichen Stellen ermög-
lichen .


(Beifall bei der SPD)


Wir nehmen die Cafébetreiber, die Schulen, die Res-
taurants, die Kommunen aus der Haftung heraus, und alle
wissen, dass sie nicht mehr für das haften müssen, was in
ihren offenen Netzen passiert .

Dieses Gesetz hat in der Tat – das will ich hier am
Ende sagen –, einen Beigeschmack, sodass wir nicht
hundertprozentig zufrieden sind, nämlich die Nutzungs-
sperren, die angeordnet werden können . Wir hätten uns
gewünscht, dass dafür eine gerichtliche Anordnung not-
wendig ist und dass dies nicht auf Zuruf passiert . Ich neh-
me jetzt hier einfach einmal verwundert zur Kenntnis,
dass der Koalitionspartner sagt, dass ihm das auch ge-
fallen hätte . Wenn das in den Berichterstattergesprächen
thematisiert worden wäre, hätten wir ja vielleicht noch
eine bessere Lösung gefunden . Das Signal in der letzten
Woche war eher, dass man dieses Gesetz gar nicht will .
Ich bin aber froh, dass wir hier noch etwas auf die Beine
gestellt haben .

In der nächsten Legislatur geht es sicherlich weiter mit
der digitalen Infrastruktur . Aber das, was wir heute be-
schließen, ist schon einmal ein großer Schritt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824407900

Vielen Dank, Herr Kollege . – Als Letzter hat das

Wort in der Aussprache nun Hansjörg Durz für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hansjörg Durz (CSU):
Rede ID: ID1824408000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir schaffen
heute, kurz vor Ende dieser Wahlperiode, die Störerhaf-
tung ab . Das ist für die Ausbreitung offener WLANs
grundsätzlich äußerst positiv . Ich mache aber keinen
Hehl daraus, dass ich den vorliegenden Gesetzentwurf
für nicht so gut austariert halte wie den Status quo, den
wir mit der zweiten TMG-Novelle im letzten Sommer
beschlossen hatten . Aber aufgrund des EuGH-Urteils
wurden hier Änderungen notwendig . Den letzten Kom-
promiss, den wir getroffen haben, hat beispielsweise der
Verband der deutschen Internetwirtschaft eco als sehr
sinnvoll bezeichnet .

Ich akzeptiere selbstverständlich den Wunsch, die
Störerhaftung abzuschaffen . Er ist letzten Endes größer
als die damit verbundenen Bedenken, die auch in der öf-
fentlichen Anhörung am vergangenen Montag noch ein-
mal deutlich wurden und von den Experten vorgetragen
wurden . Gleichwohl möchte ich die Gelegenheit nutzen,
um mit drei Mythen aufzuräumen, die immer wieder in
der öffentlichen Debatte und auch hier im Parlament in
den Raum gestellt wurden .

Erstens . Es wird immer wieder von der WLAN-Wüs-
te Deutschland gesprochen und davon, dass angeblich
nichts voranginge . Entgegen der weit verbreiteten Mei-
nung gestaltet sich der Ausbau von WLAN-Hotspots in
Deutschland tatsächlich sehr dynamisch . Dazu ein paar
Zahlen: Alleine die drei größten Anbieter kommerzieller
WLAN-Netze verfügen mittlerweile über 3,5 Millionen
Hotspots . Im Freistaat Bayern beispielsweise werden bis
zum Jahr 2020 20 000 Zugangspunkte an öffentlichen
Plätzen im Bayern-WLAN kostenfrei zur Verfügung ge-
stellt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kommt halt schlecht rein!)


Aktuell sind 7 761 davon bereits aktiv . Unzählige Cafés,
Hotels, Konzert- und Messehallen oder Schulen bieten
ihren Gästen Zugang zum Internet über Drahtlosnetzwer-
ke und lassen diese zumeist von professionellen Dienst-
leistern administrieren . Da kann und muss sicherlich
noch mehr passieren . Aber zu behaupten, dass es keine
Dynamik beim Ausbau zu verzeichnen gäbe, ist schlicht
falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens . Dass der Betrieb eines WLAN generell
Rechtsunsicherheit für den Anbieter birgt, ist auch so ein
Mythos . Auch diesen Punkt möchte ich klarstellen: Wer
seine Nutzer kennt, für den gab es bisher keine Rechtsun-

Lars Klingbeil






(A) (C)



(B) (D)


sicherheit . In vielen Gesprächen mit Anbietern haben wir
die Rückmeldung bekommen, dass dieser Fakt bislang
nicht genügend kommuniziert wurde . Deshalb haben
wir nun mit einer Klarstellung im Gesetz dafür gesorgt,
dass etwa Hotels – das war für uns wichtig – ihre bislang
gängige Praxis der Herausgabe eines WLAN-Schlüssels
gegen Registrierung fortsetzen können, übrigens eine
Praxis, die auch international sehr häufig und in nahezu
allen Ländern praktiziert wird . Für diese Praxis der Au-
thentifizierung schaffen wir unmissverständlich Rechts-
sicherheit . Hotels können sich dadurch vom drohenden
Sperraufwand befreien . Also, wer dies tut, muss später
keine Sperrlisten umsetzen . Das ist eine gute Nachricht,
vor allem für unser mittelständisch geprägtes Hotel-
und Gaststättengewerbe . Wer sein Netzwerk von einem
Dritten professionell betreiben lässt, hatte bisher schon
Rechtssicherheit .

Richtig ist aber auch die Feststellung, dass die viel-
fach diskutierte Störerhaftung sich als sehr problema-
tisch für jene Fälle entpuppen kann, in denen ein Provi-
der bzw . ein Nebenbeiprovider – ein Café, ein Hotel oder
ein Privater – ohne weitere Maßnahmen sein WLAN öff-
net . Wir reden hier also von einer Teilmenge, die bislang
Unsicherheiten zu befürchten hatte . Hier mussten wir re-
agieren und haben mit dem Gesetz auch reagiert .

Drittens . Weder das Einloggen in ein fremdes WLAN-
Netz noch die Freigabe eines fremden WLAN-Netzes
sollte gedankenlos erfolgen . Es ist in der Debatte voll-
kommen untergegangen, dass die Nutzer hierüber aufge-
klärt werden müssen . Hier muss mehr Aufklärung erfol-
gen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben sehr lan-
ge über die Abschaffung der Störerhaftung miteinander
gerungen . Ergebnis ist der heute vorliegende Gesetz-
entwurf . Wir hatten darin eine Abwägung zwischen of-
fenem WLAN und dem Schutz der Rechteinhaber zu
treffen, wie ihn der europäische Rechtsrahmen vorgibt .
Rechtsverletzungen im Internet sind Realität und keine
Erfindung. Enttäuschend finde ich, dass aufseiten der
Oppositionsfraktionen – das war heute auch wieder zu
hören – kein einziger Vorschlag, obwohl sie die euro-
päischen Vorgaben kennen, zu hören war, wie man dem
Aspekt der Rechtssicherheit für die Rechteinhaber, wie
man dem Aspekt der Durchsetzung der Rechte, wie es
auch der EuGH festgeschrieben hat, nachkommt . Kritik
kann man üben, aber konstruktive Vorschläge müssen
auch folgen .

Nun hoffe ich, dass die Gesetzesänderung, die wir
heute vornehmen, tatsächlich zu mehr freiem WLAN in
Deutschland führt . Ich stelle fest, dass wir nahezu alle
Projekte der Digitalen Agenda, die wir uns in dieser
Wahlperiode vorgenommen haben, umgesetzt haben, und
damit haben wir in der Digitalpolitik in Deutschland sehr
viel vorangebracht .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824408100

Vielen Dank, Herr Kollege Durz . – Ich schließe die

Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
des Telemediengesetzes .

Es liegen mehrere Erklärungen zur Abstimmung nach
§ 31 der Geschäftsordnung vor .1)

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13010,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
chen 18/12202 und 18/12496 in der Ausschussfassung
anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das
Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung
der Fraktion Die Linke angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie vorhin
angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cem
Özdemir, Dr . Anton Hofreiter, Oliver Krischer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Emissionsfreier Mobilität zum Durchbruch
verhelfen – Mit sauberen Autos Wettbewerbs-
stärke, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in
der Automobilwirtschaft erhalten

Drucksache 18/12948

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Matthias Gastel, Oliver Krischer,
Dr . Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Bahnpolitik auf das richtige Gleis setzen

Drucksachen 18/10383, 18/11219

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn

(Dresden), Markus Tressel, weiterer Abgeord-

neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Radverkehr konsequent fördern

Drucksachen 18/11729, 18/12816

1) Anlagen 7 und 8

Hansjörg Durz






(A) (C)



(B) (D)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst das
Wort dem Kollegen Cem Özdemir für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen .


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824408200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir Grüne diskutieren mit viel Leidenschaft über die Zu-
kunft des Automobils . Aber wir haben kein Benzin im
Blut, sondern wir haben die Automobilwirtschaft und
ihre Zukunft im Blick .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einige sehr se-
henswerte Videos über die letzten Parteitage von Bünd-
nis 90/Die Grünen . Ich denke beispielsweise an die Rede
des Daimler-Chefs Zetsche auf dem Bundesparteitag der
Grünen im Jahr 2016, wo er zusammen mit den Grünen
die Zukunft der Automobilwirtschaft erörtert hat . Ich
denke aber auch an den letzten Bundesparteitag der Grü-
nen 2017 in Berlin, auf dem wir beschlossen haben, dass
wir ab 2030 nur noch abgasfreie Fahrzeuge in Deutsch-
land zulassen wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir machen es uns bei diesen Debatten nicht leicht .
Aber wir müssen mit so einer Debatte auch nicht zum
Brigitte-Talk, schließlich geht es um eine Schlüsselindus-
trie unserer Volkswirtschaft, um 800 000 Beschäftigte .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das muss man schon ernst nehmen, meine Kolleginnen
und Kollegen . Es geht um einen tiefgreifenden Verände-
rungsprozess in unserer Volkswirtschaft, und wir sehen
die Aufgabe der Politik darin, dass wir Veränderungen
vorantreiben, dass wir notwendige Rahmenbedingungen
so gestalten, dass alle Marktteilnehmer am Ende eine
emissionsfreie Zukunft haben .

Ich will mal sagen: Wenn alle es so machen würden
wie der baden-württembergische Ministerpräsident mit
seiner grün-schwarzen Koalition, bräuchte man sich um
die Zukunft der Automobilwirtschaft in Deutschland
deutlich weniger Sorgen zu machen . Baden-Württem-
berg hat beispielsweise bereits ein Drittel mehr öffent-
liche Ladepunkte als das größere Nachbarland Bayern .
Die Landesregierung hat jetzt angekündigt, dass sie das
Netz um weitere 2 000 Ladepunkte ergänzen möchte . So
geht Zukunft, meine Damen, meine Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist auch dringend notwendig für die Zukunft un-
serer Industrie, für die Zukunft unseres Landes . Denn
Sie wissen: Für die Hersteller ist der Weltmarkt entschei-
dend, da verkaufen wir unsere Autos . Ich kann Ihnen nur
sagen: Wer schon einmal – wie ich – die Luft einer chi-
nesischen Millionenmetropole eingeatmet hat, der weiß,
dass der fossile Verbrenner keine Zukunft hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will nicht warten, bis ein chinesischer Industrieminis-
ter oder ein chinesischer Oberbürgermeister über die Zu-
kunft der deutschen Automobilindustrie entscheidet . Das
muss man hier entscheiden . Dann müssen wir aber auch
hier die Zukunft anpacken und uns nicht vor der Zukunft
fürchten, meine Damen, meine Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schon jetzt wird jedes zweite E-Auto weltweit in Chi-
na zugelassen . Indien hat angekündigt, ab 2030 nur noch
abgasfreie Autos zuzulassen . Porsche aus Stuttgart-Zu-
ffenhausen – das ist mein Kreisverband – hat diese Wo-
che angekündigt, dass ab 2023 die Hälfte der Produktion
emissionsfrei fahren soll . Wer es – wie der Porsche bei
uns im Ländle – schafft, dass bis 2023 die Hälfte der
Produktion emissionsfrei fährt, der schafft bis 2030 auch
100 Prozent emissionsfreie Fahrzeuge, meine Damen,
meine Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich vertraue den deutschen Ingenieuren, ich vertraue der
deutschen Wirtschaft – die können das .

Ich bin aber auch sehr dankbar dafür, dass die Arbeit-
nehmerseite mit der IG Metall an der Spitze gesagt hat,
Deutschland und Europa müssten zum Schaufenster für
die besten Umwelttechnologien beim Automobil wer-
den . – Recht hat die Arbeitgeberseite . Wir wollen mit
ihr gemeinsam die Zukunft anpacken; denn da geht es
schließlich auch um Arbeitsplätze und die Familien .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine Leidig [DIE LINKE]: IG Metall ist eigentlich nicht die Arbeitgeberseite!)


– Die Arbeitnehmerseite, sorry . Sie haben natürlich recht .

Im Deutschlandfunk hat der Automobilexperte Fer-
dinand Dudenhöffer das Ende des Verbrennungsmotors
eingeleitet, und Die Zeit fragt in dieser Woche auf der Ti-
telseite in großen Buchstaben: „Ist das Auto am Ende?“
Das heißt, die gesamte Welt diskutiert die Zukunft der
Mobilität . Ich muss korrigieren: die gesamte Welt bis auf
einen – bis auf Alexander Dobrindt . Alexander Dobrindt
diskutiert lieber eine unsinnige Maut . Ich hätte hier gern
zukünftig einen Verkehrsminister sitzen, der mit den Ar-
beitnehmern, mit den Arbeitgebern die Zukunft des Au-
tos in Deutschland diskutiert


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und keine schwachsinnige Maut, die am Ende mehr Bü-
rokratiekosten als Ertrag mit sich bringt, meine Damen,
meine Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Hans-Joachim Schabedoth [SPD])


Die Bundesregierung tut bislang so, als ginge sie der
Strukturwandel nichts an . Sie verabschiedet sich en pas-
sant von dem selbstgesteckten Ziel, 1 Million Elektroau-
tos auf die Straße zu bekommen . Die Kaufprämie stellt
sich als Rohrkrepierer heraus . Das Ganze wird dann noch
durch das Dieseldesaster von Herrn Dobrindt getoppt .
Ich finde, wenn man die Folgen der Dieselkatastrophe

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


anschaut, dann muss man doch sagen: Herr Dobrindt ist
nicht der Verkehrsminister dieser Republik, sondern er
ist der Bundesfahrverbotsminister . Denn seine Politik
wird dazu führen, dass künftig Dieselfahrer in Deutsch-
land ein dickes Handbuch brauchen, mit dem sie durch
Deutschland fahren . Sie müssen dann schauen, in welche
Stadt sie noch reinfahren dürfen und in welche nicht .

Wer eine solche Politik will, muss Herrn Dobrindt
wählen . Wir wollen hingegen im Interesse derjenigen,
die sich zu Recht auf das verlassen haben, was ihnen,
als sie ihr Auto gekauft haben, versprochen wurde, dafür
sorgen, dass das Verursacherprinzip gilt, dass die Autos
nachgerüstet werden und diejenigen dafür zahlen, die
den Fehler verursacht haben . Die Autofahrer dürfen nicht
die Gelackmeierten Ihrer Politik werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich ausdrücklich bei Oberbürgermeister
Reiter, SPD, bedanken . Übrigens ist er Mitglied einer
SPD-CSU-Koalition in der Landeshauptstadt München,
die deutlich macht, dass die Kommunalpolitiker auf uns
warten und sagen: Wir können das Problem, das ihr uns
beim Diesel eingebrockt habt, nicht beseitigen .

Meine Damen, meine Herren, deshalb ist die Bundes-
politik gefragt . Ich rate uns, dass wir der deutschen Auto-
mobilindustrie nicht das Schicksal von Nokia empfehlen .
Sie wissen, was mit Nokia, dem einstigen Weltmarktfüh-
rer, passiert ist . Nokia glaubte, dass man das Smartphone
ignorieren kann . Wer die Nokia-Strategie für die Auto-
mobilindustrie richtig findet, sollte die Große Koalition
wählen . Wer dagegen will, dass das Auto von morgen in
Deutschland erforscht, produziert und gebaut wird, muss
uns wählen .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824408300

Vielen Dank, Herr Kollege . – Jetzt hat der Kollege

Steffen Bilger für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1824408400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Emissionsfreier Mobilität zum Durchbruch verhelfen“,
so lautet der Titel des heute unter anderem zu debattie-
renden Antrags der Grünen . Emissionsfreie Mobilität
wünschen wir uns alle für die Zukunft . Doch ganz so
einfach, wie Sie es in Ihrem Antrag darstellen, ist es in
der Realität eben doch nicht . Aber immer der Reihe nach .

Wenn man Ihren Antrag zu lesen beginnt, klingt vieles
zunächst eigentlich begrüßenswert . Auf den vorliegen-
den vier Seiten schreiben Sie zu Beginn – ich fasse etwas
zusammen –: Deutschland sollte auch im 21 . Jahrhundert
Vorreiter und Innovationsführer einer nachhaltigen Mo-
bilität sein . Erneuerbare Energien sollen das Rückgrat
zur Reduzierung von Schadstoffen und Emissionen auch
beim Automobil werden . Das Auto der Zukunft ist ver-
netzt, zunehmend selbstfahrend und kombinierbarer Teil

der Reisekette . – Ich denke, bis dahin könnte man dem
durchaus zustimmen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gern! Sie sollten uns öfters zustimmen!)


Liest man Ihren Antrag jedoch weiter, zeigt sich, dass
Ihre Vorschläge zur Erreichung dieser Ziele in vielen
Punkten einem Wunschdenken entsprechen . Das hat mit
der Realität nicht viel zu tun . Die Realität ist komplex,
und komplexe Probleme erfordern gut durchdachte, um-
sichtige und kluge Lösungen .

Das, meine Damen und Herren, gilt ganz besonders
im Autoland Deutschland . Wir haben Verantwortung für
Arbeitsplätze und für die Zukunft dieser Schlüsseltech-
nologie . Dauerhafte und nachhaltige Lösungen brauchen
wir, um den großen Herausforderungen im Mobilitäts-
und Verkehrsbereich zu begegnen . Der Personen- und
Güterverkehr wird allen Prognosen nach in den nächsten
Jahren noch einmal deutlich zunehmen . In einer hoch-
modernen Gesellschaft mit einer leistungsfähigen Wirt-
schaft sind wir auf eine schnelle, flexible und sichere
Mobilität angewiesen .

Auf der einen Seite gibt es diese Herausforderung . Auf
der anderen Seite muss der Verkehrssektor seinen Beitrag
zur Erreichung der Klimaziele leisten . Auch die lokalen
Schadstoffemissionen dürfen wir natürlich keinesfalls
aus dem Blick verlieren . Aber noch einmal: Deutschland
ist Autoland . Wohlstand und Innovationskraft hängen eng
mit der Entwicklung und dem Bau von Fahrzeugen und
Fahrzeugkomponenten zusammen . Damit das so bleibt –
daran besteht gar kein Zweifel –, muss Deutschland bei
den Themen Elektromobilität und alternative Antriebe,
aber auch beim automatisierten und autonomen Fahren
und bei neuen, innovativen Mobilitätskonzepten ganz
vorne mit dabei sein .

In der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode haben
wir bereits viel unternommen, um die Mobilität der Zu-
kunft zu gestalten,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


weshalb ich auch ein Stück weit Bilanz ziehen möch-
te . Erst kürzlich haben wir das Straßenverkehrsrecht
so geändert, dass automatisiertes Fahren auf dem Weg
zum autonomen Fahren auf deutschen Straßen möglich
ist . Mit dem Elektromobilitätsgesetz haben wir die Be-
vorrechtigung für Elektrofahrzeuge geregelt . Der Bund
nimmt viel Geld in die Hand: mit der sicherlich umstrit-
tenen Kaufprämie beim Paket für die Elektromobilität


(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die hat nicht funktioniert!)


und vor allem mit dem Förderprogramm für die Ladein-
frastruktur .

Jüngste Zahlen, meine Damen und Herren, zeigen,
dass die Förderungen langsam greifen und das Interes-
se steigt . Das Ziel von 1 Million Elektrofahrzeugen bis
2020, das wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart hat-
ten, wird infrage gestellt, sicherlich . Allerdings haben
wir in der Nationalen Plattform Elektromobilität auch

Cem Özdemir






(A) (C)



(B) (D)


noch andere Ziele vereinbart, zum Beispiel 6 Millionen
bis 2030 . Dieses Ziel halte ich durchaus für realistisch .

Umso wichtiger für den Ausbau der Elektromobili-
tät ist aber die Ladeinfrastruktur . Anfang des Jahres gab
es den Startschuss für den flächendeckenden Ausbau
der Ladeinfrastruktur, mit dem in den nächsten Jahren
15 000 Ladesäulen entstehen werden . Ich bin sehr froh,
dass dieses Programm sehr gut angenommen wird .

Mit dem Nationalen Innovationsprogramm Wasser-
stoff und Brennstoffzellentechnologie, das nun in seine
zweite Phase gestartet ist, haben wir viele Fortschritte für
den Einsatz der Brennstoffzelle im Mobilitätsbereich er-
zielen können. Auch der Aufbau eines flächendeckenden
Netzes von Wasserstofftankstellen ist in vollem Gange .
Wir wollen bis 2019 eine Grundversorgung garantieren .
Es ist unser Ziel, bis 2023 400 Wasserstofftankstellen in
Deutschland zu etablieren .

Wenn man sich mit alternativen Antrieben beschäftigt,
wird man immer wieder gefragt: Was wird sich durch-
setzen: batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, Wasserstoff,
andere alternative Antriebe? Ich glaube, diese Frage ist
für uns als Politik gar nicht so entscheidend . Vielmehr
müssen wir technologieoffen sein, damit unser Land im
Bereich „Mobilität der Zukunft“ weiterhin an der Spitze
steht .

Vieles ist auf einem guten Weg, aber neue Technologi-
en brauchen Zeit, um sich sozial und ökonomisch nach-
haltig zu entwickeln . Ziel unserer Förderung muss es
immer sein, die Wettbewerbsfähigkeit der Technologien
voranzubringen, damit sie am Ende des Prozesses ohne
staatliche Hilfen und Subventionen auskommen .

Nicht zuletzt muss die Energiewende weiter voran-
schreiten;


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die bremsen Sie aus!)


denn eine Elektromobilität ohne erneuerbare Energien
verlagert das Problem der CO2-Emissionen nur aus den
Innenstädten hin zu den Kraftwerken . Nachhaltigkeit
heißt, ökonomische, soziale und ökologische Aspekte in
Einklang zu bringen . Nur dann kann eine erfolgreiche
Transformation gelingen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie
scheinen beim Verfassen Ihres Antrags genau das, was
ich eben dargestellt habe, völlig vergessen zu haben . Kei-
ne Frage: Interessante Ideen sind enthalten, beispielswei-
se die Forderung, dass Betreiber innerstädtischer Flotten
wie beispielsweise Lieferdienste, Taxis und Pflegedienste
stärker in den Fokus genommen werden und Hemmnisse
im Wohnungseigentums- und Mietrecht beseitigt werden
müssen . Das sind alles Punkte, die wir in der kommen-
den Legislaturperiode angehen wollen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der kommenden Legislaturperiode! Ach! Vier Jahre nichts gemacht!)


Ihre Forderung hingegen, ab 2030 ausschließlich Au-
tos mit abgasfreiem Antrieb zuzulassen, entbehrt jegli-

cher Grundlage; das ist fernab der Realität . Als Politiker
sind wir doch gefordert, die Autofahrer, die Mobilitäts-
nutzer mitzunehmen auf dem Weg der Mobilität der Zu-
kunft . Wir sind hier nicht in einer Planwirtschaft, in der
unrealistische Parteitagsbeschlüsse umgesetzt werden,
ohne gründlich geprüft zu haben, ob diese Vorstellungen
überhaupt realistisch sind .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Oh!)


Ich kann es Ihnen nicht ersparen, das bereits angespro-
chene Video von Herrn Kretschmann noch einmal zu the-
matisieren; es wurde in dieser Woche hier im Bundestag
schon einige Male angesprochen . Herr Kretschmann hat
seiner Partei sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben,
wo er die Probleme solcher Beschlüsse sieht, die wenig
realistisch sind .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er macht was!)


– Ja, zum Beispiel hat er sich kürzlich einen neuen Diesel
gekauft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Aussage von Herrn Kretschmann war: Ihr habt
keine Ahnung! Es seien Schwachsinnstermine, die mit
dem Jahr 2030 gesetzt werden . Kollege Gastel, Sie ha-
ben darauf hingewiesen, es gäbe unterschiedliche Rollen
zwischen Bundestagsfraktion und Grünen in Regierungs-
verantwortung, die Bundestagsfraktion müsse schließ-
lich ihr eigenes Klientel bedienen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und erweitern!)


Nun gut, diese Diskussion mögen Sie gerne innerpartei-
lich führen .

Ein realistischer Blick führt zu dem Ergebnis: Wir
brauchen mittelfristig einen guten Mix aus Elektroautos
und Hybriden, aber auch Fahrzeugen mit hocheffizienten
Verbrennungsmotoren, die uns helfen, unsere gesteckten
Klimaziele zu erreichen und Emissionen weiter zu ver-
meiden .

Sie wissen, ich bin ein großer Befürworter der Elektro-
mobilität . Ich habe mich sehr gefreut, dass ich kürzlich
sogar von Arnold Vaatz, mit dem wir immer spannende
Diskussionen führen können, nach Dresden eingeladen
wurde, um für das Thema zu werben .

Ich sehe durchaus die Chancen der Elektromobilität .
Die Elektromobilität ist für mich die Zukunft . Ich will
aber auch nicht verhehlen, dass sie kein Allheilmittel
ist . Deswegen sollten wir auch nicht den Fehler machen,
bestimmten Technologien den Vorrang zu geben: Förde-
rung ja, aber Verbote nein . Da treffen die unterschiedli-
chen Denkweisen unserer Fraktion und der Grünen auf-
einander . Bei den Grünen geht es immer noch zu sehr
um Verbote . Ich will hier keine Kommunal- oder Landes-
politik machen, aber am Beispiel Stuttgart, wo der grü-
ne Oberbürgermeister mit seinem Ansatz scheitert, weil
im Gemeinderat außer der Grünenfraktion keine einzige
Fraktion den Vorschlag, Fahrverbote in Stuttgart umzu-
setzen, unterstützt, wird deutlich: Wir brauchen andere

Steffen Bilger






(A) (C)



(B) (D)


Lösungen . Wir brauchen Maßnahmenpakete, mit denen
wir auf Innovation und nachhaltige Mobilität setzen . Wir
wollen Fahrverbote vermeiden .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann muss man was machen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn? Was macht die Bundesregierung? – Gegenruf des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Danke sagen macht die Bundesregierung!)


Ich möchte zum Abschluss allen Kolleginnen und
Kollegen Danke sagen, die mit dieser Legislaturperiode
ausscheiden werden . Ich möchte besonders Dirk Fischer
erwähnen, der uns jüngere und neue Abgeordnete inner-
halb der Unionsfraktion in die Verkehrspolitik eingeführt
hat . Ich freue mich auf deine letzte Rede gleich, lieber
Dirk .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824408500

Vielen Dank, Steffen Bilger . – Nächste Rednerin:

Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824408600

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich bin erstaunt, dass die
Grünen jetzt mit der CDU darum wetteifern, wer die Au-
tomobilindustrie am besten befriedigen kann .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht ums „Befriedigen“! Das ist eine Schlüsselindustrie! 800 000 Jobs!)


Aus Sicht der Linken stehen die Interessen der Men-
schen im Mittelpunkt, und zwar aller Menschen, die in
unseren Städten und Gemeinden leben, aber auch die In-
teressen der Menschen, die nicht hier leben, sondern im
globalen Süden, und die – das wissen Sie genauso gut
wie ich – Opfer von Umweltzerstörungen sind .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die brauchen auch Umweltschutz!)


Auch diese Menschen verlieren wir nicht aus dem Blick .
Das ist unsere Perspektive . Uns geht es nicht um die Ge-
winne der Automobilindustrie .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich zitiere:

Die Marktprognosen versprechen bis zu einer Milli-
on . . . E-Mobile in den nächsten fünf Jahren .

Das stand in der VCD-Zeitschrift fairkehr, und zwar vor
einem Vierteljahrhundert, im März 1991 . Das gleiche
Ziel gilt immer noch, jetzt für das Jahr 2020 . Aber man
wird erneut scheitern . Aktuell haben wir gerade einmal
57 000 Elektroautos in Deutschland . Insgesamt haben

wir aber 12 Millionen Autos mehr als 1990 auf unseren
Straßen . Das ist das Problem .


(Beifall bei der LINKEN)


Der Antrag der Grünen zur emissionsfreien Mobili-
tät ist wirklich geprägt von männlicher Technikgläubig-
keit – ich hätte es nicht für möglich gehalten – und dem
Wunsch, das Auto als deutschen Exportschlager in der
Welt zu behalten . Als ob wir keine anderen Sorgen hät-
ten! Es wäre viel besser, wir würden eine wirklich um-
weltverträgliche Mobilität entwickeln und dafür sorgen,
dass auch andere davon profitieren. Es sollte nicht um
„deutsche Autos überall in der Welt“ gehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Übrigens teilen Sie diese Ausrichtung mit dem von Ihnen
oft gescholtenen Verkehrsminister Dobrindt . Auch des-
sen Ziel ist es, „deutsche Autos überall in der Welt“ an
die erste Stelle zu setzen . Dieses Ziel teilen wir wirklich
nicht .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist gegen die Arbeitsplätze! – Ulrich Lange [CDU/ CSU]: Was wollen Sie dann umverteilen?)


Herr Özdemir, Sie haben gerade bejubelt, dass 2016
in China rund eine halbe Million Elektroautos verkauft
wurden . Tatsächlich sind 2016 in China aber vor allem
28 Millionen Kraftfahrzeuge mit konventionellen An-
trieben verkauft worden, und das, obwohl der chinesi-
sche Staat den Käufern von Elektroautos insgesamt rund
24 000 Euro pro Fahrzeug zahlt . Ich meine, es kann nicht
Sinn der Sache sein, dass man Geld hinterherschmeißt,
damit sich die Leute noch mehr Autos anschaffen . Das
ist kein Beitrag zur sozialökologischen Verkehrswende .


(Michael Donth [CDU/CSU]: Dann müssen Sie das den Chinesen erklären, Frau Leidig!)


Elektroautos sind auch nicht der Inbegriff moderner
Mobilität in den Städten, wie es in dem Antrag der Grü-
nen heißt .


(Beifall der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE] – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir nicht gesagt!)


Auch mit Batterieantrieb stehen diese Fahrzeuge den
größten Teil der Zeit . Sie nehmen Raum für Spielplätze
oder Raum für Radwege weg, oder sie stehen im Stau .

Oslo ist heute die Stadt mit den meisten Elektroau-
tos weltweit, und zwar auch, weil man dafür insgesamt
20 000 Euro Förderung vom norwegischen Staat be-
kommt . Fakt ist allerdings, dass 60 Prozent dieser Elek-
troautos als Zweit- oder Drittwagen angeschafft worden
sind, die Elektroautobesitzer insgesamt mehr Auto fahren
und die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zurückge-
gangen ist . Im Ergebnis heißt Elektromobilität hier also
konkret: noch mehr Autos in der Stadt . Und das ist wirk-
lich völliger Unsinn .


(Beifall bei der LINKEN)


Wirklich schräg ist auch Ihre Behauptung, Elektroau-
tos seien emissionsfrei oder gar sauber . Das ist wirklich
eine grobe Täuschung . Sie wissen genauso gut wie wir,

Steffen Bilger






(A) (C)



(B) (D)


dass, wenn man den gesamten Produktionsprozess be-
rücksichtigt, die CO2-Emissionen von Elektrofahrzeugen
nicht wesentlich geringer sind als von normalen Fahr-
zeugen, da für die Batterieproduktion viel mehr Energie
gebraucht wird als für die Produktion eines normalen
Motors . Hinzu kommt aber, dass für die Herstellung von
Batterien viele kritische Rohstoffe gebraucht werden . Ich
nenne nur Lithium und Kobalt; es gibt noch andere, de-
ren Vorkommen unter katastrophalen Umweltbedingun-
gen und unter menschenverachtenden Arbeitsbedingun-
gen im globalen Süden ausgebeutet werden .

Das wollen wir nicht . Wir wollen nicht weiter auf
Kosten von anderen leben . Wir wollen wirklich vernünf-
tige Auswege aus dieser Automobilgesellschaft finden.


(Sören Bartol [SPD]: Was wollt ihr denn dann? Willst du Zeppelin fahren? Was willst du denn?)


Dafür gibt es probate Mittel . Dazu liegen Vorschläge auf
dem Tisch . Übrigens haben auch die Grünen hier zwei
Anträge dazu vorgelegt, einen zur Förderung der Bahn
und einen zur Förderung des Fahrradverkehrs . Stecken
Sie das Geld, das Sie zum Pampern der Automobilin-
dustrie verschleudern, in den öffentlichen Nahverkehr .
Stecken Sie das Geld in vernünftige Elektromobilität: in
Straßenbahnen, in S-Bahnen und in Eisenbahnen . Damit
tun Sie – das fordern wir auch – viel mehr für die Ge-
sellschaft, für einen sozialökologischen Umbau und auch
für eine nachhaltige Mobilität, als wenn jetzt individuell
noch mehr Elektroautos gefördert würden . Diesen Weg
lehnen wir ab .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824408700

Vielen Dank, Sabine Leidig . – Nächster Redner: Arno

Klare für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Arno Klare (SPD):
Rede ID: ID1824408800

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich fasse einmal
zusammen, was ich so in den Reden – vor allen Dingen
gerade in der von Herrn Özdemir – gehört habe:

Erstens . Die Energiewende kann nur gelingen, wenn
man eine Verkehrswende herbeiführt . – Da würden Sie
mir erst einmal zustimmen .

Zweitens . Wir werden die Klimaschutzziele, die wir
uns da gesetzt haben, auch nur in Verbindung von Öko-
logie und Ökonomie – also wenn es sozusagen ein Busi-
ness Case gibt – realisieren können . Das ist erforderlich,
um keine Deindustrialisierung zu betreiben .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein „und“ und kein „oder“!)


– Ja, genau .

Drittens . Den großen Transformationsprozess, den wir
der Gesellschaft hier abverlangen, werden wir nur dann
mit Akzeptanz hinbekommen, wenn wir unserer Gesell-

schaft eine Wohlstandsperspektive und damit eine indus-
triepolitische Perspektive vorstellen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut!)


– Sie stimmen mir da zu .

Diese drei Punkte stellen den Grundtenor des Klima-
schutzplans der Bundesregierung dar . Da steht ja alles
drin . Das heißt, dass das, was Sie jetzt hier sozusagen als
das große Novum verkaufen, schon längst formuliert ist .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch nichts! In Überschriften sind Sie klasse! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme jetzt zu einzelnen Punkten Ihres Forde-
rungskatalogs . In Ihrer ersten Forderung steht irgendet-
was von Treibhausgasneutralität, die der Verkehrssektor
im Jahr 2050 erreichen muss . Darin stimme ich Ihnen
sofort zu . Das ist absolut richtig .

Und dann steht dort weiter, dass es ab dem Jahr 2030
nur noch Autos mit abgasfreien Antrieben geben solle .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Neufahrzeugen!)


Ich will mich gar nicht auf das für Neufahrzeuge geltende
Datum versteifen, sondern darauf, dass von „abgasfrei“
die Rede ist . Was ist mit EE-Strom-basiertem CH4? Da
spreche ich nicht mehr von CNG – Compressed Natural
Gas –, sondern von CG, also von wirklich treibhausgas-
neutral hergestelltem CH4 .

Wenn ich die Autos damit fahren lasse, sind diese –
was also den Betrieb anbelangt – nicht abgasfrei . Aber
der gesamte Kreislauf, der dahinter steht, ist treibhaus-
gasneutral . Also bitte bedenken Sie das .

Greenpeace hat vor wenigen Tagen in seinem Haupt-
stadtbüro in der Marienstraße eine Studie vorgestellt,
die sich nicht allein mit diesem Thema befasst, sondern
mit dem Thema Speicherung . Dabei wurde gesagt, dass
wir vermehrt genau auf diese Gastechnologie – Wind to
Gas – setzen müssen, um im ökologischen Bereich vo-
ranzukommen . Wenn Sie aber die abgasfreien Antriebe
fordern, dann setzen Sie auf ein All-Electric-Szenario,
das ich für falsch halte . Denken Sie noch einmal darüber
nach .

Ich werde noch kursorisch ein paar Punkte anspre-
chen . Unter Punkt 4 Ihres Antrages sprechen Sie die Be-
steuerung von Dienstwagen an, die an den CO2-Ausstoß
zu koppeln sei. Das findet sofort meine persönliche Zu-
stimmung und auch die der SPD-Bundestagsfraktion . –
Jetzt können Sie doch einmal sagen, dass es toll ist, dass
ich das gesagt habe .

Ich kann mir vorstellen – damit könnte ich mich auch
anfreunden –, über ein Bonus-Malus-System, das Sie
hier vorschlagen, nachzudenken . Auch bin ich durchaus
bereit – mit Stephan Kühn haben wir gestern bei Uber

Sabine Leidig






(A) (C)



(B) (D)


darüber diskutiert –, § 2 Absatz 7 des Personenbeförde-
rungsgesetzes – da geht es um eine Experimentierklau-
sel – etwas auszuweiten und mehr Möglichkeiten zu
schaffen . Darin waren wir uns gestern in der Diskussion
auch einig . Ich will aber nicht, dass dann die Ubers die-
ser Welt sozusagen für die Prekarisierung von Arbeits-
verhältnissen sorgen . Das will ich nicht, und auch die
Sozialdemokratie will das nicht .

In diesem Papier finden sich durchaus viele Dinge. Da
ist zum Beispiel von Wagniskapital die Rede . Ob Sie jetzt
aber den Start-ups mit einem steuerlichen Forschungs-
bonus irgendetwas Gutes tun, wage ich zu bezweifeln .
Die bezahlen nämlich keine Steuern . Damit würden Sie,
wohlgemerkt, die großen Start-ups fördern und nicht die
kleinen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen ist es ein Steuerbonus!)


– Ja, der Steuerbonus muss von der Steuerschuld abge-
zogen werden . Die haben aber gar keine Steuerschuld .
Also seien Sie vorsichtig damit . Die brauchen eine direk-
te Zahlung bzw . ein Venture Capital .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist gemeint!)


– Wenn das so gemeint sein soll, dann drücken Sie es kla-
rer aus . Dann können wir das durchaus als Basis nehmen,
um eventuell in irgendwelchen Verhandlungen, die wir
zukünftig führen werden, darüber zu reden . Insofern ist
das, was hier steht, durchaus vernünftig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können wir mitklatschen!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824408900

Vielen Dank, Arno Klare . – Ja, dann kommt jetzt die

Rede von Dirk Fischer .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1824409000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Grünen erheben in ihrem Antrag zur Bahnpolitik
Vorwürfe, die unberechtigt und teilweise sogar gegen
sich selbst gerichtet sind .

Beispiel 1 . Die Abschaffung des Interregios mit dem
Schwerpunkt in den Jahren 2001 und 2002 fand unter
einer rot-grünen Bundesregierung statt, als die Grünen
als Juniorpartner der Koalition sogar im Aufsichtsrat der
DB AG gesessen haben .

Ich habe seinerzeit als Sprecher der Opposition hef-
tig dagegen protestiert, dass Herr Mehdorn aus einem
überwiegend eigenwirtschaftlichen Personenfernverkehr
in einen bezuschussten Nahverkehr gewechselt ist . Die
Grünen haben nichts dagegen getan . Die Bahngewerk-
schaft forderte den Interregio zurück – auch mit dem
Argument, 300 Reisekilometer in einem Interregio sei-

en unzumutbar . Die Grünen haben der Gewerkschaft die
kalte Schulter gezeigt .

Beispiel 2 . Die Grünen werfen der Bundesregierung
vor, die Elektromobilität auf der Straße mit neuen Steu-
ersubventionen und mit einer Kaufprämie zu päppeln .
Der Titel Ihres heutigen Antrags heißt dagegen: „ . . . Mit
sauberen Autos Wettbewerbsstärke, Wertschöpfung und
Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft erhalten“ . Ich
frage: Was gilt denn nun?


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kennen die Absatzzahlen?)


Beispiel 3 . Die Grünen beklagen die geringeren Maut-
gebühren für Lastkraftwagen und verschweigen, dass
der Bund in Brüssel seine EU-binnenmarkterheblichen
Mautgebühren genehmigt erhalten muss . Er muss den
Kostennachweis führen . Die Zinsen sind gesunken, und
deswegen mussten die Mautgebühren gesenkt werden .
Sonst hätte es in Brüssel gar keine Genehmigung gege-
ben .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten die Senkung der Lkw-Maut verhindern können! Das wissen Sie ganz genau! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten die Umweltkosten anrechnen können! Das haben Sie nicht getan!)


Ich frage: Warum sollte ein Bundesverkehrsminister
nach Ihrem Verständnis sonst freiwillig auf Geld für die
Infrastruktur verzichten?

Beispiel 4 . Die Grünen werfen Bundesverkehrsminis-
ter Dobrindt ein Durchwursteln vor,


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


ohne seinen Erfolg in Form des deutlichen Investitions-
hochlaufs für die Infrastruktur anzuerkennen . Das Ge-
genteil ist also richtig, und ich könnte dafür noch eine
Fülle weiterer Beispiele nennen .

Die Grünen erheben in ihrem Antrag zudem Forde-
rungen, die entweder bereits umgesetzt sind oder sich
auf gutem Wege befinden. Das ist teilweise verzeihlich,
weil Ihr Antrag zur Bahnpolitik vom 22 . November 2016
stammt und der Masterplan Schienengüterverkehr vom
23 . Juni 2017 .

Es ist erfreulich, dass wir lesen können, dass wir auch
viele Ziele gemeinsam vertreten und unterstützen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss ja kein Schaden sein!)


Daraus folgt gleichwohl, dass es nicht nötig ist, heute Ih-
ren Antrag zu beschließen;


(Beifall bei der CDU/CSU – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Weil Sie sonst nichts machen!)


Arno Klare






(A) (C)



(B) (D)


denn mit dem Masterplan Schienengüterverkehr ist wirk-
lich ein großer Wurf gelungen, der es sogar in die Tages-
schau zur besten Sendezeit geschafft hat .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nur Ankündigungen! – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dick im Kalender anstreichen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist in der Großen Koalition schon ein Erfolg!)


Vertreter von Bahnverbänden und der Logistik,
beispielsweise der Allianz für Schiene, des BDI, der
DB AG, des VDV, des Deutschen Verkehrsforums etc .,
und Bahnexperten aus der Wissenschaft und der Digital-
wirtschaft haben sich unter der Leitung von Staatssekre-
tär Odenwald mit dem Bundesverkehrsministerium auf
einen umfangreichen Maßnahmenkatalog geeinigt, der
die Stärkung des Schienengüterverkehrs zum Ziel hat .
Damit ist auch die von den Grünen geforderte Reform-
kommission bereits erledigt .

Es geht jetzt darum, die vereinbarten Sofortmaß-
nahmen möglichst rasch umzusetzen: Ertüchtigung des
Schienennetzes für 740-Meter-Züge, Neu- und Ausbau
der Hauptknoten im Schienennetz, Reduzierung von
Anlagen- und Trassenpreisen, Bereitstellung von Bun-
desmitteln für die Digitalisierung des Netzes und von
Schienenfahrzeugen .

Prognosen gehen davon aus, dass die Verkehrsleistung
der Gütertransporte auf der Schiene bis 2030 um 43 Pro-
zent wachsen wird, und ich denke, die Regierungskoali-
tion hat in dieser Legislaturperiode das einzig Richtige
getan: Sie hat den Erhalt, die Modernisierung und den
Ausbau der bundeseigenen Schieneninfrastruktur für die
kommenden Jahre auf eine verlässliche Finanzierungs-
grundlage gestellt – genau so, wie es im Koalitionsver-
trag steht .

Wir haben dabei die Ziele der Bahnreform nie au-
ßer Acht gelassen, im Gegensatz – das muss ich einmal
sagen – zur Opposition, die mit ihren Anträgen immer
wieder das Aktiengesetz verletzen oder Maßnahmen er-
greifen wollten, die den Bundeshaushalt in einem unre-
alistischen Maße strapaziert hätten oder die nicht zum
grundgesetzlich verankerten Aufgabengebiet des Bundes
gehören . Deswegen mussten wir sie ablehnen .

Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass die
Schiene durch den neuen Bundesverkehrswegeplan eine
erhebliche Aufwertung erfahren hat . Allein die Mittel für
die Schiene liegen bis 2030 bei 112,3 Milliarden Euro .
Das sind 41,6 Prozent der Gesamtmittel von 270 Milliar-
den Euro . Im Vergleich zu den 72,3 Milliarden Euro des
Bundesverkehrswegeplans von 2003 der seinerzeitigen
rot-grünen Bundesregierung ist das eine Steigerung um
40 Milliarden Euro .

Mit dem neuen Bundesschienenwegeausbaugesetz
werden die Hauptachsen und Knoten deutlich gestärkt,
da 87 Prozent der Mittel in großräumig bedeutsame Pro-
jekte fließen werden. 800 Kilometer Engpässe auf Schie-
nen können in den nächsten Jahren beseitigt werden . Die
Elektrifizierung wird deutlich vorangetrieben. Wir haben

den Bundesverkehrswegeplan erstmals am Ziel eines
Deutschland-Taktes


(Beifall des Abg . Sören Bartol [SPD])


mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen
sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen ausgerich-
tet . 3,3 Milliarden Euro sind allein für den Ausbau von
Schienenknoten und für den Deutschland-Takt vorgese-
hen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Bundesregierung hat mit Unterstützung der Koali-
tionsfraktionen mehrere Förder- und Bundesprogramme
verstetigt und teilweise die Bundesmittel dafür deutlich
aufgestockt . Beispiele: Es gibt weiterhin 333 Milli-
onen Euro für das restliche, beim Bund verbliebene
GVFG-Programm für große Nahverkehrsprojekte . Für
die Förderung des Neu- und Ausbaus bzw . der Reakti-
vierung von privaten Gleisanschlüssen gibt es weiterhin
14 Millionen Euro jährlich . In die Förderung des kombi-
nierten Verkehrs fließen jährlich knapp 93 Millionen und
in die Förderung der Schienenwege nicht bundeseigener
Eisenbahnen, die Teil des Güterverkehrsnetzes sind, jähr-
lich 25 Millionen Euro .

Wir haben die Regionalisierungsmittel des Bundes
für Investitionen und Bestellungen von subventionierten
Nahverkehrsleistungen in 2016 auf 8,2 Milliarden Euro
erhöht . Die Länder erhalten bis 2031 aus Bundesmitteln
insgesamt mehr als 150 Milliarden Euro für ein bedarfs-
gerechtes Angebot im Schienenpersonennahverkehr .
Weiterhin erwähne ich die Lärmsanierung an Schienen-
wegen und die Förderung leiser Güterwagen, das Moder-
nisierungsprogramm für kleine Bahnhöfe, Seehafen-Hin-
terland-Programme und, und, und .

Wir haben in dieser Legislaturperiode umfangreiche
Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, um Neu- und
Ausbauprojekte zu ermöglichen: in diesem Jahr 5 Milli-
arden Euro . Das sind 40 Prozent der Gesamtinvestitionen
des Bundes in die deutsche Verkehrsinfrastruktur . Ich
verweise auf den Abschluss der zweiten Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung . Damit werden Erhalt und
Sanierung der bundeseigenen Schienenwege gesichert .
Der Bund wird bis 2019 rund 20 Milliarden Euro für Er-
satzinvestitionen in das Bestandsnetz bereitstellen . Neh-
me ich noch die Eigenmittel der DB AG hinzu, so wird
bis 2019 die Rekordsumme von 28 Milliarden Euro in
das Schienennetz gehen . Das sind Zahlen, die nach mei-
ner Auffassung klar für sich sprechen . Liebe Kollegen
und Freunde von den Grünen, Sie als rot-grüne Bundes-
regierung haben das seinerzeit nicht zustande gebracht;
das muss ich feststellen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Frau Präsidentin, gestatten Sie mir in
meiner letzten Rede vor dem Deutschen Bundestag eini-
ge persönliche Bemerkungen . Mit meinem heutigen Bei-
trag zur Bahnpolitik schließt sich für mich ein Kreis . Am
26 . November 1981 erteilte mir der Vizepräsident des
Deutschen Bundestages Georg Leber, den wir alle immer

Dirk Fischer (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


nur „Schorsch“ nannten, das Wort zu meiner ersten Rede
im Deutschen Bundestag .


(Sören Bartol [SPD]: Wahnsinn!)


Auch dies ist symbolhaft; denn Schorsch Leber war
sowohl unter Bundeskanzler Kiesinger als auch unter
Bundeskanzler Willy Brandt von 1966 bis 1972 Bundes-
verkehrsminister . Wir erinnern uns an den sogenannten
Leber-Plan, der die Verlagerung von Massengütern von
der Straße auf die Bahn vorsah .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Hat nicht geklappt!)


Ich darf wohl feststellen, dass dieses Thema seit 1966 –
bis heute – immer noch nicht vollständig erledigt ist .


(Heiterkeit bei der SPD – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Es gibt etwas noch Schöneres . Denn Schorsch Leber
sagte 1966 auch: Kein Deutscher soll mehr als 20 Kilo-
meter von einer Autobahnauffahrt entfernt leben müs-
sen . – Ich glaube, auch das haben wir noch nicht ge-
schafft .


(Sören Bartol [SPD]: Das wollen wir auch nicht mehr! – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gut so!)


Meine erste Rede habe ich damals zu einer Großen
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion – in der Opposition –
mit dem Titel „Deutsche Bundesbahn“ gehalten . Das war
verbunden mit der zweiten und dritten Lesung eines Drit-
ten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes . Das
war in Wahrheit die Bahnreform des Bundesverkehrsmi-
nisters Volker Hauff, in deren Folge dann Reiner Gohlke
Bahnchef wurde und Herrn Vaerst ablöste . Ich muss fest-
stellen: Das war nicht die letzte Bahnreform .


(Sören Bartol [SPD]: Und du warst immer dabei!)


Wir haben 1993 die noch heute bestehende große
Bahnreform beschlossen und aus einer Behördenbahn
eine Aktiengesellschaft gemacht . In meiner Rede heute
durfte ich mich wieder mit dem Thema Bahn auseinan-
dersetzen, und ich darf feststellen, dass bei mir die Bahn
also parlamentarisch im Kreis gefahren ist .


(Heiterkeit bei der SPD)


Nach 48 Jahren im Parlament, davon 37 Jahre im
Deutschen Bundestag, habe ich mich stets und insbeson-
dere mit der Verkehrspolitik – zu Land, zu Wasser und in
der Luft – befasst und mich mit den jeweiligen Verkehrs-
trägern und ihrer Vielfalt von Verbänden und Unterneh-
men, auch mit den Interessen der Länder und Kommunen
auseinandergesetzt .

Wir haben jetzt sicher nicht genug Zeit, um Bilanz zu
ziehen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade eigentlich!)


Ich glaube aber, doch einige gute Werkstücke der Politik
erzeugt oder miterzeugt zu haben, die für Land und Leute
gut gewesen sind .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will aber einschränkend sagen: Niemand ist allein
erfolgreich, sondern nur gemeinsam mit Kolleginnen und
Kollegen verschiedener Fraktionen, in wechselnden Ko-
alitionen, mal in der Regierung und mal in der Oppositi-
on, und dabei unterstützt von hervorragenden Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern im Bundesministerium, in der
eigenen Fraktion, denen hier auch ein großes Wort des
Dankes gilt . Aus dieser Arbeit ist auch fraktionsübergrei-
fend eine große Zahl vieler verlässlicher menschlicher
Beziehungen und Freundschaften entstanden . Und dafür
sage ich einfach: Herzlichen Dank .


(Beifall im ganzen Hause – Dr . Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt sag noch etwas zum Fußball!)


Aber ich bekenne auch ausdrücklich, dass ich jetzt
nach diesen vielen Parlamentsjahren unverändert als
begeistertes Mitglied unserer parlamentarischen Demo-
kratie, die nach Winston Churchill „von allen schlechten
Staatsformen immer noch die allerbeste“ ist, ausscheide .
Deswegen wünsche ich unserem Land und unserem Par-
lament, dem Deutschen Bundestag, eine gute Zukunft .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN – Die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD sowie Abgeordnete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich von ihren Plätzen)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409100

Lieber Dirk Fischer, Sie sehen, das ganze Haus be-

dankt sich bei Ihnen . Sie haben diesem Haus 37 Jahre als
streitbarer Hanseat – ich komme aus dem Süden; das war
für mich erst einmal etwas Neues – ein Gesicht gegeben .

Wenn man Herrn Fischer wirklich leidenschaftlich er-
leben will, dann muss man auf den Fußballplatz gehen .
Auch dafür danke ich Ihnen: für Ihre streitbare, leiden-
schaftliche Arbeit beim DFB, beim Norddeutschen Fuß-
ball-Verband und beim Hamburger Fußball-Verband . Ich
weiß nicht, ob Sie Sankt Paulianer oder HSVler sind .


(Zurufe: Oh! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: HSV und Union Berlin!)


– Okay . Wenn Sie HSVler sind, dann treffen wir uns zu-
sammen mit Herrn Bosbach – mit ihm bin ich schon ver-
abredet –, wenn der HSV gegen Augsburg spielt . Aber
wir können auch mal zu Sankt Pauli gehen .


(Dr . Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Er ist Rekordspieler beim FC Bundestag!)


Wir wünschen Ihnen, dem streitbaren und leiden-
schaftlichen Kollegen Dirk Fischer alles, alles Gute .


(Beifall – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/ CSU]: Herzlichen Dank!)


Dirk Fischer (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


Nächster Redner: Herbert Behrens für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824409200

Auch mein Dank für die Zusammenarbeit gilt dem

Kollegen Fischer, den ich aus dem Verkehrsausschuss
sehr gut kenne . Auch von meiner Seite aus alles Gute für
Ihre Zukunft!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir
uns am Ende der Legislaturperiode noch einmal mit ei-
nem zentralen verkehrspolitischen Thema – eher einem
Problem – auseinandersetzen . Es geht nämlich um den
unrühmlichen Beitrag, den der Autoverkehr zur Schädi-
gung des Klimas leistet, und auch um das Versagen der
Bundesregierung, auf dieses Problem angemessen zu re-
agieren . Das wollen wir ihr nicht durchgehen lassen .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Fraktion der Grünen hat Vorschläge gemacht, wie
der Verkehr vom Automobil auf umweltgerechtere Ver-
kehrsmittel wie die Bahn oder auch das Fahrrad übertra-
gen werden kann . Dagegen steht das völlige Kontrastpro-
gramm der Bundesregierung, die die politischen Fehler
der vergangenen Jahrzehnte fortsetzt . Der Verkehrsmi-
nister verbreitet mit seinen Sprechblasen zwar immer
wieder den Eindruck, dass er die Mobilitätsrevolution
anführt und an der Spitze der Bewegung steht, wenn er
von Modernität spricht, aber in Wirklichkeit reicht die
Fantasie der Bundesregierung, wenn man genau hin-
schaut, nicht weiter als von der Fahrertür bis zum Fah-
rersitz .


(Beifall bei der LINKEN)


Vom Gesetz zum automatisierten Fahren über die
Bundesfernstraßengesellschaft bis hin zur Kaufprämie
für Elektroautos finden wir nur Geschenke für die Indus-
trie . Die arbeitet mit systematischem Abgasbetrug – das
wissen wir – unter den Augen der Aufsichtsbehörden und
hat dazu beigetragen, dass wir den größten Skandal der
letzten Jahrzehnte im Verkehrssektor zu beklagen haben,
und zwar zulasten der Gesundheit der Menschen, zulas-
ten der Beschäftigten in der Automobilindustrie, die um
ihre Zukunft bangen, obwohl sie dringend für eine mo-
derne Verkehrspolitik der Zukunft gebraucht werden .

Seit einem Jahr gibt es jetzt die Kaufprämie für Elek-
trofahrzeuge . 600 Millionen Euro gibt es vom Staat,
600 Millionen Euro angeblich von der Automobilindus-
trie, die über Rabatte finanziert werden sollen. Jeder von
uns weiß: Rabatte gibt es bei jedem Autokauf . Ich weiß
nicht, was der Beitrag sein soll .


(Beifall bei der LINKEN)


Elektroautos werden von fast allen hier vertretenen
Fraktionen im Bundestag als Heilsbringer gefeiert . Bis
vor kurzem standen diese Fraktionen auch geschlossen
hinter dem sogenannten Umweltbonus, also der Kaufprä-
mie für E-Autos . Ich bin froh, dass jetzt im Antrag der

Grünen zumindest eine Abkehr erkennbar ist und sie ein
Stück weit unseren Vorschlägen folgen . Die Kaufprämie
ist nämlich sehr kritisch zu sehen und hält längst nicht
das, was sie halten soll . Diese Art von Umweltbonus ist
ein Etikettenschwindel .


(Beifall bei der LINKEN)


Mit diesem Bonus werden indirekt die großen Sprit-
fresser subventioniert . Der Hintergrund ist ganz simpel:
Demnächst müssen die Fahrzeugflotten das Klimaziel
von 35 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer einhalten .
Das kann man mit den großen Limousinen nicht errei-
chen . Also bedarf es einer entsprechenden Umverteilung
unter Einbeziehung von Elektroautos, damit der Schnitt
wieder eingehalten werden kann . Das ist keine zukunfts-
fähige Verkehrspolitik . Das lehnen wir deshalb ab .

Mit anderen Worten: Die Industrie hat ihre Dieselflot-
te mit dem Umweltbonus subventioniert . Das können wir
in der Zukunft nicht zulassen . Wir brauchen eine echte
Wende in der Verkehrspolitik . Darum brauchen wir eine
echte Veränderung auch bei den Mehrheitsverhältnissen
hier im Bundestag .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409300

Vielen Dank, Herbert Behrens . – Nächste Rednerin

für die SPD-Fraktion: Birgit Kömpel .


(Beifall bei der SPD)



Birgit Kömpel (SPD):
Rede ID: ID1824409400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Wer unser Regierungsprogramm
gelesen hat, der wird vieles aus dem Antrag der Grünen
dort bereits gefunden haben; denn für die SPD ist voll-
kommen klar: Ein einseitiges Setzen auf fossile Antriebe
hat keine Zukunft . Wir brauchen saubere, emissionsfreie
und leise Antriebe, wenn wir auch in Zukunft individuell
mobil sein wollen .


(Beifall bei der SPD)


Die Zukunft der Autos geht nur elektrisch; da sind wir
uns einig . Aber als Sozialdemokraten denken wir natür-
lich auch an die Arbeitsplätze .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun auch wir! Das sollten alle tun!)


– Lassen Sie mich doch ausreden . Da sind wir überhaupt
nicht so weit voneinander entfernt . – Wichtig ist – des-
halb danke ich den Grünen für den Antrag –, dass wir uns
jetzt Gedanken machen; denn die Zeit läuft uns davon .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Neben der Förderung von Forschung im Bereich al-
ternativer Antriebe müssen wir dafür sorgen, dass wir
einen sanften Übergang für die vielen Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen in der Automobilindustrie hinbe-
kommen . Das Ziel der Grünen, ab 2030 nur noch Elekt-
romotoren zuzulassen, halte ich persönlich für sehr am-
bitioniert . Wir haben gerade gehört, dass Instrumente wie

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


die Kaufprämie noch nicht so richtig wirken . Aber nur zu
sagen, das gehe nicht, hilft uns hier nicht weiter .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon mal ein Ansatz!)


Hier müssen Konzepte und Lösungen her, die uns einen
sanften Übergang in die neuen Technologien ermögli-
chen .

Sehr hilfreich finde ich hierbei die Vorschläge unseres
Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Bundesagentur für
Arbeit neu zu strukturieren . Wir brauchen bessere Wei-
terbildungs- und Qualifizierungsangebote und müssen
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglich-
keit geben, sich in neue Bereiche einzuarbeiten .


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen Qualifizierung und soziale Absicherung.
Wir wollen auch die Bedingungen für Firmengründun-
gen und Start-ups im Bereich Elektroantriebe und Batte-
riezellenfertigung entscheidend verbessern .

Wenn wir von Mobilität reden, dann denke ich als
Abgeordnete aus dem Wahlkreis Fulda/Vogelsberg na-
türlich vor allem an den ländlichen Raum . Anders als in
der Großstadt können die Menschen im ländlichen Raum
nicht immer auf ein funktionierendes Netz von öffentli-
chen Verkehrsmitteln zurückgreifen .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Dann muss man was ändern!)


– Genau .

Carsharing ist derzeit ein gutes Konzept für die Stadt .
Aber auch auf dem Land gibt es natürlich viele Men-
schen, die von A nach B kommen müssen . Was tut man
also? Man setzt sich in sein Auto . Das tun viele Men-
schen auf dem Land . Oft sind es weite Strecken, die sie
fahren müssen, und viele Menschen pendeln täglich aus
dem ländlichen Raum in die Großstädte .

Es gibt zwar schon Modelle von Elektroautos, die eine
Reichweite von 500 Kilometern und mehr haben, aber
jetzt machen wir uns einmal ehrlich: Diese Autos sind
für Otto Normalverbraucher derzeit nicht erschwinglich .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig! Das ist das Problem!)


– Das ist das Problem; ganz genau .

Trotzdem lassen sich auch im ländlichen Raum Kon-
zepte entwickeln, mit denen Emissionen eingespart wer-
den können. Eine flächendeckende Breitbandversorgung
und eine ausreichende Funknetzinfrastruktur sind Vo-
raussetzungen für emissionsbewusste Mobilität auch auf
dem Land .


(Beifall bei der SPD)


Staatliche Förderung darf hier und muss hier nach
beiden Seiten erfolgen . Durch die Verbesserung unserer
digitalen Infrastruktur können sich auch die Menschen
im ländlichen Raum besser vernetzen . Dann können auch
hier Konzepte wie Carsharing und Plattformen oder Apps
für Mitfahrgelegenheiten entstehen; denn das ist umwelt-

schonend, und das ist auch erschwinglich für jedermann
und jede Frau .

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine tollen
Sommer . Ich freue mich darauf, Sie alle gesund und
munter im September hier wiederzusehen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409500

Vielen Dank, Birgit Kömpel . – Nächster Redner:

Oliver Krischer für Bündnis 90/Die Grünen .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe gerade von Herrn Fischer Namen von Verkehrs-
ministern wie Georg Leber oder Volker Hauff gehört .
Wenn man sich den aktuellen Verkehrsminister anschaut,
kann man nur sagen: Manchmal geht es auch abwärts mit
diesem Land .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wo ist er überhaupt? Wir sitzen hier zum wiederholten
Mal und diskutieren hier über die Mobilität der Zukunft,
diskutieren über die Zukunft der Autoindustrie, und – es
ist schon interessant, dass es die Grünen sind, die diese
Themen hier auf die Tagesordnung setzen – Alexander
Dobrindt nicht da ist . Er hat offensichtlich Wichtigeres
zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht sein Thema!)


Das ist typisch für das, was hier in der Verkehrspolitik
läuft .

Herr Bilger, ich möchte Ihnen etwas sagen . Sie haben
gesagt, es sei Wunschdenken, ab 2030 nur noch emis-
sionsfreie Mobilität haben zu wollen . Nein, das ist eine
existenzielle Frage für das Überleben der Menschheit auf
diesem Planeten . Darum geht es .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir alle hier haben die Hände für das Pariser Klima-
abkommen gehoben . Das Pariser Klimaabkommen be-
sagt: Mitte dieses Jahrhunderts, bis 2050, darf es keine
Nettoemissionen mehr geben . Da man weiß, dass ein
Auto durchschnittlich 20 Jahre auf der Straße ist, wird
man irgendwann um das Jahr 2030 nur noch emissions-
freie Mobilität zulassen können, oder aber man sagt: Das
Pariser Klimaabkommen interessiert uns nicht, wir haben
bei der Abstimmung darüber zwar die Hand gehoben,
aber wir setzen es nicht um . Beides zusammen aber geht
nicht . Entscheiden Sie sich, was Sie wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen auch: Es geht nicht nur um Klima-
schutz . Selbstverständlich werden wir die Mobilität
verändern müssen . Selbstverständlich werden wir in
den öffentlichen Verkehr, in den Radverkehr investieren
müssen . Aber die Automobilindustrie ist die wichtigste

Birgit Kömpel






(A) (C)



(B) (D)


Industrie unseres Landes . Ich will nicht, dass möglicher-
weise noch vor 2030 ein in Ostasien gefertigter e-Golf in
Bremerhaven vom Schiff rollt und dann unsere Automo-
bilindustrie den Bach runtergeht . Das darf nicht passie-
ren . Dafür müssen wir uns aufstellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe viel aus der Rubrik Wünsch-dir-Was gehört,
was man alles in dieser Regierung machen könnte . Dazu
sage ich: Sie regieren seit vier Jahren . Sie hätten hier
handeln können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber heute ist der letzte reguläre Sitzungstag .

Man kann sich beispielsweise Ihre Kaufprämie an-
schauen . Ich habe das am eigenen Leib praktiziert und
mir ein Elektrofahrzeug gekauft . Was haben Sie ge-
macht? Die Kaufprämie kommt bei den Menschen, die
kaufen wollen, gar nicht an, weil die Händler und die Au-
toindustrie sie einsacken . Die Fahrzeuge kosten vor Ab-
zug der Kaufprämie genau das gleiche wie danach . Ihre
Kaufprämie verpufft . Das sieht man auch daran, dass Sie
gerade mal 11 000 Fahrzeuge in Deutschland gefördert
haben bei 3,4 Millionen Zulassungen pro Jahr . Das ist im
Promillebereich . Das ist lachhaft . Und das nennt sich bei
Ihnen „weltweiter Leitmarkt für Elektromobilität“? Eine
größere Bankrotterklärung, meine Damen und Herren,
kann es von dieser Großen Koalition nicht geben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Merkel hat es inzwischen offen zuzugeben . Sie
wollte bis 2020 1 Million Elektrofahrzeuge haben . Die-
ses Ziel hat sie seit 2007 zehn Jahre lang vor sich herge-
tragen . Sie ist weit von diesem Ziel entfernt . Und wie in
dieser Bundesregierung üblich: Beim Klimaschutz, bei
den erneuerbaren Energien, bei der Energieeffizienz –
überall werden, wenn das Zieldatum näherrückt, die
Ziele einfach weggeräumt . Meine Damen und Herren,
das ist nicht zukunftsfähig . Wir brauchen verlässliche
Rahmenbedingungen und politische Steuerung, damit
sich die Industrie auch darauf einstellen kann . Das ist die
Zukunft .

Wir Grüne wollen, dass die Menschen nicht am Ende
in Wolfsburg, in Stuttgart und in München abends ins
Bett gehen und morgens in Detroit aufwachen . Wir soll-
ten aus den Fehlern von anderen lernen und klare Rah-
menbedingungen setzen für die Zukunft der Automobil-
industrie sowie für eine nachhaltige und emissionsfreie
Mobilität . Darum geht es .

Das ist Zukunftspolitik für unser Land, und diese Zu-
kunftspolitik wird von dieser Bundesregierung und die-
sem Verkehrsminister verweigert .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409700

Vielen Dank, Oliver Krischer . – Nächster Redner ist

Gero Storjohann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1824409800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dafür, dass das mit meinem Namen immer so schwierig
ist, bitte ich vielmals um Entschuldigung .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824409900

Wie spricht man ihn richtig aus?


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1824410000

Storjohann, ganz einfach . Sie sind nicht die einzige,

die das Problem hat . Insofern ist alles in Ordnung .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824410100

Also: Nächster Redner ist Gero Storjohann .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Zum Ende der Legislaturperiode!)


– Auch die Präsidentin ist lernfähig .


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1824410200

Ich versuche es jetzt mal ein bisschen zaghafter .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824410300

Können wir die Redezeit bitte noch einmal auf acht

Minuten einstellen? Der Kollege kann nun wirklich
nichts dafür, dass ich seinen Namen nicht aussprechen
kann .


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1824410400

Vielleicht gibt es eine Zwischenfrage, dann bekom-

men wir das auch wieder hin .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824410500

Jetzt sind Sie dran .


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1824410600

Ich bin froh, dass wir in der letzten Debatte dieses

Jahres noch über den Radverkehr sprechen dürfen, dafür
herzlichen Dank an die Grünen .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gerne!)


Wir haben den Antrag intensiv im Ausschuss beraten . Ei-
nige gute Anregungen sind drin gewesen


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele!)


wie auch einige Dinge, die schon erledigt worden sind,
und viele Dinge, die noch vor uns liegen, die aber nicht
unbedingt in der Kompetenz des Bundes liegen .

Sie wissen alle: Wir haben ein föderales System .
Wenn wir hier kraftvoll beschließen, dass der Radverkehr
in den Städten gefälligst anders zu organisieren ist, ist
das nett, aber dafür sind die Kommunalpolitiker mit Un-
terstützung der Landespolitiker zuständig . Dennoch ist es
wichtig, dass wir über den Radverkehr sprechen .

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben eben hier Dirk Fischer würdig abgefeiert .


(Sören Bartol [SPD]: „Abgefeiert“?)


Mit Dirk Fischer als Arbeitsgruppenvorsitzendem ver-
bindet mich natürlich die gemeinsame Grenze unserer
Wahlkreise . Als ich 2005 für den Radverkehr zuständig
wurde und ihm stolz berichtete, wie ich mit meiner Fa-
milie durch Deutschland fahre und immer etwa 50 bis
70 km mache, sagte er mir nur abfällig: Ich fahre 130 km
am Tag und mache richtig Speed mit technischer Unter-
stützung .

Der Radverkehr ist in den letzten Jahren, seit etwa
2000, wichtig geworden und hat an Bedeutung gewon-
nen . Er hat auch politische Bedeutung errungen . Der
Radverkehr ist sehr vielfältig . So wird Fahrradfahren als
Ausgleichssport betrieben . In meiner Jugend war Tennis
Ausgleichssport . Dann gingen die Herrschaften nicht
mehr Tennis spielen, sondern zum Golfen . Nun wird es
immer schwieriger, sich zu organisieren und einen Part-
ner zu finden, deshalb fahren die Rentner neuerdings
Fahrrad – zumeist 30 bis 40 Kilometer jeden Tag – und
fordern eine entsprechende Infrastruktur .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut so!)


Fahrradfahren ist aber auch wichtig für Pendler . Im-
mer mehr Firmen orientieren sich an den Bedürfnissen
der Fahrradfahrer . Sie schaffen Dusch- und Abstellmög-
lichkeiten . Wir alle kennen die sogenannten Felgenkiller .
Alles wird inzwischen umgerüstet . Fahrradfahren in der
Stadt ist inzwischen aber ein Problem . Noch vor fünf,
sechs Jahren war es kein Problem, in Berlin vernünftig
Fahrrad zu fahren . Inzwischen gibt es sehr viele Fahr-
radfahrer .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Es sind doppelt so viele Autofahrer!)


Wir alle kennen die wenigen Fahrradfahrer, die sich nicht
an die Regeln halten . Wenn man sich als Fahrradfahrer
in Berlin nicht an die Regeln hält, dann läuft man inzwi-
schen Gefahr, mit einem anderen Fahrradfahrer zusam-
menzustoßen . Das macht deutlich, dass die Infrastruktur
der Stadt zurzeit für Fahrradfahrer nicht optimal ist . Wir
müssen hier enorm viel tun .

Nun stellt sich die Frage, was wir als Bund machen
können . Zuerst einmal ist es wichtig, dass wir über den
Fahrradverkehr sprechen . In letzter Zeit ist uns das durch
die Initiative zur Förderung der Radschnellwege auf
Bundesebene gelungen . Dadurch sind sowohl die Kom-
munen und die Kreise als auch die Länder gezwungen,
über eine vernünftige Netzstruktur – auch bei der Zufüh-
rung zu Radschnellwegen – zu diskutieren und sie auf
den Weg zu bringen . Überall werden Pläne gemacht, aus
denen hervorgeht, wie man am besten den Fahrradver-
kehr bündeln kann und wo man Radschnellwege anlegen
will . Die Radschnellwege werden wir in diesem Jahr mit
25 Millionen Euro anfördern .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind 3 Kilometer Autobahn!)


– Entschuldigung, aber es geht doch zuerst einmal da-
rum, dass wir eine Planung machen . – Neu ist, dass der

Bund den Ländern, den Kreisen und den Kommunen die
Planungskosten schon jetzt erstattet . Sonst wurden diese
Kosten erst in der Bauphase erstattet . Nun ist ein Impuls
gegeben: Fangt an, zu planen! Dann kann es losgehen .

Vor zwei Wochen gab es bereits 81 auf Bundesebe-
ne angemeldete Projekte für Radschnellwege, und zwar
mit einem Volumen von 800 Millionen Euro . Nach mei-
ner persönlichen Einschätzung wird es im nächsten Jahr
mindestens 100 bis 150 Projekte mit einem Volumen von
mindestens 1 Milliarde Euro in Deutschland geben . Das
alles wird nicht in einem Jahr gebaut werden können .
Aber das wird den Weg zeigen, den wir finanziell gehen
werden . Wir werden in diesem Bereich mehr fördern
müssen, und das ist auch gut so .

Wenn wir den zusätzlichen Verkehr, den wir in den
Städten bei den Pkws bemerken, auf das Rad verlagern
können, wird es in unseren Städten weiterhin einen Ver-
kehrsfluss geben. Sie werden dann nicht das Problem
wie andere Metropolen dieser Welt haben – ich nenne
als Beispiele São Paulo oder Rio de Janeiro –, wo der
Verkehr nur steht . In Deutschland haben wir ein gutes
ÖPNV-System, ein gutes Autobahnsystem und ein gutes
Schienensystem . Nun geht es darum, ein Fahrradsystem
intelligent zu integrieren . Wenn wir die Bündelung von
Verkehren und die Beschleunigung von Radverkehren
hinbekommen, dann profitieren alle Verkehrsteilnehmer.
Wir brauchen also eine intelligente Verkehrsverlagerung .
Da spielt das Rad eine große Rolle . Schon heute nutzen
45 Prozent aller Arbeitnehmer mehrere Verkehrsmittel,
Stichwort „Multimodalität“ . Die Bundesregierung hat
den Nationalen Radverkehrsplan 2020 genutzt, um spe-
ziell den Radverkehr zu fördern .

Wir haben viel erreicht . Wir nutzen Mittel aus der
Städtebauförderung, um die Radverkehrsinfrastruktur
anteilig zu finanzieren. Der Beitrag zum Klimaschutz ist
unbestritten . Das Parlament hat nach Zeiten der Finanz-
krise die Mittel für den Radverkehr wieder erhöht . Das
Parlament hat 130 Millionen Euro – zu Zeiten der Grünen
waren es nur 100 Millionen Euro – für den Radverkehr
beschlossen . Davon stehen 98 Millionen Euro für den
Radwegebau an Bundesstraßen zur Verfügung . 1,3 Mil-
lionen Euro – dieses Projekt fing einmal mit 5 Millionen
an, wenn ich das richtig in Erinnerung habe – sind für die
Ertüchtigung von Betriebswegen an Bundeswasserstra-
ßen vorgesehen . Das dient sicherlich mehr touristischen
Zwecken . Aber wir sehen, wie schwierig es ist, die Bun-
deswasserstraßenverwaltung und die Kommunen dazu
zu bringen, das von uns zur Verfügung gestellte Geld zu
nutzen und Betriebswege in Fahrradwege umzuwidmen .
Hier müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen,
damit das Geld auch abgerufen wird .

Wir haben weitere Mittel in Höhe von 3,7 Millionen
Euro aus dem Topf der Städtebauförderung genommen .
Wir haben im Rahmen des Schaufensters Elektromobi-
lität für das Projekt „eRadschnellweg“ 485 000 Euro
zur Verfügung gestellt . Das heißt: Die Haushälter haben
sich schon intensiv auch mit all den kleinen Facetten im
Radverkehr beschäftigen dürfen, und sie haben unseren
Wünschen Rechnung getragen .

Gero Storjohann






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, die Grünen haben vieles
auf den Weg gebracht; sie haben vieles hier angespro-
chen . Ich danke dafür . In Schleswig-Holstein arbeiten wir
jetzt zusammen, Herr Gastel . In Schleswig-Holstein ist in
den letzten Jahren im Radverkehr nicht viel gelaufen . Da
kann man sagen: Das war ein anderer Verkehrsminister . –
Insofern freue ich mich auf die neue Zusammenarbeit .
Gucken wir mal, ob wir vom Bund Impulse in die Länder
durchreichen können! Wie das nun in Baden-Württem-
berg ist, können Sie selbst viel besser beurteilen .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut natürlich!)


Ich freue mich jedenfalls darauf, dass wir in der nächs-
ten Legislaturperiode hier noch mehr Gas geben können;
denn Radverkehr ist wichtig . Wenn wir alle dafür ein-
stehen und Radverkehr nicht schlechtmachen, sondern
sagen: „Jawohl, auch dieser Bundesverkehrsminister hat
den Radverkehr gefördert“, dann sind wir auf einem gu-
ten Weg .

Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit . Es
gibt noch viel zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824410700

Vielen Dank, Gero Storjohann . – Nächste Rednerin:

Dr . Birgit Malecha-Nissen für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD):
Rede ID: ID1824410800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Storjohann hat gerade über den Radverkehr gesprochen .
Wenn ich gewusst hätte, dass er dazu spricht, und zwar
vor mir, dann hätte ich mich vielleicht doch entschieden,
beim Thema „Emissionsfreie Mobilität“ wieder über die
Schifffahrt und über saubere Häfen zu sprechen .

Ich bin der festen Überzeugung: Die beste Energie ist
immer die, die nicht verbraucht wird . – Deswegen begin-
ne ich mit einer Frage: Was haben Vulkane mit der Erfin-
dung des Fahrrads zu tun? Für mich als Geologin – ich
habe mehr als 20 Jahre über Vulkane geforscht – ist das
eine spannende Frage .

Vor 200 Jahren bewirkte der Ausbruch des Vulkans
Tambora in Indonesien eine kurzfristige weltweite Kli-
maveränderung . Das war das Jahr ohne Sommer, und das
hatte schreckliche Hungersnöte zur Folge . Es gab viele
Opfer . Unter anderem kam es zum massenhaften Sterben
des damals wichtigen Transport- und Verkehrsmittels,
des Pferdes . Aus dieser Not heraus erfand Karl Drais die
Draisine, das Vorläufermodell des heutigen Fahrrads .

Bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts war das
Fahrrad das Verkehrs- und Transportmittel der kleinen
Leute: der Industriearbeiter und der Landarbeiter . Es
wurde dann durch die sich rasant entwickelnden Auto-
mobile für jedermann – auch preislich für jedermann er-
schwinglich – überholt und abgelöst . Deutschland wurde
Autoland .

Das Fahrrad hat in den letzten Jahren einen hohen
Freizeitwert erlangt, den Herr Storjohann erwähnt hat,
sowie einen Wert für die Gesundheit . Daneben hat es
eine Renaissance als umweltfreundliches Verkehrsmittel
erlebt . Das Fahrrad als Teil der Elektromobilität und als
„Zukunft auf zwei Rädern“ ist das Symbol für eine emis-
sionsfreie Mobilität geworden .


(Beifall der Abg . Sabine Leidig [DIE LINKE])


Das entspricht auch dem Lebensgefühl vieler Menschen .

Es ist erneut der Klimawandel – diesmal aber nicht
durch einen Vulkan ausgelöst, sondern von uns selber
gemacht –, der von uns klar fordert, Mobilität neu zu
denken . Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wol-
len, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir neben
der Energiewende dringend eine Verkehrswende, und die
Verkehrswende braucht auch das Fahrrad .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg . Sabine Leidig [DIE LINKE])


„Mobilität neu denken“ heißt: neue Prioritäten setzen
und die Verkehrsträger Straße, Schiene und Fahrrad ver-
netzt denken . Moderne Mobilität braucht eine Neuorien-
tierung der Verkehrspolitik und der Infrastrukturplanung .
Die entscheidende Voraussetzung, der große Treiber ist
die Digitalisierung . Es gibt für viele Städte wunderbare
neue Mobilitätskonzepte – das haben wir bereits gehört;
die Stadt Münster zum Beispiel ist eine Vorzeigestadt;
Münster ist eine Fahrradstadt –, die man natürlich wei-
ter fördern muss . Man braucht da gar nicht nach Oslo
zu schauen . Zum Thema Oslo will ich nur hinzufügen,
dass man sicher auch bedenken muss: Wer finanziert die
Elektromobilität? Wodurch wird sie finanziert? Womit
verdient Norwegen sein Geld?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor kurzem habe
ich eine Softwarefirma im Wahlkreis besucht, die flexi-
ble, effiziente und emissionsarme Mobilitätskonzepte für
den ländlichen Raum entwickelt . Da wird einiges von
den bekannten Strukturen – die Strecke, die der Bus oder
die Bahn fährt – auf den Kopf gestellt . Wir müssen ener-
gischer und mutiger werden, um die Mobilität im länd-
lichen Raum attraktiv zu gestalten . Das ist eine unserer
Zukunftsaufgaben .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Katharina Landgraf [CDU/CSU])


Wir müssen den Radverkehr stärker in den Fokus
rücken, wenn wir ihn mit dem öffentlichen Nahverkehr
vernetzen wollen, und das Fahrrad als Verkehrsmittel
betrachten, zum Beispiel für den Weg zur Arbeit . Damit
komme ich zum Nationalen Radverkehrsplan, für den der
Bund jährlich 3,2 Millionen Euro zur Verfügung stellt .
Mit diesem Plan werden Modellprojekte gefördert, zum
Beispiel das Fahrradportal . Auch die Kampagne „Mit
dem Rad zur Arbeit“ ist dort sehr erfolgreich .

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Förde-
rung allein reicht nicht aus . Wir brauchen dringend eine
Debatte über die Verteilung von Verkehr im öffentlichen
Raum, also zur Nutzerkonkurrenz von Auto, Rad und

Gero Storjohann






(A) (C)



(B) (D)


Fußgängern . In Berlin sind nicht zu viele Fahrräder un-
terwegs, sondern tatsächlich zu viele Autos .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist der letzte Sit-
zungstag dieser Legislaturperiode. Ich finde, wir haben
in der Großen Koalition sehr viel im Verkehrssektor er-
reicht . Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kol-
legen aus dem Ausschuss, besonders natürlich bei meiner
AG Verkehr. Ich finde, das war eine gute Zeit.

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824410900

Vielen Dank, Birgit Malecha-Nissen . Der allerletzte

Tag ist es nicht; ich will Sie daran erinnern: Am 5 . Sep-
tember ist noch ein Sitzungstag . Das ist dann der letzte
Sitzungstag in dieser Legislatur . Ich sage das nur, damit
Sie nicht glauben, den hätten wir gecancelt .

Letzter Redner in der Debatte: Dr . Hans-Joachim
Schabedoth für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD):
Rede ID: ID1824411000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Irgendwann war doch einmal Schluss mit den Postkut-
schen . Wann das genau war – wer will das mit absolu-
ter Sicherheit bestimmen? Aber ganz sicher ist: Nie ist
irgendjemand auf die Idee gekommen, den Siegeszug
des Autos durch die Begrenzung der Nutzungsjahre von
Pferden für das Reiten und Kutschieren beschleunigen zu
wollen .


(Beifall des Abg . Arno Klare [SPD])


Wie so oft: Das Bessere setzte sich hier durch .

Die Grünen wollen nun die Schonfrist für klimaschäd-
liches Autofahren 2030 auslaufen lassen . Sie versprechen
sich davon den Siegeszug des Besseren .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das Ende des Schlechten!)


Es ist immer gut, wenn man in der Politik Ziele definiert.
Aber: Hat das Ganze nicht auch ein dirigistisches Ge-
schmäckle, wie man im Musterländle des Automobils zu
sagen pflegt? Warum 2030? Warum nicht 2035? Warum
nicht 2029?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir Ihnen erklärt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zum Klimaabkommen!)


Ist 2030 wirklich ein „Schwachsinnstermin“, wie Herr
Kretschmann rügte? Ist die Erwartung, dass es sogar
noch schneller geht, wirklich absolut unrealistisch?


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der Bundesrat beschlossen!)


Der technische Fortschritt war gerade im Automo-
bilbau schon immer Treiber des Besseren . Diesel- und
Benzinfahrzeuge sind heute schon Auslaufmodelle wie
ihrerzeit die Kutschen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat Herr Dobrindt aber noch nichts von gehört!)


– Tja, der wird damit dann auch kein Geld mehr verdie-
nen können . – Kann die Automobilindustrie in Deutsch-
land noch Leitmarkt und Leitanbieter sein, wenn sie auf
diese langen Auslauffristen setzt und darauf vertraut? Die
nichtdeutschen Wettbewerber würden uns doch schnell
den Rang ablaufen .

Die IG Metall und die SPD haben im Rahmen der
Nationalen Plattform Elektromobilität seit Jahren eine
bessere politische Flankierung der Elektromobilität ge-
fordert . Doch unser Koalitionspartner hat den Knall erst
nach Dieselgate gehört .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den hat er bis jetzt noch nicht gehört! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ansatzweise! – Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn im Aufsichtsrat von VW?)


– Das wäre traurig, aber da kann ich Sie beruhigen: Ich
glaube, sie haben es verstanden .


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bezweifeln wir!)


Ähnliches gilt leider auch für viele Automobilherstel-
ler; wir haben so mindestens zwei Jahre verloren . Einige
setzen immer noch auf verbesserte Dieselmotoren, Erd-
gas oder effizientere synthetische Brennstoffe. Deshalb
frage ich mich, ob der Dieselgate-Knall vielleicht doch
nicht laut genug war . Der Elektroantrieb, das autonome
Fahren, das Teilen, statt das Besitzen von Autos – das
sind Eckpunkte für den Erfolg von morgen . Zulieferun-
gen für Autos mit Verbrennungsmotoren sind sicherlich
schon vor 2030 ein auslaufendes Geschäftsmodell . Es
wird der Tag kommen – eher früher als später –, an dem
niemand mehr eine Einspritzpumpe oder einen Auspuff
braucht . Die hier gebundenen Arbeitsplätze werden sich
sicher so nicht erhalten lassen . Doch klar ist auch: Alle
Arbeitsplätze in der Automobilindustrie von heute wä-
ren massiv gefährdet, wenn wir den Anschluss an die
Weltspitze verlieren würden . Die weitsichtigeren Auto-
mobilzulieferer investieren deshalb schon lange in eine
Zukunft ohne Verbrennungsmotoren . Nötiger denn je
wäre jetzt der Aufbau einer deutschen Batterie- und Zell-
produktion .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Genau!)


Konsortien könnten dabei deutsches Know-how und In-
vestitionskraft bündeln .

Fazit: Ich bezweifle, ob wir Fristsetzungen wirklich
benötigen, um die deutsche Automobilindustrie auf einen
richtigen Weg zu zwingen .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Birgit Malecha-Nissen






(A) (C)



(B) (D)


Wer in Zukunft mit Autos in unserem Land Geld verdie-
nen will, der muss jetzt umsteuern .


(Beifall bei der SPD)


Tesla und die chinesischen Autobauer werden jedenfalls
nicht warten, bis die ganze deutsche Automobilindustrie
verstanden hat . Die Politik kann sie leider auch nicht zum
Jagen tragen . Vielleicht könnte man dem Begehren der
Grünen, dem ich ja sympathisch gegenüberstehe, noch
die Funktion eines letzten Warnschusses zuerkennen,
auch wenn meine Fraktion ihn nicht mit abfeuern wird .

Doch es gibt Besseres als das Drohen mit dem grü-
nen Zeigefinger: Wir müssen die Mitbestimmung der Be-
schäftigten und der Gewerkschaften stärken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Damit stärken wir zugleich die Durchsetzungskraft für
den Ausstieg aus dem Zeitalter des Verbrennungsmotors
hin zur emissionsfreien Mobilität . In der Auseinander-
setzung mit den Schlafmützen an den Schaltstellen der
industriellen Zukunft vertraut die SPD mehr auf den Sta-
chel der Unternehmensmitbestimmung als auf gelegent-
liche grüne Nadelstiche .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824411100

Vielen Dank, Dr . Hans-Joachim Schabedoth . – Damit

schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/12948 mit dem Titel „Emis-
sionsfreier Mobilität zum Durchbruch verhelfen – Mit
sauberen Autos Wettbewerbsstärke, Wertschöpfung und
Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft erhalten“ . Die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung
in der Sache, die Fraktionen der CDU/CSU und SPD
wünschen Überweisung an den Ausschuss für Verkehr
und digitale Infrastruktur . Wir stimmen nach ständiger
Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberwei-
sung ab . Deswegen frage ich Sie: Wer stimmt für die be-
antragte Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Dann
gibt es keine Enthaltungen . Damit ist die Überweisung
so beschlossen . Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD,
dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und die Linke .
Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksa-
che 18/12948 nicht in der Sache ab .

Tagesordnungspunkt 29 b . Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und
digitale Infrastruktur zum Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die Bahnpolitik auf
das richtige Gleis setzen“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11219,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/10383 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tung? – Enthalten hat sich niemand . Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen . Zugestimmt haben CDU/CSU
und SPD, dagegen waren Grüne und die Linke .

Tagesordnungspunkt 29 c . Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/

Die Grünen mit dem Titel „Radverkehr konsequent för-
dern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/12816, den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11729
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine .
Die Beschlussempfehlung ist angenommen . Zugestimmt
haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren Bündnis 90/
Die Grünen und die Linke .

Ich gehe davon aus, dass möglicherweise nicht alle bei
der nächsten Debatte dabei sein wollen . Deshalb bitte ich
Sie, die Plätze zügig zu tauschen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Leitlinien der Bundesregierung – Krisen ver-
hindern, Konflikte bewältigen, Frieden för-
dern

Drucksache 18/12813
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss Digitale Agenda

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre ziem-
lich viel, aber dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so
beschlossen .

Wenn Sie Ihre bilateralen Gespräche einstellen wür-
den, könnte ich die Aussprache eröffnen . – Ich eröffne
die Aussprache und gebe für die Bundesregierung das
Wort dem Bundesaußenminister Sigmar Gabriel . – Herz-
lich willkommen, Sigmar Gabriel .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1824411200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank,
dass Sie trotz der nahenden Sommerpause und anderer
wichtiger Entscheidungen, die wir heute schon getroffen
haben, zu einem Thema gekommen sind, das sich am An-
fang vielleicht ein bisschen abstrakt anhört .


(Zuruf von der LINKEN)


– Ihr beide seid immer da .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wir kommen, um zu bleiben!)


– Ob wir alle bleiben, werden wir am 24 . September mer-
ken .

Das Thema hört sich am Anfang vielleicht ein biss-
chen abstrakt an, aber dahinter – ich glaube, das wissen
alle – verbergen sich ganz viele konkrete Schicksale von

Dr. Hans-Joachim Schabedoth






(A) (C)



(B) (D)


Menschen inmitten von Kriegen und Konflikten, die
schlicht ums Überleben kämpfen . Wir haben nach langen
Debatten und Beratungen – nicht nur im Parlament, son-
dern auch mit bürgerlichem Engagement – die Leitlinien
der Bundesregierung mit dem Titel „Krisen verhindern,
Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ verabschiedet.

Ein sehr unbarmherziger Gradmesser für die aktuel-
le Entwicklung ist die Zahl derjenigen, die vor Gewalt
fliehen müssen. Noch nie gab es so viele Flüchtlinge und
Vertriebene: 65 Millionen Menschen zum Ende des letz-
ten Jahres . Auch wenn wir in unserem Land mit diesem
Thema Herausforderungen erlebt haben und immer noch
erleben, muss man wissen, dass bei weitem nicht wir die
größte Last zu spüren bekommen, sondern viele andere
Länder der Welt, weil die größte Zahl der Menschen in
ihren Heimatländern oder zwischen armen Ländern hin
und her flüchtet.

Wenn wir uns anschauen, was im Norden Ugandas
und in der Mitte der Demokratischen Republik Kongo
weitab von großer öffentlicher Aufmerksamkeit passiert,
dann müssen wir befürchten, dass auch in diesem Jahr
erneut ein Negativrekord erreicht wird . Und – lassen Sie
mich das an dieser Stelle offen sagen – wir hören gera-
de in diesen Tagen von der gewaltigen Flüchtlingszahl,
die erneut Italien betrifft . Ich habe heute die Zahl gehört:
20 000 Flüchtlinge innerhalb ganz weniger Tage . Ich
glaube, die erste Botschaft nach Europa muss sein: Wir
können unsere Freundinnen und Freunde, unsere Partne-
rinnen und Partner in Italien nicht alleinlassen . Das geht
nicht .


(Beifall im ganzen Hause)


Was immer in der Europäischen Union an Debatten
über Migrationspolitik herrscht: Wir müssen dazu kom-
men, dass in dieser Frage alle in Europa, nicht nur weni-
ge Länder, Solidarität mit den Italienern zeigen . Es kann
nicht sein, dass sie mit dem Thema alleingelassen sind
und wir am Ende wieder völlig unübersichtliche Flücht-
lingsbewegungen in Europa erleben .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Inseln der Sicherheit und
Freiheit werden in dieser Welt immer kleiner . Die Zahl
der Länder, in denen Spannungen, Gewalt, Krieg und
Vertreibung zum Alltag gehören, hingegen wächst . Wenn
wir uns diesen Realitäten nicht nur stellen wollen, son-
dern auch als Bundesrepublik Deutschland Verantwor-
tung dafür übernehmen wollen, dass sich daran etwas
ändert, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, wie
wir dies tun wollen . Wir haben uns die Frage gestellt,
schon beginnend unter meinem Amtsvorgänger, dem
heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier,
mit welcher Haltung und vor allem mit welchen Mitteln
wir als Bundesrepublik Deutschland, wir als Bundesre-
gierung dazu beitragen wollen, dass Gewalt und Vertrei-
bung nicht noch mehr um sich greifen . Es ist klar: Wir
dürfen uns nicht überschätzen – das wissen wir –, aber
wir sollten auch nicht unterschätzen, was ein Land wie

Deutschland gerade mit Blick auf die Zusammenarbeit in
Europa dafür leisten kann .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Friedenspolitik – auch das gehört zur Wahrheit – er-
fordert manchmal auch den Einsatz militärischer Mittel .
Es muss Einsätze geben – insbesondere der Vereinten
Nationen –, bei denen unter bestimmten Bedingungen
auch mit militärischen Mitteln dafür gesorgt wird, dass
Gewaltexzesse gestoppt und weitere verhindert werden .
Das ist die Lehre zum Beispiel aus dem, was wir vor ei-
nigen Jahren in Ruanda erlebt haben, wo die Welt zuge-
sehen hat, weil sie nicht entschlossen war, einzugreifen .
Hunderttausende oder Millionen Menschen haben mit
Leben und Gesundheit dafür gebüßt .

Eine Lehre aus den letzten Jahrzehnten lautet aber
auch – vor allen Dingen Militärs sagen uns das –: Ge-
rade militärische Interventionen von außen, auch wenn
sie mit den besten Absichten geführt werden, führen eben
nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Befriedung. Wir
brauchen deshalb in unseren Friedensbemühungen ein
eindeutiges Bekenntnis zum Primat des Politischen, zum
nichtmilitärischen, zivilen Eingreifen, vor allen Dingen
dort, wo sich an unvermeidbare militärische Konflikte
ziviles Engagement anschließen muss – nicht nur, weil
es uns das Grundgesetz zum Auftrag macht, unsere Au-
ßenpolitik nicht auf die Macht des Militärischen abzu-
stützen, sondern auf Diplomatie, auf Ausgleich und auf
ziviles Engagement, sondern auch schlicht aus der Er-
fahrung, die gerade unsere Soldatinnen und Soldaten in
schwierigen Einsätzen machen: Sie sagen uns, dass im
Zweifel nur mit dieser Kombination, mit solchen Einsät-
zen am Ende Stabilität und nachhaltiger Frieden erreicht
werden können . – Es gibt also angesichts der komplexen
Krisen unserer Zeit vor allen Dingen die Aufgabe, etwas
zur Vorbeugung zu tun, aber auch schnelle Unterstützung
zu leisten, wirksam und vernetzt zu arbeiten .

Meine Damen und Herren, mit den Leitlinien legen
wir deshalb einen Kompass für moderne Friedensdiplo-
matie vor . Dabei ist mir besonders wichtig, dass wir –
erstens – die konzeptionelle Arbeit einerseits auf einer
kritischen Bestandsaufnahme und andererseits, wie ich
es vorhin gesagt habe, auf einem Dialog mit der Zivilge-
sellschaft, mit Wissenschaft, Verbänden und Wirtschaft
abgestützt haben .

Auch viele Kolleginnen und Kollegen des Deutschen
Bundestages haben sich eingebracht . Ich glaube, dieser
Debattenprozess hat nicht nur dafür gesorgt, dass wir
jetzt ein überzeugendes Produkt haben . Er hat vor allen
Dingen auch deutlich gemacht, wie stark und wie leben-
dig – lassen Sie mich das so sagen – die Friedenscom-
munity in unserem Land ist; auch ihr sind wir zu Dank
verpflichtet. Wir sind natürlich denen, die in Einsätzen
sind – den Soldaten, den Entwicklungshelfern usw . –, zu
Dank verpflichtet, aber auch der Community in unserem
Land, die Deutschland als Friedensmacht stark halten
will. Ich finde, das ist eine gute Botschaft in einer Zeit,
in der wir überall in der Welt eher von Aufrüstung und
Konflikten reden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Zweitens liegt diesen Leitlinien die Einsicht zugrun-
de, dass es kluger politischer Strategien sowie effizienter
und effektiver Instrumente, aber vor allen Dingen auch
realistischer Zielsetzungen bedarf . Wir dürfen nicht er-
warten, dass über Nacht aus Krisengebieten stabile De-
mokratien entstehen . Uns muss bei allem Optimismus
und aller Entschlossenheit klar sein: Friedenschaffen ist
keine exakte Wissenschaft . Rückschläge zu verarbeiten,
gehört ebenso dazu wie die Bereitschaft zum kalkulier-
ten Risiko, gerade wenn man mit frischen Ideen diese
Aufgabe angeht, wie wir es auf Grundlage der Leitlinien
tun wollen . Wichtig ist: Rückschläge dürfen uns nicht
entmutigen . Sie müssen vielmehr Ansporn sein, überlegt
und auch mit Augenmaß auszuloten, wie Deutschland ei-
nen langfristigen Beitrag zu mehr Frieden und Sicherheit
leisten kann .

Lassen Sie mich auch eine Bemerkung zu dem ganz
schwierigen Thema Rüstungsexporte machen . Ich habe
in diesen Jahren vor allen Dingen eins lernen müssen:
Der Glaube, mit dem Liefern von Waffen oder mit dem
Nichtliefern von Waffen auf der sicheren Seite zu sein, ist
immer ein Irrglaube . Man kann sich mit beiden Handlun-
gen schuldig machen:


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Richtig!)


mit dem Liefern von Waffen, aber auch mit dem Nicht-
liefern von Waffen . Das sehen wir an der Geschichte
der Jesiden, die sozusagen der Ausrottung preisgegeben
worden wären . Insofern, glaube ich, ist es klug, dass wir
in all diesen Fragen Einzelfallabwägungen machen, uns
nicht international isolieren, aber vor allen Dingen nicht
die Botschaft senden, man könne sich mit dem einen oder
anderen Verhalten moralisch auf der sicheren Seite füh-
len . Ich glaube, wir müssen uns immer der Verantwor-
tung bewusst sein, die wir mit der einen oder der anderen
Entscheidung übernehmen, und uns auch über das Risi-
ko im Klaren sein, dass man mit beiden Entscheidungen
auch falsch liegen kann .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich glaube, das gehört zur Offenheit und Ehrlichkeit der
Debatte .

Meine Damen und Herren, der dritte Punkt . Die Leit-
linien identifizieren dabei Handlungsspielräume. Sie zei-
gen uns auf, wie und mit welchen Methoden wir diese
Räume für unsere Friedensarbeit nutzen können . Dazu
gehört auch, Rechtsstaatlichkeit zu fördern . Dazu gehört
auch die Arbeit unserer Polizeibeamtinnen und Polizei-
beamten, auch derjenigen, die Justizberatung machen .
Denn natürlich soll auch die Arbeit der Polizistinnen und
Polizisten sicherstellen, dass in schwierigen Ländern
rechtsstaatliche Instrumente entstehen und dass im Übri-
gen dort auch eine Polizei entsteht, die diese rechtsstaat-
lichen Instrumente für sich sozusagen als Zielsetzung er-
fasst . Ich habe ein paar solcher Polizeiprojekte besucht,
zum Beispiel in Mali, und ich finde, wir können wirklich
stolz auf das sein, was die Polizistinnen und Polizisten
mit großem Einsatz für uns beim Aufbau von Rechts-

staatlichkeit und rechtsstaatlich organisiertem Handeln
dort leisten, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Letzter Aspekt. Die Bundesregierung verpflichtet sich
ganz konkret, ihre eigenen Fähigkeiten der Konfliktbear-
beitung weiter auszubauen . Dafür wollen wir auch unse-
re Partnerschaften mit unseren europäischen Freunden,
den Vereinten Nationen, aber auch mit den Regionalorga-
nisationen wie der Afrikanischen Union vertiefen . Denn
eines ist klar: Wir Deutsche können uns alleine noch so
sehr anstrengen, wir werden dauerhaft nur im Verbund
mit anderen etwas erreichen .

Meine Damen und Herren, wir werden diese Leitlini-
en als Kompass für eine moderne deutsche Friedensdi-
plomatie nutzen . Jeder von uns im Parlament weiß, dass
der Kompass alleine noch nicht ausreicht, sondern dass
wir sozusagen auch Hardware, Instrumente, am Ende im-
mer auch Geld brauchen .

Deswegen sage ich in aller Offenheit: Ich habe mich
in den letzten Wochen und Monaten wie Sie alle an der
Debatte beteiligt, in der es um die Erreichung des 2-pro-
zentigen Anteils der Verteidigungsausgaben am BIP in
den NATO-Ländern ging . Ich will gar nichts zu den De-
tails sagen . Aber zwei Punkte fehlen mir völlig in dieser
Diskussion:

Erstens . Wenn die ganze Welt über Aufrüstung redet,
müssen doch Deutschland und Europa auch wieder über
Abrüstung und Rüstungskontrolle reden .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es kann doch nicht sein, dass das gar kein Thema mehr
ist . Wir organisieren in diesen Tagen das Gedenken an
Helmut Kohl . Nicht zu Unrecht sind Schmidt und Kohl
im Zusammenhang mit dem NATO-Doppelbeschluss
immer wieder zitiert worden . Damals haben Verteidi-
gungsfähigkeit auf der einen Seite, aber auch Angebote
zur Abrüstung auf der anderen Seite existiert . Ich war vor
ein paar Tagen in Island auf einer Konferenz einer Reihe
europäischer Staaten und habe die Gelegenheit gehabt,
in das weiße Haus in Reykjavík zu gehen, in dem Gor-
batschow und Reagan einen Vertrag ausgearbeitet haben,
von dem wir heute noch profitieren: den INF-Vertrag, der
landgestützte Mittelstreckenraketen ausschließt . Genau
dieser Vertrag ist derzeit in Gefahr, einerseits durch die
Sorgen, was die Russen dort machen, andererseits da-
durch, dass die Amerikaner sagen: Das, was dort passiert,
können wir auf Dauer nicht hinnehmen .

Wir müssen zurück in eine Diskussion, in der wir sa-
gen: Verteidigungsfähigkeit ja, aber bitte auch offensive
Angebote zur Rüstungskontrolle, zur Abrüstung, gerade
von uns Deutschen und gerade in Europa, meine Damen
und Herren . Das gehört auch dazu .


(Beifall bei der SPD)


Zweitens . Wichtig sind bei alldem natürlich auch die
Finanzierungsinstrumente. Ich finde die Debatte über

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


2 Prozent deshalb ein bisschen schräg, weil am Anfang
eigentlich die Frage stehen müsste, wofür man etwas
braucht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Solange man das nicht sagen kann, ist es schwierig, zu
sagen, wie viel es denn sein muss, vor allen Dingen,
wenn wir wissen, dass wir in Europa 45 Prozent der Ver-
teidigungsausgaben der USA tätigen, aber im Vergleich
nur 15 Prozent der Effizienz aufweisen. Aber es gehört
auch dazu, dass wir nicht bei dem verhängnisvollen Pro-
zess mitlaufen, Militärausgaben zu erweitern und Ent-
wicklungshilfe und Krisenprävention zu reduzieren . Im
Gegenteil: Eigentlich muss man für jeden Euro, den man
in die Verteidigungsfähigkeit steckt, 1,50 Euro in Ent-
wicklungshilfe und Krisenprävention stecken .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824411300

Vielen Dank, Sigmar Gabriel . – Nächste Rednerin:

Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824411400

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Herr Minister! Am vergangenen Montag ha-
ben wir hier im Bundestag eine Wanderausstellung eröff-
net . Sie hat den Titel „Frieden machen“ . Genau darum
sollte es in dieser Debatte heute eigentlich gehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wie macht man eigentlich Frieden? Wer macht was?
Was schadet? Was muss man vielleicht auch unterlassen,
um Kriege und Bürgerkriege nicht weiter zu befeuern?
All das sind Fragen, mit denen wir uns in der Friedens-
bewegung sehr lange und intensiv auseinandergesetzt ha-
ben und auch noch auseinandersetzen, und genau darum
sollte es auch in den heute vorliegenden Leitlinien der
Bundesregierung gehen . In dieser Hinsicht, Herr Gabriel,
sind diese Leitlinien leider eine große Enttäuschung .

Zunächst einmal fehlt Ihnen jede Selbstkritik .


(Niels Annen [SPD]: In Selbstkritik sind Sie auch echt Experten!)


Was hat denn die Bundesregierung in den vergangenen
Jahren getan, um Friedensprozesse und Versöhnung zu
fördern und um Gewalt aktiv vorzubeugen? Wo hat Ihr
Handeln stattdessen Krisen und Konflikte befeuert? Ohne
eine solche selbstkritische Analyse – ich bitte Sie – kann
man doch keine Leitlinien für die Zukunft entwickeln .
Darüber können auch die vielen schönen Worte in Ihrem
Dokument nicht hinwegtäuschen . Wenn es nämlich kon-
kret wird, dann folgt aus diesen Worten nichts .

Ich frage Sie: Geht die Bundesregierung mit mutigen
Abrüstungsschritten voran? Das Gegenteil ist der Fall,

wie wir an den aktuellen Aufrüstungsvorhaben und dem
steigenden Rüstungsetat sehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wird die Bundesregierung etwas an den Rüstungsex-
porten ändern? Nein, Sie behaupten einfach, das werde
ohnehin restriktiv gehandhabt; dabei haben deutsche Fir-
men allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres allein
an die Länder Saudi-Arabien und Katar für fast 50 Mil-
lionen Euro Kriegsgerät geliefert . Ich bitte Sie: Nennen
Sie das verantwortungsvolle und vorausschauende Frie-
denspolitik?


(Beifall bei der LINKEN)


Und: Wird die Bundesregierung mit den Leitlinien die
Abschaffung der Atomwaffen vorantreiben? Nein, die
Leitlinien bestehen weiter auf nuklearer Abschreckung,
und das ist eine Schande .


(Beifall bei der LINKEN)


Nimmt denn diese Bundesregierung wenigstens die
krisenverschärfenden Effekte in ihrer Außenwirtschafts-
politik zur Kenntnis? Nein, Sie propagieren weiter die
Ausplünderung des globalen Südens unter der Ideologie
des Freihandels . In diesem Dokument fordert die Bundes-
regierung sogar die Öffnung afrikanischer Länder für die
großen Finanzinstitutionen . Ich bitte Sie: Wenn selbst ein
Land wie Deutschland sich von den Investment bankern
auf der Nase herumtanzen lässt, wie soll sich dann ein
afrikanisches Land mit sehr viel schwächeren staatlichen
Strukturen gegen die Machenschaften der Deutschen
Bank und ähnlicher Menschenfreunde wehren? Das ist
gar nicht zu erkennen . Herr Gabriel, das ist wirklich eine
völlig verdrehte Vorstellung davon, wie man Frieden ma-
chen kann .


(Beifall bei der LINKEN)


Auch der Vorrang für Zivil ist leider mit lauter Kon-
junktiven abgeschwächt . Bisher hieß das Politikfeld,
über das wir heute sprechen, „Zivile Krisenprävention“ .
Es gab einen Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“, ei-
nen Beirat „Zivile Krisenprävention“, den Ressortkreis
„Zivile Krisenprävention“, und auch unser Unteraus-
schuss heißt „Zivile Krisenprävention“ .

Wenn ich jetzt in die Leitlinien schaue, dann sehe ich,
dass überall dort, wo Krisenprävention steht, das Wort
„zivil“ sorgsam herausgestrichen wurde . Das ist doch
kein Zufall! Nein, diese Bundesregierung will sich eben
nicht verbindlich darauf festlegen, Konflikte und Krisen
wenigstens vorrangig mit zivilen Mitteln zu bekämpfen
und zumindest in der Vorbeugung auf Militär zu verzich-
ten . Das Ministerium von Frau von der Leyen hat inzwi-
schen eine solche Machtstellung, dass es ein harmloses
Wort wie „zivil“ quasi zum Unwort erklären kann . Mit
Friedenslogik hat das nun wirklich nicht mehr viel zu tun .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als 2004 der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“
beschlossen wurde, war das, trotz aller Kritik, wirklich
ein Meilenstein in der Außenpolitik . Wenn wir uns jetzt
fragen, ob diese Leitlinien ein ähnlicher Meilenstein

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


sind, dann muss ich leider sagen: Nein, Sie schreiben
nur das fest, was diese Bundesregierung sowieso tut . Sie
formulieren einen Aspekt des Weißbuchs aus dem Vertei-
digungsministerium ein bisschen genauer aus . Die Ein-
bindung ziviler Instrumente im Rahmen eines vernetzten
Ansatzes in einer letzten Endes vor allem militärischen
Strategie ist aber der falsche Weg .

Dabei gibt es im Detail durchaus Fortschritte .


(Zuruf von der SPD: Ach was!)


Dass die Bundesregierung die Mediation stärken will,
begrüßt die Linke ausdrücklich .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Dr . Ute Finckh-Krämer [SPD])


Auch die Aufwertung des Beirats finden wir positiv, auch
wenn unklar ist, wie er für die Erfüllung seiner neuen
Aufgaben ausgestattet werden soll .

Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass es ein
klares Bekenntnis zum zivilen Peacekeeping gibt . Da-
für haben sich meine Fraktion und ich ganz persönlich
schon seit langem eingesetzt . Ziviles, unbewaffnetes
Peacekeeping ist nämlich sehr viel besser geeignet, die
Zivilbevölkerung in Kriegssituationen zu schützen, als
bewaffnete Militärpatrouillen .


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Ende meiner Rede möchte ich Ihnen noch etwas
zum Thema „Frieden machen“ sagen: Letzten Endes
können das immer nur die Menschen in den Konfliktre-
gionen selbst . Wenn wir dabei wirklich helfen wollen,
dann sollten wir die zivile Konfliktbearbeitung in ihrer
ganzen Breite fördern und in ihrer Eigenständigkeit und
Unabhängigkeit stärken . Dafür wollen wir als Linke auch
in der nächsten Wahlperiode hier im Bundestag streiten .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824411500

Vielen Dank, Kathrin Vogler . – Nächster Redner:

Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1824411600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kol-

legen! Ein nachhaltiger Friedensansatz muss selbstver-
ständlich ganz stark auf die zivilen Elemente setzen . Der
frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat in
seiner Amtszeit genau diesen vernetzten Ansatz, diesen
Comprehensive Approach, vorangetrieben. Ich finde, da
er jetzt seine letzten Tage im Deutschen Bundestag ver-
bringt,


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Bevor er als Rüstungslobbyist agieren wird!)


gilt es, ihm dafür Danke schön zu sagen .

Der vernetzte Ansatz, der Comprehensive Approach,
ist so etwas wie das Markenzeichen der Europäischen
Union in Fragen von Sicherheit und dauerhaftem Frie-
den geworden . Wir reden in diesen Tagen viel darüber,

wie wir die Europäische Union in der Außen- und Si-
cherheitspolitik stärken können . Auf dem EU-Gipfel in
der vergangenen Woche wurde mit der Vereinbarung zur
Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit, PESCO, eine
erste Weichenstellung vorgenommen . In den nächsten
drei Monaten werden wir konkrete Schritte unternehmen .
All dem liegt die Idee zugrunde, dass ohne militärische
Mittel zivile Anstrengungen häufig fruchtlos sind, dass
mit militärischen Mittel allein man aber niemals in der
Lage ist, eine nachhaltige Friedenssituation herzustellen,
also den Frieden nachhaltig zu bewahren . Das sollte ein
Markenzeichen der Außen- und Sicherheitspolitik der
Europäischen Union sein . Damit gewinnen unsere inter-
nationalen, auch unsere transatlantischen Bemühungen
um dauerhaften Frieden nicht nur in quantitativer Hin-
sicht, sondern auch in qualitativer Hinsicht an Bedeu-
tung .

Ich glaube, dass wir gut daran tun, an dem Konzept
der wertebasierten Außenpolitik auch in der Sicherheits-
politik festzuhalten . Wir formulieren in diesem Papier
der Bundesregierung ein ganz klares Bekenntnis zu den
Menschenrechten, zu den internationalen Institutionen
und zur Achtung von internationalen Verträgen . Das un-
terstützen wir voll und ganz .

Umso verwunderter war ich allerdings, als ich am ver-
gangenen Sonntag die Rede des SPD-Parteivorsitzenden
auf dem Parteitag gehört habe . Er hat 80 Minuten gespro-
chen . In diesen 80 Minuten hat er an mehreren Stellen
Amerika – mal sanft, mal scharf – kritisiert; aber er hat
nicht ein einziges Mal die russische Aggression auf der
Krim und in der Ukraine kritisiert . Mit Blick auf die Fra-
ge, wie die wertebasierte Außenpolitik der Zukunft aus-
sehen sollte, sollte der SPD-Kanzlerkandidat dieses Pa-
pier dringend lesen und sich dringend zu eigen machen .
Sonst wird es ihm im Wahlkampf nicht erspart bleiben,
dass wir ihn damit konfrontieren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU], an Bundesminister Sigmar Gabriel gewandt: Schickst du es ihm? Sonst mache ich das! – Gegenruf des Bundesministers Sigmar Gabriel: Ich schicke es ihm!)


Wenn ich noch einen kleinen Schwenk machen darf:
Sie haben eben von der Bedrohung des INF-Vertrags ge-
sprochen . Sie haben das frei formuliert, nicht aus dem
Manuskript . Sie haben gesagt, der INF-Vertrag, der Mit-
telstreckenwaffenabrüstungsvertrag, sei bedroht durch
die Bemühungen Russlands – in Kaliningrad ist das
wohl –, die Raketen zu modernisieren .


(Dr . Ute Finckh-Krämer [SPD]: Nicht Kaliningrad!)


Aber Sie haben auch gesagt, in gleicher Weise sei das,
was die amerikanische Seite plane, eine Bedrohung . Ich
sage Ihnen: Wir müssen Aktion und Reaktion schon sau-
ber auseinanderhalten . Wir können uns gerne darüber
unterhalten, wie man auf diese Provokation Russlands,
auf diese mögliche Verletzung des INF-Vertrags seitens
Russlands reagiert . Aber diejenigen, die sich darüber
Gedanken machen, wie man darauf reagieren kann, mit
denjenigen auf eine Stufe zu stellen, die diesen, wie wir
finden, massiven Rückschritt in der Abrüstungspolitik zu

Kathrin Vogler






(A) (C)



(B) (D)


verantworten haben, nämlich den Russen, das finde ich
nicht in Ordnung . Wenn, dann sollten wir bitte schön alle
Sachverhalte vor dem Hintergrund einer wertebasierten
Außenpolitik betrachten .

Ich möchte eingehen auf das Verhältnis zwischen zi-
vilen und militärischen Mitteln im Bereich unser Haus-
haltsaufwendungen . In diesem Jahr haben wir zum ersten
Mal das 0,7-Prozent-Ziel im Bereich wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung erreicht, natürlich auch,
weil wir gegenwärtig viel im Rahmen der humanitären
Hilfe tun . Ich glaube, es ist völlig klar – das ist in diesem
Hause vermutlich auch unstrittig –, dass wir uns das Ziel
setzen, diese Quote mindestens zu halten und niemals
mehr unter diese 0,7 Prozent Entwicklungshilfeausga-
ben, unter diese sogenannte ODA-Quote, zu fallen .

Aber wir haben eben auch vor drei Jahren – lange bevor
Donald Trump am Horizont als Präsident von Amerika zu
erkennen war – auf dem Gipfel in Wales verabredet, dass
wir uns dem 2-Prozent-Ziel der NATO annähern wollen .
Dieser Beschluss von Wales der 28 NATO-Mitglieder
von vor drei Jahren trägt eben auch die Unterschrift des
SPD-Außenministers Frank-Walter Steinmeier . Deswe-
gen waren wir schon über die eine oder andere Äußerung
in der Vergangenheit etwas verwundert,


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Die mussten erst mal nachrechnen, wie viel das überhaupt ist!)


bei der wir das Gefühl hatten, dass sich die SPD bei der
Frage des 2-Prozent-Ziels in unserem Commitment ein
Stück weit vom Acker macht .

Wenn wir mangelnde Verlässlichkeit bei anderen Re-
gierungen beklagen – zum Beispiel den amerikanischen
Präsidenten dafür kritisieren, dass er vielleicht etwas zu
zögerlich ein klares Bekenntnis zu Artikel 5 des NA-
TO-Vertrages abgegeben hat –, dann sollten wir als Deut-
sche keinen Zweifel daran lassen, dass wir uns wirklich
buchstabengetreu an die NATO-Vereinbarung von Car-
diff von vor drei Jahren halten .

Ich glaube, wir sollten uns zum Ziel setzen, dass wir
zum einen, was die Verteidigungsausgaben angeht, unser
Cardiff-Versprechen einhalten und zum anderen auch die
zivilen Komponenten zum Zweck der Friedenssicherung
und für die Entwicklung der Länder ausbauen. Ich finde
die Idee ganz spannend, zu sagen: Es muss 1 Euro zu-
sätzlich für Verteidigung ausgegeben werden, aber eben
auch 1 Euro zusätzlich für zivile Maßnahmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, das wird die Politik der Union für die Jah-
re 2017 bis 2021 sein . Auf der Basis werden wir sicher-
lich auch Unterstützung bekommen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824411700

Vielen Dank, Jürgen Hardt . – Nächste Rednerin:

Dr . Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Wir diskutieren heute die Leitlinien, die 13 Jah-
re nach dem Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ den
neuen Rahmen für das Krisenmanagement dieser Bun-
desregierung darstellen sollen .

Wir sind in Zeiten, in denen die Krisen nicht weni-
ger werden, sondern mehr . In den letzten Jahren – das
wussten wir auch schon vorher – haben wir nicht nur
schmerzlich gelernt, dass Frieden immer mehr ist als eine
Waffenruhe, sondern wir haben auch lernen müssen, wie
schwer es ist, Frieden zu schaffen . Dafür brauchen wir
in der Prävention nicht nur mehr Mediation bzw . mehr
Kapazitäten, sondern auch mehr und bessere Rechts-
staatsförderung . Des Weiteren brauchen wir eine Sicher-
heitssektorreform, Versöhnungsarbeit und ganz konkrete
Friedensarbeit vor Ort . Wir diskutieren heute also über
ein breites Spektrum, das extrem wichtig ist, um vor Ort
überhaupt wieder Frieden denken und voranbringen zu
können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Felder brauchen Expertise, Personal, Geld, poli-
tischen Willen und vor allem einen langen Atem . Wir alle
wissen, dass das meistens nicht schnell geht . Das dauert
nicht nur Monate und Jahre, sondern wir müssen eher in
Jahrzehnten denken, wenn wir über das Friedenschaffen
reden .

Angesichts dieser Herausforderungen sind die vorge-
legten Leitlinien leider wirklich eine große Enttäuschung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt in ihnen hauptsächlich sehr vage Absichtserklä-
rungen . Zum Beispiel steht in den Leitlinien: Wir wol-
len bei der Mediation mehr machen . – Ja, aber wie viel
wollen Sie denn bis wann erreichen? Auf welche Berei-
che soll Deutschland einen Schwerpunkt legen? Wollen
wir das Gleiche machen wie Finnland, wie die Schweiz?
Oder sieht Deutschland für sich eine andere Aufgabe?
Dazu gibt es in den Leitlinien nur eine Leerstelle und
keine Antwort .

Es gibt zwei andere Beispiele .

Herr Gabriel, Sie selber haben die Polizeibeamten
erwähnt und gesagt: Ihr Einsatz ist ein sehr wichtiges
Engagement . – Damit haben Sie recht . Denn es ist die
Aufgabe von Staatlichkeit, das Gewaltmonopol durchzu-
setzen, und zwar am besten zivil . Die Vereinten Nationen
haben für diese Aufgabe über 13 000 Polizeibeamte zur
Verfügung gestellt bekommen, aktuell 32 aus Deutsch-
land . Das ist im Hinblick auf Deutschlands Verantwor-
tung eine einfach blamable Anzahl . Ich hätte mir ge-
wünscht, dass Sie sich, wenn Sie so ein Papier schreiben,
ein Ziel setzen, wie die Schweden es getan haben . Die
sagen: Wir setzen 1 Prozent unserer Polizeibeamten in
internationalen Einsätzen ein . – Das wäre eine Zielvor-
gabe, und das wäre ambitioniert . Das hätte ich von Ihnen
erwartet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jürgen Hardt






(A) (C)



(B) (D)


Ein anderes Beispiel . Wir alle wissen, wie schwierig
es ist, Expertisen gut herauszuarbeiten . Wir haben da-
mals dafür die „Deutsche Stiftung Friedensforschung“
gegründet . Deren Stiftungsetat ist aber zu gering . In den
Leitlinien hätte stehen können: Wir verdoppeln den Stif-
tungsetat .

Das alles sind konkrete Ziele, die man sich hätte set-
zen können . Auch dort eine absolute Leerstelle .

Jetzt will ich noch einen weiteren Punkt erwähnen .
Herr Gabriel, Sie haben gesagt: Das Primat des Politi-
schen muss gelten . – Aber die Leitlinien bringen einen
zentralen Rückschritt . Bis jetzt lag die Ressortabstim-
mung in der Hand Ihres Ministeriums, des Auswärtiges
Amtes . In Zukunft liegt sie in der Hand des Auswärtiges
Amtes und des Verteidigungsministeriums . Dass Sie dem
zugestimmt haben, Herr Gabriel, und hier so große Re-
den vom Primat des Politischen schwingen: Das ist doch
wirklich nichts anderes als Heuchelei . Das ist einfach
eine Enttäuschung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie hätten dazu stehen müssen . Das Primat des Politi-
schen – und nicht gemeinsam mit anderen Ministerien –:
Genau das muss gelten .

Man kann übrigens auch fragen: Warum muss das
Entwicklungsministerium dabei sein, warum muss das
Verteidigungsministerium dabei sein? Es ist klar: Hier
geht es um die Zukunft des Auswärtigen Amtes . Das Pri-
mat des Politischen haben Sie nicht durchgesetzt .

Wir Grüne wollen stattdessen einen Rat für Frie-
den, Menschenrechte und Nachhaltigkeit, eine Art
Friedens-TÜV, durch den alle Maßnahmen der Regie-
rung – zum Beispiel Rüstungsexporte, Handel, Land-
wirtschaft – darauf überprüft werden müssen, ob sie dem
Auftrag unseres Grundgesetzes, dem Frieden in der Welt
zu dienen, wirklich gerecht werden . Das ist nämlich der
Auftrag des Grundgesetzes an alle Ministerien und nicht
nur an eines . Das muss endlich durchgesetzt werden:
dass wir diesem Auftrag auch gerecht werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Mehrere haben erwähnt, dass unglaublich viele Men-
schen für Deutschland in der Welt unterwegs sind und für
den Frieden arbeiten . Es gab die vor kurzem eingeführte
Tradition, den Tag des Peacekeepers . Leider hat Ihre Re-
gierung den Termin diesmal abgesetzt . Er wurde auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben . Es gibt noch kein
neues Datum dafür .

Es ist auch ein falsches Zeichen an all diese Menschen
da draußen, dass man schon im dritten Jahr, in dem die-
ser Tag begangen wird, sagt: Jetzt haben wir den Termin
doch nicht, und wir werden einmal gucken, wann wir
das im Herbst – während der Koalitionsverhandlungen –
nachholen . – Auch das ist ein schlechtes Signal für diese
Menschen . Eigentlich müssten sie eine super Ehrung be-
kommen – sie erhalten aber gar keine .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Letzter kurzer Punkt . Herr Hardt, Sie haben erwähnt,
dass wir das im europäischen Rahmen machen sollten .
Darin stimme ich Ihnen komplett zu . Die Europäische Si-
cherheitsstrategie ist sogar so weit gegangen, dass gesagt
wurde: Die Zielsetzung der EU muss der Preemptive Pe-
ace sein, der wirklich vorbereitende und durchsetzende
Frieden .

Dafür gibt es ein ganz konkretes Projekt, dem
Deutschland endlich beitreten könnte, nämlich das Eu-
ropäische Friedensinstitut, das viele Länder der Europäi-
schen Union gegründet haben, um in solchen Situationen
mehr Europa voranzubringen . Auch dort ist Deutschland
immer noch nicht Mitglied, und das ist auch keine Ziel-
setzung der Leitlinien . Wir könnten hier Europa ganz
konkret stärken und gemeinsam vorangehen . Auch hier
ist aber eine Leerstelle .

Von daher hoffe ich, dass wir hier im September ande-
re Mehrheiten haben werden . Das Primat des Politischen
zu sichern, dem Frieden in der Welt zu dienen: Das sind
die Aufgaben . Diese sollten wir dann gemeinsam ange-
hen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824411800

Vielen Dank, Franziska Brantner . – Nächster Redner:

Thorsten Frei für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thorsten Frei (CDU):
Rede ID: ID1824411900

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Da wir heute diesen Bericht der Bundesregierung –
„Leitlinien der Bundesregierung – Krisen verhindern,
Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ – diskutieren,
möchte ich zunächst einmal den zuständigen Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern des Auswärtiges Amtes ein
herzliches Dankeschön sagen . Es geht hier nämlich nicht
nur um 60 Seiten bedrucktes Papier . Vielmehr sind sie in
einem monatelangen Diskussionsprozess auch unter Ein-
beziehung des Bundestages, der Zivilgesellschaft und der
Community, wie Sie vorhin gesagt haben, Herr Minister,
intensiv erarbeitet worden, und diesen Prozess fand ich
mustergültig und stilbildend .

Die Leitlinien sind nicht vom Himmel gefallen; Vor-
redner sind darauf eingegangen . Sie ersetzen im Wesent-
lichen den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ aus
dem Jahr 2004; das müssen sie deshalb, weil der Akti-
onsplan im Grunde genommen abgearbeitet ist .

Wir haben die zivile Krisenprävention institutionali-
siert, und wir haben – das wird in diesen Debatten immer
wieder vergessen – die dafür eingesetzten finanziellen
Mittel in den letzten 12, 13 Jahren mehr als verzehnfacht,
wir haben sie verstetigt, wir haben sie überjährig ausge-
staltet . Wir haben also genau das getan, was die Adressa-
ten dieser Politik immer gefordert haben .

Die Regierung hat das ZIF zu einer echten Entsen-
deorganisation ausgebaut, und wir haben vor wenigen
Wochen hier im Parlament das Sekundierungsgesetz
novelliert, wobei wir die soziale Absicherung – auch

Dr. Franziska Brantner






(A) (C)



(B) (D)


die psychosoziale Betreuung – der entsendeten Kräfte
deutlich verbessert haben . Damit haben wir konkrete
Grundlagen dafür gelegt, dass wir in Zukunft noch mehr
Menschen in Friedenseinsätze bringen können . Die Ziel-
setzungen sind im Grunde genommen abgearbeitet . Dass
man von Aktionen irgendwann zu Leitlinien kommen
muss, um dem Ganzen einen Rahmen zu geben, ist aus
meiner Sicht nur konsequent .

Ich will dazu zwei Dinge sagen:

Erstens . Es gibt – das ist bisher unterschlagen wor-
den – ganz konkrete Selbstverpflichtungen der Bundes-
regierung, die sich am Ende dieser Leitlinien finden. Die
Bundesregierung will sie evaluieren und mit dem Parla-
ment diskutieren . Wir werden natürlich genau schauen,
was davon umgesetzt ist und was nicht .

Zweitens: das Leitbild . Wir alle würden uns wünschen,
dass man das friedenspolitische Leitbild für die Bundes-
republik Deutschland in drei Sätzen definieren kann. Das
wird kaum möglich sein. Ich finde, der Mehrzeiler, der
sich zu Beginn der Leitlinien findet, trifft es gar nicht
schlecht . Dort steht: Es gibt eine historische Verantwor-
tung . Wir haben dadurch ein Problem, dass internationale
und regionale Ordnungen infrage gestellt werden, ohne
dass es belastbare Alternativen zu ihnen gibt .

Deutschland ist das bevölkerungsreichste Land Euro-
pas mit der stärksten und dynamischsten Wirtschaft . Das
berechtigt uns nicht, uns hinter anderen zu verstecken,
sondern das bedeutet, dass wir Verantwortung überneh-
men müssen . Dazu kommt: Wir haben auch ein eigenes
Interesse . Wir verdienen mehr als die Hälfte unseres
wirtschaftlichen Wohlstandes außerhalb der Grenzen
Deutschlands . Wir haben die wahrscheinlich am stärks-
ten internationalisierte Volkswirtschaft . Daraus ergeben
sich Interessen .

Deswegen ist es vollkommen richtig – wie mein Kolle-
ge Hardt gesagt hat –, dass wir natürlich auch in Zukunft
eine wertegebundene Außenpolitik betreiben wollen, die
auf die Universalität der Menschenrechte setzt und die
das Friedensgebot der Präambel des Grundgesetzes mit
Leben erfüllt, aber dass wir auch unsere Interessen defi-
nieren . Wir haben Interessen . Das spüren doch die Men-
schen bei uns im Lande . Sie spüren, dass Globalisierung
nicht nur etwas mit wirtschaftlichen Chancen zu tun hat;
Globalisierung hat auch etwas mit Migrationsströmen zu
tun; Globalisierung hat auch etwas mit internationalem,
häufig islamistischem Terrorismus zu tun. Es liegt doch
in unserem Interesse, uns um diese Themen zu kümmern
und zu bemühen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vor diesem Hintergrund, glaube ich, ist es absolut richtig,
diese Interessen zu definieren. Das heißt aus meiner Sicht
auch, zu sagen, was wir nicht machen .

Es gibt knapp 200 Länder auf der Erde . In etwa
100 Ländern der Erde gibt es Kriege, Bürgerkriege und
Konflikte irgendwelcher Art. Wir können uns nicht um
alle kümmern . Deswegen müssen wir klar sagen: Wir ha-
ben auch regionale Interessen: Das ist Osteuropa; das ist
der Nahe Osten; das ist vor allen Dingen der afrikanische

Kontinent . Dort sollten wir unsere Aktivitäten konzen-
trieren . In diesen Bereichen müssen wir mehr machen .

Es geht darum, ressortübergreifend tätig zu sein . Ich
will einen Vorschlag in die Runde werfen: Ich glaube,
dass dieser ressortübergreifende Ansatz, der vernetzte
Ansatz, wie wir ihn diskutiert haben, durch die Bildung
eines Bundessicherheitsrates zusätzlichen Nachdruck er-
halten könnte . Das wäre ein innovativer Ansatz, der uns
weiterhelfen könnte .

Ich will etwas sagen, bei dem wir mit Sicherheit unter-
schiedlicher Meinung sind: Vernetzte Sicherheit bedeu-
tet, den gesamten Instrumentenkasten der Außenpolitik
einzubeziehen . Das sind die Entwicklungszusammenar-
beit und die wirtschaftliche Zusammenarbeit; das ist aber
auch das Militär . Es reicht nicht, aufzuschreiben, dass
man bündnistreu sein und mit anderen zusammenarbei-
ten möchte . Vielmehr muss man das letztlich mit Leben
erfüllen . Das bedeutet, dass man die dafür notwendigen
finanziellen Mittel bereitstellt. Deswegen sind die 2 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung bis zum
Jahr 2024 nicht einfach ein Punkt auf einer Wunschlis-
te, sondern sie sind Grundvoraussetzung dafür, dass wir
auch Militär einsetzen können .

Ich möchte einen Blick – damit komme ich zum Ende,
Frau Präsidentin – auf den Libanon, den Kosovo, Afgha-
nistan und Darfur werfen . Der amerikanische Präsident
kürzt die Mittel für Friedenseinsätze und Blauhelmmis-
sionen, beispielsweise in Darfur . Das bedeutet, dass dort
die Zivilbevölkerung nicht mehr vor den Konfliktpartei-
en geschützt werden kann . Ist denn das in Ordnung? Aus
meiner Sicht, nicht . Ich will, dass wir aus Deutschland
heraus eine andere Politik machen . Dafür haben wir jetzt
die richtigen Leitlinien .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824412000

Vielen Dank, Thorsten Frei . – Die letzte Rednerin in

dieser Debatte: Julia Obermeier für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Julia Bartz (CSU):
Rede ID: ID1824412100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! In den vergangenen vier Jahren habe ich als
Mitglied des Verteidigungsausschusses unsere Soldatin-
nen und Soldaten in vielen Ländern besucht, in denen die
Bundeswehr für Frieden und Stabilität im Einsatz ist . So
habe ich mich in Afghanistan, in Mali, im Kosovo oder
im Irak mit unseren Soldaten ausgetauscht und mich über
die Einsatzbedingungen informiert .

Ich konnte mir auch ein Bild von den Lebensumstän-
den der Menschen vor Ort machen . Meine Truppenbe-
suche haben mir deutlich vor Augen geführt: Sicherheit
und Entwicklung müssen Hand in Hand gehen; denn sie
bedingen einander . Ohne Sicherheit gibt es keine Ent-
wicklung und umgekehrt .

Thorsten Frei






(A) (C)



(B) (D)


Natürlich haben Diplomatie, Krisenprävention und
zivile Maßnahmen immer Vorrang . Doch auch die Aus-
bildungs-, Stabilisierungs- und Friedensmissionen sind
notwendig .

Über den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten
entscheiden wir hier im Parlament nie leichtfertig . Die
Militäreinsätze stehen auch niemals allein . Sie sind stets
eingebettet in einen umfassenden und vernetzten Ansatz,
den Franz Josef Jung zum Markenzeichen der deutschen
Sicherheitspolitik gemacht hat .

Diesem bedeutenden Grundsatz tragen die Leitlini-
en der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte
bewältigen, Frieden fördern“ Rechnung . Sie bilden die
strategische Grundlage für das zukünftige internationale
Engagement Deutschlands bei Krisenprävention, Kon-
fliktbewältigung und Friedensförderung.

Der Friede soll mit dem vernetzten Ansatz gestaltet
werden: als gemeinsames Ziel des Handelns der Ressorts
Außen, Entwicklung und Verteidigung . Daher freut es
mich, dass es uns in dieser Legislaturperiode gelungen
ist, die Etats aller drei Häuser zu erhöhen .

In den Leitlinien definiert die Bundesregierung um-
fangreiche Selbstverpflichtungen. Diese können nur um-
gesetzt werden, wenn alle relevanten Ministerien eng
zusammenarbeiten .

Die 50 Selbstverpflichtungen beziehen sich insbeson-
dere auf fünf Ziele: legitime politische Strukturen stär-
ken, ein sicheres Umfeld schaffen, Rechtsstaatlichkeit
fördern, wirtschaftliche Grundlagen und Erwerbschan-
cen schaffen sowie eine leistungsstarke Regierungsfüh-
rung und transparente öffentliche Finanzen .

Doch Deutschland kann diese Herausforderungen –
auch das geht aus den Leitlinien hervor – nicht alleine
bewältigen . Wir brauchen internationale Partnerschaften
wie die Europäische Union, die NATO, die OSZE und
die Vereinten Nationen .

Auch als Mitglied der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates weiß ich, wie wichtig die internatio-
nale Zusammenarbeit ist . Der Europarat hat 47 Mitglied-
staaten und versteht sich als Hüter von Menschenrechten,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit . Diese drei Werte
sind grundlegend für die Stabilität von Staaten .

In der Ukraine beispielsweise leistet der Europarat ei-
nen wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung mit einem
eigenen Büro vor Ort . Auch die internationalen Wahlbe-
obachtungsmissionen sind von großer Bedeutung .

Sehr geehrte Damen und Herren, mit den vorgeleg-
ten Leitlinien bekennt sich Deutschland zu seiner inter-
nationalen Verantwortung . Es ist das erste umfassende
Leitbild für das friedenspolitische Engagement Deutsch-
lands . An Frieden und Sicherheit sind wir hierzulande
Gott sei Dank gewöhnt . Aber dieser Frieden und diese
Sicherheit sind nicht selbstverständlich .

Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal die Ehre hat-
te, an diesem Rednerpult zu sprechen, gab es noch keine
Annexion der Krim; da gab es noch keinen IS-Terror und
auch noch keine Flüchtlingskrise. Kriege und Konflikte
rücken immer näher an uns heran, ob am Breitscheidplatz

hier in Berlin oder durch russische Sanktionen gegen die
Produkte unserer heimischen Landwirtschaft . Kriege
und Konflikte haben unmittelbaren Einfluss auf unsere
Sicherheit und unseren Wohlstand in Deutschland .

Angesichts dieser Weltlage sind die Leitlinien der
Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewälti-
gen, Frieden fördern“ eine wichtige Grundlage für unse-
ren weiteren Beitrag zu Frieden und Entwicklung welt-
weit .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824412200

Vielen Dank, Julia Obermeier . – Damit schließe ich

die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/12813 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Der Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12969
soll an dieselben Ausschüsse überwiesen werden . – Sie
sind damit einverstanden . Dann sind die Überweisungen
so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des 5. Untersuchungsausschusses gemäß
Artikel 44 des Grundgesetzes

Drucksache 18/12900

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache, die hier stattfindet, 60 Minuten vorge-
sehen . – Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so
beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Herbert
Behrens für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824412300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Millionen Menschen tragen gesundheitliche Schäden
davon, wenn sie Stickoxidschadstoffen ausgesetzt sind .
Wir wissen, dass das Klimagas CO2 dazu beiträgt, dass
es zu einem dramatischen Klimawandel kommt . Wir
stellen fest, dass die Automobilindustrie bei beiden, bei
dem Schadstoff NOx und beim Klimagas CO2, die Werte
manipuliert und damit gesundheitliche Schäden und die
Klimaschädigung billigend in Kauf nimmt . Das darf es
auf keinen Fall weiterhin geben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Mitarbeiter von Volkswagen in den USA musste
im September 2015 zugeben, dass VW eine Abschaltein-
richtung verwendet, die erkennt, wenn ein Auto auf dem
Prüfstand im Labor steht . Diese Art Abschalteinrichtung
ist in Kalifornien, aber auch in Europa verboten . Dieser
Betrug kostete das Unternehmen bis heute in den USA
23 Milliarden Euro .

Julia Obermeier






(A) (C)



(B) (D)


Was ist geschehen? Umweltschutzorganisationen,
aber auch der Automobil-Club ADAC haben frühzeitig
immer wieder darauf hingewiesen, dass offiziell ange-
gebene Abgaswerte im normalen Fahrbetrieb, teilweise
aber auch im Prüflabor nicht eingehalten werden. Das
war lange vor dem Auffliegen des VW-Betrugs. Ministe-
rien und Behörden, wie zum Beispiel das Kraftfahrt-Bun-
desamt, KBA, wurden informiert . Dort allerdings stieß
man auf ein Verhalten, das eher dem Verhalten der drei
Affen gleicht: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen .
Oder: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen wollen .
Das können wir auf jeden Fall keinen Tag länger dulden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Betrogen hat aber nicht nur VW . Auch andere Auto-
hersteller haben ihre Dieselmotoren frisiert und mit an-
geblich zulässigen Abschalteinrichtungen auf den Markt
gebracht . Der Verkehrsminister setzte eine Untersu-
chungskommission „Volkswagen“ ein, aber der Abgas-
skandal ist damit nicht aufgeklärt .

All dies machte den Untersuchungsausschuss nötig .
Der begann seine Arbeit am 7 . Juli 2016 . Bis zur letzten
Zeugenvernehmung am 8 . März 2017 wurden 57 Zeugen
vernommen, 13 Sachverständige gehört und 4 Gutachten
erarbeitet . Bei der Bewältigung dieser Arbeit wurden die
engagierten Mitglieder des Ausschusses von ihren Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern intensiv unterstützt . Als
Ausschussvorsitzender gilt mein zusätzlicher Dank den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekre-
tariats, die unter einem großen Zeitdruck eine tolle Arbeit
geleistet haben .


(Beifall)


Es war richtig, diesen Ausschuss einzusetzen, und es
war wichtig; denn wir decken Schwachstellen in den Be-
hörden auf, die den Abgasbetrug nicht erkennen wollten
oder konnten . Wir zeigen auf, wie die Automobilindus-
trie Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Wir
haben erreicht, dass wir hier die Debatte führen, wie wir
umweltgerechte, wirtschaftliche und nachhaltige Mobili-
tät gestalten können .

Ich kann jetzt aufgrund der kurzen Redezeit leider nur
auf zwei Punkte direkt eingehen .

Erstens . Das KBA ist für die Zulassung von Fahrzeu-
gen verantwortlich . Beharrlich ignorierten die Verant-
wortlichen dort und auch das vorgesetzte Verkehrsminis-
terium Hinweise, dass die genehmigten Abgaswerte nicht
eingehalten werden . Im Untersuchungsausschuss haben
Vertreter des KBA bestritten, dass sie entsprechende
Nachprüfungen hätten vornehmen können . Das stimmt
aber nicht . Auch für das KBA gilt das Verwaltungsver-
fahrensgesetz . In § 24 Absatz 1 dieses Gesetzes heißt es:

Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts
wegen . Sie bestimmt Art und Umfang der Ermitt-
lungen . . .

Sie ist also frei .

2011 gab es einen sogenannten Feldtest der Bundes-
anstalt für Straßenwesen, abgekürzt: BASt . In dem vom
Bundesumweltministerium initiierten und damals vom

Verkehrsministerium immer wieder gebremsten Projekt
wurden auch mehrere VW-Motoren getestet, unter an-
derem der Betrugsmotor EA189. Einem Mitarbeiter fiel
zunächst ein erhöhter CO2-Wert auf . Der BASt-Mitarbei-
ter wollte klären, woher dieser Wert komme, wurde dann
aber von einem Mitarbeiter des KBA ausgebremst . Ich
zitiere:

Da die CO2-Ermittlung nicht direkter Bestandteil
des Projekts ist . . . , ist meine Empfehlung, derzeit
keine weitere Klärung von VW abzuverlangen .

Die Devise war: Nichts hören .

Als dann am gleichen Motor auch erhöhte Stickoxid-
werte gemessen wurden, hieß es ebenfalls, es handele
sich um einen Einzelfall . Zitat:

Für mich ergibt sich hieraus nicht die Notwendig-
keit weiterer Fragestellungen an die VW AG .

Das damalige Verkehrsministerium hatte Kenntnis
von dieser Angelegenheit . Die Devise war: Nichts sehen,
nichts sagen .

Hätte man die Ereignisse damals hinterfragt und auch
das umfassende Testprogramm des Umweltbundesamtes
angewendet, so hätte man den Dieselskandal möglicher-
weise bereits im Jahre 2011 aufdecken können, und es
hätte nicht die schweren Verwerfungen, beispielsweise
bei VW, gegeben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das KBA muss deshalb verpflichtet werden, künftig
Hinweisen auf Manipulationen an Fahrzeugen oder ei-
nem entsprechenden Verdacht nachzugehen und dem
aufsichtführenden Bundesverkehrsministerium unver-
züglich zu melden .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das haben sie getan!)


Zweitens . Aus Antworten auf zahlreiche Anfragen
der Linksfraktion geht hervor, dass die Automobilindus-
trie einen besonders guten Zugang zu dem politischen
Spitzenpersonal hat . Die Industrie führt im Kanzleramt
Gespräche, während die Umweltverbände und Verbrau-
cherschutzorganisationen ihre Belange kaum bis auf die
Ministerialebene vermittelt bekommen . Im Untersu-
chungsausschuss konnten wir nachweisen, dass wesent-
liche Entscheidungen faktisch von der Industrie vorgege-
ben werden konnten .

Nur ein Beispiel . Bei den Verhandlungen zum neu-
en Prüfzyklus Real Driving Emissions, RDE, haben die
Konzerne durchgesetzt, dass bei den Grenzwerten für
Stickoxide der Faktor der Überschreitung 2,1 betragen
darf und nicht 1,6, wie von der EU-Kommission vorge-
schlagen worden war . Dieser skandalöse Sachverhalt ist
im Sondervotum der Linksfraktion ausführlich darge-
stellt. Um den Einfluss der Hersteller auf Regierung und
Behörden zulasten der Belange der Umwelt und der Ge-
sundheitsinteressen der Menschen zu begrenzen, müssen

Herbert Behrens






(A) (C)



(B) (D)


Lobbykontakte von der Bundesregierung offen dargelegt
werden, und zwar ab sofort .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Skandal ist nicht beendet, leider . Wir sehen es am
Beispiel der hohen CO2-Überschreitungen, die immer
noch gemessen werden . Der Skandal ist nicht beendet,
weil sich der Verkehrsminister weigert, wirklich umfas-
sende Abgasmessungen vorzunehmen, weil er sich wei-
gert, Verbraucherrechte zu stärken . Es gibt also noch viel
zu tun .

Der Ausschuss hat eine wesentliche Aufklärung ge-
leistet . In der nächsten Wahlperiode können diese Er-
kenntnisse genutzt werden für Entscheidungen, die die
Interessen der Beschäftigten, der Verbraucher und die
Gesundheit der Allgemeinheit und nicht einseitig die
wirtschaftlichen Interessen der Automobilkonzerne ins
Zentrum stellen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824412400

Vielen Dank . – Das war auch Ihre letzte Rede, Herr

Behrens . Sie haben in den beiden Legislaturperioden,
die Sie dem Bundestag angehört haben, im Verkehrsaus-
schuss gearbeitet . Dem ist die Arbeit nicht ausgegangen,
nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern sicherlich
auch vorher . Da dort in dieser Legislaturperiode aber be-
sonders viel Arbeit war, möchte ich Ihnen im Namen al-
ler Kolleginnen und Kollegen danken und alles Gute für
Ihre Zukunft wünschen .


(Beifall – Abgeordnete der LINKEN erheben sich)


Ulrich Lange hat als nächster Redner für die CDU/
CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1824412500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch von mir an dieser Stelle, Herr Kollege Behrens, al-
les Gute für die weitere Zukunft und ein Dankeschön für
das Leiten des Untersuchungsausschusses!

Aber damit komme ich gleich zurück zur Realität .
Als ich gerade Ihre Rede gehört habe, hatte ich den Ein-
druck, wir saßen in zwei unterschiedlichen Ausschüssen .
Ich kann mir nicht verkneifen, das zu sagen . Mich hat
Ihre Rede erstaunt . Mich hat aber auch erstaunt, als ich
im Februar 2017 auf tagesschau .de gelesen habe: „Lob
vom Linkspartei-Politiker für den CSU-Minister“ . Sie
hatten zur Untersuchungskommission „Volkswagen“ ge-
sagt – ich zitiere Sie wörtlich –: „Das ist eine gute He-
rangehensweise gewesen .“ Das attestierten Sie damals,
im Februar 2017, unserem Bundesverkehrsminister auf

tagesschau .de . Diesem Lob kann ich mich eigentlich nur
ganz herzlich anschließen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE])


Der Ausschuss hat eines klar hervorgebracht: dass
nämlich die Bundesregierung keine Kenntnis von den
Manipulationen hatte und dass der immer wieder ge-
nannte Kronzeuge Jürgen Resch von der Deutschen
Umwelthilfe in keiner Weise den an ihn gestellten ho-
hen Anforderungen gerecht geworden ist . Viele Minister
haben bestätigt, mit Herrn Resch gesprochen zu haben .
Aber letztlich hat sich das nicht bestätigt, anhand keiner
Akte; es gab nie Beweise . Auch das sage ich Ihnen, lieber
Kollege Behrens . Ich habe immer noch Sigmar Gabriel
im Ohr, der gesagt hat, er sei sich mit Blick auf den Cha-
rakter von Herrn Resch sicher, dass Herr Resch, wenn er
Beweise gehabt hätte, das Ganze zur Anzeige gebracht
hätte . Die Umwelthilfe und Herr Resch, die sonst auch
nicht die Gerichte und Staatsanwaltschaften meiden, hät-
ten – davon bin ich auch überzeugt – das in Anspruch ge-
nommen . Kronzeuge Resch, Umwelthilfe – Totalausfall!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben etliche
Sachverständige gehört – Sie haben das ja angespro-
chen –, die sowohl von Ihrer Seite als auch von unserer
Seite benannt wurden . Aber letztlich haben alle Sachver-
ständigen bestätigt, dass es keine Hinweise auf Manipu-
lationssoftware gegeben hat . Ich zitiere Ihren Sachver-
ständigen Kolke – er ist ja interessanterweise nicht von
uns benannt worden; uns sagt man ja immer die Nähe
zum ADAC nach –, der ausführte, man habe definitiv nie
von Abschalteinrichtungen sprechen können . Damit wird
doch deutlich, dass es von der Manipulation – und dass
es sich bei VW um eine Manipulation gehandelt hat, ist
unstrittig – keine Kenntnis auf unserer Seite, aufseiten
der Regierung oder anderer Handelnden gab .

Lieber Kollege Behrens, klar, es ist Ihre Aufgabe, ein
Sondervotum zu erstellen . Aber wenn man Sondervoten
macht, sollte man doch bitte bei den Tatsachen bleiben .
Ich möchte auf ein Herstellergespräch mit dem KBA
hinweisen, das Sie zitieren und bei dem Sie die Jahres-
zahl 2011 nennen . Aus dem Protokoll geht aber eindeutig
hervor, dass das Gespräch 2015, nämlich nach Kenntnis
dieser Abschalteinrichtungen, geführt worden ist . Man
sollte, um keinen falschen Zungenschlag in solche Be-
richte zu bringen, bei der Wahrheit bleiben . Eines hat sich
nicht bestätigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich
das Oppositionsgeheul vom Staatsversagen oder von der
Wegschaumentalität . Das waren rein mediale Floskeln,
um etwas aufzubauschen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass die Messverfahren, insbesondere der NEFZ,
Schwächen haben und dass deswegen Messwerte im La-
bor nicht den realen Werten entsprochen haben oder ent-
sprechen, ist im Endeffekt eine Volksweisheit; das weiß
jeder und ist von niemandem bestritten worden . Deswe-
gen hat man sich in einem langjährigen und schwierigen
Verfahren auf europäischer Ebene auf den Weg gemacht,
hier ein besseres Verfahren, nämlich das Real Driving
Emissions, zu entwickeln . Die Sachverständigen haben

Herbert Behrens






(A) (C)



(B) (D)


ganz klar gesagt, dass die Entwicklung eines solchen
neuen Messinstruments Zeit braucht . Wenn ich mich
richtig erinnere, war es der Sachverständige Hausberger,
der gesagt hat: Ich habe mich dabei in keiner Weise ir-
gendwie von der Automobilindustrie beeinflusst gefühlt,
sondern es waren technische Fragestellungen, an deren
Beantwortung wir hier gearbeitet haben .

Man kann also festhalten: Abweichungen? – Ja, wir
wussten davon . Herausforderungen? – Ja, man ist sie auf
europäischer Ebene angegangen . Aber nochmals, liebe
Kolleginnen und Kollegen der Opposition: Es gab kein
Staatsversagen . Auch das ist Teil der Wahrheit: Die EPA
in den USA hat die manipulierte Software nicht selber
gefunden . Vielmehr hat VW es der EPA gegenüber auf-
gedeckt . Das ist ein ganz großer Unterschied in der Sa-
che, den man nicht einfach wegdiskutieren oder beiseite-
schieben kann .

Nun zu der Frage, ob es eines Untersuchungsausschus-
ses bedarf . Lieber Kollege Behrens, der Untersuchungs-
ausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition . Sie
haben es gezogen . Dass der Untersuchungsausschuss
stumpf blieb, lag insbesondere daran, dass der Minis-
ter, wie Sie selber gegenüber tagesschau .de eingeräumt
haben, auf vorbildliche Weise zielgerichtet und schnell
eine Untersuchungskommission eingerichtet hat, um die
Vorwürfe zu untersuchen und die ganze Dimension der
manipulierten Software aufzuklären .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Dabei ging es doch um den VW-Skandal, nicht um den Abgasskandal!)


Insofern ist die Aussage klar: Wir haben den Untersu-
chungsausschuss gemeinsam gemacht . Wir haben – ins-
besondere ich als Jurist – viel über Technik gelernt; das
war manchmal ganz interessant . Aber letztlich war die
Herangehensweise des Ministeriums entscheidend . Für
andere Fragen sind Staatsanwaltschaften und Zivilge-
richte zuständig, nicht ein parlamentarischer Untersu-
chungsausschuss .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich gebe zu: Auch wir von der Union waren über ein
paar Auftritte – vorsichtig ausgedrückt – überrascht, er-
staunt, verärgert oder enttäuscht . Ich meine zum Beispiel
den Auftritt des Herrn Winterkorn .


(Beifall der Abg . Kirsten Lühmann [SPD])


Ich sage ganz offen: Dieser Auftritt ließ den notwendigen
Respekt gegenüber dem Parlament vermissen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es war auch eine vertane Chance des VW-Konzerns,
der Öffentlichkeit, den eigenen Mitarbeitern und Kun-
den gegenüber die Dinge zu erklären, die offensichtlich
sind . Dass sich Herr Piëch nur über die Zeitung äußert,
aber dann aufgrund eines formalen Arguments überhaupt
nicht kommt, ist gelinde gesagt am Rande der . . .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Schnellstmögliche Aufklärung durch die Untersu-
chungskommission habe ich schon genannt . Weitere

Versuche der Opposition, im Laufe des Untersuchungs-
ausschusses Internes – auch aus dem Ministerium – zu
skandalisieren, lieber Kollege Krischer, waren klassische
Rohrkrepierer . Vergleiche mit einer Affäre von Hillary
Clinton waren geradezu amüsant . Selbst die Ihnen in die-
ser Frage nahestehende Süddeutsche Zeitung hat Ihnen
politische Geschäftemacherei mit einer Affäre vorgewor-
fen . Wohlgemerkt, das kommt nicht von uns, sondern
von der Süddeutschen Zeitung, die bekanntlich uns nicht
so nahesteht wie Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat schnell ge-
handelt .


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich zähle das nur noch einmal kurz auf:


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es lustig!)


die verpflichtenden und freiwilligen Rückrufe, ein gan-
zes Paket an nationalen Maßnahmen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss man ja Luft holen!)


– Herr Kollege Krischer, Sie können lachen, aber es ist
gehandelt worden .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist was? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? Wo? Wie?)


Das KBA bekommt in Zukunft vor Erteilung der Typge-
nehmigung eine Erklärung zu Motorschutzeinrichtungen .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist jetzt noch mal gehandelt worden? – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie uns das mal an Praktiken erklären? – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen das ja ablesen! Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben? Hat Ihnen das Ministerium das aufgeschrieben?)


Wir haben die Dopingtests . Wir haben die Endrohrmes-
sung . Wir sind weiterhin auf europäischer Ebene unter-
wegs, um die Dinge zu regeln, die europäisch geklärt
werden müssen . Wir würden uns freuen, wenn alle euro-
päischen Partner die Maßstäbe anlegen wollten, die wir
in diesen Dingen gerne anlegen würden . Ich verweise da
insbesondere auf die europäische Verkehrsministerkon-
ferenz vom 7 . Juni 2016 . Da hat man ganz deutlich gese-
hen, wie die Fronten in Europa laufen .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat Herr Dobrindt jetzt noch mal gemacht?)


– Da nützt alles Lachen oder Grinsen nichts . Helfen Sie
lieber mit,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir helfen da nicht mit!)


Ulrich Lange






(A) (C)



(B) (D)


auf diesen Ebenen für entsprechende Beschlüsse zu sor-
gen!

Nun ist der Kollege Gastel nicht da, und der Minis-
terpräsident Kretschmann war auch nur in der Früh da .
Ich kann Ihnen bei diesem Thema einfach nicht ersparen,
Sie auf die Widersprüchlichkeit in Ihren eigenen Reihen
hinzuweisen . Auf der einen Seite habe ich mich selten so
über ein Video amüsiert,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das Ihre größte Freude im Leben ist, dann tun Sie mir leid!)


und auf der anderen Seite hat mich selten etwas so betrof-
fen gemacht, nämlich wie Sie meinen die Öffentlichkeit
täuschen zu können, sodass Ihr eigener Ministerpräsident
fragt: Was verzapft ihr da eigentlich?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir dürfen den Klimaschutz natürlich nicht aus dem
Auge verlieren . Deswegen sind die Themen Diesel und
CO2-Werte in die Gesamtabwägung mit einzubeziehen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Ganz genau!)


Wir haben heute schon über das Thema Elektromobili-
tät diskutiert; auch daran arbeiten wir . Da können wir
von der Union uns auch etwas anderes vorstellen als die
Kaufprämie der SPD; das sei hier einmal ganz offen ge-
sagt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die doch beschlossen!)


Wir glauben aber, dass Dieselfahrverbote keine Antwort
auf die Herausforderung sind, die sich in diesem Zusam-
menhang stellt .


(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben so viel Zeit gehabt!)


Es gibt inzwischen eine Reihe guter Vorschläge, mit de-
nen wir uns in den nächsten Monaten auseinandersetzen
werden . Dafür brauchen wir den Untersuchungsaus-
schuss nicht; denn das ist unsere politische Aufgabe .

Der Untersuchungsausschuss hat gezeigt: Es gab kein
Staatsversagen, kein Versagen der Regierung; es war in
erster Linie ein VW-Skandal .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man es sich so einfach macht!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824412600

Oliver Krischer hat als nächster Redner für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824412700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Uli Lange, Ihre Rede hat eigentlich wieder gezeigt,
wie das Schönreden, das Wegdrücken, das Ignorieren der
Probleme geht . Sie wollen einfach nicht wahrhaben, was

Sie regeln müssen . Sie versuchen, das auszusitzen . Das
ist längst der Skandal im Skandal .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir müssen noch einmal verdeutlichen, worum es
hier eigentlich geht: Weil Automobilhersteller – nicht
nur VW; ich rede hier von nahezu allen Herstellern, nicht
nur deutschen, sondern auch ausländischen Herstellern –
tricksen und betrügen, sind die Stickoxidwerte in unseren
Innenstädten so hoch, haben wir Vertragsverletzungsver-
fahren vonseiten der EU . Am Ende führt die hohe Luft-
belastung dazu, dass Menschen ihr Leben oder ihre Ge-
sundheit verlieren .

Ich erwarte von jeder Bundesregierung, dass sie sich
zuvorderst darum kümmert und dieses Problem löst . Ich
erlebe aber seit fast zwei Jahren, seit dieser Skandal be-
kannt ist, dass Alexander Dobrindt und die Bundesregie-
rung, auch Frau Hendricks, in diesem Bereich überhaupt
nichts unternehmen, sondern alles so weiterlaufen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Dazu muss man nur einen Blick in Ihren eigenen Bericht,
in Ihre eigene Bewertung werfen . Dass Regierungsfrak-
tionen versuchen, die Regierung herauszuhalten, und sa-
gen: „Das war alles okay, was die gemacht haben“, erle-
ben wir, glaube ich, bei jedem Untersuchungsausschuss .
Sie gehen aber noch einen Schritt weiter . Sie bestreiten,
dass es überhaupt ein Problem gibt, und schreiben in
Ihrem Untersuchungsbericht, es sei gar nicht erwiesen,
dass Stickoxid gesundheitsgefährdend ist .


(Ulli Nissen [SPD]: Lüge! – Kirsten Lühmann [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Was erzählen Sie denn da? – Arno Klare [SPD]: Das steht da nicht drin!)


– Doch, das steht da so drin .


(Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch Unfug! Was erzählen Sie da für einen Quatsch!)


Damit stellen Sie die Wissenschaft auf den Kopf, und
damit stellen Sie 20 Jahre Gesetzgebung auf den Kopf .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist, ehrlich gesagt, ein Skandal . Das ist das Niveau
von Trump .

Sie brauchen mir ja nicht zu glauben . Aber dann
schauen Sie sich doch einmal die Presseerklärung von
fünf Gesundheitsorganisationen an, die Anfang dieser
Woche veröffentlicht worden ist und in der Sie als Regie-
rungsfraktionen kritisiert werden . Dort heißt es: Was in
Ihrem Bericht steht, ist die Auf-den-Kopf-Stellung aller
wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Stickoxiden . Das ist,
ehrlich gesagt, niveaulos und eine Verhöhnung der Men-
schen, die unter diesen Schadstoffen leiden; das ist nicht
angemessen . Lesen Sie sich durch, was die Gesundheits-
organisationen schreiben . Da bekommen Sie ins Stamm-

Ulrich Lange






(A) (C)



(B) (D)


buch geschrieben, was Sie hier machen, meine Damen
und Herren .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Lesen Sie sich mal den Bericht durch! Das wäre hilfreich!)


– Ja, lesen Sie Ihren eigenen Bericht .


(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Lesen bildet! – Gegenruf der Abg . Kirsten Lühmann [SPD]: Denken hilft!)


Ich bin froh – da bin ich bei Herbert Behrens –, dass
wir diesen Untersuchungsausschuss eingerichtet haben;
denn wir haben nachweisen können, dass die Bundesre-
gierung, das Kraftfahrt-Bundesamt und andere Behörden
seit über zehn Jahren von dem Problem wissen, dass sie
in vielfältiger Weise immer wieder auf ein drastisches
Auseinanderfallen von Messstandsemissionen und Real-
emissionen hingewiesen wurden . Und was ist passiert?
Nichts ist passiert . Alle Hinweise sind systematisch igno-
riert worden, obwohl Abschalteinrichtungen sogar schon
in der EU-Verordnung stehen, obwohl solche Fälle be-
reits in den 90er-Jahren in den USA bekannt geworden
sind, obwohl es zahlreiche detaillierte Hinweise und Gut-
achten von Umweltorganisationen gibt . Alles ist ignoriert
worden . Ich will Ihnen auch sagen, warum . Herr Zinke,
der Präsident des KBA – es ist eigentlich ein Skandal,
dass der Mann immer noch im Amt ist –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


hat ganz offen gesagt, es sei nicht seine Aufgabe, heraus-
zufinden, ob Grenzwerte auf den Straßen überschritten
werden, ob die Gesundheit von Menschen gefährdet ist .
Meine Damen und Herren, wer sich solche Mitarbeiter
leistet, wer wie Herr Dobrindt solche Menschen im Amt
hält, der ist mitverantwortlich für einen unserer größten
Industrie- und Umweltskandale . Die Verantwortlichkeit
zieht sich durch die gesamte Behörde, sie zieht sich durch
das Verkehrsministerium und die Bundesregierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir müssen feststellen: Es handelt sich eben nicht
nur um einen VW-Skandal . Klar, VW hat es besonders
doll getrieben – die haben eine Prüfstandserkennung als
Abschalteinrichtung eingebaut –, aber es gibt etliche Un-
ternehmen, die die Abgasreinigung bei 17 oder 20 Grad
abschalten . Meine Damen und Herren, das ist illegal, in
jedem Fall illegitim . Es kann doch nicht sein, dass in Mit-
teleuropa eine Abgasreinigungseinrichtung neun Monate
im Jahr nicht funktioniert und Alexander Dobrindt und
seine Untersuchungskommission sagen: Ja, das ist legal;
das akzeptieren wir . – Eines der Ergebnisse des Untersu-
chungsausschusses ist, dass von vornherein klar war: Au-
ßer VW werden alle mehr oder weniger reingewaschen
und freigesprochen . Das ist genau das, was Alexander
Dobrindt macht . Das haben wir in vielen Dokumenten
nachlesen können, die mit „industriefreundlichen Grü-
ßen“ endeten .

Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können – das war
für mich eine erschreckende Überraschung –, dass in den
Bericht ganze Absätze, die die Autoindustrie geschrieben

hat, Wort für Wort übernommen werden . Das zeigt, wer
bei diesem Thema eigentlich regiert und dass es Ihnen
viel wichtiger ist, die Trickser und Betrüger zu schützen
und davonkommen zu lassen, statt die Gesundheit der
Menschen in den Innenstädten zu schützen . Das muss
hier in aller Klarheit gesagt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein Tiefpunkt des Ausschusses war für mich persön-
lich der Auftritt von Bundeskanzlerin Merkel; denn sie
hat gesagt, es gehe um Vorkommnisse und Verfehlungen
einzelner Ingenieure bei VW . Meine Damen und Herren,
ich habe, ehrlich gesagt, noch kein schlimmeres Kleinre-
den gehört .

Man muss einfach sagen: Von Frau Merkel über Herrn
Dobrindt stinkt der Fisch vom Kopfe her . Sie sind nicht
bereit und willens, die nötigen Konsequenzen zu ziehen .
Eine Konsequenz wäre, dass Sie sich die Behördenstruk-
turen anschauen, dass Sie einmal fragen: Was muss man
denn gegebenenfalls ändern? Nichts von dem ist passiert .
Es bleibt alles, wie es ist . Man macht so weiter . Man lernt
nicht von den Amerikanern, die das Ganze aufgedeckt
haben, die VW unter Druck gesetzt haben und damit die-
se Affäre, dieses Staatsversagen bekannt gemacht haben .
Das wäre eine notwendige Konsequenz in Deutschland .
Dazu höre ich von dieser Bundesregierung überhaupt
nichts .

Ein weiteres Thema ist der Verbraucherschutz . Ehrlich
gesagt, ist es doch ein Hohn, dass in den USA die Leute
entweder ein sauberes Auto bekommen oder entschädigt
werden .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Eben kein sauberes Auto! Das hat die Zeugin deutlich gesagt, dass sie nicht sauber sind anschließend!)


In Deutschland bekommen die Leute in der Werkstatt
ein Softwareupdate, von dem Sie nicht wissen, was es
beinhaltet, und vielleicht noch einen lauwarmen Kaffee
zur Begrüßung . Meine Damen und Herren, da müsste die
Bundesregierung handeln . Da wäre eine Gruppenklage
oder eine Sammelfeststellungsklage genau die richtige
Konsequenz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich werfe dieser Bundesregierung und diesem Verkehrs-
minister vor, dass sie genau das verhindert haben, obwohl
Dieselgate der richtige Anlass war . Es kann nicht ange-
hen, dass die Konsequenz von Dieselgate ist, dass die
Folgen des Tricksens und Betrügens der Autoindustrie
und des im besten Fall noch freundlichen Wegsehens der
Bundesregierung bei den Menschen abgeladen werden,
den Menschen, die ihre Gesundheit verlieren, und den
Autofahrern, die jetzt von Fahrverboten bedroht sind .

Herr Lange, wenn Sie sich hier gegen Fahrverbote
wehren, ist das doch ein Hohn . Sie und Ihre Bundes-
regierung haben doch die Fahrverbote verursacht . Wir
müssen darüber reden – das wäre der Job des Verkehrs-
ministers –, wie umgerüstet wird, wie die über 10 Mil-
lionen Fahrzeuge, die potenziell betroffen sind, sauber

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


werden, wie sie endlich die Grenzwerte einhalten . Herr
Kretschmann in Baden-Württemberg kümmert sich da-
rum . Nach zwei Jahren ist endlich auch Herr Seehofer
aufgewacht, worüber ich mich freue . Aber von Alexander
Dobrindt ist nichts gekommen, bis Anfang dieser Woche .
Da lesen wir plötzlich in einer Pressemitteilung, dass es
am 2 . August 2017 ein Nationales Forum Diesel geben
wird – sechs Wochen vor der Bundestagswahl –, bei
dem über die Nachrüstung und Umrüstung von vorhan-
denen Fahrzeugen geredet werden soll . Zwei Jahre lang
ist nichts passiert . Meine Damen und Herren, hier wird
Show für den Wahlkampf gemacht


(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Aber ganz genau! Und zwar läuft die gerade zur Sekunde!)


und am Ende das Problem bei den Autofahrern und bei
den Menschen abgeladen, deren Gesundheit Sie ruinie-
ren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824412800

Herr Kollege, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss

kommen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie können am 2 . August weitermachen! Nehmen Sie doch mal eine gute Dosis!)



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824412900

Ich hoffe, in der nächsten Wahlperiode haben wir eine

Bundesregierung, die dieses Problem ernst nimmt und
die die Konsequenzen aus der Aufarbeitung des Unter-
suchungsausschusses zu ihrem Programm macht . Die
Menschen, die davon betroffen sind, die Millionen be-
trogenen Autofahrer, die Tausenden, die ihre Gesundheit
verloren haben, haben es verdient, entsprechend behan-
delt zu werden .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824413000

Als nächste Rednerin hat Kirsten Lühmann für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1824413100

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!

Sehr verehrte Zuhörende! Zu Beginn des Untersuchungs-
ausschusses wurde mir von der Presse die Frage gestellt:
Frau Lühmann, ist das denn eigentlich nötig? – Ich habe
das Gleiche gesagt wie jetzt: Ja, dieser Untersuchungs-
ausschuss ist nötig, weil es ein demokratisches Recht des
Parlamentes ist, Auskunft zu verlangen . – Darum ist er
richtig und wichtig für die Demokratie, liebe Kollegin-
nen und Kollegen .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Die zweite Frage, die mir jetzt gestellt wurde, war:
Was gab es denn an Erkenntnissen? – Wir haben heute
schon einiges gehört . Ich kann mich erinnern: Der Kol-
lege Krischer hat, bevor wir die erste Sitzung hatten, den
Verdacht geäußert, es könne hier Staatsversagen vorlie-
gen . Nach jeder Sitzung – völlig egal, wer was gesagt
hat – trat er vor die Presse und sagte: Das war wieder die
Bestätigung für Staatsversagen . – Liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir haben in keiner Sitzung, von keinem Zeu-
gen irgendeinen Hinweis auf Staatsversagen erhalten .
Das ist die Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ja, es ist so, dass die Laborwerte und die Straßenwerte
auseinanderfallen . Aber das wussten schon die Politiker
und Politikerinnen, die 2007 die europäische Richtlinie
verabschiedet haben; das haben sie damals auch sehr
deutlich gesagt . Das ist absolut nichts Neues . Allerdings
haben sie – das haben uns die Zeugen bestätigt – kurze
Zeit später festgestellt, dass das Auseinanderfallen die-
ser Werte exorbitant anstieg . Darum haben sie schon vor
sieben Jahren – nicht erst nach Bekanntwerden der Ma-
nipulationen von VW – gesagt: Diesem Umstand müssen
wir entgegenwirken; wir brauchen neue Tests im Real-
betrieb . – Die wurden auch entwickelt und sind in Kraft
getreten . Ab dem 1 . September dieses Jahres, also noch
in dieser Legislaturperiode, wird es bei jeder neuen Typ-
zulassung die neuen Prüfverfahren geben . Dann werden
wir die Situation haben, dass die Werte, die in der Typzu-
lassung stehen, auch im realen Fahrbetrieb erreicht wer-
den, und das ist ein großer Erfolg .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber auch die Euro-6-Fahrzeuge wurden noch mit
dem alten Messverfahren geprüft, und auch bei den
Euro-6-Fahrzeugen ist es so, dass die Werte, die in der
Typzulassung stehen, nicht die sind, die wir im realen
Betrieb haben . Aber, Kollege Krischer, das ist legal . Das
war 2007 so gewollt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drei Sachverständige, drei Juristen sagen Nein!)


Aber das haben wir ja gerade verändert . Darum war es so
wichtig, dass die Behörden, dass die Regierungen, dass
die Parlamente in den letzten Jahren nicht weggeschaut
haben, sondern etwas getan haben .

Den Zeugen wurde im Ausschuss immer wieder die
Frage gestellt: Hätten Sie nicht mehr machen müssen? –
Alle Zeugen haben übereinstimmend gesagt: Wir hatten
niemals Hinweise auf illegale Manipulationen . – Einige
von uns haben gefragt: Kann das denn sein? Ich sage
ganz ehrlich: Ich finde es schwierig, mit dem Wissen von
heute das Handeln der Verantwortlichen von gestern zu
verurteilen . Es gibt ganz viele Dinge, die wir uns alle
nicht vorstellen konnten, bevor sie passiert sind .


(Ulli Nissen [SPD]: Und auch nicht wollten!)


– Und auch nicht vorstellen wollten, Kollegin Nissen . –
Insofern halte ich das nicht für ein Wegsehen, sondern
ich halte es für richtig, dass wir festgestellt haben: Die

Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


Verantwortlichen haben nach den rechtlichen Vorgaben
und im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehandelt . Deshalb
müssen wir diese rechtlichen Vorgaben verändern .

Damit komme ich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
zu unseren Schlussfolgerungen . Es sind zehn Punk-
te, die ich aufgrund der Zeit nicht alle erwähnen kann .
Aber ich fange mit einem an: Die Endrohrmessung bei
Dieselfahrzeugen haben wir bereits in die Wege gelei-
tet . Die Offenlegung von Motorsteuerungssoftware ist in
Deutschland umgesetzt . Ich sage mit Blick auf die nächs-
te Legislatur: Da gibt es noch einiges zu tun . Europa ist
nämlich entgegen der Bundesregierung der Meinung, es
reiche völlig aus, wenn bei der Typzulassung die Sys-
teme der Motorsteuerung dargelegt werden . Man müsse
nicht die komplette Software hinterlegen . Es ist uns klar,
dass wir uns bei 1 000 Zulassungen pro Jahr nicht jede
Motorsteuerungssoftware bis in den kleinsten Befehl an-
sehen können . Aber für uns ist wichtig, dass nicht nur das
System dargelegt wird, sondern dass auch beim KBA die
Steuerungssoftware hinterlegt wird . Das gilt nicht nur für
die erste Typzulassung, sondern aus unserer Sicht auch
für jedes weitere Update der Motorsteuerungssoftware .

Die nächste Frage war: Was ist mit den Richtlinien? –
Herr Krischer, Sie haben heute gesagt, die Auffassung
verschiedener Automobilhersteller sei illegal oder illegi-
tim. Ich finde es schön, dass Sie wenigstens diese Ein-
schränkung gemacht haben . Wenn die Richtlinie so klar
wäre, wie Sie uns glauben machen wollen, dann hätten
wir den Konflikt mit Italien nicht. Wir haben bei den Fi-
at-Fahrzeugen festgestellt, dass es auch dort eine Abwei-
chung gibt . Aus unserer Sicht sind diese Fahrzeuge nicht
konform mit der Richtlinie . Die Typzulassungsbehörden
in Italien sagen das Gegenteil . Wir haben keine Mög-
lichkeit, zueinander zu kommen . Aber dafür brauchen
wir keine Kontrollbehörde, dafür müssen wir nicht das
KBA kontrollieren . Was wir brauchen, ist eine vernünfti-
ge Clearingstelle auf europäischer Ebene, die, wenn zwei
verschiedene Typzulassungsbehörden unterschiedlicher
Meinung über die Auslegung sind, eine Entscheidung
fällen kann . Auslegungshilfen oder Sonstiges reichen
nicht aus . Wir müssen dieser Richtlinie Zähne verschaf-
fen, damit sie vernünftig wirkt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir brauchen auch Lösungen für Bestandsfahrzeuge;
dazu wird mein Kollege Arno Klare gleich noch etwas
sagen . Wir brauchen für die Menschen, die betroffen
sind, bessere Rechtsinstrumente . Das können keine ame-
rikanischen Rechtsinstrumente sein . Im amerikanischen
und europäischen Rechtssystem gibt es Unterschiede .
Wir als Koalition haben in den Bericht geschrieben, dass
die Musterfeststellungsklage den Menschen in Deutsch-
land helfen würde . Es ist schade, dass wir sie nicht mehr
verwirklichen können . Wir brauchen vernünftige Sankti-
onen, die nicht die Halter und Halterinnen treffen, son-
dern die Automobilherstellenden, und zwar wirksame
Sanktionen in einer erheblichen Höhe .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber die könnten auch schon jetzt vollzogen werden! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können wir alles machen!)


– Wir müssen diese Sanktionen einführen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Wie kommt das denn, dass wir die bis heute nicht haben?)


und das geht heute so nicht . Kollege Behrens, wir haben
im Ausschuss auch diskutiert, dass das nicht geht .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren!)


Also müssen wir es einführen .

Insofern sage ich: Ich finde es schön, dass die Auto-
mobilherstellenden dem Kollegen Seehofer gesagt ha-
ben, sie wollten eine neue Motorsoftware entwickeln .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nützt aber nichts!)


Aber dafür hätten sie zwei Jahre Zeit gehabt, und ich habe
keine Lust, so lange zu warten, bis sie kommt . Wenn sie
kommt, gilt: Alles, was dabei hilft, weniger Schadstoffe
auf unserer Straße zu haben, halte ich für gut .

Wir müssen aber jetzt Dinge machen . Schlichte Ver-
bote, liebe Kollegen und Kolleginnen, sind bestenfalls
die letzte Option . Was wir benötigen, sind echte Lösun-
gen, und zwar im Hinblick auf den Gesundheitsschutz,
die Mobilitätsbedürfnisse und den Wohlstand der Men-
schen in unserem Lande . Ich freue mich, wenn wir in der
nächsten Legislatur daran arbeiten können . Da haben wir
viel zu tun .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824413200

Als nächster Redner hat Uwe Lagosky für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Uwe Lagosky (CDU):
Rede ID: ID1824413300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der deut-
schen Automobilindustrie arbeiten 815 000 Menschen .
Zusammen mit dem vor- und nachgelagerten Bereich
arbeiten rund 4 Millionen Menschen für die Automo-
bilindustrie . In meinem Bundesland Niedersachsen
sind 120 000 Beschäftigte in der Automobilindustrie
tätig . Nimmt man die Zulieferindustrie hinzu, entfallen
30 Prozent der Industriearbeitsplätze in Niedersachsen
auf die Automobilherstellung . Ein Großteil davon lebt in
meinem Wahlkreis, in Salzgitter, Wolfenbüttel und dem
Braunschweiger Land . Ich frage aus deren Sicht: Machen
Sie sich eigentlich auch mal Gedanken darüber, meine
sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition,

Kirsten Lühmann






(A) (C)



(B) (D)


was Sie mit Ihren Aussagen in den Unternehmen und bei
den Beschäftigten bewirken?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gerade eben beim Tagesordnungspunkt vorher diskutiert! Waren Sie nicht da? Herr Dobrindt war nicht dabei! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: VW hat 23 Milliarden Euro in den Sand gesetzt wegen der falschen Modellpolitik!)


Natürlich hat VW durch den Einsatz von nicht ge-
rechtfertigten Abschalteinrichtungen


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verbotenen!)


illegal gehandelt . Das ist in keiner Weise akzeptabel und
muss juristisch aufgearbeitet werden; es ist hier schon
mehrfach angesprochen worden . Natürlich geht es auch
darum, in der Zukunft besser auf die Grenzwerte zu ach-
ten und den vorgegebenen Rahmen einzuhalten .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Ja!)


Aber das rechtfertigt noch lange nicht einen Feldzug ge-
gen die gesamte deutsche Automobilindustrie .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


Auch die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses
rechtfertigen diese Vorgehensweise nicht . Es ist nicht so,
dass uns der Untersuchungsausschuss nichts gelehrt hät-
te . Das Verhör von 57 Zeugen und 13 Sachverständigen
hat klargemacht, dass die bestehenden EU-Regelungen
Lücken enthalten, die den Herstellern die Möglichkeit
boten, bei den Abgasuntersuchungen durchaus zu trick-
sen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei uns ist nichts falsch gelaufen?)


Dass es Differenzen zwischen Abgaswerten auf dem
Rollenprüfstand und dem Betrieb auf der Straße gibt, ist
nicht neu, sondern auf den standardisierten Prüfzyklus
NEFZ zurückzuführen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Differenz wurde immer größer! – Gegenruf der Abg . Kirsten Lühmann [SPD]: Genau! Und darum hat man ja auch RDE eingeführt!)


Seit 2014 besteht die Möglichkeit, Abweichungen grö-
ßeren Umfangs auch mit portablen Messgeräten nach-
zuweisen . Vorher gab es zwar auch Messgeräte, aber sie
waren viel zu groß und für den Einsatz auf der Straße
nicht praxistauglich . Nach der neuen RDE-Gesetzgebung
werden Abgasmessungen künftig neben dem Rollenprüf-
stand auch mobil, im Straßenverkehr, durchgeführt .

Der Untersuchungsausschuss hat aber auch gezeigt,
dass die Bundesregierung vor September 2015 weder
Kenntnis von Manipulationen noch konkrete Hinwei-
se auf den Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen
hatte . Im Rahmen des Untersuchungsausschusses ist

deutlich geworden, dass es keinerlei Anhaltspunkte für
Staatsversagen gibt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, sonst hätten wir den ja nicht!)


Das sollte nun auch mal die Opposition einräumen .

Anstatt zu skandalisieren, gilt es nun, weitere sinnvol-
le Gesetzgebungsverfahren auf der EU-Ebene einzulei-
ten . Wir setzen uns für eine Verbesserung der Abgasun-
tersuchungen bei Typgenehmigungen ein und sorgen in
der Zukunft für Transparenz .

Die Automobilindustrie muss nun die Herausforde-
rungen bewältigen, ihre Hausaufgaben machen und die
bereits beschlossenen strengen EU-Vorgaben ab Sep-
tember 2017 umsetzen . Ich unterstütze ausdrücklich
unsere CDU/CSU-Vorgehensweise, strengere Vorgaben
auf europäischer Ebene zu verankern; das beugt nämlich
auch Wettbewerbsverzerrung innerhalb des europäischen
Marktes vor .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die bisher immer verhindert! Ihre Bundesregierung war immer auf der Bremse gestanden!)


Für mich als Sozialpolitiker ist es das erste Anlie-
gen, Arbeitsplätze für die Menschen in Deutschland zu
sichern und Rahmenbedingungen für gute Arbeit zu ge-
währleisten . Ich denke, da gehe ich auch mit den Kolle-
gen Sozialpolitikern in den anderen Fraktionen konform .
Und doch fordern Sie einen radikalen Umbruch in der
Automobilindustrie, der ganze Montagehallen stilllegen
würde . Nichts anderes bewirken Sie mit einer Forderung,
ab 2030 den Verbrennungsmotor nicht mehr herzustellen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie, als wir das diskutiert haben?)


Wer so etwas in sein Wahlprogramm schreibt, der will
das auch umsetzen und sich daran in der Zukunft messen
lassen . Weil Sie das so machen, verunsichern Sie sowohl
die Unternehmen als auch die Beschäftigten in unserem
Land .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie die Klimaschutzverpflichtung 2050 erreichen? Sagen Sie das doch mal!)


Winfried Kretschmann hat Ihnen gegenüber doch sicher-
lich gesagt – und ich sage das hier noch mal –, dass diese
Termine „Schwachsinnstermine“ sind – Zitat Winfried
Kretschmann . Ich wünsche Ihnen, dass die Menschen in
unserem Land mal merken, was Sie mit solchen Aussa-
gen anrichten .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor drei Wochen
war ich zu Besuch bei VW im Motorenwerk Salzgitter .
Das ist ein Standort, an dem vorwiegend Dieselmotoren
hergestellt werden . In Zukunft wird sich der Schwer-
punkt vom Dieselmotor zum Benzinmotor verlagern .
Das geschieht zwangsläufig aufgrund der Diskussion, die
wir haben . Im Moment arbeiten dort insgesamt 7 000 Be-
schäftigte, die an dieser Verlagerung mitwirken . In Kür-

Uwe Lagosky






(A) (C)



(B) (D)


ze wird auch ein Teil dieses Werkes Elektromotoren und
Komponenten dazu herstellen, und zwar im industriellen
Maßstab . Darüber hinaus wird das Werk langfristig auf
Batterieproduktion setzen .

Eines ist aber klar: Zur Vollumstellung der gesamten
Produktion braucht es jedoch einen vernünftigen Über-
gang und eine längere Zeit, um die Produkte entspre-
chend auf dem Markt für Elektromobilität in Europa zu
platzieren . Deshalb ist es wichtig, dass wir in Deutsch-
land den Wandel für die Automobilindustrie gestalten .

Die Union setzt sich jedenfalls für die Automobilin-
dustrie ein . Sie ist einer der wichtigsten Industriezweige
in Deutschland . Wir brauchen einen vernünftigen Wan-
del, der einen sozialverträglichen Übergang schafft und
Arbeitsplätze sichert .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824413400

Als nächste Rednerin hat Ulli Nissen für die SPD-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Ulli Nissen (SPD):
Rede ID: ID1824413500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Dieser Freitag hat sehr spannend und für mich
auch historisch begonnen . Wer hätte am Anfang dieser
Woche gedacht, dass wir heute die Ehe für alle beschlie-
ßen würden? Dies haben viele lange gefordert, und sie
mussten leider auch lange auf die Umsetzung warten .


(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Aber das war nicht Untersuchungsgegenstand!)


Jetzt ging es auf einmal sehr schnell; das freut mich au-
ßerordentlich . Manche Dinge gingen schnell; manche
Dinge brauchen viel Zeit . Die Aufarbeitung des Die-
selgate und vor allem die nötigen Verbesserungen, die
folgen müssen, werden vermutlich noch viel Zeit in An-
spruch nehmen .

Viel Zeit haben wir auch im 5 . Untersuchungsaus-
schuss verbracht . In einem knappen Jahr hatten wir
30 Sitzungen, 57 Zeugen vernommen und 30 Sachver-
ständige gehört . Ungefähr 130 Stunden haben diese Sit-
zungen insgesamt gedauert .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Aber NSA war besser!)


Zunächst müssen wir noch einmal die gestellte Auf-
gabe realistisch betrachten . Der Ausschuss diente nicht
dazu, die internen Vorgänge der Automobilindustrie auf-
zudecken . Unser Untersuchungsgegenstand war, zu prü-
fen, ob die Bundesregierung sich im Umgang mit den ab-
weichenden Emissionswerten falsch verhalten hat . Aus

Sicht der Koalitionsfraktionen hat sich die Regierung
richtig verhalten .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenig überraschend!)


– Natürlich sieht das die Opposition anders; das ist mir
völlig klar .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat aber auch gute Gründe!)


Der 700-seitige Abschlussbericht liegt nun vor . Auch
wenn die Arbeit des Untersuchungsausschusses damit
formal beendet ist, hat sich das Thema leider noch lan-
ge nicht erledigt . Es kommen immer noch Schummelei-
en – ausgesprochen höflich ausgedrückt – anderer Au-
tohersteller ans Licht, und ich befürchte, dass da noch
Weiteres folgt . Das macht deutlich, dass noch viel Aufar-
beitung nötig ist; aber das ist dann wohl eher die Aufga-
be der Staatsanwaltschaft und nicht die des Bundestages .
Unsere Aufgabe ist, Verbesserungen anzugehen und die
Rahmenbedingungen deutlich zu verschärfen .

Wir müssen aus den Versäumnissen der Vergangen-
heit Lehren für die Zukunft ziehen; denn wichtig ist,
dass die Energie und das Know-how der Automobilin-
dustrie künftig nicht mehr dafür verwendet werden, die
Grenzwerte und die Testverfahren möglichst elegant zu
umgehen . Vielmehr geht es darum, Technologien zu ent-
wickeln, mit denen die Grenzwerte eingehalten werden
können, und sie müssen auch eingehalten werden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/ CSU])


Grenzwerte gibt es ja nicht zum Spaß, sondern weil
die Menschen, ihre Gesundheit und die Umwelt ge-
schützt werden müssen . Noch einmal für alle: Durch Au-
toemissionen sterben deutlich mehr Menschen als durch
Autounfälle . Deshalb müssen die gesetzten Grenzwerte
eingehalten werden . Zur Überprüfung brauchen wir die
Testverfahren im Echtbetrieb . Vertrauen ist gut, Kontrol-
le ist besser . Das ist leider notwendig, wie sich in der
Vergangenheit gezeigt hat .

Klar ist: Die Zukunft der Mobilität muss emissionsfrei
sein . Klar ist: Wir brauchen eine Verkehrswende . Des-
halb fordern wir in unserem SPD-Wahlprogramm ein
Bündnis für bezahlbare und nachhaltige Mobilität . Wir
werden einen Zeit- und Aktionsplan erarbeiten, aus dem
hervorgeht, wie die Mobilität in Deutschland bis 2050
digital, schadstofffrei und barrierefrei gestaltet werden
kann .

Zum Abschluss des vorläufig letzten Sitzungstages
dieser Legislaturperiode möchte ich mich bei meinen
Kolleginnen und Kollegen, bei meinen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern und bei den Mitarbeitern der Fraktion
sowie beim Ausschusssekretariat für die tolle Zusam-
menarbeit bedanken . Ich wünsche uns allen eine gute
Zeit und einen fairen Wahlkampf .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . Herzlichen
Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Uwe Lagosky






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824413600

Als nächster Redner hat Carsten Müller für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Carsten Müller (CDU):
Rede ID: ID1824413700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir brauchen gar nicht darum herumzureden:
Der von Automobilherstellern begangene Betrug, die
Tricksereien und Täuschungen durch die Verwendung
von verbotenen Abschalteinrichtungen für die Abgasrei-
nigung ist nicht stark genug zu kritisieren . Das hat einen
solchen Vertrauensverlust in die insbesondere für unser
Land so wichtige Automobilindustrie herbeigeführt, wie
wir ihn, jedenfalls mit Blick auf die Automobilindustrie,
in der Vergangenheit noch nie zu verzeichnen hatten .

Ich bin besonders erschüttert darüber, dass das nicht
nur – das ist heute verschiedentlich angesprochen wor-
den – zu einer enormen Verunsicherung bei den Eigen-
tümern von Kraftfahrzeugen geführt hat, sondern eben
auch – ich komme, wie mein Vorredner aus der Unions-
fraktion, Uwe Lagosky, aus dem Braunschweiger Land –
zu einer dramatischen Verunsicherung bei Beschäftigten,


(Ulli Nissen [SPD]: Ja!)


und das nicht nur in meiner Heimatregion, aber gerade
auch dort . Bei Volkswagen in Niedersachsen sind über
100 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt,
eine noch größere Zahl ist bei den Zulieferern in Lohn
und Brot . Sie sind tatsächlich schwer verunsichert wor-
den .

Es geht – und das sage ich nicht nur als Lokalpatriot –
nicht nur um Volkswagen . Es ist verschiedentlich ange-
sprochen worden: Es gab vormals in Südeuropa ansässi-
ge Automobilhersteller, die mit Zeitschaltuhren – um das
ganz vereinfacht auszudrücken – gearbeitet haben und
dann nach 22 Minuten die Abgasreinigung abgeschaltet
haben, andere arbeiteten mit sehr fragwürdigen Tempe-
raturfenstern . Damit will ich das dramatische Fehlverhal-
ten von Volkswagen nicht relativieren, ich will allerdings
sagen: Das Problem ist deutlich größer, und wir müssen
auch die internationalen Automobilhersteller im Blick
haben .

Bei der Arbeit des Untersuchungsausschusses gab es
einige Besonderheiten, die mir in Erinnerung geblieben
sind: Durch eine Vielzahl von Zeugen und Sachverstän-
digen war es möglich, eine Einordnung von Schadstoffen
und deren gesundheitsschädlichen Auswirkungen vorzu-
nehmen . Das war beeindruckend . Das ist wichtig gewe-
sen . Das hat dazu geführt, dass ich die abenteuerlichen
Vorwürfe, die der Kollege Krischer noch in der letzten
Debatte angeführt hat, nicht mehr gehört habe . Außer-
dem: Auf Video mitgeschnittene Gespräche von einzel-
nen Abgeordneten Ihrer Fraktion durch andere Vertreter
führen zu einer Teileinsicht, und auch die sachlichen De-
batten, die wir führen, sorgen für eine gewisse Bewegung
bei Ihnen . Ich bin trotzdem nur schwacher Hoffnung –
um das einmal so zu formulieren –; denn mir ist noch
etwas Bemerkenswertes in Erinnerung geblieben: Wir
wären im Ausschuss etwas schneller vorangekommen,

wenn nicht beispielsweise der Kollege Krischer regelmä-
ßig mit Verdrehungen und Unterstellungen versucht hät-
te, sowohl Zeugen wie auch Sachverständigen seinen Be-
griff des Staatsversagens in den Mund zu legen . Er wurde
nicht nur einmal, er wurde nicht nur zehnmal, er wurde
zwanzig-, dreißigmal von Zeugen und Sachverständigen
korrigiert; sie haben immer wieder gesagt: Bleiben Sie
bitte bei der Wahrheit, Herr Krischer . – Das ist die Auf-
forderung, die heute an Sie ergeht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was ist mir noch in Erinnerung geblieben? Mir ist
ein vormaliger Vorstandsvorsitzender eines Automobil-
herstellers in Erinnerung geblieben, der sich plötzlich
an gar nichts mehr erinnerte und meinte, eigentlich für
gar nichts so richtig verantwortlich zu sein, der aber von
nicht unerheblichen Abschlusszahlungen – in Millionen-
höhe – profitiert hat.

Eine zweite Person ist mir in Erinnerung geblieben .
Es geht ja auch um die Verknüpfung von Staat und Au-
tomobilindustrie, und dafür gibt es einen markanten Fall:
Volkswagen . In Erinnerung geblieben ist mir ein Präsi-
diumsmitglied des Aufsichtsrats eines Automobilherstel-
lers . Er ist zugleich Ministerpräsident in Niedersachsen;
ich sage: noch .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Er schilderte, wie ihn der Skandal erreicht hat . Er hat da-
von bei der Tagesschau am Samstagabend erfahren . Er
hat uns ziemlich präzise und wirklich entwaffnend ge-
sagt, was er dann gemacht hat: Zwei Tage lang gar nichts .
Er hat uns gesagt, er ist auf dem Sofa sitzen geblieben .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Krisenmanagement!)


Und von diesem Präsidiumsmitglied des Aufsichtsrats
sind 100 000 Beschäftigte in seinem eigenen Bundesland
abhängig . Eine schiere Katastrophe!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Was ist mir noch in Erinnerung geblieben? Mir ist
in Erinnerung geblieben, dass wir bei einem der beiden
Kronzeugen der Anklage – so nenne ich sie einmal mit
Blick auf Linke und Grüne – wegen vollständiger Er-
schöpfung, Verwirrung und widersprüchlichster Aussa-
gen die Vernehmung haben abbrechen müssen . So viel
zur Validität Ihrer Aussagen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist so nicht ganz korrekt! Sie sollten bei der Wahrheit bleiben! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist absolut unfair! Das ist wirklich das Allerletzte!)


– Ich weiß, das tut weh, Herr Krischer; aber Sie müssen
das ertragen . Sie können mit der Wahrheit nur schwer






(A) (C)



(B) (D)


umgehen; aber heute müssen Sie das noch einmal ertra-
gen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie haben damit ein Problem!)


Was lernen wir daraus? Wir haben hart gearbeitet . Wir
haben das Thema in die Öffentlichkeit gebracht, große
und berechtigte Kritik geäußert . Wir haben insofern auch
dazu beigetragen – darauf wurde schon im Rahmen der
Debatte über einen Antrag von Ihnen, die wir vor an-
derthalb Stunden geführt haben, hingewiesen –, dass das
Thema „umweltverträgliche, klimafreundliche Mobili-
tät“ stärker beleuchtet wird . Das muss man konzedieren .
Dazu hat auch dieser Untersuchungsausschuss beigetra-
gen . Wir müssen daraus jetzt die richtigen Schlüsse zie-
hen .

Im Übrigen ist der richtige Schluss nicht – das muss
man in aller Offenheit sagen –, jetzt alles auf die Elekt-
romobilität zu setzen . Das wäre grundverkehrt . Ich bin
ein großer Freund von Elektromobilität, dort, wo sie Sinn
macht . Aber lassen Sie uns das bitte gemeinsam, frei von
ideologischen Scheuklappen, „from cradle to grave“ be-
trachten, wie der Fachmann das sagt . Wir müssen das
Mobilitätswerkzeug vom Bau bis zur Entsorgung, bis zur
Verschrottung betrachten . Leider ist es immer noch so –
das wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit nicht anders
werden –, dass die Elektromobilität in Teilbereichen Lö-
sungen anbietet, aber eben nicht in allen Bereichen . Da-
rauf müssen wir alle gemeinsam schauen .

Meine Damen und Herren, am Ende des Tages sollte
sich dieser Untersuchungsausschuss mit einem von Ihnen
behaupteten, aber widerlegten Staatsversagen beschäf-
tigen . Hat die Bundesregierung versagt? Hat der Bun-
desverkehrsminister versagt? Die klare Antwort – auch
das ist heute imposant herausgearbeitet worden – lautet:
Nein, eben nicht .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Einzelmeinung!)


Warum und woran kann man das festmachen? Damit
will ich relativ bald zum Ende kommen . Aber lassen Sie
mich noch einige Punkte aufzählen: Es ist umgehend
eine Taskforce einberufen worden .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, mit den Leuten, die das Problem verantwortet haben!)


Ein damaliger Vorstandsvorsitzender ist umgehend zu
einem Gespräch einbestellt worden; in dem Moment, in
dem das Aufsichtsratsmitglied Ministerpräsident Weil
immer noch auf seinem Sofa zu Hause saß .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Wir haben das KBA gestärkt . Wir haben das KBA mit
finanziellen Ressourcen ausgestattet,


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: 27 Stellen mehr!)


damit eigene Untersuchungsgeräte angeschafft werden
konnten und auch Untersuchungen im Feld durchgeführt
werden können . Wir haben die Standards WLTP und

Real Driving Emissions gestärkt und für eine beschleu-
nigte Einführung gesorgt . Wir haben es hinbekommen –
das ist mir ganz wichtig; das war ein Diskussionspunkt
in der ersten Aktuellen Stunde zu diesem Thema, die am
25 September 2015 stattfand –, dass das Thema „Hinter-
legung und Offenlegung der Motorsteuerungssoftware“
aufs Tapet gebracht wurde . Das war eine Forderung aus
dem Parlament . Die Regierung hat sie sofort aufgenom-
men und umgesetzt .

Auf europäischer Ebene streiten wir dafür, dass beste-
hende Regelungslücken geschlossen werden . Da müssen
wir noch am Ball bleiben . Es muss da noch nachgeschärft
werden .

Des Weiteren dürfen wir, meine Damen und Herren,
den Fahrzeugeignern nicht Steine, sondern wir müssen
ihnen Brot geben . Auch das macht die Bundesregierung .
Ich finde es außerordentlich lobenswert und vernünftig,
dass es zu Nachrüstungsüberlegungen bei Euro-5-Fahr-
zeugen kommt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Auch finde ich es lobenswert und vernünftig, dass man
darüber Gespräche führt . Man ist da in Bayern vorange-
gangen . Ich zolle der Leistung Ihres Bundeslandes Res-
pekt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird schon seit 70 Jahren dran gearbeitet!)


Insofern sind wir auf einem guten Weg .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Bayern! Wo leben Sie denn?)


– Mensch, Herr Gastel!


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Seehofer hat gepennt und gepennt und gepennt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der pennt noch mehr!)


– Herr Gastel, ehrlich gesagt: Wenn einer in diesem Saa-
le – es ist schön, dass Sie jetzt da sind – heute am besten
nichts sagen sollte, dann sind Sie das . Denn wir alle sind
davon ausgegangen, dass Ihnen Ihr grüner Ministerpräsi-
dent den Sachverhalt erklärt hat .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat gesagt, was er alles macht! Was Seehofer nicht macht!)


Da bin ich aber enttäuscht worden; denn es hat leider
nicht gefruchtet .

Trotzdem vielen Dank für die spannenden Diskussi-
onen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824413800

Als nächster Redner in dieser Aussprache hat Arno

Klare für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)


Carsten Müller (Braunschweig)







(A) (C)



(B) (D)



Arno Klare (SPD):
Rede ID: ID1824413900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herrn! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in
Deutschland über 500 Messstationen, die Luftschadstoffe
messen . 152 haben im letzten Jahr das Limit von 40 Mik-
rogramm leider gerissen . Insofern haben wir da in der Tat
ein Luftschadstoffproblem . Herr Krischer, wenn Sie jetzt
aber hingehen und sagen, wir hätten das nicht oder falsch
thematisiert, dann bitte ich Sie, zumindest zur Kenntnis
zu nehmen, dass es zwischen Epidemiologie und Toxiko-
logie wissenschaftstheoretische Unterschiede gibt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie sollten sich, bitte, einmal damit befassen, was
„Prävalenz“ und „Inzidenz“ heißt . Das sind klassische
Begriffe der Epidemiologie . Von daher reden wir nicht
über Kausalitäten, sondern über Korrelationen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Und genau das steht in dem Bericht . Sie nehmen das
nicht zur Kenntnis . Ich werfe Ihnen vor, dass Sie das aus
Unkenntnis der Sache heraus skandalisieren . Oder es ist
so, dass Sie es selber besser wissen . Dann heißt das, was
Sie da tun, „Demagogie“ .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie die Erklärung der Gesundheitsorganisation gelesen?)


Das haben Sie gerade schon einmal bei einem anderen
Tagesordnungspunkt bewiesen . Da habe ich Sie da-
rauf hingewiesen, dass es einen Unterschied zwischen
THG-Neutralität und Schadstofffreiheit der Fahrzeuge
gibt . Das war – wohlgemerkt – ein ähnlicher Lapsus .

Meine Damen und Herren, wir haben 5,9 Millionen
Euro-5-Dieselfahrzeuge auf der Straße . Und wir haben
6,3 Millionen weitere Altfahrzeuge, die in die Klassen
Euro 1 und Euro 4 eingestuft sind . Des Weiteren gibt es
noch 1,3 Millionen Euro-6-Fahrzeuge, also eine ganze
Menge . Wir müssen diesen Menschen etwas anbieten,
damit ihre Fahrzeuge – vor allen Dingen die Euro-5-Fahr-
zeuge – sauber werden können .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommen Sie nach zwei Jahren drauf!)


Ich darf das Präsentationsobjekt leider nicht hier vor-
ne aufstellen . Bei Kirsten Lühmann steht so ein Gerät .
Das Ding heißt BNOx .


(Abg . Ulli Nissen [SPD] hält ein Gerät hoch)


Es ist von einer deutschen Firma gebaut worden . Dabei
handelt es sich nicht um ein „Rocket Science“ . Dieses Ge-
rät wird mit einem SCR-Katalysator zusammengeschal-
tet . Bei NOx erzielt es Reinigungswerte von 97 Prozent .
Damit ist ein Euro-5-Fahrzeug auf Euro-6-Qualität – und
sogar noch auf eine bessere Qualität – umrüstbar .

Herr Dr . Kolke, der gerade schon einmal zitierte Gut-
achter des ADAC aus Landsberg am Lech, hat das getes-
tet . Er gilt in dem gesamten Bereich als „untouchable“ .
Auch Dr . Axel Friedrich hat das Fahrzeug getestet . Er

sagte, das sei das sauberste Fahrzeug, das er je gefahren
hat .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Hört! Hört!)


Das Ding funktioniert also . Dass das auf meinem Platz
steht und nicht auf Ihrem und auch nicht auf dem des
Ministers, zeigt, dass Sie sich um die Probleme nicht
gekümmert haben . Bei Ihnen ist das ein Abzug bei der
B-Note . Bei Ihnen ist das Parteiversagen und nicht
Staatsversagen .


(Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut, Arno!)


Sie haben sich um das Ganze nicht gekümmert . Sie
waren immer nur an demagogischer Sprechweise interes-
siert . Und sobald Sie hier vorne stehen, habe ich immer
das Gefühl, dass in Ihrem Namen nur noch ein „e“ fehlt .
Dann wären Sie treffend beschrieben .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Dieses Gerät kostet ungefähr 1 500 Euro, mit Einbau
ungefähr 2 000 Euro . Die Frage ist, wer das den Bürge-
rinnen und Bürgern bezahlt . Die Bürgerinnen und Bürger
sollen das nicht selber bezahlen müssen .


(Beifall der Abg . Kirsten Lühmann [SPD])


Denn die haben ihr Euro-5-Fahrzeug im besten Glauben
gekauft, eines der technisch saubersten Fahrzeuge über-
haupt erworben zu haben . Insofern geht es darum, dass
die Hersteller – Barbara Hendricks hat das bereits vorge-
schlagen – dort doch erheblich in die Tasche greifen müs-
sen . Damit sie vielleicht auch einen betriebswirtschaft-
lichen Anreiz verspüren: Das, was sie dafür bezahlen
müssten, ist ein lächerlicher Betrag gegenüber dem, was
sie zahlen müssen, wenn sie ihre Wahnsinnsinvestitionen
in die Dieseltechnologie abschreiben und durch Bilanz-
berichtigungen aus den Büchern tilgen müssen .

Insofern bitte ich, darüber nachzudenken, dass die Un-
ternehmen das Gerät einbauen und nachrüsten müssen .
Damit sind die Fahrzeuge dann sauber, und damit haben
wir dann das Problem für die Bestandsflotte Diesel in der
Tat gelöst; denn das Gerät funktioniert .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Donth [CDU/CSU]: Und was kostet das?)


– Ich habe es gerade schon gesagt; Sie haben nicht zuge-
hört, Kollege Donth . Ich habe gerade sogar auch schon
gesagt, wer das eventuell bezahlen soll . Das kostet pro
Fahrzeug ungefähr 2 000 Euro .

Ich habe noch einen weiteren Punkt anzusprechen: Ich
glaube, wir müssen lernen, dass wir falsch messen . Diese
von mir gerade schon bestimmten 500 Messstationen, die
es in Deutschland gibt, messen das Hintergrundrauschen .
Peter Mock, der auch von Ihnen wahrscheinlich nicht an-
zugreifen ist, hat uns darauf hingewiesen, dass wir ein
anderes Messsystem wählen müssen, das es im Kanton
Zürich schon seit 1997 gibt . Die Schweizer haben es in
diesem Fall wirklich erfunden . In Großbritannien und
in anderen Staaten gibt es das auch, und in Kalifornien
kommt es jetzt ebenfalls zur Anwendung . Das System
heißt Remote Sensing Device .






(A) (C)



(B) (D)


Das ausgestoßene NOx und die Abgaswerte der Fahr-
zeuge werden dabei auf der Straße gemessen, und zwar
im Abgasstrahl von vorbeifahrenden Fahrzeugen . Der
riesige Vorteil ist, dass die Fahrzeuge auch fotografiert
werden, sodass man dann die Fahrzeugtypen zuordnen
kann .

Auf der Corneliusstraße in Düsseldorf – wenn Andreas
Rimkus hier wäre, dann würde er das jetzt sofort bestä-
tigen – hat man das Verfahren angewendet und festge-
stellt, dass 17 Prozent der NOx-Überschreitungswerte,
die dort vorkommen, aus den Bussen resultieren, die von
der Rheinbahn dort vorbeigeschickt werden . Sie werden
jetzt gezielt entdieselt, und dann hat man eine deutliche
Absenkung der Werte erreicht . Das ist ein Beweis .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Oder man baut dort das entsprechende Gerät ein – das
kann man übrigens auch in Busse einbauen –, aber das ist
ein bisschen größer, sodass ich das nicht hier in den Saal
hätte tragen können . Das funktioniert also alles . Das ist
sehr wichtig .

Ein Letztes, was ich sagen will – das ist eine persön-
liche Bemerkung –: Ich bedanke mich sehr bei dem, der
den Ausschuss geleitet hat, bei Herbert Behrens .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg . Dr . Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Herbert, ich habe in der ganzen Zeit des Ausschusses im-
mer das Gefühl gehabt, deine Sitzungsleitung war fair,
ausgleichend und nicht auf Konfrontation aus . Manch-
mal hast du mir ein bisschen viel Fragen gestellt, aber das
war dann in deiner Rolle als Abgeordneter der Linken .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist die Chance gewesen, ja!)


Das war zu ertragen; wir haben es ja überlebt . Das war
aus meiner Sicht verdammt gute Arbeit, die da abgelie-
fert worden ist .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD], an Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE] gewandt: Danke!)


Meine letzte persönliche Bemerkung – dann wird das
von der Zeit her auch eine Punktlandung –: Ich weiß,
dass du dem nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr
angehören wirst, und ich kann persönlich nur sagen: Ich
bedauere das .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824414000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich

diese Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des 5 . Untersuchungsausschusses auf

Drucksache 18/12900. Der Ausschuss empfiehlt, den
Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gibt es jemanden, der dagegen-
stimmt – oder sich enthält? – Dann ist das einstimmig
so beschlossen worden, und die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 c auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Sportausschusses (5 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD

Reformbestrebungen weiter mit Leben fül-
len – Leistung, Transparenz, Fairness und
Sauberkeit in den Mittelpunkt der künftigen
Spitzensportförderung stellen

Drucksachen 18/12362, 18/12683

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Sportausschusses (5 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Monika Lazar, Anja Hajduk, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Konzept zur Spitzensportreform grundlegend
überarbeiten – Beteiligungsrechte für Athle-
tinnen und Athleten verankern

Drucksachen 18/10981, 18/12684

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Sportausschusses (5 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Monika Lazar, Tom Koenigs, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Für verbindliche politische Regeln im interna-
tionalen Sport – Menschenrechte achten, Um-
welt schützen, Korruption bekämpfen

Drucksachen 18/3556, 18/12171

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen bitten, die
Plätze zügig einzunehmen, damit wir in der Debatte fort-
fahren können .

Ich eröffne die Aussprache und gebe als erstem Redner
in dieser Debatte Herrn Parlamentarischen Staatssekretär
Dr . Ole Schröder das Wort für die Bundesregierung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1824414100


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es freut mich, dass wir heute am Ende der Wahl-
periode noch einmal über die wichtigsten Punkte im Be-
reich der Sportpolitik sprechen und damit Bilanz ziehen
können .

Arno Klare






(A) (C)



(B) (D)


Die Fördermittel für den Sport sind in dieser Wahl-
periode um 36 Millionen Euro erhöht worden, also ein
Plus von 30 Prozent, und damit so stark gestiegen wie
in keiner Wahlperiode zuvor, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte es ganz klar sagen: Wir verschließen uns
selbstverständlich keinen weiteren finanziellen Forde-
rungen des Sports . Aber natürlich muss das Ganze etatreif
sein, genauso wie in allen anderen Bereichen auch . Mehr
Geld per Gießkanne bringt gar nichts . Das ist ja auch der
Grund, weshalb wir zusammen mit dem organisierten
Sport eine einschneidende Reform der Spitzensportför-
derung auf den Weg gebracht haben . Darin besteht eine
enorme Chance für den Sport, mehr Forderungen zu be-
gründen . Die bestehenden Potenziale sollen optimal ge-
fördert werden . Sportler und Trainer stehen zukünftig im
Mittelpunkt der Förderung . Bisher war hauptsächlich die
Zahl der gewonnenen Medaillen Maßstab für die Förde-
rung . Entscheidend ist zukünftig der Bedarf des Sports,
um die vorhandenen Potenziale optimal fördern zu kön-
nen .

Es geht jetzt um die Umsetzung der Reform . Die Mit-
glieder der PotAS-Kommission, die für die Evaluierung
zuständig sind, haben ihre Arbeit zügig aufgenommen,
sie sind sehr engagiert am Werk . Gemeinsam mit den
Vertretern des DOSB hat man sich jetzt die Attributenlis-
te, also die Liste der Kriterien, genau angeschaut . Dabei
geht es gerade um Kriterien wie Qualität der Trainings-
steuerung, Talentsichtung, aber natürlich auch Kampf
gegen Doping . Mit der Einrichtung von PotAS wird der
Forderung nach Objektivität und Transparenz endlich
Rechnung getragen . Das ist ein ganz entscheidender
Punkt, der sich auch im Antrag der Grünen findet.

Ich komme damit zu weiteren Punkten, die in den
Anträgen der Grünen aufgeführt sind . In der Tat: Der
internationale Sport steckt in einer tiefen Glaubwürdig-
keitskrise . Korruption und Doping sind die Hauptproble-
me . Ich bin davon überzeugt – das hat insbesondere die
beeindruckende Sitzung im Sportausschuss mit Sonder-
ermittler McLaren gezeigt –, dass der Sport schwerlich
in der Lage sein wird, aus dieser schweren Krise alleine
herauszukommen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs . Es ist
meines Erachtens unbedingt erforderlich, dass der Staat
die notwendigen Rahmenbedingungen setzt . Dass der
Staat die Integrität des Sports schützt und dass wir in die-
ser Wahlperiode das Anti-Doping-Gesetz und das Gesetz
zur Bekämpfung von Spielmanipulationen auf den Weg
gebracht haben, war daher von großer Bedeutung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das Referendum in Hamburg über Olympia sollte ei-
gentlich ein Weckruf sein . Um wieder mehr Akzeptanz
für Sportgroßveranstaltungen zu bekommen, müssen die

Vergaben endlich nach klaren und vor allem transparen-
ten Kriterien erfolgen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie doch unseren Anträgen zu!)


Was bringen Kriterien, die auf Hunderten von Seiten in
Bewerbungen aufgelistet werden, wenn sie am Ende gar
nicht berücksichtigt werden?

Wir als Bundesregierung sind vor allen Dingen inter-
national sehr stark engagiert . Wir tun dies auch auf Ebene
der G 20 oder im Rahmen der Weltsportministerkonfe-
renz im Juli dieses Jahres . Ich bin davon überzeugt, dass
Europa hier eine viel stärkere Rolle spielen muss . Wir
müssen hier viel mehr mit einer Stimme sprechen . Nur so
werden wir erreichen, dass sich der internationale Sport
wirklich ändert .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem Transparenz schaffen und öffentlich diskutieren!)


Meine Damen und Herren, ich habe mich entschieden,
nicht wieder für den Deutschen Bundestag zu kandidie-
ren . Ich danke allen für die Zusammenarbeit . Ich denke,
dass wir durch einen intensiven Diskurs im Sportaus-
schuss, aber auch mit engagierten Vertretern von außer-
halb einiges auf den Weg gebracht haben . Ich denke da
insbesondere an den Austausch mit dem Doping opfer-
Hilfe-Verein und die Neuauflage des Dopingopfer-Hilfe-
gesetzes . Das ist aus dem Parlament heraus mit entwi-
ckelt worden . Ich wünsche mir, dass Sie sich das in der
neuen Wahlperiode noch einmal anschauen . Sie sollten
sich überlegen, ob das Ganze nicht entfristet werden soll-
te . Ich glaube, wir sollten uns auch noch einmal damit be-
fassen, ob es bei den geschädigten Hinterbliebenen nicht
unter Umständen eine Regelungslücke gibt .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Und die Westopfer! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Auch Westdoping!)


Es kann meines Erachtens nicht darauf ankommen, ob
ein Dopingmittel vor oder während der Schwangerschaft
eingenommen wurde . Es lohnt sich sicherlich, noch ein-
mal den Blick darauf zu richten .

Als
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1824414200
Zusammenhalt der Gesellschaft, Migration und
Integration, innere Sicherheit und Digitalisierung . Der
Diskurs hierüber wird im Bundestag weitergehen . Neue
Abgeordnete werden neue Akzente setzen und neue Er-
fahrungen einbringen .

Politik war für mich von Anfang an ein Mandat auf
Zeit . Sich daran zu erinnern, ist am Ende die einzige
Möglichkeit, offen für neue Herausforderungen zu blei-
ben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824414300

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, auch ich möchte Ih-

nen im Namen des gesamten Bundestages ganz herzlich
danken . Sie waren vier Legislaturperioden – seit 2002 –
Mitglied des Deutschen Bundestages und haben sich im-
mer um innenpolitische Themen nicht nur besonders be-
müht, sondern in diesem Bereich auch sehr viel bewirkt .
Sie haben besonders als Parlamentarischer Staatssekre-
tär – die Funktion als Mittler zwischen Ministerium und
Parlament ist ja eine sehr wichtige – die Innenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland sehr stark beeinflusst. Ich
wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute .

Es ist auch schön, dass Sie noch einmal daran erinnert
haben, dass Mandate immer Mandate auf Zeit sind . Ich
glaube, das ist uns allen immer bewusst, wenn auch viel-
leicht nicht in jeder Minute . Es ist von daher auch wich-
tig, dass wir an die Zukunft denken . Für diese wünsche
ich Ihnen alles Gute .


(Beifall)


Als nächster Redner hat Dr . André Hahn für die Frak-
tion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824414400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

die Umsetzung der Spitzensportreform genauso läuft wie
die derzeitige Zusammenarbeit von Bundestag, Bundes-
regierung, Bundesländern und dem organisierten Sport,
dann ist der Abstieg in die Regionalliga vorprogram-
miert .

Am 28 . September 2016 stellten Innenminister de
Maizière und DOSB-Präsident Hörmann dem Sportaus-
schuss nach monatelangen Geheimverhandlungen ohne
vorherige gesellschaftliche Debatte ihr Konzept zur Neu-
strukturierung des Leistungssports und der Spitzensport-
förderung vor . Anfang Dezember stimmte der DOSB auf
seiner Mitgliederversammlung diesem Konzept bei nur
einer Gegenstimme zu, obwohl das Papier zuvor massiv
in der Kritik stand


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und immer noch steht!)


und auch unvollständig war . Das Grummeln vieler Ver-
bände war unüberhörbar, und manche haben wohl allein
deshalb zugestimmt, weil ihnen von der Bundesregie-
rung mehr Geld in Aussicht gestellt worden ist .

Genau dieses Geld fließt nun erst einmal nicht. Die
DOSB-Spitze hat sich über den Tisch ziehen lassen .
Aufgrund der anstehenden Neuwahlen und der folgen-
den Koalitionsverhandlungen wird über den Haushalt für
2018 erst im kommenden Jahr entschieden .


(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Aber es läuft doch!)


Das ist nicht nur mit Blick auf die Olympischen Win-
terspiele im nächsten Februar problematisch, sondern
beeinträchtigt auch die Vorbereitungen auf Tokio 2020 .

Trotz Forderungen von ursprünglich allen Fraktionen,
den Sportausschuss aktiv in den Diskussionsprozess ein-

zubeziehen, bekommen wir von der Bundesregierung bis
heute nur häppchenweise Informationen und erfahren al-
les Weitere aus den Medien .

Die vorliegenden Anträge sollten am 18 . Mai eigent-
lich ohne Debatte in den Sportausschuss überwiesen wer-
den . Nur weil die Linke dem widersprach,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur die Linke!)


gab es eine erste Lesung im Plenum, wenn auch nur
durch nach Mitternacht zu Protokoll gegebene Diskus-
sionsbeiträge . Dann nahm sich der Sportausschuss nicht
einmal 15 Minuten Zeit, um die beiden Anträge in seiner
Sitzung am 31 . Mai zu beraten . Die Spitzenverbände des
DOSB tagten schließlich mit dem Bundesinnenministe-
rium und den Innenministerien der Länder zur weiteren
Umsetzung der Reform am 21 . und 22 . Juni .

Am Abend gab es ein Wahlhearing und einen Par-
lamentarischen Abend des DOSB, auf dem Präsident
Hörmann und Minister de Maizière die anwesenden
Abgeordneten über einige Ergebnisse der Beratungen
informierten, insbesondere über die sich abzeichnenden,
womöglich jahrelangen Verzögerungen bei der Einfüh-
rung des einst als Wundermittel gepriesenen Potenzial-
analysesystems, PotAS, mit dem künftige Olympiasieger
durch Computerprogramme herausgefiltert werden sol-
len .

Der vorerst letzte Akt in diesem Schauspiel war die
Sitzung des Sportausschusses am 28 . Juni . Der Antrag der
Linken, die Tagesordnung um den Punkt Spitzensport-
reform mit einem Bericht des Bundesinnenministeriums
zu den jüngsten Entwicklungen zu erweitern, wurde von
der Koalition abgelehnt . Dabei soll dieses Konzept für
viele Jahre die Grundlage für den Spitzensport und des-
sen Förderung durch Bund und Länder sein . So kann man
mit dem Parlament nicht umgehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/
CSU und SPD: Dass Sie dieses Spiel mitmachen oder
sich gefallen lassen, enttäuscht mich zutiefst .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wundert dich das?)


Auch wenn für die Linke der Breiten-, Schul- und
Gesundheitssport im Mittelpunkt der Sportpolitik steht,
stellen wir den Leistungs- und Spitzensport nicht zur
Disposition . Wir begrüßen auch das grundsätzliche An-
sinnen, die Spitzensportförderung neu zu strukturieren .
Das vorgelegte Konzept halten wir aber nach wie vor in
mehrfacher Hinsicht für äußerst problematisch . Es fehlen
wichtige Bestandteile wie beispielsweise die finanzielle
Untersetzung . Nicht akzeptabel sind auch die prekäre
Personalsituation sowie die Bezahlung der Trainerinnen
und Trainer . Weiterhin völlig unzureichend sind die Mög-
lichkeiten für eine duale Karriere von Spitzensportlern .

Was die Trainer angeht: Wer Weltspitze hervorbrin-
gen und betreuen soll, der muss auch ordentlich bezahlt
werden: ein Bundestrainer mindestens wie ein Gymnasi-
allehrer, ein Cheftrainer mindestens wie ein Schulleiter .






(A) (C)



(B) (D)


Davon sind wir in einigen Sportarten leider meilenweit
entfernt .


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich muss auch die aus Sicht der Linken nicht
akzeptable Fixierung auf Medaillen bei Paralympics und
Olympischen Spielen korrigiert werden . Sie darf aus un-
serer Sicht nicht vorrangiger Maßstab für die Sportför-
derung von Bund, DOSB und Deutscher Sporthilfe sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Letzte Bemerkung: Es bleibt die Hoffnung, dass nach
der Bundestagswahl mit anderen Mehrheiten und deut-
lich mehr Druck aus den Reihen des organisierten Sports,
vor allem vonseiten der Athletinnen und Athleten, ein
wirklich zukunftsfähiges Spitzensportförderkonzept ent-
steht .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824414500

Als nächste Rednerin spricht Michaela Engelmeier für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Eberhard Gienger [CDU/CSU])



Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1824414600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem
wir jetzt gerade die Selbstbefassungsrede von André
Hahn über die Spitzensportförderreform gehört haben,
kann ich nur an dieser Stelle sagen: André, auch ich habe
es mir anders vorgestellt . Kollegiale Zusammenarbeit ist
dann und wann vielleicht eher angebracht; das ist leider
nicht immer der Fall gewesen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Mit dem Ministerium, ja!)


Ich bin ja froh, dass die Linke hier quasi als Rächer
des DOSB auftritt, aber eines müssen wir uns auch ein-
mal klarmachen: Der Sport in Deutschland hat eine he-
rausgehobene Stellung in der Gesellschaft . Ich muss Ih-
nen nicht erzählen, was der Sport alles für dieses Land
leistet, nicht nur die Ehrenamtlichen, sondern auch die
Athletinnen und Athleten . Deswegen ist es gut, dass wir
heute quasi am letzten Sitzungstag in dieser Legislatur-
periode über den Sport diskutieren .

Wir waren und sind eine erfolgreiche Sportnation . Wir
wissen aber auch, dass wir nicht mehr so erfolgreich sind
wie früher . Seit Barcelona hat sich die Zahl unserer bei
Olympischen Spielen gewonnenen Medaillen quasi hal-
biert . Deshalb muss man wirklich darüber nachdenken,
eine Reform anzustoßen . Das ist passiert . André, in dem
Fall gebe ich dir tatsächlich ein bisschen recht: Ich hätte
mir gewünscht, dass wir eine öffentliche Diskussion un-
ter Einbeziehung der Sportpolitik geführt hätten . – Aber
jetzt liegt diese Reform vor . Diese Reform ist auch sinn-
voll, damit alte Strukturen aufgebrochen werden und wir
neue Wege im deutschen Spitzensport gehen .

Den Kerngedanken der Reform – Unterstützung von
zukünftigen Potenzialen; Athletinnen und Athleten ste-
hen im Mittelpunkt – teilen wir . Da sind wir dabei . Den
finden wir besonders gut. Für uns, die SPD-Fraktion, ist
es aber auch ganz wichtig, dass die Karte an Sportzentren
in Deutschland nicht plötzlich ausgedünnt wird, weil bis-
her erfolgreiche Sportarten weniger Medaillen holen –
ich erwähne jetzt einmal die letzten Olympischen Spiele,
bei denen die Schwimmer oder die Fechter nicht eine
Medaille gewonnen haben –, deshalb keine Förderung
mehr bekommen und im Nichts versinken . Das wollen
wir nicht . Deswegen haben wir gemeinsam mit unserem
Koalitionspartner einen wunderbaren Antrag auf den
Weg gebracht, mit dem wir eine gewisse Basisförderung
für eher weniger erfolgreiche Sportarten fordern .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ganz wichtig finden wir auch, dass die Rahmenbedin-
gungen für die Athletinnen und Athleten verbessert wer-
den . Möglichkeiten zur dualen Karriere, Arbeitszeiten
und -bedingungen von Trainern und Trainerinnen, faire
Löhne, sichere Arbeitsplätze, mehr Vollzeitstellen sowie
mehr Aus- und Fortbildungen, die Entwicklung einer Al-
terssicherung für Athletinnen und Athleten gemeinsam
mit der Sporthilfe – eine ganz wichtige Geschichte –, all
das liegt uns am Herzen . Das würden wir gerne verwirk-
licht sehen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Eberhard Gienger [CDU/CSU])


Zum Thema Olympia- und Bundesstützpunkte . Diese
Stützpunkte können wir nicht einfach willkürlich schlie-
ßen . Sie wissen, ich komme aus einer Kampfsportart,
aus dem Judo . Ich sage Ihnen: Wenn es keine Trainings-
partner mehr gibt, dann hat Judo in Deutschland keine
Zukunft; dann werden wir keine erfolgreiche Judonation
mehr sein . Insofern sollte man das Ganze hinterfragen .

Ganz wichtig für mich ist, dass es endlich eine Gleich-
stellung zwischen paralympischen und olympischen Ath-
leten gibt .


(Beifall bei der SPD)


Die paralympischen Athleten haben Anerkennung min-
destens genauso verdient . Warum auch nicht? Es ist ein-
fach eine wichtige Angelegenheit .

Der deutsche Sport war etwas unmütig darüber, dass
wir die geforderten 63 Millionen Euro nicht in den Haus-
halt eingestellt haben .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 63 Millionen?)


Das konnten wir nicht . Ich habe letzte Woche versucht,
es zu erklären . Aufgrund der Haushaltsgesetzgebung
können wir nicht jetzt schon 63 Millionen Euro in irgend-
einen Haushalt einstellen,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind 39 Millionen Euro!)


Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


der so wahrscheinlich gar nicht beschlossen wird . Wir
müssen abwarten, was die Sportpolitikerinnen und Sport-
politiker des nächsten Bundestages dazu sagen .


(Zuruf des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Aber ich kann dem deutschen Sport eins versichern: Die
SPD will dem Sport nicht das Wasser abgraben . Im Ge-
genteil: Wir werden die Rahmenbedingungen für den
Spitzensport nachhaltig verbessern .

Erlauben Sie mir eine kleine Bemerkung, Herr Staats-
sekretär Schröder: Ich möchte mich bei Ihnen für die
sehr vertrauensvolle Arbeit ganz herzlich bedanken . Wir
beide gehören einer Koalition an . Wir haben gemeinsam
mit Eberhard Gienger oft zusammengesessen . Ich denke,
viele Dinge, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht
haben, waren einfach gut . Ich wünsche Ihnen alles Gute .
Vielleicht sieht man sich bei der einen oder anderen Ge-
legenheit im Sport . Ich glaube, wir sehen uns am Sonntag
in Haifa .

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine wunderbare
Sommerpause . Es geht weiter . Christian Sachs auf der
Tribüne rufe ich zu: Der deutsche Sport – wir sind auf
seiner Seite .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824414700

Özcan Mutlu hat als nächster Redner das Wort für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824414800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vier

Jahre Sportpolitik im Bundestag gehen mit der heutigen
Sitzung zu Ende . Ihre Große Koalition verhinderte vier
Jahre lang, dass der Sportausschuss öffentlich tagt – als
wären wir in einer geheimen Mission . Hier reichen wohl-
meinende Worte nicht aus, liebe Michaela Engelmeier .


(Beifall bei der LINKEN)


Nach zwei Jahren Verhandlungen mit dem DOSB hin-
ter verschlossenen Türen haben Sie uns kurz vor Ende
der Legislaturperiode ein Konzept für eine Reform vor-
gelegt . Ziel Ihrer Reform sind deutlich mehr Medaillen .
Sie wollen einen besseren Return of Investment – als
wäre der Sport Teil der Marktwirtschaft, der Staat der
Investor, die Athletinnen und Athleten die Medaillenpro-
duzenten . Wir sagen: Das ist der falsche Ansatz .


(Beifall der Abg . Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


BMI und DOSB loben sich ja sehr gern immer gegen-
seitig dafür, wie stark die Zustimmung des Sports zum
neuen Konzept ausfällt . Was sie dabei allerdings unter-
schlagen, ist, dass das BMI für die Zustimmung offenbar
am Bundestag vorbei Geld in Aussicht gestellt hat, und
zwar in Höhe von 39 Millionen Euro . Diese Information
habe ich nicht vom Sportausschuss des Bundestages oder
vom Bundestag, das wissen wir nur über die gegenseiti-

gen Vorwürfe aus der Presse . Intransparenz lässt grüßen!
Aber mit Intransparenz macht man keine Politik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Eine öffentliche Debatte über den Spitzensport in
Deutschland hat es bisher leider nicht gegeben . Das be-
stehende Spitzensportsystem wird mit Ihrer Reform nicht
hinterfragt, nicht kritisiert oder gar verändert, sondern
nur zementiert . PotAS-Kommission hin, Attribute her,
ich frage mich, wie unsere Athletinnen und Athleten im
Wettkampf mit Ländern wie Russland und China, deren
Haltung zum Doping mehr als fragwürdig ist – ich sage
nur: Staatsdoping in Russland –, sauber bleiben sollen,
aber dennoch ein Drittel mehr Medaillen als diese Länder
erreichen sollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Darin liegt die Krux Ihrer Reform . Deutschland muss ei-
nen anderen Weg gehen und Vorbild sein .

Wir müssen uns um bessere Perspektiven für Ath-
letinnen und Athleten kümmern; es reicht nicht, liebe
Michaela, das einfach nach vier Jahren hier im Bundes-
tag zu sagen . Vielmehr müssen wir uns kümmern und et-
was tun . Handeln ist die oberste Prämisse .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michaela Engelmeier [SPD]: Das tun wir!)


Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen und eine
bessere Bezahlung der Trainerinnen und Trainer . Sie
müssen mit den Athletinnen und Athleten im Mittelpunkt
stehen .

Wir sagen: Spitzensport und Breitensport gehören
zusammen . Ihre Priorität sind lediglich mehr Medaillen,
und das ist falsch .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir brauchen mehr Prävention, bessere internationale
Zusammenarbeit, Good Governance, klare Konsequen-
zen und eine unabhängige Anti-Doping-Arbeit . Die Stär-
kung der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA sowie der
verschiedenen nationalen NADAs gehört dazu .

Wir brauchen zudem ein wirksames Whistle blower-
System gegen Doping, aber auch gegen Spielmanipula-
tion .

Wir meinen: Die Sportverbände müssen sich endlich
von ihren eingerosteten Strukturen und ihren korrupten
Funktionären verabschieden .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Auch der WM-Skandal von 2006 ist immer noch
nicht vollständig aufgeklärt . Dass hier parlamentarisch
überhaupt darüber diskutiert worden ist, mussten wir
als Opposition hart erkämpfen . Auch hierbei hat sich die
GroKo, obwohl alles öffentlich diskutiert worden ist, vor
der Öffentlichkeit gedrückt und den Sportausschuss in

Michaela Engelmeier






(A) (C)



(B) (D)


dieser Frage immer wieder nichtöffentlich tagen lassen .
Ich frage mich, warum .

Herr Schröder, Sie haben das Stichwort „Sportgroß-
veranstaltungen“ bemüht . Dazu sage ich am Ende meiner
Ausführungen ganz kurz: Die Bürgerinnen und Bürger
in München und Hamburg haben Olympia eine Absage
erteilt . Welche Schlüsse ziehen wir daraus? Was machen
Sie damit? Dabei ist doch klar: Eine Reform ist auch
hierbei bitter notwendig . Es braucht Naturschutz-, Bür-
ger- und Menschenrechtsstandards als Voraussetzung für
die Vergabe von Olympischen Spielen und Weltmeister-
schaften . Wir fordern: Bürgerbeteiligung von Anfang an,
keine Knebelverträge und keine exorbitanten Kosten!
Unseren Antrag dazu haben Sie drei Jahre im Ausschuss
schmoren lassen und dann abgelehnt .

Summa summarum: Vier Jahre sind vergangen, und
fast nichts hat sich bewegt . Man kann mit anderen Wor-
ten sagen: Außer Placebo nichts gewesen . – Und das ver-
dient Sportdeutschland nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/ CSU: So ein Quatsch!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824414900

Als nächste Rednerin hat Gudrun Zollner für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Gudrun Zollner (CSU):
Rede ID: ID1824415000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Das letzte Jahr war geprägt von der Diskus-
sion über die Reform des Leistungssports und der Spit-
zensportförderung . Zahlreiche Gremien und Experten
haben an diesem Konzept mitgearbeitet mit dem Ziel,
Ressourcen zu konzentrieren, um Deutschland wieder zu
einer erfolgreichen Sportnation zu machen . Im Schulter-
schluss haben uns Sportminister Dr . Thomas de Maizière
und DOSB-Präsident Alfons Hörmann im letzten Jahr
ihre Vorstellungen im Sportausschuss, dem wir ja alle an-
gehören, präsentiert – im Sportausschuss, der, wie jeder
andere Ausschuss auch, nichtöffentlich tagt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm genug!)


Mit der Neustrukturierung des Leistungssports wird
die Autonomie des Sports gewährleistet und explizit die
Gleichstellung des olympischen und des paralympischen
Sports verfolgt . Wir wollen sicherstellen, dass Athletin-
nen und Athleten mit und ohne Behinderung gleichbe-
rechtigt betrachtet und ihre spezifischen Anforderungen
berücksichtigt werden .

Uns allen ist klar, dass es erheblicher finanzieller Mit-
tel bedarf, um die neue Spitzensportförderung umzuset-
zen . Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden
uns für notwendige Mittelaufstockungen einsetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Fokus des Leistungssportkonzepts stehen die Ath-
letinnen und Athleten . Sie verdienen eine hohe Wert-
schätzung nicht nur für ihre sportlichen Leistungen und
die Medaillen, sondern für ihr gesamtes Engagement .
Das Potenzial der Sportlerinnen und Sportler früh zu
erkennen und dann gezielt zu fördern, ist ein zentraler
Punkt der Leistungssportreform . Der Blick richtet sich
auf die zukünftigen Chancen und nicht auf die Medaillen
der Vergangenheit .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: PotAS sagt etwas anderes!)


In Abstimmung mit den Bundesländern soll die Nach-
wuchsförderung deshalb weiterhin und, falls möglich,
wohnortnah in den jeweiligen Sportarten angeboten wer-
den können . Dem Schutz der Gesundheit von Kindern
und Jugendlichen vor zu hohen Belastungen ist dabei ein
besonders hoher Stellenwert beizumessen .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Spagat
zwischen dem zeitaufwendigen Training mit dem Ziel,
auf den Punkt sportliche Höchstleistungen zu erbringen,
und der alltäglichen Existenzsicherung ist eine Heraus-
forderung für jeden Einzelnen. Um die berufliche und
finanzielle Zukunft der Spitzensportlerinnen und Sport-
ler ausreichend abzusichern, bedarf es entsprechender
Maßnahmen .

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen
und der Stiftung Deutsche Sporthilfe ganz herzlich zum
50-jährigen Bestehen gratulieren . Die Deutsche Sporthil-
fe hat viele Spitzensportlerinnen und -sportler aus den
unterschiedlichsten Disziplinen finanziell unterstützt und
damit zu ihren Erfolgen und ihrer Existenzsicherung bei-
getragen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen
eine bessere Vereinbarkeit von Schule, Studium und Be-
ruf mit der Spitzensportkarriere erreichen . Für die duale
Karriere sind starke Partner bei den Hochschulen und in
der Wirtschaft, bei den Handwerkskammern und den Bil-
dungsträgern notwendig .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die individuellen sportlichen Bedürfnisse durch Training
und Wettkämpfe müssen mit den schulischen und beruf-
lichen Anforderungen in Einklang gebracht werden . Hier
hat die Bundeswehr, neben Bundespolizei und Zoll einer
der größten Förderer des olympischen Sports, reagiert .
Sportsoldatinnen und -soldaten bekommen als Sportleh-
rer und Ausbilder neue berufliche Perspektiven. Auch ein
sportwissenschaftliches Studium mit den Schwerpunkten
Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitierung
soll ab 2018 an der Hochschule der Bundeswehr in Mün-
chen möglich sein .

Für das Gelingen des Reformprozesses halten wir eine
unabhängige sowie hauptamtlich geführte Athletenver-
tretung für unverzichtbar. Dies wollen wir auch finanziell
unterstützen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Özcan Mutlu






(A) (C)



(B) (D)


Für den sportlichen Erfolg sind die Trainerinnen und
Trainer die wichtigsten Bezugspersonen . Für sie und an-
dere gilt es, ein attraktives Berufsbild „Trainer/Traine-
rin“ zu entwickeln . Zudem gehören gute Aus- und Wei-
terbildungsstrukturen, faire Arbeitsbedingungen, eine
angemessene Vergütung sowie längerfristige Verträge
und Arbeitsstellen dazu .

Nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch
die persönliche Sicherheit der Athletinnen und Ath-
leten ist uns wichtig . Deshalb wäre es richtig, dass die
PotAS-Kommission bei der Einteilung der Disziplinen
in Förderkategorien vorhandene Schutzkonzepte gegen
sexualisierte Gewalt mitbewertet . Nach der Studie „Safe
Sport“ hat rund ein Drittel der 1 800 befragten Kader-
athletinnen und -athleten sexualisierte Gewalt im Sport
erfahren müssen . Damit alles nur Erdenkliche gegen der-
artige Vorkommnisse und Gefahren unternommen wird,
sollte die Bundesregierung staatliche Zuwendungen
künftig von wirksamen Präventionskonzepten abhängig
machen .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aufgedeck-
te Dopingfälle fallen nicht nur auf die Sportlerinnen und
Sportler, sondern auch auf die jeweilige Nation zurück .
Wir sehen das gerade mehr als deutlich bei Russland,
sei es bei der Leichtathletik oder zuletzt im Fußball . Auf
nationaler wie auf internationaler Ebene müssen wir des-
halb den Kampf gegen Doping weiter vorantreiben und
die Welt-Anti-Doping-Agentur stärken . Die Athleten und
der Schutz ihrer Gesundheit stehen für uns an erster Stel-
le .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb gilt für uns: Null Toleranz gegenüber Doping
und anderen Formen der Manipulation!

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824415100

Als letzter Redner in dieser Aussprache hat Matthias

Schmidt für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824415200

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren
auf den Zuschauertribünen! Wir reden heute über die
Spitzensportreform . Ich freue mich, dass wir nun quasi in
der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages in dieser
Legislaturperiode noch einmal die Gelegenheit haben,
uns über den Sport auszutauschen .

Das, was der Sportausschuss in dieser Legislaturpe-
riode geleistet hat, kann sich wirklich sehen lassen . Ich
finde auch, unsere parteiübergreifende Zusammenarbeit
war ausgesprochen gut, weil alle Kolleginnen und Kolle-
gen im Sportausschuss ein Herz für den Sport hatten und
weiterhin haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zur Spitzensportreform . „Spiel, Satz und Sieg“, sagt
man beim Tennis am Ende . Herr Staatssekretär, ich habe
ein bisschen den Eindruck, das Innenministerium habe
geglaubt, dass, sobald der Entwurf einer Spitzensportre-
form vorliegt, der Ruf „Spiel, Satz und Sieg“ erschallt
und alles erledigt ist . Aber das ist nicht passiert . Sie sind
bewusst nur mit einem zweiten Spieler, dem DOSB, auf
den Platz gegangen . Wir hatten gefordert, dass auch der
Sportausschuss beteiligt wird; aber Sie wollten das nicht .
Sie sind mit diesem zweiten Spieler auf den Platz gegan-
gen und wundern sich nun nach Ihrem ersten Aufschlag,
dass ein Return gekommen ist .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt das Spiel mitgemacht! Das war ja das Schlimme!)


Und der Return war knallhart . Ob er tatsächlich fair war
oder unfair, kann ich gar nicht beurteilen; denn diesen
Return können wir nur in der Presse beobachten, und in
der Presse ist zu lesen, der Sportabteilungsleiter habe
zusätzlich 39 Millionen Euro zugesagt . Anstatt es zu
bestreiten, wird gesagt, die Vorlage des DOSB sei nicht
etatreif gewesen . Wer erinnert denn den DOSB einmal
daran, wer nach dem Grundgesetz für die Verteilung der
Gelder zuständig ist?


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundestag! Nicht Herr Schröder!)


Das sind wir hier im Deutschen Bundestag, und da müs-
sen wir auch ein bisschen selbstbewusster auftreten, mei-
ne sehr geehrten Damen und Herren .

Ich habe gesagt: Die Spitzensportreform war ein gu-
ter Aufschlag; das war schon nicht schlecht . Der Blick
nach vorn ist sehr gut . Es war bisher nicht in Ordnung,
dass wir nur auf das zurückgeschaut haben, was in der
Vergangenheit geleistet worden ist . Auf das Potenzial ab-
zustellen, ist schon prima . Aber wir müssen an der Spit-
zensportreform noch ein bisschen feilen, und dazu hat die
Große Koalition einen sehr guten Antrag vorgelegt


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Na ja! Na ja!)


mit vielen Punkten, über die man reden kann . Darin
findet sicherlich auch die Opposition, wenn sie kritisch
draufschaut, das eine oder andere Gute .

Ich will noch eine Sache hervorheben, über die sich
der nächste Deutsche Bundestag unbedingt Gedanken
machen muss: Das ist die Altersvorsorge von Sportlerin-
nen und Sportlern . Die Spitzensportlerinnen und Spitzen-
sportler verzichten teilweise zehn Jahre auf den Einstieg
in ihr Berufsleben, und sie schauen heute auch danach:
Was passiert später mit meiner Rente? Wir müssen eine
Antwort darauf finden; wir müssen eine Lösung finden.
Der einfache Ruf nach einem Rentenpunkt reicht nicht
aus . Er ist auch nicht zielführend; er wird das Problem
nicht lösen . Ich bin sicher, dass wir, wenn wir mit der
Sporthilfe diskutieren, einen Weg finden, der besser ist.


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürgerversicherung!)


Gudrun Zollner






(A) (C)



(B) (D)


Hinzu kommt ein zweiter Punkt: IAT und FES, die
beiden Institute . Wir werden weltweit um diese beiden
Institute beneidet . Wir sollten sie weiter stärken, so wie
wir das in der Vergangenheit getan haben .

Dritter und letzter Punkt, der mir sehr wichtig ist: die
Förderung des Sports von Menschen mit Behinderung .
Warum ist mir das so wichtig? Wir haben dafür schon
viel getan . Wir sind auf dem richtigen Weg . Aber wir
sollten noch mehr tun; denn diese Sportlerinnen und
Sportler sind nicht nur sportliche Vorbilder, sondern auch
menschliche Vorbilder, und dafür gebührt ihnen aller-
größte Anerkennung .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin, ich spüre schon Ihren Blick in mei-
nem Nacken; ich komme jetzt tatsächlich zum Schluss .


(Heiterkeit – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Sie guckt noch ganz freundlich!)


Ich habe am Anfang schon gesagt: Ich danke den Kolle-
ginnen und Kollegen im Sportausschuss; das meine ich
wirklich ehrlich . Alle hatten ein Herz für den Sport . Das
ist auch gut so . Lassen Sie uns so weitermachen!

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824415300

Lieber Kollege, seien Sie froh, dass es nur der Blick

ist .


(Heiterkeit)


Liebe Kollegen, damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Sport-
ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD mit dem Titel „Reformbestrebungen wei-
ter mit Leben füllen – Leistung, Transparenz, Fairness
und Sauberkeit in den Mittelpunkt der künftigen Spit-
zensportförderung stellen“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12683,
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 18/12362 anzunehmen . Wer stimmt für die-
se Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Frak-
tion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen angenommen worden .

Tagesordnungspunkt 32 b . Beschlussempfehlung des
Sportausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Konzept zur Spitzen-
sportreform grundlegend überarbeiten – Beteiligungs-
rechte für Athletinnen und Athleten verankern“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12684, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10981 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist

diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koa-
lition gegen die Stimmen der Opposition angenommen
worden .

Tagesordnungspunkt 32 c . Beschlussempfehlung des
Sportausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für verbindliche poli-
tische Regeln im internationalen Sport – Menschenrechte
achten, Umwelt schützen, Korruption bekämpfen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12171, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3556 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese
Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition
gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen
worden .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay,
Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch
den Bund auch nach 2019 ermöglichen

Drucksachen 18/11169, 18/12901

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner hat
Michael Groß für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1824415400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war ges-
tern – wie einige andere Kolleginnen und Kollegen – bei
einer Veranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft Woh-
nungslosenhilfe . Auf dieser Veranstaltung wurde noch
einmal deutlich, wie insbesondere in 55 Großstädten vie-
le Menschen, die mit geringem oder mittlerem Einkom-
men leben müssen – Rentnerinnen und Rentner, Studen-
ten, aber auch Langzeitarbeitslose –, im Wohnungsmarkt
um bezahlbaren Wohnraum kämpfen müssen .

Die Veranstaltung hat deutlich gezeigt, dass wir seit
etwa fünf Jahren in diesen 55 wachsenden Städten ein
Riesenproblem haben . Aber nicht nur dort; denn es gibt
auch mittelgroße Städte und größere Landgemeinden,
die im Umfeld der Großstädte wachsen und letztendlich
mit dazu beitragen, dass Wohnraum knapp wird . Seit
etwa fünf Jahren ist statistisch unterlegt, dass die Mie-
ten schneller steigen als die Einkommen . Das wurde sehr
lange, insbesondere von Lobbyisten der Wohnungsunter-
nehmen, bezweifelt .

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen danken,
die sich um die Menschen gekümmert haben, die nur

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


schwer Wohnraum finden, weil ihr Einkommen so nied-
rig ist: Kleinvermieter,


(Beifall bei der SPD)


ebenso Haus & Grund – auch da gibt es Menschen, die
mit dem Thema sehr sozialverantwortlich umgehen –,
Wohnungsunternehmen und -genossenschaften sowie
kommunale Wohnungsunternehmen .

Eines haben die letzten vier Jahre gezeigt: Der Markt
alleine wird es nicht richten, sehr geehrte Damen und
Herren .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir dürfen es nicht alleine Dritten überlassen, bezahlba-
ren Wohnraum herzustellen und für die Menschen insbe-
sondere ein Zuhause – dazu gehört auch das Wohnum-
feld – zu schaffen .


(Beifall bei der SPD)


Was haben wir in den vier Jahren gemacht? Wir haben
unter anderem die Mittel für die soziale Wohnraumför-
derung verdreifacht . Ich glaube, das ist ein Erfolg . Dem
Bericht der Bundesregierung, dem Bericht von Frau
Hendricks, können Sie entnehmen, dass 25 000 Woh-
nungen mit einer Sozialbindung im Jahr 2016 neu gebaut
worden sind; das ist eine Steigerung um etwa 68 Prozent .
Wir wissen aber seit vielen Jahren, dass vermehrt Woh-
nungen aus der Sozialbindung fallen .

Leider ist es so, dass einzelne Bundesländer nicht der
Aufgabe nachkommen, die Bundesmittel für sozialen
Wohnraum zu nutzen. Leider haben wir in der Entflech-
tungskommission, der Koch/Steinbrück-Kommission,
Anfang der 2000er-Jahre die Entscheidung getroffen,
dass der Bund nach 2020 keine Verantwortung für die
soziale Wohnraumförderung mehr haben soll; ich halte
das für einen großen Fehler .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Wir brauchen eine gemeinsame Verantwortung von Län-
dern, Kommunen und dem Bund für die Schaffung von
sozialem Wohnraum .

Einzelne Bundesländer haben das Thema aber sehr
ernst genommen, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen .
Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2016 fast 10 000 neue
Wohnungen mit sozialer Bindung geschaffen, aber das
war nur möglich, weil das Land die circa 260 Millionen
Euro auf 1,1 Milliarden Euro gehebelt hat .


(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört jetzt auf mit der FDP! – Gegenruf der Abg . Ulli Nissen [SPD]: Das glaube ich auch!)


Es wird in den nächsten Wochen und Monaten aufgrund
des Koalitionsvertrages spannend, zu sehen, was daraus
wird, wenn man die Mietpreisbremse abschafft, wenn
man die Kappungsgrenze aushöhlt . Ich kann mit Blick
auf die Situation in NRW, besonders in Köln und in Düs-
seldorf, nur sagen: Das wird, glaube ich, in den nächsten
vier Jahren eine schwierige Zeit für Studenten, Rentne-
rinnen und alle, die finanziell Probleme haben.

Ich glaube, dass man nach 2020 dafür sorgen muss,
dass die Länder aktiv werden und dass sie, wenn sie Bun-
desgelder in Anspruch nehmen, auch Wohnraum schaf-
fen . Wir haben eine Mietpreisbremse, die erst einmal
dafür gesorgt hat, dass Mieter und Mieterinnen geschützt
werden können und dass sie den Weg zum Gericht su-
chen können . Aber sie funktioniert nicht, weil es keine
Sanktionsmechanismen gibt . Außerdem weiß der Mieter
aufgrund der fehlenden Transparenz oft nicht, wie viel
vom Vormieter verlangt wurde . Das wollen wir korrigie-
ren . Hier wollen wir nachschärfen .

Wir haben das Wohngeld erhöht . Ich glaube, auch die
Städtebauförderung kann sich sehen lassen . Sie ist ein
Erfolgsmodell, ein Erfolgsinstrument, um neben der Auf-
wertung der Stadtteile diese auch zu gestalten . Wir müs-
sen uns in der nächsten Legislatur um das Thema „Ge-
meinwohlorientierung, Gemeinnützigkeit“ kümmern .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen einen Wohnungsbau, der sich an be-
zahlbaren Mieten orientiert . Ich glaube, dass man in der
nächsten Koalitionsvereinbarung beschreiben muss, was
man darunter versteht . Es ist nicht die Zeit ideologischer
Grabenkämpfe . Wir müssen aber die belohnen, die be-
zahlbaren Wohnraum schaffen und die sich um das Ge-
meinwesen im Stadtteil kümmern . Das muss unser erstes
Ziel sein .


(Beifall bei der SPD)


Es gibt drei Punkte, die sich aus der Prognos-Studie,
die im Auftrag des Verbändebündnisses Wohnungsbau
durchgeführt wurde und die in der letzten Woche veröf-
fentlicht wurde, herauskristallisiert haben .

Erstens . Ein großer Kostentreiber ist der Bodenpreis .
Wir müssen der Spekulation den Boden entziehen . Dazu
brauchen wir handlungsfähige Kommunen .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Zweitens . Wir müssen das BauGB schärfen, damit der
Spekulation der Boden entzogen wird .


(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Überall!)


Drittens . Wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass es
starke Genossenschaften und starke kommunale Woh-
nungsunternehmen gibt, die für die entsprechende Ziel-
gruppe Wohnungen bereithalten .


(Beifall bei der SPD – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Hätten wir hier alles beschließen können!)


– Ja, wir wollen das ja dann vielleicht in einer neuen Ko-
alition vereinbaren .


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Aber doch nur im Wahlkampf! Das nervt!)


Das ist deshalb so wichtig, weil von den 40 Millionen
Wohnungen in Deutschland gerade einmal 4,5 Millio-
nen Wohnungen in öffentlicher Hand oder in Genossen-
schaftshand sind . Das ist ein viel zu kleines Korrektiv .

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


Diese 4,5 Millionen Wohnungen, die in kommunaler
oder genossenschaftlicher Hand sind, machen 60 Prozent
der preisgebundenen Wohnungen aus . Insofern müssen
diese Akteure unbedingt gestärkt werden .

Herzlichen Dank . Glück auf!


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824415500

Caren Lay hat als nächste Rednerin für die Fraktion

Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824415600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Eines freut mich ausdrücklich: dass in den letz-
ten Wochen und Monaten, insbesondere bei den letzten
Podiumsdiskussionen, von denen es kurz vor dem Wahl-
kampf viele gegeben hat, alle Parteien, auch die Union,
betont haben, wie wichtig der soziale Wohnungsbau ist
und wie gut es war, dass der Bund dafür mehr Geld be-
reitgestellt hat .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist wirklich ein Lernprozess, den vor allen Dingen
die Union mitgemacht hat . Ich kann mich noch sehr gut
erinnern: Als ich vor fünf Jahren an dieser Stelle zum ers-
ten Mal einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefor-
dert habe, kam von Ihrer Seite nur die Antwort: Das ist ja
Gropiusstadt, das ist DDR, das ist Plattenbau . Das wollen
wir nicht. – Ich finde es gut, dass Sie dazugelernt haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt aber zur Bilanz, meine verehrten Damen und
Herren . Zu Beginn dieser Legislatur gab es noch 1,5 Mil-
lionen Sozialwohnungen . Nach aktuellen Zahlen sind es
noch 1,25 Millionen Sozialwohnungen . Das ist also un-
ter dem Strich ein Minus von 250 000 Sozialwohnungen .
Das ist wirklich kein Anlass für eine Jubelbilanz .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist ein weiterer Niedergang des sozialen Wohnungs-
baus, und das darf einfach nicht sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen darf man auch nicht von einer Trendwende
sprechen, meine Damen und Herren . Wir haben in der
Tat einen Neubau von 25 000 Sozialwohnungen . Aber
wir wissen, dass unter dem Strich mindestens 25 000 bis
50 000 Sozialwohnungen wegfallen; das ist die traurige
Wahrheit . Dabei brauchen Mieterinnen und Mieter den
sozialen Wohnungsbau so dringend wie nie zuvor . In der
letzten Woche wurde eine Studie veröffentlicht, die be-
legt, dass inzwischen die Hälfte der Bundesbürger in an-
gespannten Wohnungsmärkten lebt . Das Schlimmste ist,
dass die Mietpreisentwicklung so rasant nach oben geht,
die Löhne aber stagnieren . Diese beiden Werte entkop-
peln sich immer weiter . Das heißt, wir haben es wirklich
mit Wohnungsnot zu tun . Das führt zu einer Enteignung
der städtischen Mittelschichten . Deswegen sagen wir als

Linke: Wir brauchen höhere Löhne und niedrigere Mie-
ten .


(Beifall bei der LINKEN)


Wie sind wir dahin gekommen? In der Tat war die
Entscheidung 2006, die Verantwortung für den sozialen
Wohnungsbau komplett an die Länder zu geben, keine
gute Entscheidung . Nur die Linke hat damals dagegen
protestiert . Heute sehen wir, wie recht wir damals hatten .


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt einige Länder, zum Beispiel Sachsen, Sach-
sen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die über
Jahre gar keine Sozialwohnungen mehr gebaut haben .
Die Gelder werden in Haushaltslöcher gesteckt oder in
Eigentumsmaßnahmen investiert . Über 600 Millionen
Euro wurden im letzten Jahr mit den Geldern, die wir
vom Bund für den sozialen Wohnungsbau den Ländern
geben, für Eigentumsmaßnahmen ausgegeben . Das ist
eine falsche Prioritätensetzung, und damit versündigen
sich die Länder an den Mieterinnen und Mietern .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe noch keinen Wohnungsexperten gehört, der
bisher gesagt hat, dass es eine gute Idee war, die Ver-
antwortung komplett an die Länder zu geben . Ich glaube
auch, es war ein schwerer Fehler . Es wird höchste Zeit,
das rückgängig zu machen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir es nicht tun, dann kann ab dem Jahr 2020
kein müder Euro des Bundes mehr für den sozialen
Wohnungsbau oder für die soziale Wohnraumförderung
ausgegeben werden . Das halte ich schlichtweg für eine
soziale Katastrophe . Frau Hendricks hat es auch so ge-
sehen . Schade, dass sie nicht mehr da sein kann . Sie
hat im August letzten Jahres gesagt: Wir brauchen eine
Grundgesetzänderung . – Dann, ein halbes bzw . Dreivier-
teljahr später, wurde das Grundgesetz an 13 Stellen im
Rahmen des Länderfinanzausgleichs geändert. Es wäre
eine Supergelegenheit gewesen, das in einem Rutsch zu
beschließen .


(Beifall bei der LINKEN)


Klar, die CDU/CSU wollte es nicht, aber ich habe, ehr-
lich gesagt, die SPD nicht kämpfen sehen . Ich weiß, dass
Sie sich für diese Forderung jetzt im Wahlkampf stark-
machen, auch Herr Schulz . Es früher zu machen, wäre
der richtige Zeitpunkt gewesen . Es nur im Wahlkampf
zu machen, finde ich, ehrlich gesagt, etwas unanständig.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte zu guter Letzt noch auf einige Gegenargu-
mente eingehen, um vielleicht noch einmal um Zustim-
mung zu unserem Antrag zu werben, insbesondere bei der
SPD und bei den Grünen . Ich habe zum Beispiel in den
Medien in den letzten Wochen gehört: Das wird eh nichts
mehr . Aber es gibt vielleicht eine erhöhte Wahrschein-
lichkeit für eine neue Gemeinnützigkeit . – Die wollen
wir ja auch; aber das eine schließt das andere doch nicht
aus . Und auch gemeinnützige Unternehmen freuen sich
über direkte Zuschüsse vom Bund . Angesichts der hohen
Bau- und Bodenpreise brauchen auch gemeinnützige Un-

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


ternehmen, die wir erst einmal gründen müssen, zukünf-
tig die Unterstützung vom Bund .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß, meine Damen und Herren, es gab Feh-
ler beim alten sozialen Wohnungsbau . Es ist völliger
Quatsch, dass zum Beispiel die Bindungen nach 15 Jah-
ren auslaufen . Aber um diese Fehler zu beheben, muss
der Bund endlich wieder in Verantwortung kommen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich vermute natürlich, dass die eigentlichen Blockie-
rer, diejenigen, die es nicht wollen, natürlich nicht SPD
und Grüne sind, sondern in der CDU/CSU sitzen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, damit das Weltbild nicht durcheinandergerät!)


– Ja, Sie können mich ja gleich gerne vom Gegenteil
überzeugen . – Mein Verdacht ist, dass es leider kein Zu-
fall war, den sozialen Wohnungsbau an die Wand zu fah-
ren,


(Zuruf des Abg . Ulrich Petzold [CDU/CSU])


sondern dass es politisch gewollt war . Das ist einfach
nicht in Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Also, es hat ihn keiner an die Wand gefahren! – Ulrich Petzold [CDU/CSU]: 40 Jahre DDR-Wohnungsbau, na bravo!)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss .
Es ist eigentlich auch egal; denn man braucht Sie nicht
zu zwingen . Wir haben schon heute Morgen gesehen,
wie schön es ist, wenn man hier mit rot-rot-grünen Mehr-
heiten sinnvolle Dinge beschließt . Ich kann nur sagen:
Weiter so! Warum jetzt nicht auch die Zustimmung ge-
ben, sozialen Wohnungsbau nach 2019 auf den Weg zu
bringen?

Liebe Sozialdemokraten, geben Sie sich einen Ruck
für eine positive Entscheidung . Die Wählerinnen und
Wähler werden es Ihnen sicherlich danken .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824415700

Sylvia Jörrißen hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion

das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Ulli Nissen [SPD])



Sylvia Jörrißen (CDU):
Rede ID: ID1824415800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Schon oft haben wir im Ho-
hen Haus über die soziale Wohnraumförderung debat-
tiert .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dank der Opposition! – Ulli Nissen [SPD]: Es hat uns gefreut, dass wir darüber reden konnten!)


– Ja, zuletzt vor sechs Wochen, wegen der Großen An-
frage der Linken .

Ich glaube, das zeigt ein Stück weit, wie wichtig uns
allen gemeinsam dieses Thema ist und wie ernst auch wir
es nehmen . Zweifelsohne ist Wohnen die Basis für ziem-
lich alles, was unser Leben ausmacht . Wohnen muss je-
der von uns . Eine angemessene Wohnung muss für jeden
da sein und für jeden bezahlbar sein, auch für Bezieher
unterer und mittlerer Einkommen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber, meine Damen und Herren, die Wohnungsmärkte
sind differenziert, und genauso differenziert müssen auch
unsere Antworten sein . Vor allem, liebe Kolleginnen und
Kollegen, sollten wir als Bundespolitiker unseren Fokus
zumindest mit auf die Themen richten, für die der Bund
überhaupt zuständig ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für den sozialen Wohnungsbau ist der Bund seit der Fö-
deralismusreform 2006 nicht mehr zuständig . Dennoch
haben wir in dieser Legislaturperiode alles darangesetzt,
seine Förderung wiederzubeleben .


(Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


Die Zahl der Sozialwohnungen ist seit 2002 um etwa
1 Million geschrumpft . Jährlich fallen rund 80 000 Woh-
nungen aus der Belegungsbindung . Nach dem aktuellen
Bericht der Bundesregierung wurden 2016 insgesamt
fast 62 000 Wohnungen gefördert, über 24 000 davon
neu gebaut . Das entspricht einem Plus von 10 000 neuen
Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und im Saldo?)


Festzustellen ist allerdings, dass durch die Verdop-
pelung der Kompensationsmittel in 2016 keine entspre-
chende Verdopplung der Zahl der geförderten Sozial-
wohnungen erzielt wurde,


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Was gibt es denn da zu klatschen?)


vor allem deshalb, weil die Länder ihren Mitteleinsatz
nicht im gleichen Maße wie der Bund erhöht haben .

Meine Damen und Herren, es geht mir hier nicht da-
rum, den Schwarzen Peter der Verantwortung weiterzu-
reichen . Es geht ganz klar um Zuständigkeiten .


(Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


Die föderale Kompetenzordnung für den Bereich der so-
zialen Wohnraumförderung ist bis 2019 und darüber hi-
naus klar verfassungsrechtlich geregelt: Hierfür sind die
Bundesländer zuständig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das wollten die Bundesländer so, und das macht auch
Sinn, da sich die Wohnungsteilmärkte regional sehr un-
terschiedlich entwickeln und die Länder passgenaue

Caren Lay






(A) (C)



(B) (D)


Maßnahmen für die Teilmärkte auf den Weg bringen
können .


(Ulli Nissen [SPD]: Das wäre schön!)


– Ja . – Entscheidend ist eben nur, dass die zur Verfügung
gestellten Mittel auch zweckgebunden eingesetzt wer-
den, nämlich für den Bau von bezahlbaren Wohnungen
und nicht für Investitionen außerhalb der Wohnraumför-
derung; aber genau dafür wird bis heute noch ein Teil der
Mittel genutzt . Das nenne ich ein verantwortungsloses
Verhalten der Länder .


(Caren Lay [DIE LINKE]: Das erzähle ich der CDU in Sachsen! Da freut die sich!)


Zahlreiche Debatten haben wir hierzu schon geführt .
Fakt ist, dass die Länder sehr unterschiedlich mit den
Geldern umgehen .

Obwohl wir als Bund keine Zuständigkeit mehr haben,
entziehen wir uns hier nicht der Verantwortung . Wir ha-
ben die Kompensationsmittel deutlich erhöht . Von 2016
bis 2019 erhalten die Länder insgesamt über 5 Milliarden
Euro für den sozialen Wohnungsbau . Allein in diesem
Jahr sind es 1,5 Milliarden Euro .

Nachdem die Kompensationsmittel 2019 ausgelaufen
sind, stehen den Ländern ab 2020 zusätzliche Umsatz-
steuermittel zur Verfügung . Dies war in den Verhand-
lungen über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanz-
beziehungen eine Forderung der Länder . Wegfallende
Kompensationsmittel werden also durch andere Mittel
kompensiert . Die Länder erhalten nicht weniger, sondern
mehr Geld, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine Grundgesetzänderung, die hier eine gemeinsa-
me Zuständigkeit vorsah, wurde von den Ländern aus-
drücklich abgelehnt . Damit bleibt die vollständige Ver-
antwortung bei den Ländern . Darauf haben wir uns am
14 . Oktober 2016 geeinigt, und damit wurde ausdrück-
lich dem Wunsch der Länder entsprochen . Nun müssen
die Länder in eigener Verantwortung entscheiden, wie
sie ihre Einnahmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nutzen .
Zu diesen Aufgaben gehört selbstverständlich auch die
soziale Wohnraumförderung . Als Bund werden wir dies
weiterhin beobachten und anmahnen .

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns aber auch
über die Bereiche sprechen, für die der Bund zuständig
ist . Denn soziale Verantwortung in der Wohnungspolitik
bedeutet mehr als nur sozialer Wohnungsbau, und wir
übernehmen sie erfolgreich . Neben der Objektförderung
bauen wir auch auf die Subjektförderung . Hier betrach-
ten wir die individuelle Situation der Menschen und för-
dern über das Wohngeld, das wir in dieser Wahlperiode
deutlich erhöht haben .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Und das kommt dann auch da an, wo es hinmuss!)


Seit Januar letzten Jahres profitieren 870 000 Haus-
halte davon, und über ein Drittel der Bezieher sind als
neue Berechtigte dazugekommen . Wir haben bereits im
Gesetz eine regelmäßige Überprüfung – alle zwei Jah-
re – verankert, so wie es die Bauministerin erst kürzlich

gefordert hat . Die regelmäßige Überprüfung der Höchst-
beträge für Mieten, der Mietstufen und der Höhe des
Wohngeldes steht bereits in § 39 des Wohngeldgesetzes .

Meine Damen und Herren, der Schutz der Mieter er-
folgt darüber hinaus durch eine ausgewogene mietrecht-
liche Flankierung, wobei ein soziales Mietrecht immer
die berechtigten Interessen beider Seiten, die des Mieters
auf der einen Seite und die des Vermieters, also des Ei-
gentümers, auf der anderen Seite, im Blick haben muss .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Auch das ist richtig!)


Wir haben ein sehr ausdifferenziertes Kündigungsschutz-
system, das nur wirklich berechtigte Kündigungen zu-
lässt .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das muss dringend reformiert werden!)


In dieser Wahlperiode haben wir mit der Mietpreis-
bremse die Rechte der Mieter weiter ausgebaut . Herr
Groß, jetzt können wir darüber streiten, ob sie funktio-
niert .


(Ulli Nissen [SPD]: Da müssen wir intensiv nachschauen, bei der Mietpreisbremse, aber äußerst intensiv!)


Der Deutsche Mieterbund jedenfalls bestätigt, dass Mie-
ter in allen Konstellationen, in denen sie sich auf die
Mietpreisbremse berufen haben, in den Urteilen aus-
nahmslos recht bekommen haben .


(Ulli Nissen [SPD]: Aber leider erst ab Widerspruch und nicht ab Beginn der Miete!)


Meine Damen und Herren, die Bereitstellung von be-
zahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen ist
ein oberes Ziel unserer Fraktion . Um den Druck aus den
überhitzten Märkten zu nehmen, ist es vor allem wich-
tig, neuen Wohnraum zu schaffen . Aber die Fokussierung
allein auf den sozialen Wohnungsbau reicht dabei nicht
aus . Wir müssen auch privates Kapital mobilisieren . Aus
einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und
Raumforschung geht hervor, dass private Vermieter mit
etwa 15 Millionen Wohnungen die mit Abstand größte
Anbietergruppe auf dem deutschen Mietwohnungsmarkt
sind . Sieben von zehn Wohnungen privater Vermieter
befinden sich in Mehrfamilienhäusern. Wir müssen auch
diese Gruppe unterstützen; denn sie leistet einen wich-
tigen Beitrag zur Versorgung unserer Gesellschaft mit
Wohnraum .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine steuerliche Förderung hätte, richtig eingesetzt,
schnell und genau dort wirken können, wo der Druck auf
die Wohnungsmärkte am größten ist .


(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum habt ihr das nicht gemacht?)


Sylvia Jörrißen






(A) (C)



(B) (D)


Insofern hat es mich sehr enttäuscht, dass dies mit unse-
rem Koalitionspartner nicht möglich war .


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Mindrup [SPD]: Gott sei Dank! Wir verschwenden kein Geld!)


Denn dieses Mittel war nicht nur eine Forderung des
Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, sondern
auch ein gemeinsamer Vorschlag Ihrer Bauministerin
und des Bundesfinanzministers.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu kurz kommt mir derzeit auch der Blick auf das
selbstgenutzte Wohneigentum . Deutschland liegt mit sei-
ner Eigentumsquote im europäischen Vergleich an vor-
letzter Stelle . Wir müssen dringend auch diese Form des
Wohnens fördern, vor allem für Familien und Bezieher
mittlerer Einkommen . Selbstgenutztes Wohneigentum
stabilisiert Wohnquartiere, ist eine wichtige Altersvorsor-
ge und macht durch Umzugsketten am Ende immer auch
eine Mietwohnung frei .

Meine Damen und Herren, egal wie: Wir müssen bau-
en, bauen, bauen . Sinkende Kosten beim Bauen – ich
wäre schon mit nicht ständig weiter steigenden Kosten
zufrieden – wären ein wichtiger Faktor, um Investitionen
anzuregen, und auch eine Voraussetzung, dass die Mieten
bezahlbar bleiben .

Im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen
und Bauen wurden einige Kostentreiber identifiziert und
Maßnahmen entwickelt, die hier entgegenwirken . Diese
müssen mit noch mehr Nachdruck umgesetzt werden .
Gleichzeitig muss auch die Verwaltung ihren Teil dazu
tun . Prozesse sind zu straffen, Genehmigungsverfahren
zu beschleunigen . Nachverdichtung und Aufstockun-
gen sind ein wichtiges Instrument, jedoch nicht immer
möglich und auch nicht ausreichend . Wir müssen unse-
re Kommunen dazu bringen, mehr und zügiger Bauland
auszuweisen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu guter Letzt müssen wir auch mutig sein, beim
Bauen auf Innovation zu setzen . Serielles und modulares
Bauen wird in Zukunft wichtiger werden . Mit hohen Vor-
fertigungsgraden sind erhebliche Einsparungen möglich,
zeitlich und finanziell. Hier müssen innovative Formen
entwickelt werden, selbstverständlich bei gleichzeitiger
Berücksichtigung der baukulturellen Qualitäten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn die Union bei dem Thema in dieser Legislaturperiode gemacht? Nichts!)


Meine Damen und Herren, wir haben viel geschafft
in dieser Legislaturperiode . Wir sind noch nicht am Ziel,
aber auf einem guten Weg .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824415900

Christian Kühn hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/

Die Grünen als nächster Redner das Wort .

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Was man nicht alles machen soll, Michael
Groß: Spekulationen unterbinden, sich Bodenpolitik
widmen, sich einer neuen Gemeinnützigkeit stellen . Ich
kann hier nur eines sagen: Wir Grüne haben in dieser Le-
gislaturperiode die Bauministerin nicht gestellt . Wir ha-
ben sie nicht gestellt, sondern die SPD . Sie hätten sich all
dieser Fragen annehmen können . Das habt ihr aber nicht
in ausreichendem Maß getan .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Spätestens 2019 haben wir ein Riesenproblem: Die
Fördermittel für sozialen Wohnraum laufen aus, die
Schuldenbremse greift ab 2020, und der Bund verliert
seine Zuständigkeit . Diese Große Koalition feiert sich
dafür, dass sie die Fördermittel für den sozialen Woh-
nungsbau in wenigen Jahren um das Dreifache erhöht
hat . Aber Sie haben damit nichts erreicht . Das ist nur ein
Strohfeuer . Das wird keinen nachhaltigen Effekt auf die
Entwicklung des bezahlbaren Wohnens in Deutschland
haben . Sie haben sich der zentralen Frage, wie bezahlba-
res Wohnen im nächsten Jahrzehnt zu sichern ist, nicht
gestellt . Das ist ein Armutszeugnis für die Große Koaliti-
on . Sie hätten hier mehr erreichen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Mindrup [SPD]: Was ist mit euren Bundesländern?)


Die Verteilungskämpfe in den Ländern werden ab
2020 zunehmen . Bildung als Infrastrukturaufgabe, Kin-
derbetreuung, gute Verkehrsinfrastruktur, Ausbau des öf-
fentlichen Verkehrs, Investitionen in Sicherheit – all dem
müssen wir uns in der nächsten Legislaturperiode stellen .
Der Bund muss nachhaltig in bezahlbares Wohnen inves-
tieren; denn die Länder werden diese Mammutaufgabe
in den nächsten Jahren nicht stemmen können . Wir Grü-
ne stehen, im Gegensatz zur CDU/CSU, an der Seite der
Bundesländer .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Die Länder trauen sich das aber zu! Alle 16 Bundesländer trauen sich das zu!)


Die Verteilungskämpfe auf den Wohnungsmärkten
werden immer schlimmer werden: für die Studenten, für
die jungen Familien und für die Geringverdiener, die sich
in den Ballungsräumen nicht mehr mit einer Wohnung
versorgen können, weil sie einen kleinen Geldbeutel ha-
ben .

Es geht hier nicht um Zuständigkeiten, Frau Jörrißen .


(Sylvia Jörrißen [CDU/CSU]: Doch!)


Sylvia Jörrißen






(A) (C)



(B) (D)


Es geht um die Menschen, die aus den Städten verdrängt
werden, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten kön-
nen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber das ändert doch nichts an der Zuständigkeit, wer für die Menschen was macht!)


Sie können über Zuständigkeiten streiten, wir streiten
für die Menschen und die Mieterinnen und Mieter in
Deutschland .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, ja! – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ja, ja! Von oben nach unten!)


Es ist ein Problem mit Ansage . Seit vier Jahren reden
wir darüber: Wie geht es nach 2019 weiter? Die Koaliti-
on hat sich dieser Frage nicht gestellt .


(Sylvia Jörrißen [CDU/CSU]: Wir haben die Frage mit den Ländern erörtert, und die Länder wollen das so!)


Die Zahlen sprechen doch eine deutliche Sprache: mi-
nus 50 000 Sozialwohnungen pro Jahr . Wir bauen gerade
einmal 25 000 neue Wohnungen, dabei haben wir einen
Bedarf von 80 000 Wohnungen . Da kann man doch nicht
von einer Trendwende sprechen . Das ist ein Offenba-
rungseid . Das ist auch das Ergebnis der Politik von CDU/
CSU; denn Sie stellten immerhin in den letzten zwölf
Jahren die Bundesregierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf der Abg . MarieLuise Dött [CDU/CSU])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416000

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Ich lasse gerne eine Zwischenfrage zu .


Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1824416100

Herr Kollege Kühn, wir sind uns in der Analyse in

vielen Punkten einig, aber ich möchte Sie bitten, Fol-
gendes zur Kenntnis zu nehmen: Wenn ich mir die Über-
sicht über die gebauten gebundenen Mietwohnungen im
Jahr 2016 in Baden-Württemberg anschaue, dann muss
ich feststellen – Ihre Partei trägt in Baden-Württemberg
die Regierungsverantwortung, sie stellt den Minister-
präsidenten, den Sie heute noch für seine hervorragen-
de Politik bei der Ehe für alle gelobt haben –, dass Sie
zwischen 2015 und 2016 bei der sozialen Wohnraum-
förderung 500 Wohnungen weniger geschaffen haben .
Sie haben uns kritisiert und gesagt, unsere Politik ist ein
Armutszeugnis . Aber ich würde sagen: Auch das ist ein
Armutszeugnis .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Des Weiteren möchte ich Sie darauf hinweisen, dass
wir in dieser Legislatur gerade die Kommunen zusätzlich
entlastet haben, aus meiner Sicht zwar nicht genügend,

aber immerhin haben wir den Kommunen 25 Milliarden
Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Immerhin? Rekordverdächtig!)


Wir haben 5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um
für zusätzlichen Spielraum zu sorgen . Das ist ein erster
wichtiger Schritt, um gute Bodenpolitik zu machen, um
für mehr Personal in den Verwaltungen zu sorgen und um
das BauGB vernünftig anwenden zu können .

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Danke, Herr Groß, für Ihre Frage .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das war keine Frage!)


Ich beantworte sie auch gerne . Dafür müssten Sie aller-
dings stehenbleiben; denn sonst läuft meine Redezeit
weiter . Das ist für mich sehr elementar; denn ich würde
Ihnen gerne einiges für diesen Sommer mit auf den Weg
geben .

Das Thema, das Sie angesprochen haben, wurde auch
im Ausschuss von Herrn Pronold und von der Kollegin
Schwarzelühr-Sutter angesprochen . Ich kann es der SPD
nicht ersparen: Die Bauzahlen von 2016 sind die Zah-
len, die wir gemeinsam als grün-rote Koalition in Ba-
den-Württemberg zu verantworten haben . Wir beide als
Baupolitiker wissen: Bauprojekte fallen nicht vom Him-
mel, sondern sie werden geplant, sie werden finanziert
und dann errichtet .

Die Zahlen von 2016 sind Zahlen aus unserer gemein-
samen Zeit .


(Sönke Rix [SPD]: Aber Sie regieren trotzdem mit!)


Aber diese Zahlen hatte kein grüner Minister, sondern
ein Bauminister der SPD zu verantworten, nämlich Nils
Schmid .


(Michael Groß [SPD]: Zwei Jahre später! – Sönke Rix [SPD]: Und der Ministerpräsident!)


– Ja, genau . – Das hatte er zu verantworten .

Ich will die von Ihnen genannte Zahl erläutern; so
schlecht sind die Zahlen von Nils Schmid nämlich gar
nicht . Baden-Württemberg hat im Gegensatz zu anderen
Bundesländern ein Sonderprogramm zur Flüchtlingsun-
terbringung aufgelegt . Das war in einer Zeit, in der wir
in den Städten händeringend Wohnraum gesucht haben,
um die Geflüchteten unterzubringen. In Baden-Würt-
temberg wurde ein Sonderprogramm mit einem 25-pro-
zentigen Bauzuschuss gefahren, und damit haben wir
deutlich mehr Wohnungen errichtet . Die Kommunen
haben in dieser Phase vom sozialen Wohnungsbau zum
Wohnungsbau für Geflüchtete umgeswitcht, um diese
Mammutaufgabe, diese große gesellschaftliche Aufgabe
zu stemmen . Deswegen spiegeln diese Zahlen nicht die
Realität in Baden-Württemberg wider . Sie sind Ausdruck
unserer gemeinsamen Politik . Für diese Politik stehe ich
ein . Wenn die SPD sich davon verabschieden will, kann
sie das tun .

Christian Kühn (Tübingen)







(A) (C)



(B) (D)


Nun zu der Frage nach den Kommunen . Der zweite
Teil Ihrer Frage ist ja noch nicht beantwortet .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416200

Lieber Kollege, jetzt übertreiben Sie es nicht . Jetzt ist

die Frage beantwortet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Gut . – Über dieses Thema haben wir uns ja auch schon
im Unterausschuss Kommunales mit der SPD ausge-
tauscht .

Wir Grüne kämpfen hier nicht für die Illusion oder die
Fata Morgana, so will ich es einmal sagen, einer Grund-
gesetzänderung in der nächsten Wahlperiode . In Sachen
Wohnen hätte sie in dieser Wahlperiode auf den Weg ge-
bracht werden müssen . Ich habe nicht genug Fantasie,
um daran zu glauben, dass es uns in der nächsten Le-
gislaturperiode noch einmal gelingt, diese Frage im Ver-
bund mit allen Ländern anzugehen . Wenn wir nun sehen,
dass die Länder nicht klarkommen und es keine Verfas-
sungsänderung geben wird, dann müssen wir als Bund
doch alle Möglichkeiten, die wir haben, ergreifen, um
das Segment des bezahlbaren Wohnraums, des sozial ge-
bundenen Wohnraums, des gemeinnützigen Wohnraums,
wirklich voranzubringen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dafür gibt es im Augenblick nur eine Idee . Diese Idee
haben wir Grüne und die Linken hier mehrfach ins Par-
lament eingebracht . Es geht um eine neue Wohnungsge-
meinnützigkeit . Dieser Frage müssen sich endlich einmal
CDU, aber auch SPD wirklich offensiv stellen .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Nein, wir wollen sie nicht!)


Wir haben das getan . Wir haben unsere Vorschläge hier
eingebracht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Beim Thema Wohnungsgemeinnützigkeit geht es um
die Frage, wie wir mit unseren vorhandenen Mitteln,
über das Steuerrecht, ein Investment in den Städten anre-
gen können, wie wir eine wirkliche Stadtrendite erzielen
können, wie wir dafür sorgen können, dass die Menschen
wieder selbst in ihre Stadt investieren . Es geht um die
Frage, wie wir dafür sorgen können, dass sozialer Wohn-
raum wirklich auf Dauer gebunden ist . Eine Bindung
von 10, 15, 20 Jahren ist in der Infrastrukturpolitik doch
nur ein Wimpernschlag . Das ist nicht nachhaltig . Ehrlich
gesagt, auf Dauer betrachtet ist die Investition in kurz-
fristige Bindungen sogar eine Verschwendung von Steu-
ergeldern . Es bedarf endlich eines auf Dauer angelegten
Segments . Der Staat muss auf Dauer die Bereitstellung
von bezahlbarem Wohnraum realisieren .


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Wir wollen privaten Wohnraum haben und private Investitionen! Wir wollen weniger Staat!)


Im Rahmen einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist
das möglich . Ich glaube, Sie von der Union, Frau Dött,
und Sie von der SPD werden nicht umhinkommen, sich
dieser Frage in den nächsten Jahren zu stellen . Ohne eine
neue Wohnungsgemeinnützigkeit wird es nicht möglich
sein, eine dauerhafte Trendwende auf den Wohnungs-
märkten zu gewährleisten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg . Michael Groß [SPD])


Wir Grüne kämpfen für eine neue Wohnungsgemein-
nützigkeit . Wir glauben, dass es Unternehmen und Men-
schen gibt, die sich für diese Idee begeistern können, die
dafür sorgen werden, dass die Menschen sich ihre Stadt
zurückerobern, und auf Dauer bezahlbaren Wohnraum
schaffen . Wir Grüne glauben, dass der gesellschaftliche
Mehrwert die beste Rendite ist, die wir für unsere Städte
erwirtschaften können .

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit, und danke für
die Zwischenfrage, lieber Kollege Groß .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Michael Groß [SPD])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416300

Klaus Mindrup hat als nächster Redner für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Klaus Mindrup (SPD):
Rede ID: ID1824416400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Es ist die Aufga-
be der Politik, sich auf allen Ebenen, in den Gemeinden,
den Ländern und im Bund, dafür einzusetzen, dass aus-
reichend sicherer und bezahlbarer Wohnraum vorhanden
ist .

Damit kommen wir aber auch schon zum ersten Pro-
blem, zum Problem der Zuständigkeiten . Im Jahr 2006
sind Bundesrat und Bundestag im Zuge der Föderalis-
musreform davon ausgegangen, dass wir in Deutschland
eine schrumpfende Bevölkerungszahl und einen ausge-
glichenen Wohnungsmarkt haben werden . Deswegen
wurden die Kompetenzen für den sozialen Wohnungsbau
auf die Länder übertragen . Das war und das ist aus mei-
ner Sicht eine Fehlentscheidung .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind ein Land, das Statistiken für alles Mögliche
hat . Wir haben aber keine Statistik für Obdachlosigkeit in
Deutschland . Dabei ist diese Zahl ein ganz wichtiger In-
dikator für die Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Danke CDU!)


Hierzu gibt es nur die Zahlen der Bundesarbeitsge-
meinschaft Wohnungslosenhilfe; Kollege Groß hat sie
schon erwähnt . Diese Zahlen sind dramatisch . Die Bun-
desarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe prognos-
tiziert, dass es von 2015 bis 2018 einen Zuwachs um
200 000 Wohnungslose auf dann 536 000 wohnungslose

Christian Kühn (Tübingen)







(A) (C)



(B) (D)


Menschen geben wird . 536 000 wohnungslose Menschen
in einem reichen Land wie der Bundesrepublik Deutsch-
land! Ich halte das für einen Skandal .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben in der Großen Koalition – das ist ein Er-
folg; aber wir haben um jeden Euro hart gekämpft – die
Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf 1,5 Milliarden
Euro pro Jahr verdreifacht . Diese Mittel werden aber –
das ist schon gesagt worden – auslaufen . Ich gehe fest
davon aus, dass diese Summe nicht ausreicht .

Man muss sie in Relation zu einer anderen Zahl set-
zen: Ich nehme an, dass Bund, Länder und Gemeinden
in diesem Jahr ungefähr 18 Milliarden Euro für Wohn-
geld, Kosten der Unterkunft und die Unterbringung von
Obdachlosen ausgeben werden . Damit stehen 1,5 Milli-
arden Euro vom Bund der Summe von 16,5 Milliarden
Euro gegenüber, welche von den Ländern und Gemein-
den ausgegeben werden: Das ist kein gutes Verhältnis .

Es gibt eine andere Zahl, die wichtig ist . Im Jahr 2016 –
Kollege Groß hat das auch schon gesagt – wurden 25 000
sozial gebundene Wohnungen neu gebaut, 10 000 mehr
als im Jahr davor . Wir brauchen aber nach Angaben der
Wohnungswirtschaft und des Mieterbundes 80 000 pro
Jahr. Das heißt, dass das Defizit gewachsen ist. Der Man-
gel an bezahlbarem Wohnraum hat also zugenommen .
Man sieht das daran, dass die Lage in den betroffenen
Wohnungsmärkten immer dramatischer wird . Gründe da-
für sind drei Megatrends:

Erstens ziehen – das ist weltweit der Fall – immer
mehr Menschen in die Städte .

Zweitens ist es so, dass Deutschland aufgrund seiner
wirtschaftlichen Stärke – was eigentlich ein Erfolg ist –
ein europäisches Einwanderungsland ist .

Der dritte Megatrend ist der demografische Wandel.
Wir alle werden immer älter und brauchen deswegen im-
mer mehr altersgerechte und barrierefreie Wohnungen .

Die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum ist daher
eine Gemeinschaftsaufgabe . Das ist eine gesellschaftli-
che Realität, auch wenn sie sich vielleicht nicht in unse-
rem Grundgesetz widerspiegelt .


(Beifall bei der SPD)


Was müssen wir also tun? Wir brauchen ein neues so-
ziales Mietrecht . Das bisherige Mietrecht schafft falsche
Anreize . Es wird der Vermieter belohnt, der teuer und an
den Bedürfnissen der Mieterinnen und Mieter vorbei mo-
dernisiert . Das kann nicht sein!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen gegen den sich ausbreitenden „grauen
Baumarkt“ mit dem Ziel der Entmietung vorgehen . Da-
rüber habe ich hier schon ausführlich gesprochen . Heiko
Maas hat ein gutes Mietrechtspaket II vorgelegt . Leider
hat es dieses Haus aufgrund der Blockade der Union

nicht erreicht, um es zu beschließen. Das ist, finde ich,
wirklich ein Skandal!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Da kann ich dir nur recht geben! – Zuruf des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])


Wir brauchen natürlich auch Wohnungsneubau . Wir
bekommen die notwendige Akzeptanz dafür aber nur
hin, wenn wirklich bezahlbarer Wohnraum entsteht . Da-
für müssen drei Voraussetzungen vorliegen: Erstens . Wir
müssen kostengünstig, aber trotzdem gut bauen . Zwei-
tens . Wir brauchen bezahlbaren Grund und Boden . Drit-
tens . Man wird an einer Förderung durch langfristig zu
vergebende zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse von
Bund und Ländern nicht vorbeikommen .

Ich möchte, weil die Zeit knapp ist, jetzt nur auf die
Bodenpolitik eingehen . Wir brauchen eine neue Boden-
politik der öffentlichen Hand .


(Beifall der Abg . Hiltrud Lotze [SPD])


Es ist wichtig, zu verstehen, dass unterschiedliche An-
bieter auf unterschiedlichen Märkten um das knappe Gut
Boden konkurrieren . Wir lassen aber nicht einen Rad-
rennfahrer, auch wenn es nur um das Hinter-sich-Bringen
einer Strecke geht, gegen ein Formel-1-Auto antreten .
Wenn eine Kita, eine Behinderteneinrichtung oder ein so-
ziales Wohnungsbauprojekt gegen einen Entwickler von
Luxuswohnungen antreten muss und nur der Preis zählt,
ist doch klar, wer gewinnt . Deswegen brauchen wir Fest-
preise, Konzeptverfahren und klare Garantien, dass die
Konzepte von den Erwerbern auch umgesetzt werden .


(Beifall der Abg . Hiltrud Lotze [SPD])


Ähnliche Modelle gibt es in Bayern übrigens mit dem
Einheimischenmodell, was man auf andere Gruppen
übertragen könnte . Dazu müsste es hier doch eigentlich
einen Konsens geben .


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen weiterhin gestärkte Vorkaufsrechte der Ge-
meinden, und wir müssen entschiedener – auch im Steu-
errecht – gegen Spekulationen vorgehen .

Ich bin fest davon überzeugt, dass man in der nächsten
Legislaturperiode nicht länger wegsehen kann . Deswe-
gen habe ich auch eine andere Auffassung als Sie, was
die Gemeinschaftsaufgabe angeht . Ich gehe davon aus,
dass das Grundgesetz in der nächsten Legislaturperiode
geändert wird und dass wir eine Gemeinschaftsaufgabe
„Wohnen für alle“ bekommen . Dafür wird sich die SPD
im Wahlkampf entschieden einsetzen .


(Beifall bei der SPD)


Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerpause . Wir se-
hen uns im September wieder .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD)


Klaus Mindrup






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416500

Als letzter Redner in dieser Aussprache hat Artur

Auernhammer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Artur Auernhammer (CSU):
Rede ID: ID1824416600

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Kollege Mindrup, lieber Klaus, Danke
für das Lob in Richtung Bayern . Es kann nicht genug
Lob für Bayern geben; da gibt es keine Obergrenze . Also
immer so weitermachen!


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Mindrup [SPD]: Ich rufe da mal an, wenn es um die Kitas und den sozialen Wohnungsbau geht!)


Ich hoffe, dass es auch in der nächsten Legislaturperiode
so weitergehen wird .

Wir diskutieren heute über den sozialen Wohnungs-
bau . Es ist bereits des Öfteren gefragt worden: Worin lie-
gen eigentlich die Ursachen für den Wohnungsmangel?
Warum gibt es zu wenige Wohnungen gerade in den Bal-
lungsräumen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
den Trend, dass alle Menschen in die großen Städte bzw .
in die Ballungsräume ziehen wollen .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Alle nicht!)


Was ist die Ursache? Wir müssen stärker an der Attrak-
tivität unserer ländlichen Räume arbeiten, damit die
Menschen dort zu Hause und damit in ihren Wohnungen
bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der sozialste Wohnungsbau ist der Wohnungsbau, der
Wohneigentum schafft, weil das auch ein Stück weit Al-
tersvorsorge für die Menschen ist .


(Caren Lay [DIE LINKE]: Ach so! – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Da gehen die Meinungen auch auseinander!)


Deshalb ist es wichtig, den sozialen Wohnungsbau in die-
sem Jahr weiter voranzubringen, aber es ist auch wichtig,
dafür zu sorgen, dass sich die Menschen Wohneigentum
schaffen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In letzter Zeit war die Entwicklung auf den Immobili-
enmärkten – ich sage es einmal so – alles andere als ge-
sund . Gerade in den Ballungsräumen haben wir Preisstei-
gerungen erlebt, die dazu führen, dass sich ein normal
verdienender Mensch kein Eigentum mehr leisten kann;
das wissen wir . Hier brauchen wir Lösungen und müssen
wir ansetzen .

Meine Sorge ist: Ich habe in letzter Zeit bemerkt, dass
gerade die Bauwirtschaft volle Auftragsbücher und einen
Arbeitskräftemangel hat . Hier müssten wir die Bauwirt-
schaft eigentlich wieder mehr unterstützen und junge
Menschen stärker mobilisieren . Es muss für den einen

oder anderen jungen Menschen wieder interessanter sein,
Polier am Bau zu lernen, als ein Abitur und ein Studium
zu machen . Wir brauchen wieder mehr Handwerker statt
Mundwerker – auch in der Bauwirtschaft .

Das Thema Bauland ist auch bereits angesprochen
worden . Wie komme ich an Bauland ran? Wie komme
ich an die Flächen ran? – Wir wissen, dass gerade in den
Ballungsräumen die Preise derart gestiegen sind, dass
sie nicht mehr bezahlbar sind . Wir wissen aber auch,
dass wir aufgrund des demografischen Wandels und auf-
grund der Einwanderung Maßnahmen getroffen haben,
um Baulanderweiterungen im Rahmen der gesetzlichen
Möglichkeiten vornehmen zu können, und ich glaube,
wir haben hier einen guten Weg eingeschlagen .

Ich teile nicht die Auffassung, dass die von uns be-
schlossene Mietpreisbremse dazu beiträgt, dass mehr
Wohnraum zur Verfügung gestellt wird . Vielleicht wäre
es sinnvoller, hier auch die wirtschaftlichen Kräfte stär-
ker wirken zu lassen und den Wohnungsbau in der brei-
ten Fläche besser zu nutzen .

Hierbei haben auch unsere Wohnungsgenossenschaf-
ten eine Schlüsselfunktion . Sie sind eigentlich ein Ideal-
bild dafür, wie man durch die Beteiligung aller – ich sage
das hier an diesem Rednerpult ausnahmsweise einmal –
Genossinnen und Genossen Wohnungen bauen und somit
Wohnflächen und Wohneigentum schaffen kann.


(Beifall des Abg . Klaus Mindrup [SPD])


Wir haben heute schon leidenschaftlich über dieses
Bauthema diskutiert . Zum Schluss dieser Legislaturpe-
riode und weil das der letzte Tagesordnungspunkt des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit ist, möchte ich noch ein paar Worte verlie-
ren und mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die
leidenschaftlichen, manchmal auch kontroversen, aber
immer zielorientierten Diskussionen herzlich bedanken .
Vielen Dank für die hervorragende Zusammenarbeit . Wir
haben ja bereits in der letzten Ausschusssitzung unsere
Vorsitzende und unsere Kollegen verabschiedet .

Ich möchte hier an dieser Stelle auch den Menschen
noch einmal herzlichen Dank sagen, die dafür sorgen,
dass unsere Arbeit funktioniert . Das ist unser Ausschuss-
sekretariat, das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Bundestagsverwaltung, das ist auch hier im Saal die
Assistenz, das sind auch unsere Stenografen . Einen herz-
lichen Dank allen Mitarbeitern, die dafür sorgen, dass
wir hier vernünftig arbeiten können .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Caren Lay [DIE LINKE])


Wir gehen jetzt alle in die Sommerpause, wobei das
keine Pause, sondern ein vom Wahlkampf bestimmter
Sommer wird . Ich hoffe und wünsche, dass wir im nächs-
ten Bundestag, im 19 . Bundestag, wieder dazu beitragen,
im Sinne der Umwelt und der Bauwirtschaft leiden-
schaftlich miteinander diskutieren und die beste Lösung
für unser Land suchen zu können .






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihnen alles
Gute!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416700

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion Die
Linke mit dem Titel „Förderung des sozialen Wohnungs-
baus durch den Bund auch nach 2019 ermöglichen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12901, den Antrag der Fraktion Die Lin-
ke auf Drucksache 18/11169 abzulehnen . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung
mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen worden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kommen wir
zum Tagesordnungspunkt 28:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Zweiter Engagementbericht

Demografischer Wandel und bürgerschaftli-
ches Engagement: Der Beitrag des Engage-
ments zur lokalen Entwicklung

und Stellungnahme der Bundesregierung

Drucksache 18/11800
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin in
der Aussprache hat die Bundesministerin Dr . Katarina
Barley für die Bundesregierung das Wort . – Frau Bun-
desministerin .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Vor einer Woche habe ich hier den 15 . Kinder-
und Jugendbericht und den Siebten Altenbericht vorge-

stellt . Ich habe dabei gesagt, dass wir gerade bei diesen
Personengruppen vor allen Dingen die Verhältnisse vor
Ort in den Blick nehmen müssen .

Der Zweite Engagementbericht, über den wir heute
sprechen, legt den Fokus ebenfalls auf das Lokale . He-
rausgekommen ist ein starker Bericht, eine wertvolle
Handreichung für uns hier im Bund, für die Länder und
vor allen Dingen auch für die Kommunalpolitikerinnen
und Kommunalpolitiker . Dass der Zusammenhalt unse-
rer Gesellschaft vor Ort organisiert wird, ist eine zentrale
Erkenntnis und auch ein entscheidender Handlungsauf-
trag für die Politik .

Deutschland engagiert sich . Fast 31 Millionen Men-
schen in Deutschland sind in ihrer Freizeit ehrenamtlich
aktiv. 80 Prozent dieses Engagements findet tatsächlich
auf lokaler Ebene statt: in Projekten, Initiativen und Ver-
einen .

Ich sage das als Bewohnerin des ländlichen Raums:
Dieses Engagement ist in vielen Fällen wirklich entschei-
dend für die Lebensqualität vor Ort . Mein Heimatort hat
rund 7 500 Einwohner und 40 Vereine . Das geht vom
Heimat- und Verkehrsverein über die Karnevalsvereine,
den Lauftreff bis hin zum Verein „Nachbarn in Not“ . Das
ist ein ganz weitreichendes Engagement . Die Menschen,
die sich da engagieren, machen wirklich den Unterschied .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Karnevalsvereine machen es natürlich!)


Für Kinder und Jugendliche macht es einen Unterschied,
ob es ein Freizeitangebot gibt, ob es Sportvereine, eine
Theatergruppe usw . gibt . Für Ältere macht es einen Un-
terschied, ob es Begegnungsorte gibt, Mehrgenerationen-
häuser und Ehrenamtliche, die ansprechbar sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es sind diese Strukturen des zivilgesellschaftlichen
Engagements, die so einen Ort lebenswert machen . Ne-
benbei bemerkt: Ohne die freiwilligen Feuerwehren, die
Rettungsdienste und das THW wäre vieles im ländlichen
Raum überhaupt nicht denkbar .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Engagementbericht macht eben deutlich, dass
das gesellschaftliche Engagement gerade, aber nicht nur
im ländlichen Raum, sondern auch in den Städten, eine
wichtige Ergänzung der Daseinsvorsorge ist . Das En-
gagement kann auch einen wichtigen Beitrag zur Inte-
gration leisten . Wir alle haben noch die Bilder von den
vielen Menschen vor Augen, die sich bei der Integration
von geflüchteten Menschen engagieren. Der Bericht hebt
dieses Engagement hervor und würdigt es genauso wie
wir auch, so wie auch ich es hiermit tun möchte .

Aber in dem Bericht steht ebenfalls: Wir müssen auch
das Engagement von Menschen mit Migrationshinter-
grund würdigen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Sachverständigen fordern, dass wir dieses Engage-
ment noch viel mehr unterstützen und herausheben; denn

Artur Auernhammer






(A) (C)



(B) (D)


es gibt unglaublich viele Menschen mit Migrationshin-
tergrund, die sich in die Gesellschaft einbringen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb werde ich in Zukunft noch stärker mit Migran-
tenverbänden zusammenarbeiten und den Fokus ver-
stärkt auf die nichtreligiösen Verbände legen, die noch
nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit sind .

Das vielfältige freiwillige Engagement in den Kom-
munen bildet die Basis für unsere Demokratie . Das müs-
sen wir stärken und fördern . Das verdient unseren Res-
pekt und unsere Anerkennung . Deshalb will ich an dieser
Stelle nicht nur der Sachverständigenkommission für
ihren Bericht danken, sondern vor allen Dingen den fast
31 Millionen Freiwilligen für ihren Einsatz .

Ich möchte mich auch bei Ihnen für die ausgezeich-
nete Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren
bedanken . An diesem besonders denkwürdigen Tag
möchte ich mich bei all denen bedanken, die sich für die
LGBTIQ-Community über viele Jahre ehrenamtlich ein-
gesetzt haben und heute einen großartigen Tag erleben .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie mir noch zehn Sekunden geben, Frau Prä-
sidentin – ich habe, glaube ich, noch etwas Redezeit üb-
rig –,


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416800

Die haben Sie noch .

Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

– dann möchte ich ganz zum Schluss noch einem
Mann danken, der bald aus dem Bundestag ausschei-
det und der sich als Vorsitzender des Unterausschusses
„Bürgerschaftliches Engagement“ besonders für diesen
Bereich verwandt hat, nämlich Willi Brase, der ebenso
wie die wunderbare Petra Crone dem nächsten Bundes-
tag nicht mehr angehörigen wird . Ihr beide habt euch in
dieses Thema besonders hineingehängt . Meine Hochach-
tung, meinen Respekt und alles Gute und, ebenso wie Ih-
nen allen, für die Sommerpause nur das Beste!

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824416900

Dr . Rosemarie Hein hat als nächste Rednerin für die

Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824417000

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Frau Ministerin, Sie können nichts da-
für – das weiß ich –, aber es ist mir völlig unverständlich,

dass die Bundesregierung fast ein geschlagenes Jahr ge-
braucht hat, um sich auf eine Stellungnahme zu diesem
Zweiten Engagementbericht zu einigen . Er lag erst An-
fang April dem Kabinett vor .

Es ist mir allerdings ebenso unverständlich, dass der
Bundestag noch ein weiteres Vierteljahr gebraucht hat,
um diesen Bericht jetzt zur Aussprache auf die Tagesord-
nung zu setzen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dabei geht der Bericht auf einen Beschluss des Bundes-
tages zurück, nach dem in jeder Wahlperiode einmal ein
solcher Bericht vorzulegen ist .

Nun haben wir ihn heute als letzten Tagesordnungs-
punkt in dieser Wahlperiode tatsächlich auf der Tages-
ordnung, und es besteht ein bisschen die Gefahr, dass
dann kaum noch jemand darüber redet .


(Petra Crone [SPD]: Wir reden doch heute!)


Darum kann ich verstehen, dass die Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler, die diesen Bericht erarbeitet
haben, ob der geringen Wertschätzung ihrer Arbeit sauer
sind . Das haben sie uns auch deutlich gesagt .

Ebenso geht es den fast 31 Millionen engagierten
Menschen, über deren gesellschaftlichen Einsatz hier ge-
sprochen wird . Ich denke, einige von ihnen sind heute
auf den Tribünen anwesend .

Ich will einmal umreißen, um wen es dabei eigentlich
geht – ich glaube, viele wissen das gar nicht –: Es sind
die vielen Engagierten in Vereinen und Verbänden des
Sports, der Kultur, der sozialen Arbeit und in den Frei-
willigendiensten ebenso wie die Bürgerinitiativen vor
Ort oder die Menschen, die Nachbarschaftshilfe leisten .

Es sind die Menschen in den sogenannten Blaulicht-
organisationen, also in der freiwilligen Feuerwehr, im
Technischen Hilfswerk und in den Rettungsdiensten,
die im Notfall Leben retten und Erste Hilfe leisten . Wie
wichtig das ist, konnte man gestern hier in Berlin sehen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Maik Beermann [CDU/CSU])


Es sind die Betreuerinnen und Betreuer für Menschen,
die nicht mehr selbst über ihr Leben entscheiden können,
und es sind die ehrenamtlichen Richterinnen und Rich-
ter . Und nicht zuletzt sind es die ehrenamtlichen Bürger-
meisterinnen und Bürgermeister und die kommunalen
Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in den Städten,
Kreisen und Gemeinden .

Ich will eine Gruppe herausheben – die Ministerin hat
das eben auch schon gemacht –: Es sind auch die frei-
willigen Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingshilfe,
ohne die der Staat in den letzten zwei Jahren vollends
versagt hätte . Ihnen allen gebühren unser Dank und un-
sere Wertschätzung .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bundesministerin Dr. Katarina Barley






(A) (C)



(B) (D)


In diesem Bericht wird eine ganze Reihe gravierender
Probleme aufgezeigt, für die wir dringend eine Lösung
brauchen . Wir haben uns in den letzten Monaten und
Jahren einen ziemlich guten Überblick und ziemlich viel
Wissen darüber angeeignet, aber lösen konnten wir nur
ganz wenige dieser Probleme .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich greife nur ein Problem heraus: Seit Jahren zieht
sich der Staat immer mehr aus Aufgaben der öffentlichen
Daseinsvorsorge zurück und überträgt sie Ehrenamtlern,
sei es die Stadtteilbibliothek, für die kein Geld mehr da
ist und die dann durch freiwillig Engagierte ohne Bezah-
lung oder gegen geringeres Entgelt weitergeführt wird,
oder sei es der Bürgerbus, der Mobilität dort ersetzt, wo
Verkehrsunternehmen glauben nicht mehr genug Gewinn
erzielen zu können . Der Bürgerbus wird dann durch die
Kommune organisiert, und ein rüstiger Rentner fährt ihn
gegen ein kleines Entgelt oder auch völlig ohne Entgelt .

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein falsch
verstandener Umgang mit dem freiwilligen Engagement .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn dieses soll es zusätzlich zu den Aufgaben der öf-
fentlichen Daseinsvorsorge geben, statt sie zu ersetzen .

Bürgerschaftliches Engagement ist aber nicht nur frei-
willig und uneigennützig, sondern es ist in der Regel auch
unentgeltlich . Mit solchen Entgelten für Aufgaben, die
vorher durch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
erledigt wurden, macht man außerdem noch den Nied-
riglohnsektor stark . Das halte ich für ein großes Problem .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese und weitere
Probleme betreffen nicht nur soziale Fragen, sondern
ganz unterschiedliche Politikbereiche: die Innenpolitik,
die Verkehrspolitik, die Gesundheitspolitik, die Kultur-
politik usw. Darum finden wir, dass es notwendig ist, in
der nächsten Wahlperiode einen eigenständigen, vollwer-
tigen Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement ein-
zurichten, an den dann auch Anträge und Gesetzentwürfe
überwiesen werden – das war nämlich nicht so – und der
auch darüber entscheiden kann .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben die uns wichtigen Aufgaben in einem Ent-
schließungsantrag zusammengeführt . Ich hoffe sehr, dass
der nächste Bundestag diesen Engagementbericht auf-
nehmen und weiter diskutieren wird .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824417100

Sehr geehrte Frau Dr . Hein, das war Ihre letzte Rede .

Ich möchte Ihnen, auch im Namen aller Kolleginnen und
Kollegen, ganz herzlich danken . Sie sind seit 2009 Mit-
glied des Deutschen Bundestages . Sie waren vorher sehr
lange Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt . Ich
glaube, ich kann sagen, dass wir alle Sie als sehr enga-
gierte Bildungspolitikerin kennengelernt haben . Dass Sie
sich für das Ehrenamt engagieren, haben wir alle gespürt
und gemerkt . Deshalb Ihnen ganz herzlichen Dank für
Ihre wichtige Arbeit . Alles Gute für die Zukunft! Ich bin
sicher, Sie werden sich weiter ehrenamtlich engagieren .


(Beifall)


Als nächste Rednerin hat Ingrid Pahlmann für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingrid Pahlmann (CDU):
Rede ID: ID1824417200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute nun doch noch
zum Zweiten Engagementbericht sprechen können . Frau
Hein hat erwähnt, dass es deutlich ein Jahr gedauert hat,
bis der Bericht den Weg von der Sachverständigenkom-
mission über das Familienministerium und die Ressort-
abstimmung zu uns ins Parlament gefunden hat . Frau
Hein, ich bin mir ganz sicher: In der nächsten Periode
wird er Grundlage für Diskussionen sein; der Bericht ist
nicht vergebens .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schade finde ich allerdings, dass wir uns nur eine hal-
be Stunde Zeit nehmen und dies zu einer, wie ich finde,
nicht sehr prominenten Uhrzeit . Im Interesse von 31 Mil-
lionen Engagierten in unserem Land hätte ich mich ge-
freut, wenn die Redebeiträge zu diesem so wichtigen
Thema mehr Aufmerksamkeit bekommen hätten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


In der Kürze der Zeit möchte ich vor allem – ich hof-
fe, dass viele Menschen zumindest am Fernsehen oder
im Internet die Reden hier verfolgen – den Engagierten
in unserem Land danken, die sich in einer unglaublichen
Vielfältigkeit mit viel Enthusiasmus und Herzblut für un-
ser Allgemeinwohl eingesetzt haben .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich denke an die vielen Menschen in den Vereinen,
bürgerschaftlichen Initiativen und den Nachbarschafts-
hilfen, ich denke aber auch an all die Menschen jeden
Alters, die einen Bundesfreiwilligendienst oder einen
anderen Freiwilligendienst absolviert haben oder absol-
vieren . Ich denke an all die Engagierten in sogenannten
Blaulichtorganisationen und im Katastrophenschutz, bei-
spielsweise in den Feuerwehren, in den Rettungsdiensten
oder auch im THW . Ich denke aber auch an all diejeni-
gen, die in der Hochzeit des Flüchtlingszuzuges nicht erst
nach dem Staat gerufen haben, sondern einfach zur Stelle
waren, unkompliziert angepackt und geholfen haben, wo

Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


sie die Notwendigkeit zur Hilfe und zur Unterstützung
gesehen haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Maik Beermann [CDU/CSU])


Sie alle und die Engagierten, die ich jetzt in meiner
Aufzählung nicht unterbringen konnte, sind es nämlich,
die unser Land reicher und bunter machen, die unsere
Gemeinschaft so lebenswert machen und den Zusam-
menhalt fördern . Vielen Dank für Ihrer aller Einsatz .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Engagementquote belegt, dass sich besonders
Jüngere und Ältere immer häufiger engagieren und dass
die Engagementquote im ländlichen Raum höher ist als
die im städtischen Bereich . 80 Prozent des Engagements
findet in den Kommunen bzw. im lokalen Raum statt.
Deshalb war es gut, die Kommunen in den Fokus des Be-
richts zu nehmen . Als überzeugte Kommunalpolitikerin
kann ich das nur unterstreichen .

Wir auf Bundesebene müssen das Engagement aner-
kennen und stärken, wo immer es unsere Kompetenzen
und Ressourcen ermöglichen . So haben wir bereits eine
Vielzahl von Maßnahmen in der Engagementinfrastruk-
tur ergriffen . Nennen möchte ich hier zum Beispiel die
Mehrgenerationenhäuser, die in einem besonderen Maße
flexibel auf die regionalen Besonderheiten reagieren
können . Darüber hinaus unterstützen wir aber auch viele
Fachverbände und Netzwerke bei ihrer Arbeit .

Nun könnte man meinen, es sehe doch alles ganz gut
aus . Aber ich muss Ihnen sagen: Wir haben noch viel zu
tun . Auch Frau Dr . Hein hat es schon angemerkt . Wir
können noch viele Impulse geben, um das Engagement
zu stärken:


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Abbau von bürokratischen Hürden und Hemmschwellen,
Herausforderungen rund um Monetarisierung, Arbeits-
marktneutralität und den Wandel im Engagement, Ver-
besserungen im Bereich der Anerkennung und der Par-
tizipation, Verbesserungen beim Zugang vor allem für
immer noch im Engagement unterrepräsentierte Grup-
pen wie Menschen mit geringem Bildungshintergrund,
Migrationshintergrund oder auch Menschen mit Behin-
derung .

Gerade hinsichtlich der letzten Gruppe freue ich mich
aber sehr, dass wir die laufenden Gespräche mit unse-
rem Koalitionspartner, auch wenn dieser zwischenzeit-
lich einmal fälschlicherweise etwas anderes in die Welt
gesetzt hat, im letzten Moment erfolgreich abschließen
konnten . Wir haben nämlich das Ministerium beauftragt,
gemeinsam mit Experten, Zivilgesellschaft und beteilig-
ten Akteuren ein Konzept zu erarbeiten, um echte Inklu-
sion im Bundesfreiwilligendienst zu ermöglichen . Damit
es nicht nur bei einem Konzept bleibt, werden wir zusätz-
liche 2 Millionen Euro für die Umsetzung bereitstellen .
Damit wollen wir bürokratiearm und praxisnah notwen-
dige Assistenzleistungen ermöglichen .

Da wir uns nun am Ende der Legislaturperiode befin-
den, möchte ich mich an dieser Stelle als stellvertretende
Vorsitzende des Unterausschusses „Bürgerschaftliches
Engagement“, die ich in dieser Wahlperiode sein durfte,
ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken –
zunächst bei dir, lieber Willi Brase .


(Willi Brase [SPD]: Danke schön!)


Du hast uns als Vorsitzender hervorragend durch die Sit-
zungen des Unterausschusses geführt . Mit deiner über-
parteilichen, fairen und zuverlässigen Art kannst du vie-
len von uns ein Vorbild sein .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute .

Ich möchte aber auch meinen Dank an das Sekretariat
des Unterausschusses richten . Es leistet hinter den Kulis-
sen wirklich wertvolle Arbeit, die für uns hier alle und für
die Abläufe so ungemein wichtig ist . Vielen Dank an die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen .

Schließlich gilt mein Dank auch noch den Kollegin-
nen und Kollegen Abgeordneten im Unterausschuss .
Stellvertretend möchte ich einmal die Kollegen der Op-
position nennen: Frau Schulz-Asche und Frau Dr . Hein .
Sie hatten einen erheblichen Einfluss auf das gute Mit-
einander . Ich denke, wir haben ein gutes Miteinander
gehabt . Das können sich viele Ausschüsse zum Vorbild
nehmen .

Oftmals waren wir sicherlich unterschiedlich in der
Art und Weise und manchmal auch klar im Wort oder
auch verschieden im Weg, aber immer verlässlich geeint
im Ziel . Wenn wir alle das beherzigen, dann freue ich
mich auf den Wahlkampf . Ich denke, dass wir den En-
gagierten ein Zeichen geben, die sich tagtäglich für uns
einsetzen, für unsere Gesellschaft und für unser Gemein-
wohl da sind .

Ich danke Ihnen fürs Zuhören und wünsche eine gute
Sommerpause .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824417300

Kordula Schulz-Asche hat jetzt für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Zweite Engagementbericht ist Gegenstand des letzten
Tagesordnungspunktes am letzten Tag der letzten vollen
Sitzungswoche dieser Legislaturperiode . Er wird an ei-
nen Ausschuss überwiesen, der gar nicht mehr tagt . Ich
finde, dieser Engagementbericht hat das nicht verdient.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Er liegt seit über einem Jahr auf dem Tisch . Es war
diese Große Koalition, die offensichtlich nicht in der

Ingrid Pahlmann






(A) (C)



(B) (D)


Lage war, zeitnah die Inhalte zu bewerten und uns hier
damit zu befassen . Es ist schade, weil dieser Bericht sehr
viele interessante Vorschläge enthält . Dieses Vorgehen
hat deswegen zu Recht zu Unverständnis sowohl bei den
ehrenamtlichen Verfassern des Berichts als auch bei der
Zivilgesellschaft geführt . Dazu kann ich nur sagen: Mein
Wunsch ist es – das ist auch das Motto der Grünen –, dass
sich alle, die sich engagieren möchten, auch engagieren
können . Wer sich engagiert, verdient den Dank, die An-
erkennung und die Unterstützung der Gesellschaft . Das
sollte auch für den Engagementbericht gelten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir hatten in Ermangelung anderer Beratungsmög-
lichkeiten vier Anträge vorgelegt, die gestern leider alle
schon abgelehnt wurden .

Erstens haben wir uns mit den Millionen von Enga-
gierten befasst – ich freue mich, dass wir da im Aus-
schuss gemeinsam unterwegs waren –, die sich um die
Geflüchteten gekümmert haben, die in den Jahren 2015
und 2016 zu uns gekommen sind . Zu den Helfern und
Engagierten in diesem Bereich gehören eben auch sehr
viele geflüchtete Menschen. Ich glaube, es wäre gut
gewesen, wenn wir da zu konkreteren Ergebnissen ge-
kommen wären . Es wäre auch gut, wenn wir es schaffen
würden, von der Willkommenskultur zu einer Integrati-
onsstruktur zu kommen . Doch durch die Große Koalition
gilt hier leider: Fehlanzeige .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Punkt bezieht sich auf die Freiwilligen-
dienste . Wir haben eine große Vielfalt an Freiwilligen-
diensten . Ich bin dafür, dass wir sie sehr stark machen,
dass wir jedem hier die Möglichkeit geben, sich in ei-
nem Freiwilligendienst zu engagieren . Aber die Politik
der Großen Koalition hat dazu beigetragen, dass sich die
Freiwilligendienste zurückentwickelt haben . Ich sage Ih-
nen: Engagement gehört nicht in die Hände des Staates,
wie es beim Bundesfreiwilligendienst der Fall ist, son-
dern in die starke Zivilgesellschaft, die wir haben . Das
ist die Zukunft des Freiwilligendienstes und nicht das
staatliche Engagement in diesem Bereich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der dritte Punkt . Die Große Koalition hat sogar noch
Öl ins Feuer gegossen . Das erkennen wir, wenn wir uns
anschauen, wie die Aberkennung der Gemeinnützigkeit
von Attac passiert ist . Statt für Rechtssicherheit zu sor-
gen, hat Finanzminister Schäuble Einspruch gegen das
Urteil vom Finanzgerichtshof Hessen Ende 2016 einge-
legt . Meine Damen und Herren, das führt nicht nur für
Attac, sondern für die gesamte Zivilgesellschaft und die
vielen NGOs in Deutschland zu Rechtsunsicherheit bei
ihrem Engagement . Wir brauchen dringend eine Moder-
nisierung des Gemeinnützigkeitsrechts .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Da ich schon beim Feuer bin: Auch wenn es ums Lö-
schen geht, hat sich nicht viel getan in diesen vier Jahren .


(Willi Brase [SPD]: Stimmt nicht!)


Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz, DLRG,
um nur einige zu nennen – alle haben Nachwuchspro-
bleme . Sie brauchen mehr Frauen in ihren Reihen . Sie
müssen sich darum kümmern, auch mehr Menschen mit
Migrationshintergrund zu integrieren . Dafür brauchen sie
auch unsere Unterstützung, zum Beispiel bei einer besse-
ren Vernetzung untereinander .


(Zuruf von der CDU/CSU: Das machen die vor Ort hervorragend!)


Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe durch
Ehrenamt ist ein zentraler Baustein des Bevölkerungs-
schutzes in Deutschland . Diese Organisationen brauchen
bessere Rahmenbedingungen; denn sie leisten einen
wesentlichen Dienst für unsere Gesellschaft, vor allem
wenn Krisen auftreten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie alle können sicher sein,
dass wir uns weiterhin für die Umsetzung des Engage-
mentberichts, für die Stärkung der Zivilgesellschaft, für
mehr Demokratie, für mehr Engagement und für die Zu-
kunft – die wird bekanntlich aus Mut gemacht – einset-
zen werden .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bedanke
mich ganz herzlich für die Zusammenarbeit im Unteraus-
schuss und bei den beiden Vorsitzenden .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824417400

Willi Brase hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1824417500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Schade, dass ich nur
drei Minuten Redezeit habe .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich will als Erstes aus aktuellen Gründen den vielen
Helferinnen und Helfern von THW und Feuerwehr dan-
ken, die gestern Abend bis tief in die Nacht hinein in Ber-
lin, in Brandenburg, in Hannover tätig waren .


(Beifall im ganzen Hause)


Sie sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie bürgerschaft-
liches Engagement positiv funktioniert und uns hilft .

Zum Zweiten möchte ich doch noch mal darauf hin-
weisen: Wir leben in einer Zeit, in der die politischen
Parteien und auch manche gesellschaftlichen Großorga-
nisationen – Kirchen, Gewerkschaften etc . – Probleme

Kordula Schulz-Asche






(A) (C)



(B) (D)


haben, Menschen für sich zu gewinnen . Darüber klagen
wir, vergessen dabei aber manchmal, dass sich gerade im
Bereich des bürgerschaftlichen Engagements von Ver-
einen bis zu Initiativen immer mehr Menschen – junge
Menschen, Menschen mittleren Alters und ältere Men-
schen – engagieren. Ich finde, auch das ist ein gutes Bei-
spiel für die Entwicklung unserer Demokratie und unse-
rer Gesellschaft .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Ich will deutlich sagen: Wir dürfen nicht vergessen,
dass bürgerschaftliches Engagement uneigennützig ist .
Es ist gemeinwohlorientiert . Und es ist freiwillig . Diese
Kriterien werden immer wieder Bedeutung und Gültig-
keit haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn wir das infrage stellen, kommt es vielleicht dazu,
dass man bürgerschaftliches Engagement nutzt, um ge-
sellschaftliche Fehlleistungen oder fehlende gesellschaft-
liche Maßnahmen auszugleichen . Das wollen wir nicht .
Wir wollen an diesen Prinzipien festhalten .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Meine Redezeit rast .

Bürgerschaftlich Engagierte gestalten Gesellschaft .
Das ist Teilhabe und Partizipation . Ich glaube, da haben
wir gesellschaftspolitisch auch im Bundestag noch viel
vor uns . Wie können wir das, was die jungen Menschen,
was die älteren Menschen, was die Frauen, was die Män-
ner dort machen, im Sinne von Teilhabe und Partizipati-
on nach vorne bringen?

Wir haben dem Bericht und der Diskussion entnom-
men, dass wir die Engagementstrukturen verbessern und
unterstützen müssen . Gerade im Bericht, Frau Ministerin,
wird deutlich, dass mit Blick auf Kommunales noch eini-
ges zu machen ist . Das hat auch etwas damit zu tun, wie
wir Mittel nach Möglichkeit direkt den Kommunen ge-
ben, weil dort bürgerschaftliches Engagement geschieht .

Wir brauchen – das haben meine Vorrednerinnen und
Vorredner deutlich gesagt – zukünftig einen ordentlichen
Ausschuss .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bürgerschaftliches Engagement und andere bürger-
schaftliche Themen sind Querschnittsthemen . Vor dem
Hintergrund der Vielfalt der Engagierten vom Flücht-
ling bis hin zur Feuerwehr ist es mehr als recht, wenn
der Bundestag in der nächsten Legislaturperiode endlich
diesen Querschnittsausschuss einrichtet .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Ich stelle fest, dass die Uhr wie verrückt läuft . – Gu-
tes Engagement ist zivil . Gutes Engagement fördert und
erfordert Beteiligung . Gutes Engagement ist eine Säule

vielfältiger Demokratie . Gutes Engagement stärkt Bürge-
rinnen und Bürger . Gutes Engagement verdient Anerken-
nung, ist eigensinnig und gelegentlich unbequem . Das ist
auch gut so .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gutes Engagement ist inklusiv, erfordert materielle Ab-
sicherung, braucht Räume und benötigt Zeit . Das sollten
wir nie vergessen .

Zum Schluss noch ein Wort zu INKA . Das war ein gu-
tes Projekt . Für den Bereich des THW haben wir in dieser
Legislaturperiode viel Geld ausgegeben; das wollen wir
nicht vergessen . Das war gut .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wäre schön, wenn in der nächsten Legislaturperiode
über den Engagementbericht weiterhin gründlich disku-
tiert wird . Vielleicht kann der Dritte Engagementbericht
dann etwas schneller erscheinen .

Das ist meine letzte Rede . Ich danke den Parlaments-
assistenten – sie haben uns immer gut gedient – und allen
anderen, die im Hintergrund dafür gesorgt haben, dass
die Drucksachen rechtzeitig vorliegen und das, worüber
wir hier diskutieren, ein Stück weit vorangebracht wird .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich danke dem Haus . Frau Ministerin, allerherzli-
chen Dank! Wir haben sehr gut zusammengearbeitet . Ich
danke meinen Kolleginnen und Kollegen im Unteraus-
schuss . – Die Uhr macht mich verrückt . Frau Präsidentin,
das ist meine letzte Rede . Geben Sie mir noch ein paar
Sekunden! – Danke schön .


(Heiterkeit)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824417600

Ich gebe Ihnen noch ein paar Sekunden . Wir haben die

Uhr nicht schneller gestellt, keine Sorge .


Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1824417700

Dank an das Ausschusssekretariat . Herr Potocki und

andere haben uns wunderbar unterstützt .


(Beifall)


Ich persönlich empfinde Dankbarkeit und Stolz, dass
ich 19 Jahre in diesem Parlament dabei sein durfte . Wir
haben ein gutes Parlament . Wir diskutieren manchmal
sehr hart und kritisch . Aber wir sind immer solidarisch .
Die Rechte, die wir als Parlamentarier des Bundestages
haben, lassen sich nicht in vielen Parlamenten auf der
Erde – auch nicht in Europa – finden. Darauf sollten wir
stolz sein . Ich habe hier gerne gearbeitet . Halten Sie mich
in guter Erinnerung .

Glück auf!


(Beifall im ganzen Hause)


Willi Brase






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824417800

Mein lieber Kollege Brase, so schnell kommen Sie

jetzt nicht davon . Sie müssen mir kurz zuhören . – Sie
werden – Sie haben das selbst gesagt – dem nächsten
Bundestag nicht mehr angehören . Ich möchte Ihnen im
Namen aller Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich
danken . Wir alle haben Sie als engagierten und leiden-
schaftlichen Bildungspolitiker sowie – das möchte ich
besonders unterstreichen – auch als engagierten Politi-
ker für berufliche Bildung kennengelernt. Die berufliche
Bildung hat für uns alle eine ungeheuer große Bedeu-
tung; das haben wir heute in vielen Reden gehört . Dass
Sie nicht nur über das Ehrenamt ganz engagiert reden
können, sondern auch selber – wenn ich auf meine Liste
schaue – ehrenamtlich sehr engagiert sind, unterstreicht
das, was Sie zum Schluss gesagt haben, nämlich dass in
diesem Parlament sehr viele Menschen tätig sind, die
sich mit großer Leidenschaft und sehr viel Engagement
einsetzen . Ihnen herzlichen Dank und alles Gute für die
Zukunft! Ich persönlich sage ausdrücklich: Alles Gute,
lieber Willi!


(Beifall)


Als letzter Redner hat Maik Beermann für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


Maik Beermann (CDU):
Rede ID: ID1824417900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bürgerschaft-
liches Engagement ist eine unverzichtbare Bedingung für
den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ob Altenpflege
oder Sportverein, ob Beistand für sterbende Menschen,
ob freiwillige Feuerwehr, THW oder Schützenverein –
ich selbst bin erster Vorsitzender des Schützenvereins in
meinem Heimatort Wendenborstel –, ob Kirchengemein-
den, Suppenküchen oder Tafeln – überall engagieren sich
vor allem die Ehrenamtlichen . Somit sind Tag um Tag
Menschen für Menschen da, für ein Deutschland, in dem
wir gut und gerne leben .

80 Prozent des Engagements findet im ländlichen
Raum statt; so besagt es der Bericht . Ihnen werden die
Namen Silke Weibels, Frank Priezel, Markus Schade,
Mareike Schlüter oder Mario Hotze, Tristan Müller und
Andreas Ohling nichts sagen . In meinem Wahlkreis im
Schaumburger Land und im Landkreis Nienburg küm-
mern sich diese Menschen . Aktuell tragen sie Verantwor-
tung für 3 500 Kinder und Jugendliche . Warum? Weil in
beiden Landkreisen aktuell die Kreiszeltlager der Kreis-
jugendfeuerwehren stattfinden. Diese Menschen sind
also bereit, für eine große Anzahl von Kindern und Ju-
gendlichen, eben circa 3 500 an der Zahl, Verantwortung
zu übernehmen . Hinzu kommen diejenigen, die sich um
das Drumherum kümmern: die Jugendfeuerwehrwarte,
die Betreuerinnen und Betreuer, aber auch die Ehren-
amtlichen aus den Ortschaften, die dafür sorgen, dass die
Essensausgabe funktioniert, die Bratwurst- und Geträn-
kebuden bestückt sind, die Kaffeetafel voll ist . Das ist
ein hervorragendes Engagement, dem Respekt gebührt .
Davor ziehe ich persönlich meinen Hut .

Ich habe im vergangenen Jahr selbst einige Tage in ei-
nem solchen Kreiszeltlager in meinem Heimatlandkreis

Nienburg verbracht, um einfach einmal mitzuerleben,
wie dieses Lagerleben funktioniert, nicht nur am Tage,
sondern auch in der Nacht . Die Nächte auf dem 50 Zen-
timeter breiten Feldbett waren spannend, aber ich habe
sie überlebt . Ich kann Ihnen nur empfehlen: Machen Sie
auch einmal mit! Was dort geleistet wird, verdient unse-
ren höchsten Respekt .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Mir fallen auch noch Philip und Dennis Thölke,
Josephine Büte, Sebastian Farr, Ute und Andreas Esse,
Thomas Wolf – es gibt noch einige mehr – ein, die in
jedem Jahr den Weg hier nach Berlin finden, nämlich
dann, wenn die Internationale Grüne Woche stattfindet.
Sie kommen nicht hierher, um diese Veranstaltung zu ge-
nießen, sondern um als Kreisbereitschaft des Deutschen
Roten Kreuzes aus dem Landkreis Schaumburg Sanitäts-
dienst zu leisten – ehrenamtlich, freiwillig . Sie nehmen
Erholungsurlaub, um dabei zu sein, um Menschen zu hel-
fen, die einen Unfall haben oder denen es nicht gut geht .
Auch das verdient meinen höchsten Respekt .

So gibt es unzählige Beispiele; wir haben es schon ge-
hört . Alle diese Menschen tragen aus meiner Sicht dazu
bei, unsere Gesellschaft zu einer besseren zu machen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als niedersächsischer Abgeordneter eines ländlich ge-
prägten Raumes sehe ich die Wichtigkeit der ehrenamtli-
chen Tätigkeit . Bürgerschaftliches Engagement gewinnt
hierbei besondere Bedeutung; denn durch das Ehrenamt
verbinden wir aus meiner Sicht Generationen und schaf-
fen eine gerechtere Gesellschaft, beispielsweise in den
Mehrgenerationenhäusern . Bund und Länder haben sich
in einer Rahmenvereinbarung dazu bekannt, die Zukunft
dieser wichtigen Institution nachhaltig zu sichern . Auch
in meinem Wahlkreis gibt es seit dem Aufwuchs der
Mittel vier Mehrgenerationenhäuser . In Stolzenau, Nien-
burg, Stadthagen und auch in Rinteln leisten Ehrenamt-
liche unermüdlichen Einsatz und bieten ein vielfältiges
Angebot: von der Hausaufgabenbetreuung bis zum De-
menzkaffee .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen da, wo
es möglich ist, das Ehrenamt so unbürokratisch wie mög-
lich gestalten . Das ist eine Aufgabe für die kommende
Legislaturperiode . Lippenbekenntnisse und Sonntags-
reden reichen hier nicht mehr aus, sondern wir müssen
liefern .

Aber auch soziale Unternehmen sollten wir in den
Blick nehmen; denn wenn sich aus ehrenamtlichen Ini-
tiativen professionelle Strukturen bilden, dann ist das in
unserem Sinne . Das Sozialunternehmen wellcome, unter
der Schirmherrschaft unserer Bundeskanzlerin Angela
Merkel, ist ein Beispiel dafür; es ist als kleine Initiative
gestartet . Heute unterstützen an über 250 Standorten in
Deutschland vor allem viele ehrenamtlich tätige Frauen
Familien in den anstrengenden Wochen nach der Ge-
burt – insbesondere auch bei Mehrlingsgeburten –, in-
dem sie bei alltäglichen Herausforderungen helfen .






(A) (C)



(B) (D)


Ich bin vor sechs Wochen Vater von Zwillingen ge-
worden .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause – Zurufe: Glückwunsch!)


– Vielen Dank . – Wir haben aber das große Glück, dass
wir zu Hause die Unterstützung meiner Eltern und mei-
ner Schwiegereltern haben .


(Beifall des Abg . Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber viele haben eine solche Unterstützung nicht . Initi-
ativen wie wellcome sind dafür da, solche Familien zu
unterstützen und eine helfende Hand zu bieten .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der
letzte Redner in dieser Debatte in dieser letzten Sitzungs-
woche in der 18 . Wahlperiode . Ich darf mich den Dan-
kesworten meiner Vorredner anschließen . Frau Dr . Hein,
Herr Kollege Brase, Ihnen beiden auf jeden Fall alles er-
denklich Gute für die Zukunft! Bleiben Sie vor allen Din-
gen gesund! Das ist das Entscheidende, damit Sie sich auf
Ihren Unruhestand, der es vielleicht werden wird, aber
vor allen Dingen auf Ihren Lebensabend freuen können .


(Beifall der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Uns allen eine erfolgreiche und etwas schöpferische
Sommerpause, damit wir nach der Sommerpause ge-
stärkt in einen fairen Wahlkampf starten können und uns
Ende September alle hoffentlich gesund und munter hier
wiedersehen!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824418000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich

die Debatte .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/11800 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Der Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12968
soll an dieselben Ausschüsse wie der Bericht auf Druck-
sache 18/11800 überwiesen werden . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen . Ich wünsche mir sehr – das haben
Sie alle unterstrichen –, dass dieser Bericht nicht nur auf
dem Schreibtisch liegen bleibt, sondern eine Grundlage
für die weitere Arbeit ist .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt
in dieser Legislaturperiode noch etwas zu tun . Deshalb
berufe ich die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Dienstag, den 5 . September 2017, 9 Uhr, ein .

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Sitzung
geschlossen . Ich wünsche Ihnen in der Zwischenzeit
eine gute Erholung; ich weiß, dass sie kurz sein wird .
Ich wünsche Ihnen vor allen Dingen viel Erfolg bei Ihrer
Arbeit und einen guten Wahlkampf, der hoffentlich fair,
in der Sache kontrovers, aber durchaus die Gemeinsam-
keiten benennend, stattfinden wird.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Und von der Union gewonnen wird!)


Wir sehen uns im September wieder . Alles Gute!