Protokoll:
18243

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 243

  • date_rangeDatum: 29. Juni 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 00:57 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/243 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 243. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Marieluise Beck (Bremen) . . . . . . . . . . 24875 A Begrüßung der neuen Abgeordneten Marion Marga Herdan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24875 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24875 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 21 a, 36 ee, 36 qq, 36 zz, 36 ccc, 36 kkk, 36 mmm und 36 nnn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24878 C Begrüßung einer Delegation des irischen Parlaments unter Vorsitz des Vorsitzenden der deutsch-irischen Freundschaftsgruppe, Senator Craughwell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24883 D Tagesordnungspunkt 7: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 22. und 23. Juni 2017 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Ham- burg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24878 D Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 24879 A Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 24883 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 24886 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . 24887 C Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24889 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24891 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24893 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24894 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 24895 D Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24897 B Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24898 C Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes – Straf- barkeit nicht genehmigter Kraftfahr- zeugrennen im Straßenverkehr Drucksachen 18/10145, 18/12936, 18/12964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24902 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verkehrssicherheit er- höhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksachen 18/12558, 18/12936, 18/12964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24902 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24902 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24903 C Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24904 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24905 D Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 24906 D Sebastian Steineke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24908 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017II Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abrüstung jetzt und hier beginnen Drucksache 18/12799 . . . . . . . . . . . . . . . . 24909 D b) Antrag der Abgeordneten Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Orientierung am Zwei-Prozent-Ziel der NATO Drucksache 18/12800 . . . . . . . . . . . . . . . . 24909 D c) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr . Gerhard Schick, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Investitio- nen in Streumunition und Antipersonen- minen verbieten Drucksache 18/12898 . . . . . . . . . . . . . . . . 24909 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE so- wie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja Keul, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen Drucksachen 18/11609, 18/12419 . . . . . . . 24910 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Atom- waffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen Drucksachen 18/6808, 18/12420 . . . . . . . . 24910 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepo- tenziale (Jahresabrüstungsbericht 2016) Drucksache 18/11968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24910 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepo- tenziale (Jahresabrüstungsbericht 2015) Drucksache 18/8065 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24910 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepo- tenziale (Jahresabrüstungsbericht 2014) Drucksache 18/4270 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24910 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 24910 C Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24911 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24913 B Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 24915 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24916 C Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 24918 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24918 B Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 24918 C Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 24919 B Dr . Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24920 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 24921 B Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . 24922 B Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24922 D Tagesordnungspunkt 10: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Ope- ration SOPHIA Drucksachen 18/12491, 18/12868 . . . . . . . 24924 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12869 . . . . . . . . . . . . . . . . 24925 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24925 A Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 24927 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 III Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 24927 D Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 24929 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 24929 C Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24930 A Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 24931 B Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24932 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 24933 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24936 D Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Un- tersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24933 B Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24933 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24935 B Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24939 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24941 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 24942 B Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24943 A Susann Rüthrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24943 D Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24945 B Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 24946 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Parlamentari- sche Kontrolle in Zeiten der Großen Koali- tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24948 B Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24948 C Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24949 B Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24951 A Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24952 C Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 24953 C Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 24955 B Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24956 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24958 A Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 24959 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 24960 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 24961 C Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24963 A Tagesordnungspunkt 12: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Woh- nungseinbruchdiebstahl Drucksachen 18/12359, 18/12933, 18/12995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24964 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungsein- bruchdiebstahl Drucksachen 18/12729, 18/12933, 18/12995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24964 C Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 24964 D Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 24965 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 24967 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24968 C Bettina Bähr-Losse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 24971 C Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 24972 C Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Katja Dörner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung Drucksache 18/12951 . . . . . . . . . . . . . . . . 24973 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Sicherheit in die Selbständigkeit – Für eine bessere Absicherung von Selb- ständigen Drucksachen 18/10035, 18/12673 . . . . . . . 24973 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24973 D Thomas Stritzl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24975 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24975 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017IV Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24976 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24978 C Dr . Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24980 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 24980 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24982 C Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 24984 A Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 24985 B Tagesordnungspunkt 14: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Ände- rung weiterer Vorschriften des Erneuerba- re-Energien-Gesetzes Drucksachen 18/12355, 18/12988 . . . . . . . 24986 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mie- terstrom und zur Änderung weiterer Vor- schriften des Erneuerbare-Energien-Geset- zes Drucksachen 18/12728, 18/12988 . . . . . . . 24986 C Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24986 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 24987 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 24989 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24990 D Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 24992 A Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24993 B Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanna Karawanskij, Matthias W . Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für gleichwertige Lebensver- hältnisse in allen Regionen in Ost und West Drucksache 18/11750 . . . . . . . . . . . . . . . . 24995 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozia- les zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: For- derung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen Drucksachen 18/12107, 18/12854 . . . . . . . 24995 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 24995 A HonD Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 24996 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24996 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 24998 D HonD Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 24999 B Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24999 C Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25001 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 25002 B Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25004 A Tagesordnungspunkt 16: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations In- terim Force in Lebanon“ (UNIFIL) Drucksachen 18/12492, 18/12866 . . . . . . . 25005 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12867 . . . . . . . . . . . . . . . . 25005 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25006 A Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 25007 B Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25008 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25009 B Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25010 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 25011 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25013 D Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängige Polizei- beauftragte oder den unabhängigen Po- lizeibeauftragten des Bundes (Bundespo- lizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7616, 18/12826 . . . . . . . . 25011 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 V ordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die un- abhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtenge- setz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7617, 18/12826 . . . . . . . . 25011 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Ab- geordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umsetzung des Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftrag- ten des Bundes (Bundespolizeibeauf- tragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7618, 18/12978 . . . . . . . . 25012 A Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25012 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 25016 B Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25017 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25019 B Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung und Landwirtschaft zu der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Be- trieb und zur Änderung weiterer Vorschrif- ten Drucksachen 18/12731, 18/12879 Nr . 2, 18/12921 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25020 D Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . . 25021 A Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 25021 D Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 25022 D Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25024 B Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . 25025 A Tagesordnungspunkt 35: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnpro- jekt Stuttgart 21 Drucksache 18/10060 . . . . . . . . . . . . . . . . 25026 D b) Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dialogforum Schiene-Nord ernst neh- men – Erweiterten Lärmschutz beim Schienenausbauprojekt „Alpha-E“ vo- rantreiben Drucksache 18/12862 . . . . . . . . . . . . . . . . 25026 D d) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umbau der Tierhaltung gestalten und finanzie- ren Drucksache 18/12947 . . . . . . . . . . . . . . . . 25027 A Tagesordnungspunkt 21: b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen garantieren Drucksache 18/12941 . . . . . . . . . . . . . . . . 25027 B Tagesordnungspunkt 36: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Achte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksachen 18/12242, 18/12443 Nr . 2 .3, 18/12630 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25027 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr . Rosemarie Hein, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstellungsvergütung gesetz- lich verankern – Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen Drucksachen 18/12094, 18/12910 . . . . . . . 25027 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Ausverkauf des Bodens an land- wirtschaftsfremde Investoren stop- pen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017VI GRÜNEN: Einrichtung eines Bun- desprogramms „Zugang zu Land – Chancen für neue Betriebe ermögli- chen“ Drucksachen 18/12551, 18/11601, 18/12878 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25027 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter entkriminalisie- ren Drucksachen 18/12364, 18/12635 . . . . . . . 25028 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on DIE LINKE: Tierversuche beenden Drucksachen 18/11724, 18/12981: . . . . . . 25028 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- ten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Offenlegung von Gut- achten zur Deutschen Bahn AG Drucksachen 18/11011, 18/12528 . . . . . . . 25028 B g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infra- struktur zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Kostenentwicklung beim Bahn- hofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen Drucksachen 18/9039, 18/9863 . . . . . . . . . 25028 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Kerstin Andreae, Dr . Thomas Gambke, Renate Künast, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mehr für das Gemein- wohl – Steuerabzug für Managergehäl- ter deckeln Drucksachen 18/11176, 18/12627 . . . . . . . 25028 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Managergehäl- ter beschränken Drucksachen 18/9838, 18/11201 . . . . . . . . 25028 D j) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterneh- mensmitbestimmung stärken – Grauzo- nen schließen Drucksachen 18/10253, 18/12861 . . . . . . . 25029 A k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr . Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen ge- stalten Drucksachen 18/10254, 18/12991 . . . . . . . 25029 A l) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kettenbefristun- gen abschaffen Drucksachen 18/4098, 18/8457 . . . . . . . . . 25029 B m) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Lisa Paus, Kordula Schulz-Asche, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Rechtssicherheit für bürgerschaft- liches Engagement – Gemeinnützigkeit braucht klare Regeln Drucksachen 18/12559, 18/12973 . . . . . . . 25029 B n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr . Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine neue Gründungskultur in Deutschland Drucksachen 18/12369, 18/13005 . . . . . . . 25029 C o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückkehr- recht auf Vollzeit einführen Drucksachen 18/12794, 18/12984 . . . . . . . 25029 D p) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kos- metika und Waschmitteln beenden Drucksachen 18/10875, 18/13004 . . . . . . . 25029 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 VII q) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Land- wirtschaft zu dem Antrag der Abgeord- neten Harald Ebner, Steffi Lemke, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pestizide reduzieren – Mensch und Um- welt schützen Drucksachen 18/7240, 18/12980 Buchsta- be a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25030 A r) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Wege zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft Drucksachen 18/12382, 18/12980 Buch- stabe b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25030 B s) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bienengiftige Insektizide vollständig verbieten – Bestäuber, andere Tiere und Umwelt wirksam schützen Drucksachen 18/12384, 18/12980 Buch- stabe c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25030 B t) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infra- struktur zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Verkehrspolitik auf Klimaschutz- ziele ausrichten Drucksachen 18/7887, 18/9819 . . . . . . . . . 25030 C u) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Stephan Kühn (Dresden), Britta Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Fairen Wettbewerb und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen Drucksachen 18/10978, 18/12875 . . . . . . . 25030 D v) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine bundesweite Präventi- onsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus Drucksachen 18/10477, 18/12996 . . . . . . . 25030 D w) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgebe- rinnen und Hinweisgeber vor Straf- verfolgung schützen und Unabhän- gigkeit der Justiz sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Christian Ströbele, Tabea Rößner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Pres- sefreiheit und Journalistinnen und Journalisten besser schützen Drucksachen 18/5839, 18/10036, 18/12416 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25031 A x) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsicht- lich Landesverrats – Stellung des Gene- ralbundesanwaltes rechtsstaatlich refor- mieren Drucksachen 18/10037, 18/12637 . . . . . . . 25031 B y) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung zum besserem Rechtsschutz bei behördlich geheim gehaltenen Informationen Drucksachen 18/3921, 18/11791 . . . . . . . . 25031 C z) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die notwen- digen Konsequenzen aus dem Be- trugsskandal um Kfz-Abgase ziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Schutz der Verbraucher – Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von PKW been- den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017VIII – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Aus dem Pkw-Abgas skandal Konsequenzen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sichern Drucksachen 18/6325, 18/6070, 18/6334, 18/7533 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25031 D aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Luise Amtsberg, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antise- mitismus entschlossen bekämpfen Drucksachen 18/12784, 18/12982 . . . . 25032 B bb) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Irene Mihalic, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe stärken Drucksachen 18/12802, 18/12985 . . . . 25032 B cc) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für den Menschenrechtsschutz in Deutsch- land – Die Nationale Stelle zur Ver- hütung von Folter reformieren und stärken Drucksachen 18/12544, 18/13006 . . . . 25032 C dd) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Südsudan – Hungersnot abwenden, Völkermord verhindern Drucksachen 18/11732 (neu), 18/13008 25032 D ff) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hochschulpakt fortsetzen und aufsto- cken Drucksachen 18/1337, 18/4112 . . . . . . 25032 D gg) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die digitale Welt ver- stehen und mitgestalten – Lernen und Lehren digitalisieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungs- einrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die Zukunft ma- chen Drucksachen 18/6203, 18/10474, 18/12926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25033 A hh) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Internationalisie- rungsstrategie von Wissenschaft und Forschung, die Pluralität und Frei- heit schützt, Grenzen überwindet und Zusammenhalt stärkt Drucksachen 18/10359, 18/12935 . . . . 25033 B ii) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter- Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nationaler Bildungsbe- richt – Bildungsinstitutionen zu- kunftsfest machen – Für eine gerechte und soziale Gesellschaft Drucksachen 18/10248, 18/12927 . . . . 25033 C jj) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: BAföG an die Lebens- wirklichkeit anpassen – Keine weiteren Nullrunden für die Stu- dierenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Attraktivi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 IX tätsverlust stoppen – BAföG noch 2017 erhöhen Drucksachen 18/10012, 18/11178, 18/12925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25033 D kk) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Gute und wohn- ortnahe Arzneimittelversorgung – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Patientinnen und Patienten entlasten – Zuzahlun- gen bei Arzneimitteln abschaffen – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, Dr . Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arzneimittelversorgung an Be- dürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren – Heute und in Zukunft Drucksachen 18/10561, 18/12090, 18/11607, 18/12732 . . . . . . . . . . . . . . . 25034 A ll) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stärken Drucksachen 18/8221, 18/13011 . . . . . 25034 B mm) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Damit Kinder gut aufwachsen – Kinderschutz und Prävention ausbauen Drucksachen 18/9054, 18/11913 . . . . . 25034 C nn) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr . Konstantin von Notz, Maria Klein- Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln, Engagement anerkennen und attraktiver machen Drucksachen 18/12804, 18/13012 . . . . 25034 D oo) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Programm für soziale Gerechtigkeit – Konse- quenzen aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Norbert Müller (Potsdam), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktions- plan gegen Kinderarmut – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate Müller- Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand be- teiligen Drucksachen 18/11796, 18/9666, 18/12557, 18/12863 . . . . . . . . . . . . . . . 25035 A pp) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Weichen für eine Europäische Union der Abrüs- tung und des Friedens stellen Drucksachen 18/10629, 18/11028 . . . . 25035 B rr) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: US- und NATO-Stütz- punkt Ramstein unverzüglich schlie- ßen Drucksachen 18/10863, 18/11245 . . . . 25035 C ss) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nationales Kon- versionsprogramm entwickeln – Um- wandlung der Militärwirtschaft in eine Friedenswirtschaft ermöglichen Drucksachen 18/2883, 18/4115 . . . . . . 25035 D tt) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Dr . Axel Troost, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zulassungspflicht für Finanz- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017X produkte schaffen – Finanz-TÜV ein- führen Drucksachen 18/9709, 18/12823 . . . . . 25035 D uu) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Berufs- bildungsgesetz novellieren – Ausbil- dung verbessern Drucksachen 18/10281, 18/12928 . . . . 25036 A vv) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Prekäre Arbeitsbedin- gungen in der Wissenschaft wirksam bekämpfen Drucksachen 18/11597, 18/12934 . . . . 25036 B ww) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Soziale Durch- lässigkeit bei Zugang und Zulassung zu Hochschulen durchsetzen Drucksachen 18/11418, 18/12929 . . . . 25036 B xx) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Globalabkom- men mit Mexiko aussetzen Drucksachen 18/12548, 18/12986 . . . . 25036 C yy) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havel- land), Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung des Schutzes gegen Diskriminie- rungen aufgrund des Gesundheitszu- standes Drucksachen 18/3315, 18/10665 . . . . . 25036 C aaa) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem An- trag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot der Haltung wild le- bender Tierarten in Zirkussen Drucksachen 18/12088, 18/12908 . . . . 25036 D bbb) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling- Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausfuhr von Uran-Brenn- stoffen für den Betrieb störanfäl- liger Atomkraftwerke im Ausland stoppen – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta Haßelmann, wei- terer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grenzregionen vor Atomrisiken schützen – Export von Brennele- menten stoppen Drucksachen 18/11596, 18/12093, 18/12891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25037 A eee) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes zur Beschleunigung von Verfahren Drucksachen 18/12360, 18/12646 . . . . 25037 B fff) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung Drucksachen 18/7359, 18/8124 . . . . . . 25037 C ggg) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Schutz vor Mobbing am Ar- beitsplatz Drucksachen 18/12097, 18/12990 . . . . 25037 D hhh) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Be- ziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und unserer histori- schen Verantwortung gerecht werden Drucksachen 18/5385, 18/6378 . . . . . . 25037 D iii) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Gerhard Schick, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 XI Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Finanz- wende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen Drucksachen 18/12381, 18/12843 . . . . 25038 A jjj) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeres- schutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Todesfalle Geister- netze – Artenvielfalt im Meer wir- kungsvoll schützen Drucksachen 18/12380, 18/12109, 18/12899 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25038 B lll) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Um- satzsteuerbetrug auf Online-Han- delsplattformen wirksam bekämp- fen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksachen 18/12556, 18/12963 . . . . 25038 C ooo) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und So- ziales zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr . Wolfgang Strengmann- Kuhn, Kerstin Andreae, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesellschaftliche Teilhabe und gute Bildung für alle Kinder und Jugendli- chen sicherstellen Drucksachen 18/12795, 18/12997 . . . . 25038 C ppp) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbrau- cherschutz: Übersicht 10 – über die dem Deutschen Bundestag zugeleite- ten Streitsachen vor dem Bundesver- fassungsgericht Drucksache 18/12977 . . . . . . . . . . . . . . 25038 D qqq)–uuu) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammel- übersicht 449, 450, 451, 452 und 453 zu Petitionen Drucksachen 18/12806, 18/12807, 18/12808, 18/12809, 18/12810 . . . . . . . . . 25038 D Tagesordnungspunkt 35: c) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994 zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (MfS/KoKo) des Bundestages nach über zwei Jahrzehn- ten aufheben Drucksache 18/12821 . . . . . . . . . . . . . . . . 25039 B Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprü- fung Drucksachen 18/11499, 18/12994 . . . . . . . 25039 C b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schädliche Umweltwirkungen von Geisternetzen und Dolly Ropes verhin- dern Drucksache 18/12944 . . . . . . . . . . . . . . . . 25039 D c) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten und notwendige Assistenz ermöglichen Drucksache 18/12945 . . . . . . . . . . . . . . . . 25039 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und hu- manitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter: Jahresbericht 2016 der Bundes- stelle und der Länderkommission Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr . 1 .2, 18/13007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25040 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammver- wertung Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr . 2, 18/13003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25040 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verord- nung zu Ausschreibungen für KWK-An- lagen und innovative KWK-Systeme, zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017XII Solar anlagen sowie zur Änderung weite- rer Verordnungen Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr . 2 .4, 18/12987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25040 B g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Matthias W . Birkwald, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart für eine friedliche und gerechte Europäische Union Drucksachen 18/11723, 18/12919 . . . . . . . 25040 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart der Europäischen Union auf der Grund- lage Sozialer Menschenrechte Drucksachen 18/12089, 18/12918 . . . . . . . 25040 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt modernisieren Drucksachen 18/12361, 18/12931 . . . . . . . 25040 D j)–q) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 454, 455, 456, 457, 458, 459, 460 und 461 zu Petitionen Drucksachen 18/12955, 18/12956, 18/12957, 18/12958, 18/12959, 18/12960, 18/12961, 18/12962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25041 A Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen- nenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13026 . . . . . . . . . . . . . . . . 25041 D b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13025 . . . . . . . . . . . . . . . . 25041 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bun- destag zu benennenden Mitglieder des Wis- senschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Drucksache 18/13002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25042 A Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zei- gen – Für einen bundesweiten Aktionsplan Drucksachen 18/8723, 18/12893 . . . . . . . . . . 25042 B Tagesordnungspunkt 34: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Baukulturbe- richt 2016/17 der Bundesstiftung Baukul- tur: und Stellungnahme der Bundesregie- rung Drucksachen 18/10170, 18/10307 Nr . 9, 18/11384 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25042 B Tagesordnungspunkt 36: ddd) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksachen 18/12546, 18/12838 . . . . 25042 C Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufar- beitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad Drucksache 18/12943 . . . . . . . . . . . . . . . . 25042 D b) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold (Havelland) und weiterer Abgeordneter: Aufarbeitung der Verbre- chen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer Drucksache 18/11805 . . . . . . . . . . . . . . . . 25042 D Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25043 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 25043 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 XIII Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25045 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25045 D Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25047 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25048 A Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung Drucksachen 18/9125, 18/12839 . . . . . . . . . . 25049 B Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Ver- sicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes Drucksachen 18/11627, 18/13009 . . . . . . . . . . 25049 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25049 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 25050 D Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25051 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25052 D Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25054 A Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Ju- gendlichen (Kinder- und Jugendstärkungs- gesetz – KJSG) Drucksachen 18/12330, 18/12730, 18/12879 Nr . 1 .9, 18/12946, 18/12952 . . . . . . . . . . . . . . 25055 C Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehme- rischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181 Nr . 1 .11, 18/12998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25056 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr . Thomas Gambke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen Drucksachen 18/11411, 18/12870 . . . . . . . . . . 25056 B Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines fa- miliengerichtlichen Genehmigungsvor- behaltes für freiheitsentziehende Maß- nahmen bei Kindern Drucksachen 18/11278, 18/12938 . . . . . . . 25056 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Katja Keul, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetz- buchs zur Einführung eines gerichtli- chen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern Drucksachen 18/9804, 18/12938 . . . . . . . . 25057 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25057 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 25058 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25059 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25060 B Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25061 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen Drucksachen 18/11936, 18/12940 . . . . . . . . . . 25062 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verord- nung (EU) Nr. 1143/2014 über die Präven- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017XIV tion und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Drucksachen 18/11942, 18/12976 . . . . . . . . . . 25063 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25063 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25065 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) zu der Ab- stimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Mo- dernisierung des Rechts der Umweltverträg- lichkeitsprüfung (Zusatztagesordnungspunkt 5 a) . . . . . . . . . . . 25065 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmungen über – Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen- nenden Mitglieder des Gemeinsamen par- lamentarischen Kontrollausschusses von Europol und – Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kon- trollausschusses von Europol (Zusatztagesordnungspunkt 6 a und b) . . . . . . 25066 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frau- en und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 25067 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25067 A Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25068 B Dr. Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 25069 B Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 25070 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25071 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Baukultur- bericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur und Stellungnahme der Bundesregierung (Tagesordnungspunkt 34) . . . . . . . . . . . . . . . . 25071 D Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . . 25072 A Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25072 D Claudia Tausend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25073 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25074 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 25075 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25076 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 36 ddd) . . . . . . . . . . . . . 25077 A Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 25077 A Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25078 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 25078 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 25079 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25080 B Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufarbei- tung der Verbrechen in der Colonia Dignidad (Tagesordnungspunkt 22 a) . . . . . . . . . . . . . . . 25080 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion DIE LINKE einge- brachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Ände- rung der Abgabenordnung (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 25081 C Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25081 C Margaret Horb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 25082 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 XV Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 25083 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 25084 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 25085 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Ju- gendstärkungsgesetz – KJSG) (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 25085 C Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 25085 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 25086 C Ulrike Bahr (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25089 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 25090 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25090 C Dr. Katarina Barley, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25091 B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleich- terung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr . Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstüt- zen (Tagesordnungspunkt 26 und Zusatztagesord- nungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25092 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25092 A Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 25093 B Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 25094 B Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25095 A Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25095 D Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25096 C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwir- kung Dritter an der Berufsausübung schweige- pflichtiger Personen (Zusatztagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . 25097 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 25097 D Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 25099 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 25099 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25100 B Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr . 1143/2014 über die Prä- vention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Ar- ten (Zusatztagesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . 25101 A Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 25101 A Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25102 A Birgit Menz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 25102 C Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25103 B Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25104 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 24875 243. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Vizepräsident Johannes Singhammer (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25065 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 29 .06 .2017 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .06 .2017 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 29 .06 .2017 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 29 .06 .2017 Ernstberger, Petra SPD 29 .06 .2017 Färber, Hermann CDU/CSU 29 .06 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 29 .06 .2017 Ilgen, Matthias SPD 29 .06 .2017 Kunert, Katrin DIE LINKE 29 .06 .2017 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 29 .06 .2017 Menz, Birgit DIE LINKE 29 .06 .2017 Mortler, Marlene CDU/CSU 29 .06 .2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 29 .06 .2017 Schröder (Wiesbaden), Dr . Kristina CDU/CSU 29 .06 .2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 29 .06 .2017 Zypries, Brigitte SPD 29 .06 .2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträg- lichkeitsprüfung (Zusatztagesordnungspunkt 5 a) Hiermit erkläre ich zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglich- keitsprüfung – 18/11499 –: Ich lehne den Gesetzesentwurf ab . Zentrale Defizite des Rechts über die Umweltverträg- lichkeitsprüfung (UVP) werden nicht behoben . Neue Entwicklungen und bisherige Erkenntnisse werden nicht berücksichtigt . So stellt das Verfahren zur Überprüfung der Umwelt- verträglichkeit weiterhin kein eigenständiges Verwal- tungsverfahren dar . Damit bleibt die UVP wie bisher nur eine vermeintlich lästige Pflicht der Betreiber und Behör- den innerhalb eines Trägerverfahrens . Weiterhin bleibt das UVP-Recht zersplittert . Eigen- ständige, gegenüber den Anforderungen im UVPG ab- geschwächte Forderungen, beispielsweise im Bundes- berggesetz, lehne ich ab . Vielmehr ist ein einheitliches, harmonisiertes UVP-Gesetz erforderlich, welches alle Rechtsbereiche umfasst . Die Kriterien zur Ermittlung und Bewertung der Um- weltverträglichkeit ergeben sich zudem weiterhin ledig- lich direkt aus den fachgesetzlichen Vorschriften . Dies bedeutet, dass eine UVP keine schärferen Anforderungen stellen kann, als es das Fachrecht bereits vorsieht . Damit gibt es keinen eigenständigen materiellen Wert der UVP . Es existiert lediglich die prozedurale Pflicht der Öffent- lichkeitsbeteiligung. Besonders offensichtlich wird die- ses Defizit in Fällen, in denen das Fachrecht keine ei- genständigen Bestimmungen für Schutzgüter aufweist, Dann geht eine UVP‑Pflicht vollständig ins Leere. Daher wäre eine Neukonzeption des UVP-Rechts erforderlich gewesen, die einer UVP eine eigenständige, inhaltliche Bedeutung gibt . Zudem fehlt ein konsequenter Begriff der Pläne und Programme . So fallen bergrechtliche Aufsuchungser- laubnisse mangels eines Projekts weder unter den Vor- habenbegriff des UVPG noch finden auf sie die Vor- schriften der Strategischen Umweltprüfung Anwendung . Gerade weil Aufsuchungserlaubnisse eine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines bergrechtlichen Vorhabens, zum Beispiel einer Gas- oder Ölförderung sind, sollten sie der UVP‑Pflicht unterzogen werden müssen. § 48 Satz 2 UVPG privilegiert Raumordnungspläne für den Abbau von Rohstoffen und entzieht diese der di- rekten gerichtlichen Prüfung, da die einschlägige Bestim- mung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes keine Anwen- dung finden soll. Diese Ausnahmeregelung ist sachlich nicht begründet und umweltpolitisch kontraproduktiv . Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung von Betrieben, die der Störfall-Verordnung unterliegen, soge- nannten Betriebsbereichen, hätten strengere Anforderun- gen festgelegt werden müssen . Gerade weil von diesen Anlagen ein erhöhtes Risiko ausgeht, hätte für diese eine obligatorische UVP‑Pflicht sowohl für die Errichtung wie für wesentliche Änderungen eingeführt werden müs- sen . Überschreitet ein Vorhaben durch eine Änderung erst- mals eine Produktions-, Kapazitäts- oder Flächengröße, ab der eine UVP durchzuführen ist, muss lediglich eine UVP für die Änderung erfolgen, nicht jedoch für die be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725066 (A) (C) (B) (D) stehende Anlage . Auch dies verhindert eine umfassende Erfassung und Bewertung des Vorhabens . Es wäre ge- boten gewesen, festzulegen, dass das gesamte Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss . Eine Prüfung der Nullvariante in UVP-Verfahren ist weiterhin nicht vorgeschrieben . Diese hätte zum Schutz der Umwelt im UVPG festgelegt werden müssen . Zudem hätte eine Pflicht zur Überprüfung, ob das Vorhaben ge- rechtfertigt ist, festgelegt werden müssen . Die von CDU/CSU und SPD beantragten und im Ge- setzespaket eingearbeiteten Änderungen verschlechtern das Gesetz eher als es zu verbessern . Ein Beispiel dafür ist die Zielsetzung, § 27a Verwaltungsverfahrensgesetz auszuhebeln, der eine weitgehende Veröffentlichung von Antragsunterlagen im Internet vorsieht . Hier hat die Ko- alition dem Drängen der Industrie nachgegeben, die auf allen Ebenen gegen den § 27a Verwaltungsverfahrensge- setz kämpft . Im Sinne der Transparenz wäre eine Klar- stellung erforderlich gewesen, dass das Fachrecht § 27a des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht verdrängt . Die Umsetzung der Anforderungen der „Extractive In- dustries Transparency Initiative“ (EITI) ist zudem nicht umfassend genug . So soll sich die Transparenz lediglich auf Bergbauberechtigungen beziehen . Der EITI-Standard stellt jedoch klar, dass unter „license“ nicht nur eine Ber- gbauberechtigung zu verstehen ist, sondern „any license, lease, title, permit, contract or concession by which the government confers on a company(ies) or individuals rights to explore or exploit oil, gas, and/or mineral re- sources“ . Gerade die Bezugnahme auf „permits“ bedeu- tet, dass auch Betriebspläne von der Transparenzpflicht des EITI-Standards umfasst sind . Dies ist aber nicht vor- gesehen . Zudem ist lediglich die Offenlegung folgender Daten vorgesehen: Inhaber, Koordinaten des Gebiets, Antrags- datum, Erteilungsdatum und Geltungsdauer, geförderter Rohstoff. Während Nr. 2.4 des EITI‑Standards ausdrück- lich dazu anregt, den gesamten Text jeglicher Behörden- entscheidung zur Aufsuchung und Gewinnung von Bo- denschätzen zu veröffentlichen, bleiben die vollständigen Texte der Behördenentscheidungen jetzt ein Geheimnis . Auch die objektiv angebrachte Veröffentlichung der aufgeführten Daten im Internet ist nicht verpflichtend, sondern in das Ermessen der zuständigen Behörde ge- stellt. Stattdessen hat die Öffentlichkeit lediglich ein Recht auf die „Einsicht in die Unterlagen“ . Dies ist ge- nauso wenig bürgerfreundlich wie die Vorgabe, dass die Unterlagen bei den zuständigen Behörden der Bundes- länder und nicht bei einer bundesweiten Stelle eingese- hen werden können . Aus diesen Gründen lehne ich den Gesetzesentwurf ab . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmungen über – Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentari- schen Kontrollausschusses von Europol und – Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be- nennenden Mitglieder des Gemeinsamen par- lamentarischen Kontrollausschusses von Eu- ropol (Zusatztagesordnungspunkt 6 a und b) Seit fast einem Jahr haben alle Fraktionen im Bundes- tag gemeinsam an der Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums Europol gearbeitet . Die gemeinsame parlamentarische Kontrolle von Europol ist ein Präze- denzfall und somit von grundsätzlicher Bedeutung für die künftige Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten . Die federführenden Abgeordneten aller Fraktionen hatten sich in einem gemeinsamen Brief an Bundestags- präsident Professor Norbert Lammert bei der Besetzung des Gremiums auf eine angemessene Beteiligung der im Bundestag vertretenen politischen Gruppen geeinigt . Auf dieser Grundlage wurde seitens des Bundestagspräsiden- ten auf europäischer Ebene erfolgreich eine Anhebung der Zahl der Mitglieder nationaler Parlamente von ur- sprünglich zwei auf vier erzielt . Damit wurde dem An- liegen, auch nationale Oppositionsparteien zu beteiligen, entsprochen . Der ebenfalls mitberatende Bundesrat reklamierte ebenfalls eine gleichberechtigte Teilnahme . Obwohl er als Regierungskammer keine parlamentarische Kontrol- le ausüben kann und bereits Kontrolle über den Verwal- tungsrat ausüben kann, wurde ihm seitens des Bundes- tags ein Kompromiss angeboten: Verhältnis 3 : 1 . Der Bundesrat verfügt im Gegensatz zum Deutschen Bundes- tag über weitergehende Kontroll- und Informationsmög- lichkeiten im Hinblick auf die Tätigkeit von Europol . Nun beansprucht jedoch der Bundesrat zwei Sitze für zwei Länderinnenminister, weshalb maximal zwei für den Bundestag bleiben sollen . Zudem weigern sich die Vertreter der Koalitionsfraktionen entgegen ihrer bishe- rigen Position, in einer Abstimmung des Bundestages am heutigen Donnerstagabend der Opposition auch nur einen Sitz zu überlassen . Stattdessen will die Regierung sich jetzt lieber selbst kontrollieren . Wenn wir Kompetenzen in hochsensiblen Bereichen auf die europäische Ebene verlagern, dann darf in einem parlamentarischen Kontrollgremium nicht nur die Regie- rung sitzen . Es ist nicht hinnehmbar, dass bei einer solch hochsensiblen Materie die Kontrollrechte unseres Parla- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25067 (A) (C) (B) (D) ments so massiv beschränkt werden sollen . Die Oppositi- on im Bundestag wird damit praktisch mundtot gemacht . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeord- neten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan (Tagesordnungs- punkt 19) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Bei den US-ameri- kanischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr ließ Donald Trump keine Gelegenheit aus, seine Konkur- rentin Hillary Clinton als körperlich schwach darzustel- len. Zudem fiel er auf durch zahlreiche andere verbale Attacken gegen Frauen, und es wurde auch bekannt, dass er selbst vor sexueller Belästigung nicht zurückschreckt . Dass Donald Trump die Wahl dennoch gewonnen hat, zeigt, wie „normal“ Sexismus inzwischen geworden ist . Und dafür muss man noch nicht einmal den Blick nach Amerika richten . Auch hierzulande ist Sexismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und taucht in allen Bereichen immer wieder auf: im Blondinenwitz, beim Versuch, die gläserne Decke zu durchbrechen, in der Werbung und auch auf dem Oktoberfest . Sexismus ist quasi omnipräsent! Dass wir tätig werden und den Sexismus bekämpfen müssen, ist also längst nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wie . Wie können wir vorgehen? Und vor allem: Wie können wir unser Vorge- hen so gestalten, dass es auch wirklich effektiv ist? Die Linken wollen uns mit dem vorliegenden Antrag einen Weg aufzeigen, der in meinen Augen dafür jeden- falls nicht taugt . Abgesehen davon, dass er in weiten Tei- len überholt ist, dient er der Partei Die Linke mal wieder dazu, ein beliebiges Thema für ihre Zwecke zu missbrau- chen . In frecher und wie immer populistischer Art wird auch hier wieder die Realität verdreht und die Bundesre- gierung zum Bösewicht erklärt . Bedauerlich finde ich, dass dafür das Thema Sexismus herhalten muss, ein wichtiges und sensibles Thema, das ernst genommen werden sollte . Nun aber der Reihe nach . Zunächst zu den zu ergrei- fenden Maßnahmen: In dem Antrag wird gefordert, ein Gesetz zur Entgelt- gleichheit zu schaffen. – Dieses haben wir vor einigen Monaten verabschiedet . Es wird gefordert, Frauenquoten in den Führungsebe- nen einzuführen . – Auch das haben wir bereits vor län- gerem getan . Weiter sollen wir den „Nein heißt nein“-Grundsatz im Sexualstrafrecht umsetzen . – Im vergangenen Sommer haben wir auch das erledigt . Und wir sind sogar noch darüber hinausgegangen: Seit letztem Jahr ist auch das Grapschen unter Strafe ge- stellt . Wir lassen nicht zu, dass Frauen in der U-Bahn, auf dem Volksfest, im Schwimmbad oder sonst wo an- gefasst werden und das Ganze dann als Kavaliersdelikt abgetan wird . Wir Frauen sind doch kein Freiwild, das jeder Mann beliebig erlegen darf . Mit dieser umfassenden Reform haben wir die sexu- elle Selbstbestimmung gestärkt und ganz klare Grenzen gesteckt . Dies war und ist auch immer wieder nötig . Wo ein Grenzen-Stecken allerdings zu weit geht, ist das Thema Werbung, das in dem Antrag ebenfalls ange- sprochen wird . Natürlich gibt es Werbung, die ziemlich weit geht, wo jede Menge Haut und ebenso viel Sex ge- zeigt wird, wo die Frau regelmäßig auf ihren Körper re- duziert wird, während der Mann der tolle Hecht ist . „Sex sells“ – dieses Prinzip durchzieht die Werbung und auch die Medien, und jeder, der behauptet, dass das auf den Leser, den TV-Zuschauer und den Konsumenten keinen Einfluss nimmt, verschließt die Augen vor dem Offen- sichtlichen . Doch ist es wirklich unsere Aufgabe, hier einzugrei- fen? Nein, ist es nicht . Wir haben in Deutschland eine über den Deutschen Werberat gut funktionierende Selbst- regulierung . Die reicht vollkommen . Wir sind nicht ge- willt, eine Zensur einzuführen, und der Staat sollte sich auch nicht als Moralapostel aufführen. Auch Ihren Vorschlag, Änderungen am AGG vorzu- nehmen, möchte ich aufgreifen . Ich würde auch an dieser Stelle gerne näher darauf eingehen; doch ich habe in Ih- rem Antrag nicht finden können, was genau Sie ändern wollen . Ich habe lediglich lesen können, dass Sie Maß- nahmen zur Stärkung und Ausweitung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fordern . Vielleicht könnten Sie da etwas konkreter werden und uns an Ihren Gedan- ken teilhaben lassen, wenn Sie diese Forderung schon aufstellen . Wie bereits erklärt, sollten wir unsere Kräfte lieber in die Maßnahmen stecken, die auch wirklich ankommen . Und dabei denke ich insbesondere auch an solche Maß- nahmen, die sich den Opfern von Sexismus widmen . Ich werde daher auch in dieser Rede nicht müde, erneut von unserem bundesweiten Hilfetelefon zu berichten, das wir eingerichtet haben . Dort wird unter der Nummer 08000 116 016 sieben Tage die Woche und 24 Stunden lang Opfern sexualisierter Gewalt geholfen . Dies ist eine Maßnahme, die wirklich ankommt . Rund 100 000 Be- ratungsgespräche wurden in den letzten beiden Jahren geführt – eine Zahl, die für sich spricht . Schließlich möchte ich mich aber auch noch dem wid- men, was mich beim Lesen Ihres Antrags besonders um- getrieben hat, dem Vorwurf, man habe die Geschehnisse der Kölner Silvesternacht „dazu genutzt, schutzsuchende Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen, rassistische Vorurteile zu schüren und menschenrechtlich umstritte- ne Gesetzesänderungen zu legitimieren“ . Sie schreiben Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725068 (A) (C) (B) (D) weiter: „Eine ernsthafte und umfassende Auseinander- setzung mit dem gesellschaftlichen Sexismus und seinen Folgen wurde nicht geführt“, und kommen schließlich zu dem Ergebnis, die Debatte sei instrumentalisiert worden für „rassistische Hetze und Stigmatisierung von Flücht- lingen und Muslimen“ . Wenn Sie das wirklich denken, kann ich mir das nur so erklären, dass Sie nach den Geschehnissen auf der Dom- platte in der Silvesternacht einen Realitätsschock erlitten haben, der Sie nun zwingt, so zu tun, als sei das Gesche- hene alltäglichem Sexismus zuzuordnen . Dass wir in unserem Alltag Sexismus erleben, das streitet doch gar keiner ab . Dass aber die Vorkommnisse in dieser Silvesternacht Ausfluss dessen sein sollen, ist mehr als nur ein Augen-Verschließen . Es ist ein Leugnen und Verwischen der Realität . Und ich will sogar noch weitergehen: Wenn Sie ernst- haft behaupten, dass die zahllosen sexuellen Übergriffe – nicht nur in Köln, sondern auch in Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und Bielefeld – die Folge des „gesellschaftli- chen Sexismus“ seien, dann verhöhnen Sie in atemberau- bender Frechheit die Opfer . Lassen Sie mich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, dass das, was am 31 . Dezember 2015 geschehen ist, ganz gewiss nicht Teil des alltäglichen Sexismus war, wie wir ihn kennen . Das war sexualisierte Gewalt von bis dato ungeahntem Ausmaß . Bevor ich nun zum Ende komme, möchte ich Ihnen noch eine Frage mit auf den Weg geben: Wenn Ihnen ein Mann sagt, dass Sie als Frau nur dann „anständig“ sind, wenn Sie sich verschleiern, sodass nur das Gesicht, nicht aber die Haare zu sehen sind; wenn Ihnen ein Mann sagt, dass es selbst im Hochsommer anstößig ist, Haut zu zei- gen, an Armen, Beinen oder Füßen, was ist das für Sie? Für mich ist das Sexismus, über den wir ebenfalls endlich einmal reden sollten . Sylvia Pantel (CDU/CSU): Vor fast genau einem Jahr, am 23 . Juni 2016, habe ich an dieser Stelle erklärt, warum wir den Antrag eines bundesweiten Aktions- plans – „Sexismus die Rote Karte zeigen“ ablehnen wer- den . Und ich bin froh, meinen damaligen Argumenten nun noch einige hinzufügen zu können . Die Bundesregierung hat gerade in dieser Legislatur- periode viel für die Gleichstellung von Frauen und Män- nern getan . Auch wir halten Maßnahmen zur Bekämp- fung von Sexismus für sinnvoll und notwendig, und das heute nicht weniger als vor ein paar Jahren . Zunächst einmal möchte ich kurz auf den Ausgangs- punkt des Antrags der Linken eingehen . Sie beklagen, dass die Debatten anlässlich der Vorfälle in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 für rassistische Hetze und Stig- matisierung von Flüchtlingen und Muslimen instrumen- talisiert wurden . Dabei dachte ich, wir reden hier in erster Linie über die Opfer sexualisierter Gewalt . Dann frage ich Sie: Warum stellen Sie sich an diesem Punkt auf die Seite der Täter? Selbstverständlich müssen wir differen- zieren . Auch ich bin gegen Vorverurteilungen . Aber der Realität sollten wir schon in die Augen schauen . Sie sehen sexualisierte Belästigung und Gewalt ge- gen Frauen als offensichtliche Belege eines tiefergehen- den gesellschaftlichen Sexismus in Deutschland . In dem Punkt, dass zahlreiche Bereiche betroffen sind, stimme ich in der Tat mit Ihnen überein . Genau deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode bereits Fakten geschaf- fen und eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet, die nicht in Theorien, sondern in Maßnahmen Geld fließen lassen . Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Betroffenen als erste Anlaufstelle rund um die Uhr und in verschiedenen Sprachen Beratung an und wird sehr gut angenommen . Sie fordern eine Reform des Sexualstrafrechts; dabei haben wir diese bereits umgesetzt . Es gilt der Grundsatz „Nein heißt Nein“ . Mit dem Beschluss des Beitritts zur Istanbul-Kon- vention, dem Übereinkommen des Europarats zur Ver- hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, verpflichten wir uns in 81 Artikeln gemeinsam mit 23 Staaten, die das Übereinkommen bis- her ratifiziert haben, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und zu bekämpfen . Wir wollen, dass Täter konsequent bestraft und Opfer stärker geschützt werden . Ein Grund- satz, der im Übrigen auch bei der Verabschiedung des Prostituiertenschutzgesetzes galt . Die Einhaltung der in der Istanbul-Konvention festgelegten Forderungen wird zudem von einer Monitoringstelle überprüft . Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 2 verankert . Neben die- ser grundgesetzlichen Verankerung arbeiten wir daran, dass die Gleichberechtigung auch in den Unternehmen Wirklichkeit wird . Wir wollen Gerechtigkeit und Chan- cengleichheit . Und genau dafür haben wir bereits an zentralen Stellen grundlegende Weichenstellungen vor- genommen, die die Gleichstellung von Frauen und Män- nern voranbringen und mehr Verwirklichungschancen eröffnen. Um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt zu fördern und die Diskriminierung in diesem so wichtigen Bereich zu bekämpfen, haben wir auch schon einiges getan: Von der Einführung des allge- meinen gesetzlichen Mindestlohns beispielsweise profi- tieren mehrheitlich Frauen in niedrig entlohnten Dienst- leistungsbereichen und in geringfügiger Beschäftigung . Wir haben das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auf den Weg gebracht, um eine Steigerung des Anteils von weiblichen Führungskräften in Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft und in der Bundesverwaltung herbeizufüh- ren – damit Schlüsselstellen künftig öfter von Frauen besetzt werden . So können sie auf oberster Entschei- dungsebene selbst den Wandel in der Unternehmenskul- tur vorantreiben . Mit dem Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern wollen wir die Entgelt- lücke zwischen den Geschlechtern beseitigen . Wir wol- len gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit . Das Gesetz räumt Frauen in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftig- ten einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25069 (A) (C) (B) (D) ber ein . Sie können erfragen, nach welchen Kriterien sie selbst bezahlt werden und wie hoch der durchschnittliche Verdienst von Männern für gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten ausfällt . Auf diese Weise bekommen Frauen ein Instrument an die Hand, um Lohndiskriminierungen aufzudecken und notfalls dagegen zu klagen . Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Eltern- geld und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit wurden neue Möglichkeiten zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung und zur dauerhaften Existenzsicherung geschaffen. Eine gender-neutrale Erziehung hingegen, wie sie von Ihnen gefordert wird, wollen wir nicht . Auch ist dies ein erheblicher Kostenfaktor, und ich bezweifle, dass sie dazu geeignet wäre, bestehendes Unrecht aufzulösen und die Entwicklung unserer Kinder positiv zu befördern . Genauso bezweifle ich, dass ein Verbot von Werbung, die spezifische Geschlechterrollen nutzt, ein sinnvoller An- satz ist . Sie vermuten Sexismus an jeder Ecke in unserer Gesellschaft und relativieren damit das Leid der tatsäch- lich Betroffenen. Ihre Forderungen sind ideologisch und tragen weder dazu bei, Frauen konkret zu stärken, noch, die Lebenswirklichkeit der Betroffenen zu verbessern. Wir haben bereits viel für die Gleichstellung von Frau- en und Männern getan . Wir haben Gesetze verabschiedet und Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Frauen stär- ken und den Betroffenen helfen. Bei den Zielen liegen wir nicht weit auseinander, allein der Weg unterscheidet uns . Wir haben schon viel erreicht, und auch wenn wir noch nicht am Ziel sind, so sind wir doch auf einem guten Weg . Wir brauchen Ihren Aktionsplan nicht; wir arbeiten die Defizite konsequent ab, und dabei haben wir eine an- dere Sicht auf die Dinge . Deshalb lehnen wir Ihren An- trag ab . Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Mit dem vorliegen- den Antrag „Sexismus die Rote Karte zeigen“ möchte die Fraktion Die Linke „die vielfältigen Erscheinungsformen und Folgen des Sexismus“ in unserer Gesellschaft be- kämpfen . Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, der Antrag greift ein überaus wichtiges The- ma auf, das leider nicht an Aktualität verloren hat . Sexismus und Diskriminierung müssen bekämpft wer- den . Als SPD-Fraktion sind wir bei diesem Anliegen voll auf Ihrer Seite . Die Zielsetzung ist absolut richtig . Ihren vorgeschlagenen Weg, einige dieser Ziele zu erreichen, sehe ich jedoch kritisch . Wir haben hier im Parlament dazu gute Debatten ge- führt . Der Antrag war sogar Gegenstand einer Anhörung . Die Argumente der Sachverständigen haben uns darin bestätigt, den Antrag letztlich abzulehnen . Das liegt ins- besondere an folgenden vier Punkten: Erstens. Der Begriff „Sexismus“ ist im Antrag nicht klar definiert. Zudem werden die Begriffe „Sexismus“ und „sexistisch“ vermischt . Das könnte zu Missverständ- nissen führen. Sehr vieles wird diesem Begriff zugeord- net . Daher wäre es extrem wichtig, zu wissen, was genau darunter gefasst wird . Zweitens . Der Antrag wirft zu viel in einen Topf . Wenn alle im Antrag genannten Anliegen und alle Ak- teure in einem einzigen Aktionsplan zusammengeführt werden sollen, wird das Vorhaben unüberschaubar . Ich habe die Sorge, dass dann nicht allen Formen von Diskri- minierung und Sexismus angemessen begegnet werden kann . Das dient der Sache überhaupt nicht . Drittens . Sie fordern außerdem die Einrichtung einer Monitoringstelle . Mir wurde – auch in der Expertenan- hörung – nicht klar, was es mit dieser Monitoringstelle auf sich hat . Deutschland hat die Istanbul-Konvention endlich ra- tifiziert, also die Konvention des Europarates zur Ver- hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt . Ein echter Durchbruch! Diese Kon- vention beinhaltet übrigens ganz klar die Schaffung einer Kontrollinstanz . Diese überprüft, ob die Regeln der Kon- vention eingehalten werden . Zudem haben wir die Antidiskriminierungsstelle des Bundes . An dieser Stelle vielen Dank für den Einsatz und die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Antidiskriminierungsstelle . Herzlichen Dank ebenso an Frau Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, die uns im Ausschuss auch zu diesem Thema kompetent beraten hat . Warum also eine zusätzliche Monitoringstelle? Das würde nur zu einer unnötigen Doppel- oder sogar Drei- fachstruktur führen . Es gibt aber noch einen vierten Punkt – einen beson- ders wichtigen –, warum wir den Antrag ablehnen . Denn an mehrere Forderungen im Antrag können wir ein Häk- chen machen . In dieser Wahlperiode haben wir vieles be- reits umgesetzt . Diskriminierung wurde weiter abgebaut . Gerne nenne ich Beispiele: Vom Mindestlohn, der die klare Handschrift von Andrea Nahles trägt, profitieren rund 4 Millionen Men- schen . Zwei Drittel davon sind Frauen . Dank Entgelttransparenzgesetz haben vor allem Frau- en Klarheit darüber, ob sie wegen ihres Geschlechts beim Lohn diskriminiert werden . Denn noch immer erhalten Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger Lohn als Männer . Das macht sich dann leider auch bei der Ren- te negativ bemerkbar . Jeden Versuch, dies schön- oder kleinzurechnen, halte ich übrigens ebenso für eine Dis- kriminierung . Seit 2016 gilt endlich die Frauenquote . Aufsichtsräte, Vorstände und die oberen Managementebenen werden weiblicher . Und es gibt keinen leeren Stuhl . Also haben wir genügend kluge Frauen für diese Aufgaben . Wir haben den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Sexu- alstrafrecht verankert . Jede nicht einvernehmliche sexu- elle Handlung wird damit unter Strafe gestellt . Den steuerlichen Freibetrag von mehrheitlich weibli- chen Alleinerziehenden haben wir erhöht, und den Unter- haltsvorschuss haben wir ausgeweitet . Die Regeln zum Mutterschutz haben wir verbessert, die Familienpflege- zeit eingeführt und – ganz wichtig – das ElterngeldPlus eingeführt . All das gibt Müttern und Vätern mehr Frei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725070 (A) (C) (B) (D) heit, um Berufliches und Privates besser unter einen Hut zu bekommen und um die Aufgaben partnerschaftlicher zu teilen . Danke an Manuela Schwesig und Katarina Barley – zwei engagierte Ministerinnen, Frauen, die vehement, mit Herz und Verstand für den Abbau von Diskriminie- rung kämpfen! Ohne diese beiden Frauen wäre die Liste der Erfolgsschritte nicht so lang! Diese Liste ist aber leider noch zu kurz . Wir sind noch lange nicht am Ziel . Das wird mir zum Beispiel deutlich, wenn im Wahlkreis Handwerksbetriebe über Nachwuchs klagen . Auf meine Nachfrage bekomme ich dann zu hö- ren: An eine weibliche Azubi habe ich noch gar nicht gedacht . – Solche Antworten gibt es . Schön, dass sie sel- tener werden! Ich habe inzwischen Schreinerinnen, Schornsteinfe- gerinnen und Bildhauerinnen kennengelernt . Mit einer Zimmerfrau – nicht zu verwechseln mit Zimmermäd- chen, übrigens ein diskriminierender Begriff – habe ich beim letzten Maibaumaufstellen und bei einem Richtfest angestoßen . Es fehlt die Normalität, die Selbstverständlichkeit in Arbeit und Beruf, aber auch zu Hause im Privaten, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben, und zwar zur gleichen Zeit . Immer dann, wenn Männer ausfallen, werden sie von Frauen ersetzt, in fast allen Bereichen . Das wissen wir nicht nur aus Kriegs- und Krisenzeiten . Ausnahmen sind wohl nur Papst, Männergesangverein oder millionenschwerer Fußballprofi. Letzte Woche habe ich übrigens ein Formblatt ausge- füllt . Darin stand nur die Bezeichnung „Bundestagsab- geordneter“. Ich hoffe, das Formular wird nicht ungültig, nur weil ich das „r“ gestrichen habe . Es gibt weiterhin genug zu tun . Wir haben aber in den vier Jahren noch mehr erreicht . Wir haben Lebenspartnerschaften in der Steuerpolitik und bei der Sukzessivadoption der Ehe gleichgestellt . Wir haben die rechtliche Rehabilitierung von Homo- sexuellen auf den Weg gebracht . Einen sehr wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Diskriminierung gehen wir noch in dieser Woche: Die Ehe für alle – oder besser gesagt: die Ehe für alle lieben- den Heiratswilligen – wird endlich möglich . Nicht bei jeder Abstimmung habe ich so gerne die überraschend gewonnene Einsicht der Kanzlerin unterstützt . Ich freue mich, dass es den Kolleginnen und Kolle- gen der Union dank Brigitte TV gestattet wurde, nach so vielen Jahren endlich ihrem Gewissen zu folgen . Ich bin nicht nur im Familien-, sondern auch im Europaaus- schuss. Und ich bin schon verblüfft darüber, an welchen Orten die Bundeskanzlerin Politik macht: Außenpolitik im Bierzelt und Familienpolitik beim BrigitteTalk . In bei- den Politikbereichen ziehe ich eindeutig den Deutschen Bundestag vor . Und genau hier, im Bundestag, wollen wir morgen eine weitere Diskriminierung abbauen . Gemeinsam mit hoffentlich vielen von Ihnen hier wer- den wir unseren Kurs konsequent fortsetzen . Wir werden morgen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eine weitere Rote Karte zeigen! Cornelia Möhring (DIE LINKE): Nach den erschre- ckenden Vorfällen der Silvesternacht in das Jahr 2016 gab es eine relativ breite gesellschaftliche Debatte über sexualisierte Gewalt und sexistische Übergriffe. Der Fo- kus dieser Debatte hat sich leider schnell verschoben: Statt über Ursachen und Formen von Sexismus zu spre- chen, wurde plötzlich vor allem über die Herkunft der vorverurteilten Täter gesprochen, und Forderungen nach einer noch restriktiveren Flüchtlingspolitik wurden laut . Als wäre Sexismus ein importiertes Problem, keines un- serer Gesellschaft . Von einer Gesellschaft, die frei von Sexismus und frei von sexualisierter Gewalt ist, sind wir aber noch weit entfernt . Sexismus ist allgegenwärtig und durchzieht alle Strukturen . Rollenklischees schränken junge Menschen in ihrer Entwicklung ein . Stereotype sorgen dafür, dass die Meinungen von Frauen in Meetings oder politischen Debatten weniger ernst genommen werden . Werbung re- duziert Frauen auf Körper und präsentiert sie sexualisiert . Eine Arbeitsstunde von Frauen ist Arbeitgebern noch im- mer weniger wert als die von Männern . Arbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird, wie Pflege, Erziehung und Betreuung, wird gesellschaftlich weniger anerkannt als die Produktion von Autos und Maschinen . Und diese Aufzählung ist bei weitem nicht abgeschlossen . Wie weit wir von einer sexismusfreien Gesellschaft entfernt sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, wie schwer es fällt, sich vorzustellen, wie eine Gesellschaft aussehen würde, in der das Geschlecht von Menschen keine Rol- le mehr spielt . Dass Sexismus so tief in unserer Gesell- schaft verankert ist, genau das zeigt doch, wie dringend notwendig ein konzentriertes, koordiniertes Vorgehen gegen Sexismus ist . Die breite Zustimmung zu unserem Antrag sowohl aus der Zivilgesellschaft, von den Sachverständigen in der Anhörung und – wenngleich sich das leider aus ko- alitionspolitischen Erwägungen nicht im Abstimmungs- verhalten niederschlägt – auch aus den anderen Frakti- onen zeigt, dass eine ernsthafte Debatte über Sexismus möglich ist . Ernsthaftigkeit heißt hier: anerkennen, dass wir es hier mit einem strukturellen, mit einem komple- xen Problem zu tun haben, das einer komplexen Antwort bedarf . Mit unserem Aktionsplan machen wir einen Vorschlag in eine solche Richtung . Wir wollen damit Sexismus an den Wurzeln packen – die eine gibt es leider nicht . Deshalb müssen wir uns alle gesellschaftlichen Berei- che vornehmen, die zentral dafür sind, dass Frauen, aber auch Inter- und Transsexuelle immer wieder beleidigt, diskriminiert, abgewertet und auch bedroht und verletzt werden . Wir fordern Maßnahmen der geschlechtersensiblen Pädagogik und Schulungen für die Jugendhilfe . Wir wol- len eine verbindliche Quote für Führungsetagen und Ent- scheidungsgremien, eine Geschlechterquotierung bei der öffentlichen Filmförderung und ein wirksames Entgelt- gleichheitsgesetz . Das Allgemeine Gleichbehandlungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25071 (A) (C) (B) (D) gesetz muss mit Durchsetzungsinstrumenten gestärkt und ausgeweitet werden . Es braucht Fortbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz zum Umgang mit Be- troffenen sexualisierter Gewalt. Und wir brauchen ein bedarfsgerechtes und entsprechend finanziertes Schutz‑ und Hilfesystem, um die Folgen von Gewalt zu bearbei- ten . Auch diese Liste ist nicht abgeschlossen . All die auf- gezählten Schritte reichen nicht aus und reichen vor al- lem nicht als einzelne Maßnahmen . Deshalb braucht es einen Akteur, wir schlagen einen runden Tisch vor, der koordiniert, evaluiert, entwickelt, begleitet, die Debatte immer weiter vorantreibt . Und der sich aus Expertinnen und Experten aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, Beratungs- und Antidiskriminierungs- stellen zusammensetzt, aber auch alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt. Die Rote Karte gegen Sexismus zeigen wir so nicht einmal, sondern dauerhaft . Bis es nicht mehr notwendig ist . Wir lassen nicht locker und werden in der nächsten Legislaturperiode genau da weitermachen . Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sexis- mus ist in unserer Gesellschaft leider tief verankert: in den Medien, in den Schulen, am Arbeitsplatz, auf der Straße. Frauen sind nicht nur die, die es trifft! Viele ha- ben schlicht auch keinen Nerv mehr . Darum sage ich Ihnen: Solange alltäglicher Sexismus nicht auf Wider- spruch stößt, wird sich an der Situation nichts ändern . Die Experten und Expertinnen in der Ausschussanhörung haben uns klar bestätigt, dass es Handlungsdruck gibt . Und das wissen Sie auch . Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sie die Vorschlä- ge in dem Antrag ablehnen . Klar ist doch: Sie haben kei- ne Maßnahmen gegen Sexismus vorgelegt . Wie wollen Sie Ihr Nichtstun in den letzten vier Jahren gegen Sexis- mus denn erklären? Wie wollen Sie erklären, dass Sie die notwendigen Maßnahmen gegen Diskriminierungen nicht umsetzen? Wie kann es zum Beispiel sein, dass Sie als Bundes- regierung Gesetze machen, die dem Sexismus und der Diskriminierung nicht entgegenwirken? Bestes Beispiel: Prostituiertenschutzgesetz . Hier geben Sie vor, Prostitu- ierte schützen zu wollen . Das Gesetz schützt aber nicht die Prostituierten, die weiter stigmatisiert bleiben, son- dern es macht ihnen Druck, droht mit Strafen, drängt sie in die Illegalität . Und jetzt, wo das Gesetz am 1 . Juli in Umsetzung geht, kümmert sich die Regierung nicht mehr darum, anstatt die flächendeckende Umsetzung zu unterstützen . Sie lässt die Bundesländer und Kommunen alleine – und damit letztlich auch die Prostituierten . Das ist alles andere als glaubwürdig . Auch bei der Reform des Sexualstrafrechts hat sich ge- zeigt: Erst der Druck der Öffentlichkeit und der Verbände musste den Boden dafür bereiten, dass das „Nein heißt Nein“ umgesetzt wurde . Was Sie von der Bundesregie- rung aber immer noch nicht umsetzen, ist, geflüchteten oder migrierten Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen in Strafver- fahren aussagen, die Möglichkeit auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu geben . Das verweigern Sie, und das kritisieren wir aufs Schärfste . Klare Linien gegen Sexis- mus und für den Schutz aller Frauen sehen anders aus . Sexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das jetzt endlich angepackt werden muss, auch bei der Besetzung wichtiger Positionen . Es ist erfreulich, dass Katarina Barley neue Frauenministerin wurde . Dazu habe ich ja schon gratuliert . Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass im Willy-Brandt-Haus jetzt wieder eine komplette „Männerriege“ das Sagen hat, ist gleichstellungspolitisch ein ziemliches Desaster . Das müssen Sie zugeben! Sexismus ist vor allem auch in der Werbung verbreitet . Wir alle kennen die Werbung mit weiblichen Körpern, die auf eine sexualisierte Darstellung reduziert und objekti- viert werden . Oft fehlt der Bezug zum Produkt . Deshalb ist ein Monitoring, das den Deutschen Werberat kontrol- lieren wird, ein richtiger Schritt, den wir begrüßen . Wir Grüne haben dazu einen weitergehenden Vorschlag und wollen eine unabhängige Kommission – bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Antidiskriminierungs- arbeit und Fachverbänden –, die Empfehlungen für die Werbewirtschaft abgeben soll . Je sichtbarer Frauen in die Öffentlichkeit treten, desto stärker werden sie Ziel von Angriffen. Laut einem Bericht aus dem EU-Parlament sind Frauen doppelt so oft Opfer von Cybergewalt . Der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung betont das Phänomen der Gewalt im Netz besonders gegen junge Frauen . Der Handlungsbe- darf für einen breit angelegten und gesamtgesellschaftli- chen Ansatz liegt nahezu auf der Hand . Auch deswegen begrüße ich hier ausdrücklich die Initiative der Linken . Gegen Sexismus Farbe zu bekennen, das gehört für mich und für uns als Grüne mit unserer feministischen Politik zu unserem Selbstverständnis . Darum wollen wir Maßnahmen und Forderungen konkreter fassen und nicht, wie im Antrag formuliert, allgemein halten . Unsere Forderungen richten sich konkret auf eine ausgearbeitete Ausweitung des Antidiskriminierungsgesetzes . Diskri- minierung soll auch aufgrund der Geschlechtsidentität erfasst werden . Das Klagerecht soll auf die Betriebsräte und Gewerkschaften ausgeweitet werden . Ein letzter Punkt, der noch wichtig ist, ist eine klare Haltung bei Maßnahmen und zur Unterstützung gegen Sexismus in der Wissenschaft . Stattdessen greifen einige von Ihnen gerade von der Union ganz gezielt die Gender- forschung an. Das öffnet Tür und Tor für rechts. Und das ist mehr als ein Armutszeugnis . Wer so agiert, handelt unverantwortlich . Wir müssen als demokratische Kräfte alles dafür tun, um die Stärkung unserer Demokratie mit einer freien Wissenschaft mit all ihren Fachbereichen zu verteidigen . Die Genderforschung gehört dazu . Auch das ist eine klare Linie gegen Sexismus . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725072 (A) (C) (B) (D) schutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Baukultur- bericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur und Stellungnahme der Bundesregierung (Tagesord- nungspunkt 34) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Wir be- raten heute im Bundestag zum zweiten Mal über einen Baukulturbericht . Die Stiftung „Baukultur“ hat sich damit fest als wichtigster Ansprechpartner für die Bau- kultur etabliert . Mit dem inhaltlich aussagekräftigen, gut und verständlich formulierten und mit wichtigen Empfehlungen für Politik und Gesellschaft versehenen Bericht steht fest: Baukultur ist keine Kunst am Bau! Baukultur ist auch nicht on top. Baukultur empfiehlt das Wie des Bauens, ohne dass damit zwingend Mehrkosten verbunden sind . Nach dem ersten Baukulturbericht, der sich vor allem mit unseren Metropolen beschäftigte, war es logisch und richtig, dass sich der jetzige, zweite Baukulturbericht mit den vielfältigen Beziehungen zwischen Stadt und Land sowie den Entwicklungen in mittleren und kleinen Städ- ten und Dörfern auseinandersetzt . Bei allen wichtigen strukturellen Beziehungen zwi- schen den großen Städten und den ländlichen Regionen halte ich es für richtig, dass die Verantwortlichen in der Stiftung „Baukultur“ diese Betrachtungen voneinander getrennt haben . Denn es gibt Unterschiede zwischen großen Metropolen und kleinen Städten und Dörfern . Das ist auch richtig und sollte so bleiben . Ebenso rich- tig und wichtig ist es allerdings auch, dass wir in allen Siedlungsstrukturen für ein lebenswertes Wohn- und Ar- beitsumfeld sorgen . Wir haben die Empfehlungen aus dem ersten Bericht aufgegriffen. So haben wir zum Beispiel mit der Än- derung der Baunutzungsverordnung und dem darin ge- schaffenen „Urbanen Gebiet“ dafür gesorgt, dass Leben und Arbeiten in den Quartieren wieder besser möglich ist . Dies ist ein wichtiger Beitrag für durchmischte Quar- tiere . Zudem haben wir durch bessere Möglichkeiten der Nachverdichtung und Aufstockung für effektivere Baulandnutzung gesorgt . Gleichzeitig unterstützen wir mit unserem Programm „Grün in der Stadt“, mit dem modifizierten Programm des Stadtumbaus und mit der Weiterentwicklung des Programms „Soziale Stadt“ ein lebenswertes Umfeld in der Stadt . Für unsere kleinen Städte und Dörfer steht diese Auf- gabe aus meiner Sicht noch bevor . Hier sollten wir uns für die nächste Legislaturperiode die Aufgabe stellen, Baunutzungsverordnung und Bauordnung auch diesen Siedlungsstrukturen anzupassen . Unsere Dörfer dürfen keine Schlafdörfer sein . Woh- nen und Arbeiten muss auch in kleinen Gemeinden gut möglich sein . Junge Leute, die in ihrem Dorf oder in ihrer Stadt bleiben wollen oder dorthin zurückkehren möch- ten, müssen Möglichkeiten zum Bauen haben . Die Um- nutzung von nicht mehr gebrauchten Wirtschaftsgebäu- den zu Wohnzwecken muss leichter möglich sein . Auch der sogenannte Außenbereich im Innenbereich darf kein Tabu mehr für mögliche Bebauung sein . Gewerbe – und dabei nicht nur Gastronomie und Ein- zelhandel, sondern auch Handwerk und Produktion – muss im Ort möglich sein . Heutige Produktionsmetho- den verursachen weniger Lärm und Luftbelastung . Der vorliegende Baukulturbericht 2016/17 zeigt gute Lösungsansätze für solche erstrebenswerten Entwicklun- gen . Allen daran Beteiligten, insbesondere den Mitarbei- tern der Stiftung „Baukultur“, möchte ich dafür danken . Es ist eine richtige Entscheidung, dass wir die Zuwen- dung der Stiftung im Bundeshaushalt für das laufende Jahr auf circa 1,5 Millionen Euro aufgestockt haben . Dies darf als Ansporn gelten für die Förderer und Mit- glieder der Stiftung, ihr Engagement ebenfalls merklich zu erhöhen . Angesichts des Berichtes, aber insbesondere der damit verbundenen Diskussion um Entscheidungs- prozesse ist dies gut angelegtes Geld für die Baukultur in unserem Land . Ich bin gespannt und freue mich bereits jetzt auf den dritten Baukulturbericht . Themen gibt es reichlich . Die Verbindung von Baukultur und Energieeffizienz in Ver- bindung mit nachwachsenden Baustoffen ist ebenso eine Herausforderung wie die Betrachtung unserer Industrie- und Gewerbegebiete samt ihrer Industriebauten, die da- rauf stehen . Auch diese Häuser und Hallen prägen unsere Siedlungsstrukturen . Ich hoffe, dass es uns gelingt, in den nächsten Jah- ren unsere Diskussionen zur Baukultur im Gebäude der Schinkelschen Bauakademie – deren Wiederaufbau der Bund wohlgemerkt mit 80 Millionen Euro finanziert – führen zu können . Kai Wegner (CDU/CSU): Die Koalition macht sich stark für lebenswerte Städte und vitale Gemeinden . Wir wollen, dass die Menschen nicht nebeneinander, sondern gerne miteinander leben . Hierzu kann die Baukultur ei- nen wichtigen Beitrag leisten, und deshalb begrüße ich die heutige Debatte sehr . Bei Baukultur denken die meisten zunächst an den ästhetischen Aspekt von Architektur . Baukultur meint aber noch viel mehr . Baukultur umfasst neben Architek- tur auch die Ingenieurbaukunst, Stadt- und Regionalpla- nung, Denkmalschutz und Landschaftsarchitektur . Es handelt sich also um eine ganz komplexe und anspruchs- volle Thematik . Es braucht wissenschaftliche Exzellenz und eine inter- disziplinäre Herangehensweise, um baukulturelle Fragen auf der Höhe der Zeit zu diskutieren . Auch vor diesem Hintergrund war es genau die richtige Entscheidung des Bundestages, die Bundesstiftung „Baukultur“ einzurich- ten . Mit dem aktuellen Baukulturbericht beweist die Stif- tung einmal mehr, dass sie ein unverzichtbarer Impuls- geber ist, wenn es darum geht, baukulturelle Fragen ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung zu bringen. Vie- len Dank für die stets sehr guten Beiträge! Deutschlands Städte und Gemeinden befinden sich in einem Wandel . Gerade die Großstädte wachsen . Dort brauchen wir zusätzlichen Wohnraum und neue Infra- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25073 (A) (C) (B) (D) strukturen . Wir müssen nachverdichten, oftmals auch ganz neue Quartiere bauen . Mit dem neuen Bauge- bietstyp „Urbane Gebiete“ und der Einführung des be- schleunigten Planungsverfahrens für den Ortsrand haben wir dafür wichtige Voraussetzungen geschaffen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch Schrump- fungsregionen, gerade in ländlichen Gebieten . Dort geht es um Rückbau und darum, Ortskerne zu revitalisieren . Ich finde es gut, dass der aktuelle Baukulturbericht ein besonderes Augenmerk auf die Zukunft kleinerer Städte und Gemeinden legt . Denn bei allen Anstrengungen, das Wachstum der großen Städte positiv zu gestalten, dürfen wir auch die ländlichen Regionen nicht aus den Augen verlieren; denn wir wollen, dass die Menschen in allen Teilen unseres Landes gut und gerne leben . Der Wandel in den Städten und Gemeinden ist eine Herausforderung, die auch und gerade im baukulturellen Bereich nach guten Lösungen verlangt . Denn das ermög- licht, die Lebensräume der Menschen gut zu gestalten, die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden zu verbessern, die Identifikation der Bürgerinnen und Bür- ger mit ihrem Wohnort zu stärken und die Bereitschaft der Bürger zur Mitgestaltung zu erhöhen . Diese Koalition kommt ihrer baukulturellen Verant- wortung nach . Wir fördern die Baukultur auf viele ver- schiedene Arten: als Bauherr bei Bundesbauten, als Ge- setzgeber im Bauplanungsrecht und natürlich über die Städtebauförderung . Wir haben in dieser Wahlperiode nicht nur die Mittel für die Städtebauförderung insgesamt nahezu verdoppelt, sondern auch ein neues Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ aufgelegt . Hier fördern wir herausragende Projekte mit nationa- ler oder sogar internationaler Wahrnehmbarkeit . Als Mit- glied der Expertenjury weiß ich, dass bei der Bewertung der fachlichen Qualität der Bewerbungen gerade auch die baukulturelle Güte eine wichtige Rolle spielt . Dank der Bundesförderung über die „Nationalen Projekte“ entstehen jetzt in allen Teilen unseres Landes baukulturelle Leuchttürme . Ich bin mir sicher, dass da- von wichtige Impulse ausgehen werden und dass das Be- wusstsein für gutes Planen und Bauen insgesamt weiter gestärkt wird . Es versteht sich von selbst, dass die Förderung der Baukultur eine politische und gesellschaftliche Dauer- aufgabe ist, die weit über die aktuelle Wahlperiode hi- nausweist . Deshalb müssen die „Nationalen Projekte“ fortgesetzt werden, und deshalb sollte auch der nächste Deutsche Bundestag baukulturelle Fragestellungen in- tensiv beraten und den Dialog mit Experten, Bürgern und Wirtschaft weiter stärken . Wir haben in den letzten vier Jahren viel Gutes er- reicht – übrigens das eine oder andere Mal auch gemein- sam mit den Oppositionsfraktionen . Es liegen aber natür- lich auch noch weitere Aufgaben vor uns . Diese werden wir zum Wohle der Menschen in Deutschland in der neu- en Wahlperiode anpacken . Zunächst wünsche ich Ihnen allen eine mehr oder we- niger entspannte Sommerzeit und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit! Claudia Tausend (SPD): Ich freue mich, dass uns der Baukulturbericht die Möglichkeit gibt, heute über den Zustand der Baukultur in Deutschland zu beraten . Der Baukulturbericht ist ja bereits der zweite Bericht dieser Art unter der Federführung der Bundesstiftung „Baukultur“. Ich finde, es hat sich jetzt schon ausgezahlt, dass wir die Bundesstiftung im Haushalt 2017 nochmals besser ausgestattet haben . Baukultur ist – das zeigt dieser Bericht – eben kein Luxus, den man sich in innenstädti- schen Großstadtlagen leistet, sondern essenziell für die Lebensqualität in Stadt und Land . Ich denke, wir sind uns hier einig, dass den Erstellern des Berichts Beifall gebührt . Interessant ist insbesondere die Herangehensweise, Bevölkerungsbefragungen und Kommunalumfragen zu verknüpfen mit Expertenwissen . Heraus kommt eine umfassende Bestandsaufnahme der baukulturellen Situation in Deutschland – diesmal mit einem Fokus auf die Klein- und Mittelstädte sowie länd- liche Räume . Diesen Fokus begrüße ich auch als Groß- stadtabgeordnete außerordentlich . Denn durch die Stabi- lisierung der ländlichen Räume wird auch Druck von den Großstädten genommen und das Ungleichgewicht in der Bevölkerungsentwicklung abgemildert . Der uns vorliegende Baukulturbericht ist eine wich- tige Grundlage für die parlamentarische Befassung, und ich wünsche mir, dass er nicht nur im Umwelt- und Bau- ausschuss aufmerksam gelesen wird, sondern ressort- übergreifend Beachtung findet. Das Thema Vitalität von Ortskernen, das der Bericht aufgreift, kann nur ressortübergreifend angegangen wer- den . Ich begrüße es, dass ein Staatssekretärsausschuss auf eine Bündelung der Maßnahmen über Ressorts hin- weg hinarbeitet . Denn wir müssen bei diesem Thema einer Fehlentwicklung entgegenwirken: Es kann nicht sein, dass Kommunen immer neue Gewerbegebiete an den Ortsrändern ausweisen und so in den Ortskernen Leerstände produzieren, was zu einem Funktionsverlust und zur Verödung der Ortskerne führt . Gleichzeitig ver- suchen wir dann mit Mitteln aus der Städtebauförderung, genau diese Ortskerne wiederzubeleben . Hier muss die eine Hand wissen, was die andere tut! In diesem Zusammenhang muss ich auch die Vor- schläge des selbsternannten bayerischen Heimatminis- ters von der CSU erwähnen, der mit seinen Vorschlägen zur Novellierung des Landesentwicklungsplans und vor allem der Aufweichung des Anbindungsgebots für Ge- werbegebiete genau das Gegenteil dessen erreicht, was der Baukulturbericht fordert . Er will nämlich die Aus- weisung von Gewerbegebieten im Außenbereich, also auf der grünen Wiese, erleichtern und leistet damit dem Flächenfraß Vorschub . Das ist der völlig falsche Weg! Der Baukulturbericht kommt in seiner Bestandsauf- nahme bei den Klein- und Mittelstädten zu teils erschre- ckenden Befunden: 39 Prozent der Gemeinden geben an, nennenswerten Gewerbeleerstand zu haben, meist im Ortskern . Ähnliches gilt für Wohnungsleerstand . Nur die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725074 (A) (C) (B) (D) Hälfte der Einwohner geht zum Einkaufen in den Orts- kern . Obwohl anscheinend eine übergroße Mehrheit den Ortskern als wichtig für die Identität betrachtet, hat er für viele bereits die Funktion als zentraler Treffpunkt verlo- ren . Anstatt Kommunen durch politische Fehlsteuerung, wie bei der bayerischen Staatsregierung, immer weiter zu zersiedeln, müssen wir uns um Verdichtung bemühen, um die Ortskerne wieder zu Orten der Begegnung und Identität zu machen . Dies kann natürlich nur funktionieren, wenn auch die Grundversorgung auf dem Land sichergestellt ist . Der Baukulturbericht zeigt, dass viele Menschen in Deutsch- land gerne auf dem Land leben würden . Dazu braucht es aber grundsätzliche Angebote vor Ort . Ich spreche hier vom Hausarzt, von der Grundschule, von der Postfiliale, von der Apotheke, vom Einzelhandel . Aber es müssen auch die Arbeitsplätze vor Ort gesichert werden, und ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr muss vorhan- den sein . Es gibt viele interessante Ansätze, wie man diese Grundversorgung zurück in die kleinen Kommunen bringt . Hier müssen wir auch das Experimentieren för- dern . Ein guter Ansatz ist hier das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ . Mit dem Programm fördern wir Projekte, die deutliche Impulse für die jewei- lige Gemeinde oder Stadt, die Region und die Stadtent- wicklungspolitik in Deutschland insgesamt ausstrahlen . Unser größter Hebel auf Bundesebene ist selbstver- ständlich die Städtebauförderung . Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, die Städtebauförderung von 455 auf 700 Millionen Euro anzuheben . Der Bericht gibt uns nun Recht, dass wir viel Gutes geleistet haben und auf diesem Weg weitermachen müssen . Denn gerade die Städtebauförderung kommt insbesondere den Klein- und Mittelstädten zugute . Wir haben hier als Fördervoraus- setzung das „integrierte städtebauliche Entwicklungs- konzept“ . Aber – worauf uns der Baukulturbericht auf- merksam macht – nicht immer verläuft die Umsetzung vor Ort so, wie es ursprünglich geplant war . Wir sollten hier über eine stärkere Nachkontrolle nachdenken . Denn hier liegen unsere Möglichkeiten als Parlamentarier: dafür zu sorgen, dass unsere Orte mehr Lebensqualität, Identifikation und Attraktivität bieten. Bezahlbaren und qualitativ hochwertigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, geht nur bei gemeinsamen Anstrengungen in Stadt und Land . Wenn die Klein- und Mittelstädte attraktiver werden, hilft das direkt auch den Metropolen . Trotz des Gebots, das Bauen zügig zu ermöglichen, darf auch die Baukultur nicht vernachläs- sigt werden – und zwar nicht nur beim Bund oder den Kommunen . Vielmehr können auch private Investoren so langfristig einen höheren Gewinn sichern . Das muss sich gerade in Zeiten wie diesen, wo überall im Land gebaut wird wie nie, mehr durchsetzen . Der Baukulturbericht hilft dabei, und wir wollen und werden unseren Beitrag leisten . Michael Groß (SPD): Baukultur ist viel mehr als eine ästhetische Frage! Es geht um die Zukunft unserer Städ- te, das Leben in Stadtteilen mit Begegnung, Versorgung und Erholung . Letztendlich sind die Qualität der Bür- gerbeteiligung und der planerischen und administrativen Prozesse von besonderer Relevanz . Der aktuelle Baukulturbericht „Stadt und Land“ zeigt die dringende Notwendigkeit, unsere raumplanerischen und raumordnenden Gestaltungsmöglichkeiten wieder stärker zu aktivieren . Während unsere Ballungsräume weiterhin wachsen und der Wanderungsdruck in Bezug auf einige Städte enorm steigt, schrumpfen in anderen Regionen die Bevölkerungszahlen . Mit der sinkenden Einwohnerzahl lässt auch die Qualität und Quantität der Infrastruktur immer mehr nach, die Fahrwege zu Schu- len, Kitas, zu Arbeit und Einkauf werden immer länger . Ärzte oder andere medizinische Versorgungseinrichtun- gen dünnen aus, obwohl sie bei einer stark alternden Be- völkerungsstruktur vor Ort dringend gebraucht werden . Auch die Anschlüsse an regionale ÖPNV-Verbindungen und Taktungen von Bus und Bahn sinken mit tendenziell weiter schrumpfender Bevölkerungszahl . Trotz eines zurückgehenden Bedarfs an Wohnraum lassen 84 Prozent aller Gemeinden und sogar 93 Pro- zent der peripher gelegenen Mittelstädte neue Einfami- lienhausgebiete bebauen . Selbst 65 Prozent der stark schrumpfenden Gemeinden tun dies . Trotz eines Bedarfs von mindestens 350 000 neuen Wohnungen in den Bal- lungszentren sind Eigenheime in den schrumpfenden Ge- bieten eher im Neubau gefragt, während die Innenstädte und Ortskerne veröden. Der sogenannte Donut‑Effekt tritt ein . Die Leerstände von Wohnungen konzentrieren sich teilweise mit bis zu 60 Prozent auf die Ortskerne . Ge- werbegebiete im Außenbereich mit Lebensmittelmärk- ten und anderen Einkaufsmöglichkeiten tragen ebenfalls zu diesem Effekt bei. Trotz des nachgewiesenen hohen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum wird in peripheren Lagen mit bis zu fast 1 000 Prozent fehlallokiert . Nicht dort, wo Wohnraum gebraucht wird, wird Wohnraum ge- schaffen. Der Wertverfall der oft auch als Altersabsiche- rung gedachten Einfamilienhäuser ist hoch und stellt in vielen Gemeinden bereits ein gewichtiges Problem dar . Ebenso ist der zunehmende Flächenverbrauch durch die Bebauung ein bleibendes Problem . Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung des Berichtes zu den bevorzugten Wohn- gegenden . Neben der Frage, wie wir leben wollen, stellt sich hier auch die Frage, wo wir leben . Entgegen den Binnenwanderungstrends in die sogenannten Schwarm- städte würden 45 Prozent der 30- bis 60-Jährigen lieber auf dem Land wohnen, wenn sie es sich unabhängig von finanzieller Situation und anderen Rahmenbedingungen frei aussuchen könnten . Es herrscht offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Wohnwunsch und tatsächlichem Wohnort . Doch was hindert die Menschen daran, dem Wunsch vom Lebens- raum Land nachzugehen? Der Baukulturbericht gibt hier wesentliche Aufschlüsse . Lebenswerte und vitale Innen- städte und Dorfkerne! Wir brauchen eine polyzentrische Ausrichtung der Raum- und Regionalplanung . Ebenso gehört zu einer qualitätvollen und lebenswerten Gestaltung von Orten eine Konzentration und Verdichtung eines leistbaren In- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25075 (A) (C) (B) (D) frastrukturangebotes auf dem Weg in eine vitale Stadt- und Dorfkultur . Dazu gehört aber gerade auch die regi- onale Kooperation . Nicht jeder Ort muss jede Form der infrastrukturellen Daseinsvorsorge aufweisen, solange diese erreichbar im Nachbarort oder im engen regionalen Zusammenhang vorhanden ist oder wechselseitig bedient werden kann . Hier gilt es, statt der bisherigen Konkur- renzen den gemeinschaftlichen Wandel zu stärken . Eine aktive Bodenpolitik gehört jetzt und zukünftig in die Verantwortung der öffentlichen Hand. Nur diese macht unsere Städte und Gemeinden handlungsfähig . Erforderlich sind Vergabe, Beteiligung, revolvierende Grundstücksfonds durch Bund und Länder, um auch Kommunen in schwacher Haushaltslage eine aktive Bo- denpolitik zu ermöglichen . Baukultur wird oft in ihrer Bedeutung unterschätzt . Baukultur ist, wie der Bericht erneut zeigt, wesentlich mehr als Kunst am Bau . Jede Außenwand eines Hauses ist in ihrer Wirkung gleichzeitig Gestaltung für den öf- fentlichen Raum und damit Bestandteil von Baukultur . Wie wir unsere Dörfer und Städte gestalten, unsere Le- benswelt bauen, ist fester Bestandteil unserer gelebten Kultur, und wir sollten verantwortungsvoll damit umge- hen . Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung für ihre Arbeit und für diesen lesenswerten, bereichernden und sehr aufschlussreichen Baukulturbe- richt . Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Die Verkleinerung des Unterschieds zwischen Stadt und Land, die Siche- rung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regio- nen wird eine der großen Herausforderungen der Politik auf allen Ebenen in den nächsten Jahren, auch wenn viele von uns diese Herausforderung erst langsam wahrneh- men . Ich bin froh, dass wir diesen herausragenden Baukul- turbericht heute debattieren . Ich möchte ausdrücklich allen Beteiligten der Bundesstiftung „Baukultur“ für die qualifizierte Arbeit danken, die mit diesem Bericht ge- leistet wurde . Er ist aus meiner Sicht der umfassendste und qualifizierteste Lagebericht, den es zu diesem Thema derzeit gibt . „Eine Zukunftsperspektive für das Land durch Bau- kultur“ ist ein Leitgedanke dieses Berichtes . Dieser In- tention kann ich nur zustimmen . Und diese Forderung, oder besser: Feststellung belegt: Die Entwicklung des ländlichen Raumes darf durch die unterschiedlichen Ressorts nicht isoliert betrachtet werden . Agrarstruktu- relle Aspekte spielen eine ebenso große Rolle wie sozi- ale, wirtschaftliche und baukulturelle . Alle Ressorts ste- hen bei der Entwicklung des ländlichen Raumes in der Pflicht, vor allem aber das Ressort Landwirtschaft. Aber ausgerechnet im Landwirtschaftsausschuss ist der Bau- kulturbericht nicht beraten worden . Ein großes Versäum- nis, das sich aber in der kommenden Legislatur heilen lässt . Wir wollen eine ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Entwicklung des ländlichen Raumes, eine Politik aus einem Guss und eine Förderarchitektur, die den ländli- chen Raum gegenüber den Metropolen nicht benachtei- ligt . Wir brauchen eine solide und verlässliche Förderung des ländlichen Raumes statt eines Förderdschungels und vieler Modellprojekte . Der ländliche Raum muss ein ei- genständiges Politikfeld werden und darf kein Nebenpro- dukt der Agrarpolitik bleiben . Wir legen hier heute einen Entschließungsantrag vor, der viele Aspekte des Baukulturberichtes aufnimmt und darüber hinaus in einem „A–Z“ darstellt, wie wir uns als Linke eine gute Politik für den ländlichen Raum vorstel- len: Stopp des Flächenverbrauchs zugunsten aktiver und multifunktionaler Ortszentren, interdisziplinäres ressort- übergreifendes Handeln, eine integrierte Politik für den ländlichen Raum, auch eine integrierte ländliche Ent- wicklung vor Ort, interkommunale Zusammenarbeit zur gemeinsamen Bedarfsabstimmung, aktive Bodenpolitik . Diese Punkte fordern wir in unserem Entschließungsan- trag ein . Und der Baukulturbericht belegt und unterstützt unsere Positionen . Wir sprechen darin noch viele weitere Punkte an, die die Koalition in ihren bisherigen eigenen Initiativen nicht berücksichtigt hat . Denn heute ist auch ein Moment, um Bilanz zu ziehen . Wir müssen feststellen: Statt realer Politik, die die Lebensbedingungen der Menschen im ländlichen Raum verbessern würde: Placebos, Modell- projekte, Scheininitiativen, Aktionismus und Sonntags- reden . Es stellt sich die Frage: Was haben Sie in den jetzt vergangenen vier Jahren Regierungszeit erreicht? Erstens . Das GAK-Gesetz ist nicht im notwendigen Umfang reformiert worden . Damit wäre eine moderne vielseitige Förderung des ländlichen Raumes möglich gewesen . Eine echte Reform der Gemeinschaftsaufgabe hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe für die ländliche Ent- wicklung wäre eine wirkliche Chance gewesen . Zweitens . Auch die Mittelaufstockung der Gemein- schaftsaufgabe hat nicht im nötigen Umfang stattgefun- den . Wir fordern mindestens 200 Millionen Euro mehr für die ländliche Entwicklung, um zumindest die drän- gendsten Probleme angehen zu können . Auch wenn die Mittel für einige Programme des Bundes erhöht wurden, erhält der ländliche Raum noch immer zu wenig Mittel, wenn wir den Vergleich zur Städtebauförderung ziehen oder zu dem, was durch andere Förderprogramme in die Städte fließt. Drittens . Wir sehen auch keine „Politik aus einem Guss“, wie es Landwirtschaftsminister Schmidt einmal angekündigt hat . Es gibt immer noch eine starke sektora- le Zersplitterung . Ein kleines Beispiel: Aus allein drei Ministerien wird der Breitbandausbau im ländlichen Raum gefördert . Es gibt keine Koordination und Bündelung von Kompe- tenzen. Schmidt und Hendricks befinden sich mitten im Kompetenzgerangel . Die ganze Bundesregierung scheint weitestgehend planlos bei der ländlichen Entwicklung . Wir wollen ein eigenes Politikfeld für den ländlichen Raum und eine tragfähige, ressortübergreifende Strate- gie . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725076 (A) (C) (B) (D) An anderen Stellen hat die Bundesregierung sogar Politik gegen eine positive Entwicklung des ländlichen Raumes gemacht . Statt den Flächenverbrauch zu stop- pen, wird dieser mit der letzten BauGB-Novelle sogar noch befördert und die Ausweisung neuer Wohngebiete damit erleichtert . Das ist Politik gegen die Ortskerne und damit gegen attraktive ländliche Orte und auch gegen den Erhalt wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auch die kommunalen Haushalte werden weiter be- lastet . Wenn Gemeinden besonders in ländlichen Regio- nen aber nicht handlungsfähig sind, können sie nicht in die Zukunft investieren und vor allem keine eigenstän- digen Entscheidungen mehr treffen. Dann wird nur noch Mangel verwaltet statt Zukunft gestaltet . So wundert es uns jedenfalls nicht, dass Populisten und Rechte den ländlichen Raum entern können . Wir alle müssen Grundprobleme, wie den lahmenden Breitbandausbau und die schlechte kommunale Finanz- ausstattung, endlich angehen . Sonst hilft die beste Politik für den ländlichen Raum nicht . Nur wir Linken stellen die Eigentumsfrage mit der nö- tigen Konsequenz: Wem gehört das Land? Diese Frage ist entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung des länd- lichen Raumes. Die Privatisierung öffentlicher Flächen der BVVG und auch kommunaler Liegenschaften muss gestoppt werden . Nicht die renditeorientierten überregi- onalen Investoren sollen Zugang zu landwirtschaftlichen Böden und Betrieben haben . Die Spekulation mit Land- wirtschaftsflächen muss unterbunden werden. Öffentli- che Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge dürfen nicht weiter privatisiert werden . Kommunale, gemein- nützige und genossenschaftliche Unternehmen müssen stattdessen gefördert und unterstützt werden . Dieser Hintergrund zeigt: Die ländliche Entwicklung ist vor allem eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und eine Verteilungsfrage . Ohne dieses Bewusstsein kann keine nachhaltige Politik für den ländlichen Raum ge- lingen . Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist heute eine der letzten baupolitischen Rede dieser Wahlperiode . Angesichts dessen ist es Zeit, Bilanz zu ziehen . Was hat diese Regierung im Bereich Baukultur eigentlich gemacht? Zunächst mal hat sie immerhin zwei Berichte vorge- legt . Auch die Arbeit der Bundesstiftung „Baukultur“ wird hier über Fraktionsgrenzen hinweg geschätzt . Da sind schon auch einige sehr gute Prozesse passiert . Ich denke dabei zum Beispiel an die Schinkel’sche Bauakademie, deren Wiederaufbau in Parlament und Öffentlichkeit auch breit getragen wird . Jetzt komme ich zum Aber: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Gro- ßen Koalition, warum setzen Sie denn die Empfehlun- gen des Baukulturberichts nicht um? Warum handeln Sie diametral entgegengesetzt? Sie haben diese Legislatur also zwei Berichte vorgelegt . Sie wurden aber dann par- lamentarisch nur unzureichend bearbeitet und fast nicht umgesetzt . Das ist ein typisches Beispiel Ihrer Politik der warmen Worte . Sie hätten hier viel mehr tun können . Wir haben in Deutschland eben nicht nur Probleme in den wachsenden Großstädten und Ballungszentren, sondern auch in den schrumpfenden Regionen . Während die eine Gemeinde aus allen Nähten platzt, lohnt sich andernorts kaum das Betreiben öffentlicher Verkehrsmittel. Vor kurzem hat eine Studie des IW Köln ganz klar gezeigt: Wir bauen eigentlich genug – aber es wird an den falschen Stellen gebaut . Es gibt ländliche Regionen in Deutschland, wo es mittlerweile mehr Eigenheime als Einwohner gibt, und in Berlin oder Stuttgart streitet man mit 50 anderen Interes- senten um eine Wohnung . Wo bleibt denn nun Ihre Prä- misse „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“? Die haben Sie nämlich mit dem Paragraph 13b im Baugesetz- buch gekillt . Baukultur heißt für diese Bundesregierung also nicht lebendige Ortskerne, sondern Zersiedelung und Flächenfraß . Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koaliti- on, warum stärken Sie denn nicht den ländlichen Raum? Warum tun Sie nichts, um den Holzbau in Deutschland voranzubringen? Wir befinden uns in einer Phase der Stadterweiterung und Stadtverdichtung . Für uns Grüne ist der Holzbau da ein zentrales Element . Deswegen ha- ben wir hier unseren Antrag gestellt . Wir brauchen eine nationale Holzbaustrategie, denn das ist die Zukunft nachhaltigen Bauens . Holzbau ist gelebte Baukultur . Holzbau liefert eine Antwort auf serielles Bauen, auf Nachverdichtung und regionale Wertschöpfung . Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Sie denken den ländlichen Raum immer nur in landwirtschaftlichen Strukturen . Aber wir müssen den ländlichen Raum als Innovations- ort sehen, nicht als Agrarstruktur . Denn dort, im ländli- chen Raum, dort sind doch die innovativen Firmen, die sich mit Holzbau auskennen . Wir haben eine nachhaltige Forstwirtschaft, lassen Sie uns die nutzen für die Baukul- tur . Lassen Sie uns den Holzbau nutzen für eine nachhal- tige Baukultur . Sie von der Union haben doch ein falsches Verständ- nis vom Dorf des 21 . Jahrhunderts: Bei Ihnen sind die Dorfkerne ausgeblutet und die Natur ringsum zersiedelt . An den Ortsrändern wachsen die Einfamilienhausgebiete und im Ortskern gähnende Leere . In 85 Prozent der Ge- meinden gibt es neu entstehende Einfamilienhausgebie- te . Davon 65 Prozent in schrumpfenden Gebieten . Das ist doch absurd . Sie glauben immer noch, dass die Agrarstruktur entscheidend ist für den ländlichen Raum . Aber ent- scheidend sind doch ganz andere Fragen: Hat man dort Breitbandausbau? Gibt es gute Kitas und Betreuungs- angebote? Gibt es einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr? Gelingt hier Daseinsvorsorge? Das sind die Fragen, die wir für den ländlichen Raum beantwor- ten müssen . Aber da kommt von Ihnen nur Achselzucken und Stillschweigen . Liebe Kolleginnen und Kollegen der Bundesregie- rung . Uns Grünen ist Baukultur wichtig . Gerade jetzt, in der Phase der Stadterweiterung und des Stadtum- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25077 (A) (C) (B) (D) baus, brauchen wir innovative Bauweisen . Wir brauchen nachhaltige und günstige Baustoffe. Auf beides kann der Holzbau eine Antwort geben . Und eines kann ich Ihnen versprechen: Wir Grüne werden da auch in der nächsten Wahlperiode nicht lockerlassen . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 36 ddd) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen die Grünen die von uns beschlos- sene Ausnahmeregelung in § 60a Absatz 2 Satz 4 Aufent- haltsgesetz in einen pauschalen Bleiberechtsanspruch für abgelehnte Asylbewerber umwandeln . Konkret würde die von den Grünen vorgeschlagene Änderung bedeuten, dass die Vorlage eines Ausbildungsvertrages regelmäßig eine aufwendig vorbereitete Abschiebung verhindern würde . Dieses Vorhaben ist unbedingt abzulehnen . Der Hauptanwendungsfall der sogenannten 3+2-Re- gelung sind Asylverfahren, die sich aufgrund der struk- turellen und personellen Probleme im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über Jahre hingezogen haben . Wenn ein Asylbewerber, der jahrelang auf die Entschei- dung des BAMF wartet, zwischenzeitlich eine Aus- bildung aufgenommen hat, soll er sie unabhängig von seinem Schutzanspruch auch abschließen dürfen . Diese Rechtsicherheit ist wichtig für die Ausbildungsbetriebe und die Betroffenen. Die 3+2‑Regelung zielt damit vor allem auf Altfälle . Für neuere Asylverfahren stellt sich dieses Problem kaum noch, da die Asylverfahrensdauer dank der vielen Maßnahmen, die wir auf Bundesebene umgesetzt haben, von durchschnittlich sieben auf unter zwei Monate gesunken ist . Schon 2015 haben wir im Zuge der Bleiberechtsnovel- lierung in § 60a Absatz 2 eine Regelung geschaffen, die es den Ausländerbehörden im begründeten Ausnahmefall ermöglicht, entgegen der grundsätzlichen Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern eine Duldung zum Zwe- cke der Ausbildung zu erteilen . Damit haben wir die strikte und unerlässliche Trennung zwischen Asyl- und Arbeitsmigration ausnahmsweise und punktuell aufge- hoben . Es war aber immer klar, dass damit kein neuer Zu- wanderungskanal für abgelehnte Asylbewerber geschaf- fen werden soll . Das möchten die Grünen nun ändern . 2016 haben wir auch auf Wunsch der Ausbildungsbe- triebe bei dieser Regelung nachgebessert und für mehr Rechtssicherheit gesorgt . Wir haben die Erteilung einer Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Berufsaus- bildung als gebundene Entscheidung ausgestaltet . Die Ausländerbehörde muss eine Ausbildungsduldung ertei- len, sofern alle dafür nötigen Tatbestandvoraussetzungen erfüllt sind . Es muss sich um eine staatlich anerkannte qualifi- zierte Berufsausbildung handeln . Es dürfen keine Aus- schlussgründe des Absatz 6 vorliegen, wie zum Beispiel bewusste Identitätstäuschung, Straftaten oder fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind grundsätzlich von dieser Regelung ausgeschlossen . Außerdem haben wir den Zu- satz eingefügt, dass keine konkreten aufenthaltsbeenden- den Maßnahmen bevorstehen dürfen . Diesen entschei- denden Zusatz wollen die Grünen streichen . Die Duldungserteilung wird regelmäßig zum Voll- zugshindernis für Abschiebungen, wenn konkrete Vorbe- reitungen laufen, das heißt, wenn Passersatzpapiere be- antragt wurden oder die Abschiebungen terminiert sind oder ein Verfahren zur Dublin-Überstellung läuft . Die Ausländerbehörde könnte diese Maßnahmen nicht mehr durchführen, sobald der abgelehnte Asylbewerber einen Berufsausbildungsvertrag vorlegt und die Berufs- ausbildung aufnimmt . Sobald die Abschiebung abseh- bar ist, muss aber die Ausreisepflicht Vorrang haben. Andernfalls würde die Ausreisepflicht zur Farce. Kaum noch eine Ausländerbehörde würde den hohen Aufwand für eine Abschiebung betreiben, wenn er dann kurzfristig zunichte gemacht werden kann . Mit der Eintragung in die Lehrlingsrolle haben wir einen klaren Zeitpunkt definiert, ab wann ein Rechtsan- spruch auf eine Ausbildungsduldung besteht . Wörtlich heißt es in der Begründung unseres Änderungsantrages: Ein Nachweis über das Vorliegen der Erteilungsvo- raussetzungen hinsichtlich der Duldung zur Berufs- ausbildung kann deshalb zuverlässig nur dann ge- führt werden, wenn ein Nachweis über den Eintrag in die Lehrlingsrolle vorgelegt wird . Bei abgelehnten Asylbewerbern, die erst nach der Ab- lehnung eine Ausbildung beantragen, überwiegt in der Regel die Ausreisepflicht. Wenn entsprechende Maßnah- men eingeleitet wurden und die Rückführung in absehba- rer Zeit durchgeführt werden kann, darf keine Duldung erteilt werden . Ich bin aber sehr dafür, dass in den Fällen, in denen der Betroffene ohne eigenes Verschulden nicht heimreisen kann, zum Beispiel weil sein Herkunftsstaat keine Reisepapiere ausstellt, von dieser Ausnahmerege- lung im begründeten Einzelfall Gebrauch gemacht wird . In jedem Fall müssen wir mit diesem Mittel behutsam umgehen . Bund und Länder haben sich am 9 . Februar 2017 da- rauf geeinigt, die Ausreisepflicht konsequenter durch- zusetzen . Nach vielen Gesetzesinitiativen zum Abbau von Fehlanreizen und Abschiebehindernissen haben wir zuletzt noch das Gesetz zur Durchsetzung der Ausreise- pflicht verabschiedet. Auch grüne Länder haben diesem Gesetz und dem MPK-Beschluss zugestimmt . Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun das Gegen- teil dieser Initiative bewirken, indem er ein massives neues Abschiebehindernis kreiert . Aktuell sind rund 220 000 Ausreisepflichtige im Ausländerzentralregister verzeichnet . Bis Ende des Jahres könnte die Zahl laut ei- ner McKinsey‑Studie auf bis zu 485 000 Ausreisepflich- tige steigen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725078 (A) (C) (B) (D) Deutschland hat aktuell ein massives Problem bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht. Wir müssen daher Hindernisse abbauen und dürfen keine neuen schaffen. Der Gesetzentwurf der Grünen ist daher unbedingt ab- zulehnen . Nina Warken (CDU/CSU): Als wir Mitte 2016 die Regelung zur Ausbildungsduldung in das Integrationsge- setz aufgenommen haben, geschah dies hauptsächlich auf Wunsch derjenigen Betriebe, die sich für Flüchtlinge en- gagierten . Dass man diejenigen, die morgens aufstehen, die sich einbringen und sich Mühe geben, wahrnimmt und sich für diese auch einsetzt, ist grundsätzlich nach- vollziehbar . Insoweit handelte es sich bei der Einführung der Regelung um ein Instrument der Rechtssicherheit und nicht um eine grundsätzlich neue Idee . Das herausragende Engagement vieler Ausbildungs- betriebe wussten und wissen wir nach wie vor zu schät- zen . Örtliche Betriebe leisten sehr viel für die Integration vieler junger Menschen . Denn wo kann Integration bes- ser funktionieren als in einem Betrieb mit deutschspra- chigen Kollegen, geregelten Abläufen und mit einem so- zialen „Mikrokosmos“? Das möchte ich gar nicht infrage stellen . Und natürlich steht hinter dem Ansinnen der Betrie- be nach einer großzügigen Umsetzung dieser Regelung nicht nur das bürgerschaftliche Engagement, sondern auch die völlig berechtigte Hoffnung auf die Behebung des Fachkräftemangels . Aber obwohl wir vor diesem Hintergrund die Sorgen der Ausbildungsbetriebe nachvollziehen konnten und können, haben wir uns mit der Einführung einer gebun- denen Entscheidung schwergetan – aus einem ganz ein- fachen Grund: Die Integration Ausreisepflichtiger schafft eine Verbindung zwischen unseren beiden getrennten Wegen der Migration: dem des Asyls und dem der Ar- beitsmigration . Immer dort, wo diese Berührungspunkte geschaffen werden, wo das Trennungsprinzip durchbrochen wird, ist auch der Anspruch des Staates betroffen, Migration zu steuern . Wir müssen eine Ausnahme als eine solche wahrnehmen und klare Linien ziehen . Nur so können wir Anreize und auch Missbrauch vermeiden . Deshalb enthält die jetzige Regelung eine Einschrän- kung für die Fälle, in denen „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ bevorstehen . Es soll also immer dann der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang ein- geräumt werden, wenn die Abschiebung, Zurückschie- bung oder Überstellung absehbar ist . Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt wer- den . Diese klaren Linien müssen auch die Länder ziehen . Denn ihren Ausländerbehörden obliegt schließlich fak- tisch die Anwendung der bestehenden Regelungen . Es ist selbstverständlich auch mein Wunsch, dass hier eine möglichst einheitliche Handhabung stattfindet. Das ist grundsätzlich eine Frage der Fairness – gegenüber den Auszubildenden und auch gegenüber den Betrieben . Eben weil es an verschiedenen Stellen bei der Ausfüh- rung immer wieder zu Nachfragen, Problemen und einer uneinheitlichen Handhabung durch die zuständigen Aus- länderbehörden kam, wurden in Zusammenarbeit mit den Ländern Anwendungshinweise erstellt. Ich hoffe, dass diese in ihrer Umsetzung durch die Länder und durch die entstehende Kommunikation mit den Ausländerbehörden für die Bereiche sensibilisieren, in denen Unterschiede bestehen . Dass diese Anwendungshinweise hingegen nähere Angaben zu der Definition „konkrete“ aufenthaltsbeen- dende Maßnahmen enthalten, ist nicht nötig . Hierzu gibt es inzwischen ausreichend Rechtsprechung der Verwal- tungs- und auch Oberverwaltungsgerichte . Und wenn die Ausländerbehörden einzelner Länder das Gesetz en- ger auslegen als andere, dann kann dies mitnichten dazu führen, dass auf Bundesebene ganze Gesetzespassagen gestrichen werden . Das kann keine Lösung sein! Eine Sache gibt mir immer wieder zu denken: Es sind bei der Agentur für Arbeit Hunderttausende anerkannte Schutzbedürftige arbeitslos oder arbeitssuchend gemel- det . Täglich erhalten mehr junge Menschen Aufenthalts- genehmigungen . Eine solche Genehmigung bekommt man zum Beispiel auch, wenn vom BAMF ein Abschie- bungsverbot festgestellt wurde . Und das Abschiebungs- verbot greift ja gerade häufig auch bei denjenigen, die eben nicht aus Ländern wie Syrien stammen . Trotzdem gewinne ich immer wieder den Eindruck, dass vermehrt die aufenthaltsrechtlich „schwierigen“ Fälle in den Betrieben landen . Das kann doch eigentlich nicht sein . Ich bin mir dessen schon bewusst, dass in Ein- zelfällen die Entscheidungen des BAMF auf sich warten lassen . Aber muss angesichts dieser großen Anzahl von jungen Menschen mit Bleiberecht wirklich die Ausnah- me zur Regel werden? Das ist eine ganz ernst gemeinte Frage . Denn wenn es wirklich so sein sollte, dann sollten wir genauer hinschauen und klären, warum diejenigen mit gesichertem Status sich so schwertun mit der Aufnahme einer Ausbildung . Was können wir da verbessern, wie können wir da noch mehr helfen und motivieren? Bevor wir also Regelungen streichen – wie es die Grü- nen hier möchten –, sollten wir doch erst einmal das an- gemessen umsetzen, was wir haben . Sebastian Hartmann (SPD): Beim Beschluss des Integrationsgesetzes vor einem Jahr war vor allem den Kollegen der CSU eine Passage in § 60a des Aufent- haltsgesetzes sehr wichtig: Eine Ausbildungsduldung sei demnach nur zu erteilen, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ . Weil in der Auslegung dieser Formulierung insbesondere durch bayerische Ausländerbehörden „konkrete Maßnahmen“ zum Beispiel auch dann schon vorliegen, wenn das Amt den Antragsteller nur auffordert, einen Pass zu beantra- gen, hat sich der harmlos wirkende Halbsatz zu einem offenkundigen Problem entwickelt. Aus Bayern hören wir Befürchtungen, dass Unter- nehmen aus Skepsis gegenüber einem unsicheren und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25079 (A) (C) (B) (D) schwer einschätzbaren Verfahren lieber gar keine auslän- dischen Auszubildenden nehmen könnten . Vielen scheint das Risiko zu hoch, jemandem einen Ausbildungsplatz zu geben, wenn doch während der Ausbildung mit einer Abschiebung gerechnet werden kann . Wir nehmen die Klagen der Unternehmen ernst, von denen uns auch die Industrie- und Handelskammern berichten . Die IHK for- dert deshalb nicht nur die Einhaltung der 3+2-Regelung während, sondern auch vor Beginn der Ausbildung . Problematisch sind dabei Fälle, in denen zur Verhin- derung einer Abschiebung die Ausbildung begonnen wird, ohne dass die Ausbildungsvoraussetzungen schon erfüllt sind . Sinnvoll wäre deshalb, auch die berufsvor- bereitenden Maßnahmen als geeignet zu betrachten, eine Abschiebung zu verhindern . Allerdings ist die Praxis hier schon so, dass bei einem bereits geschlossenen (und von der Kammer geprüften) Ausbildungsvertrag auch mehre- re Monate vor Beginn der Ausbildung eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen erteilt werden kann, als Überbrückung des Zeitraums bis zum Ausbildungs- start . Die eigentliche Ausbildungsduldung – die berühm- ten drei plus zwei – wird dann kurz vor Beginn der Aus- bildung erteilt . Wir benötigen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, damit Unternehmen planbare Verhältnisse vorfinden. Es reicht aber nicht aus, nur die Streichung des Halbsat- zes zu fordern, wie das der Gesetzentwurf der Grünen tut . Ich will nicht in Abrede stellen, dass dies einen zu- sätzlichen Nutzen bringen könnte; aber wichtiger wäre zunächst, die unmissverständlichen Ansprüche auf eine Duldung in vielen Fällen bekannter zu machen . Die aktu- elle rechtliche Grundlage, gestärkt vor allem auch durch die „Anwendungshinweise“ des Bundesinnenministeri- ums vom 30. Mai 2017, schafft doch bereits die nötige Rechtssicherheit für Unternehmen, die einem geduldeten Flüchtling einen Ausbildungsplatz anbieten wollen . Die Durchsetzung dieser Anwendungshinweise auch in Bay- ern wird eine entsprechende Klarstellung herbeiführen . Um den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, sind weitergehende Vorstellungen zu verwirklichen, die die SPD-Bundestagsfraktion bereits in einer Positionierung veröffentlicht hat. Wir wollen den Einstieg für junge Ge- duldete in Ausbildung erleichtern, indem wir bestehende bürokratische und aufenthaltsrechtliche Hürden abbau- en . Wir wollen dafür sorgen, dass die Ausbildungsdul- dung auch eine vorhergehende Einstiegsqualifizierung umfasst . Für eine Ausbildungsduldung im Rahmen der 3+2-Regelung soll ein gültiger Ausbildungsvertrag rei- chen . Zusätzliche bürokratische Vorgaben etwa im Hin- blick auf den zeitlichen Abstand zum Ausbildungsbeginn lehnen wir ab . Wir wollen mittelfristig für Geduldete in Ausbildung einen eigenen Aufenthaltstitel schaffen. Der Begriff der „guten Bleibeperspektive“ muss rechtlich verbindlich gefasst werden und dabei individuelle Entwicklungen einbeziehen, wie zum Beispiel die Aufnahme einer Aus- bildung . Wir setzen uns für eine Lockerung der Wohnsitzauf- lage für junge Geflüchtete in ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen und in Ausbildung ein . Daneben wollen wir grundsätzlich Maßnahmen der Ausbildungsförderung für Geflüchtete, bei denen nicht von vornherein klar ist, dass sie keine Bleibeperspektive haben, dauerhaft öffnen und ausbauen . Besonders Maßnahmen, in denen das Erlernen der deutschen Sprache in Verbindung mit allgemeinbilden- den und berufsvorbereitenden Inhalten verbunden wird, wollen wir stärken . Ein Weg hierzu ist die Stärkung des Förderprogramms KompAS . Das Programm verbindet die Sprachförderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit Kompetenzfeststellung und den arbeits- marktpolitischen Instrumenten der Bundesagentur für Arbeit . Wir werden Maßnahmen und Programme stär- ken, die die Kompetenzfeststellung und Anerkennung von Abschlüssen erleichtern . Natürlich bleiben Asyl und Arbeitsmigration zwei voneinander getrennt zu betrachtende Dinge . Aber in diesem konkreten Fall der 3+2-Regelung haben wir es mit einer sinnvollen Verbindung beider Sphären zu tun . Diese gute Regelung bietet nicht nur den Flüchtlingen, sondern auch der aufnehmenden Gesellschaft eine Chan- ce . Was wir darüber hinaus aber wirklich benötigen – und dies fordern wir beharrlich und wiederholt – , ist ein Ein- wanderungsgesetz . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir debattieren hier den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Ände- rung des Aufenthaltsgesetzes . Konkret geht es um die Korrektur eines zentralen Missstandes bei der Gesetzge- bung zur Duldung für Auszubildende . Als Geduldete werden Menschen bezeichnet, die rechtlich gesehen zwar als ausreisepflichtig gelten, aber aus familiären, humanitären oder anderen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen oder können. Sie befinden sich in einem Status der weitgehenden Rechtlosigkeit . Sie erhalten häufig Sachleistungen nach dem Asylbe- werberleistungsgesetz, können einem Arbeitsverbot un- terliegen und selbst nach vielen Jahren ohne jede Vor- ankündigung abgeschoben werden . Die Erfahrung zeigt, dass eine Duldung häufig kein kurzer Übergangsstatus ist, sondern oft über viele Jahre immer wieder verlängert wird . Bleiberechtsregelungen der letzten Jahre waren zu eng gefasst, um allen langjährig Geduldeten ein sicheres Aufenthaltsrecht zu vermitteln . Mit dem Integrationsgesetz wurden im letzten Jahr die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung zur Ausbildung geändert . Diese Regelung soll es Menschen mit Duldungsstatus ermöglichen, trotz Ablehnung ih- res Asylantrags hier eine Ausbildung zu beginnen bzw . zu beenden . Die sogenannte 3+2-Regelung sieht einen Schutz vor Abschiebung während der bis zu dreijähri- gen Ausbildung vor . Danach sind eine sechsmonatige Arbeitsplatzsuche und eine reguläre Beschäftigung und Aufenthaltssicherung möglich . Obwohl diese Regelung einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, hat sie doch mehr als nur einen Pfer- defuß . Zum einen haben Verbände, Betriebe und auch die Linke schon immer gefordert, dass statt einer bloßen Dul- dung eigentlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste . Nur das böte die erforderliche Rechtssicherung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725080 (A) (C) (B) (D) Zum anderen gilt die Einschränkung, dass eine Ausbil- dungsduldung nur erteilt werden darf, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorste- hen“. Diese schwammige Formulierung öffnet Willkür Tür und Tor; denn vor allem die Ausländerbehörden de- finieren in der Praxis, was hierunter konkret zu verstehen sein soll . Das könnte im Extremfall dann schon die Ter- minierung einer Vorsprache sein, bei der die Betroffenen zur Passbeschaffung aufgefordert werden sollen. Ungeachtet dieser Regelung sind immer wieder Ge- duldete, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, von Abschiebung bedroht oder betroffen. So werden, wie neulich erst in Bayern geschehen, immer wieder junge Menschen aus Berufsschulen oder von ihren Ausbil- dungsstätten mit teils massiver Polizeigewalt verschleppt und abgeschoben . Das ist ein himmelschreiendes Un- recht . Eine umfassende Korrektur dieser Regelung ist dringend notwendig – weit über die von den Grünen vor- geschlagene wichtige Detailänderung hinaus . Einen Hinweis kann ich den Grünen allerdings nicht ersparen: Selbstverständlich stimmen wir Ihrem Gesetz- entwurf zu . Allerdings wäre es glaubhafter gewesen, wenn Sie die Passage, die Sie jetzt wieder aus dem Ge- setz streichen möchten, zusammen mit der Linken abge- lehnt hätten, statt dem entsprechenden Änderungsantrag der Koalition am 6 . Juli 2016 im Innenausschuss auch noch zuzustimmen . In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass der Antrag der Grünen bei Weitem nicht alle Missstände bezüglich der Ausbildungsduldung aufgreift . Schon allein das Konzept der Erteilung einer Duldung zur Ausbildung ist doch wi- dersinnig: Um Planungssicherheit sowohl für die Betrie- be als auch für die Auszubildenden zu schaffen, ist eine Aufenthaltserlaubnis notwendig! Auch die Zusage einer Ausbildung sollte für die Erteilung eines solchen Titels ausreichend sein, um die Zeit bis zum Beginn der Ausbil- dung zu überbrücken und nicht vorher abgeschoben zu werden . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im September startet das neue Ausbildungsjahr und Hun- derte Betriebe wollen diesmal auch geflüchteten Azubis eine Chance geben . Mit dem Integrationsgesetz und der 3+2-Regelung sollten sie dafür die nötige Rechtssicher- heit bekommen . Arbeitsministerin Nahles versprach bei der Einbrin- gung des Gesetzes – ich zitiere –: Wir schaffen Planungssicherheit für die Betriebe und für die Betroffenen, indem wir ihnen eine Dul- dung geben für die ganze Zeit der Ausbildung . Da- nach können sie ein halbes Jahr suchen, und dann bekommen sie für zwei Jahre einen Aufenthaltstitel . Kurzum: Sie können sich hier auf eine Ausbildung einlassen; sie und die Betriebe haben Rechtssicher- heit . Das ist der goldene Weg . . . Meine Damen und Herren von der Koalition, dieser goldene Weg ist so leider nie Realität geworden . Das Ge- setz war gerade erst in Kraft getreten, da wies das bay- erische Innenministerium schon die dortigen Ausländer- behörden an, die Regelung faktisch ins Leere laufen zu lassen . Dass das überhaupt möglich war und immer noch ist, ist die Schuld der Koalitionsfraktionen . Kurz vor Ab- schluss des parlamentarischen Verfahrens haben sie ei- nen Halbsatz in das Gesetz eingefügt . Danach soll die Duldung nur dann erteilt werden, wenn „konkrete Maß- nahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ . Und genau dieser Halbsatz eröffnet jetzt den Interpretati- onsspielraum, den Bayern nutzt, um die Ausbildungsdul- dung zu unterlaufen . Ich will es ganz deutlich sagen: Dass es zu dieser widersprüchlichen Auslegung der Ausbildungsduldung kommen konnte, ist das Resultat schlechter Gesetzesar- beit . Innerhalb der Bundesregierung haben sich damals die Innenpolitiker mit ihrer Abschottungspolitik durch- gesetzt . Und für diesen Fehler kriegt das Arbeitsministe- rium jetzt die Quittung . Dieser Fehler lässt sich auch nicht mit den „Anwen- dungshinweisen“ des Bundesinnenministeriums korri- gieren . Sie sind für die Länder nicht rechtsverbindlich, sondern lediglich Leitlinien . Und was „konkrete Maß- nahmen“ sind, bleibt weiterhin Interpretationssache . Im Ergebnis kann die Ausbildungsduldung nach wie vor um- gangen werden . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie die Ausbildung von Geduldeten fördern wollen, dann reicht es nicht, dass das Arbeitsministerium beteuert, mit den Anwendungshinweisen nicht einverstanden zu sein . Dann müssen Sie jetzt klare Kante zeigen . Das ist die letzte Sitzungswoche . Jetzt ist die letzte Gelegenheit, das Gesetz noch zu ändern . Die Anwendungshinweise zeigen: Solange der be- sagte Halbsatz im Gesetz steht, bleibt es bei dem brei- ten Ermessensspielraum und der Rechtsunsicherheit bei der Ausbildungsduldung . Will man das ändern, muss der Halbsatz gestrichen werden . Und genau das machen wir mit unserem Gesetzentwurf . Wenn Sie verhindern wollen, dass das bevorstehende Ausbildungsjahr zum verlorenen Jahr für die Flücht- lingsintegration wird, dann stimmen Sie unserem Gesetz- entwurf zu . Stimmen Sie ihm zu, und stellen Sie damit sicher, dass geflüchtete Azubis nicht mehr abgeschoben werden – egal in welchem Bundesland sie leben oder welche Ausländerbehörde für sie zuständig ist . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dig- nidad (Tagesordnungspunkt 22 a) Ich habe, genau wie die ganze Fraktion Die Linke, dem Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen zuge- stimmt . Denn es ist gut, dass nun endlich, nach Jahr- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25081 (A) (C) (B) (D) zehnten des Wegschauens und des Leugnens jeglicher Mitverantwortung für die Verbrechen in der deutschen Sekte Colonia Dignidad in Chile, Union und SPD eine Kehrtwende im Umgang mit den Verbrechen der Colonia Dignidad vollziehen . Die Colonia Dignidad war jahrzehntelang Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen . Hunderte Geg- ner der Pinochet-Diktatur – 1973 bis 1990 – verschwan- den dort, wurden gefoltert und ermordet . Deutsche und chilenische Kinder wurden systematisch jahrzehntelang sexuell missbraucht . Auch viele Bewohner der Siedlung wurden Opfer schwerer Misshandlungen . Die Kehrtwende der Koalition ist ein Erfolg der be- harrlichen Arbeit der Opfer- und Menschenrechtsgrup- pen in Chile und Deutschland, die sich niemals haben entmutigen lassen und seit so vielen Jahren eine umfas- sende Aufklärung und Hilfe für die Opfer verlangen . Ih- nen gebührt heute unser Dank . Es ist aber auch ein Erfolg der Opposition . Denn ohne die Initiative von 91 Abge- ordneten von Linken und Grünen mit ihrem Namensan- trag „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dig- nidad und Hilfe für die Opfer“ – 18/11805 – hätte sich innerhalb der Koalition von alleine nichts, aber auch gar nichts bewegt . Noch Anfang Februar 2017 verweigerte die Bundes- regierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken – 18/11114 – jegliche konkrete Hilfe für die Hun- derten chilenischen und deutschen Opfer . Und auch im nun vorliegenden Antrag wird jede eindeutige Zusage für die Förderung der Aufarbeitungs- und Gedenkarbeit so- wie einer konkreten finanziellen Hilfe für die Opfer ver- mieden . Selbst nach der Verhaftung von Sektenchef Paul Schäfer im Jahr 2005 und den anschließenden Prozessen und Verurteilungen gegen eine Reihe von Tätern aus der Führung der Sekte wurde niemals ernsthaft an eine Auf- lösung und Abwicklung der Sekte gedacht . Stattdessen leistete die Bundesregierung großzügige finanzielle und logistische Hilfe, damit die Colonia Dignidad weiterbe- stehen konnte . Dass nun, so kurz vor Ende der Wahlperiode, der Bundestag geschlossen die Bundesregierung auffordert, mit diesem Umgang Schluss zu machen, ist eine wirk- lich gute Nachricht für alle Opfer der Colonia Dignidad . Deutschland muss endlich glaubwürdig Verantwortung übernehmen . Dazu gehört, allen Opfern, also auch den chilenischen, die Anerkennung und Unterstützung zu- kommen lassen, die ihnen zustehen . Es ist längst über- fällig, dass sich die Bundesrepublik neben einer sozialen und medizinischen Absicherung der Opfer auch mit viel mehr Nachdruck und Engagement an der Einrichtung eines Gedenkortes auf dem Siedlungsgelände, weiteren erinnerungspolitischen Maßnahmen sowie der umfassen- den Aufklärung der Verbrechen und der Verfolgung der Täter beteiligt . Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun, anders als nach dem einmütigen Bundestagsbe- schluss von 2002, das Votum des Parlaments respektiert und tatsächlich handelt . Dieses dunkle Kapitel deutscher Außenpolitik muss endlich aufgearbeitet werden . Einen leicht faden Beigeschmack hat das Ganze al- lerdings, weil die Union auch in diesem Fall nicht über ihren ideologischen Schatten springen konnte und auf- grund ihrer Ausschließeritis verhinderte, dass die Linke den fraktionsübergreifenden Antrag mitunterzeichnen konnte . Dass SPD und Grüne bei diesem solch undemo- kratischen Verhalten jedes Mal wieder mitspielen, ist fast noch skandalöser . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än- derung der Abgabenordnung (Tagesordnungs- punkt 23) Uwe Feiler (CDU/CSU): Die Kollegen von der Linkspartei enttäuschen mich auch bei diesem finanz- politischen Vorhaben nicht und geben mir zum Ende der Wahlperiode dankenswerterweise bei diesem Punkt noch einmal die Gelegenheit, die unterschiedlichen po- litischen Herangehensweisen in steuerpolitischen Fragen zu skizzieren . Ich hatte die Ehre, meine Fraktion in der vergange- nen Wahlperiode als Mitglied des Finanzausschusses als zuständiger Berichterstatter für die Abgabenordnung bei mehreren Gesetzesvorhaben zu vertreten . Alle hatten zum Ziel, Steuerbetrug aufzudecken, zu bekämpfen und auch härter zu bestrafen, sei es beim internationalen In- formationsaustausch in Steuersachen, dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeich- nungen, das mir in meiner Arbeitsgruppe den Namen „Kassen-Feiler“ einbrachte, oder der Reform der strafbe- freienden Selbstanzeige, mit der wir die Möglichkeit der Selbstanzeige einschränkten und das Strafmaß empfind- lich anhoben . Ja, es gibt findige Unternehmer und Arbeitnehmer, die sich einbilden, sich auf Kosten der Steuerzahlergemein- schaft ihrer Verpflichtungen entziehen zu können. Aber bei allem Verbesserungsbedarf im Einzelfall zeichnet es unsere deutsche Finanzverwaltung gerade dadurch aus, dass sie im Steuervollzug sehr effektiv arbeitet. Das ist vor allem den engagierten Beamtinnen und Beamten in den Finanzverwaltungen zu verdanken . Wo eine nicht funktionierende Steuerverwaltung hinführt, können wir uns nach wie vor in Griechenland ansehen . Die Linksfraktion leitete jedoch bei jedem der von mir genannten Gesetzesinitiativen ein Grundmisstrauen gegenüber allen Unternehmern: Alle Einzelhändler, Ta- xifahrer und Gastronomen sind potenzielle Steuerhin- terzieher, Bezieher von Kapitaleinkünften verschieben ihr Geld ins Ausland und mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf der Linksfraktion wird unterstellt, dass Betriebe größtenteils falsche Steuererklärungen abgeben, die nur durch das Instrument der flächendeckenden Betriebsprü- fung aufgedeckt werden können . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725082 (A) (C) (B) (D) Ich sage ganz deutlich: Diesem Zerrbild vermag ich mich nicht anzuschließen . Der weitaus überwiegende Teil der Unternehmer zahlt pflichtschuldig seine Steuern. Gleichwohl bin ich auch nicht naiv und weiß als Fi- nanzbeamter selbst, wie Einzelne mit teilweise dreistem Vorgehen den Staat betrügen wollen . Genau dafür haben wir die Steuerfahndung und eine Betriebsprüfung, die sich derjenigen annimmt, die meinen, das ein oder ande- re „vergessen“ zu können und dafür sorgt, dass die Steu- erehrlichen auf dem richtigen Pfad bleiben . Doch anstatt alle über einen Kamm zu scheren, wie es die Linksfraktion mal wieder macht, prüft die Steuer- verwaltung – übrigens unter voller Billigung der Finanz- gerichte – schon heute nach risikobasierten Faktoren . 14 000 hochqualifizierte Betriebsprüfer kümmern sich darum, dem Anspruch gerecht zu werden, den Steu- ervollzug konsequent auch im gewerblichen Bereich durchzusetzen . Bei den großen der über 8 Millionen Unternehmen in Deutschland ist schon heute die Betriebsprüfung ein ständiger Gast, da diese übrigens mit Unterstützung der Bundesbetriebsprüfer anschlussgeprüft sind . Die weite- ren Unternehmen müssen durchschnittlich alle sieben Jahre mit dem Besuch der Finanzbehörden rechnen . Auch hier wird natürlich mithilfe eines Risikomanage- ments vorgegangen . Von daher trägt auch nicht die in der Begründung an- geführte Milchmädchenrechnung, dass durchschnittlich mit einem Mehrertrag von 130 000 Euro pro Prüfung zu rechnen sei und sich jeder zusätzliche Betriebsprü- fer selbst rechne . Die Betrachtung unterschlägt nämlich, dass bei diesen durchgeführten Prüfungen bereits im Vorfeld gerade durch ein effektives Risikomanagement die Auswahl erfolgte und man deshalb keinesfalls darauf schließen kann, bei jedem geprüften Unternehmen in die- ser Größenordnung fündig zu werden . Vollkommen unrealistisch ist auch die Festlegung auf ein verbindliches Prüfungsintervall von drei Jahren . Die Betriebsprüfung obliegt den Landesfinanzverwaltungen, die bei dieser Vorgabe vor nicht zu lösende Personalpro- bleme gestellt würden und, wie der Antragsteller selbst einräumt sehr schnell mit finanziellen Forderungen auf den Bund zukämen . Um alle 8 Millionen Unternehmen vollständig zu prüfen, müsste die Zahl der Betriebsprüfer von heute 14 000 auf 190 000 steigen . Mal davon abge- sehen, dass die Fachhochschulen der Länder über Jahre Finanzbeamte am laufenden Band ausbilden müssten, bedarf die Tätigkeit als Betriebsprüfer auch einiger be- ruflicher Erfahrung. Ferner sind die Länder schon heute überhaupt nicht gehindert, derartige Prüfintervalle selbst verbindlich ein- zuführen, wenn sie es denn wollen und für richtig halten . Auch das Land Brandenburg, das über einen Finanzmi- nister der Linkspartei verfügt, hat bislang dieses Vorha- ben im Land nicht umgesetzt . Dabei könnte es ja schon heute den Beweis liefern, dass die genannten Mehrerträ- ge zu erzielen sind . Von daher bitte ich um Verständnis, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können und unsere Kraft vielmehr darauf setzen, die Kolleginnen und Kollegen in den Finanzämtern ihre Arbeit machen zu lassen und dafür zu sorgen, dass sie über die Instrumente verfügen, die sie benötigen . Die Länder können aber auch ihren Anteil leisten, indem sie die personellen und sachlichen Ressourcen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung bereitstellen . Dazu bedarf es aber nicht dieses Gesetzes . Margaret Horb (CDU/CSU): Diese Gesetzesvorlage ist wie das Wollknäuel, das bei meiner Großmutter frü- her immer in einer Ecke des Wohnzimmers lag – näm- lich für die Katz! Sie fordern, für Außenprüfungen ein Mindestintervall von drei Jahren in der Abgabenordnung zu verankern, und das für alle Unternehmen im Sinne des § 193 AO und für alle Steuerpflichtigen im Sinne des § 147a AO. Das ist vollkommen überflüssig, absolut weltfremd und zudem eine gewaltige Rolle rückwärts auf dem weiteren Weg in einen zeitgemäßen, effektiven und effizienten Steuervollzug. Wenn Sie sich schon mit einem Bundesrechnungs- hofbericht aus dem Jahr 2006 beschäftigen, dann hätten Sie klugerweise auch noch den Bericht des Bundesrech- nungshofes aus dem Vorjahr in Ihr Grundlagenstudium einbeziehen sollen. Denn darin empfiehlt der Bundes- rechnungshof ganz eindeutig, die Digitalisierung im Steuervollzug voranzutreiben (Stichwort: vollelektroni- sches Veranlagungsverfahren auf Basis bundesweit kom- patibler Steuersoftware) und die Konzentration der Bear- beiter auf die Überprüfung risikobehafteter Fälle sowie die Aufdeckung bislang unbekannter Fälle . Und genau das haben wir in zahlreichen Gesetzen bereits getan . Mit dem 2016 verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens haben wir beispielsweise durch die Verankerung des Risikoma- nagementsystems in der Abgabenordnung den Weg der Steuergerechtigkeit mit Effizienz und Effektivität ge- stärkt . Ich verweise auf zahlreiche koalitionsübergreifen- de Berichterstattergespräche des Finanzausschusses zu den Berichten des Bundesrechnungshofs unter meiner Leitung . In diesen Fachgesprächen mit dem Bundes- rechnungshof, den Vertretern der Bundesländer und dem Bundesfinanzministerium wurde von Ihrer Seite nicht ein einziges Mal die Forderung nach einem Mindestprü- fungsintervall eingebracht . Bereits heute wird jede einzelne in den Finanzämtern eingehende Steuererklärung durch ein IT-basiertes Risi- komanagementsystem geprüft, anhand objektiver Krite- rien bewertet, sofern notwendig, da risikobehaftet, aus- gesteuert und einer weiteren manuellen Intensivprüfung unterzogen . Auch der Betriebsprüfer erhält schwerpunkt- mäßig prüfungsbedürftige sowie risikobehaftete Fälle . Zudem scheint Ihnen das Instrument der Anschluss- prüfung nicht bekannt zu sein . Dieser Einsatz von mo- derner Technologie, risikobasierter Auswertung und die Symbiose von menschlichem Know-how ist unser Weg eines gerechten Steuervollzugs mit der Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das ist effizientes Vorgehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25083 (A) (C) (B) (D) Daher verwundert mich ihr Gesetzesantrag, liebe Kol- legen der Linken, doch sehr . Denn er blendet nicht nur die Realität aus, er verschließt sich zudem einem moder- nen Steuervollzug . Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, wollen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung mittels durchgehender Betriebsprüfungen erreichen . Sie schauen sich somit im sprichwörtlichen Heuhaufen jeden einzelnen Grashalm an, ob er nicht doch eine Nadel ist . Aber das ist überhaupt nicht nötig! In Zeiten der Digi- talisierung funktionieren moderne Steuer-IT-Programme wie Magnete, die schnell und effektiv die Nadel finden. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzen bei der Betriebsprüfung auf Risikomanagement und moder- ne IT, und nicht wie Sie auf einen steuerlichen Überwa- chungsstaat . Liebe Linke, Sie gehen davon aus, dass mehr Außen- prüfungen automatisch zu höheren Steuereinnahmen führen . Aber das ist eine Illusion . Ein Anruf bei Ihrem linken Parteikollegen und thüringischen Ministerpräsi- denten hätte uns vielleicht auch diesen Antrag erspart . Denn im Jahr 2016 beispielsweise hat Thüringen mit mehr Betriebsprüfern ganze 17,5 Millionen Euro Steuer- einnahmen weniger bei Betriebsprüfungen erzielt als im Jahr davor . Weniger, nicht mehr! Aber das passt ja nicht in Ihre Argumentation . Ihre Forderung, alle Unternehmen in Deutschland kontinuierlich einer Betriebsprüfung zu unterziehen, be- trifft nicht nur mittelständische Betriebe und internatio- nal agierende Holdings, die mit ihren hauseigenen Steu- erabteilungen oft gut dafür eingerichtet sind, sondern es bedeutet auch, dass jeder Rentner, der mit einer Photo- voltaikanlage auf seinem Haus gewerbliche Einkünfte erzielt, jede selbständige Hebamme, jeder Physiothera- peut, jeder pensionierte Lehrer, der Nachhilfeunterricht gibt, jeder Nebenerwerbslandwirt, der Streuobstwiesen pflegt und die Früchte auf dem Markt verkauft, mindes- tens einmal alle drei Jahre geprüft wird . Dass Betriebs- prüfungen erforderlich und notwendig sind, bestreitet niemand. Dass aber häufigere Betriebsprüfungen nicht automatisch zu einem steuerlichen Mehrergebnis führen, sieht man am Beispiel Thüringen . Ob Sie es glauben oder nicht – es gibt auch bei Betriebsprüfungen Steuerrücker- stattungen . Ich empfehle Ihnen hierzu das Studium des § 85 AO . Und wenn Sie die „Bibel des Steuerrechts“ schon einmal in der Hand haben, schlagen Sie gleich noch § 233a AO auf! Abschließend möchte ich explizit darauf hinweisen, dass die Zuständigkeit für den Steuervollzug bei den Ländern liegt . Ihnen scheint völlig unbekannt zu sein, dass Nach- wuchsprobleme und Überalterung schon jetzt Herausfor- derungen sind, denen sich die Länder stellen müssen . Ist Ihnen bewusst, dass eine Ausbildung vom Finanzanwär- ter zum Betriebsprüfer vier Jahre dauert? Zurzeit haben wir bei rund 8 Millionen Unternehmen in Deutschland circa 14 000 Betriebsprüfer . Die Umset- zung Ihres Antrages aber würde bedeuten, dass wir rund 190 000 Prüfer bräuchten, um das von Ihnen geforderte Mindestprüfungsintervall zu halten . Von einem Tag auf den anderen müsste die Finanzverwaltung um die Anzahl der Einwohner von Heidelberg anwachsen . Absolut rea- litätsfern! „Die Seele jeder Ordnung ist ein großer Papierkorb“, wusste Kurt Tucholsky – und genau dort gehört dieser Gesetzentwurf hin! Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ein funktionierender Steuervollzug ist ein wichtiger Beitrag zur Steuerge- rechtigkeit . Nur wenn die Steuerverwaltungen, also vor allem die Finanzämter in den Ländern, effektiv und ef- fizient arbeiten, ist sichergestellt, dass die Steuergesetze in Deutschland einheitlich angewendet werden und Steu- erhinterziehung wirksam bekämpft wird . Der Gesetzent- wurf der Linken geht daher in die richtige Richtung . Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht: Deutschland ist ein föderal organisierter Staat mit kla- rer Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern . Die Gründungsväter und -mütter unserer Republik haben das – aus guten Gründen – in das Grundgesetz geschrie- ben . Die in regelmäßigen Abständen zu vernehmende Kritik am Föderalismus sollte nicht darüber hinwegtäu- schen, dass eine Bundesregierung diese Kompetenzver- teilung akzeptieren muss . Änderungen können nur ge- meinsam mit den Ländern erfolgen . Das gilt auch bei der Durchsetzung des Steuerrechts . In Ihrem Gesetzesantrag fordern Sie anstatt der gegen- wärtigen sieben Jahre ein Mindestprüfungsintervall von drei Jahren in der Abgabenordnung für Steuerpflichtige mit besonderem Einkommen, also beispielsweise Selb- ständige und solche mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen . Es ist klar, dass intensivere Kontrollen zu Mehrkos- ten beim Personal in den Steuerverwaltungen der Länder führen . Es werden deutlich mehr Betriebs- und Außen- prüfer benötigt, die dauerhaft finanziert werden müssen. Ihrer eigenen Einschätzung, dass diese Mehrkosten durch Mehreinnahmen ausgeglichen werden, trauen Sie offenbar selbst nicht. Ich zitiere aus der Gesetzesbegrün- dung: Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei einem nennenswerten Mehrbedarf an Betriebsprüfern in- folge der Festschreibung des Betriebsprüfungstur- nus Forderungen nach einer finanziellen Beteili- gung des Bundes an den Personalmehrkosten von den Ländern erhoben werden würden . Dies hat ggf . der Haushaltsgesetzgeber sicherzustellen bzw . wäre Gegenstand von Bund-Länder-Verhandlungen . Die Erfahrungen, die auch Sie bei der vor wenigen Wochen verabschiedeten Neuordnung der Bund-Län- der-Finanzen gemacht haben, müssten Ihnen eigentlich Anlass zum Nachdenken geben . Sie wissen, wie viel Anstrengungen nötig waren, um ein erweitertes Wei- sungsrecht für den Bund beim IT-Einsatz in der Steuer- verwaltung und ein stärkeres fachliches Weisungsrecht gesetzlich zu verankern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725084 (A) (C) (B) (D) Daher ist es mir absolut schleierhaft, woher Sie den Optimismus nehmen, dass der von Ihnen beabsichtigte Eingriff in die hoheitliche Länderaufgabe des Steuer- vollzugs erfolgreich verhandelt werden könnte . Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund derzeit über den Bund-Länder-Finanzausgleich hinaus bereit ist, mehr Geld bereitzustellen . Ebenso ist zu nicht erwarten, dass sich die Länder in die Steuerverwaltung hineinreden las- sen . Wie meine Partei wünsche ich mir eine stärkere Rolle des Bundes bei der Erhebung der Steuern . Aber mit der Brechstange kommen wir da nicht vorwärts . Wie Sie wis- sen, befindet sich die Bundesregierung in ständigem Di- alog mit den Ländern . In dieser Wahlperiode haben zwei fraktionsübergreifende Gespräche mit Ländervertretern zum Steuervollzug stattgefunden . Dort wurde über eine Vereinheitlichung der Software, Stichwort KONSENS, und über Zielvereinbarungen gesprochen . Der Erfolg von Steuerprüfungen hängt nicht nur von der Zahl von Prüfern bzw . Prüfungen ab, sondern von den Methoden, sprich: dem Risikomanagement . Wir haben die Möglichkeit, zwischen Bund und Län- dern individuell Steuervollzugsziele zu vereinbaren, die dem Zielkonflikt, nämlich fachliche Anforderungen ver- sus begrenzte personelle Ressourcen, Rechnung tragen . Ergänzend sind ein gemeinsam abgestimmtes Kenn- zahlensystem und ein Berichtswesen zur regelmäßigen Zielüberprüfung für ein Bund-Länder-Verwaltungscont- rolling im Bereich der Steuerverwaltung gesetzlich fest- geschrieben worden . In unserem aktuellen Regierungsprogramm bekennen wir uns als SPD zu einem gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung . Wir wollen, dass alle Bundesländer ihre Steuerverwaltungen, Steuer- fahndungen und Betriebsprüfungen personell vernünftig aufstellen, um ihren gesetzlichen Auftrag effektiv wahr- nehmen zu können . Im Interesse der ehrlichen Steuerzahler und -zahlerin- nen gilt es Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwä- sche hart zu bekämpfen . Wir sind aber gut beraten, für die Erreichung dieser wichtigen Ziele unsere vorhande- nen Instrumente klug zu nutzen und gemeinsam mit den Ländern geeignete Lösungen zu finden. Im Föderalismus ist der Fortschritt oft eine Schnecke . Ungeduld hilft uns aber nicht weiter . Ihr Gesetzentwurf schießt leider über das Ziel hinaus . Die Chancen für die Umsetzung sind gleich Null . Ich empfehle daher, Ihren Antrag abzulehnen! Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die SPD möch- te einen Gerechtigkeitswahlkampf führen. Das finde ich gut . Da gibt es sehr viele Baustellen in unserem Land, Baustellen, um die sich in dieser Legislaturperiode die Bundesregierung nicht gekümmert hat . Ich nenne das Stichwort Steuergerechtigkeit . Hier ha- ben Bundesregierungen in den vergangenen 20 Jahren komplett versagt . Das Deutsche Institut für Wirtschafts- forschung (DIW) stellt fest, dass seit 1999 das reale verfügbare Einkommen der 40 Prozent, die am unteren Ende der Einkommenspyramide stehen, zurückgegangen ist . Für die obersten 10 Prozent stiegen die Einkommen um knapp 27 Prozent . Analysen des neoliberalen Wirt- schaftsforums, das sich jährlich in Davos trifft, stellte fest, dass es der Bundesregierung nicht gelingt, Wachs- tum und Gerechtigkeit zu verbinden . Bei Steuern und Sozialabgaben, einem für Zusammenhalt und Chancen- gleichheit in der Gesellschaft ganz entscheidenden Feld, kommt die BRD nur auf Platz 27 von 30 untersuchten Staaten . Immer wieder hören wir Klagen von Millionären, die ihrer Meinung nach zu viel Steuern zahlen . Worüber nur selten gesprochen wird, ist die Tatsache, dass kaum ein Millionär wirklich die Steuern zahlt, die er zahlen müss- te . Einkunftsmillionäre werden nur selten von den Fi- nanzämtern geprüft, ob sie auch wirklich ihrer Steuer- pflicht nachkommen. Sie tun es in der Regel nicht. Die Zahl der Einkommensmillionäre nimmt seit Jah- ren zu . Das belegt das Statistische Bundesamt . Gleichzei- tig nehmen die Prüfungen von Einkunftsmillionären ab . Es gibt einen regelrechten Wettbewerb unter den Bun- desländern, wer seine Millionäre besonders selten prüft . Gab es 2010 noch 1 838 Prüfungen, sank die Zahl 2014 auf 1 391 Prüfungen . Bereits 2006 hat der Bundesrech- nungshof festgestellt, dass Einkunftsmillionäre in eini- gen Bundesländern nur alle 30 Jahre geprüft werden . Da- bei erbringt eine Prüfung im Durchschnitt 225 000 Euro . 2014 gab es bei 1 391 Außenprüfungen nur 281 Prü- fungen (20,2 Prozent) ohne Beanstandungen . Es mussten 313 Millionen Euro Mehrsteuern nachgezahlt werden . Das sind beeindruckende Erfolge der Steuerbehörden . Wenn man bedenkt, dass jährlich nur 11 bis 16 Pro- zent der Einkunftsmillionäre geprüft werden, dann kann man sich vorstellen, wie viel Geld der Gesellschaft an Steuern vorenthalten wird . Doch mehr Erfolg wollen die Landesregierungen, die besonders viele Millionäre beherbergen, nicht . Ich habe vorgeschlagen, die Prüfquote zu erhöhen . Der Bundesfinanzminister zeigte wenig Interesse an dem Problem und verwies auf die Zuständigkeit der Bundes- länder . Dass die Bundesregierung hier tatenlos zusieht, wie Steuereinnahmen vorenthalten werden, zeigt, dass sie sich offensichtlich als Vermögensverwalter einer klei- nen Schicht von Millionären versteht . Ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten der Wis- senschaftlichen Dienste des Bundestages hat geklärt, dass der Bundesfinanzminister sehr wohl die Prüfquote über die Abgabenordung festlegen kann . In unserem vor- liegenden Antrag fordert meine Fraktion eine verbindli- che Quote . Mindestens alle drei Jahre sollen danach Ein- kunftsmillionäre geprüft werden . Wer also mehr Gerechtigkeit will, in diesem Fall mehr Steuergerechtigkeit, der muss unserem Antrag heute zu- stimmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25085 (A) (C) (B) (D) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wis- sen wir über die Einkommensmillionäre und deren Steu- ermoral in diesem Land? Herzlich wenig . Das bisschen, das wir wissen, kommt meistens aus der Zeitung, wenn wieder ein Skandal durch die Republik geistert . Dank Statistischem Bundesamt wissen wir seit gestern, dass es 17 400 im Jahr 2013 waren und dass ihr durchschnittli- ches Jahreseinkommen bei 2,6 Millionen Euro lag . Die allermeisten sind sehr wahrscheinlich ehrliche Steuer- zahler; aber es gibt, wie wir wissen, auch immer wieder eine erschreckende Zahl von schwarzen Scharfen unter ihnen . Gleichzeitig gehen seit Jahren die Prüfquoten insbe- sondere bei den sogenannten besonderen Einkommen zurück . Während es 2010 noch rund 1 800 Prüfungen ge- wesen waren, waren es 2014 nur noch etwa 1 400 . Durch die geringen Prüfquoten entgehen dem Staat Millionen an Steuereinnahmen, die wir dringend für Zukunftsin- vestitionen in Schulen, bezahlbaren Wohnraum und die digitale Infrastruktur brauchen könnten . Es ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerech- tigkeit nicht hinnehmbar, dass sich Einzelne über kom- plizierte Steuerschlupflöcher ihrer Steuerverantwortung entziehen und, dass es keine Nachprüfungen gibt . Gerade bei Konzernen und Einzelpersonen mit hohen Einkom- men, denen ganz andere finanzielle und personelle Mög- lichkeiten zur Steuergestaltung zur Verfügung stehen, müssen wir ganz genau hinschauen . Wir Grüne kritisieren seit Jahren, dass der Bund kei- ne verbindlichen, wirksamen Prüfungsquoten in die Zielvereinbarungen mit den Ländern aufgenommen hat . Wir finden aber für kleine oder Kleinstunternehmen würde ein Prüfungsintervall von fünf bis sieben Jahren genügen . Außerdem fordern wir Grüne seit Jahren, eine Spezialeinheit auf Bundesebene auf Augenhöhe mit den Konzernen mit Zuständigkeit sowohl für die Veranla- gung als auch für die Prüfung zu schaffen. So eine Steu- ereinheit wäre eine zielgerichtete und effektive Variante, um Steuerbetrug zu stoppen. Deshalb finden wir die Idee, Einkommensmillionäre und Unternehmen regelmäßig zu überprüfen, prinzipiell richtig . Die Linke schlägt dafür jetzt eine Mindestintervall- prüfung von drei Jahren vor – und das für alle Unterneh- men . Ich befürchte aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, damit schießen Sie über das Ziel hinaus . Denn der Vorschlag, 3,7 Millionen Unternehmen regel- mäßig zu prüfen, ist schlicht nicht realistisch . Die Um- setzung wäre mit einem erheblichen personellen Mehr- aufwand für die Finanzämter verbunden . Ihr Vorschlag liefert keinen Anhaltspunkt, wie dies alles kurzfristig umgesetzt werden soll . Auch vor diesem Hintergrund scheint ein sofortiges Inkrafttreten, wie gefordert, nicht möglich . Grundsätzlich unterstützen wir die Idee einer Festschreibung von Mindestprüfintervallen in der Abga- benordnung aber ausdrücklich . Es ist kein Zufall, dass in der Zeit unter Schwarz-Gelb besonders wenig geprüft wurde und sich seitdem auch nicht viel getan hat . Der Prüfungsrückgang hat mit der Verschonungs- und Klientelpolitik der Regierung in den letzten Jahren zu tun . Denn Vorschläge, den Steuervoll- zug zu verbessern, gibt es reichlich; allein der politische Wille fehlte in der letzten Zeit . Das muss sich ändern . Wir teilen Ihr Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken . Aber da wir das Prüfungsintervall von drei Jahren für alle für unverhältnismäßig halten, werden wir uns heute enthalten . Lassen Sie uns das Thema mit zielgerichteten Prüfintervallen in der nächsten Legislatur aber gerne weiter diskutieren . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Ju- gendstärkungsgesetz – KJSG) (Tagesordnungs- punkt 25) Christina Schwarzer (CDU/CSU): Morgen endet die voraussichtlich letzte Sitzungswoche dieser Legislatur . Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz beschließen wir heute eines der letzten Gesetze, über die wir in dieser Periode verhandelt haben . Und ich muss auch sagen: Der Weg, wie es zu dieser Entscheidung kam, war einer der denkwürdigsten, die ich in meiner ersten Legislatur hier im Haus erlebt habe . Zum Verfahren und zur Erarbeitung des Gesetzes hat es massenhaft Kritik gegeben, die ich in vielen Punk- ten teile . Ich hatte das in meiner Rede zur Einbringung des Entwurfs vor ein paar Wochen schon gesagt: Es gibt kaum ein Thema, das so sehr von der Mitarbeit und der Expertise derer abhängt, die tagtäglich an der Basis ar- beiten, wie die Kinder- und Jugendhilfe . Man muss sehr genau hinschauen . Einfache, pauschale Lösungen gibt es nicht . Die Arbeit an der Basis ist höchst individuell . Ohne die umfassende Expertise dort ist keine große Re- form zu machen; davon bin ich überzeugt . Entsprechend intensiv haben wir den Gesetzentwurf geprüft, der schließlich das Parlament erreicht hat . Und natürlich haben wir mit den Experten gesprochen, nicht zuletzt im Rahmen der Anhörung im Ausschuss . Von un- serer Fraktion, aber auch von den Fachleuten gab es zu einigen Punkten Kritik . Beispiel Pflegekinderwesen: Von Anfang an haben wir gesagt, dass wir beim Kinder- und Jugendstärkungs- gesetz keine halbgaren Lösungen im Eilverfahren ab- stimmen werden . Die Opposition hat am Mittwoch im Ausschuss betont, dass sie die Regelungen zu den Pfle- gekindern im Wesentlichen für gut und richtig hält . Die Experten in der Anhörung – übrigens nahezu alle – sahen das ganz anders . Besonders die frühzeitige Perspektiv- klärung stieß auf massive Kritik . Das teilen wir . Daher ist es nur folgerichtig, dass wir die Regelungen zu den Pflegekindern aus dem Entwurf herausnehmen wollen. Wir müssen diese Frage umfassend mit der Fachöffent- lichkeit diskutieren, in einem angemessenen Verfahren mit umfassender Beteiligung . Dabei muss es auch um die Arbeit mit den Herkunftseltern gehen, die wir dringend stärken sollten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725086 (A) (C) (B) (D) Also ja: Einige Punkte am Gesetzentwurf von März sind zu kritisieren . Dennoch wäre es falsch, die guten und richtigen Dinge, die der Entwurf eben auch bein- haltet, nicht umzusetzen . Als Beispiele seien die Heim- aufsicht, die unabhängigen Ombudsstellen sowie der bessere Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlings- unterkünften genannt . Ich möchte hier noch auf zwei Punkte hinweisen, die mir persönlich besonders am Herzen liegen: Wir schla- gen unter anderem eine bessere Kooperation der Heilbe- rufe mit dem Jugendamt vor . Man muss mit dieser Frage sensibel umgehen . Kinderärzte sind in erster Linie An- sprechpartner der Eltern . Sie sind vor allem zuständig für die Kindergesundheit . Sie sind aber auch Vertrauensper- sonen . Da ist es gut, dass Eltern sich auch mit kleineren und größeren Erziehungsproblemen an die Ärzte wenden und um Unterstützung bitten . Dieses Vertrauensverhält- nis muss bestehen bleiben . Bei Fragen, die das Kindeswohl oder den Kinder- schutz betreffen, kennen wir allerdings Fälle, in denen eine bessere Kommunikation zwischen Kinderarzt und Jugendamt Schlimmes hätte verhindern können, ja sogar Kinderleben hätten retten können . Daher ist es richtig und wichtig, hier bessere Kommunikation zu ermögli- chen . Die Jugendämter müssen damit allerdings sehr be- hutsam umgehen . Mein zweites Herzensanliegen: Sie wissen ja, dass ich mich sehr um das Thema erweitertes Führungszeugnis bemüht habe . Gemeinsam mit den Kolleginnen Gudrun Zollner und Ingrid Pahlmann kämpfe ich seit langem um eine Entbürokratisierung des Verfahrens . Stichwort: Nein – Auskunft . Im Gegenzug würden wir gern den Kreis derer, die in der Kinder- und Jugendarbeit die Aus- kunft vorlegen müssen, erweitern . Dass wir uns hiermit bei BMJ und BMFSFJ nicht durchsetzen können, steht auf einem anderen Blatt . Ich finde aber, es ist ein guter Schritt, dass wir mit dem KJSG nun den § 184j StGB mit in den Katalog der Straftaten aufnehmen, die die Arbeit mit Kindern und Ju- gendlichen nach § 72a SGB VIII ausschließen . Hier geht es um die Straftaten aus Gruppen mit eindeutig sexuel- lem Bezug . Diese Neuregelung ist genau richtig . Wer solche Straftaten ausübt oder durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass andere sie ausüben können, hat in der Nähe von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen . Wo wir das verhindern können, sollten wir es tun . Insofern ist es umso bedauerlicher, dass wir uns mit dem Vorschlag, ein Führungszeugnis auch für Vormünder einzufordern, nicht durchsetzen konnten . Zum Abschluss dieses parlamentarischen Verfahrens lässt sich also Folgendes festhalten: Erstens . Wir haben ein gutes Kinder- und Jugendhil- fegesetz – heute schon . Nicht nur, dass es dem Thema nicht angemessen ist, wichtige Punkte im Eilverfahren zu diskutieren, es ist auch nicht nötig . Wir können uns die nötige Zeit lassen . Daher haben wir – zweitens – den Entwurf an vielen Punkten verbessert . Ich habe dazu schon einiges gesagt . Drittens . Das Verfahren ist hiermit noch lange nicht abgeschlossen . Ja, wir wollen heute einige gute Punkte zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen umsetzen . Aber damit ist noch lange nicht alles umgesetzt, was wir in der Kinder- und Jugendhilfe verbessern sollten . Mir liegt vor allem die umfassendere Arbeit mit den Her- kunftseltern am Herzen . Dazu ist heute noch wenig gere- gelt . Der Staat und die Gesellschaft müssen die Familien unterstützen, in denen die Eltern dieser Fürsorgepflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommen können bzw . wollen . Dabei geht es zunächst um Arbeit in der Familie . Eltern zu befähigen, muss an erster Stelle stehen . Dieses Prinzip, das sich aus unserem Grundgesetz ableitet, müs- sen wir vor Augen behalten. Auch das Thema Pflege und Heimerziehung müssen wir in diesem Zusammenhang noch einmal genauer ansehen . Das alles sind große Themen . Das geht nicht im Hau- ruckverfahren in wenigen Wochen vor Ende einer Legis- latur . Daher wünsche ich mir für die kommende Legisla- tur ein besseres Verfahren mit umfassender Beteiligung und Debatte . Ich würde mich freuen, wenn wir heute zusammen einen ersten Schritt gehen und gemeinsam die wirklich guten Änderungen und schließlich auch den geänderten Gesetzentwurf beschließen . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Mit dem vor 26 Jahren in Kraft getretenen Gesetz zur Neu- ordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) ist es den damals Verantwortlichen gelungen, ein sehr gutes Gesetz zu verabschieden . Das bestehende KJHG wurde seinerzeit, im Gegensatz zu dem hier in Rede stehenden Reformentwurf, sehr breit und umfassend in der Fachöffentlichkeit diskutiert. Nur so gelang es damals, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das durchdacht war und von allen mitgetragen wurde . Nach 26 Jahren ist es unbestritten, dass es in der Kinder- und Jugendhilfe und im familienrechtlichen Bereich Verbesserungen bedarf . Die aktuellen Zahlen von Inobhutnahmen (77 645 im Jahr 2015) und von Verdachtsfällen hinsichtlich Kindeswohlgefährdungen (129 000 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls im Jahr 2015) sind erschreckend hoch . Die Anzahl an Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung, an Inobhutnahmen und an langfristigen stationären Unter- bringungen ist in den letzten Jahren massiv gestiegen . Es gab schreckliche Fälle, bei denen Kinder durch ihre Eltern zu Tode kamen, missbraucht oder vernachlässigt wurden, obwohl die Behörden bereits informiert waren und die Familien kannten . Es wurden an uns Politikerinnen und Politiker der Union aber auch Fälle herangetragen, in denen Kinder sehr schnell und bei geringfügigen Anlässen aus ihren Familien genommen wurden . In Berlin wurde mir ein Fall zugetragen, bei der einer alleinerziehenden Dril- lingsmutter, die liebevoll mit ihren Kindern und erzie- hungsfähig war – was auch niemand anzweifelte –, die Fremdunterbringung ihrer Säuglinge angedroht wurde, weil das Jugendamt keine Entlastung und Unterstützung der Mutter beim Einkaufen und Versorgen der Familie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25087 (A) (C) (B) (D) organisieren konnte . Wenn sie sich weiter beklagen und Unterstützung einfordern würde, wären die Kinder weg, sagte man ihr . Vorschnelle Herausnahmen werden nicht nur von be- troffenen Eltern und Großeltern, sondern auch von Insi- dern, wie Sozialarbeiterinnen, Gutachterinnen, Anwälten und Jugendamtsmitarbeitern, hinter vorgehaltener Hand bestätigt . Problematisch sind auch die enormen Kostenauf- wüchse im Bereich der Hilfen zur Erziehung . Innerhalb von fünf Jahren stiegen diese von 7,5 Milliarden auf 10,2 Milliarden in 2015 . Dass es eine Reform in der Kinder- und Jugendhilfe geben muss, ist klar . Entscheidend ist aber, welche . Viele Probleme ergeben sich aus der Umsetzung der Gesetze in der Praxis . Dass in den letzten Jahren Kinder getötet und misshandelt wurden, obwohl die Ämter bereits ein- geschaltet waren und die Familien kannten, lag nicht an der Gesetzeslage, sondern an der falschen Anwendung der Gesetze, auch an der Überforderung und Überlastung der Zuständigen . In diesen Fällen wären die Behörden und Gerichte gesetzlich verpflichtet gewesen, die Kinder aus den katastrophalen Zuständen herauszunehmen bzw . nicht in diese zu geben . Kern- und Angelpunkt ist daher die Verbesserung der Situation in vielen Jugendämtern, angefangen damit, dass das Jugendamt kein unattraktiver, schlecht bezah- lender Arbeitgeber sein darf, sondern motivierte, kennt- nisreiche und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht . Die Realität sieht aber so aus: Die Jugendämter in Berlin zum Beispiel haben das Problem, Stellen zu besetzen, weil die Bezahlung so schlecht ist, dass sich nur Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger dazu bereit erklären und diese dann bald wieder wechseln . Vieles kann nicht vom Bundesgesetzgeber entschie- den werden . Die Länder und Kommunen müssen dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter besser bezahlt, Famili- enrichter und Jugendamtsmitarbeiter besser qualifiziert werden und – vor allem – deren Arbeitsbelastung redu- ziert wird . Auch die Einführung des Kammerprinzips im Famili- enrecht wäre vor allem Angelegenheit der Länder . Leider scheuen diese die Kosten . Aber nach Rücksprache mit Experten würde es einen großen Qualitätssprung in der familiengerichtlichen Praxis geben, wenn Gerichtsver- fahren, in denen es um Kindeswohlgefährdung oder Sor- gerecht geht und damit um Eingriffe in die Grundrechte, von drei Richtern einer Kammer statt von Einzelrichtern geführt werden, so wie es jetzt bereits bei Verfahren, die einen hohen Streitwert haben, der Fall ist . Auch wenn viele Änderungsnotwendigkeiten in der Verantwortung der Länder liegen, müssen einzelne Re- gelungsbereiche im SGB VIII überarbeitet werden . Ge- rade weil die Problemlage aber so vielfältig ist und es mit dem Ziel, die Kinder- und Jugendhilfe und das Fami- lienrecht zielgenau zu verbessern, so viele „Baustellen“ gibt, hatten wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die Kin- der- und Jugendhilfe auf einer fundierten empirischen Grundlage und in einem sorgfältig strukturierten Prozess weiterzuentwickeln . Genau daran mangelte es aber in dem Gesetzgebungsverfahren zu dem hier vorgelegten Gesetzentwurf in weiten Teilen . Bei dem vom Bundes- familienministerium durchgezogenen Hauruckverfahren wurde weder den Fachleuten, den Verbänden und Län- dern Gelegenheit gegeben, die geplanten Regelungen ausreichend zu bewerten, noch wurden die Parlamentari- er frühzeitig und angemessen einbezogen . Das übereilte und intransparente Verfahren des Bundesfamilienminis- teriums zum KJSG wurde auch von den Sachverständi- gen in der öffentlichen Anhörung im Familienausschuss am 19 . Juni 2017 massiv kritisiert . Die Kinder- und Jugendhilfe ist das Königsthema der Familienpolitik. Eingriffe und Veränderungen betreffen direkt die Lebenssituation von Kindern und ihren Eltern und greifen tief in deren Grundrechte ein . Gerade des- wegen müssen Änderungen im Rahmen eines sorgfältig strukturierten Prozesses und auf Basis einer fundierten empirischen Grundlage erfolgen . Eine schnelle Verabschiedung des gesamten Gesetzes war daher für CDU und CSU nicht machbar . Schnell- schüsse im Kinder- und Jugendhilferecht sind unverant- wortlich und gehen mit uns als Union nicht . Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wird von uns daher nur in den Teilen mitgetragen, die in der Fachwelt weitgehend positiv gesehen werden . Das sind: die en- gere Kooperation zwischen Ärzten und Jugendamt bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, die verbesserte Heimaufsicht, die Einrichtung von unabhängigen Om- budsstellen und die Einrichtung von Schutzkonzepten für Flüchtlingsunterkünfte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch von Frauen und Kindern . Andere Regelungsbereiche des vom Bundesfamilien- ministerium vorgelegten Gesetzentwurfs waren hingegen inhaltlich so umstritten und die Folgen so unabsehbar, dass wir sie nicht verabschieden konnten . So wurde auf Drängen der Union der gesamte Kom- plex zu Heim‑ und Pflegekindern herausgenommen, da dieser Teil des Gesetzentwurfes zu einseitig angelegt war . Die Perspektive der Herkunftseltern war unzurei- chend berücksichtigt . Der Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums hatte vor allem die Untergruppe derjenigen Kinder im Blick, deren Herkunftseltern die Kinder misshandelten, missbrauchten oder massiv vernachlässigten . Bei dieser Art der Kindeswohlgefährdungen sind gerichtliche Ver- bleibensanordnungen in der Pflegefamilie oder Heim richtig, aber jetzt schon möglich . Die Gesetzesänderung hätte diese Anordnung des dauerhaften Verbleibs bei den Pflegeeltern weiter erleichtert. Das wäre auch seitens der Union der richtige Ansatz gewesen . Aber der Gesetzentwurf hätte eben nicht nur für die- se Gruppe der schwer misshandelten Kinder gegolten, sondern auch für solche Fälle, die viel weniger eindeutig sind und daher nicht schnell entschieden werden können, sondern eine genaue Betrachtung der individuellen Situ- ation und der Bedürfnisse des Kindes brauchen . Der Gesetzentwurf in seiner ursprünglichen Fassung sah – statt einer Beobachtung von Entwicklungen und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725088 (A) (C) (B) (D) Verläufen – bei jeder Fremdunterbringung eines Kindes eine Perspektivklärung bereits zum Anfang einer Maß- nahme vor . Bei dieser Perspektivklärung sollte festgelegt werden, ob das Kind befristet oder auf Dauer fremdun- tergebracht wird . Eine Abänderung soll dann nur noch unter besonderen Umständen möglich sein . Damit soll- te nicht lange nach der Herausnahme des Kindes, also zum Höhepunkt einer Krise, eine kaum abzuändernde Entscheidung getroffen werden, die in der Regel zu die- sem Zeitpunkt noch gar nicht zu treffen ist. Noch proble- matischer war, dass die prognostische Einschätzung der Entwicklung des Kindes und des Familiensystems von Mitarbeitern des Jugendamtes und nicht im Rahmen ei- ner ausführlichen psychologischen Begutachtung vorge- nommen werden sollte . Ein Ansinnen, das im Strafrecht undenkbar wäre . Kinder werden auch aus anderen Gründen als Miss- handlung und Verwahrlosung fremduntergebracht . Im- merhin willigen 68 Prozent der leiblichen Eltern frei- willig in die Fremdunterbringung ihrer Kinder ein oder suchen von sich aus Hilfe . Nicht alle Herkunftseltern misshandeln und vernachlässigen ihre Kinder, nicht alle sind vollständig erziehungsunfähig . Es gibt Herkunfts- eltern, die liebevoll sind, aber aufgrund einer Krankheit ausfallen oder in einer vorübergehenden Lebenskrise ste- cken . In der Praxis bekommen aber heute schon in vielen Fällen auch solche Eltern, die wieder erziehungsfähig sind, ihr Kind nicht mehr zurück . Die hohe Anzahl an Fremdunterbringungen und die sehr niedrigen Rück- kehrraten von circa 5 Prozent sind nicht allein damit zu erklären, dass Eltern in Deutschland immer weniger er- ziehungsfähig sind . Die Entscheidung für die dauerhaf- te Fremdunterbringung ist bei realistischer Betrachtung der risikoärmere, einfachere und ressourcenschonendere Weg für die Behörde . Insofern wäre es unverantwort- lich – wie es dieser Teil der SGB-VIII-Reform seitens des Bundesministeriums vorsah –, die bereits jetzt zu be- obachtende Neigung von Behörden, ein Kind auf Dauer fremdunterzubringen, obwohl mithilfe von Elternarbeit eine Rückführung möglich wäre, weiter zu befördern . Darüber hinaus war der gesetzgeberische Handlungs- bedarf zu den Pflegekindern im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht erkennbar . Zum einen gibt es bereits die rechtliche Möglichkeit, einen dauerhaften Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie gerichtlich anzuordnen, wenn das Wohl des Kindes bei der Rückführung zu den Eltern gefährdet wäre . Zum anderen verbietet sich schablonenhaftes Den- ken im Kinderschutz . Es kommt im Familienrecht immer auf den Einzelfall an . Familiengerichte müssen prüfen, was für das jeweilige Kind in der jeweiligen Situation und in der jeweiligen Beziehungsstruktur das Beste ist . Wenn laut ursprünglichem Gesetzentwurf dagegen vor allem Formeln wie „Kontinuität“ und „Stabilität“ darüber entscheiden sollten, ob ein Kind weiter im Heim oder in der Pflegefamilie untergebracht wird, auch wenn Eltern wieder erziehungsfähig sind, wird das der Vielschichtig- keit der Bedürfnisse und Umstände nicht gerecht . Kontinuität und Stabilität sind für Kinder zwar wich- tig, aber nicht die zentralen Kriterien des Kindeswohls . Insbesondere darf nicht unkritisch angenommen wer- den, dass in Pflegefamilien oder in Heimen die Bezie- hungen immer stabil sind . Auch dort gibt es Bezugs- personenwechsel, Trennungen, Umzüge, Schulwechsel, Vereinswechsel und neue Freundschaften oder (Pflege‑) Geschwister. Es gibt auch Kinder, die mit ihren Pflege- eltern nicht zurechtkommen, und Pflegeeltern, die keine gute Bindung aufbauen . Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie schreibt in ihrer Stellungnahme: Auch Pflegeeltern können aus unterschiedlichen Gründen, die in dem Bedarf des Kindes oder der eigenen Familiensituation liegen, an ihre Grenzen kommen, sodass Pflegeverhältnisse nicht fortgesetzt werden können und Kinder in mehreren Pflegefami- lien und Heimen leben müssen . Viele Pflegeeltern machen einen tollen Job und haben meine aufrichtige Bewunderung für diese wertvolle Ar- beit mit oft sehr schwierigen Kindern . Die besonderen Herausforderungen, auch die Herkunftseltern als Teil des Familiensystems des Kindes mit einzubeziehen, meis- tern viele Pflegeeltern hervorragend. Im Unterschied zu Adoptionen haben aber Kinder in Pflegefamilien immer zwei Familien . Die Sachverständigen des Bundestages haben betont, dass es für eine gesunde Entwicklung wichtig ist, keine Seite zu verdrängen, sondern – soweit möglich – im Interesse des Kindes das ganze System zu sehen . Der Gesetzentwurf in der Fassung des Bundesfami- lienministeriums hätte in der Praxis dazu geführt, dass Herkunftseltern kaum noch eine realistische Chance ge- habt hätten, ihre fremduntergebrachten Kinder wieder zurückzubekommen, auch dann nicht, wenn die Eltern wieder erziehungsfähig geworden wären . Aus diesen Gründen konnten wir diese einseitige Reform des Pflege- kinderwesens nicht einfach durch das parlamentarische Verfahren durchwinken . Wir haben uns auch gegen weitere Inhalte des Kin- der- und Jugendstärkungsgesetzes gesperrt, die nicht ausreichend diskutiert waren . Ich werde hier nicht alle aufzählen können, da es zu viele sind . Angepackt haben wir die Verbesserung der Heimaufsicht, damit Zustände wie in der Haasenburg und im Friesenhof zukünftig nicht mehr vorkommen . In Bezug auf die Regelungen der offenen Jugend- arbeit konnten wir uns durchsetzen . Der Paragraf zu Einrichtungen der offenen Jugendarbeit wurde nun auf unser Drängen hin gestrichen, weil er unverhältnismä- ßige bürokratische Auflagen vorsah, die die offene Ju- gendarbeit erdrückt hätte . Dazu gehörten beispielswei- se Meldepflichten über die Betriebsaufnahme oder eine Änderung des Konzepts und die Pflicht, Konzepte zum Kinderschutz zu entwickeln . Natürlich ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen wichtig . Aber dieser ist für Träger, bei denen ausschließlich neben- oder ehrenamt- liches Personal tätig ist und die keine öffentliche Förde- rung erhalten, auch anders sicherzustellen . Die geplanten Regelungen waren unangemessen und nicht praxistaug- lich und hätten ehrenamtliches Engagement erschwert, selbstorganisierte Jugendarbeit verhindert und so Frei- räume von jungen Menschen zerstört . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25089 (A) (C) (B) (D) Der SPD-Forderung, Heilberufe bei einer Kindes- wohlgefährdungseinschätzung stärker einzubeziehen, haben wir uns – trotz Bedenken – angeschlossen, um zu erreichen, dass die Ärzteschaft zukünftig besser mit dem Jugendamt kooperiert . Allerdings sollte diese Ge- setzesänderung in der nächsten Zeit kritisch beobachtet werden, da die Gegner dieser Gesetzesänderung in nach- vollziehbarer Weise datenschutzrechtliche Bedenken vorgebracht haben . Sollte sich herausstellen, dass sich die Kooperation der Ärzteschaft auch mit dieser Novel- le nicht verbessert, müsste dieser Punkt nochmals auf- gemacht und die datenschutzrechtliche Abwägung neu geprüft werden . Zudem konnte die Union erreichen, dass die Rege- lungen zum Jugendwohnen für junge Menschen, die an einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme teilnehmen, unverändert bleiben . Auch dies ist ein Er- folg für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die mit die- ser Maßnahme den vielen Jugendlichen und jungen Er- wachsenen weiterhin eine Perspektive gibt und ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Ausbildung und den Berufsalltag erfolgreich zu absolvieren . Die Union konnte leider weitere Forderungen zum Kinderschutz, zur Stärkung von leiblichen Eltern und zur Qualitätsverbesserung von Sachverständigengutachten nicht erreichen . Unverantwortlich ist, dass die SPD die CDU/ CSU-Forderung ablehnt, auch für Vormünder ein erwei- tertes Führungszeugnis zum Schutz vor sexuellem Kin- desmissbrauch zu verlangen . Hier wäre eine Chance ge- wesen, wirklich etwas für den Kinderschutz zu erreichen . Unverständlich ist auch die Weigerung der SPD-Bun- destagsfraktion, einen gesetzlichen Anspruch für leibli- che Eltern, deren Kinder fremduntergebracht sind, einzu- führen, indem sie darin unterstützt werden, wieder selbst erziehungsfähig zu werden . Dieser war im Gesetzent- wurf der Bundesregierung noch enthalten, wurde aber auf Druck der SPD gestrichen . Auch der Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfrakti- on, neben Ombudsstellen auch Anlaufstellen einzurich- ten, die unabhängig und neutral zur Qualität von fami- lienrechtlichen Sachverständigengutachten beraten, hat die SPD-Fraktion aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt . Die Gelegenheit, den Gesetzentwurf mit die- sen guten neuen Vorschlägen aufzuwerten, wurden sei- tens der SPD nicht genutzt . Gerade vor dem Hintergrund der vielen offenen und strittigen Punkte müssen wir die Reform der Kinder- und Jugendhilfe in der nächsten Legislaturperiode in einem breiten Beteiligungsprozess erneut angehen . Wir fordern darum, eine Enquete-Kommission „Fortentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ beim Deutschen Bundestag einzurichten, damit die Fachleute einen Gesetzentwurf in Bezug auf alle strittigen Punkte gründlich vorbereiten können . Ich möchte mich in den kommenden vier Jahren für eine gut abgestimmte Reform der Kinder- und Jugend- hilfe und des Familienrechts einsetzen, die im Interesse der Gruppe der belasteten Kinder und der ressourcenar- men Eltern in dieser Gesellschaft einen wirklichen Un- terschied zum Besseren macht . Ulrike Bahr (SPD): Wenn wir hier heute das Kin- der- und Jugendstärkungsgesetz beschließen, dann ist uns allen klar: Wir sind noch nicht fertig . Der Diskus- sionsprozess um die SGB-VIII-Reform wird und muss weitergehen . In den letzten drei Jahren habe ich viel Zeit damit ver- bracht, in Verbänden, im Wahlkreis und in meiner Lan- desgruppe für die große, die inklusive Lösung zu wer- ben . Auch wenn wir sie heute nicht beschließen, steht die inklusive Lösung gleichwohl weiter auf der Agenda . Nach der Reform ist vor der Reform – und wir haben mit den neuen Regelungen zur Kindertagesbetreuung einen wichtigen Fuß in der Tür . Im Regierungsentwurf hatten mich besonders die Neuerungen zum Pflegekinderwesen überzeugt: ein An- spruch auf Beratung für Herkunftseltern, auch wenn die Kinder dauerhaft in Pflegefamilien untergebracht sind, mehr Unterstützung für Pflegeeltern und schließlich die Möglichkeit, Pflegekindern jahrelange Unsicherheit zu ersparen und den Verbleib in der Pflegefamilie dauerhaft anzuordnen, wenn eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie sehr unwahrscheinlich geworden ist . Aber leider ist diese Reform an der kategorischen Ablehnung der Union gescheitert, die offenbar meint, man müsse in jedem Fall und immer die Rechte der Her- kunftseltern stärken . Ich denke, Kinder sind weder das Eigentum noch das Therapiemittel ihrer Eltern . Eltern- rechte haben in unserer Verfassung deshalb einen so ho- hen Rang, weil unsere Verfassungsmütter und -väter zu Recht davon ausgingen, dass in den allermeisten Fällen die Eltern die besten und entschiedensten Anwälte ihrer Kinder sind und deren Interessen mit Nachdruck vertre- ten . Aber es gibt Ausnahmen wie Misshandlung, Ver- nachlässigung oder sexuellen Missbrauch . Und da ist die staatliche Gemeinschaft gefragt . Eine problematische Regelung kommt dagegen: Mit dem § 78f können die Länder künftig Leistungen für un- begleitete minderjährige Flüchtlinge stärker steuern . Ja, gut, aber ich appelliere an die Verantwortlichen, auch bei mir zu Hause in Bayern, nicht am falschen Ende zu sparen! Wir können nicht Integration fordern, Radikali- sierungsprävention predigen und gleichzeitig geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene nur im Sparmodus versorgen, anstatt sie zu unterstützen und zu erziehen . Dennoch meine ich: Diese Reform lohnt sich! Es gibt klare Verbesserungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien: – Erst einmal mehr Kinderschutz durch bessere Heim- aufsicht und eine verbindlichere Kommunikation in Kinderschutzfällen, wie es die Ministerin schon aus- geführt hat . – Dann den uneingeschränkten Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche, der zeigt, dass wir junge Menschen als Subjekte mit eigenen Rechten, Wün- schen und Bedürfnissen ernst nehmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725090 (A) (C) (B) (D) – Außerdem die Ombudsstellen – eine Kannregelung; aber es ist erstmals eine gesetzliche Grundlage, mit der Verwaltungen arbeiten können und die auch vor- schreibt, dass Ombudsstellen unabhängig und nicht weisungsgebunden arbeiten . Als Vorstandsmitglied in einem bayerischen Ombudsstellenverein weiß ich, dass damit unsere Finanzierungsprobleme noch nicht gelöst sind . Aber es wird einfacher, die Idee auch in die Praxis zu tragen . – Schließlich freue ich mich besonders darüber, dass sich junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben, künftig in geringerem Umfang an den Kosten beteiligen müssen, wenn sie mit einem Ferienjob oder als Auszubildende Geld verdienen . Das wird die Moti- vation erhöhen, überhaupt eine Ausbildung oder einen kleinen Job anzunehmen . Das ist ein richtiges Signal . In der nächsten Wahlperiode werden wir dann mit neuem Schwung an den noch offenen Themen weiterar- beiten . Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): „Die Kin- der- und Jugendhilfe soll auf einer fundierten empirischen Grundlage in einem sorgfältig strukturierten Prozess zu einem inklusiven, effizienten und dauerhaft tragfähigen und belastbaren Hilfesystem weiterentwickelt werden .“ Dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wirkt fast schon zynisch angesichts dessen, was wir und die gesammelte Fachwelt in den letzten Monaten und Jahren rund um das SGB VIII erlebt haben . Da kursierten Ge- heimpapiere, offizielle und inoffizielle Entwürfe, die die über 900 000 Beschäftigten der öffentlichen und freien Jugendhilfe in Angst und Schrecken versetzten . Selbst die Kinderkommission hier im Hause kam in ihrer Sit- zung vom Mittwoch überparteilich und einstimmig zu dem Schluss, dass von einer angemessenen Beteiligung der Fachwelt kaum die Rede sein kann . Einige werden sagen, dass das Schlimmste nicht zu- letzt durch die Nacht- und Nebelverhandlungen in der letzten Woche vom Tisch ist, und das mag stimmen . Dennoch: Nur weil der jetzige Entwurf im Angesicht seiner katastrophalen Vorgänger nicht mehr so schlimm erscheint, macht es ihn noch nicht zu einem guten . Exemplarisch werde ich drei Dinge nennen, die wir als Linke auch am aktuellen Entwurf nicht mittragen können: Erstens. Ihre Länderöffnungsklausel im § 78f schafft de facto eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe: eine für deut- sche und eine für ausländische Jugendliche . Denn wozu sonst die Freigabe an die Länder, die Leistungen für ausländische Kinder und Jugendliche in gesonderten Rahmenverträgen zu vereinbaren als für eines: Standard- absenkungen? Inwieweit diese Ausklammerung einer der am schwersten belasteten Gruppen im Hilfesystem gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, wird überdies zu prü- fen sein . Die Verankerung von Schutzkonzepten in den ohnehin unwürdigen Massenunterkünften für Geflüchtete tragen Sie gerne vor sich her . Dass Sie im selben Atemzug eben- so unwürdigen Unterbringungsformen für Jugendliche den Weg bereiten, verschweigen Sie leider . Zweitens das Übergangsmanagement: Anstatt junge Volljährige mit verlässlichen Rechtsansprüchen auszu- statten, wie es alle Experten und Expertinnen empfehlen, ermöglichen Sie die koordinierte Abschiebung ins Hartz- IV-System von Druck, Kontrolle und Sanktion . Drittens die Heimaufsicht: Nicht die Heimaufsicht hat die letzten Skandale in Jugendhilfeeinrichtungen, wie der Haasenburg oder dem Friesenhof, aufgedeckt; es waren die Jugendlichen selbst! Statt daraus zu lernen und die Selbstorganisation und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Ju- gendhilfe zu stärken, stärken Sie nun die Kompetenzen der ohnehin unterausgestatten Strukturen der Heimauf- sicht . Was laut Gesetzestitel Kinder und Jugendliche stär- ken soll, stärkt am Ende also nur die Bürokratie . Eines haben Sie mit Ihren Reformbemühungen aller- dings geschafft: Die Fachöffentlichkeit, vom Kindergärt- ner bis zur Hochschulprofessorin, sind im Widerstand gegen diese Reform geeint . Wir jedenfalls werden diese Stimmen ernst nehmen und lehnen den Gesetzentwurf ab . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein schlechter Abend für die Kinder und Jugendlichen in Deutschland . Ein Rumpfgesetz soll verabschiedet wer- den mit dem Titel „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“ . Dieser Titel hält nicht nur in keinster Weise, was er verspricht; er ist eher ein Hohn für das, was am Ende eines eigentlich großen und von uns allen inhaltlich unterstützten Anliegens übrig geblieben ist . Wir müssen konstatieren, dass das große Vorhaben einer inklusiven Lösung komplett gescheitert ist . Eine inklusive Lösung ist nicht einmal mehr in homöopathi- schen Dosen im Gesetzentwurf vorhanden . Dabei sind die derzeitigen Verschiebebahnhöfe auf dem Rücken von Kindern mit Behinderung und ihren Familien aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten verschiedener So- zialgesetzbücher ein nicht hinnehmbarer Zustand . Was als Tiger gestartet war, ist nun als Bettvorleger gelandet: eine umfangreiche Reform der Kinder- und Jugendhil- fe mit dem Ziel, konsequent vom Kind aus zu denken, liegt nun als Scherbenhaufen vor uns – leider, müssen wir konstatieren . Dass der Reformprozess auf ganzer Linie gescheitert ist, zeigen auch die großen Leerstellen im Gesetzentwurf: Der Bereich der Careleaver hatte bereits keinen Eingang in den Gesetzentwurf zur ersten Lesung im Bundestag gefunden, obwohl noch im Referentenentwurf gute Vor- schläge vorlagen . Dabei hatten die Careleaver selbst ihre berechtigten Anliegen pointiert und sehr sachgerecht in den Reformprozess eingebracht . Auch in Fachkreisen sind die Veränderungsnotwendigkeiten unumstritten . Umso unverständlicher ist es, dass die Frage des Leis- tungsbezugs über das 18 . Lebensjahr hinaus jetzt gar kei- ne Rolle mehr spielt . Gerade junge Menschen, die ohne elterlichen Rückhalt ins Leben starten müssen, brauchen oft mehr Hilfe und Unterstützung, und das eben über das Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25091 (A) (C) (B) (D) 18 . Lebensjahr hinaus, wie wir es in unserem Entschlie- ßungsantrag zum Gesetzentwurf auch fordern . Scharfe Kritik möchte ich hier nochmals an der Öff- nungsklausel für die Bundesländer im Hinblick auf die Leistungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge üben. Durch diese Öffnungsklausel besteht die große Ge- fahr, dass es zu einer Absenkung der Leistungsstandards für diese jungen Menschen kommt . Dies haben auch die Experten in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzent- wurf bestätigt . Insoweit ist es bedauerlich, dass die Koa- lition bei der Auswertung der Anhörung offenbar nur das zur Kenntnis genommen hat, was die eigene Position be- stätigt hat . Wir lehnen jede Art einer Zweiklassenkinder- und -jugendhilfe ab . Ich will auch anmerken, dass wir die große Sorge haben, dass mit dieser Öffnungsklausel auch Tür und Tor geöffnet wird für weitere Standardabsenkun- gen in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe . Was wir brauchen, ist eine qualitative Weiterentwicklung des SGB VIII, keine Rückschritte . Wir bedauern es sehr, dass die guten und ausgewo- genen Vorschläge zur Verbesserung des Pflegekinderwe- sens sowohl im SGB VIII als auch im BGB zwischen der ersten und zweiten Lesung komplett gestrichen wurden . Wer ernsthaft meint, dass die Pflegekinderhilfe keiner Reform und die vorgeschlagenen Änderungen eines län- geren Diskurses bedürften, verkennt die Arbeit des wis- senschaftlichen Beirats des Familienministeriums . Gera- de in der Frage der Pflegekinder gab es einen langen und intensiven Prozess, um der besonders vulnerablen Grup- pe der Pflegekinder für ihre Entwicklung mehr Stabilität und Kontinuität zu ermöglichen . Die Vorwürfe der Union, mit den Vorschlägen wür- den die Herkunftseltern in ihren Rechten geschwächt, entbehren jeder Grundlage . Es ist mehr als bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, im Bereich der Pflegekinder endlich die Bedürfnisse und Rechte dieser Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen . Die Bundesregierung und auch die Regierungsfrakti- onen haben mit diesem Gesetzentwurf einen Scherben- haufen hinterlassen, sowohl inhaltlich wie auch mit Blick auf ihr Agieren im gesamten Prozess – von Power Point- Präsentationen über die unzureichende Einbeziehung der Fachwelt bis zur Vorlage umfangreicher Änderungen auf den allerletzten Drücker . Dieses Rumpfgesetz müsste man nun wirklich nicht beschließen . Vielleicht – und da- rauf hoffe ich – macht der Bundesrat dem Spuk ja noch ein Ende, und wir können mit neuem Elan und fortbeste- hendem Druck einen Neustart in der nächsten Legislatur- periode angehen . Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir beraten heute ab- schließend den Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen . Wir sorgen heute dafür, dass sie vor Gewalt besser geschützt werden, und wir sorgen für mehr Rechtssicherheit für Pflegekinder mit Behinderung. Ein Schwerpunkt des Entwurfes ist die bessere Zu- sammenarbeit von Kinder- und Jugendhilfe und Gesund- heitswesen . Ärztinnen und Ärzte haben uns gesagt, dass sie nicht genau verstehen, wann sie von ihrer Schweige- pflicht entbunden sind und sich zum Beispiel bei einem Missbrauchsverdacht an das Jugendamt wenden dürfen . Deshalb formulieren wir diese Vorschrift nun klarer . Und Ärztinnen und Ärzte haben wiederholt betont, dass sie wissen möchten, wie es mit einem Kind und der Fami- lie weitergeht, wenn sie einen Hinweis gegeben haben . Daher erhalten sie künftig immer eine Rückmeldung, ob sich ihr Verdacht bestätigt hat oder nicht . Zudem können die Jugendämter sie zukünftig bei der Gefährdungsein- schätzung stärker einbeziehen . Um Schutz geht es auch bei der Heimaufsicht . Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen leben, sind beson- ders schutzbedürftig . Wir stärken sie, indem wir dafür sorgen, dass sie sich bei Beschwerden an Ansprechper- sonen außerhalb der Einrichtung wenden können, und in- dem wir den Schutz in den Einrichtungen voranbringen, zum Beispiel durch bessere Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden und erweiterte Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis . Wir stärken Kinder und Jugend- liche durch einen uneingeschränkten Beratungsanspruch und durch gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kitas . Ein weiterer Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist der Schutz von Frauen und Minderjährigen in Erstauf- nahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften . Wir erfahren immer wieder von sexuellen Übergriffen in Flüchtlingseinrichtungen auf Kinder, Jugendliche und Frauen . Derzeit hängt es vom Zufall ab, in welche Ein- richtung ein Kind oder eine alleinreisende Frau kommt und ob es dort ein Schutzkonzept gibt . Das ändern wir heute, indem wir Mindeststandards für diese Unterkünfte gesetzlich festschreiben . Mit dem Gesetzentwurf helfen wir auch Pflegekindern mit Behinderung. Pflegefamilien, die Kindern Geborgen- heit und Stabilität geben, haben meinen höchsten Res- pekt . Mit vielen hatte ich persönlich Kontakt . Und ich bin kürzlich Pflegeeltern begegnet, die sich liebevoll um diese Pflegekinder kümmern, die besonders viel Liebe und Zeit brauchen . Sie geben den Kindern Familie, oft zum ersten Mal in ihrem Leben . Aber gerade diese Fa- milien sind verunsichert. Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderung hatten die Sorge, im Jahr 2019 alleingelas- sen zu werden, weil ihre Rechtsgrundlage ausläuft . Diese Regelungslücke schließen wir mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf. Wir geben Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderung Rechtssicherheit . Es ist kein Geheimnis: Wir hätten mit diesem Gesetz für Pflegekinder gerne noch mehr erreicht. Ich werde mich daher weiter dafür einsetzen, die Situation von Pflegekindern, Herkunftseltern und Pflegeeltern zu ver- bessern . Auch die Diskussion um die Reform der Kinder- und Jugendhilfe – das wissen wir alle – wird und muss weitergehen . Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir heute den Schutz von Kindern und Jugendlichen ein gutes Stück voranbringen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725092 (A) (C) (B) (D) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürger- schaftlichem Engagement und zum Bürokra- tieabbau bei Genossenschaften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen (Tagesordnungspunkt 26 und Zusatztagesord- nungspunkt 8) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Die Erkenntnis, dass Menschen gemeinsam stärker sind als alleine, ist so alt wie der Mensch selbst . Es ist diese Erkenntnis, die uns seit jeher aneinander bindet, uns zusammenwachsen lässt und Ziele erreichbar macht, die sonst nicht zu erreichen wären . Und dabei spreche ich nicht nur von den Famili- enbanden und den Verwandtschaftsbeziehungen, die ei- nen mehr oder weniger zwangsläufig zusammenführen. Nein, es hat sich schon immer auch darüber hinaus ge- lohnt, sich zusammenzutun und die Kräfte zu bündeln . Mit der Genossenschaft stellt uns das Recht eine Rechtsform zur Seite, die geradezu ideal ist für ein Zu- sammenwirken . Wahrscheinlich ist sie nicht zuletzt deshalb so ideal, weil das persönliche Engagement der Gründer und damit verbunden Eigennutz und Solidari- tät der Beteiligten der Antrieb des genossenschaftlichen Denkens sind . Was einst als Selbsthilfeorganisationen von Bauern und Handwerkern begann, hat sich in der Zwischenzeit zu großen Konsum- und Warengenossen- schaften entwickelt, zu Volksbanken und Raiffeisenban- ken, die heute nicht mehr wegzudenken sind . Gleichermaßen haben wir in Deutschland daneben auch viele kleine Genossenschaften, die als lokal ver- wurzelte Unternehmen die Wirtschaftskreisläufe vor Ort fördern . Und schließlich gibt es noch kleinere Einheiten der Genossenschaft, vielfach solche, die aus bürgerschaftli- chem Engagement heraus entstehen . Allein in Deutschland sind heute rund 20 Millionen Menschen Mitglied einer Genossenschaft . Diese Zahl beweist die ungebrochene Kraft der Idee der Genossen- schaft auch im 21 . Jahrhundert . Mit dem vorliegenden Gesetz wollen wir es all diesen Genossenschaften leichter machen . Wir wollen sie ent- lasten und sie von Bürokratiehürden befreien . Und wir wollen auch die Gründung der Genossenschaft erleich- tern und dadurch fördern . Auf dem Weg dorthin haben wir das Genossenschafts- recht an vielen Stellen entschlackt und modernisiert . Selbst vor den Pflichtprüfungen haben wir nicht Halt gemacht, denn für sehr kleine Genossenschaften stel- len gerade diese häufig eine besonders bürokratische Belastung dar . Wir haben also auch hier angesetzt und festgelegt, dass diese Genossenschaften sich nicht mehr jährlich einer umfassenden Prüfung unterziehen müssen, sondern dass es reicht, wenn jede zweite Pflichtprüfung nur in vereinfachter Form stattfindet. Doch, so wichtig Bürokratievermeidung ist – eine zu weitgehende Aufweichung des Prüfsystems durch die zu- ständigen Verbände könnte den Genossenschaften auch schaden . Schließlich dienen diese Prüfungen auch dem Schutz der Mitglieder und der Gläubiger und halten die Insolvenzrate unter den Genossenschaften niedrig . Da- her haben wir die Schwellenwerte für Genossenschaf- ten, die sich einer Jahresabschlussprüfung unterziehen müssen, zwar erhöht, sodass mehr Befreiungen möglich sind und die Genossenschaften Prüfungskosten einsparen können . Wir haben aber die ursprünglich einmal etwas höher angedachten Schwellenwerte noch im Rahmen der Ressortabstimmung bezüglich der Bilanzsumme auf 1,5 Millionen Euro und bezüglich der Umsatzerlöse auf 3 Millionen Euro wieder nach unten korrigiert . Besonders attraktiv ist die Rechtsform der Genos- senschaft aber auch für Initiativen aus bürgerschaftli- chem Engagement . Anders als andere Rechtsformen hat sie Vorzüge, die es den konkurrierenden Rechtsformen schwer machen: So haften die Mitglieder nur begrenzt auf ihre Antei- le, die Genossenschaft ist ausgelegt auf eine steigende Mitgliederzahl, und ein Mitgliederwechsel läuft völlig flexibel und unproblematisch ab. Noch dazu ist sie de- mokratisch aufgebaut und damit geprägt durch die Mit- bestimmung ihrer Mitglieder . Die Rechtsänderungen, die wir heute beschließen, sol- len insbesondere auch diesen Initiativen zugutekommen . Es wäre vom Gesetzgeber äußerst fahrlässig, wenn er hier nicht ansetzt und damit die Chance auf noch mehr bürgerschaftliches Engagement vergibt . Unser Gemeinwesen ist auf die Zivilgesellschaft und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewie- sen . Wir brauchen Menschen, die dort zur Stelle sind, wo der Staat nicht leisten kann und wo der Markt nichts hergibt . Was wären wir ohne die Kitas unter elterlicher Träger- schaft? Was wären wir ohne die Dorfläden, die Einkaufs- möglichkeiten dort schaffen, wo der Einzelhandel schon lange nicht mehr zu finden ist? Gerade in den ländlichen Regionen hätten wir ohne dieses Bürgerengagement ein großes Problem . Es ist daher die Aufgabe der Politik, genau solche Pro- jekte zu unterstützen und sie nicht durch Bürokratiehür- den schon im Keim zu ersticken . Im Gesetzentwurf war daher ursprünglich vorgesehen, auch die Vorschriften zum Vereinsrecht anzupassen und die Regelungen zum wirtschaftlichen Verein entspre- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25093 (A) (C) (B) (D) chend zu öffnen. Damit wollten wir auch diejenigen bür- gerschaftlichen Initiativen unterstützen, die sich als Ver- ein organisiert haben oder einen solchen gründen wollen . Mit einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16 . Mai wurden diese geplanten Änderungen allerdings obsolet . Er hat klargestellt, dass auch ein Idealverein sich wirtschaftlich betätigen kann und deswegen nicht direkt aus dem Vereinsregister zu löschen ist; entscheidend sei, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dem ideellen Hauptzweck des Vereins zuzuordnen ist; dafür spreche insbesondere die Anerkennung des Vereins als gemein- nützig im Sinne des Steuerrechts . In diesem Zusammenhang erinnerte der Bundesge- richtshof an den in der Abgabenordnung bekundeten Willen des Gesetzgebers, durch die dort genannten Auf- gaben die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern . Mit dieser höchstrichterlichen Klarstellung haben wir nun unser Ziel bereits auf der geltenden Rechtslage erreicht, und die Bürgerinnen und Bürger, die sich eh- renamtlich engagieren, brauchen nicht mehr zu fürchten, dass ihr Verein gelöscht wird . Nun haben sie Rechtssi- cherheit . Zudem ist aus unserer Sicht die nun praktizierte Aus- dehnung der „wirtschaftlichen“ Tätigkeit des Idealver- eins dem Modell des Gesetzentwurfs, der zu Lasten des Idealvereins auf eine Förderung des wirtschaftlichen Ver- eins abzielte, vorzuziehen . Ebenso sieht es inzwischen auch das Bundesjustizministerium und ist von den vor- gesehenen Sonderregelungen letztlich wieder abgerückt . Zum Abschluss dieser Wahlperiode haben wir schließ- lich ein Gesetz gezimmert, mit dem wir mehr als zufrie- den sein können . Wir senden klare Signale im Interesse der Vereine und der Genossenschaften und können nun entspannt dem Internationalen Genossenschaftstag am 1 . Juli entgegenblicken . Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Mit dem heute zu verabschiedenden Regierungsentwurf zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossen- schaften lösen wir ein wichtiges Versprechen des Koaliti- onsvertrages ein: Wir bestärken unzählige aktive Ehren- amtliche in bürgerschaftlichem Engagement, indem wir ihre Arbeit von bürokratischen Hindernissen befreien . Bürgerschaftliches Engagement ist fester Bestandteil und tragende Säule unseres heutigen gesellschaftlichen Lebens . Ohne den ehrenamtlichen Einsatz beispielswei- se in altersgerechtem Wohnen, in Nachbarschaftsinitia- tiven, in Sportvereinen oder den sogenannten Dorfläden wären viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Le- bens heute kaum denkbar . Viele dieser Initiativen nutzen den Idealverein oder die Genossenschaft als Rechtsform . Letztgenannte ist aber für kleinste und kleinere ehrenamtlich geführte Ini- tiativen aufgrund ihres kosten-, aber vor allem aufwands- intensiven Prüfungsregimes häufig nicht mehr wirt- schaftlich und damit weniger attraktiv geworden . Der Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes liegt daher auf dem Abbau von Bürokratie im Genos- senschaftsrecht und damit einhergehend auf der Verrin- gerung von Kosten . In diesem Sinne entschlacken und modernisieren wir mit unserem Reformvorhaben gezielt, aber mit feiner Nadel das ansonsten gut funktionierende Genossenschaftsgesetz . Zum einen müssen sich sehr kleine Genossenschaften in Zukunft nicht mehr in jedem Jahr umfassend prüfen lassen . Mit einer hierzu eingeführten, vereinfachten Prü- fung verringern wir Aufwand und Bürokratie für ehren- amtliche Initiativen und fördern somit die Mitglieder in ihrem Engagement . Zum anderen erhöhen wir für Genossenschaften, die sich einer Jahresabschlussprüfung unterziehen müssen, die entsprechenden Schwellenwerte . Künftig können sich alle Genossenschaften mit einer Bilanzsumme von unter 1,5 Millionen Euro und einem Umsatzerlös von unter 3 Millionen Euro von der Jahresabschlussprüfung befreien lassen . Hierdurch können sie Prüfungskosten in erheblichem Umfang, aber vor allem auch Zeit einspa- ren, die sie in ihre Initiative investieren können . Zusätz- lich ermöglichen wir die Finanzierung von Investitionen per Mitgliederdarlehen . Nicht zuletzt durch die im Vergleich zum ursprüng- lichen Referentenentwurf nur moderate Erhöhung der Schwellenwerte haben wir damit insgesamt maßvolle Neuerungen im Genossenschaftsrecht beschlossen . Die- se kommen vielen bürgerschaftlichen Initiativen zugute, führen aber gleichzeitig zu keinen tiefgreifenden Verän- derungen am Kern des Genossenschaftsrechts . Wir stel- len damit sicher, dass die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft aufgrund ihrer Insolvenzfestigkeit auch weiterhin hohes Vertrauen bei Mitgliedern, Kunden und Gläubigern genießen wird . Wir stärken darüber hinaus auch all diejenigen bürger- schaftlichen Initiativen, die sich als Verein organisiert ha- ben oder in Zukunft organisieren wollen . Nur beispielhaft seien Dorfläden oder Elterninitiativ‑Kindertagesstätten genannt . Für diese Projekte hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 16 . Mai 2017 mit erfreulicher Deutlichkeit festgestellt, dass vor allem Letztgenannte als sogenannter Idealverein eingetragen werden können . Es gibt damit keine Grundlage mehr für Zwangslöschun- gen, von denen etwa Kita-Vereine in Berlin in letzter Zeit bedroht waren . Der BGH hat mit diesem Beschluss das sogenannte Nebenzweckprivileg von Idealvereinen gestärkt, indem eine wirtschaftliche Betätigung unabhängig vom Umfang des Geschäftsbetriebes als dem Hauptzweck zu- oder un- tergeordnet angesehen wird . Unternehmerische Initiati- ven aus bürgerschaftlichem Engagement können fortan als Verein im Sinne von § 21 BGB eingetragen werden, sofern bei ihnen der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ei- nem ideellen Hauptzweck zu- oder untergeordnet ist . Dies gilt künftig auch für die Gruppe der Dorfläden. Diese betätigen sich zwangsläufig wirtschaftlich, gelten zudem nicht als gemeinnützig im Sinne der Abgabenord- nung . Allerdings ist die steuerrechtliche Anerkennung als gemeinnützig nach Auffassung des BGH eben nur ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725094 (A) (C) (B) (D) wichtiges Indiz für die Eintragungsfähigkeit . Auch sie können künftig als Idealverein eingetragen werden, so- weit sie einen ideellen Hauptzweck verfolgen und nicht gewinnorientiert und auf Ausschüttung von Gewinnen gerichtet sind . Damit gibt es für all diese unternehmerischen Initia- tiven bürgerschaftlichen Engagements künftig eine ein- heitliche Rechtsform mit klarem Zugangsweg und Re- gisterpublizität . Das gibt vielen insbesondere in Vereinen ehrenamtlich Tätigen die nötige Sicherheit und befreit sie von überflüssigen Unklarheiten und Sorgen um die rich- tige Rechtsform für ihre Unternehmung . Damit ist aber vor allem ein wesentliches Ziel des Koalitionsvertrages, nämlich die Gründung unternehme- rischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement zu erleichtern, in diesem Fall schon auf der Grundlage der geltenden Rechtslage erreicht . Daher konnte auch die von der Bundesregierung im ursprünglichen Regie- rungsentwurf angedachte Öffnung des wirtschaftlichen Vereins per Verordnungsermächtigung entfallen, bei dem die Rechtsfähigkeit nur aufgrund einer behördlichen Konzession erlangt werden kann . Ein Festhalten an der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regelung hätte das vom BGH gesendete klare Signal im Interesse der Verei- ne verwässert und die gerade geschaffenen Perspektiven für Vereine wieder infrage gestellt . Das hat letztlich auch das federführende Bundesmi- nisterium der Justiz und für Verbraucherschutz eingese- hen, das bis zum Schluss an seiner Verordnungsermäch- tigung festhalten wollte, die dem Haus unter Ausschluss des Bundestages weitreichende Möglichkeiten gegeben hätte, das Vereinsrecht auszugestalten . Es war auf der Zielgeraden der 18 . Wahlperiode ein beschwerlicher parlamentarischer Weg . Umso erfreuli- cher ist es im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements, dass wir ihn erfolgreich geschafft haben. Dr. Matthias Bartke (SPD): Jagsthausen ist eine kleine ländliche Gemeinde 80 Kilometer nördlich von Stuttgart . Vor sechs Jahren haben dort die letzte Metzge- rei und Bäckerei ihre Türen für immer geschlossen . Ihre Besitzer waren zu alt, um die Läden fortzuführen . Eine Nachfolge gab es nicht . Die großen Lebensmittelketten erteilten Jagsthausen eine Absage nach der anderen . In einem Ort mit weniger als 4 000 Einwohnern wollten sie keine Filiale eröffnen. Der Bürgermeister hat sich letztendlich ein Herz ge- fasst und die Bürger gefragt, ob man nicht einfach zu- sammen etwas auf die Beine stellen wolle . Das Echo war groß! Sie sind dann zusammen losmarschiert, haben Räumlichkeiten gesucht und schließlich einen Dorfladen eröffnet. Die Jagsthausener haben sich dabei für die Genos- senschaft entschieden und mit viel ehrenamtlichem En- gagement den Laden nun schon viele Jahre erfolgreich geführt . Der Laden ist nicht nur zum Einkaufen da . Er ist auch Treffpunkt für den Ort und lässt soziale Kontakte und Gespräche wieder aufleben. Damit bleibt Jagsthau- sen erspart, was in vielen Dörfern schon Wirklichkeit ist: die verbliebene Bushaltestelle oder der Friedhof als letz- ter gemeinsamer Treffpunkt. Das Motto des Dorfladens ist: „Wir für uns“. Das trifft den Genossenschaftsgedanken ziemlich genau auf den Punkt . Das Besondere an Genossenschaften ist: Sie die- nen nicht der Erwirtschaftung von Gewinnen . Sie dienen den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Zwecken ihrer Mitglieder . Diese verschiedenen Zwecke geben eine Idee davon, wie vielfältig die Genossenschaftslandschaft ist . Es sind bei Weitem nicht nur die Dorfläden, die Genossenschaf- ten sind . In meinem Wahlkreis Hamburg-Altona gibt es zum Beispiel die fux e .G . – ein gemeinschaftlicher Pro- duktionsort für Kunst, Kultur, Gewerbe und Bildung . Die letzte große Neugründungswelle hatte ihren Ursprung im Energiebereich . Inzwischen erlebt der Dienstleistungs- sektor neuen genossenschaftlichen Aufwind . Bei Genossenschaften gilt: Ein Mitglied – eine Stimme . Genossenschaften sind in ihrem Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig . Aufnahme und Aus- scheiden von Mitgliedern sind unkompliziert möglich . Genossenschaften bieten also beste Voraussetzungen, um gemeinschaftlich etwas zu unternehmen . Es ist daher kein Wunder, dass die vom Bundesmi- nisterium für Wirtschaft in Auftrag gegebene Genossen- schaftsstudie zu einem positiven Ergebnis kam: Insge- samt herrscht große Zufriedenheit mit der Rechtsform der Genossenschaft . Es wurde aber auch deutlich: Die Belastungen für kleine Initiativen sind zu hoch . In der SPD fordern wir deshalb schon lange, kleine Genossenschaften von überzogenen Prüfpflichten zu be- freien . Wir wollen eine prüfungsbefreite Mini-Genossen- schaft . Mit dem Gesetzentwurf machen wir einen ersten Schritt in diese Richtung . Dazu gehört insbesondere die Einführung einer vereinfachten Prüfung bei sehr kleinen Genossenschaften . Für kleine Genossenschaften bedeu- tet das eine große Entlastung . Ihr Vorstand und Auf- sichtsrat sind oft ehrenamtlich tätig . Für die Dauer einer Prüfung müssen sie meistens Urlaub nehmen . Wenn die Genossenschaft keine eigenen Geschäftsräume hat, müs- sen die Mitglieder außerdem ihre privaten Räume zur Verfügung stellen . Mit der vereinfachten Prüfung sparen die kleinen Genossenschaften zukünftig endlich Kosten und Aufwand . Wir heben außerdem die Schwellenwerte für die Be- freiung von der Jahresabschlussprüfung an . Durch diese Anhebung der Beträge kann ein größerer Teil der Genos- senschaften die Befreiung und damit die Kostenentlas- tung in Anspruch nehmen . Ich will keinen Hehl daraus machen, dass wir die Schwellenwerte gerne noch weiter anheben wollen . Die neuen Werte entsprechen nur einem Viertel der aktuellen Größenmerkmale für kleine Kapi- talgesellschaften . Das ist langfristig nicht gerechtfertigt . Da muss mehr kommen . Im Koalitionsvertrag hatten wir außerdem verein- bart, die Möglichkeit der Finanzierung von Investitio- nen durch Mitgliederdarlehen wieder zu eröffnen. In der Praxis besteht bei Genossenschaften große Unsicherheit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25095 (A) (C) (B) (D) bei Einlagengeschäften. Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir klare Voraussetzungen, wann Genossenschaften Mit- gliederdarlehen aufnehmen dürfen . Mit dem Gesetzentwurf regeln wir noch eine ganze Reihe von weiteren Erleichterungen, um die Gründung von Genossenschaften zu fördern . Eine weitere Regelung im Vereinsrecht, die der Ge- setzentwurf ursprünglich vorsah, haben wir hingegen gestrichen . Für unternehmerische Initiativen aus bür- gerschaftlichem Engagement wollten wir eine geeignete Unternehmensform schaffen. Dafür sah der Gesetzent- wurf die Öffnung des wirtschaftlichen Vereins vor. Mit- ten in die Beratung fiel dann aber der BGH‑Beschluss zur Löschung eines Kita-Vereins . Dieser Beschluss hat vieles verändert, indem er das Nebenzweckprivileg von Idealvereinen immens gestärkt hat . Wir sehen daher keine Notwendigkeit mehr für die Öffnung des wirt- schaftlichen Vereins. Im Gegenteil: Die Öffnung würde Rechtsunsicherheit schaffen und im schlimmsten Fall bürgerschaftliches Engagement kaputt machen . Das kann nicht unser Ziel sein . Ich freue mich, dass wir mit dem Gesetzentwurf das erfolgreiche Modell der Genossenschaften weiter vo- ranbringen . Damit stärken wir bürgerschaftliches En- gagement. Was einer allein nicht schafft, schaffen viele gemeinsam! Svenja Stadler (SPD): Drei Deutsche – ein Verein, bekennen wir selbstironisch . Unsere Vereinslandschaft ist groß und bunt . Sie stellt – das kann man mit Fug und Recht sagen – ein hohes Kulturgut dar . Und da es dieses Gut zu schützen gilt, möchte ich uns dafür rühmen, dass wir in dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz zur Erleichterung unternehmeri- scher Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement et- was, was zunächst vorgesehen war, nicht regeln, nämlich die Öffnung des wirtschaftlichen Vereins. Überrascht? Nun, ich halte es für eine gesetzgeberi- sche Tugend, so viel zu regeln wie nötig, aber so wenig wie möglich . Erst hü dann hott? Warum sollte der wirtschaftliche Verein geöffnet werden – etwa für Kita‑Vereine? Lief doch gut, so wie es war? Eltern machen aus einer Not – dass es nicht genügend Angebote qualifizierter Kinderbetreuung gibt – eine Tu- gend, indem sie die Sache selbst in die Hand nehmen: eine Kindertagesstätte selbst gründen mit viel Idealismus und Herzblut . Sie tun das alles unter dem Dach eines ein- getragenen Vereins und natürlich ohne jegliche – finanzi- elle – Gewinnabsicht . Erziehung ist doch kein Geschäft! Obgleich gute Betreuung und gute Bildung sehr wohl ein Gewinn sind, ein ideeller – für die ganze Gesellschaft . Das ist bürgerschaftliches Engagement par Excellence . Und das wollen wir fördern und nicht behindern . Und: Ja, es lief lange gut, bis vor einigen Jahren erst einzelne und dann immer mehr Vereine durch verschie- dene Amtsgerichte in Bedrängnis gebracht wurden . Mit der Begründung, ihre wirtschaftliche Tätigkeit sei nicht mit dem Vereinsrecht vereinbar, wurden sie aus dem Vereinsregister gelöscht . Fortan sollten sich Vereine also nicht mehr auf das sogenannte Nebenzweckprivileg be- rufen können? Die zur Zweckumsetzung notwendige Mittelbeschaffung eines Vereins durch wirtschaftliche Betätigung sollte nicht mehr toleriert werden? Keine Teilnahmegebühr für eine Sportveranstaltung? Keine Gebührenerhebung für Betreuungsleistungen? Und wie lange würde der Förderverein der Schule noch seinen Kuchen anbieten dürfen? Vor diesem Hintergrund sahen wir Handlungsbedarf . Die Idee im Gesetzesentwurf war, den Initiativen, die nicht mehr Idealverein sein durften, den Weg zum wirt- schaftlichen Verein zu öffnen. Für die Erlangung der Rechtsfähigkeit sollten Standards gesetzt werden, um mehr Verlässlichkeit zu schaffen. Doch wir mussten erkennen, die betroffenen Vereine waren nicht beglückt . Die Anerkennung als rechtsfähiger wirtschaftlicher Verein erschien ihnen weder sicher noch erstrebenswert . Renommee und Motivation zum ehren- amtlichen Engagement hängen eben stark mit dem Sta- tus als Idealverein zusammen . „Wollt ihr wirklich eine jahrhundertalte, bewährte Tradition aufgeben?“, war ihre Sorge . Wir haben die Einwände der Idealvereine sehr ernst genommen und um eine alternative Lösung gerungen . Doch in diese Phase der Beratungen platzte dann ein jah- relang erwartetes Urteil des Bundesgerichtshofes . Und alles war wieder anders . Die Beschwerde eines Berliner Vereins, der mehrere Kitas betreibt, war erfolgreich: Das Urteil des Kammergerichts wurde aufgehoben und das Löschungsverfahren eingestellt: Die wirtschaftliche Tä- tigkeit durch Betreiben mehrerer Kitas sei dem ideellen und gemeinnützigen Zweck „theoretische und praktische Arbeit auf dem Gebiet der Erziehung und Jugendbera- tung“ zuzuordnen. Bei der Differenzierung zwischen ideellem Hauptzweck und wirtschaftlichem Nebenzweck habe selbst der Umfang dieser wirtschaftlichen Tätigkeit keine Aussagekraft . Mit dieser starken Wiederbelebung des Nebenzweck- privilegs hat sich die Ausgangslage verändert . Eine bes- sere Absicherung können die Idealvereine kaum haben . Es besteht nicht nur kein Handlungsbedarf mehr, sondern jedwede Aufwertung des wirtschaftlichen Vereins würde für Verunsicherung sorgen und das Nebenzweckprivileg schwächen . Deshalb halten wir uns hier zurück . Caren Lay (DIE LINKE): Eine der stärksten Wurzeln der Genossenschaftsbewegung liegt in der Arbeiterbewe- gung . Menschen schlossen sich auf der Basis des Prin- zips der Selbsthilfe zu Genossenschaften zusammen, um durch freiwillige Kooperation die eigenen Mitglieder zu unterstützen und vor dem Abrutschen ins soziale Elend zu bewahren . Nach der Verabschiedung des preußischen Genossenschaftsgesetzes vor 150 Jahren bis zur Nazizeit gründeten sich zahlreiche Wohnungs-, Konsum-, Land- wirtschafts- und andere Genossenschaften, die oft bis heute bestehen . Namen von Genossenschaften wie „Freie Scholle“ in Bielefeld zeugen von dieser Zeit . Das Genos- senschaftsgesetz wurde seither immer wieder verändert Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725096 (A) (C) (B) (D) und angepasst, grundlegend zuletzt 2006 . Eine erneute Anpassung soll heute beschlossen werden . Kleinere Initiativen wie Nachbarschafts‑ und Dorflä- den, Wohn- und Kulturprojekte fordern seit längerer Zeit die Einführung einer niedrigschwelligen, unbürokrati- schen Kooperationsgesellschaft . Mit ihr soll eine neue genossenschaftliche Rechtsform geschaffen werden, die ohne Pflichtmitgliedschaft, Pflichtprüfung und Grün- dungsprüfung auskommt und sich an der haftungsbe- schränkten Unternehmergesellschaft orientiert . Während viele kleinere Initiativen einen entsprechen- den Entwurf aus dem BMJV am Ende der letzten Legis- laturperiode ausdrücklich begrüßten, wandten sich die großen Genossenschaftsverbände, Genossenschaftsban- ken, Verbände der Wohnungswirtschaft und andere mehr vehement gegen diese Pläne . Damit verschwand dieser Entwurf wieder in der Schublade, und erst am Ende letz- ten Jahres wurde ein neuer Anlauf gestartet, weil nun eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Vereinsrecht erwartet wurde . Nach dem neuen Gesetzesvorschlag sollten unterneh- merische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement, wie zum Beispiel Dorfläden, Kitas etc., künftig vor allem in der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins nach § 22 BGB agieren . Dies wiederum führte zu massiven Ein- wänden zahlreicher Vereine und Verbände von der Freien Wohlfahrtspflege bis hin zu Kindergartenträgern. Erfreulicherweise hat nur einen Tag nach der Aus- schussanhörung am 16 . Mai der Bundesgerichtshof mit einem Urteil die sogenannten Idealvereine gestärkt und die größten Bedenken im Zusammenhang mit einer wirt- schaftlichen Betätigung ausgeräumt . Daraufhin und we- gen der zahlreichen Kritik streicht die Koalition auf den letzten Metern die Neuregelung zum Vereinsrecht nun wieder . Die eigentlich beabsichtigte „Erleichterung un- ternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem En- gagement“ ist damit jedoch auch passé . Wir Linken halten die Rechtsform der haftungsbe- schränkten Kooperationsgesellschaft für deutlich geeig- neter für zum Beispiel kooperative oder altersgerechte Wohn- und Kulturprojekte und werden weiterhin auf ihre Einführung drängen . Sie könnte die vielen Initiativen aus dem Kreis des bürgerschaftlichen Engagements einfach und unbürokratisch in die genossenschaftliche Familie einbeziehen . Frühere Reformen des Genossenschaftsgesetzes führ- ten leider zu Angleichungen von Genossenschaften an Kapitalgesellschaften und beschnitten die Mitsprache- rechte der Genossenschaftsmitglieder . Das alleinige Ent- scheidungsrecht der Vorstände hat zu einer Machtstellung geführt, die kaum mehr Mitsprache oder Entscheidung der Mitglieder zulässt . So können zum Beispiel die Vor- stände von Wohnungsgenossenschaften Mieterhöhungen oder den Abriss von preiswerten Wohnraum gegen die Interessen ihrer Genossenschaftsmitglieder durchsetzen . Die Linke möchte die Rechte der Mitglieder wie- der stärken und die Genossenschaften demokratisieren . Konkret wollen wir mit unserem Änderungsantrag errei- chen, dass die Generalversammlung durch Satzung und Beschlüsse das Entscheidungsrecht des Vorstandes be- schränken kann . Bei Fragen von grundsätzlicher Bedeu- tung, wie beispielsweise die Änderung des Geschäfts- zwecks oder Investitionen von größerer Bedeutung im Verhältnis zur Bilanzsumme der Genossenschaft, muss die Generalversammlung gefragt werden . Auch in Zukunft wollen wir Linken die Gründung und den Erhalt von Genossenschaften fördern, Benachteili- gungen beseitigen und die Demokratie in Genossenschaf- ten stärken . Wir brauchen eine neue Genossenschafts- bewegung . Genossenschaften können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Stadtteile sozial und nachhaltig zu entwickeln und zu beleben . Das bewegt zum Beispiel die Genossenschaft am Holzmarkt in Berlin . Nachdem die Bar 25 vor vielen Jah- ren leider schließen musste, entsteht hier nun ein neues Stadtquartier mit Wohnungen für fast 500 Studierende, Ateliers, Läden, Restaurants, einer Bäckerei, einer Kita und einem Club . Lassen Sie uns die Genossenschaften stärken, damit wir auch an anderer Stelle sagen können: Die Bar ist tot – es lebe die Bar! Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie ich dieser Tage der Presse entnommen habe, ist das Jus- tizministerium von Bundesminister Maas verantwortlich für die meisten eingebrachten Gesetzentwürfe in dieser Legislaturperiode . Das ist vordergründig löblich, den- noch gilt der Grundsatz „Qualität geht vor Quantität“ auch im Gesetzeshandwerk . Von dem ursprünglichen Entwurf dieses Gesetzes, welches wir heute beschlie- ßen, ist nur noch ein Restkorpus verblieben . Denn im ursprünglichen Entwurf fanden sich noch umfassende Neuregelungen zu den Bestimmungen des Vereinsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches . Obwohl absehbar war, dass höchstrichterliche Rechtsprechungen des Bundes- gerichtshofes in der Sache zu erwarten waren, hatte man sich regierungsseitig vorgenommen, die gesetzlichen Grundlagen nach eigenen Vorstellungen zu verändern . Dies war sicherlich gut gemeint, aber keinesfalls gut gemacht . So zog dieser Teil des Gesetzentwurfes auch den Unmut vieler als Idealverein organisierter Initiativen auf sich, und auch Sachverständige in der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren äußerten Kritik am Vorgehen des Justizministeriums . Genau einen Tag nach der An- hörung im Rechtsausschuss erging dann eine richtungs- weisende Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Sa- chen Idealverein und Bestimmungen zum sogenannten Nebenzweckprivileg . Damit wurde den Plänen der Bundesregierung der Boden unter den Füßen weggezogen . Trotzdem brauchte man dann vonseiten der Koalitionsfraktionen noch zwei Anläufe, um sich zu besinnen und um die Pläne zu einer Neustrukturierung des § 22 BGB in Verbindung mit ei- ner Verordnung über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an wirtschaftliche Vereine nach § 22 BGB zu streichen . Diese Regelungen hätten für viele bestehende Idealver- eine zu Rechtsunsicherheiten, zu mehr Bürokratie und zu neuen Doppelstrukturen zwischen den Registerge- richten und Landesverwaltungsbehörden geführt . Durch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25097 (A) (C) (B) (D) die Streichungen von Artikel 1 und 2 des ursprünglichen Gesetzentwurfes bleibt das Bürgerliche Gesetzbuch nun unangetastet, und viele Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements, die die Rechtsform des Idealvereins für sich wählen, werden verschont vor neuen bürokratischen Hürden . Das ist gut so . Das bürgerschaftliche Engagement ist vielfältig und erstreckt sich hierbei von Sport- und Kulturvereinen über freiwillige Feuerwehren, den Katastrophenschutz, Nicht- regierungsorganisationen, direktdemokratische Bürger- beteiligung, den Umwelt- und Naturschutz, die Entwick- lungshilfe, den Tierschutz, das Engagement für Kinder, Jugendliche, alte Menschen und Menschen mit Behinde- rungen, Nachbarschaftshilfen bis hin zu gemeinwohlori- entierten Aktivitäten von Unternehmen in Bereichen wie zum Beispiel der Energie- und Wohnraumversorgung . Die jetzt aktuell vorliegende Fassung des Gesetzes, welche heute verabschiedet wird, umfasst noch den Ar- tikel 3 des Erstentwurfes . Diese Restbestimmungen re- geln Neuerungen im Genossenschaftsrecht . Im Grund- satz begrüßen wir diese Neuregelungen . Die Rechtsform der Genossenschaft erlebt gerade eine Renaissance und stellt für uns eine ideale Rechtsform für Initiativen bür- gerschaftlichen Engagements dar, die auch einer wirt- schaftlichen Betätigung nachgehen wollen . Gerade auch im Bereich der sogenannten Collaborative Economy sucht man nach demokratischen Organisationsformen, in denen das Verhältnis zwischen Produzenten und Konsu- menten neu gedacht werden kann . Die Genossenschaft ist in diesen Netzwerken vom Grundsatz her eine belieb- te Organisations- und Rechtsform . Allerdings werden kleine und mittlere Genossenschaften auch gegenwärtig noch mit viel Bürokratie und den damit verbundenen Kosten belastet . Hier will das Gesetz Erleichterungen schaffen, was wir auch im Bereich der Kleinstgenossenschaften an- erkennen. Dennoch gehen uns die Modifizierungen des Genossenschaftsgesetzes gerade mit Blick auf kleine und mittlere Genossenschaften nicht weit genug, weshalb wir uns bei der Abstimmung zum vorliegenden Gesetz ent- halten werden . Mit unserem eigenen Entschließungsantrag, den wir hier im Plenum zur Abstimmung stellen, zeigen wir Lö- sungen auf, wie auch kleine und mittlere Genossenschaf- ten entbürokratisiert und von unnötigen Kosten befreit werden könnten. Wir wollen, was die Berichtspflichten angeht, endlich eine faire und annähernd gleiche Be- handlung zu den kleinen Kapitalgesellschaften erreichen . Dazu fordern wir die Schwellenwerte der kleinen Ge- nossenschaften nach § 53 Absatz 2 GenG, deren Pflicht- prüfung nicht den Jahresabschluss beinhalten muss, den Schwellenwerten nach § 267 Absatz 1 HGB für kleine Kapitalgesellschaften anzugleichen, um die ungleiche Behandlung zwischen kleinen Genossenschaften und kleinen Kapitalgesellschaften aufzuheben . Bereits bei den Beratungen zur Reform des Genossenschaftsrechts im Jahr 2006 war der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der Ansicht, dass langfristig die für Kapi- talgesellschaften geltenden Schwellenwerte des § 267 Absatz 1 HGB auch für die Genossenschaften gelten sollten (Bundestagsdrucksache 16/1524) . Eine Anglei- chung über die Jahre ist nicht geschehen . Mit dem Gesetz würden die damals schon im Verhältnis eins zu vier ste- henden Schwellenwerte zwischen Genossenschaften und Kapitalgesellschaften zementiert, und kein Fortschritt wäre erreicht . Wir meinen, jetzt ist Zeit, endlich enga- giert zu handeln . Darüber hinaus fordern wir eine Neustrukturierung der Fördermöglichkeiten für Genossenschaften . Die staatliche Gründungsförderung für Genossenschaften ist im Vergleich zu anderen Rechtsformen derzeit völlig unzureichend . Fördermittel (zum Beispiel Gründercoa- ching, Gründungszuschuss, Gründerkredite) werden in der Regel vergeben, um einzelne Unternehmer zu unter- stützen . Das können Einzelunternehmer sein, persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften oder Geschäftsführer einer GmbH . Für Genossenschaften ist diese Förderung in der Regel uninteressant, da die Vor- standsmitglieder nicht selbst mit erheblichem Kapital an der Finanzierung des Unternehmens beteiligt sind . Andere Länder, wie beispielsweise Schweden, betrei- ben öffentlich finanzierte Gründungsagenturen für neue Genossenschaften . Auch Deutschland wäre gut beraten, eine gerechte Förderstruktur für Genossenschaften zu schaffen. Vorbilder können die Förderprogramme der KfW‑Bankengruppe zu Energieeffizienz und Umwelt- schutz im Unternehmen, erneuerbaren Energien oder zur kommunalen und sozialen Infrastruktur sein . Die Förder- programme sollten so eingerichtet werden, dass damit die Kosten der Gründungsprüfung aufgefangen werden bzw . zu einem Großteil kompensiert werden . In unseren Augen wären diese beiden Ergänzungen notwendig, um ein modernes und attraktives Genossen- schaftsrecht für kleinere und mittlere Initiativen zu schaf- fen . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (Zusatztagesordnungspunkt 9) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir möchten heute das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheim- nissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen beschließen. Es ist gut, dass wir in dieser letzten Sitzungswoche zum Abschluss kommen . Es besteht dringender gesetzgeberischer Rege- lungs- und Handlungsbedarf . Mit diesem Gesetz möchten wir den Wandel in der Arbeitswelt nachvollziehen . Viele unterstützende Tätig- keiten der Berufsgeheimnisträger werden von eigenem Personal nicht mehr erledigt und auf externe Dienst- leister übertragen . Als Beispiele seien die IT-System- wartung, Systeme zur externen Speicherung von Daten, Schreibar beiten oder die Annahme von Telefonanrufen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725098 (A) (C) (B) (D) genannt. Insbesondere bei kleinen beruflichen Einheiten wie Anwaltskanzleien oder Arztpraxen wäre die Einstel- lung von informationstechnisch spezialisiertem Personal nicht wirtschaftlich . Diese Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten fin- det sich jedoch in der Rechtsordnung nicht wieder, und eine analoge Anwendung der bestehenden Vorschriften ist nicht möglich . Mit diesem Gesetz möchten wir die Rechtsunsi- cherheiten beseitigen und Rechtsklarheit schaffen. Die Strafbarkeit der unbefugten Offenbarung fremder Ge- heimnisse wird auf externes Personal ausgeweitet, und gleichzeitig wird ein Erlaubnistatbestand geschaffen, nach dem sich Berufsgeheimnisträger externen Perso- nals bedienen dürfen . Diese erweiterten Befugnisnormen spiegeln sich schließlich auch im Berufsrecht . Der Gesetzentwurf steht im Spannungsverhältnis zwi- schen dem Schutzniveau der Geheimnisse und gleichzei- tig praktikabler Lösungen für die Praxis . Wenngleich die Grundausrichtung dieses Gesetzes unstrittig ist, stellten Detailfragen in den weiteren Beratungen eine große He- rausforderung dar . Im Folgenden möchte ich nochmals das Problem der Auslandssachverhalte aufgreifen . Die Infrastruktur von IT-Dienstleistungen und ins- besondere Cloud‑Diensten findet sich oftmals nicht in Deutschland, sodass sich der Schutz der Geheimnisse nach dem Recht des jeweiligen Standorts richtet . Bei Serverstandorten außerhalb Europas erschließt sich dies ohne Weiteres . Allerdings bestehen selbst innerhalb der Europäischen Union nicht für alle Berufsgeheimnis- träger einheitliche Rechtsvorschriften . Im Bereich der Wirtschaftsprüfer ist in anderen europäischen Rechtsord- nungen ein nicht ähnlich umfassendes Beschlagnahme- verbot wie in Deutschland gegeben . Diese Problematik verstärkt sich noch dadurch, dass Wirtschaftsprüfer in großem Maß internationale Mandate wahrnehmen und länderübergreifende Kooperationen eingehen . Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass Berufsgeheim- nisträger in einer globalisierten Arbeitswelt weiterhin Dienstleistungen ins Ausland vergeben können, sodass eine der Praxis gerecht werdende Lösung gefunden wer- den musste . Zunächst haben wir eine Positivliste gefordert, die sogenannte Whitelist, die verbindlich festlegt, in wel- chen Ländern ein dem deutschen Recht vergleichbares Schutzniveau besteht . Ich erachte das für die beste Lö- sung . Dieser Prüfungsaufwand ist aber im Regelfall nicht zumutbar . Nach den Vorschriften im jeweiligen Berufsrecht muss der Geheimnisträger bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Ausland prüfen, ob ein vergleich- bares Schutzniveau in diesem Land besteht . Diese Prüf- pflicht steht natürlich unter der Voraussetzung, dass dem Dienstleister auch ein Zugang zu fremden Geheimnissen eröffnet wird. Zur Entlastung insbesondere kleinerer Kanzleien oder Praxen erscheint es mir sinnvoll, wenn die berufsständischen Kammern nun solche Länderlisten den Berufsgeheimnisträgern als Hilfe zur Verfügung stel- len können und werden . Gleichwohl wird auch diese Lösung nicht alle Rechts- unsicherheiten beseitigen können . Die Praxis wird künf- tig von der Einholung einer Einwilligung geprägt sein . Dem Mandanten als Herr des Geheimnisses ist die al- leinige Befugnis gegeben, der Übermittlung der Daten und damit des Geheimnisses ins Ausland zuzustimmen . Es lässt sich prognostizieren, dass diese sachgerechte Lö- sung künftig den Regelfall darstellen wird . In manchen Fällen wird die Einholung einer Einwil- ligung nicht möglich oder die Einwilligung nicht erteilt sein . Im Änderungsantrag wurde eine weitere Erleichte- rung bei der Prüfpflicht des Berufsgeheimnisträgers ge- schaffen. Wenn die übermittelten Daten aus sich selbst heraus nicht verständlich sind oder aus anderen Grün- den ein geringeres Schutzbedürfnis besteht, kann dem Dienstleister im Ausland dennoch der Zugang zum Ge- heimnis gewährt werden . Ich denke hier insbesondere an die Fernwartung von Geräten vom Ausland aus . Durch entsprechende Verschlüsselungstechniken ist ein Zugriff ausländischer staatlicher Stellen bei einer Beschlagnah- me nicht zu befürchten . Mit dieser zusätzlichen Regelung wird dem Berufs- geheimnisträger eine weitere Hilfestellung im Abwä- gungsprozess gegeben, ob im konkreten Einzelfall das Geheimnis ins Ausland übermitteln werden darf . Mit dieser Vielzahl von Möglichkeiten sollte das Spannungsverhältnis aufgelöst sein, dass Dienstleis- tungen ins Ausland vergeben werden können, ohne das Schutzniveau über die Geheimhaltung von Geheimnis- sen abzusenken . Es ist mir wichtig, noch auf den Punkt hinzuweisen, dass die straf- und berufsrechtlichen Regelungen ge- trennt zu betrachten sind . Ein berufsrechtswidriges Ver- halten führt nicht zwingend zu einer Strafbarkeit . Ein be- rufsrechtlich erlaubtes Verhalten stellt jedoch niemals ein unbefugtes Offenbaren von Geheimnissen dar. Bei einer Einwilligung zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Ausland ist die Befugnis in jedem Fall sichergestellt . Das Gesetz wird erst zu einem stimmigen Regelungs- werk, wenn sich zu den Änderungen im Strafgesetzbuch und dem jeweiligen Berufsrecht korrespondierende Vorschriften im Verfahrensrecht finden lassen. Mit dem Änderungsantrag wurde auch diese Lücke geschlossen . Eine Erweiterung der Strafbarkeit auf mitwirkende Per- sonen und eine Ausweitung der berufsrechtlichen Be- fugnisse ergibt nur Sinn, wenn für diese Personengruppe ein Zeugnisverweigerungsrecht und ein Beschlagnah- meverbot geschaffen werden. Um Widersprüche in der Rechtsordnung zu vermeiden, müssen die bestehenden prozessualen Schutznormen auf die mitwirkenden Per- sonen ausgeweitet werden . In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass in der Strafprozessordnung eine Definition der mitwirkenden Person geschaffen wird, um eine einheitliche Terminologie mit dem Strafgesetzbuch zu erreichen . Dieses Gesetz stand nie im Fokus der breiten Medien- öffentlichkeit. Dennoch ist die Neuregelung von hoher praktischer Bedeutung . Diese zeigte sich an der Vielzahl Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25099 (A) (C) (B) (D) von Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Berufs- verbände und dem großen Interesse an der Sachverstän- digenanhörung . Wir haben im parlamentarischen Verfahren sehr aus- führlich und intensiv über Änderungen und Verbesserun- gen beraten. Ich hoffe, dass mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf in der Beschlussempfehlung des Aus- schusses nun ein gerechter Interessenausgleich gelungen ist und alle Positionen hinreichend berücksichtigt wur- den . Ich bitte um Zustimmung! Dr. Johannes Fechner (SPD): Das geltende Recht bringt unsere sogenannten Berufsgeheimnisträger regel- mäßig in eine heikle Situation . Denn nach § 203 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm in bestimmter beruflicher Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist . Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte und andere in § 203 StGB aus- drücklich genannte Berufsgruppen sind bei ihrer Tätig- keit jedoch auf die Hilfeleistung anderer Personen ange- wiesen, sei es bei Schreibarbeiten, der Archivierung von Akten oder der Wartung der EDV . Die mit der Erledigung solcher Aufgaben verbundene Weitergabe von Geheimnissen an Angestellte des Be- rufsgeheimnisträgers ist nach ständiger Rechtsprechung legitim . Innerhalb des Organisationskreises des Berufs- geheimnisträgers wertet die Rechtsprechung die Weiter- gabe von Informationen nicht als „offenbaren“. Anders sieht es aus, wenn der Betreffende Informa- tionen an Personen außerhalb seiner Sphäre, also an sonstige mitwirkende Personen, weitergibt . Hier besteht nach geltendem Recht die Gefahr, dass sich der Berufs- geheimnisträger strafbar macht . Die zunehmende Digita- lisierung macht die Inanspruchnahme von Dienstleistun- gen außerhalb des eigenen Organisationskreises jedoch erforderlich – mit zunehmender Tendenz . Aus diesem Grunde haben wir die Weitergabe von Geheimnissen an mitwirkende Personen gesetzlich neu geregelt . § 203 Absatz 3 StGB-E unterscheidet weiter- hin zwischen Hilfspersonen aus dem Organisationskreis des Berufsgeheimnisträgers und sonstigen Hilfsperso- nen . Mitwirkenden Personen aus dem inneren Kreis, also Lehrlingen und Angestellten, darf der Berufsgeheimnis- träger wie bisher alle Geheimnisse weitergeben . Dies ha- ben wir jetzt ausdrücklich im Gesetz geregelt . Sonstigen mitwirkenden Personen, sei es der externe Schreibdienst oder das Inkasso-Unternehmen, darf der Berufsgeheim- nisträger in Zukunft so viel offenbaren, wie es für deren Tätigkeit erforderlich ist . Diese Regelung ist neu und ei- ner veränderten Arbeitswelt geschuldet . Innerhalb der Beratungen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde insbesondere ein Problem the- matisiert: die in den Berufsordnungen enthaltene Rege- lung zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen aus dem Ausland . Ein schwieriges Thema: Unsere Rechtsordnung bietet ein fein austariertes System an strafbewehrter Schweigepflicht mit Ausnahmen Personen betreffend, die wiederum einer strafbewehrten Schweigepflicht unter- liegen. Zudem korrespondieren Schweigepflichten und strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte und Be- schlagnahmeverbote . Verlässt das Geheimnis deutschen Boden, ist nicht garantiert, dass der Geheimnisschutz in vergleichbarer Weise gewahrt ist . Deshalb sah der Re- gierungsentwurf vor, dass die Weitergabe in das Ausland nur dann zulässig ist, wenn dort ein uns entsprechender Geheimnisschutz besteht . Zunächst einmal ist festzuhalten, dass ein Verstoß ge- gen diese Regelung keine strafrechtlichen, sondern ledig- lich gegebenenfalls berufsrechtliche Konsequenzen hat . Von den Berufsverbänden wurde uns signalisiert, dass die im Berufsrecht vorgesehene Einschränkung, Dienst- leistungen nur aus Ländern mit adäquatem Geheimnis- schutzniveau in Anspruch zu nehmen, den Berufsge- heimnisträger vor das nur schwer lösbare Problem stellt, die Situation im Ausland einzuschätzen . Die Forderung, eine staatliche Stelle mit der Erstellung einer Liste „si- cherer“ Länder zu betrauen, wurde regierungsseitig als unpraktikabel bewertet . Um die Regelung handhabbarer zu gestalten, haben wir dem Berufsgeheimnisträger in unserem Änderungs- antrag die Möglichkeit gegeben, in Fällen, in denen der Geheimnisschutz es nicht gebietet, von einer Eruierung des Schutzniveaus im Ausland abzusehen . Sind die über- mittelten Daten aus sich selbst heraus kaum verständlich, weil vielleicht nur ein Teil eines Vorgangs übermittelt werden soll, ist das Schutzbedürfnis natürlich geringer als bei einem vollständigen Vorgang . Der Berufsgeheimnisträger tut trotz der beschriebe- nen Regelungen gut daran, sich die Einwilligung seines Mandanten oder Patienten in die Weitergabe des Ge- heimnisses einzuholen . Liegt diese vor, kommt weder ein Verstoß gegen Berufsrecht in Betracht, noch ist das Verhalten strafrechtlich relevant . Deshalb: Stimmen wir diesem guten Gesetz heute zu, damit wir den Geheimnisschutz im Bereich Berufs- geheimnisträger an die Gegebenheiten der heutigen Ar- beitswelt anpassen und die erforderliche Rechtssicher- heit schaffen. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Wie schon in der ersten Beratung zu diesem Gesetzentwurf festgestellt, bleibt zu konstatieren, dass dieser Gesetzentwurf über- fällig ist . Deutschland hat, wie bereits ausgeführt, auch hier mal wieder die technische Entwicklung verschlafen und alle Berufsgeheimnisträger seit Jahren der Gefahr straf- rechtlicher Verfolgung ausgesetzt, wenn sie zum Beispiel IT-Systeme verwenden, die von Dritten betreut werden . Dies ist jedoch zwischenzeitlich bei jeder noch so klei- nen Anwaltskanzlei oder Arztpraxis der Standard . Denn diese Helfer waren bisher nicht ausreichend in § 203 StGB berücksichtigt, und der im Rahmen ihrer vertrag- lichen Tätigkeit notwendige Zugriff durch sie auf Daten der entsprechenden Berufsgeheimnisträger war de lege lata strafbar . Das betraf auch andere Dienstleistungen wie Aktenvernichtung, Aktenarchivierung etc . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725100 (A) (C) (B) (D) Inhaltlich kann ich mich insoweit voll auf meine erste Rede vom 27 . April 2017 beziehen und wiederhole diese ausdrücklich . Allerdings hat sich meine Hoffnung, in den Beratungen noch etwas retten zu können, wider Erwarten diesmal be- stätigt. Die von meiner Fraktion geforderten flankieren- den Maßnahmen, die ich in der ersten Lesung aufgezeigt habe, sind durch den entsprechenden Änderungsantrag ins Gesetz eingeflossen, sodass jetzt auch Personen, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, einer berufsvor- bereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an der beruflichen Tätigkeit der Berufsgeheimnisträger mitwirken, ein Zeugnisverweigerungsrecht haben . Inso- weit bestehen keine Bedenken mehr . Auch das Problem mit den unterschiedlichen Schutz- niveaus im Ausland bei der Inanspruchnahme ausländi- scher Dienstleister wurde angegangen, jedoch aus Sicht der Linken zu unbestimmt . Bezüglich des Schutzniveaus im Ausland sind die geänderten Regelungen nicht das Nonplusultra; allerdings ist es momentan wohl nicht an- ders regelbar . Auch eine sogenannte deutsche Cloud wür- de das Problem nicht lösen, da diese angesichts der erst in dieser Woche staatlich verordneten Sicherheitslücken (Stichwort Staatstrojaner) auch wiederum zu unsicher wäre . Gleichwohl sehe auch ich momentan keine andere Lösung im Hinblick auf ein entsprechendes Schutzni- veau im Ausland . Von daher kann die Linke alles in allem diesem Gesetz in der geänderten Fassung zustimmen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem heutigen Gesetz soll endlich Klarheit geschaffen werden, dass Rechtsanwälte sich nicht per se wegen Geheimnis- verrat strafbar machen, wenn sie zur Datensicherung externe Dienstleister heranziehen . Das ist schon deswe- gen ein lobenswertes Ziel, weil inzwischen sogar Einzel- anwälte gesetzlich verpflichtet sind, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen . Dadurch sind die Anfor- derungen an die Datensicherung weiter angestiegen und können kaum noch kanzleiintern sichergestellt werden . Durch eine Beschränkung der Strafbarkeit beim Ge- heimnisverrat soll der Berufsgeheimnisträger künftig externe Dienstleister als mitwirkende Personen einbezie- hen können, wenn er die Zuverlässigkeit des Vertrags- partners vorher geprüft und diesen zur Verschwiegenheit verpflichtet hat. Mit Ihrem Änderungsantrag haben Sie nunmehr fol- gerichtig auch die Zeugnisverweigerungsrechte im § 53a StPO auf diese Personen erstreckt . Das ist deswegen zwingend erforderlich, da sonst die Verschwiegenheits- pflicht ja ins Leere laufen würde. Trotz aller Bemühungen ist aber auch Ihnen die Qua- dratur des Kreises mit diesem Gesetz nicht gelungen . Es ist Ihnen zugutezuhalten, dass es vielleicht gar nicht möglich ist, den hohen Stellenwert des Berufsge- heimnisses mit der externen Datenverarbeitung in Ein- klang zu bringen. Hier verweise ich auf die zutreffenden Bedenken des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme darauf hinweist, dass die Geheimschutzbelange der Be- troffenen durch dieses Gesetz bedenklich weit hintange- stellt werden . Aber auch den Geheimnisträgern selbst werden nach wie vor strafbewehrte Pflichten auferlegt, die sie kaum erfüllen können . So weist der Deutsche Anwaltverein in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass Rechts- anwälte nur begrenzt die Möglichkeit haben, die Zuver- lässigkeit von Angestellten ihrer Vertragspartner zu über- prüfen. Wenn sie bei der Verschwiegenheitsverpflichtung ihre Sorgfaltspflichten verletzen, werden sie dafür eben- so bestraft wie bei einem vorsätzlichen Geheimnisverrat . Auch Strafrechtsexperte Professor Dr . Arndt Sinn vertrat in der Anhörung die Auffassung, dass dies eher als Ord- nungswidrigkeit geahndet werden müsste . Besonders deutlich wird das Dilemma, wenn die Dienstleister dann noch ihren Sitz im Ausland haben oder Subunternehmen beauftragen, die ihren Sitz im Ausland haben . Da die Einschätzung des Schutzniveaus für Be- rufsgeheimnisse in dem entsprechenden Ausland ganz offensichtlich nicht den Geheimnisträgern zugemutet werden kann, haben Sie sich mit Ihrem Änderungsantrag für eine eingeschränkte Einwilligungslösung entschie- den . Wann allerdings der Schutz des Geheimnisses die Einwilligung nicht gebietet, bleibt das große Rätsel . Un- klar bleibt auch, wie Cloud-Lösungen zu behandeln sind und ob die Cloud eigentlich im Ausland liegt . Die Anwaltschaft ist zweifelsohne gut beraten, in Zu- kunft generell und ausnahmslos eine Einwilligung zur externen Datenverarbeitung einzuholen, um kein Risiko einzugehen . Ob unter diesen Umständen der Mandant allerdings noch „Herr des Geheimnisses“ ist, wie Sie in Ihrer Begründung schreiben, wage ich zu bezweifeln . Die Mandanten werden schließlich keine Rechtsbera- ter mehr finden, die diese Einwilligung nicht anfordern und anfordern müssen, weil sie selbst im Zeitalter des elektronischen Rechtsverkehrs die Geheimhaltung nicht mehr garantieren können . Und damit sind wir wieder bei der Quadratur des Krei- ses . Es ehrt Sie das Bemühen darum, aber es bleibt eine halbgare Lösung . Die Mandanten blieben nur dann „Herr des Geheim- nisses“, wenn sie wirklich die Auswahl hätten, ob ihre intimsten Daten in den Tiefen des Netzes unterwegs sein sollen oder nicht . Die Einwilligungslösung wäre dann eine echte Lösung, wenn sie sich auch auf die Teilnah- me am elektronischen Rechtsverkehr generell erstrecken würde . Eine breite Mehrheit hat sich nun aber für die gesetzliche Teilnahmepflicht ab dem 1. Januar 2018 ent- schieden . Vor diesem Hintergrund ist Ihr heutiger Gesetzentwurf zumindest folgerichtig . Weil er aber die grundlegenden Fragen nicht beantwortet und neue Grauzonen schafft, werden wir uns heute dazu enthalten . Und eine letzte Anmerkung kann ich Ihnen nicht er- sparen: Mit den Regelungen zur Onlinedurchsuchung und zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die Sie in der letzten Woche verabschiedet haben, haben Sie den Berufsgeheimnisschutz, den Sie hier heute stär- ken wollen, völlig konterkariert . Mit dem neuen § 100d Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25101 (A) (C) (B) (D) Absatz 5 StPO haben Sie festgeschrieben, dass das Be- weiserhebungsverbot für die Berufshelfer bei den neuen Überwachungsmaßnahmen nur ein relatives sein soll . Bei einer entsprechenden Abwägung soll sich der Staat darüber hinwegsetzen können . Dieses neue Einfallstor steht im unmittelbaren Wider- spruch zu § 53a StPO, wonach Berufshelfer und mitwir- kende Personen den Geheimnisträger gleichgestellt sind . Um diesen Widerspruch zu beseitigen, braucht es defi- nitiv keine Quadratur des Kreises, sondern lediglich die Streichung der Norm . Wenn Sie das nicht selbst erledigen, bin ich zuver- sichtlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht einmal mehr des Problems annehmen wird . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchfüh- rung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (Zusatzordnungspunkt 10) Josef Göppel (CDU/CSU): Mit diesem Gesetz kommt Deutschland der Verpflichtung nach, die EU‑Ver- ordnung (EU) Nr . 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in nationales Recht umzusetzen . Welche Tier‑ und Pflanzenarten als invasiv gelten, wird in der europaweit gültigen sogenannten „Unions- liste“ festgelegt . Aktuell wurde die Liste auf insgesamt 49 Arten erweitert. Die dort genannten Tier‑ und Pflan- zenarten dürfen EU-weit nicht eingeführt, gehalten, ge- züchtet, verwendet, in Verkehr gebracht oder freigesetzt werden . Zudem ist deren Vermehrung untersagt . Ausnahmegenehmigungen können aber vom Bun- desamt für Naturschutz erteilt werden . Künftig braucht jeder Halter von Exemplaren invasiver Tierarten eine Berechtigung . Diese kann vorliegen, wenn eine Person diese Tiere vor ihrer Einstufung als „invasiv“ bereits in Besitz hatte . Auch für Forschungszwecke kann der Be- sitz zugelassen werden . Deutschland muss nun ein Ge- nehmigungssystem für die Haltung von invasiven Arten einrichten . Auch für die zoologischen Gärten ist es wichtig, dass die bereits gehaltenen, als invasiv geltenden Arten keiner Ausnahmegenehmigung bedürfen . Die Formulierung: „Eine Genehmigung ist für Bestände invasiver Tierarten nicht erforderlich, die vor dem 3 . August 2016 gehalten wurden, sich unter Verschluss befinden und in denen kei- ne Vermehrung stattfindet“, ist eine Änderung, die in den parlamentarischen Beratungen erzielt wurde . Sie bietet Rechtssicherheit für die Altbestände in Zoos . Unstrittig bleibt aber, dass auch Zoos eine Genehmigung benöti- gen, wenn sie die Fortpflanzung von Exemplaren einer invasiven Art zulassen . Weiterhin sind Verfahren zur Erstellung der Aktions- pläne und der Festlegung von Managementmaßnahmen festzulegen . Es muss in erster Linie darum gehen, prä- ventiv gegen die Ausbreitung von invasiv gebietsfrem- den Arten vorzugehen . Daher sind die Kontroll- und Managementmaßnahmen je nach Ausbreitungsgebiet länderspezifisch auszugestalten. Die konkrete Umset- zung von Managementmaßnahmen kann nur artspezi- fisch erfolgen und muss auf die regionalen Unterschiede eingehen . Daher werden weitere Ermächtigungsgrundlagen für das Bundesumweltministerium geschaffen. Der bereits geltende § 54 BNatSchG bleibt im Absatz 9 unverändert: Rechtsverordnungen zu natürlich vorkommenden Arten brauchen das Einvernehmen mit dem Bundesministeri- um für Ernährung und Landwirtschaft, mit dem Bundes- ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie . Zur jetzt erweiterten Beseitigungs- und Management- pflicht, zu der Überwachung und zu den neuen Kon‑ trollen gebietsfremder invasiver Arten soll es im Natur- schutzgesetz weiter heißen: Rechtsverordnungen für invasive Tier‑ und Pflan- zenarten bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- struktur . Rechtsverordnungen zur Durchführung der amtlichen Kontrollen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Land- wirtschaft . Es gilt aber weiterhin, dass der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft auch für gebietsfrem- de, invasive Arten genehmigungsfrei bleibt . Dort muss aber die sogenannte „gute fachliche Praxis“ eingehalten werden . Was bei Neupflanzungen im Rahmen von Ausgleichs- maßnahmen als gebietseigene Herkunft gilt, wird nun ebenfalls geregelt . Als gebietseigen gelten einheimische Sippen, die sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum an die lokalen Bedingungen an- gepasst haben . Sie unterscheiden sich genetisch von Po- pulationen der gleichen Art in anderen Naturräumen . Um die Produktion, den Handel und die Verwendung von ge- bietseigenen Gehölzen zu erleichtern, sind Regelungen zur Anerkennung von Erntevorkommen vorgesehen . Bereits auf Ebene der Länder eingeführte, regional kleinteiligere Regelungen als im gemeinsamen Leitfaden zur Gebietsabgrenzung von Gehölzen des BMUB und BMEL werden aufgehoben . Das Forstvermehrungsgut- gesetz und Rechtsverordnungen für die Anpflanzung von Gehölzen in der Forstwirtschaft bleiben unberührt . Nicht so einfach ist die Regelung für Tiere . Bis zuletzt gab es besonderen Gesprächsbedarf, was die Änderung des Jagdrechts betrifft. Zweifelsohne können Jagdpächter zu Verbündeten beim Management unerwünschter Ein- dringlinge werden . Mit der Möglichkeit einer Entschä- digung von Naturschutzmaßnahmen – also einer Kosten- erstattung über die Ländergesetzgebung – können Jäger gezielter zu Gemeinwohlleistungen animiert werden . Sollte ein Bundesland stärker auf nicht tödliche Maßnah- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725102 (A) (C) (B) (D) men setzen, wie Hessen bei der Kastration von Waschbä- ren, bleiben die Rechte der Jagdausübungsberechtigten unbeschnitten . Auch ohne den Einsatz jagdlicher Mittel ist Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Jäger zu nehmen . Ebenso werden dem Fischereirecht unterliegen- de Maßnahmen im Einvernehmen mit den nach Landes- recht für Fischerei zuständigen Behörden festgelegt . Das Einvernehmen mit jedem Jagd- und Fischereiberechtig- ten dürfte für die Behörden schwierig werden . Ich habe die Einbeziehung der Hegegemeinschaften und Teichge- nossenschaften für sinnvoller gehalten . Carsten Träger (SPD): Mit dem Durchführungsge- setz setzen wir die EU-Verordnung über die Prävention und das Management gegen Einbringung und Ausbrei- tung invasiver gebietsfremder Arten in deutsches Recht um . Invasive Arten sind eine Bedrohung für unsere heimi- schen Tiere und Pflanzen und damit für unsere Ökosyste- me . Sie machen nicht an Landesgrenzen halt und deshalb können wir nur europaweit eine sinnvolle Lösung finden. Es gibt dafür die sogenannte Unionsliste, auf der Ar- ten gelistet sind, gegen die am dringendsten vorgegangen werden muss . Bisher waren dies 37 Arten; aktuell sind zwölf weitere Tier‑ und Pflanzenarten dazugekommen. Diese 49 Arten dürfen nicht in die EU eingeführt, dort gehalten oder gezüchtet werden . Auch die Vermehrung ist bis auf wenige Ausnahmen verboten . Ich bin nicht ganz glücklich mit der Liste . Es ist ja kein Geheimnis, dass zum Beispiel der Waschbär in Deutsch- land schon weit verbreitet ist . Deshalb war Deutschland dagegen, den Waschbären zu listen . Denn grundsätzlich ist es sehr viel sinnvoller, präventiv vorzugehen und die Ausbreitung noch nicht so weit verbreiteter Arten einzu- dämmen, statt gegen etablierte Arten vorzugehen . Aber es ist eben eine EU-Liste, die in Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entsteht, und ich stehe zu dem Vorgehen . Die Bundesländer bekommen mit dem Durchfüh- rungsgesetz nun die rechtliche Grundlage für ihre Ma- nagementmaßnahmen an die Hand . Ich bin zuversicht- lich, dass die Länder hier mit Bedacht und Sachverstand vorgehen werden . Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch Ver- besserungen im Hinblick auf die Rechtssicherheit für Zoos erreicht . Es wird klargestellt, dass die Zoos ihre jetzigen Bestände an invasiven Tieren natürlich nicht tö- ten müssen, sondern die Tiere bis an deren Lebensende halten dürfen . Auch die Sorgen der Tierheime und Auffangstatio- nen nehme ich sehr ernst . Die Tierheime platzen aus allen Nähten, zum Beispiel mit Schmuckschildkröten . Ich halte es für angemessen, dass es – auch bei strengen Regelungen, was die invasiven Arten angeht – möglich sein muss, die Tiere an Privathalter abzugeben, insofern eine Fortpflanzung und natürlich das Entkommen ausge- schlossen ist . Die Länder haben bereits signalisiert, dass sie im Rahmen ihrer Managementmaßnahmen die Wei- tergabe an Privathalter weiter ermöglichen wollen . Das begrüße ich sehr . Im Sinne des Tierschutzes bin ich auch sehr offen für das Ausweiten nicht tödlicher Maßnahmen, etwa Kas- trationsmaßnahmen . Dies muss natürlich alles verhält- nismäßig sein und in Abstimmung der Verantwortlichen vor Ort erfolgen . Es ist gut, dass wir das Durchführungsgesetz beschlie- ßen und damit die Zuständigkeiten in Deutschland für unser europaweites Vorgehen gegen invasive Arten klar festlegen . Jetzt sind die Länder am Zug . Birgit Menz (DIE LINKE): Bei gebietsfremden Ar- ten – egal ob Tier oder Pflanze – besteht die Gefahr, dass diese negative Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt haben können bzw. diese im schlimmsten Fall verdrängen . Wie das Bundesamt für Naturschutz in seinem Hand- buch für invasive Arten bekannt gibt, existieren in Deutschland derzeit etwa 168 Tier‑ und Pflanzenarten, die nachweislich negative Auswirkungen auf die hiesige Flora und Fauna haben . Innerhalb der gesamten EU geht man von etwa 12 000 gebietsfremden Arten aus, von de- nen etwa 15 Prozent als invasiv eingestuft werden . Allein aus Gründen des Natur- und Artenschutzes ist es daher zu begrüßen, dass es zukünftig einen einheitlichen Rahmen zum Umgang mit als invasiv eingestuften Tieren und Pflanzen geben soll. Auf der vor kurzem aktualisierten Unionsliste be- finden sich derzeit 49 Arten, gegen deren Ausbreitung verstärkt Maßnahmen getroffen werden sollen. Darunter sind auch 26 Tierarten, wobei 12 davon in Deutschland als etabliert gelten . Grund genug also, um sich auch in der Gesetzgebung verstärkt mit tierschutzpolitischen As- pekten auseinanderzusetzen . Doch wie so oft vernachlässigt bzw . übergeht die Bundesregierung auch im vorliegenden Entwurf diesen wichtigen Punkt . Um das zu verdeutlichen: Tierschutz ist seit mittlerweile 15 Jahren im Grundgesetz als Staats- ziel verankert, und die Bundesregierung schafft es immer noch nicht, diesen Bereich in der Gesetzgebung adäquat zu berücksichtigen . Im Zusammenhang mit der Eindämmung invasiver Arten wird im Gesetz das Wort „beseitigen“ bzw . „be- seitigen lassen“ verwendet, ohne zu differenzieren, ob es hier um Pflanzen oder Tiere geht. Damit werden tödli- che Maßnahmen nicht ausgeschlossen . In einem Land, in dem der Tierschutz „angeblich“ Verfassungsrang ge- nießt, darf dies jedoch nur das äußerste Mittel sein . Die Linke fordert daher – wie wir es in unserem An- trag auch deutlich gemacht haben –, im Gesetz klarzu- stellen, dass der Fokus bei der Eindämmung einer inva- siven Tierart auf tierschutzgerechten und nicht tödlichen Maßnahmen liegen muss . Bei vielen bereits etablierten Arten – wie beispiels- weise dem Waschbär – sind Eindämmungsmaßnahmen zudem völlig sinnlos, und die Aussicht auf Erfolg ist eher gering . Ressourcen und Mittel sollten daher eher für prä- ventive Maßnahmen eingesetzt werden, die eine weitere Ausbreitung invasiver Arten bzw . die Neueinschleppung verhindern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 2017 25103 (A) (C) (B) (D) Ein weiterer Beleg für die bisher unzureichenden tier- schutzpolitischen Ambitionen der Bundesregierung ist, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, ob und inwieweit Tierheime oder private Tierauffangstationen Tierarten der Unionsliste wie beispielsweise Waschbären oder Schmuckschildkröten weiterhin aufnehmen, vermitteln oder versorgen dürfen . Dieser Aspekt fehlt im Gesetzent- wurf vollkommen, und das, obwohl Tierheime und Tie- rauffangstationen einen Großteil der gesellschaftlichen Aufgabe im Bereich Tierschutz übernehmen . Immer mehr und insbesondere „exotische“ Tierarten werden ab- gegeben, wobei deren Verweildauer steigt . Hinzu kom- men nötig werdende Sanierungs- und Ausbaumaßnah- men, um eine möglichst art- und tiergerechte Betreuung garantieren zu können und bautechnischen Vorschriften zu genügen . Um all das zu gewährleisten, ist ein hoher finanzieller Aufwand nötig, der viele Tierheime – finan- ziell alleingelassen – bis an den Rand der Existenz treibt . Mit der Umsetzung der EU-Verordnung hätte die Bun- desregierung die Chance gehabt, den Tierheimen nicht nur ein vernünftiges Regelwerk in Bezug auf den Um- gang mit invasiven Arten zu geben, sondern dafür auch entsprechende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, da- mit diese zukünftig eine tierschutzgerechte Versorgung garantieren können . Die Linke sieht Bund, Länder und Kommunen – un- abhängig vom hier debattierten Gesetzentwurf – gemein- sam in der Pflicht, Finanzmittel für notwendige Investiti- onen für Tieraufnahmeeinrichtungen bereitzustellen und Wege zu ebnen, um eine tierschutzgerechte Versorgung zu ermöglichen sowie die außerordentliche Arbeit der Tierheime hinreichend zu unterstützen . Lassen Sie mich abschließend noch einen Satz zur Be- teiligung der Öffentlichkeit verlieren. Die derzeitige Re- gelung, wonach bei der Vorbereitung von Aktionsplänen oder Managementmaßnahmen lediglich Naturschutzver- bände einbezogen werden, ist aus unserer Sicht nicht zu akzeptieren . Da von den Maßnahmen insbesondere auch verschiedene Tierarten betroffen sind, ist eine Auswei- tung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf anerkannte Tier- schutzorganisationen unbedingt nötig, die wir hiermit nachdrücklich fordern . Nach vier Jahren tappt die Bundesregierung tier- schutzpolitisch weiter im Dunkeln . Eines wurde mit dem Entwurf und in vielen anderen Initiativen der Bundesre- gierung deutlich: Tierschutz genießt in der Bundesregie- rung trotz Verfassungsrang keine besonders hohe Prio- rität. Hoffen wir, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Durchführungsgesetz kommt die Bun- desregierung der Verpflichtung nach, die EU‑Verordnung über die Prävention und das Management der Einbrin- gung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in deutsches Recht umzusetzen . Das ist richtig und wichtig, da gebietsfremde invasive Arten eine zunehmende Be- drohung für die biologische Vielfalt darstellen . Es soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die existenziel- len Bedrohungen für die Artenvielfalt insbesondere von der Klimakrise und der industriellen Landwirtschaft aus- gehen . Aber auch die gebietsfremden invasiven Arten sind eine zunehmende Bedrohung . Doch nicht nur das, auch schädliche Effekte auf die menschliche Gesundheit gehen mit deren Ausbreitung einher . Der sogenannte Bärenklau ist sicherlich allen hier bekannt; aber auch Krankheitser- reger, die durch invasive Tierarten zu uns gelangen und in unseren Breitengraden bisher nicht verbreitet waren, werden zunehmend zum Problem . Im Zuge der Klimakrise wird sich diese Bedrohungs- lage sowohl für die heimische Flora und Fauna als auch für die menschliche Gesundheit weiter verschärfen, sei es durch die Ausbreitung der Malariamücke in Süddeutsch- land oder die Verdrängung heimischer Muschelarten im Wattenmeer durch die Pazifische Auster. Dass die Bundesregierung in der letzten Sitzungswo- che der Legislaturperiode endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, liegt jedoch nicht daran, dass sie die drän- genden Probleme für die biologische Vielfalt erkannt hat, sondern vielmehr an einem drohenden Vertragsverlet- zungsverfahren durch die Europäische Union . Es wäre ja auch nicht das erste Vertragsverletzungsverfahren, wel- ches gegen diese Bundesregierung im Bereich des Natur- schutzes anhängig wäre . Der nun vorliegende Gesetzentwurf hat solche gravie- renden handwerklichen Fehler, dass es besser gewesen wäre, heute nicht darüber abzustimmen . Und dann setzen die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit ihrem Änderungsantrag noch eins drauf und konterkarieren mit einem Vetorecht für Nutzer den Ur- sprungsgedanken der Verordnung . In der letzten Woche haben Sie sich hier allesamt gegenseitig dafür gratuliert, wie Sie als Parlamentarier den Meeresschutz vor dem Angriff der Nutzerinteressen und gegen den Entwurf der Bundesregierung verteidigt haben, indem Sie – wie von Grünen und Umweltverbänden seit Monaten einge- fordert – die Einvernehmensregelung für Nutzerressorts zurückgezogen und die Benehmensregelung beibehalten haben . Eine Woche später scheint dies jedoch vergessen, und durch eine ähnliche Regelung im vorliegenden Ge- setzentwurf führen Sie den Naturschutzgedanken ad absurdum . Jagdliche und Fischereimaßnahmen gegen invasive Tierarten sollen nur mit Zustimmung der Jagd- ausübenden und Fischereiausübungsberechtigten durch- führbar sein . Das bedeutet, dass Einzelpersonen eine effektive Bejagung invasiver Arten dauerhaft blockieren und damit den Schutz der heimischen Tierwelt gefährden könnten . Sie führen hier allen Ernstes bei der Anordnung von hoheitlichen Ausführungsbestimmungen eine Ein- vernehmensregelung für private Nutzer ein?! Das ist ein haarsträubendes Verständnis unseres Rechtssystems . Das sieht übrigens nicht nur die grüne Bundestagsfraktion sehr kritisch, sondern auch das Bundesjustizministerium . Es ist unbestritten sinnvoll, bei der Umsetzung eines erfolgreichen Wildtiermanagements auf eine Einigung mit allen wichtigen Akteuren wie Naturschutzfachleuten, Tierschutzorganisationen und Jagd- oder Fischereiaus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 243 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 29 . Juni 201725104 (A) (C) (B) (D) übenden hinzuwirken . Falls dies nicht gelingt, muss die Jagdbehörde aber am Ende ein wirksames Anordnungs- recht für nötige Maßnahmen haben, um handlungsfähig zu bleiben und das Gemeinwohl zu wahren . Die Große Koalition will durch ihren Änderungsantrag genau das verhindern . Darüber hinaus schaffen Sie mit dem Gesetzentwurf Rechtsunsicherheiten für Tierschutzorganisationen, Tier- heime, Auffangstationen, zoologische Gärten und Privat- halter . Es ist unklar, inwiefern und unter welchen kon- kreten Bedingungen sie diese als invasiv gelisteten Tiere weiterhin aufnehmen, pflegen oder weitervermitteln kön- nen . Hier ist es dringend nötig, nachzubessern und für rechtliche Sicherheit und Klarheit zu sorgen . Gleiches gilt im Übrigen auch für die fehlenden Vor- gaben bei Managementmethoden . Insgesamt muss es darum gehen, präventiv die Ein- und Ausbringung von invasiven Arten einzudämmen bzw . zu verhindern und nicht erst anzusetzen, wenn sich die Tiere oder Pflanzen bereits ausgebreitet haben . Tierschutzgerechte und nicht tödliche Maßnahmen müssen dabei immer Priorität ha- ben . Aufgrund all dieser Mängel wird meine Fraktion die- sen eigentlich dringend nötigen, aber in seiner Ausfüh- rung absolut inakzeptablen Gesetzentwurf ablehnen . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Weltweit gelten invasive Arten, also Arten, die durch den Einfluss des Menschen in ein neues Verbreitungsgebiet gelangt sind und in ihrer neu- en Umgebung negative Auswirkungen auf andere Arten oder Biotope haben, als zweitgrößte Gefährdung für die biologische Vielfalt, übertroffen nur durch die Gefahr durch die Zerstörung der natürlichen Lebensräume . Auf internationaler Ebene ist die Bekämpfung inva- siver Arten daher Gegenstand vielfältiger Bemühungen . Insbesondere haben sich die Vertragsparteien im Rah- men des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) verpflichtet, die Einbringung nichtheimischer Arten, welche Ökosysteme, Lebensräume oder andere Arten gefährden, nach Möglichkeit zu verhindern bzw . diese Arten zu kontrollieren oder zu beseitigen . Die europäischen Naturschutzrichtlinien enthalten nur Verpflichtungen zum Schutz der Tier‑ und Pflanzenwelt vor der Ansiedlung nichtheimischer Arten . Mit der Verabschiedung der EU-Verordnung über in- vasive gebietsfremde Arten hat die Europäische Union auf der Basis der CBD-Empfehlungen umfangreiche Regelungen zur Prävention, Minimierung und Abschwä- chung der nachteiligen Auswirkungen dieser Arten erlas- sen . Viele der auf der zugehörigen sogenannten Unions- liste aufgeführten invasiven Tier‑ und Pflanzenarten, etwa der Waschbär, sind auch in Deutschland weit verbreitet . Dass sich die Einbringung ursprünglich aus Nordame- rika stammender Krebse in unseren Gewässern als äu- ßerst problematisch erwiesen hat, da sie Überträger der für einheimische Flusskrebsarten tödlichen „Krebspest“ sind, dürfte hingegen eher nur Fachleuten bekannt sein . Deutschland ist verpflichtet, Maßnahmen zum Ma- nagement invasiver Arten der Unionsliste zu erlassen und die in der EU-Verordnung enthaltenen Verbote, etwa in Bezug auf den Handel, die Haltung und Zucht oder die Freisetzung in die Umwelt, durchzusetzen . Der Ihnen vorliegende Entwurf für ein Durchfüh- rungsgesetz enthält die notwendigen gesetzlichen Rege- lungen, um den Vollzug der EU-Verordnung über inva- sive gebietsfremde Arten in Deutschland einzurichten . Die Änderungen betreffen die artenschutzrechtlichen Vorschriften in Kapitel 5 des Bundesnaturschutzgeset- zes . Zudem wird eine ergänzende Regelung im Jagdrecht vorgenommen . Insbesondere werden die Zuständigkeiten geregelt so- wie die erforderlichen Eingriffsbefugnisse für die zustän- digen Behörden zur Verfügung gestellt . Außerdem wird das Verfahren zur Erstellung der durch die EU-Verord- nung geforderten Aktionspläne und zur Festlegung von Managementmaßnahmen geregelt . Weiterhin wird unter anderem ein Genehmigungssys- tem für die Zulassung von Forschung an invasiven Arten und die Ex-situ-Erhaltung eingerichtet . Einer Anregung des Bundesrates folgend hat der Umweltausschuss emp- fohlen, eine Regelung aufzunehmen, die klarstellt, dass vor Inkrafttreten der Unionsliste in Zoos gehaltene Tiere bis zu ihrem Ableben dort auch weiterhin ohne Genehmi- gung gehalten werden dürfen . Die bestehenden Regelungen des Bundesnaturschutz- gesetzes zu invasiven Arten werden mit dem Gesetzent- wurf an das neue System der EU-Verordnung angepasst . Schließlich wird auch im Jagdrecht eine ergänzende Regelung zur Mitwirkung der Jagdbehörden und Jäger beim Management von dem Jagdrecht unterliegenden in- vasiven Arten aufgenommen . Wir brauchen dieses Gesetz dringend, um die unmit- telbar geltenden Regeln der EU-Verordnung vollziehen zu können . Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Ent- wurf . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 243. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 7 Regierungserklärung: Europäischer Rat und G20-Gipfel TOP 8 Strafrecht – nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen TOP 9, ZP 1-3 Abrüstungspolitik TOP 10 Bundeswehreinsatz im Mittelmeer (EUNAVFORMED) TOP 11 Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU) ZP 4 Aktuelle Stunde zur parlamentarischen Kontrolle in Zeiten der großen Koalition TOP 12 Änderung des StGB - Wohnungseinbruchdiebstahl TOP 13 Bürgerversicherung, Absicherung von Selbständigen TOP 14 Gesetz zur Förderung von Mieterstrom TOP 15 Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West TOP 16 Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL) TOP 17 Bundespolizeibeauftragtengesetz TOP 20 Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen TOP 35, 21b Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 36, 35c, ZP 5 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 6 Wahl ParlamentarischerKontrollausschuss Europol ZP 7 Wahl BeratungsgremiumStasi-Unterlagengesetz TOP 19 Bundesweiter Aktionsplan gegen Sexismus TOP 34 Baukulturbericht 2016/17 TOP 36 ddd Änderung des Aufenthaltsgesetzes TOP 22 Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad TOP 23 Änderung der Abgabenordnung TOP 24 Gesetz zur EU-Richtlinie über Versicherungsvertrieb TOP 25 Kinder- und Jugendstärkungsgesetz TOP 26, ZP 8 Unternehmen aus bürgerschaftlichem Engagement TOP 27 Freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Kindern ZP 9 Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen ZP 10 Management invasiver gebietsfremder Arten Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824300000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich und möchte vor Eintritt in die
Tagesordnung der Kollegin Marieluise Beck nachträg-
lich zu ihrem 65 . Geburtstag gratulieren . Herzlichen
Glückwunsch und alle guten Wünsche


(Beifall)


für ein unter mancherlei Gesichtspunkten ganz neues Le-
bensjahr .

Für den ausgeschiedenen Kollegen Ingbert Liebing ist
die Kollegin Marion Marga Herdan als Mitglied des
Deutschen Bundestages nachgerückt, die ich im Namen
des ganzen Hauses herzlich begrüßen möchte . Herzlich
willkommen


(Beifall)


und, soweit sich dazu noch Gelegenheiten ergeben, gute
Zusammenarbeit .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tages-
ordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten
Punkte zu erweitern – das wird Sie völlig überraschen –:

ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale

(Jahresabrüstungsbericht 2016)


Drucksache 18/11968

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale

(Jahresabrüstungsbericht 2015)


Drucksache 18/8065
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über
die Entwicklung der Streitkräftepotenziale

(Jahresabrüstungsbericht 2014)


Drucksache 18/4270
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der
Großen Koalition

ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-
sprache


(Ergänzung zu TOP 36)


a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Modernisierung des Rechts der Um-
weltverträglichkeitsprüfung

Drucksache 18/11499






(A) (C)



(B) (D)


Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (16 . Ausschuss)


Drucksache 18/12994

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Schädliche Umweltwirkungen von Geisternet-
zen und Dolly Ropes verhindern

Drucksache 18/12944

c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten
und notwendige Assistenz ermöglichen

Drucksache 18/12945

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Nationale Stelle zur Verhü-
tung von Folter

Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der
Länderkommission

Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2,
18/13007

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
der Verordnung der Bundesregierung

Verordnung zur Neuordnung der Klär-
schlammverwertung

Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2,
18/13003

f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung

Verordnung zu Ausschreibungen für
KWK-Anlagen und innovative KWK-Syste-
me, zu den gemeinsamen Ausschreibungen
für Windenergieanlagen an Land und Solar-
anlagen sowie zur Änderung weiterer Verord-
nungen

Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4,
18/12987

g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21 . Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Matthias W . Birkwald, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

Neustart für eine friedliche und gerechte Eu-
ropäische Union

Drucksachen 18/11723, 18/12919

h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21 . Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize
Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Neustart der Europäischen Union auf der
Grundlage Sozialer Menschenrechte
Drucksachen 18/12089, 18/12918

i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-
Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt
modernisieren
Drucksachen 18/12361, 18/12931

j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 454 zu Petitionen
Drucksache 18/12955

k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 455 zu Petitionen
Drucksache 18/12956

l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 456 zu Petitionen
Drucksache 18/12957

m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 457 zu Petitionen
Drucksache 18/12958

n) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 458 zu Petitionen
Drucksache 18/12959

o) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 459 zu Petitionen
Drucksache 18/12960

p) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 460 zu Petitionen
Drucksache 18/12961

q) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 461 zu Petitionen
Drucksache 18/12962

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


ZP 6 a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Gemeinsamen
parlamentarischen Kontrollausschusses
von Europol
Drucksache 18/13026

b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Gemeinsamen
parlamentarischen Kontrollausschusses
von Europol
Drucksache 18/13025

ZP 7 Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Wahl der vom Deutschen Bundestag zu
benennenden Mitglieder des Wissenschaft-
lichen Beratungsgremiums gemäß § 39a
des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
Drucksache 18/13002

ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und
Energie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae,
Dr . Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Share Economy – Ökologische Chancen
nutzen und Teilen statt Besitzen unterstüt-
zen
Drucksachen 18/11411, 18/12870

ZP 9 Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von
Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter
an der Berufsausübung schweigepflichtiger
Personen
Drucksache 18/11936
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz

(6 . Ausschuss)

Drucksache 18/12940

ZP 10 Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Durchführung der Verord-
nung (EU) Nr. 1143/2014 über die Präven-
tion und das Management der Einbringung
und Ausbreitung invasiver gebietsfremder
Arten
Drucksache 18/11942
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)

Drucksache 18/12976

ZP 11*– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts

Drucksache 18/6665

– Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers,
Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Einführung des
Rechts auf Eheschließung für Personen
gleichen Geschlechts

Drucksache 18/8

– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws,
Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Abschaffung des Eheverbots für gleichge-
schlechtliche Paare

Drucksache 18/5098

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/12989
* Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen
über die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes .

ZP 12 a) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung
der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netz-

(Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)


Drucksache 18/12356

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Verbesserung der Rechts-
durchsetzung in sozialen Netzwerken

(Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)


Drucksache 18/12727

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/13013

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Renate
Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz und Recht im Netz – Maßnah-
men gegen Hasskommentare, „Fake News“
und Missbrauch von „Social Bots“

Drucksachen 18/11856, 18/13013

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


ZP 13 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Angleichung des Urheber-
rechts an die aktuellen Erfordernisse der

(Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG)


Drucksachen 18/12329, 18/12378

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/13014

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Recht und Ver-
braucherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Petra
Sitte, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Verleihbarkeit digitaler Medien entspre-
chend analoger Werke in Öffentlichen Bib-
liotheken sicherstellen

Drucksachen 18/5405, 18/13014

ZP 14 Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Modernisierung der Netzent-

(Netzentgeltmodernisierungsgesetz)


Drucksache 18/11528

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(9 . Ausschuss)


Drucksache 18/12999

ZP 15 Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Teleme-
diengesetzes

Drucksachen 18/12202, 18/12496

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(9 . Ausschuss)


Drucksache 18/13010

Ich will jetzt gar nicht alle Änderungen der Reihe nach
vortragen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch, bitte!)


– Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion
möchte sich gerne auf den Stand der Dinge bringen las-
sen . Dem will ich gerne folgen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich zeige ihm das!)


Es gibt mehrere Beschlussempfehlungen im Zu-
sammenhang mit der Abrüstungspolitik und eine Be-
schlussempfehlung zum Thema „Unternehmen aus
bürgerschaftlichem Engagement“ . Es gibt fünf Be-
schlussempfehlungen zu Gesetzentwürfen: zur Einfüh-

rung des Rechts auf Eheschließung für Personen glei-
chen Geschlechts*1), zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz,
zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, zum
Netzentgeltmodernisierungsgesetz und zu Änderungen
des Telemediengesetzes . Dann gibt es noch jeweils ohne
Debatte eine Reihe von Anträgen und Beschlussemp-
fehlungen zu Gesetzen; die entsprechenden Unterlagen
liegen wie immer draußen an den Tischen im Foyer aus .

Der Tagesordnungspunkt 21 a – hier geht es um den
Gesetzentwurf zum Wahlrecht für Menschen mit Be-
hinderung – soll abgesetzt und stattdessen der Tages-
ordnungspunkt 36 ddd – Gesetzentwurf zur Änderung
des Aufenthaltsgesetzes – mit einer Debattenzeit von
25 Minuten abschließend beraten werden . Der Tages-
ordnungspunkt 21 b soll zusammen mit dem Tagesord-
nungspunkt 35 – das sind die Überweisungen ohne De-
batte – aufgerufen werden .

Des Weiteren sollen die Tagesordnungspunkte 36 ee –
Entschließungsantrag zum Jahresbericht 2016 des Wehr-
beauftragten –, 36 qq – Änderungsgesetz zur Zahlbar-
machung von Ghettorenten –, 36 zz – Familiennachzug
zu anerkannten Flüchtlingen –, 36 ccc – Gentechnikge-
setz – sowie 36 kkk und 36 mmm – Verwendung von
Glyphosat – und 36 nnn – Gentechnikfreiheit – abgesetzt
werden . Sie sehen alleine an den Abkürzungen, dass wir
uns mit großen Schritten dem Finale einer bemerkens-
werten Legislaturperiode nähern und noch einmal eine
abschließende Priorisierung der verabschiedungsreifen
und noch nicht ganz so weit gediehenen Gesetzentwürfe
und Anträge vorgenommen haben .

Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkte-
liste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs .

Ich frage Sie, ob Sie mit all diesen Vereinbarungen
so einverstanden sind? – Das ist offensichtlich der Fall.
Dann können wir so verfahren .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zum Europäischen Rat am 22. und 23. Juni
2017 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am
7. und 8. Juli 2017 in Hamburg

Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 96 Minuten vorgesehen. – Auch das findet offen-
kundig allgemeine Zustimmung . Dann verfahren wir so .

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Frau Merkel .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


*) Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen über die Aufset-
zung dieses Zusatzpunktes .

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1824300100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat hat in
der vergangenen Woche in Brüssel ein Signal der Tatkraft
und der Zuversicht abgegeben . Wir haben bei diesem Rat
alle spüren können, dass Europa bei den wichtigen Fra-
gen unserer Zeit vorankommt und wieder optimistischer
in die Zukunft schaut . Das ist auch der intensiven Ab-
stimmung zwischen Deutschland und Frankreich zu ver-
danken, aber auch dem Geist der Zusammenarbeit und
des Zusammenhalts, der bei allen Beteiligten zu spüren
war .

Wir haben uns beim letzten Europäischen Rat mit ei-
ner ganzen Reihe wichtiger Themen beschäftigt, die alle
eines gemeinsam haben: Sie sind alle mitentscheidend
für die Frage, welche Rolle Europa zukünftig in der Welt
spielen wird . Der Kampf gegen den Klimawandel, die
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die
Chancen von Globalisierung und Digitalisierung, die
Ursachen von Flucht und Migration – keine dieser He-
rausforderungen macht heutzutage vor irgendwelchen
Ländergrenzen halt .

Deshalb gilt heute mehr als je zuvor: Wer glaubt, die
Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektio-
nismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen
Irrtum .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die richtigen Ant-
worten auf die zentralen Fragen unserer Zeit zu finden.
Das gilt für die G 20 genauso wie für die Europäische
Union . Deshalb war es sehr wichtig, dass sich der Euro-
päische Rat in der vergangenen Woche nicht nur mit dem
erforderlichen Ehrgeiz, sondern auch mit der gebotenen
Ruhe und Konzentration den bevorstehenden Aufgaben
gewidmet hat .

Spätestens seit dem Referendum in Großbritannien
zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union vor
einem Jahr spürt man einen neuen Geist des Zusammen-
halts der zukünftig 27 Mitgliedstaaten der Europäischen
Union . Nach den oft schwierigen und manchmal auch
dramatischen Situationen, die wir in Europa in den ver-
gangenen Jahren erlebt haben, ist dies für mich ein klarer
Ausdruck der Tatkraft unserer Union . Europa hat in der
Vergangenheit bewiesen, dass es immer wieder gemein-
same überzeugende Lösungen finden kann, und seien die
Verhandlungen noch so zäh und noch so mühsam .

Heute können wir feststellen, dass es Europa wirt-
schaftlich wieder deutlich besser geht . Das haben sowohl
Herr Draghi von der Europäischen Zentralbank als auch
Jean-Claude Juncker so eingeschätzt . Dieses Jahr können
alle 28 Mitgliedstaaten wieder mit positivem Wachstum
rechnen . Die Arbeitslosenquote ist in der Europäischen
Union so niedrig wie seit acht Jahren nicht mehr . Nach
Angaben der Europäischen Kommission wurden seit
2013 europaweit 10 Millionen neue Arbeitsplätze ge-
schaffen. Die Beschäftigungsquote ist auf dem höchsten
Stand aller Zeiten angelangt . Das sind Erfolge, die Eu-

ropa noch vor wenigen Jahren kaum jemand zugetraut
hätte . Das sind Erfolge, die darauf gründen, dass Europa
immer dann, wenn es tatsächlich darauf ankommt, in der
Lage ist, gemeinsam zu handeln .

Es ist genau diese Fähigkeit zu gemeinsamen Lösun-
gen, zu Kompromissen, bei denen die Vorteile die Nach-
teile überwiegen, die Europa ausmacht . Diese Fähigkeit
zeigt, dass es um den Zusammenhalt der Europäischen
Union deutlich besser bestellt ist, als es manche hitzige
Debatte vermuten lässt .

Im März haben wir dieses Gemeinschaftsgefühl bei
den Feierlichkeiten zum 60 . Jahrestag der Unterzeich-
nung der Römischen Verträge deutlich erfahren können .
Genauso ist es mit den gerade begonnenen Verhandlun-
gen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen
Union . Auf diese Verhandlungen sind wir, die zukünftig
27 Mitgliedstaaten, und die europäischen Institutionen
hervorragend vorbereitet . Wir stehen eng zusammen .
Doch so intensiv wir die Verhandlungen mit Großbritan-
nien auch führen werden, so sehr sind wir gemeinsam
auch davon überzeugt, dass für uns Vorrang hat, die ei-
gene Zukunft in der Europäischen Union zu gestalten –
Brexit hin oder her .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gerade wir in Deutschland haben im Übrigen ein urei-
genes Interesse daran, dass Europa auch in Zukunft zu-
sammenhält . Wir wissen, dass es auch Deutschland auf
Dauer nur dann gut geht, wenn es auch Europa gut geht .

Parallel zu den Austrittsverhandlungen mit Groß-
britannien müssen und werden wir nach vorne blicken
und gemeinsam intensiv daran arbeiten, die Europäische
Union weiter zu verbessern . Deshalb haben wir uns beim
Europäischen Rat für eine Vertiefung des Binnenmarktes
ausgesprochen, und zwar insbesondere in dem wichtigen
Bereich der Digitalisierung . Das umfasst auch die hohe
Bedeutung, die wir anspruchsvollen Freihandelsabkom-
men beimessen; denn der Welthandel ist für den Wohl-
stand in Europa von überragender Bedeutung . Mit den
Freihandelsabkommen kann es gleichzeitig gelingen,
uns auch künftig besser vor unfairen Handelspraktiken
zu schützen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Wolfgang Gunkel [SPD] – Zuruf von der LINKEN: Na ja!)


Entscheidend für den Erfolg Europas ist und bleibt
die deutsch-französische Zusammenarbeit . Wie gut die
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich,
aber auch mit anderen europäischen Partnern funktio-
niert, das hat sich beim zurückliegenden Europäischen
Rat auch gezeigt . Alle zukünftigen 27 Mitgliedstaaten
der Europäischen Union haben sich beispielsweise nach
intensiver gemeinsamer Vorbereitung mit Frankreich un-
missverständlich zum Pariser Klimaschutzabkommen
bekannt .

Die Europäische Union steht uneingeschränkt zu ih-
rer Zusage von Paris und wird das Abkommen zügig und
entschlossen umsetzen . Mehr noch: Seit der Entschei-
dung der Vereinigten Staaten von Amerika, das Klimaab-






(A) (C)



(B) (D)


kommen von Paris zu verlassen, sind wir entschlossener
denn je, es zum Erfolg zu führen . Es steht außer Zweifel:
Wir alle, auch Deutschland, haben dazu selbstverständ-
lich unsere Hausaufgaben zu machen . Und da gibt es
auch bei uns noch einiges zu tun . Das weiß ich sehr wohl .
Das Entscheidende aber ist doch, dass wir unsere Ziele
erreichen wollen, weil wir wissen, dass wir sie erreichen
müssen, weil wir davon überzeugt sind, dass der Klima-
wandel eine der größten Menschheitsherausforderungen
ist, eine für uns alle auf der Welt existenzielle Heraus-
forderung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man auch etwas tun!)


Wir wollen und müssen diese existenzielle Herausforde-
rung bewältigen . Und wir können und werden nicht da-
rauf warten, bis auch der Letzte auf der Welt von den
wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf den Kli-
mawandel überzeugt werden konnte . In einem Wort: Das
Pariser Abkommen ist unumkehrbar, und es ist nicht ver-
handelbar .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen und wir werden gemeinsam unsere Erde
schützen und damit zugleich die wirtschaftlichen Chan-
cen für Wohlstand und nachhaltiges Wachstum erkennen
und nutzen, die sich aus der Umsetzung dieses Abkom-
mens ergeben . Wir werden als Europäische Union unse-
rer Verantwortung dabei gerecht werden, vorneweg die
besonders betroffenen ärmsten und verletzlichsten Län-
der bei der Anpassung an den Klimawandel und beim
Klimaschutz zu unterstützen .

Meine Damen und Herren, beim Europäischen Rat
haben wir darüber hinaus auch vereinbart, dass Europa
bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und
in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspo-
litik mehr Verantwortung übernehmen und noch enger
zusammenarbeiten muss . Auch hier arbeiten Deutsch-
land und Frankreich sehr eng zusammen . Eine stärkere
europäische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik
geschieht ausdrücklich – und zwar im besten eigenen
europäischen Interesse – nicht in Konkurrenz, sondern
in Ergänzung zur NATO . Unser europäischer sicherheits-
politischer Ansatz geht weit über den rein militärischen
der NATO hinaus . Er umfasst, dass immer auch ziviles
und entwicklungspolitisches Engagement nötig ist, um
Krisen zu bewältigen, Konflikte zu befrieden und Flucht-
ursachen zu bekämpfen .

Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir beim
letzten Europäischen Rat auch den gegenwärtigen Stand
unserer Migrations- und Flüchtlingspolitik beraten ha-
ben . Dieser Bereich gehört ohne jeden Zweifel zu denen,
in denen Europa weit, weit hinter seinen Möglichkeiten
bleibt . Es sind weitere gemeinsame Schritte sowohl in-
nerhalb der Europäischen Union als auch bei der Zusam-
menarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten nötig .
Darauf werde ich auch weiter drängen .

Meine Damen und Herren, der französische Präsident
Emmanuel Macron und ich haben darüber hinaus ver-

einbart, einen Fahrplan für die mittelfristige Perspektive
einer Vertiefung der Europäischen Union und insbeson-
dere auch einer Vertiefung der Euro-Zone zu entwickeln .
Mir ist sehr wichtig, dass hierfür die Rahmenbedingun-
gen stimmen . Das bedeutet: Risiken, Haftung und Ent-
scheidungsmöglichkeiten sollten weiterhin in einer Hand
bleiben .

Natürlich wird es bei einer Vertiefung der Euro-Zone
viele Fragen geben, die sich nicht über Nacht klären las-
sen . Wichtig ist aber, dass wir gemeinsam mit Frankreich
daran arbeiten; denn wir sind uns beide im Klaren, dass
die Interessen Deutschlands und die Interessen Frank-
reichs auf das Engste miteinander verbunden sind, wenn
es um die Zukunft Europas geht .

Vorgelebt hat das im Übrigen der große Europäer
Helmut Kohl, ohne den das heutige Europa überhaupt
nicht vorstellbar wäre .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Helmut Kohl wusste, dass auch Deutschland nur dann
erfolgreich sein kann, wenn auch Europa erfolgreich ist .
Er wusste, dass ein erfolgreiches Europa auf ein star-
kes Frankreich und auf eine enge deutsch-französische
Zusammenarbeit angewiesen ist . Helmut Kohl war ein
Glücksfall für uns Deutsche, und er war ein Glücksfall
für Europa .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Helmut Kohl verstand, dass die Einheit Deutschlands
in Frieden und Freiheit untrennbar mit der Einheit Eu-
ropas in Frieden und Freiheit verbunden war, und er hat
sich um beide Ziele wie kaum ein anderer verdient ge-
macht. Ich finde es deshalb eindrucksvoll und sehr be-
rührend, dass übermorgen in Straßburg erstmals in der
europäischen Geschichte ein europäischer Trauerakt im
Gedenken an einen großen europäischen Staatsmann
stattfindet, an den Kanzler der Einheit und Ehrenbürger
Europas Helmut Kohl .

Ich meine, wir sollten versuchen, die Zukunft Euro-
pas mit demselben Mut und derselben Entschlossenheit
in Angriff zu nehmen, wie er dies einst getan hat. Das
verstehe ich als das Vermächtnis, das er uns und nachfol-
genden Generationen hinterlässt . Dieses Vermächtnis ist
umso bedeutender, als wir heute in einer globalisierten
Welt leben, in der wir uns immer weniger darauf verlas-
sen können, dass andere die Probleme für uns lösen .

Die Welt wartet nicht auf uns Europäer, und Europa
wird nicht umhinkommen, sein Schicksal stärker in die
eigene Hand zu nehmen und in Zukunft deutlich mehr
Verantwortung in der Welt zu übernehmen als in der
Vergangenheit . Wenn uns dies als Europäischer Union
gelingt, dann können wir umso glaubhafter und über-
zeugender darauf hinwirken, dass andere sich ebenfalls
engagieren .

Auch deshalb freue ich mich ganz besonders über die
große Unterstützung, die wir von unseren europäischen

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


Partnern für die Agenda des G-20-Gipfels erhalten haben .
Wir werden heute noch ein Treffen mit all den Teilneh-
mern an dem G-20-Gipfel aus der Europäischen Union
haben, um unsere Vorhaben noch einmal zu besprechen .

Meine Damen und Herren, ich freue mich, am 7 . und
8 . Juli 2017 erstmals die Staats- und Regierungschefs
der G 20 zu einem Gipfel in Hamburg zu empfangen .
Der G‑20‑Gipfel findet in diesem Jahr unter besonders
herausfordernden Bedingungen statt . Ich nenne nur die
größten Herausforderungen: Terrorismus, Klimawandel,
Protektionismus . All diese Themen stehen auf der Tages-
ordnung .

Die Welt ist in Unruhe, sie ist uneiniger geworden . Die
G 20 stehen für fast zwei Drittel der Weltbevölkerung, sie
erwirtschaften über vier Fünftel des weltweiten Bruttoin-
landsproduktes, und sie wickeln drei Viertel des weltwei-
ten Handels ab .

Ich habe mir für den Gipfel das Ziel gesetzt, dass von
ihm ein Signal der Entschlossenheit ausgeht, mit dem die
Staats- und Regierungschefs der G 20 zeigen, dass sie
ihre überaus große Verantwortung für die Welt verstan-
den haben und dass sie diese Verantwortung auch über-
nehmen .

Zum Gipfel werden neben den G-20-Staaten Spani-
en, Norwegen, die Niederlande und Singapur sowie die
Vertreter der Regionalorganisationen kommen, konkret:
Vietnam für die Asiatisch‑Pazifische Wirtschaftsgemein-
schaft, Guinea für die Afrikanische Union und Senegal
für die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung . Ins-
gesamt wird somit ein wirklich großer Teil derer, die die
Weltbevölkerung repräsentieren, am Tisch sitzen . Ich
bin überzeugt: Wir brauchen die G 20 dringender denn
je, weil wir nur gemeinsam etwas bewegen können, und
zwar schneller und effektiver, als dies mit nationalen Al-
leingängen auch nur im Ansatz jemals möglich wäre .

Das Erlebnis gründet sich auf die erste Sitzung
der G 20 während der Finanz- und Wirtschaftskrise
2008/2009, als sich die G 20 zum ersten Mal auf der
Ebene der Staats‑ und Regierungschefs getroffen haben.
Wir haben damals unter Beweis gestellt: Gemeinsames
Handeln kann die schrecklichen Auswirkungen der Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise zumindest lindern .

Wir haben viele Gremien, in denen es um die richti-
gen Strategien geht . Das gilt nicht nur für die Europä-
ische Union, sondern auch für die Vereinten Nationen;
Gremien wie die Welthandelsorganisation, die Weltge-
sundheitsorganisation, Weltbank, OECD, FSB, ILO oder
IWF . Alle diese Organisationen sind von übergroßer Be-
deutung . Sie alle unterstützen uns in der G 20 .

Das macht den Kern des Treffens der G 20 aus: Nur
gemeinsam können wir etwas bewegen . Den Multilatera-
lismus zu stärken, das ist der Gedanke, der sich daher wie
ein roter Faden durch die Gipfelerklärung zieht, an der
wir arbeiten . Genau dieser Gedanke liegt auch dem Mot-
to unserer deutschen G-20-Präsidentschaft und des Gip-
fels zugrunde, nämlich: Eine vernetzte Welt gestalten .

Das bedeutet zweierlei: Erstens . Nachhaltiges Han-
deln ist vernetzt und deshalb nur miteinander möglich .
Zweitens . Wir halten unsere Zukunft selbst in unseren

Händen . Das heißt, wir gestalten unsere Werte und Inte-
ressen . Wir sollten und werden auch nicht getrieben sein,
solange wir die Themen gemeinsam angehen, die uns alle
betreffen. Also: In einer globalisierten Welt können wir
nur gemeinsam etwas erreichen . Kein Land kann die He-
rausforderungen unserer Zeit allein bewältigen .

Ich freue mich, dass die deutsche G-20-Präsident-
schaft durchaus auf großes Interesse stößt . Das zeigt
sich an der Resonanz auf unseren breiten Dialog mit der
Zivilgesellschaft . Ich war erst letzte Woche in Hamburg
zu Gast bei Nichtregierungsorganisationen und habe mit
ihnen die Themen Klima, Entwicklung, Nachhaltigkeit
und Gesundheit diskutiert . Auch hier wurde von den
Nichtregierungsorganisationen die übergroße Bedeutung
multilateraler Zusammenarbeit noch einmal in den Fokus
gerückt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und die Kritik am Freihandel! Gegen den Freihandel, nicht dafür!)


Die multilaterale Zusammenarbeit hat drei Zielen zu
dienen: erstens Stabilität sicherzustellen, zweitens die
Zukunftsfähigkeit zu verbessern und drittens Verantwor-
tung zu übernehmen . Wir erreichen eine stabile Welt-
ordnung dann, wenn wir weiterhin für eine zunehmende
ökonomische Integration und einen grenzüberschreiten-
den Handel arbeiten; denn beides hat weltweit Wachstum
und Wohlstand gebracht, Arbeitsplätze geschaffen und
zur Reduzierung von Armut beigetragen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gleichzeitig erleben wir jedoch, dass Verunsicherung
und Sorgen zunehmen; denn viele Menschen können an
den Vorteilen der Globalisierung nicht teilhaben oder sie
fühlen sich von der Entwicklung abgehängt . Dabei spielt
weniger eine Ablehnung von Handelsbeziehungen als
eine Verunsicherung gegenüber neuen Technologien eine
Rolle .

Obwohl der Wohlstand in Deutschland mit einer ex-
portorientierten Wirtschaft auf offenen Märkten mit
transparenten Regeln begründet ist, gibt es auch bei uns
viele kritische Stimmen zu Handelsabkommen . Einzelne
Staaten reagieren auf diese Sorgen mit verstärkten Ru-
fen nach Abschottung und Handelsbeschränkungen . Ich
bin jedoch überzeugt, dass Protektionismus keine Lö-
sung sein kann . Er schadet allen Beteiligten, und deshalb
brauchen wir offene Märkte. Mein Ziel ist es daher, dass
vom G-20-Gipfel ein deutliches Signal für freie Märkte
und gegen Abschottung sowie ein klares Bekenntnis zum
multilateralen Handelssystem ausgeht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die G 20 hat sich das Ziel gesetzt, das Wachstum ihrer
Volkswirtschaften so auszurichten, dass davon alle pro-
fitieren können. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die
internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen . Durch
den internationalen Druck ist es gelungen, die Zahl der
als nicht kooperativ eingestuften Jurisdiktionen stark zu

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


reduzieren . Ohne die Zusammenarbeit im Format der
G 20 wäre uns dies so nicht gelungen .

Wir wissen, eine stabile Wirtschaft braucht funktio-
nierende Finanzmärkte . Deshalb setze ich mich dafür ein,
die G-20-Finanzmarktreformagenda weiter mit Nach-
druck umzusetzen . Uns wird zum Beispiel der Finanz-
stabilitätsrat zum Gipfel einen Bericht zur Wirksamkeit
der bisherigen Arbeiten zu Schattenbanken vorlegen, auf
dessen Basis dann mögliche weitere Regulierungsvor-
schläge erarbeitet werden sollen .

Wirtschaftliche Entwicklung und Nachhaltigkeit ge-
hen Hand in Hand . Deshalb ist die G 20 das richtige
Format, um auch die Umsetzung der Agenda 2030 für
nachhaltige Entwicklung voranzutreiben . Wir wollen mit
unseren G-20-Partnern hier eine Vorreiterrolle bei der
Umsetzung einnehmen, und ich möchte die G-20-Part-
ner beispielsweise für die Verpflichtung gewinnen, rasch
über unsere nationalen Umsetzungsstrategien zu berich-
ten . Denn die Zeit drängt . Wir müssen unsere Weltord-
nung zukunftsfähig machen . Multilaterales Handeln
muss dem zweiten Ziel dienen, die Zukunftsfähigkeit
eben auch zu verbessern .

1995 waren lediglich 4 Prozent der Menschen welt-
weit mit dem Internet verbunden; heute sind es bereits
40 Prozent . Diese Entwicklung geht weiter und weiter .
Sie betrifft nicht nur Menschen, sondern immer mehr
auch Dinge . Wir erleben eine digitale Revolution unseres
Lebens, eine digitale Transformation unserer Wirtschaft
und Gesellschaft . Diese digitale Transformation braucht,
wie alles, was wir tun, Regeln .

Mittelfristiges Ziel dazu ist zum Beispiel eine Ver-
ständigung über technische Standards . Wir wollen und
wir müssen in der G 20 unsere Zusammenarbeit hierzu
weiter ausbauen . Es gab in diesem Jahr unter deutscher
Präsidentschaft zum ersten Mal ein Treffen der Digital-
minister . Diese gesamte Zusammenarbeit steckt noch in
den Anfängen; ich halte sie aber für absolut wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt wenige Themen wie die Menschheitsheraus-
forderung des Klimaschutzes – ich sagte es zu Beginn –,
bei denen so spürbar wird, wie sehr wir alle auf der Erde
schicksalhaft miteinander verbunden sind und wie wich-
tig es ist, die Zukunftsfähigkeit zu verbessern . Nachdem
die USA nun angekündigt haben, das Pariser Abkommen
zu verlassen, können wir in Hamburg keine einfachen
Gespräche erwarten. Der Dissens ist offenkundig, und
es wäre unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden .
Das werde ich jedenfalls nicht tun .

Als G 20 können wir die Herausforderung, die mit
dem Klimawandel für uns alle auf der Welt verbunden
ist, nicht ignorieren. Wir müssen dabei auch die Hoffnun-
gen vieler Länder, gerade auch vieler Entwicklungslän-
der wie zum Beispiel die kleinen Inselstaaten, im Blick
haben, gerade weil in der G 20 die wirtschaftlich stärks-
ten Länder der Welt zusammenkommen .

Ich kann natürlich den Beratungen des Gipfels gera-
de zum Klimaschutz heute nicht vorgreifen . Aber ich bin

entschlossen, sie so zu führen, dass sie dem Inhalt und
Ziel des Pariser Abkommens dienen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, in Hamburg wollen wir uns
darüber hinaus auch für menschenwürdige Arbeitsbedin-
gungen in globalen Lieferketten einsetzen . Eng damit zu-
sammen hängt die Stärkung der Frauen, insbesondere bei
der Integration in den Arbeitsmarkt . Wir wollen weiter
daran arbeiten, das auf dem G-20-Gipfel im australischen
Brisbane gesetzte Ziel zu erreichen, die Lücke der Er-
werbsbeteiligung von Frauen bis 2025 um 25 Prozent zu
reduzieren und die Qualität der Frauenerwerbstätigkeit
zu verbessern .

Daneben wollen wir den Zugang von Frauen in Ent-
wicklungsländern zu Unternehmertum und ihren Zugang
zu Bildung fördern, insbesondere auch in den Bereichen
Digitalisierung und Informationstechnologie . Dazu wol-
len wir bei der Weltbank ein Finanzierungsinstrument
aufsetzen, um den Zugang von Unternehmerinnen zu
Krediten zu vereinfachen .

Ein neues und aus meiner Sicht äußerst wichtiges The-
ma der G 20 ist die globale Gesundheit . Wir brauchen
dringend eine bessere Kooperation, um uns besser gegen
Gesundheitsrisiken und insbesondere auch Pandemien zu
wappnen . Übertragbare Krankheiten kennen keine Gren-
zen . Die menschlichen, aber auch die ökonomischen
Auswirkungen können enorm sein . Das wurde uns etwa
bei dem Ebolaausbruch sehr deutlich vor Augen geführt .
Gleiches gilt auch für die Verbreitung von Antibiotikare-
sistenzen .

Das Thema Gesundheit gehört auf unsere Agenda . Wir
brauchen eine starke Weltgesundheitsorganisation und
eine bessere Zusammenarbeit gerade auch mit Afrika .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


In unserer Präsidentschaft haben wir deshalb erstmals
Afrika zu einem Schwerpunkt der G 20 gemacht . Ich
danke allen Ministerien der Bundesregierung, die dabei
mitgewirkt haben . Dabei geht es vor allem darum, wie
wir es gemeinsam schaffen können, dass sich mehr priva-
te Investoren in Afrika engagieren und so zu wirtschaftli-
cher Entwicklung und Beschäftigung beitragen; denn wir
müssen ganz klar konstatieren: Wenn in vielen afrikani-
schen Ländern Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit die
Zugangsrate zu elektrischem Strom um die 20 Prozent
liegt, also 80 Prozent der Menschen dort keinen Zugang
zu elektrischem Strom haben, dann kann wirtschaftliche
Entwicklung in breitem Umfang gar nicht funktionieren .
Deshalb danke ich dafür, dass sich die Bundesregierung
mit dem Compact with Africa und anderen Initiativen
wirklich mit diesem Thema neben der Entwicklungshil-
fe, nicht anstelle der Entwicklungshilfe, stark beschäftigt
hat .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


Die Philosophie unseres Engagements ist folgende:
Mit reformbereiten Ländern wollen wir Investitionspart-
nerschaften, eben solche Compacts, abschließen, die sich
an der Nachfrage und an den Prioritäten der Länder ori-
entieren . Ich will in dem Zusammenhang darauf hinwei-
sen, dass die Afrikanische Union mit ihrer Agenda 2063
zum ersten Mal ein eigenes Entwicklungskonzept erar-
beitet hat . An diesem Entwicklungskonzept sollten wir
uns auch orientieren und nicht ständig sagen, dass wir
besonders gut wüssten, was Afrika braucht . Es geht näm-
lich auch darum, dass die Verantwortlichkeit in Afrika für
die eigenen Projekte gestärkt wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt nichts anderes, als dass es wichtig ist, dass
wir für den Erfolg bei der wirtschaftlichen Entwicklung
Afrikas umdenken und auch verstehen müssen, dass ne-
ben den öffentlichen Investitionen der Entwicklungshil-
fepolitik das Engagement des Privatsektors steht . Wir
sind da schon ein ganzes Stück vorangekommen . Ich
hoffe auf die Unterstützung durch weitere G‑20‑Partner
bei unserer Partnerschaft mit Afrika .

Darüber hinaus ist es ein großes Anliegen, dass die
G 20 in der Frage von Flucht und Migration erheblich
enger zusammenrücken und zusammenarbeiten; denn es
geht hier um eine globale Herausforderung von immen-
ser Bedeutung . Weltweit sind so viele Menschen auf der
Flucht wie noch nie . Wir brauchen verbesserte globale
Strukturen, um Fluchtursachen zu bekämpfen . Diese
Diskussion wird zwar seit Jahren geführt – sie ist nicht
einfach –, aber auch hier gilt, dass wir ohne gemeinsame
Strategie nicht zu Lösungen kommen werden, die den
Menschen wirklich helfen und dienen .

Fluchtursachen zu bekämpfen, das bedeutet auch,
Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung und bei der
Beschäftigung zu erreichen . Nur so können wir vor Ort
den Menschen bessere Perspektiven verschaffen. Das
wird dann auch dazu beitragen, dass weniger Menschen
ihre Heimat verlassen müssen .

Zum Kampf gegen Fluchtursachen gehört darüber hi-
naus der Kampf gegen den weltweit grassierenden Terro-
rismus . Auch den Kampf gegen den Terrorismus können
wir nur gemeinsam gewinnen . Dazu haben wir in einer
Financial Action Task Force internationale Standards
entwickelt, die jetzt von allen zügig umgesetzt werden
müssen . Das heißt also, Prävention, das Austrocknen der
Geldquellen und die engere Zusammenarbeit der Sicher-
heitsbehörden sind es, die wir im Kampf gegen den Ter-
rorismus brauchen .

Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur ge-
meinsam können wir in all diesen Fragen etwas errei-
chen . Gerade weil die G 20 ein informelles Format sind,
ist diese Gruppe besonders geeignet, sich diesen wichti-
gen Fragen zu widmen . Aber ich sage auch sehr schwieri-
ge Diskussionen in Hamburg voraus; denn nur wenn sich
die G 20 einig sind, kommen wir auch in den formellen
Gremien, wie zum Beispiel in den Vereinten Nationen,
voran .

Ich bin überzeugt, wir werden diese Aufgaben dann
erfolgreich bewältigen können, wenn wir alle gemein-
sam Verantwortung übernehmen und auch mutig voran-
schreiten . Das gilt für Deutschland, für Europa, für die
G 20 und für die ganze Welt . Wir werden dann erfolg-
reich sein, wenn unsere Arbeit auf all diesen Ebenen gut
und sinnvoll ineinandergreift . Das ist das Ziel, das wir
gemeinsam mit Frankreich und unseren anderen europä-
ischen Partnern beim Europäischen Rat verfolgt haben
und das wir auch in der weiteren Debatte über die Zu-
kunft der Europäischen Union verfolgen werden . Es ist
auch das Ziel, dem das Vorbereitungstreffen heute dient,
und es ist das Ziel, das die Bundesregierung bei den wei-
teren Vorbereitungen für den G-20-Gipfel in Hamburg
fest im Auge behalten wird .

Wir wissen – das als letzte Bemerkung –, dass für die
Bürgerinnen und Bürger Hamburgs die Gipfeltage und
auch die Tage davor eine hohe Herausforderung sind .
Und wir wissen, dass die Polizisten und Sicherheitskräfte
vor harten Einsätzen stehen . Wir wissen, dass es Proteste
geben wird, und das ist mehr als legitim in einer Demo-
kratie . Aber ich wünsche zur Unterstützung der Bürge-
rinnen und Bürger in Hamburg und zur Unterstützung der
Sicherheitskräfte, die einen hohen Einsatz zeigen, dass
diese Proteste friedlich sind. Ich hoffe dabei auf Ihre Un-
terstützung .

Herzlichen Dank .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824300200

Bevor der Kollege Bartsch nun das Wort erhält, möch-

te ich auf der Besuchertribüne eine Delegation des iri-
schen Parlaments begrüßen unter Vorsitz des Vorsit-
zenden der deutsch-irischen Freundschaftsgruppe im
dortigen Parlament, Senator Craughwell. Wir begrü-
ßen Sie herzlich hier im Deutschen Bundestag .

Wir freuen uns über die enge Zusammenarbeit zwi-
schen unseren Parlamenten, die wir nicht nur, aber ge-
rade mit Blick auf die Themen, die heute Morgen hier
beraten werden, ganz offenkundig auch in den nächsten
Jahren brauchen . – Herzlich willkommen und alles Gute!


(Beifall)


Bitte sehr, Herr Kollege Bartsch .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824300300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war

sie nun, die letzte Regierungserklärung von Bundeskanz-
lerin Angela Merkel .


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Die Hoffnung stirbt zuletzt! – Weitere Zurufe)


Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


– Sie müssen doch nicht gleich so aufgeregt sein, viel-
leicht war der Satz noch gar nicht zu Ende . Aber dann
beende ich ihn jetzt mal .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Bartsch, sind Sie aus dem Traum aufgewacht, oder sind Sie noch im Traum?)


Es ging um G 20 und um den Europäischen Rat in der
letzten Woche . Ich habe gehört, dass dort Tatkraft und
Zuversicht ausgestrahlt worden sind . Ich kann nur darauf
verweisen, dass der EU-Gipfel in der Substanz ergebnis-
frei war . Das ist doch das, was entscheidend ist . Beim
Europäischen Rat sind wieder die tiefen Risse innerhalb
der EU deutlich geworden – das geht weit über das The-
ma Brexit hinaus –: Unsicherheit, Terror, Austerität .

Mit Europa gehe es besser, haben Sie gesagt . Ich frage
mich, was dazu die vielen jungen Menschen in den Süd-
ländern, die von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind,
sagen .


(Beifall bei der LINKEN)


In Griechenland beträgt sie seit über vier Jahren mehr als
50 Prozent .

Europa geht es besser? Das Problem ist doch, dass die
Europapolitik, die Sie und insbesondere Finanzminister
Schäuble zu vertreten haben, die EU in die größte Kri-
se und an den Rand des Scheiterns gebracht hat . Europa
kann eine größere Rolle spielen, aber im Moment ist die
Krise so groß, dass Europa diese Rolle eben nicht wahr-
nehmen kann . Und das ist das Ergebnis Ihrer Politik .


(Beifall bei der LINKEN)


Es stellen sich die Fragen: Ist denn die Welt in den
letzten vier Jahren eine bessere geworden? Hat die Poli-
tik, Ihre Politik Europa zusammengeführt? Ist unter Ihrer
Ägide die Außenpolitik zu einer Friedenspolitik gewor-
den? Die Antwort ist ganz klar: nein .


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Motto in Hamburg „Eine vernetzte Welt gestal-
ten“ kann ich nur sagen: Das ist doch eine riesengroße
Blendgranate . Leider ist es nicht die einzige um diesen
Gipfel herum, die dort gezündet wird . Die G 20 stehen
eben nicht für Stabilität, für Zukunftsfähigkeit und für
Verantwortung . G-20-Gipfel in Hamburg, mitten in der
Stadt, in Ihrer Geburtsstadt – das hat überhaupt nichts
mit Wahlkampf zu tun, sondern es ist leider etwas vor-
dergründig .

Sie haben zu Recht darauf verwiesen: Die Welt ist aus
den Fugen geraten . Es gibt über 65 Millionen Flüchtlin-
ge, davon die Hälfte Kinder . Es gibt Kriege und Kon-
flikte. Es gibt Hungersnöte in Somalia, im Südsudan,
im Jemen, in Nigeria, in Äthiopien . Hungernde Men-
schen – alle 15 Sekunden, meine Damen und Herren,
verhungert auf der Welt ein Kind . Laut Vereinten Natio-
nen sind 795 Millionen Menschen vom Hunger bedroht .
Und in dieser Situation tagten unlängst die G 7 und tagen
dann auch die G 20 . Vor diesem Hintergrund wird Ihre
Aussage „Fluchtursachen wirksam bekämpfen“ zu einer

hohlen Phrase; denn dort treffen sich auch die größten
Rüstungsexporteure .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer Fluchtursachen bekämpfen will, darf nicht Waffen in
Krisengebiete liefern, sondern muss Hunger und Armut
bekämpfen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um den Terror, der in den letzten Jahren zugenommen
hat, zu bekämpfen, muss man andere Wege gehen als den
der Aufrüstung . Ich habe gestern den Haushaltsplan, den
Sie im Kabinett vorgelegt haben, zur Kenntnis genom-
men . Im nächsten Jahr sind anderthalb Milliarden Euro
mehr für den Verteidigungsetat vorgesehen . Der Verteidi-
gungsetat ist bereits in der letzten Legislaturperiode um
17 Prozent gestiegen . Diesen weiter aufzustocken, ist ein
völlig falsches Zeichen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)


Sie haben das 2-Prozent-Ziel schon zu Ihrer Maxime ge-
macht . Das geht so nicht . Es ist leider so, dass mit dem
wachsenden Terror die Erkenntnis nicht gewachsen ist,
dass Terror nicht mit Krieg zu bekämpfen ist . Vielmehr
müssen wir dafür kämpfen, dass die Ursachen für den
Terror beseitigt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Die G 20 sind die Staaten – Sie haben das eben gesagt,
Frau Merkel –, die zwei Drittel der Weltbevölkerung re-
präsentieren, fast 80 Prozent des Weltbruttoinlandspro-
duktes erwirtschaften, den größten Anteil am Welthandel
aufweisen und im Übrigen auch die meisten CO2-Emis-
sionen zu verantworten haben . Aber daraus eine legitime
Repräsentation der G 20 für den gesamten Globus und
alle Menschen abzuleiten, ist wirklich infam .


(Beifall bei der LINKEN)


Die anderen nehmen dann am Katzentisch Platz . Und Sie
beklagen die Situation in Afrika? Die Verursacher der
Krisen, von Flucht und Hungersnöten, die Zerstörer des
weltweiten Klimas sind zum großen Teil die G 20; das ist
die Realität .

Die G 20 gehen auf eine Idee von Finanzminister
Eichel zurück, die er in Berlin im Jahr 1999 vorgetragen
hat . Dabei ging es darum, uns aus der Krise, insbesonde-
re der Finanzkrise, zu manövrieren . Aber anstatt uns aus
den Krisen wirklich herauszuführen, haben Sie uns nun
in eine Dauerkrise manövriert . Ich will nur ein Beispiel
nennen . Was ist denn eigentlich nach der Enthüllung der
Panama-Papers passiert? Da wurde so viel angekündigt .
Jetzt sagen Sie, dass eventuell ein Bericht über Schat-
tenbanken vorgelegt wird . Damals sind Milliarden illegal
versteckt worden . Das, was dort sichtbar geworden ist,
ist nur die Spitze des Eisbergs gewesen . Das alles liegt
im Verantwortungsbereich der Finanzminister, die sich
nun wieder treffen. Aber von dem Gipfel in Hamburg ist
in dieser Hinsicht wieder nichts zu erwarten . Es bleibt

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


dabei, dass die teuersten Flüchtlinge die Steuerflüchtlin-
ge sind . Deren Milliarden sollten im Kampf gegen den
Hunger eingesetzt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Angesichts der nicht mehr zu leugnenden Unsicher-
heit ging und geht es den G 20 im Kern um die eigenen
Verwertungsmöglichkeiten, die Sicherung von Kapital-
interessen und Ressourceneffizienz. Mit Ressourceneffi-
zienz ist gemeint, dass die G-20-Staaten am System der
weltweiten Ausbeutung durch Freihandel und Klima-
zerstörung gar nichts verändern wollen . Sie haben über
Handelsabkommen und Afrika geredet . Vielleicht sind
die Freihandelsabkommen sogar eine Ursache für die Si-
tuation in Afrika .


(Dr . Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Genau!)


Ich will noch das nun öffentlich gewordene Freihandels-
abkommen der EU mit Japan als Beispiel nennen . Hier
sind wieder Schiedsgerichte wie bei TTIP und CETA vor-
gesehen . Das ist eine unfaire Politik . Sie machen einfach
so weiter, als hätte es die öffentliche Aufregung und die
Proteste gegen diese Handelsabkommen nicht gegeben .
Das kann doch wohl nicht wahr sein . Transparenz gleich
null!


(Beifall bei der LINKEN)


Vor diesem Hintergrund ist die Absicht der Bundes-
regierung, das Thema Klimaschutz beim G‑20‑Treffen
nach oben auf die Tagesordnung zu setzen, offensichtlich
eine Fake News . Ja, Sie haben recht: Das ist eine existen-
zielle Herausforderung . Die G 20 sind die größten Ver-
ursacher von Treibhausemissionen . Darüber wollen Sie
ausgerechnet mit Donald Trump reden, der das Klima-
abkommen bekanntermaßen gerade gekündigt hat? Das
ist der Mann, der glaubt, dass er nur die Tür seines Bade-
zimmers in seinem New Yorker Penthouse zu schließen
braucht, damit das Haarspray nichts mehr mit dem Klima
zu tun hat . Alles, was dort passiert, ist doch absurd .


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich treffen Sie dort auch solche liberalen Regie-
rungschefs wie Herrn Trudeau . Aber zu den G-20-Regie-
rungschefs gehören auch solche Autokraten wie der tür-
kische Präsident Erdogan, der einen blutigen Krieg gegen
die Kurdinnen und Kurden führt, der Demonstranten für
Frauenrechte und demokratische Rechte mit Schlagstö-
cken und Wasserwerfern unterdrückt, die Pressefreiheit
beschränkt, Journalistinnen und Journalisten inhaftieren
lässt – darunter auch deutsche – und nun beantragt hat,
während des G‑20‑Treffens reden zu dürfen. Das alles
kann doch nicht wahr sein . So jemand kann doch kein
Partner für uns sein . Da muss man ganz deutlich sagen,
dass das überhaupt nicht geht und dass wir ihn am Ran-
de des G‑20‑Treffens in Deutschland nicht reden lassen
wollen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dann ist da auch noch Saudi-Arabien, das einen blu-
tigen Krieg im Jemen führt . Dort ist jetzt infolge des
Krieges eine Choleraepidemie ausgebrochen . Die Saudis

werden mit prallen Geldkoffern im „Vier Jahreszeiten“
wohnen . Saudi-Arabien ist eine feudalistische Diktatur,
die radikale Moscheen in Deutschland finanziert, die eine
Ursache für den Terror sind . Die Saudis können für uns
doch keine Partner sein . Im Übrigen liefern Sie denen so-
gar noch Waffen für diesen Krieg. Das alles ist unfassbar.
Da muss endlich eine andere Politik her .


(Beifall bei der LINKEN)


Zur Runde derer, die zu kritisieren sind, gehören auch
andere . Auch Wladimir Putin und die chinesische Regie-
rung gehen gegen Oppositionelle vor und haben Proble-
me mit der Wahrung der Menschenrechte . Das Interes-
sante ist ja, dass bis vorhin auch Herr Temer in Hamburg
dabei sein sollte; mittlerweile hat er abgesagt . Das ist
eine positive Meldung, auch wenn Brasilien auf diesem
Gipfel nun gar nicht mehr vertreten ist . Herr Temer ist
der Mann, der sich an die Staatsspitze geputscht hat ge-
gen Dilma Rousseff. Herr Temer ist eine korrupte Mario-
nette von global agierenden Konzernen .


(Beifall bei der LINKEN)


Und so ein Mann soll eine vernetzte Welt gestalten? Das
ist doch ein absurder Vorgang . Das ist hochnotpeinlich .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen ist es wie die gesamte Inszenierung des
Gipfels . Da spreche ich nicht nur von der Wiedereinfüh-
rung von Grenzkontrollen, Versammlungsverboten, riesi-
gen Gefangenensammelstellen sowie Gerichtsgebäuden,
um dort Verurteilungen durchführen zu können .

Ich sage Ihnen einmal als jemand, der aus Nord-
deutschland kommt, der seinen Wahlkreis in Rostock
hat, ein klein wenig etwas über Schifffahrt. Im Logo
dieses Gipfels ist ein Kreuzknoten . Dieser Knoten steht
eigentlich für stabile und gleichzeitig auch für elastische
Verbindungen . Aber wenn man sich diesen Knoten genau
anschaut, dann erkennt man, dass es offensichtlich der
falsche Kreuzknoten ist .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der falsche Kreuzknoten wird im Übrigen auch Die-
besknoten genannt. Ich finde, das ist das passende Logo
für diesen Gipfel .


(Beifall bei der LINKEN)


Wissen Sie, warum die G 20 keine – im Sinne des
Kreuzknotens – haltbare Politik machen können? Ganz
einfach: weil Ihr Ansatz völlig falsch ist . Sie stricken –
so haben Sie es selbst als Regierung verlauten lassen –
an einer neuen Erzählung, an einem neuen Narrativ . Ih-
nen geht es nicht um die Beseitigung von Krisen, von
Kriegen und von deren Folgen . Sie haben Unsicherheit
zum Prinzip gemacht und fordern nun Resistenz, also
Widerstandsfähigkeit . Das heißt, Sie fordern von den
Menschen, die hungern, die in Kriegen leben müssen,
deren Ernährungsgrundlagen wegen des Klimawandels
verschwinden, dass sie einfach aushalten . Das ist Ihr He-
rangehen . Sie wollen am grundsätzlichen System eben
nichts ändern, und dagegen stehen wir als Linke: Wir ste-
hen für soziale und globale Gerechtigkeit .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


Wir finden uns nicht ab mit Hunger, mit dieser Weltwirt-
schaftsordnung, mit Klimaverschmutzung und mit Res-
sourcenverschwendung . Wir stehen dagegen wie Millio-
nen Menschen – bunt und friedlich .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)


Gestatten Sie mir noch einen Nachsatz . Da ich be-
stimmt das letzte Mal in dieser Legislaturperiode hier
rede, will ich mich auch im Namen meiner Fraktion
ausdrücklich beim Bundestagspräsidenten Lammert
für seine Amtsführung, für seine besondere Wahrung
der Interessen, auch der der Opposition bedanken . Herr
Lammert, herzlichen Dank! Alles Gute auf allen Wegen!


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824300400

Ich bedanke mich und erteile das Wort dem Kollegen

Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824300500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der

G-20-Gipfel in Hamburg ist wie alle anderen G-20-Gip-
fel bisher umstritten, in Teilen der Bevölkerung sehr um-
stritten . Es wird wieder Proteste geben . Es versammeln
sich Staats- und Regierungschefs, die 80 Prozent der
Weltwirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevöl-
kerung repräsentieren . Aber es sind sehr unterschiedli-
che Leute; darauf hat Dietmar Bartsch eben aufmerksam
gemacht . Es sind Demokraten, und es sind Autokraten .
Aber trotzdem finde ich es richtig, dass die G 20 einmal
im Jahr zusammenkommen und darüber verhandeln, wie
die Regeln in einer globalisierten Welt aussehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber dieser Gipfel ist anders als die bisherigen . Es
ist das erste G‑20‑Treffen, bei dem der Westen in grund-
sätzlichen Fragen nicht mehr einheitlich auftritt . Donald
Trump spaltet den Westen .


(Beifall des Abg . Joachim Poß [SPD])


Er stellt die offene Gesellschaft infrage. Er versucht, in-
ternationale Verträge und Institutionen zu schwächen,
und er stellt nicht das in den Vordergrund, was die Welt-
gemeinschaft verbindet, sondern er propagiert den Egois-
mus der Nationen und das Recht des Stärkeren . Aber der
Höhepunkt ist die Kündigung des Pariser Klimaabkom-
mens . Natürlich können Verträge grundsätzlich gekündigt
werden; aber das ist nicht irgendeine Vertragskündigung,
sondern das ist eine Zäsur für unsere Weltgemeinschaft
in einer existenziellen Frage, und deshalb, meine Damen
und Herren, ist es notwendig, dass wir uns eindeutig ge-
gen Donald Trump positionieren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist kein Antiamerikanismus . Aber in Hamburg muss
gezeigt werden: Der amerikanische Präsident steht in der
Klimaschutzfrage in dieser Welt allein .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben die klare Erwartung, Frau Merkel, dass Sie
eine 19 : 1-Allianz in der Klimaschutzfrage in Hamburg
zustande bringen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dazu brauchen wir euch nicht!)


– Wenn ihr alles allein könnt! Ich komme gleich noch
darauf zurück, Volker .

Meine Damen und Herren, es gibt nur eine richtige
Antwort auf diese ganze Entwicklung: Wir müssen Euro-
pa wieder stärker machen . Nach der Wahl von Macron ist
die Stimmung im Europäischen Rat besser geworden –
das hat auch Frau Merkel gesagt –, aber in der Sache hat
sich wenig bewegt . Polen und Ungarn sind die größten
Nettoempfänger in der EU, aber sie nehmen weiter keine
Flüchtlinge auf, um Italien oder Griechenland zu entlas-
ten, und der Europäische Rat weiß nicht, wie er damit
umgehen soll. Ich finde, die klare Antwort muss sein: So-
lidarität ist keine Einbahnstraße .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Iris Ripsam [CDU/CSU])


Statt die Europäische Wirtschafts- und Währungsuni-
on zu reformieren, verlässt man sich weiterhin auf die
EZB, die mit Niedrigzinsen die Hand über Europa hält .
Jeder weiß, dass das nicht auf Dauer gut geht . Aber statt
der Union Führung zu geben, benimmt sich der Europä-
ische Rat wie ein Verwaltungsrat, der die Zustände ver-
waltet .


(Beifall des Abg . Joachim Poß [SPD])


Jetzt rächt sich, dass die EU in den letzten Jahren so ge-
schwächt worden ist .

Statt von Anfang an, schon 2010, in der Griechen-
land-Krise beherzt einzugreifen, Griechenland zu helfen,
die notwendigen Strukturreformen und die notwendigen
Staatsreformen durchzusetzen und die Schuldenkrise zu
meistern, gab es eine jahrelange ätzende Debatte . Die
Bundeskanzlerin hat zu Recht Helmut Kohl gewürdigt .
Aber nach dem Motto „Kein Cent für Griechenland“,
Frau Merkel, wäre Helmut Kohl niemals vorgegangen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Helmut Kohl hätte es nie zugelassen, dass die Griechen-
land-Krise die Europäische Union so auseinandertreibt .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ich kann es nicht glauben!)


Bei aller Kritik an Helmut Kohl habe ich in europäi-
schen Fragen immer großen Respekt für ihn empfunden .
Helmut Kohl wollte kein deutsches Europa; er wollte wie
Willy Brandt ein europäisches Deutschland, und deshalb,

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


Frau Merkel, könnten Sie eigentlich ein bisschen mehr
Helmut Kohl wagen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können froh sein, dass wir in Frankreich mit
Emmanuel Macron einen Präsidenten haben, der ent-
schieden für die Europäische Union eintritt . Aus Frank-
reich kommt die ausgestreckte Hand für Europa, und aus
Deutschland kommt der erhobene Zeigefinger. Das darf
so nicht weitergehen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die mit der glei-
chen Begeisterung wie Emmanuel Macron für die Re-
form der Europäischen Union kämpft .

Meine Damen und Herren, es gibt eine zweite Kon-
sequenz aus der Unberechenbarkeit von Donald Trump:
Europa muss sich mehr um seine eigene Sicherheit küm-
mern . Deshalb ist es richtig, dass Jean-Claude Juncker
das Thema „Europäische Verteidigungsunion“ auf die
Tagesordnung gesetzt hat .

Zu einer gut aufgestellten europäischen Verteidi-
gungsunion gehört natürlich auch eine gut ausgestatte-
te Bundeswehr . Die Verteidigungsminister der letzten
zwölf Jahre haben es zugelassen, dass die Bundeswehr
als Steinbruch für haushaltspolitische Konsolidierung
benutzt wurde . Sie haben die Bundeswehrreform und die
Aussetzung der Wehrpflicht ohne Konzept über das Knie
gebrochen . Bis heute haben unsere Streitkräfte mit Per-
sonalmangel und mit schlechter Ausstattung zu kämpfen .
Wir werden dafür sorgen, dass sich das in der nächsten
Wahlperiode ändert .


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Nach den neuesten Umfragen nicht!)


Wir wollen die Bundeswehr gezielt stärken und europä-
isch integrieren .

Donald Trump aber fordert etwas ganz anderes . Er
fordert, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Rüstung
zu investieren . Ich will einmal deutlich machen, was
das zur Konsequenz hätte: Bis 2024 müssten wir unsere
Verteidigungsausgaben fast verdoppeln, und zwar von
37 Milliarden Euro auf 70 Milliarden Euro . Das, meine
Damen und Herren, wird es mit uns nicht geben .


(Beifall bei der SPD – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Struck und Steinmeier!)


Das wäre die größte Aufrüstung, die Europa seit Jahr-
zehnten gesehen hätte . Deutschland wäre dann nicht nur
stärkste Wirtschaftsmacht, sondern auch größte militä-
rische Macht in Europa . Damit würde Deutschland in
Europa noch dominanter . Das wollen wir nicht, und das
wollen auch unsere Nachbarn nicht . Deshalb sagen wir:
Eine Umsetzung des 2-Prozent-Ziels kann nicht richtig
sein . Eine solche Aufrüstungsmechanik kann es nicht ge-
ben .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sicherheit gibt es sowieso nicht, wenn ausschließlich
Waffen im Vordergrund stehen. Wenn wir Konflikte und
Kriege in unserer Umgebung befrieden wollen, dann
brauchen wir natürlich auch Diplomatie, humanitäre Hil-
fe, Entwicklungszusammenarbeit und zivile Krisenprä-
vention . Nur so können wir nachhaltig für Sicherheit auf
dieser Welt sorgen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824300600

Herr Kollege Oppermann, darf die Kollegin Lötzsch

eine Zwischenfrage stellen?


Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824300700

Ja, bitte .


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824300800

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen,

Kollege Oppermann .

Ich habe sehr gerne gehört, dass sich die SPD gegen
das 2-Prozent-Ziel und gegen weitere Aufrüstung aus-
spricht . Nur ergibt sich für mich da aber ein kleiner ir-
ritierender Widerspruch . Gestern ist ja im Kabinett der
Haushaltsplan für das Jahr 2018 beschlossen worden . Da-
rin steht – das haben wir gestern ausführlichst im Haus-
haltsausschuss diskutiert –, dass auf das 2-Prozent-Ziel
hinzuarbeiten ist .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)


Ihre Minister haben alle zugestimmt . Nun werden Sie
antworten, es habe eine Protokollerklärung der SPD-Mi-
nister gegeben, dass, wenn das eintritt, auch die Ausga-
ben für Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit
erhöht werden sollen .

Ich finde es ehrlich gesagt nicht redlich, das im Kabi-
nett zu beschließen und hier eine ganz andere Politik zu
erklären . Dann hätten Sie im Kabinett nicht zustimmen
dürfen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Oder Sie erklären jetzt, Sie möchten diesen Kabinetts-
beschluss rückgängig machen, weil Sie im September
eine andere Politik mit einer besseren Regierung machen
wollen .


(Beifall bei der LINKEN)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1824300900

Frau Lötzsch, ich komme in meiner Rede gleich

noch genau auf diese Haushaltsfrage zu sprechen . Die
SPD-Mitglieder im Kabinett haben in diesem Punkt eine
Protokollerklärung abgegeben


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das hat Frau Lötzsch schon gesagt!)


und haben deutlich gemacht, dass sie mit dem Missver-
hältnis von Verteidigungsausgaben und Ausgaben für
Entwicklungshilfe nicht einverstanden sind und dass wir
das ändern werden .

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


Im Übrigen hat das mit dem 2-Prozent-Ziel nichts zu
tun .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das haben Sie aber beschlossen! Ich kann mich daran erinnern!)


– Ich sage gleich etwas dazu . – Die beschlossenen Stei-
gerungen im Etat der Bundeswehr erhöhen den Anteil für
Verteidigungsausgaben von 1,14 Prozent auf 1,18 Pro-
zent unseres Bruttoinlandsprodukts . Von einer Aufrüs-
tungsspirale kann in diesem Zusammenhang also gewiss
keine Rede sein .


(Beifall bei der SPD)


Ich will gerne Frau Merkel und Herrn Schäuble sagen:
Sie haben gestern eine Finanzplanung vorgelegt, in der
vorgesehen ist, dass über vier Jahre die Verteidigungs-
ausgaben um 5 Milliarden Euro von 37 Milliarden Euro
auf 42 Milliarden Euro steigen sollen . Ich muss ganz klar
sagen, Frau Lötzsch: Nach Jahren, in denen die Bundes-
wehr kaputtgespart wurde, ist das ein richtiger Schritt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber Sie haben gleichzeitig nur 150 Millionen Euro
mehr für Entwicklungshilfe eingeplant . Wenn man das
ins Verhältnis setzt, dann bedeutet das: Für jeden Euro,
den wir zusätzlich für die Verteidigung ausgeben, geben
Sie 3 Cent mehr für Entwicklungshilfe aus .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Gegenteil dessen, was Sie eben gerade behauptet haben!)


Das ist ein eklatantes Missverhältnis .


(Beifall bei der SPD)


Ich meine: Wir müssen für jeden Euro an Verteidi-
gungsausgaben mindestens 1 Euro für humanitäre Hilfe
und Entwicklungszusammenarbeit ausgeben . Das wäre
der richtige Maßstab . Und wenn Sie jetzt ankündigen,
dass Sie das auch in Ihr Wahlprogramm übernehmen
wollen, dann frage ich mich: Warum haben Sie das nicht
gleich in die mittelfristige Finanzplanung hineinge-
schrieben?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir haben ein Regierungsprogramm, kein Wahlprogramm!)


Für die SPD-Fraktion ist jedenfalls klar: Wir fühlen uns
an diese mittelfristige Planung nicht gebunden, schon
gar nicht an das Missverhältnis von Rüstung und Ent-
wicklungshilfe . Wir werden in den kommenden Jahren
deutlich mehr Mittel für Entwicklungshilfe bereitstellen .


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, in Hamburg soll der af-
rikanische Kontinent erstmals im Rahmen der G 20 in
den Blick genommen werden . Dafür haben Sie, Herr
Schäuble – nicht mehr da; Herr Spahn –, vorgeschlagen,
dass mit den afrikanischen Staaten Investitionspartner-
schaften abgeschlossen werden sollen. Ich finde, das
ist ein guter Baustein für unsere Afrika-Politik . Aber es
ist doch schon sehr symptomatisch, dass Afrika-Politik
jetzt vom Finanzministerium gemacht wird . Sowohl die
Entwicklungshilfe als auch die humanitäre Hilfe fallen

dabei unter den Tisch, und von dem Compact with Af-
rica können nur die Länder profitieren, die politisch und
wirtschaftlich stabil sind . Hunger, Flucht, Gewalt, Desta-
bilisierung gibt es aber vor allem in den Ländern, die für
solche Partnerschaften nicht infrage kommen . Deshalb
hätte ich mir gewünscht, dass die Bundesregierung als
Gastgeber der G 20 nicht nur die Investitionen, sondern
auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humani-
täre Hilfe für Afrika zum Thema macht .


(Beifall bei der SPD)


Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt – auch der
Kollege Bartsch hat schon darauf hingewiesen –: Wenn
wir sofort und in den nächsten Jahren schnell auf Hun-
gersnöte und Fluchtbewegungen reagieren wollen, dann
müssen wir das Flüchtlingshilfswerk und das Welternäh-
rungsprogramm der Vereinten Nationen finanziell auf
solide Füße stellen . Dass der UN-Flüchtlingskommissar
immer wieder gerade für Afrika die nötigen Gelder zu-
sammenkratzen muss, muss der Vergangenheit angehö-
ren . Wir brauchen einen neuen Finanzierungsvertrag, der
die Länder dazu verpflichtet, automatisch ihren Anteil an
der Flüchtlingshilfe zu zahlen . Wenn wir UN-Blauhelm-
missionen so finanzieren können, dann können wir auch
die Flüchtlingshilfe so finanzieren. Frau Merkel, spre-
chen Sie dieses Thema auf dem G-20-Gipfel an, um die
finanzkräftigsten Länder der Welt auch bei der humanitä-
ren Hilfe in die Pflicht zu nehmen.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolle-
ginnen, die Große Koalition geht jetzt parlamentarisch
zu Ende . Wir haben nach dieser Woche nur noch einen
Sitzungstag im September . Ich will das auch zum Anlass
nehmen, mich ganz herzlich für die gute Zusammenar-
beit zu bedanken, natürlich besonders in der Koalition,
aber auch gegenüber der Opposition und auch gegenüber
dem Bundestagspräsidenten . Vielen Dank! Ich bin stolz
auf die Arbeit, die dieses Parlament in den letzten vier
Jahren geleistet hat . Wir haben bahnbrechende Entschei-
dungen getroffen wie die Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohnes, die Einführung einer gesetzlichen Frau-
enquote . Wir haben die Kommunen massiv unterstützt .
Sie bekommen in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro, im
nächsten Jahr 5 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund .
Wir haben erstmals ein Integrationsgesetz für Flüchtlin-
ge auf den Weg gebracht nach dem Motto „Fördern und
Fordern“ . Wir haben eine Durchbrechung des Koope-
rationsverbotes erreicht, und wir haben ausgeglichene
Haushalte verabschiedet. Ich finde, das kann sich alles
sehen lassen . Ganz besonders aber freut mich, dass wir
an diesem Freitag noch über die Ehe für alle abstimmen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für uns ist die Ehe für alle


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das globale Thema!)


keine Frage der Wahlkampftaktik,


(Lachen bei der CDU/CSU)


Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


sondern es ist eine Frage von Werten und Grundsatzüber-
zeugungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


30 Mal haben meine Kollegen und Kolleginnen im
Ausschuss dafür gestimmt, dass die Vorlagen dieses Ge-
setzes nicht ins Plenum kommen, und zwar mit Rück-
sicht auf den Koalitionsvertrag und mit Rücksicht auf
den Koalitionspartner .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das gilt alles in der letzten Woche nicht mehr!)


Das ist uns schwergefallen .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat man nicht so sehr gemerkt!)


Meine Kollegen haben mich immer wieder bedrängt, die
Abstimmung freizugeben, sie zu einer Gewissensent-
scheidung zu erklären oder einen Gruppenantrag zuzu-
lassen . Ich habe das aus Gründen der Koalitionsdisziplin
immer wieder abgelehnt . Das ist mir schwergefallen .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Dann kam der Schulz!)


Jetzt sage ich: Wenn wir jetzt alle der Meinung sind, dass
diese Frage eine Gewissensfrage ist, dann muss es auch
zu einer Entscheidung kommen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Koalitionsdisziplin ist keine Einbahnstraße .


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Ja, genau!)


Eines geht gar nicht: den Anschein zu erwecken, man sei
für die Ehe für alle offen, aber dann um jeden Preis eine
Abstimmung zu verhindern . Das ist ein Verhalten, das
man den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären kann .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir verhindern doch nichts!)


Ich wünsche uns morgen eine spannende Abstimmung
und Ihnen allen gute Sommerferien .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824301000

Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824301100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ja, wir
leben in wirklich schwierigen Zeiten: Die Klimakrise
entwickelt sich schneller als selbst von Wissenschaftlern
erwartet; die Weltwirtschaft ist noch immer instabil; bei
den Finanzmärkten weiß man nicht, wann es die nächs-

te Krise gibt; 60 Millionen Geflüchtete sind auf diesem
Planeten unterwegs; internationaler Terrorismus, und in
der Nähe von Europa gibt es eine ganze Reihe von Krie-
gen und Bürgerkriegen. Es ist offensichtlich, dass diese
Vielzahl von Problemen nicht von einem einzelnen Land
allein geregelt werden kann .

Wenn die G 20 vernünftige Regelungen treffen wür-
den, dann könnten die G-20-Staaten etwas Gutes dazu
beitragen; denn die G-20-Staaten stellen zwei Drittel der
Weltbevölkerung . Sie stellen vier Fünftel der globalen
Wirtschaftsleistung, und sie sind verantwortlich für drei
Viertel, für 75 Prozent, aller Treibhausgasemissionen .
Aber die G-20-Staaten haben in ihrer Geschichte schon
viel versprochen, und sie haben wenig gehalten . Es steht
zu befürchten, dass das Gleiche auf diesen Gipfel zutrifft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wissen Sie, Frau Merkel, es liegt auch an dieser Bun-
desregierung . Es liegt auch an diesem Gastgeber . Es
liegt auch mit an Ihnen . Ich gestehe Ihnen völlig zu, dass
es überhaupt keine einfache Runde ist, die Sie zu Gast
haben: Erdogan, Putin und Trump mit ihrer nationalis-
tischen und antiökologischen Politik . Wissen Sie, Frau
Merkel, ich erwarte überhaupt nicht von Ihnen, dass Sie
die Probleme mit diesen schwierigen Herren einfach
wegzaubern . Auf der anderen Seite ist natürlich auch
klar, dass es neben diesen dreien ziemlich einfach ist,
vernünftig zu wirken . Was ich aber von Ihnen erwarte,
ist, dass Sie Verantwortung für Ihr eigenes Handeln in
Ihrem direkten Zuständigkeitsbereich, nämlich für das
Handeln dieser Bundesregierung, übernehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns einmal die Ergebnisse des Handelns
Ihrer Bundesregierung bei den wichtigen Fragen, die
auf dem Gipfel verhandelt werden und die Sie selbst an-
gesprochen haben, an: Klimaschutz, Bekämpfung von
Fluchtursachen, gerechte Gestaltung von Handel und
Globalisierung, eine vernünftige Regulierung der Fi-
nanzmärkte . Wie schaut denn da die Bilanz unserer Bun-
desregierung aus?

Ja, Trump hat das Pariser Klimaschutzabkommen ge-
kündigt und hat damit nicht nur einen Affront bezogen
auf ein internationales Abkommen begangen, sondern
hat auch – wenn man sich vor Augen führt, welche Be-
deutung die Klimakrise für unsere eigenen Lebensgrund-
lagen hat – ein Verbrechen an der Zukunft aller Men-
schen auf diesem Planeten begangen .

Aber mit welcher Bilanz beim Klimaschutz treten Sie,
tritt diese Bundesregierung denn Trump gegenüber? Sie
haben auf großen Konferenzen schon viele schöne Worte
verloren . Aber Sie sind jetzt seit zwölf Jahren Bundes-
kanzlerin, Sie führen seit zwölf Jahren die Regierung,
und da kann man sich einmal die Bilanz anschauen; denn
nach zwölf Jahren gibt es eine Verantwortung für das
Handeln . Welches Land verbrennt am meisten Braun-
kohle und nutzt damit die schmutzigste, klimaschädlichs-
te Art, Strom herzustellen? Ist es China? Ist es Indien?
Sind es die USA? Nein, die Bundesrepublik Deutschland

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


ist das Land, das weltweit am meisten Braunkohle ver-
stromt, und Sie haben daran nichts geändert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Westphal [SPD]: Das ist Unsinn! Großer Unsinn!)


Sie haben davon gesprochen, das Entscheidende sei,
dass man den Klimaschutz will . Nein, Frau Merkel, das
langt für die Beseitigung eines echten Problems nicht .
Das Entscheidende beim Klimaschutz ist, dass man han-
delt und Erfolge erzielt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dafür gibt es eine ganz einfache, klare Zahl, und das
ist der CO2-Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland .
Schauen wir uns diese Zahl an: Sie ist zwischen 2009
und 2016, in all diesen Jahren Ihrer Regierung, nicht ge-
sunken . Deshalb: Sie reden vom Klimaschutz, aber Sie
handeln nicht beim Klimaschutz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wissen Sie, Frau Merkel, den schmelzenden Polkappen
ist es egal, ob Trump die Klimakrise leugnet und nichts
dagegen tut oder ob Sie viel über die Klimakrise reden
und dann auch nichts dagegen tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben davon gesprochen, dass es darauf an-
kommt, seine Hausaufgaben zu machen . Da frage ich
mich manchmal: Ja, wann fangen Sie denn an, die Haus-
aufgaben zu machen? Was haben Sie denn in den letz-
ten vier Jahren gemacht? Sie haben den Kohleausstieg
nicht gemacht . Sie haben nichts bei der Agrarpolitik ge-
macht . Sie haben einen Verkehrsminister, der mit „un-
verantwortlich“ noch nett beschrieben ist, der vor allem
die Dieselkrise vertuscht hat, anstatt die Verkehrswende
einzuleiten . Und Sie haben den Ausbau der erneuerbaren
Energien mit zehn Deckeln versehen – nicht mit einem
Deckel, nicht mit zwei Deckeln, sondern mit zehn De-
ckeln . Ja, schaut es so aus, wenn man die Hausaufgaben
beim Klimaschutz macht? Merken Sie denn nicht selbst,
dass Ihr Reden und das Handeln Ihrer Bundesregierung,
der Mehrheit dieses Hauses, hier diametral auseinander-
fallen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ist Ihnen das nicht selbst peinlich?

Und war die SPD da völlig unbeteiligt? Stellt sie in
dieser Bundesregierung gar keinen Minister? Stellt sie
nicht den Wirtschaftsminister? Auch Sie von der SPD
müssen Ihren Teil der Verantwortung übernehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nehmen wir das Beispiel des Handels . Sie haben
davon gesprochen, dass Protektionismus keine gute Al-
ternative zum freien Handel ist . Sie haben recht: Pro-
tektionismus ist nicht gut . Aber glauben Sie wirklich,
dass Geheimabkommen, private Schiedsgerichte, Pri-
vatisierung der Daseinsvorsorge, dementsprechend das
Aufgeben des Vorsorgeprinzips, also all das, was wir

bei CETA und TTIP gesehen haben, eine gute Alterna-
tive zum Trump’schen Protektionismus ist? Wären nicht
eher Handelsregelungen, die auf ökologische und soziale
Standards setzen, eine gute Alternative?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Glauben Sie wirklich, Ihr Vorgehen wäre noch vor-
bildhaft? Glauben Sie wirklich, dass die Menschen in
Deutschland davon begeistert sind? Nein, sie werden da-
gegen protestieren . Man versteht überhaupt nicht, warum
Sie aus den Auseinandersetzungen um TTIP und CETA
nichts gelernt haben .

Und wissen Sie, was mich wirklich erschüttert? Sie
sprechen davon, dass Sie sich beim Klimaschutz nicht
von Trump abhalten lassen, geschweige denn, dass Sie
hier etwas gemacht hätten . Aber Sie hören nicht auf, die-
ser US-Regierung hinterherzulaufen und davon zu reden,
mit uns doch bitte, bitte ein Freihandelsabkommen abzu-
schließen . Ich erwarte von Ihnen, Frau Merkel, aus Grün-
den der Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz und auch aus
Gründen der Würde, dass Sie aufhören, der US-Regie-
rung hinterherzulaufen und um ein Freihandelsabkom-
men zu betteln, solange die nicht bedingungslos in den
Vertrag von Paris zurückgekehrt sind . Das erwarte ich
einfach von Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Man könnte auch noch einiges zu den Fluchtursachen
und zur Finanzkrise sagen . Die Fluchtursachen haben
auch etwas mit unserem eigenen Handeln zu tun, mit un-
seren Agrarexporten, mit der Fischereipolitik der Euro-
päischen Union . Auch da würde ich erwarten, dass man
endlich einmal vor der eigenen Haustür kehrt .

Deshalb, Frau Merkel: Wer bei einem G-20-Gipfel
wirklich führen will, der muss vorangehen . Ich erwarte
von Ihnen und Ihrer Bundesregierung, dass Sie endlich
die Hausaufgaben, von denen Sie gesprochen haben, ma-
chen und vor der eigenen Tür kehren . Ich wünsche mir,
dass die Bürger das klar erkennen


(Maik Beermann [CDU/CSU]: Das tun sie ja!)


und sich im Herbst dieses Jahres eine andere Bundesre-
gierung wählen . Sie hatten zwölf Jahre Zeit, und am Ende
gilt: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen . – An diesen Ta-
ten erkennt man Sie . Deshalb: Handeln Sie endlich! Sie
haben noch wenige Wochen Zeit. Dann wird hoffentlich
Bilanz gezogen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824301200

Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1824301300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Wir debattieren heute über die Regierungserklärung der
Bundeskanzlerin zu den Ergebnissen des letzten Euro-
päischen Rates und zu dem, was beim G-20-Gipfel auf
uns zukommt . Wenn man sich die Ergebnisse des Ra-
tes anschaut und wenn man sich anschaut, was auf dem
G-20-Gipfel zur Debatte steht, kann man von zwei gro-
ßen Themen reden . Das ist erstens das Thema „Sicherheit
und Bekämpfung von Terror“ und zweitens das Thema
„globale wirtschaftliche Entwicklung“ . Die globale wirt-
schaftliche Entwicklung beinhaltet praktisch als Unter-
punkte weitere wichtige Themen . Beispielsweise werden
wir das Problem der Fluchtursachen nicht ohne globale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung lösen
können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen gehören diese Dinge zusammen .

Wenn ich mir die Abschlusserklärung der letzten Sit-
zung des Europäischen Rates anschaue, sehe ich, dass
dort außer auf das Thema „wirtschaftliche Entwicklung
in Europa“ vor allem auf das Thema Sicherheit großer
Wert gelegt wird, und zwar auf innere Sicherheit und auf
äußere Sicherheit . Darin ist die Rede davon, dass wir die
Sicherung der Außengrenzen in Europa verbessern müs-
sen, um die Freizügigkeit in Europa erhalten zu können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darin ist die Rede davon, dass wir den Terror bekämpfen
müssen . Wir sind uns doch in großen Teilen dieses Hau-
ses einig, dass die Reden hier an diesem Pult oder Reden
in Europa und in der Welt zur Terrorbekämpfung nicht
ausreichen, sondern dass man dafür auch praktisch etwas
tun muss . Das heißt, dass wir uns natürlich an gemeinsa-
men militärischen Aktionen und Operationen beteiligen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Absolut!)


Das war im Übrigen damals eine zentrale Aussage
von Peter Struck, als er erklärt hat, wo wir die Sicher-
heit unseres Landes verteidigen: nämlich nicht nur hier
in Deutschland, sondern auch am Hindukusch . Eine sol-
che mutige Aussage habe ich seitdem aus den Reihen der
SPD nicht mehr gehört, meine sehr verehrten Damen und
Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen .
Wenn wir miteinander Soldatinnen und Soldaten in die
ganze Welt schicken, damit sie in unserem Auftrag für
Sicherheit sorgen, und sie dafür persönliche Risiken ein-
gehen, dann haben wir die verdammte Verpflichtung, al-
les zu tun, um die höchstmögliche Sicherheit für unsere
Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu gewährleisten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dazu kann ich nur sagen: Was in dieser Woche auf Druck
der SPD im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss
geschehen ist, nämlich dass die Anschaffung einer be-
waffneten Drohne nicht beschlossen wurde, ist das glatte

Gegenteil von einer höchstmöglichen Sicherheit für un-
sere Soldatinnen und Soldaten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Entscheidung – ich will es einmal sehr vorsichtig
formulieren – geht weit über eine militärpolitische Ent-
scheidung hinaus . Es ist eine Frage der Verantwortung,
meine sehr verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Und außerdem: Ja, es stimmt – Frau Kollegin Lötzsch
hat eben danach gefragt –: Wir haben gestern im Bun-
deskabinett über das 2-Prozent-Ziel und auch über den
Einsatz von Mitteln für humanitäre Hilfe und Entwick-
lungshilfe gesprochen . Nun kann man nicht argumentie-
ren: Wir haben eine Protokollerklärung abgegeben, damit
auch die anderen Mittel erhöht werden . – Meines Wis-
sens hat die SPD keine Protokollerklärung abgegeben,
dass sie das 2-Prozent-Ziel ablehnt .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!)


Das wäre der Hammer,


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das wäre besonders schlau!)


und ich sage Ihnen auch, warum . Ich nehme zur Kennt-
nis, dass die SPD glaubt, bei der Bundestagswahl in die-
sem Jahr nur noch eine Chance zu haben, wenn sie sich
von allem verabschiedet, was sie selber einmal ins Leben
gerufen hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Da wird die Agenda 2010 rückabgewickelt,


(Bernd Westphal [SPD]: Wo denn?)


da wird die Rentenreform von Müntefering nicht mehr
verteidigt,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)


und jetzt ist das 2-Prozent-Ziel dran .


(Bernd Westphal [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen: 2002 hat der
damalige Verteidigungsminister Peter Struck im Auftrag
der rot-grünen Regierung Schröder das 2-Prozent-Ziel
auf den Weg gebracht . 2014 hat Herr Steinmeier das Ziel
noch bestätigt . Da kann man sich jetzt nicht so billig vom
Acker machen, meine sehr verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824301400

Herr Kollege Kauder, darf der Kollege Mützenich

eine Zwischenfrage stellen?


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1824301500

Ich halte im Übrigen das 2-Prozent-Ziel – –


(Zurufe von der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


– Wissen Sie, jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen:


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie können den Herrn Kollegen Mützenich nachher ans
Rednerpult schicken . Es muss in diesem Hohen Hause
auch einmal möglich sein, einen Gedanken ohne Unter-
brechung zu Ende zu führen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen kann unser Koalitionspartner SPD mir die
Fragen auch bilateral stellen . Wir müssen uns nicht im
Plenum darüber unterhalten .


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh! Oh!)


– Sie scheinen ja sehr verunsichert zu sein .


(Christine Lambrecht [SPD]: Sie trauen sich nicht! Nicht souverän!)


Wir halten an dem 2-Prozent-Ziel fest, weil es auch in
Europa vereinbart wurde . Man kann sich nicht hierher-
stellen und die Europapolitik von Helmut Kohl vertei-
digen und dann Vereinbarungen auf europäischer Ebene
kritisieren . Das ist nicht fair, meine sehr verehrten Da-
men und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich wende mich jetzt noch einmal den Themen zu, die
beim Gipfel eine Rolle spielen und die in Europa auch
bisher schon eine Rolle gespielt haben .

Ein zentrales Thema ist die wirtschaftliche Ent-
wicklung . Die wirtschaftliche Entwicklung hängt ganz
entscheidend von einer entsprechenden Bildung ab .
Diesbezüglich stehen wir in der ganzen Welt vor Heraus-
forderungen .

Die wirtschaftliche Entwicklung hängt aber auch da-
von ab, dass wir bereit sind, in neue Produkte und neue
wirtschaftliche Aktivitäten zu investieren . Hier erkenne
ich ausgezeichnete Signale, auch in der Zusammenarbeit
mit Frankreich .

Auf einem Kongress der Unionsfraktion hatten wir
gestern Andreas von Bechtolsheim zu Gast . Er ist einer
der großen Unternehmer und Akteure im Silicon Valley .
Er hat uns aufgezeigt, dass Deutschland und Europa bei
der digitalen Entwicklung – und zwar nicht nur, was die
Hardware anbelangt, sondern auch bei der Entwicklung
neuer digitaler Produkte – nicht dasselbe Niveau haben
wie bei der Produktion . Er hat diesem nicht gerade ermu-
tigenden Befund jedoch den Hinweis folgen lassen: Es
ist aber überhaupt nicht zu spät, weil die Entwicklungen
sehr schnell vorangehen . – Er sagte: Sie müssen das The-
ma jetzt mutig angehen . In diesen digitalen Prozessen lie-
gen große Wachstumschancen, weil mit einem relativ ge-
ringen Aufwand sehr viele Menschen auf einmal bedient
werden können . – Das war seine Aussage . Im Zusam-
menhang mit der Frage „Was können solche Entwick-
lungen sein?“ hat er darauf hingewiesen, dass wir gera-
de in Deutschland aufgrund unserer starken Produktion

produktionsnahe Dienstleistungen schneller und besser
digitalisieren können . Er hat auch darauf hingewiesen,
dass in dem ganzen Thema der künstlichen Intelligenz
große Chancen liegen, die man sich näher anschauen und
schnell nutzen sollte .

Frau Bundeskanzlerin, ich höre, dass Sie im Rahmen
der Zusammenarbeit mit Frankreich auf genau dieses
Thema setzen . Daraus kann vielleicht eine gemeinsame
Aktion entstehen . – Das ist der Unterschied: Wir zeigen
nicht mit dem Finger auf andere, sondern machen unse-
rem Nachbarn, Partner und Freund Frankreich konkrete
Angebote, um voranzukommen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind die Einzigen, die solch konkrete Projekte vor-
legen . Es wird nur vorangehen, wenn wir mit Frankreich
gemeinsame Projekte angehen .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestern ha-
ben wir auch einen Business-Dialog mit Vertretern Indi-
ens geführt . Dabei ist noch einmal deutlich geworden,
dass es in Indien hochentwickelte Regionen, zum Beispiel
Bangalore, und Spezialisten gibt . Von den 1,3 Milliarden
Menschen – Minimum – auf diesem großen Subkontinent
sind aber nicht einmal 10 Prozent richtig ausgebildet .
Doch ohne eine qualifizierte Ausbildung wird Indien das
notwendige Wachstum nicht erreichen . Wir treten aber
auch Indien nicht mit erhobenem Zeigefinger gegenüber,
sondern sagen: Wo wir etwas Besonderes leisten können,
bieten wir das auch an . – Deswegen ist die Zusammenar-
beit im Bereich der Infrastruktur – Beispiel Eisenbahn –,
die mit Indien beim letzten Regierungstreffen vereinbart
wurde, ein zentrales Thema . Die Inder wissen, dass die-
ser große Subkontinent nur dann in eine wirtschaftliche
Wachstumsphase eintreten kann, wenn es in diesem Land
gute Verbindungen, wenn es eine gute Infrastruktur gibt .
Daran sieht man: Die reale Welt und die digitale Welt
gehören zusammen .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wich-
tig, Fluchtursachen zu bekämpfen . Darum geht es bei
dem Gipfel auch um Afrika . Afrika endlich nicht mehr
nur als Entwicklungskontinent zu betrachten, sondern
eine neue Perspektive aufzuzeigen, das ist, finde ich, un-
serem Minister Müller in hervorragender Weise gelun-
gen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit dem Hoffnungsbegriff „Marshallplan für Afrika“ hat
er diesen Kontinent so was von elektrisiert wie schon seit
vielen Jahren nicht mehr .

Im Übrigen – jetzt muss ich einmal einen Zettel her-
ausholen, um die richtigen Zahlen nennen zu können –:
Die Steigerung der Mittel des BMZ von 2014 bis 2018
beträgt 38 Prozent . Wer da behauptet, da sei nichts pas-
siert, der muss gleichzeitig taub und blind sein . Die Stei-
gerungen im BMZ und im Auswärtigen Amt betragen
von 2014 bis 2018 42 Prozent . Jetzt kann man natürlich
sagen: Es könnte auch mehr sein . – Aber wir sollten doch
stolz darauf sein, dass es in diesem Zeitraum gelungen
ist, so etwas zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


Fluchtursachen zu bekämpfen, hat etwas mit wirt-
schaftlicher Entwicklung, mit Bildung zu tun . Es hat aber
auch etwas mit der Bekämpfung des Terrors zu tun . Ich
denke dabei beispielsweise an die Situation in Nigeria –
an das, was dort an Terror und Flucht geschieht . Heute
Nachmittag haben wir einen großen Kongress zum The-
ma „Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe“. Da werden Je-
sidinnen, Frauen aus dem Irak und anderen Regionen der
Welt uns darüber berichten, dass sie durch genau solche
brutalen Terrortaten vertrieben wurden . Deswegen heißt
Bekämpfung des Terrors: einsetzen für Religionsfreiheit
und Menschenrechte . Das ist ganz zentral wichtig .

Ja, Herr Kollege Bartsch, darüber müssen wir reden .
Es ist aber schon eine besondere Form der politischen
Wirklichkeit, wenn Sie sich hierhinstellen und über eine
ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen sprechen,
aber sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, dass Russ-
land in vorderer Front mit dazugehört .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein! Zuhören! Ich habe Russland genannt! Das ist einfach nicht wahr! Russland und sogar China!)


Wir sollten damit insgesamt fair umgehen .

Zusammenfassend sage ich: Diese Bundesregierung
mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin hat in den zwölf
Jahren gewaltige Schritte gemacht . Erfolg kann man aber
immer nur dann haben, Herr Kollege Hofreiter, wenn die
anderen auch mitmachen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die SPD Sie denn beim Klimaschutz behindert?)


Mitmachen bedeutet, sie zu gewinnen . Das kann man
aber nicht, wenn man hier herumredet und sagt: Das
muss passieren . – Und beim Gewinnen hat die Bundes-
kanzlerin doch wirklich unglaubliche Erfolge erzielt . Das
muss man doch auch einmal sagen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der letzte Hinweis . Auch beim Klimaschutz ist viel
gelungen . Ja, Sie haben recht, dass wir beim Klimaschutz
vorankommen müssen . Aber die Bundeskanzlerin kann
nun wirklich nichts dafür, dass Trump das Klimaabkom-
men aufgekündigt hat .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich ihr auch gesagt!)


Dazu muss ich sagen: Lassen Sie jetzt doch einmal die
Kirche im Dorf .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was wir machen, dafür kann sie was!)


Herr Hofreiter, im Übrigen gilt eines: Wir müssen natür-
lich wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz schon
als gemeinsames Ziel, vielleicht als die beiden Seiten ei-
ner Medaille, betrachten . Wie man sich bei diesem The-
ma verrennen kann, das können Sie sich in dem Video
von Herrn Kretschmann anschauen, in dem er darüber

spricht, wie man mit Diesel, Klimaschutz und wirtschaft-
licher Entwicklung umgeht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, also:
Wir stehen vor großen Herausforderungen . Aber wir dür-
fen uns auch sagen: Wir haben in vielen Punkten richtige
Akzente gesetzt . Ja, es gibt noch weitere Aufgaben . Aber
ich sehe niemanden, wirklich niemanden, der diese Auf-
gaben so gut bewältigen könnte wie Angela Merkel .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In dieser Aussage will ich mich nicht vom Frontmann der
„Toten Hosen“, Campino, übertreffen lassen, der genau
diesen Satz gesagt hat: „Wer kann es besser als Angela
Merkel?“


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824301600

Bernd Westphal erhält nun das Wort für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1824301700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Kauder, Sie haben eben, was Verteidigungs- und Si-
cherheitspolitik angeht, die SPD genannt . Ich will Ihnen
als Erstes sagen: Wir brauchen dort keine Nachhilfe von
Ihnen . Die Verteidigungsminister der Sozialdemokratie
hatten mehr Zustimmung in der Truppe als die jetzige
Amtsinhaberin .


(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann stehen Sie doch auch zu deren Beschlüssen!)


Als Zweites kann ich Ihnen auch sagen: Die Herausfor-
derungen, die Sie richtigerweise beschrieben haben –
hier bin ich ja bei Ihnen –, verlangen andere Maßnahmen
als bewaffnete Drohnen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 7 . und 8 . Juli
2017 steht Deutschland als Gastgeber des G‑20‑Treffens
im Mittelpunkt globaler Aufmerksamkeit, und die Men-
schen werden sich berechtigterweise fragen: Was kommt
eigentlich dabei heraus, wenn sich die Regierungschefs
aus 20 wichtigen Wirtschaftsnationen treffen? Ist der
Aufwand gerechtfertigt? Gibt es wirklich Fortschritte
und Verbesserungen?

Um es gleich vorwegzusagen: Wir halten die G 20 für
eines der wichtigsten Foren, wenn nicht sogar für das
global wichtigste Forum . Nur in solchen Foren kann die
notwendige internationale globale Zusammenarbeit ko-
ordiniert werden . – Das sagen wir denjenigen, die dieses
Forum noch immer hinterfragen .

Die SPD hat sich aufgrund der Geschichte der Arbei-
terbewegung und mit Personen wie Willy Brandt immer
für internationale Zusammenarbeit und Kooperation ein-

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


gesetzt . Wir brauchen sie . Unserer Meinung nach sollte
die Zusammenarbeit aber stärker auf die Bedürfnisse der
Menschen abzielen . Die internationale Zusammenarbeit
muss gerechter, fairer und auch wirkungsvoller sein .
Aber es gibt keine Alternative . Dieser Dialog ist wichtig,
und deshalb ist das G‑20‑Treffen eine wichtige Plattform.

Das sage ich auch an die Adresse derjenigen, die nur
Protest zeigen und wenig Verständnis für die notwendi-
ge politische Abstimmung zwischen diesen Staaten ha-
ben . Nur im Dialog können wir Globalisierung gestalten .
Gerade die Gegner der bisherigen Globalisierungspro-
zesse müssen ein Interesse daran haben, diesen Dialog
zu stärken, damit auch die, die zum Beispiel in Bangla-
desch oder sonst wo für einen Hungerlohn arbeiten, eine
Chance auf soziale Absicherung, auf menschenwürdige
Arbeitsbedingungen, auf eine intakte Umwelt und auf
Teilhabe am Wohlstand haben .

Immer stärker rücken Fragestellungen in den Vorder-
grund der G 20, die weiter gehen als Fragen der interna-
tionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit . Der Handel
bietet Lösungsansätze für diese globalen Herausforde-
rungen . Wir sagen Ja zu dieser verbesserten Zielstellung
der G 20 mit Schwerpunkten auch in den Bereichen Kli-
mapolitik und Ernährungssicherung und beim Thema
Arbeit .

Das Treffen der Arbeitsminister, Labour 20, im Mai
dieses Jahres hat neue Regeln für eine faire Globalisie-
rung und für digitales Arbeiten verfasst . Die Gewerk-
schaftsgruppierungen übergaben diese Empfehlungen an
die Bundesregierung . Wir begrüßen diesen Dialog mit
der Zivilgesellschaft im Rahmen der G-20-Beteiligungs-
prozesse, auf die diesmal ein Schwerpunkt gelegt wurde .

Diese Gruppen nennen sich die „C 20“ . Dieser Zusam-
menschluss zivilgesellschaftlicher Akteure im G-20-Pro-
zess besteht aus zivilgesellschaftlichen Organisationen
und gestaltet dieses Forum mit .

Die G 20 hat sich in den letzten acht Jahren deutlich
gewandelt . Wir begrüßen, dass arbeitsmarktpolitische
Themen und Soziales, aber auch der Schutz der Umwelt,
die Bekämpfung von Fluchtursachen, die globale Ge-
sundheit und die Stärkung von Frauen und Kindern mit
auf der Tagesordnung stehen .


(Beifall bei der SPD)


Ob es bei den G-20-Themen wirklich zu Durchbrü-
chen kommt, bleibt abzuwarten . Sicherlich wird vieles
durch die Teilnahme von Herrn Trump und Erdogan
nicht einfacher, da die G-20-Regeln vorgeben, dass Ent-
scheidungen im Konsens zu treffen sind. Es ist jedoch
wichtig, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der
Agenda 2030 und das Pariser Klimaschutzabkommen
mit neuen Impulsen voranzutreiben . Der Gipfel bietet
Deutschland die Möglichkeit, auf die Notwendigkeit
einer neuen, an soziale und ökologische Anforderungen
angepassten Zukunftsvision hinzuweisen .

Wir können viele Neuerungen in unserer sozialen
und klimafreundlichen Wirtschaftspolitik auf dem Gip-
fel mit unseren Partnern diskutieren und sie auffordern,
sich dieser Politik zu öffnen. Ähnliches gilt für weiter
gehende Entscheidungen des Europäischen Parlaments

und der EU zu Mindeststandards in den globalen Wert-
schöpfungs- und Lieferketten . Diese menschenrechtli-
chen, sozialen und ökologischen Regeln gehören in die
G-20-Gruppe, sie gehören auf den Gipfel und müssen
dort diskutiert werden .

Hervorheben möchte ich den Erfolg, den wir bei der
G-20-Präsidentschaft in der Arbeitsgruppe „Handel und
Investitionen“ erzielt haben . Auch hier wünschen wir
dem G-20-Gipfel, dass er einen Beitrag dazu leistet,
Handel fairer zu machen und verbindliche Verbraucher-
und Umweltschutzstandards zu vereinbaren . Dazu müs-
sen vor allen Dingen Sie, Frau Bundeskanzlerin, da Sie
Gastgeberin dieses Gipfels sind, durchsetzungsstarke
Verhandlungsstrategien aufnehmen . Es liegt maßgeblich
an Ihnen, ob die guten vorgegebenen Ziele beim Gipfel
Unterstützung bekommen oder nicht . Da hilft kein vor-
sichtiges Herantasten . Da müssen Führungsqualitäten
gezeigt und Zukunftsvisionen formuliert werden . Die
Zusammenarbeit der G-20-Länder muss in Hamburg
Handlungsoptionen für morgen nicht nur aufzeigen, sie
müssen durchgesetzt und vor allen Dingen umgesetzt
werden .

Viele Forderungen beziehen sich nicht nur auf die
Handelspolitik . Uns geht es auch um einen konstrukti-
ven Austausch mit Schwellen- und Entwicklungslän-
dern . Wir brauchen förderliche Rahmenbedingungen für
Investitionen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und
die wirtschaftliche Entwicklung, vor allen Dingen in af-
rikanischen Ländern . Geeignete Maßnahmen gibt es im
finanz‑ und wirtschaftspolitischen Bereich sicherlich vie-
le .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, Willy Brandt hat 1976 bei einer
Rede formuliert:

Die reichen Nationen werden nicht reich bleiben,
wenn die Armenhäuser der Menschheit wachsen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wünschen dem G-20-Gipfel viel Erfolg und eine
erfolgreiche Wahrnehmung der Verantwortung für diese
Aufgabe .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824301800

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Jürgen Trittin

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824301900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

deskanzlerin! Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Wir
müssen uns gegen Protektionismus und gegen Isolati-
onismus wehren . – Für diesen Kampf hat Sie die New
York Times zum „leader of the free world“ ernannt . Da-
gegen haben Sie sich gewehrt, vielleicht sogar zu Recht .
Sie sind keine Führerin, sondern Sie sind de facto in den
letzten zwölf Jahren als die Königin des organisierten
Rückzugs der Konservativen aufgefallen . Immer erst,
wenn etwas total aus der Zeit gefallen ist, haben Sie es

Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


einkassiert: Wehrpflicht, Atomkraft. Und jetzt soll es die
Ehe für alle geben .

Wenn man in einer solchen Situation über Führung
spricht: Führung hat etwas mit Vorangehen zu tun . Wie
glaubwürdig ist es von Ihnen, das Ausscheiden von
Donald Trump aus dem Pariser Abkommen zu beklagen,
wenn Sie gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen eine Koa-
litionsvereinbarung abschließen, die schlicht und ergrei-
fend Trump pur ist? Keine erneuerbaren Energien, son-
dern es wird ausschließlich auf die Kohle gesetzt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist industriepolitisch fatal . Heute werden 35 Pro-
zent der Windenergieanlagen der Welt in China instal-
liert und 17 Prozent in den USA . In Deutschland beträgt
dieser Anteil noch 10 Prozent, und in Nordrhein-Westfa-
len wollen Sie das auf null bringen . Wollen Sie bei den
erneuerbaren Energien den gleichen Offenbarungseid
schwören,


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hat sie doch gar nicht!)


den Sie schon für die Automobilindustrie ablegen muss-
ten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es war doch ein Offenbarungseid, als Sie in China darum
betteln mussten, dass es nicht zu früh zu einer Quote für
Elektroautos kommt, weil unsere Autoindustrie genau
diese Entwicklung auf den Zukunftsmärkten verpennt
hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen den Handel nutzen . Wir wollen keinen
Protektionismus. Wir wollen offene Handelsbeziehun-
gen. Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie denn offe-
ne Märkte hinbekommen, wenn Sie Handelsabkommen
durch die Hintertür, abgeschirmt von der Öffentlichkeit,
abschließen? Wie wollen Sie offene Märkte erreichen,
wenn Sie die Regulierung dieser offenen Märkte gehei-
men, privaten Schiedsgerichten überlassen? Das ist es
doch, was die Menschen am Ende dazu bringt, zu glau-
ben, dass nur noch die Nation sie vor den Gefahren und
den Verlusten durch die Globalisierung schützt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen sage ich Ihnen: So etwas wie JEFTA ist
doch gerade Beförderung von Protektionismus . Die Kon-
sequenz ist Nationalismus und das, was wir von jenseits
des Atlantiks – ich sage ausdrücklich: leider – hören .

Das letzte Weltwirtschaftsforum – das ist ja nicht eine
Versammlung von Grünen; ich habe davon einen anderen
Eindruck – hat zwei große Risiken für die Welt entdeckt:
Klimawandel und Ungleichheit . Und in der Tat – ich will
die Debatte gerne aufgreifen, die auch Sie, Herr Kauder,
hier geführt haben –: Eine Welt, in der 8 Milliardäre so

viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen, die ärmere
Hälfte der Menschheit, wird keine sichere Welt sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Da hat die G 20 die Verantwortung . Was macht das
Land, das jetzt die Präsidentschaft der G 20 hat? Das legt
einen Haushaltsplan mit einer mittelfristigen Finanzpla-
nung vor . Was ist darin die Antwort auf diese Heraus-
forderungen? Lesen Sie es mal nach! Von 2018 bis 2021
sollen die Rüstungsausgaben in Deutschland um 14 Mil-
liarden Euro steigen . Was ist mit den Ausgaben für das
Auswärtige Amt,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die steigen auch!)


für die humanitäre Hilfe, für das Entwicklungsministeri-
um? Die sollen in dem gleichen Zeitraum um 1 Milliarde
Euro sinken .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Irre!)


Das sind die falschen Antworten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das gestaltet nicht die Globalisierung . Deswegen, fürch-
te ich, wird dieser G-20-Gipfel kein Erfolg für die Ge-
staltung der Globalisierung sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1824302000

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin

Gerda Hasselfeldt das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1824302100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist unbestritten: Viele der großen Herausforderungen
unserer Zeit – ob das die Migrationsproblematik ist, die
Bewältigung des Klimawandels, die Bekämpfung von
Armut weltweit oder die Verbesserung der Situation der
Menschen am Arbeitsmarkt, in der Beschäftigung wie
auch die soziale Verbesserung – können nicht mehr nur
national gelöst werden, sondern dafür braucht es die eu-
ropäische und teilweise internationale Zusammenarbeit .
Deshalb ist es auch wichtig und richtig, dass sich auf
europäischer Ebene und auf der Ebene der G 20 immer
wieder die Staats‑ und Regierungschefs treffen, diskutie-
ren, miteinander reden und Schritt für Schritt auch die
Probleme angehen .

Wenn hier beklagt wurde, dass Europa vielleicht in
einem nicht ganz so guten Zustand ist und manches, wie
Thomas Oppermann zu Griechenland gesagt hat, noch
nicht ganz in trockenen Tüchern ist oder sogar anders
hätte gemacht werden sollen, dann wollen wir uns doch
einmal vergewissern, meine Damen und Herren, wie
die Situation wirklich ist . Wir haben heute in der Euro-

Jürgen Trittin






(A) (C)



(B) (D)


päischen Union, sowohl im Euro-Raum als auch in der
gesamten Union, die niedrigste Arbeitslosenquote seit
2008/2009 . Das haben wir auch durch gemeinsame eu-
ropäische Bemühungen und nicht zuletzt durch unseren
Stabilitätskurs im Hinblick auf die Problematik der euro-
päischen Währung erreicht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben gezeigt: Wir sind solidarisch . – Aber zur
Solidarität gehört auch, dass in den einzelnen National-
staaten die Hausaufgaben zur Haushaltskonsolidierung
und zu den Strukturreformen gemacht werden . Der
Druck dazu ist dadurch entstanden, dass vonseiten der
Europäischen Union unter deutscher Initiative immer
wieder auf diese Hausaufgaben der einzelnen Staaten
hingewiesen und unsere solidarische Hilfe auch davon
abhängig gemacht wurde .

Das Ergebnis haben wir heute: Wir haben eine bessere
wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Situation
für die Menschen in Europa . Das gilt auch für Griechen-
land, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich begrüße es sehr, dass mit der Entscheidung beim
Europäischen Rat in der vergangenen Woche ein klares
Signal für offene Märkte ausgesandt wurde. Ich begrü-
ße es deshalb, weil nachgewiesenermaßen die freieren
Märkte in den vergangenen Jahren dazu geführt haben,
dass die Armut der Bevölkerung in der Welt verringert
wurde . 1990 zum Beispiel waren noch 2 Milliarden Men-
schen weltweit von extremer Armut betroffen, heute sind
es etwa 800 Millionen – auch noch zu viel . Aber an dem
Beispiel merkt man: Freiere Märkte tragen auch dazu bei,
die Armut in der Welt zu bekämpfen, und sie tragen dazu
bei, dass es den Menschen weltweit besser geht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade für uns in Deutschland sind freie Märkte in
besonderer Weise wichtig, weil bei uns jeder vierte Ar-
beitsplatz vom Export abhängig ist . Nur freie Märkte
garantieren auch langfristig sichere Arbeitsplätze, ga-
rantieren eine größere Auswahl für die Verbraucher und
garantieren günstigere Preise . Deshalb unterstützen wir
moderne Freihandelsabkommen wie das CETA . Ich wür-
de mir schon wünschen, dass die Grünen nicht nur Lip-
penbekenntnisse zu freien und offenen Märkten abgeben,
sondern dann, wenn es um die Konkretisierung geht, um
Regeln für diese freien Märkte, den modernsten Freihan-
delsabkommen, wie CETA eines ist, zustimmen und sie
nicht blockieren werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Viele Krisen, Kriege und Konflikte in der Welt haben
unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf uns in
Europa . Deshalb ist die Frage, wie wir die Sicherheit der
Bürger in unserem Land gewährleisten, von ganz ent-
scheidender Bedeutung . Auch das können wir nicht mit
nationalen Maßnahmen alleine lösen, sondern auch da
ist eine intensive Zusammenarbeit auf europäischer und
internationaler Ebene notwendig, beispielsweise durch
einen noch intensiveren, noch besseren Informationsaus-
tausch der Sicherheitsbehörden in Europa .

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Thomas de
Maizière für seine Bemühungen um ein gemeinsames
europäisches Einreise- und Ausreisesystem . Das ist eine
schwierige Aufgabe – ich weiß das –, aber ich schließe
mich den Hoffnungen des Europäischen Rats an, dass wir
zum Ende dieses Jahres zu noch besseren Ergebnissen
kommen . Es ist ein schwieriger Weg, aber er hat es auf
den Weg gebracht, und er arbeitet mit großer Intensität an
diesem System .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sicherheit der Bürger – das bedeutet auch bessere
Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich . Dazu haben
Volker Kauder und andere schon einiges gesagt . Auch ich
will betonen, dass es wichtig ist, von der Planung über
die Beschaffung bis hin zur gesamten Zusammenarbeit
im Verteidigungsbereich eine bessere Koordination auf
europäischer Ebene zu erreichen, um die vorhandenen
Ressourcen gut und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist
es, ein starker Pfeiler innerhalb der NATO zu sein, nicht
als Konkurrenz zur NATO, sondern innerhalb der NATO
eine starke europäische gemeinsame Präsenz zu haben .

Bei einem Problem, das in den vergangenen Jahren
intensiv in der Europäischen Union bearbeitet wurde, ha-
ben wir aber zweifellos noch Handlungsbedarf . Das ist
die Frage: Wie bewältigen wir die Migration nach Euro-
pa? Es ist keine nationale Aufgabe allein, sondern es ist
eine europäische Aufgabe .

Das, was in den vergangenen Jahren hier in Bezug auf
die Sicherung der Außengrenzen und in Bezug auf die
Bekämpfung der Schleuser im Mittelmeerraum erledigt
worden ist, kann sich sehen lassen und hat auch schon
Wirkung . Aber wir wissen auch, dass wir insbesonde-
re bei der Bekämpfung der illegalen Migration, bei der
Bekämpfung der Schleuserkriminalität noch Aufgaben
vor uns haben und dass dabei die Zusammenarbeit mit
den Herkunftsstaaten, insbesondere in Afrika, von ganz
entscheidender Bedeutung ist, um den Migrationsdruck
auf Libyen und die Mittelmeerroute tatsächlich zu ver-
ringern . Das ist eine Aufgabe, die vor uns liegt . Aber wir
wissen, dass wir auf diesem Weg nicht nur auf nationaler,
sondern auch auf europäischer Ebene schon vieles erle-
digt haben .

Nun, meine Damen und Herren, steht der G-20-Gipfel
vor der Tür . Im Vorfeld dieses Gipfels haben viele Ge-
spräche mit Beteiligung der Bundesregierung und mit
Beteiligung der Bundeskanzlerin stattgefunden, etwa
Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, mit wich-
tigen gesellschaftlichen Gruppen. Ich finde, das ist eine
hervorragende Vorbereitung und macht deutlich: Hier
werden die Menschen und die Verantwortlichen in unse-
rer Gesellschaft mit einbezogen .

Dieser G-20-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft
gibt uns in Deutschland in besonderer Weise auch die
Möglichkeit, die Gestaltung der Globalisierung mitzu-
bestimmen . Die Bundesregierung tut dies mit dem Ziel,
die Weltwirtschaft, die Finanzwirtschaft und den Finanz-
markt zu stabilisieren. Sie tut das mit dem Ziel, für offe-
ne Märkte zu werben, die hohe Standards gewährleisten,
und indem sie sich gegen Protektionismus einsetzt .

Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


Und sie tut dies mit der Schwerpunktsetzung Afrika .
Ich möchte das ausdrücklich betonen; denn auf diesem
Kontinent gibt es viele wirtschaftliche Potenziale, die es
zu heben gilt . Dazu brauchen wir aber Sicherheit und Sta-
bilität . Wir alle wissen, dass klimatische Veränderungen,
dass Bedrohungen der Gesundheit, dass Terrorismus,
Korruption und vieles andere dort eine gute wirtschaft-
liche Entwicklung erschweren . Genau an diesen Punkten
setzt jetzt die Initiative der Bundesregierung an mit dem
Ziel, auch mehr privates Kapital nach Afrika zu bringen
und damit auch den Menschen dort zu helfen .

Ich finde, es ist die Verantwortung der gesamten
Weltgemeinschaft, die Menschen in Afrika nicht allein-
zulassen, sondern gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich
dieser Kontinent so entwickeln kann, dass die Menschen
in ihrer Heimat bleiben können und dort eine positive
Lebens‑ und berufliche Perspektive haben. Da, meine
Damen und Herren, sind wir alle miteinander gefordert .
Deshalb ist es richtig, dies zum Schwerpunktthema der
G 20 zu machen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe – das will ich auch ganz deutlich sagen – kein
Verständnis dafür, dass schon im Vorfeld des G-20-Gip-
fels gewaltbereite und linke Chaoten ankündigen, dass
sie mit allen Mitteln den G-20-Gipfel attackieren wollen .
Meine Damen und Herren, welche Möglichkeiten gibt es
sonst, um die globalen Probleme in der heutigen Zeit zu
lösen, als immer wieder miteinander zu reden, Vereinba-
rungen zu treffen, und zwar nicht im stillen Kämmerlein,
nicht nur zwischendurch einmal, sondern regelmäßig bei
einem G‑20‑Treffen?

Da wie auch sonst hat Gewalt keinen Platz und darf
nicht toleriert werden – auch nicht im Vorfeld mit Ver-
harmlosungen oder gar mit Rechtfertigungen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich wünsche der Bundeskanzlerin nach einem erfolg-
reichen Europäischen Rat nun auch einen erfolgreichen
G-20-Gipfel . Niemand außer ihr hat eine so reichhaltige
Erfahrung und eine so hohe Anerkennung weltweit . Wir
wissen bei ihr unser Land in guten Händen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824302200

Norbert Spinrath hat als nächster Redner für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Norbert Spinrath (SPD):
Rede ID: ID1824302300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Von Helmut Kohl war
heute bereits mehrfach die Rede, ich sage: zu Recht .
Denn er ist unbestreitbar eine der prägenden Figuren in
der Geschichte unseres Kontinents in den letzten Jahr-
zehnten . 1992 hat er den Anspruch für seine Partei so
formuliert – ich zitiere –:

Für uns ist die Entwicklung Europas nicht irgendein
Thema der Tagespolitik . Europa ist für Deutschland

eine Schicksalsfrage; ich behaupte: die Schicksals-
frage .

Heute stelle ich fest: Ja, die Union hat sich verändert .
Vorbei die Zeiten, in denen Helmut Kohl noch Staats-
räson zeigte und seine Politik darauf abzielte, auch die
anderen, insbesondere die kleineren Mitgliedstaaten im-
mer mitzunehmen! In welchem Kontrast steht dazu die
heutige Realität . Europa ist für Ihre Partei, Frau Merkel,
Herr Schäuble und Herr Kauder, nicht mehr eine Schick-
salsfrage, sondern ist so manches Mal Gegenstand ta-
gespolitisch motivierter Rechthaberei geworden . Kaum
waren wir dem Schreckensszenario Marine Le Pen als
französische Präsidentin durch die überzeugende Wahl
von Emmanuel Macron entgangen, gab es kleinkarierte
Schulmeistereien aus der Unionsfraktion zu seinen Vor-
schlägen betreffend die Euro‑Zone. Schnell wurde aus
Unionsreihen erklärt, was nicht geht . Da wurden sogar
Vorschläge abgelehnt, die Macron gar nicht gemacht hat-
te .


(Beifall bei der SPD)


Wie ist es zu diesem Verfall gekommen? Ich befürch-
te – Frau Merkel ist leider nicht mehr anwesend und kann
nicht zuhören; ich bin mir sicher, dass es ihr jemand aus-
richten wird –, dass auch Frau Merkel dafür eine Mit-
verantwortung trägt . Durch ihre Art, Politik zu machen,
ist nicht nur ihre Partei europapolitisch entkernt . Das hat
auch zu einer Erosion des Vertrauens in die Europäische
Union bei der Bevölkerung geführt . Wir Sozialdemo-
kraten wollen dieses Vertrauen wieder stärken . Draußen
wird man erkennen, dass heutzutage die Europapartei
Deutschlands die SPD ist .


(Beifall bei der SPD)


Frau Merkel hat in den Jahren der Krisen an ihrer all-
seits bekannten Methode festgehalten, nie klar Stellung
zu beziehen . Wenn in nächtlichen Gipfelrunden im Hin-
terzimmer des Europäischen Rates hektisch Notlösungen
gefunden werden mussten, lautete ihre einzige Erklärung
an die deutsche Öffentlichkeit oft: Es war alternativlos. –
Eine zentrale Führungsaufgabe dagegen ist, getroffene
Entscheidungen zu erklären . Sie, Frau Merkel, hätten den
Menschen erklären müssen, dass und wie Deutschland
von einem politisch stabilen und wirtschaftlich starken
Europa abhängt und dass unsere Beiträge zur Krisenbe-
wältigung keine Almosen für vermeintliche Müßiggän-
ger aus Europa sind, sondern Investitionen nicht nur in
die Zukunft Griechenlands, sondern auch in die Zukunft
unseres Landes .


(Beifall bei der SPD)


Wer argumentativ ein solches Vakuum entstehen lässt,
muss sich nicht wundern, wenn Populisten diesen Raum
füllen . Das hat Verunsicherung auch bei unseren EU-Part-
nern geschaffen, insbesondere bei denen, die klein oder
weniger leistungsstark sind . Sie fühlen sich im Rat oft
nicht mehr mitgenommen . Eine Folge daraus ist, dass
Sie, Frau Merkel und Herr Schäuble, mehr und mehr an
Rückhalt bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Europa
verloren haben . Wäre Helmut Kohl das passiert? Auch
wenn wir bei den Wahlen in den Niederlanden, in Frank-
reich und in Großbritannien erste Abschwächungen ge-

Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


sehen haben, ist die Gefahr des Populismus längst nicht
gebannt, auch nicht der Drang einiger Regierungs- oder
Parteichefs, sich wieder stärker auf die eigenen Kirch-
türme zu fokussieren . Wer Menschen keine positiven Ar-
gumente liefert, der muss sich nicht wundern, wenn der
Populismus weitere Blüten treibt .

Wir brauchen eine Erneuerung an der Spitze unseres
Landes . Es wird Deutschland guttun, bei den EU-Gipfeln
demnächst durch den überzeugten und überzeugenden
Europäer Martin Schulz vertreten zu sein .


(Beifall bei der SPD – Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)


Ich wünsche mir Martin Schulz auch deshalb als Bundes-
kanzler, weil mit ihm die institutionelle Balance in der
EU wiederhergestellt werden kann . Frau Merkel ist zu
sehr den pragmatischen Weg des Aushandelns im Hin-
terzimmer gegangen . Die Menschen in Europa werden
aber ihre Begeisterung für die Europäische Union nur
aufrechterhalten oder wiederfinden, wenn wir ihre Sor-
gen ernst nehmen und ihnen die Dinge erklären . Dies
ist Frau Merkel immer weniger gelungen . Die an sich
vorgesehenen Entscheidungswege werden umgangen .
Die Staats- und Regierungschefs ziehen immer mehr an
sich und ziehen sich zunehmend ins Hinterzimmer zu-
rück . Sie entziehen sich damit der unmittelbaren parla-
mentarischen Beteiligung und Kontrolle . Sie überlasten
sich selbst, verlieren sich in Details und untergraben ihre
eigene Autorität . Dadurch wird die Zahl der vom Euro-
päischen Rat zwar beschlossenen, aber nicht erreichten
Ziele immer höher .

Der Aufbau der EU mit den drei Institutionen Kom-
mission, Ministerrat und Europäisches Parlament und
deren Zusammenspiel im Gesetzgebungsprozess ist eben
nicht überflüssige und behäbige Bürokratie. Er ist viel-
mehr eine mit Bedacht entworfene Konstruktion, um mit
einer Gemeinschaft von mehr als zwei Dutzend Mitglied-
staaten und mit über 500 Millionen Menschen umzuge-
hen. Dem Demokratiedefizit der Europäischen Union
gibt man Nahrung, wenn man weiter Politik im Hinter-
zimmer betreibt . Das schwächt das Ansehen der EU und
ihrer Institutionen nicht nur in Deutschland, sondern in
der gesamten europäischen Bevölkerung .

Ich glaube, dass wir wieder auf Helmut Kohl zurück-
schauen müssen, der zum Beispiel bei der Gründung der
Währungsunion bereit war, gegenüber der deutschen Be-
völkerung unangenehme Wahrheiten einzuräumen und
zu vertreten . Seine Durchsetzungskraft galt nicht nur
einseitig deutschen Interessen; er stellte sich immer auch
in den Dienst des gemeinsamen europäischen Projekts .
Ich glaube, dass Martin Schulz gut für unser Land, gut
für die europäische Sache ist, dass er mit seinem großen
Respekt, den er sich erworben hat, und mit seiner Art,
zusammenzuführen statt Distanzierung zuzulassen, wenn
er nach dem 24 . September 2017 zum Bundeskanzler ge-
wählt ist, uns und unsere Rolle in Europa deutlich besser
vertreten kann .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hätte ich eigent-
lich als Schlusssatz stehen lassen können; aber ich kann

nicht umhin – weil Karthago immer noch nicht zerstört
ist –, meine Rede abzuschließen, wie ich es schon oft
gemacht habe: Unser größtes Augenmerk müssen wir
immer noch auf die Bekämpfung der erschreckend ho-
hen Jugendarbeitslosigkeit in einigen Staaten Europas
richten . Wir müssen endlich Perspektiven für die jungen
Menschen in Europa schaffen; denn wer selbst keine Per-
spektiven hat, der wird schwerlich Perspektiven für seine
zukünftigen Generationen schaffen können.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824302400

Als nächster Redner hat Dr . Michael Fuchs von der

CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1824302500

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
bin jetzt 15 Jahre hier im Hohen Hause . Das ist meine
letzte Legislaturperiode und dies dann wohl auch meine
letzte komplette Sitzungswoche . Dann fängt man schon
an, ein bisschen zurückzudenken .

Wie war das denn im Jahre des Heils 2002, als ich
hierherkam?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war eine schöne Zeit damals!)


Die Situation war weit schlechter als heute .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das stimmt! Wir wurden schlechter regiert!)


Deutschland wurde als der „kranke Mann Europas“ be-
zeichnet . The Economist schrieb: „Ein Riese geht in die
Knie .“ Wir hatten 4,1 Millionen Arbeitslose . Die Zahl
wuchs dann bis 2005 – so lange währte die Kanzlerschaft
Schröder – auf 5 Millionen . Die Arbeitslosenquote lag
bei 10 Prozent. Das Haushaltsdefizit des Bundes lag bei
3,9 Prozent . Wir haben natürlich auch die Maastricht-Kri-
terien gebrochen; wir waren da mit den Franzosen die
Ersten . Schröder war vernünftig, hat erkannt: „Das kann
nicht so weitergehen“,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


und die Agenda 2010 auf den Weg gebracht, und Sie ver-
weigern heute, die Vaterschaft für diese Agenda anzuer-
kennen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Es ist doch ein Trauerspiel, dass Sie jetzt hingehen, be-
stimmte Dinge wieder zurückzudrehen, weil Sie glauben,
nur auf diese Weise eine Koalitionsbasis mit den Linken
zu finden. Das ist doch der einzige Grund, weswegen Sie
das machen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Dafür können wir andere Sachen finden!)


Norbert Spinrath






(A) (C)



(B) (D)


Machen wir uns nichts vor: Bei Ihrem Arbeitslosengeld Q
steht Q für Quatsch! Das lassen wir sein; das brauchen
wir nicht . Wir müssen, im Gegenteil, auf dem Weg der
Agenda 2010 fortfahren . Das macht Sinn .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Heute ist die Situation deutlich besser . Wir haben ge-
rade einmal halb so viele Arbeitslose wie zu Zeiten von
Herrn Schröder . Wir haben 44 Millionen Erwerbstätige .
Wir haben 32 Millionen sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigte. Fast alle unsere Sozialsysteme befinden sich
mittlerweile in guten, sogar in exzellenten Strukturen .
Wir könnten beispielsweise – und das sollten wir dann
auch tun – den Beitragssatz für die Arbeitslosenversiche-
rung senken, sicherlich auf 2,7 Prozent, vielleicht sogar
auf 2,6 Prozent . Zudem haben wir – Herr Spinrath, Sie
haben es angesprochen – die mit weitem Abstand nied-
rigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa . Darauf bin
ich ganz persönlich sehr stolz;


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sören Bartol [SPD])


denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn junge Leute
keine Perspektive haben, wie das in vielen anderen Län-
dern leider der Fall ist .

Wir werben in meinem Arbeitsagenturbezirk mittler-
weile um französische Jugendliche; denn wir haben bei
den Jugendlichen null Arbeitslosigkeit . Das ist eine tolle
Sache. Aber wir haben 600 offene Stellen im Handwerk,
und das ist ein bisschen besorgniserregend . Das kann
nämlich sehr schnell dazu führen, dass wir später nicht
die notwendigen Facharbeiter haben .


(Ulrich Freese [SPD]: Deshalb brauchen wir ja auch ein Einwanderungsgesetz!)


Darüber wird sich der nächste Bundestag ganz sicher Ge-
danken machen müssen .

Wir haben in der gesamten Legislaturperiode keine
Neuverschuldung gemacht . Das ist auch ein sehr positi-
ves Resultat der Politik von Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble . Wir haben eben keine Politik gemacht nach
dem Motto: Kinder haften für ihre Eltern . – Wir sind den
richtigen Weg gegangen . Das muss so bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die große Mehrheit in unserem Land merkt das . Die
Menschen spüren, dass der Aufschwung bei ihnen ange-
kommen ist . In den letzten Jahren hat es endlich erhebli-
che Nettozuwächse gegeben . Das merken die Leute .

Ich hatte vor kurzem das große Vergnügen, italieni-
sche Senatoren hier zu Gast zu haben . Das Erste, was sie
mir gesagt haben, war: Vogliamo avere i vostri proble-
mi . – Sie würden also gern unsere Probleme haben . Wenn
man sich die Situation in Italien anguckt, stellt man fest:
Dort sieht es komplett anders aus . Wir sollten das auch
mit Stolz sagen dürfen .

Wir haben in vielen Bereichen sehr viel getan . Zum
Beispiel hat der Sozialetat mittlerweile einen Anteil von
55,8 Prozent erreicht . So hoch war er, nebenbei gesagt,
noch nie . Nach der mittelfristigen Finanzplanung wächst

er auf 58 Prozent an . Dann muss es aber auch einmal gut
sein .


(Beifall des Abg . Gunther Krichbaum [CDU/ CSU])


Davon zu reden, wir würden Sozialabbau betreiben, ist
schlicht Unsinn .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich wünsche mir ein Stück mehr Fairness im Wahl-
kampf . Ich ärgere mich enorm darüber, wie unsere Erfol-
ge heruntergeredet werden, wie gesagt wird: Hier ist alles
schlecht . Hier ist alles ungerecht . Wir brauchen mehr Ge-
rechtigkeit . – Fakt ist: Deutschland ist ein funktionieren-
der Rechtsstaat mit einer guten sozialen Marktwirtschaft
und einer parlamentarischen Demokratie .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das sollte kein Demokrat in Abrede stellen .


(Sören Bartol [SPD]: Aber Wahlkampf ist Wahlkampf!)


Zugegeben: Anschläge auf die Demokratie finden zur-
zeit in vielen Teilen der Welt statt, aber ganz sicher nicht
in Deutschland . Über Anschläge auf die Demokratie in
Deutschland überhaupt zu reden, ist schon sehr bezeich-
nend .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir müssen die Refor-
men fortsetzen; denn die berühmten exogenen Faktoren
können sich ganz schnell in die andere Richtung bewe-
gen . Ich nenne drei: Wir haben einen sehr günstigen Eu-
ro-Dollar-Wechselkurs . Das befürworte ich; das ist schön
für uns. Unsere Volkswirtschaft profitiert davon, der Ex-
port läuft, aber das ist nicht gottgegeben . Wir haben einen
niedrigen Öl- und Gaspreis – ich erinnere mich: vor vier
Jahren lag der Dollarpreis für 1 Barrel bei über 100; jetzt
liegt er bei 45 –, und wir haben auch ansonsten niedrige
Rohstoffpreise. Zudem haben wir weiter – das ist eben-
falls positiv für die Wirtschaft – sehr niedrige Zinsen . Ob
das immer so bleiben kann, weiß ich nicht .

Es gibt aber zunehmend Gefahren in unserem Umfeld .
Der Protektionismus, der auch aus Amerika kommt, be-
reitet mir schon ein Stück weit Sorge . Wir müssen auf-
passen, dass das nicht in eine völlig falsche Richtung
geht . Was da mittlerweile von Herrn Ross im Bereich
Stahl geplant wird, macht mir Sorgen; denn viele unserer
Firmen exportieren kräftig in die USA . Deswegen ist es
unsere Aufgabe, über die G 20, aber auch in der Europäi-
schen Union für freie Märkte zu werben, für freie Märkte
zu kämpfen . Ich bin deswegen sehr froh – da liegen Sie
völlig falsch, Herr Spinrath –, dass Angela Merkel mit
dem neuen französischen Präsidenten Macron sofort eine
Allianz gebildet hat; das hat sie sehr gut gemacht . Das
scheint in Europa schon erste Früchte zu tragen, wie sie
selbst eben in ihrer Regierungserklärung gesagt hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir es nicht schaffen, die WTO und auch den
Pluralismus im Handel wieder nach vorn zu bringen,
dann wird das uns allen schaden, vor allen Dingen den

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


Ländern, die es verhindern wollen . Deswegen ist es not-
wendig, dass wir, dass das Europa der 27 wieder in Ver-
handlungen mit den USA zu TTIP eintreten . Das muss
nicht mehr „TTIP“ heißen, damit sich nicht jeder gleich
aufregt, aber es muss weiter verhandelt werden; denn wir
brauchen freien Handel mit den USA .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir müssen in der EU und
insgesamt zu Verbesserungen bei der Infrastruktur kom-
men . Volker Kauder hat an unserem Gipfel mitgewirkt,
auf dem wir über Digitalisierung gesprochen haben .
Dort sind einige Zahlen genannt worden, die mir Sorge
bereiten . Die OECD hat gerade eine Analyse durchge-
führt und festgestellt, dass die Glasfaserdurchdringung
im Breitbandbereich sehr dürftig ist . In Japan und Ko-
rea liegt diese bereits bei 70 Prozent, in der OECD im
Durchschnitt bei 18 Prozent und in Deutschland bei
1,3 Prozent . Das muss uns zu denken geben . Hier muss in
der nächsten Legislaturperiode ein Schwerpunkt gesetzt
werden . Bei der Telekommunikationstechnik müssen wir
auf 5G gehen . Auch da sind andere Länder schon viel
weiter als wir . Das muss ein Industrieland wie Deutsch-
land ganz schnell umsetzen . Ansonsten wird vieles nicht
mehr möglich sein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Oder nehmen Sie die WLAN-Hotspots . In Südkorea
kommen auf 10 000 Bürger 37 Hotspots, bei uns ist es ei-
ner . Diese Zahlen können wir nicht leugnen; wir müssen
erkennen, dass wir hier hinterherhinken . Das muss ganz
schnell geändert werden .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist dafür denn zuständig?)


Ich muss noch etwas zum Thema Energiepolitik sagen;
Sie hätten sich gewundert, wenn ich es nicht tun würde .
Wir brauchen eine Versorgung mit bezahlbarer und sau-
berer Energie, die dazu noch sicher sein muss . Strom ist
in Deutschland weitaus teurer als in den anderen westli-
chen Industrieländern, die zu unseren Wettbewerbslän-
dern zählen . Dadurch drohen Standortverlagerungen .
Der VDMA, der Verband der Maschinen- und Anlagen-
bauer, hat festgestellt, dass die besonders energieintensi-
ven Firmen nur noch etwa 80 Prozent ihrer Abschreibung
in Deutschland reinvestieren . Das ist Desinvestition .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht weil Leute wie Sie immer diesen Quatsch erzählen!)


Das kann uns nicht egal sein, weil das am Ende unter
Umständen bedeuten könnte, dass diese Industrien weg
sind .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das liegt daran, dass Leute wie Sie immer diesen Unsinn erzählen! Schauen Sie sich doch mal die Preise an der Leipziger Strombörse an! Das ist doch postfaktisch!)


– Dass Ihnen das egal ist, Herr Hofreiter, das weiß ich .

Das gibt mir Anlass, einige Abschiedsworte an meine
Lieblingskollegen von Grünen und Linken zu richten .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Na, na, na!)


Meine Mitarbeiter haben mich gefragt, ob mir zu den
Grünen oder zu den Linken, Herr Bartsch, zum Ab-
schluss nicht irgendetwas Nettes einfiele.


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie haben doch nur noch zehn Minuten! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Spannung steigt!)


Ich habe lange nachgedacht und bin zu dem Schluss ge-
kommen: inhaltlich nicht viel .

Im Energiebereich wollen Sie von den Grünen fossil
gefeuerte Kraftwerke in Deutschland abschalten – Sie
haben das eben gesagt –, bevor die notwendigen Netze
vorhanden sind, bevor wir entsprechende Speichertech-
nologien haben . Dann sollen wir halt Kernkraftstrom aus
Frankreich und Tschechien kaufen und Kohlestrom aus
Polen . Das ist doch verlogen . Versuchen Sie doch bitte
einmal, zu erklären, wie es ohne fossil gefeuerte Kraft-
werke gehen soll, wenn Sie aus der Kernkraft aussteigen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir exportieren seit zehn Jahren Strom, und Sie erzählen die gleichen Geschichten!)


Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister hat völlig zu
Recht gesagt, man könne nicht gleichzeitig aus Kern-
kraft und Kohle aussteigen . Das funktioniert nicht . Wir
brauchen erst Lösungen dafür . Wir brauchen eine sichere
Energieversorgung, und zwar auch nachts und in der be-
rühmten Dunkelflaute.

Rückwärtsgewandtheit, Fortschrittsfeindlichkeit und
Rezepte von gestern können wir nicht für die Zukunft
gebrauchen . Sie von den Grünen verkörpern für mich
das genaue Gegenteil von Freiheit und selbstbestimm-
tem Leben . Sie gängeln die Menschen . Wir brauchen in
Deutschland keine Besserwisserpartei .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Bürger brauchen keinen staatlichen Veggieday . Sie
brauchen auch keine Regierung wie in Niedersachsen,
die vorschreiben will, dass man im Internet an Sonn- und
Feiertagen nicht einkaufen darf . Einen solchen Unsinn
habe ich noch nie gehört . Als ob so etwas gehen würde!
Das ist von Ihrer Partei gefordert worden; Sie können das
nachprüfen .

Ich sehe auch nicht das größte Problem in der Ein-
richtung von genderneutralen Toiletten . Darum kümmert
sich ja der Justizsenator von Berlin in allererster Linie .
Ich meine, wir haben in Berlin andere Probleme als die-
ses .


(Zuruf von der CDU/CSU: Feierpolizei!)


Man sollte sich schon um die wirklichen Probleme küm-
mern .

Ich komme zum Thema Elektroautos . Da lacht selbst
Herr Trittin . Wer glaubt, dass wir in der Lage sind, bis

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


zum Jahr 2030 komplett auf Motoren, die mit fossilem
Brennstoff betrieben werden, zu verzichten, der träumt.
Ich kann es mir hier einfach machen und den Minister-
präsidenten der Grünen zitieren . Herr Kretschmann hat
in einem Gespräch mit Ihrem Kollegen Gastel gesagt –
ich zitiere –:

Wie soll das funktionieren? Ihr habt keine Ah-
nung . … Das sind doch Schwachsinnstermine . …
Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Hofreiter, diesen Worten des Herrn Kretschmann
kann ich mich uneingeschränkt anschließen . Sie sehen:
Ich kann auch einen Grünen loben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden uns fehlen, Herr Fuchs!)


Jedem, der es noch nicht getan hat, lege ich das Studium
dieses Videos ans Herz . Es erleichtert die Wahlentschei-
dung und bringt obendrein enormen Spaß .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jetzt muss natürlich auch noch etwas zu den Linken

kommen .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir warten die ganze Zeit!)


– Genau, Herr Bartsch, Sie haben es erwartet . – Wenn
jemand glaubt, dass wir in Deutschland einen Steuersatz
von 75 Prozent einführen könnten, dann muss ich sagen:
Das ist einfach Träumerei . Sie würden damit den Wirt-
schaftsstandort leeren; das würde ganz schnell passieren .
Die Investitionen fließen dorthin, wo es keine solche fis-
kalistische Besteuerung gibt .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ach so!)


Die Einkommensteuer ist die Steuer der kleinen und
mittleren Unternehmen .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die entlasten wir auch!)


95 Prozent der Unternehmen sind Personengesellschaf-
ten, und die zahlen die Einkommensteuer .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die entlasten wir!)


Ich habe auch etwas gefunden, womit sich die Linke
wirklich beschäftigt . Sie hat eine Kleine Anfrage zum
Thema „Entsorgung von Feuchttüchern über die Toilet-
te“, Drucksache 18/10588, gemacht . Das sind die The-
men, mit denen Sie die Bundestagsverwaltung aufhalten .


(Christine Lambrecht [SPD]: Und Sie heute das Plenum!)


Ich meine, Sie sollten sich einmal etwas Vernünftiges
einfallen lassen und nicht so einen Blödsinn .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind .


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin davon überzeugt, dass Angela Merkel beim
G-20-Gipfel Diverses erreichen wird .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist alles raus, Herr Fuchs! Jetzt geht es uns besser!)


Das wird sie tun . Sie wird das umsetzen, was wir brau-
chen, und sie wird dafür sorgen, dass wir eine bessere
Richtung einschlagen . Als Wirtschaftspolitiker – ich
komme zum Schluss, meine Damen und Herren – kann
man gar nicht anders: Man muss immer wieder daran
erinnern, auf welchen Grundlagen unser Wohlstand und
unsere soziale Sicherheit beruhen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts zum Atomausstieg gesagt!)


Wie Sie wissen und auch heute merken, streite ich
mich durchaus gerne .


(Christine Lambrecht [SPD]: Ja!)


Aber ich denke doch, dass wir alle darin übereinstimmen,
dass dieser politische Streit immer auch der Streit um die
besten Lösungen sein sollte . Jedenfalls war das immer
mein Ziel dabei . Für mich ist dies die letzte Sitzungswo-
che, ja wahrscheinlich auch meine letzte Rede in diesem
Hohen Hause . Die Tatsache, dass bei einigen im Haus
Erleichterung darüber zu spüren ist, macht mich stolz .


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns nicht! Wir werden Sie vermissen! Wir vermissen Sie, Herr Fuchs! – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Fuchs, Sie irren sich da ganz grundlegend! – Beifall bei der CDU/CSU)


Ich weiß, dass ich für viele als Wirtschaftspolitiker mit
einem Hang zum klaren Wort und zur klaren Meinung als
Feindbild getaugt habe .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir auch!)


Das ist gut so . So muss es sein .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Die Grünen brauchen dich als Feindbild!)


Liebe Grüne, liebe Linke, liebe SPD, was wäre es für ein
Verlust an politischer Kultur in Deutschland, wenn sich
der Wirtschaftsflügel der Union nicht mehr mit Ihnen
streiten würde .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir werden Sie sehr vermissen, Herr Fuchs!)


Es muss diskutiert werden . Das tun wir . Indem wir ge-
stritten haben, haben wir Parlamentarismus gelebt, und
das hat mir in all den Jahren immer viel Spaß gemacht .
Die Zeit im Bundestag hat viel Arbeit gemacht, aber auch
Freude . Manchmal habe ich ja sogar mit den Grünen,
Herr Trittin, bei dem einen oder anderen Projekt ganz gut
zusammengearbeitet .

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken . Ich
möchte mich natürlich zuallererst bei meinem Kollegen
Kauder bedanken, der mich in den letzten acht Jahren

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion ertragen
musste .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So schlimm war es auch nicht!)


Ich möchte mich bedanken bei meinen Kollegen Pfeiffer,
Nüßlein und Bareiß, mit denen ich sehr intensiv zusam-
mengearbeitet habe . Das hat Spaß gemacht, und ich glau-
be, wir haben in dem einen oder anderen Fall auch gute
Lösungen gefunden . Ich habe auch den Kollegen Heil
und Westphal Dank zu sagen, mit denen ich zusammen
nach vernünftigen Lösungen gesucht habe . Manchmal
ging es bis morgens um drei .

Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft in diesem
Hohen Hause alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen .
Ich wünsche meiner Fraktion natürlich, dass sie nach der
Wahl stärker zurückkommt, als sie jetzt geht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, jetzt hat es sich in diesem
Hohen Hause ausgefuchst . Der Fuchs geht heim in sei-
nen Bau .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824302600

Lieber Kollege Fuchs, ja, der politische Streit gehört

zur Demokratie, und wenn irgendjemand noch glaub-
te, dass hier alle Fraktionen und Parteien immer einer
Auffassung seien, ist er heute angesichts des politischen
Streits eines Besseren belehrt worden . In diesem Sinne
wünsche ich Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute .

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge, und zwar zuerst über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12965 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser
Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke abgelehnt worden .

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/12966 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke abgelehnt worden .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsän-
derungsgesetzes – Strafbarkeit nicht geneh-
migter Kraftfahrzeugrennen im Straßenver-
kehr

Drucksache 18/10145

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksachen 18/12936, 18/12964

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan
Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und ille-
gale Autorennen wirksam bekämpfen

Drucksachen 18/12558, 18/12936, 18/12964

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in der
Aussprache hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die
SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1824302700

Guten Abend, dürfen wir bitte reinkommen? Wir ha-

ben Ihnen eine Nachricht zu überbringen . – Frau Präsi-
dentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! In meinen
27 Jahren als Polizeibeamtin musste ich oft genug die
Überbringung von Todesnachrichten mit diesem Satz
einleiten . In vielen Fällen waren Verkehrsunfälle die Ur-
sache .

Wie fing es an? Wir haben uns als Bundesregierung
die Marschrichtung gesetzt, die „Vision Zero“ zu ver-
wirklichen; das heißt: Niemand mehr soll auf deutschen
Straßen bei Verkehrsunfällen zu Tode kommen . Illega-
le Autorennen haben daran immer mehr Anteil . In den
80er-Jahren waren es PS-starke Kleinwagen . Bei Manta,
Manta war ein illegales Autorennen der Höhepunkt des
Films . Zur Jahrtausendwende wurden es vermehrt deut-
sche hochmotorisierte Limousinen, die an illegalen Au-
torennen teilnahmen . Im Moment sind die Folgen gering,
wenn niemand zu Schaden kommt: ein Bußgeld, maxi-
mal drei Monate Fahrverbot . Wenn eine Person zu Tode
kommt, gibt es eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tö-
tung . Der Rechtsrahmen dafür ist gering .

Dieses Jahr hat zum ersten Mal ein Gericht geurteilt:
Teilnehmende an einem Autorennen, bei dem ein Mensch
zu Tode kommt, nehmen dies billigend in Kauf und sie
handeln aus niederen Beweggründen . Sie wurden wegen
Mordes verurteilt . Ob dieses Urteil vor dem höchsten Ge-
richt Bestand haben wird, wissen wir noch nicht . Es wird
Jahre dauern, bis dort eine Entscheidung gefällt wird .

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kollegen und Kolleginnen, so lange wollen wir
nicht warten . Wir müssen dieses Problem jetzt angehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Daher hat die Koalition Ihnen heute einen neuen Straftat-
bestand zur Abstimmung vorgelegt, der ein sogenanntes
abstraktes Gefährdungsdelikt vorsieht . Was heißt das?
Ähnlich wie bei einer Trunkenheitsfahrt sagen wir: Al-
lein die Teilnahme an einem illegalen Autorennen – völ-
lig egal, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet
wird, eine Person auf dem Gehweg vielleicht zu Schaden
kommt – ist so gefährlich, dass ein Straftatbestand ver-
wirklicht ist .


(Beifall bei der SPD)


Auch das Organisieren eines solchen Rennens wollen wir
unter Strafe stellen . Bei der Anhörung haben uns nun die
Sachverständigen gesagt, das hielten sie für sinnvoll . Al-
lerdings haben wir damit einen Teil noch nicht erfasst,
nämlich die Fälle, in denen nicht zwei oder mehr Fahr-
zeuge gegeneinander ein Rennen fahren, sondern ein
sogenannter Alleinraser fährt, also eine Person in einem
Kraftfahrzeug, die die Höchstgeschwindigkeit erzielen
will, entweder um einen Rekord zu brechen oder um ein-
fach diesen Geschwindigkeitsrausch zu haben .

Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, das zu regeln .
In der Schweiz gibt es zum Beispiel klare Grenzen für
Geschwindigkeiten; wer in einer 30er-Zone mehr als 70
fährt, wird einer Straftat bezichtigt . Die Sachverständi-
gen haben uns aber klar gesagt, das hielten sie nicht für
sachgerecht . Bei diesen klaren Grenzen wird der beson-
deren Situation nämlich keine Rechnung getragen, also
der Witterung, den Straßenverhältnissen, der Frage, ob
viel Verkehr ist oder nicht .

Darum haben wir Ihnen einen Vorschlag gemacht, der
zwei Begriffe beinhaltet, die schon im Strafgesetzbuch
etabliert sind: die „nicht angepasste Geschwindigkeit“
und dass man das Ganze „grob verkehrswidrig und rück-
sichtslos“ macht . Der Vorschlag umfasst einen dritten
Begriff, der noch nicht definiert ist, nämlich: zur Er-
zielung von Höchstgeschwindigkeiten . Nun hat uns der
Staatsanwalt bei der Anhörung gesagt: Ja, das ist nicht
definiert, aber das waren die ersten beiden Begriffe, als
der Deutsche Bundestag es damals beschlossen hat, auch
nicht. – Das Richterrecht hat Definitionen gefunden, und
heute ist es eine Selbstverständlichkeit, liebe Kollegen
und Kolleginnen . Das wird auch bei der Frage, was die
Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten bedeutet, der
Fall sein . Alle Sachverständigen sagten, es sei wichtig,
das zu lösen, und wir werden es mit dieser Formulierung
strafrechtlich in den Griff bekommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wichtig ist auch, dass wir geregelt haben, dass es eine
Entziehung der Fahrerlaubnis geben kann und vor allen
Dingen die Fahrzeuge eingezogen werden können . Ein
Sachverständiger formulierte es etwas flapsig: Nehmt ih-
nen ihr Spielzeug weg, und ihr trefft sie am meisten. – Ich
glaube, das trifft es.

Wir werden heute illegale Autorennen aus der Ecke
des Kavaliersdeliktes herausholen und dahin bringen,
wo sie hingehören: strafrechtlich relevantes Verhalten,
das verantwortungslos ist und Gefahren für Unbeteiligte
birgt . Das ist auch richtig so .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich wünsche nieman-
dem, dass er die Sätze „Guten Abend, dürfen wir rein-
kommen? Wir haben Ihnen eine Mitteilung zu machen“
je hören muss . Ich glaube, dass dieses Gesetz, das wir
heute hier verabschieden, einen guten Beitrag dazu leis-
tet, dass dies weniger der Fall sein wird .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824302800

Jörn Wunderlich hat jetzt als nächster Redner für die

Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824302900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die meisten Verkehrstoten in Deutschland sind die Folge
überhöhter Geschwindigkeit . Daran muss man arbeiten .
Deswegen müsste man erst einmal vom Grundsatz her
überlegen, ob man nicht an generelle Geschwindigkeits-
beschränkungen auch auf der Autobahn nachdenken soll-
te .

Es gibt eben auch Spinner, die einfach nicht hinter das
Lenkrad eines Fahrzeugs gehören . Illegale Autorennen
stehen derzeit insbesondere durch den spektakulären Fall
vor dem Landgericht Berlin verstärkt im Fokus der Öf-
fentlichkeit . Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende
Gesetzentwurf beschlossen worden .

Nun soll ein neuer § 315d ins Strafgesetzbuch auf-
genommen werden . Diese Norm sieht neben zwei kon-
kreten Gefährdungsdelikten erstmals in Absatz 1 ein
abstraktes Gefährdungsdelikt in Bezug auf illegale Kraft-
fahrzeugrennen vor; es ist schon angesprochen worden .
So soll – auch nach Änderungen durch die Koalition –
neben dem konkreten Durchführen und der Teilnahme –
das muss bestraft werden – bereits das Ausrichten eines
nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennens unter Strafe
gestellt werden . Dieses abstrakte Gefährdungsdelikt in
Absatz 1 stellt den eigentlichen Kernpunkt dar: Der bis-
herige Bußgeldtatbestand – es war ja schon immer mit ei-
nem Bußgeld bedroht – soll durch ein Strafgesetz ersetzt
werden, das nicht nur den Teilnehmer von Straßenrennen
erfasst, sondern auch denjenigen, der es im Vorfeld der
eigentlichen Tat ausrichtet . Darum geht es .

Das bisherige Sanktionssystem – vorwiegend die
Straftatbestände des gefährlichen Eingriffs in den Stra-
ßenverkehr nach § 315b StGB und der Straßenverkehrs-
gefährdung nach § 315c Strafgesetzbuch – setzt die Fest-
stellung einer konkreten Gefahr für Dritte oder Sachen

Kirsten Lühmann






(A) (C)



(B) (D)


von bedeutendem Wert voraus; die bloße abstrakte Ge-
fährdung reicht eben nicht aus .

Die Einführung dieses abstrakten Gefährdungsdelikts
ist äußerst bedenklich . Dadurch wird die Strafbarkeit
vor die eigentliche Rechtsgutverletzung verlagert . Daher
muss es einen hinreichend deutlichen Bezug zu einem
Rechtsgut geben . Die Sanktionierung einer gefährlichen
Handlung stößt jedoch auf Bedenken, wenn sich diese
im Wege der Vorverlagerung nur noch diffus mit Hinwei-
sen auf Belange der Allgemeinheit bestimmen lässt . Es
ist nicht erkennbar, welches Rechtsgut in dieser Situation
bei der Vorverlagerung geschützt werden soll . Teilweise
ist auf die Trunkenheitsfahrt verwiesen worden . Wenn
ich betrunken fahre und noch keine konkrete Gefährdung
darstelle, besteht nur eine abstrakte Gefährdung; aber aus
dieser abstrakten Gefährdung – darin sind wir uns alle
einig – kann sich blitzschnell eine konkrete Gefährdung
von Leib und Leben ergeben . Aber hier wird die Straf-
barkeit so weit vorverlagert, dass man, wenn man es kon-
sequent durchdenkt, schon allein das Alkoholtrinken bei
Führerscheinbesitzern unter Strafe stellen müsste; denn
aus diesem Trinken von Alkohol könnte sich die konkrete
Gefährdung ergeben .

Hinzu kommt, dass der Entwurf erhebliche Mängel
in Bezug auf das aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz
resultierende Bestimmtheitsgebot aufweist . Aus diesem
Grundsatz geht hervor, dass der Gesetzgeber die Voraus-
setzungen des Tatbestands so genau umschreiben muss,
dass die Tragweite, die im Anwendungsbereich zu erken-
nen ist, sich durch Auslegung ermitteln lässt . Wir können
es nicht immer der rechtsprechenden Gewalt überlassen,
das alles irgendwie hinzubiegen . Die Bestimmtheit der
Tathandlung – Frau Lühmann hat schon darauf hingewie-
sen – ist hier ein bisschen problematisch; das geht nach
meiner Überzeugung zu weit .

Das Problem der Einbeziehung der Fahrzeuge ist auch
nicht neu geregelt; sie war auch bislang schon möglich .
Außerdem stellt sich die Dritteigentumsfrage . Wenn je-
mandem das Fahrzeug nicht gehört, ergibt sich ein gro-
ßes Problem .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Haben wir geregelt!)


Zu kritisieren ist ebenfalls, dass die nicht angepasste
Geschwindigkeit – auch das wurde angesprochen – zu
unbestimmt formuliert ist .

Zum Antrag der Grünen: Er weist eigentlich den rich-
tigen Weg . Hier soll nichts neues Abstraktes eingeführt
werden, sondern die Änderung wird auf bereits beste-
hende gesetzliche Regelungen angewandt, indem § 315c
präzisiert wird, indem die einschränkenden Bestimmun-
gen der Gefährdung in Bezug auf Situationen an Kreu-
zungen, Bahnübergängen und Einmündungen gestrichen
werden sollen .

Aber die Grünen haben leider das Problem bestehen
lassen, dass auch die Sachen von besonderem Wert un-
ter die Gefährdung fallen . Zu fremden Sachen von be-
deutendem Wert gibt es Rechtsprechung; sie fangen bei
750 Euro an . Wenn jetzt diese Gefährdung im gesamten
Straßenverkehr und nicht nur an den kritischen, bislang

benannten Stellen auftreten kann, ist im Grunde diese
Gefährdung jederzeit gegeben; denn ich kann mir nicht
vorstellen, dass ein zugelassenes, am Straßenrand par-
kendes oder abgestelltes Kraftfahrzeug in der Regel un-
ter der Wertgrenze von 750 Euro liegt . So wird aus dem
konkreten letztlich wieder ein abstraktes Gefährdungsde-
likt – schade . Deswegen kann man dem so nicht zustim-
men .

Spinner gehören nicht hinter das Lenkrad . Raser ge-
hören bestraft . Ihnen gehört auch das Spielzeug, eben das
Auto, weggenommen . Darüber sind wir uns alle einig .
Und ich halte diese – ich möchte schon sagen – Idioten
für charakterlich völlig ungeeignet, überhaupt ein Fahr-
zeug zu führen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber die Vorlagen schießen – so leid mir das tut – über
das Ziel, über das wir uns alle einig sind, hinaus .

Danke schön .


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303000

Der Bundesminister Alexander Dobrindt hat jetzt für

die Bundesregierung als nächster Redner das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir wollen Mo-
bilität, wir wollen sichere Mobilität, wir wollen verant-
wortungsvolle Mobilität, wir wollen maximale Mobilität
für die Bürger haben . Aber das geht nur mit Rücksicht
auf die anderen Verkehrsteilnehmer und mit Achtung
vor ihnen . Wer dieses Privileg der maximalen Mobilität
missbraucht und auf das Risiko sowie auf Leib und Le-
ben anderer keine Rücksicht nimmt, der hat sein Recht
auf das Fahren auf der Straße verwirkt, liebe Kolleginnen
und Kollegen . Das ist der Inhalt unserer Regelung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu gehört, dass wir in der Tat alle diejenigen, die
sich so verantwortungslos verhalten, mit ihren Fahrzeu-
gen aus dem Verkehr zu ziehen bereit sind . Illegale Stra-
ßenrennen, Raser, all das hat auf unseren Straßen, in un-
seren Städten nichts zu suchen . Es ist das richtige Signal,
das wir mit diesem Gesetz aussenden . Wir sorgen dafür,
dass zukünftig diejenigen, die glauben, sie könnten sich
an einem illegalen Straßenrennen beteiligen, die volle
Härte des Gesetzes spüren .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unseren Debat-
ten hatten wir alle die Wahrnehmung, dass die Zahl der
illegalen Straßenrennen durch die Möglichkeiten der
Verbreitung von Foto- und Videoaufnahmen im Internet
wohl noch einmal zugenommen hat. Offensichtlich gel-

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


ten die Bilder und Videos als Trophäen, mit denen man
prahlen kann .

Das Prinzip all dieser Rennen ist immer das gleiche:
Es treffen sich irgendwelche Spinner auf unseren Straßen,
um in maximal unverantwortlicher und gefährdender
Weise in einen Wettbewerb um die höchste Geschwin-
digkeit einzutreten und sich zu messen . Am Ende steht
oft ein tragischer Unfall, in dem völlig unbeteiligte Dritte
verwickelt sind . Damit ist entsetzliches Leid verbunden .

Wir alle kennen die traurigen Schlagzeilen aus der
Vergangenheit, zum Beispiel aus Berlin . Im Febru-
ar 2016 lieferten sich zwei Raser mitten im Zentrum
von Berlin bei 160 km/h ein Rennen, bei dem mehre-
re rote Ampeln überfahren wurden . Am Schluss wurde
ein unbeteiligtes Fahrzeug gerammt, dessen Fahrer bei
dem Unfall starb . Dieser Fall hat besondere Aufregung
verursacht und breite Wahrnehmung erfahren, weil zum
ersten Mal ein Landgericht deutlich gesagt hat: Das ist
einer Verurteilung wegen Mordes würdig . Das war neu
in der Rechtsprechung . Die Richter waren der Meinung,
dass durch die Teilnahme an solchen Rennen mögliche
Todesfolgen billigend in Kauf genommen werden . Das
ist genau der richtige Ansatz; diese Sichtweise teilen wir .
Man muss aber auch klar sagen: Nicht nur diejenigen, die
sich an den Rennen beteiligen, sondern auch all diejeni-
gen, die illegale Rennen organisieren oder zu illegalen
Rennen anstiften, nehmen mögliche Todesfolgen billi-
gend in Kauf . Dies zu belangen, das ist der Sinn unseres
Gesetzes .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In der Tat ist es so, dass die bisherigen rechtlichen
Möglichkeiten beschränkt sind . Wenn es zu keiner Ge-
fährdung oder Schädigung eines Dritten kommt, stellt
das derzeit noch eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit
Bußgeld oder mit bis zu drei Monaten Fahrverbot ge-
ahndet wird, aber das wird dem Gefährdungspotenzial
nicht gerecht . Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt den
Schritt gehen, die Teilnahme und die Veranstaltung von
illegalen Straßenrennen aus dem Ordnungswidrigkeits-
recht herauszulösen und einen neuen Straftatbestand zu
schaffen, der eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren
beinhaltet . Das ist die richtige Konsequenz für solche
verantwortungslosen Raser .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich
bei den Verkehrspolitikern und bei den Rechtspolitikern,
die mit diesem Sachverhalt sehr verantwortlich umge-
gangen sind und ein Gesetz geschaffen haben, das die-
sen sehr schwierigen Komplex aus unserer Sicht richtig
abbildet . Jetzt steht auch der Versuch der Organisation
eines Rennens unter Strafe . Das war nicht selbstverständ-
lich . Es war nicht von Anfang an klar, dass wir auch die-
ses Ergebnis erreichen . Das ist aber ein Kernanliegen von
uns, weil wir schon im Vorfeld eine maximale Abschre-
ckungswirkung entfalten wollen . Wir wollen klar darauf
hinweisen, dass auch der Aufruf zu einem illegalen Ren-
nen im Internet eine strafbare Handlung sein kann . Das
ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Regel . Da-

mit sprechen wir gegenüber denjenigen, die bereit sind,
andere zu gefährden, eine sehr klare Sprache .

Wir schaffen die Voraussetzungen für ein Fahrverbot
und einen Fahrzeugentzug . Ja, die Entziehung der Fahr-
erlaubnis und die Entziehung von Fahrzeugen sind in der
Tat harte Maßnahmen . Aber es ist völlig klar: Wer heute
bereit ist, bei illegalen Autorennen die Gefährdung von
Dritten in Kauf zu nehmen, zeigt, dass er den Anforde-
rungen an diese Form der Mobilität nicht gewachsen ist,
dass er mit einem Auto nicht umgehen kann . Alle psy-
chologischen Gutachter sagen, dass diese Strafe ein har-
ter Schlag für die Raser wäre, da sie sich in besonderer
Form über ihr Auto definieren, und dadurch eine beson-
dere Abschreckungswirkung entsteht . Wir haben darü-
ber intensiv diskutiert . Ich glaube, es war richtig, diese
Abschreckungswirkung zu erzeugen . Wer sich in dieser
Art und Weise verantwortungslos auf unseren Straßen
verhält, der muss wissen: Er hat zukünftig keinen Füh-
rerschein und kein Auto mehr .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen sichere Mobilität für alle schaffen. Dazu
gehört, dass wir einen respektvollen Umgang, Rücksicht
und Achtung gegenüber allen anderen Verkehrsteilneh-
mern in allen Fahrsituationen wahren . Wer das nicht tun
will, wer andere gefährden will, wer sich nicht an die
Regeln auf der Straße halten will, die notwendig sind,
um sichere Mobilität zu garantieren, der hat auf unseren
Straßen keinen Platz mehr .

Danke schön .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303100

Als nächste Rednerin spricht Renate Künast für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824303200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin froh, dass wir
uns in dieser Diskussion sehr seriös und ruhig einem
Delikt widmen, das vor einiger Zeit in weiten Bereichen
noch als irgendwie cool angesehen wurde . Ich bin froh,
dass wir jetzt klar zeigen: Diese massiv überhöhte Ge-
schwindigkeit ist kein Kavaliersdelikt . Das ist nicht cool,
das ist nicht Selbstbestätigung, sondern das ist ein Ver-
halten, das ein extrem hohes Verletzungs- und Tötungs-
potenzial hat . Ein solches Verhalten halten wir nicht für
sozial, und wir sind uns deshalb einig, dass es eine ge-
setzliche Regelung geben muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In der Anhörung im Rechtsausschuss – Frau Lühmann
war auch dabei – haben wir sehr Eindrückliches über
das Thema Geschwindigkeiten gehört . Ich will Ihnen ein
paar Zahlen nennen . Ein Polizist vom LKA Köln, der
sich in diesem Bereich sehr gut auskennt, hat uns etwas
zum Thema Geschwindigkeiten gesagt, weil jemand be-

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


merkte, man könne denjenigen, der in einer Spielstraße
mit doppelter Geschwindigkeit fährt, doch nicht genauso
hoch bestrafen wie denjenigen, der mit 170 km/h über
den Ku’damm fährt . Auf Nachfrage kam der Hinweis:
In einer Spielstraße ist Schrittgeschwindigkeit erlaubt –
7 km/h bis 8 km/h –; 14 km/h zu fahren bedeutet, dass
ein Kind, das dort entlangläuft, massiv verletzt werden
kann, weil Faktoren wie Reaktionszeit, Beschaffenheit,
Überraschungseffekt und Bremsweg berücksichtigt
werden müssen . Eine höhere Geschwindigkeit bedeutet
übrigens auch längere Bremswege . Die doppelte Ge-
schwindigkeit bedeutet fast den vierfachen Bremsweg .
Bei einer Geschwindigkeit von 30 km pro Stunde kann
ein Erwachsener leicht verletzt werden . Dabei geht es
um Schürfungen, Stauchungen, Prellungen und Brüche .
Bereits bei einer Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde
kann ein Fußgänger – ein Radfahrer sowieso – tödlich
verletzt werden . Der Kriminalbeamte sagte in der Anhö-
rung, dass hierbei die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen
Verletzung sehr hoch sei . Wir reden also nicht über Trivi-
ales, wenn es um diese Art von Raserei geht .

Oder umgekehrt dargestellt: Wenn Sie mit 30 km/h
angefahren werden, entspricht das einem Sturz aus unge-
fähr dreieinhalb Metern Höhe, aus dem ersten Stock ei-
nes Wohnhauses . Wenn Sie ein Auto mit 50 km/h anfährt,
entspricht das quasi einem Sturz aus dem dritten Stock .
Geschieht das mit 70 km/h, entspricht das einer Fallhöhe
von 20 Metern . Meine Damen und Herren, nur wenige
überleben so etwas .

Deshalb reden wir hier nicht über Triviales . Es geht
nicht nur um die Frage, ob jemand zu schnell fährt . Gele-
gentlich wird schon einmal davon gesprochen, dass hier
und da 10 km/h oder 20 km/h mehr als erlaubt gefahren
wurde . Aber auch das ist nicht trivial . So etwas gehört
sich nicht; denn man sollte zurückhaltend fahren . Wir
reden also über Dinge, die tatsächlich lebensgefährdend
sind oder zu massiven Verletzungen führen können, mei-
ne Damen und Herren .

Vor Jahren wäre eine solche Debatte hier noch gar
nicht möglich gewesen . Ich bin froh, meine Damen und
Herren, dass wir sie jetzt führen . Übrigens bin ich auch
froh, dass sich der Bundesverkehrsminister anders geäu-
ßert hat, als er es vor einem Jahr getan hat . Der Kollege
Kühn hatte eine Anfrage gestellt, die am 28 . Juni letz-
ten Jahres beantwortet wurde . Darin hatte Herr Dobrindt
noch erklärt: Wir werden prüfen, ob gesetzgeberische
Maßnahmen erforderlich sind . Ich bin ja froh, dass Initi-
ativen aus Nordrhein-Westfalen bzw . aus dem Bundesrat
kamen . Dann kam von uns der Antrag . Danach äußerte
sich die Koalition, und es kam zu einer Änderung des
Bundesratsentwurfs, sodass wir hier zu einer Entschei-
dung kommen können . Also klar ist: Wir müssen etwas
tun .

Ich will noch auf eines hinweisen: Es reicht nicht
allein, gesetzlich zu regeln . Wir brauchen auch Polizei
auf der Straße . Für diejenigen, die meinen, es sei trivial,
eine Geschwindigkeitsübertretung zu begehen, wenn sie
einmal schnell von A nach B wollen, brauchen wir ein
Entdeckungsrisiko . Wir brauchen spürbare Bußgelder
und Fahrverbote . Und das Tatwerkzeug – das ist hier das

Auto – muss bereits ab schweren Ordnungswidrigkeiten
eingezogen werden können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will jetzt aber zu den Anträgen kommen . Ich war
froh, dass der Bundesrat die Initiative ergriff. Er hat sich
aber auf illegale Autorennen konzentriert . Das heißt, vor
Gericht wäre der Nachweis notwendig gewesen, dass
sich zwei oder mehr Menschen verabredet haben . Da
aber die meisten Unfälle ganz allgemein mit Raserei bzw .
zu schnellem Fahren zu tun haben – ob das jetzt 40 km/h,
100 km/h oder 120 km/h mehr als erlaubt sind –, fragt
man sich doch, ob es dann noch notwendig sein muss,
die Gerichte vor das Problem der Beweislage zu stellen .
In manchen Fällen wird man die Verabredung gar nicht
beweisen können . Deshalb haben wir Grüne eben einen
anderen Vorschlag gemacht, nämlich an den § 315c StGB
heranzugehen . Wir wollen damit nicht nur illegale Auto-
rennen unter Strafe stellen, sondern allgemein grob ver-
kehrswidriges, rücksichtsloses und massiv zu schnelles
Fahren . Es soll in diesen Fällen die Möglichkeit geben,
längere Fahrverbote zu erteilen .

Ich will in einem letzten Satz zu Ihrem Antrag sagen,
warum wir den nicht hinreichend finden. Sie haben ja
jetzt im Bundesrat noch nachgebessert . Aber Sie haben
in den § 315c quasi hineingeschrieben: Wenn einer rast
um des Rasens willen bzw . schnell fährt, um eine hohe
Geschwindigkeit zu erreichen . Damit verwenden Sie
wieder einen unbestimmten Rechtsbegriff, wo die Ge-
richte beweisen müssten, dass er zur Anwendung kommt .
Demnach müsste geprüft werden, ob jemand nur schnell
von A nach B wollte, weil er seiner Oma die Blumen zum
Geburtstag vorbeibringen wollte, oder ob er raste um des
Rasens willen . Das halte ich für unzulänglich .

Ab einer bestimmten Geschwindigkeitsübertretung
brauchen wir das klare Zeichen: Wenn du so schnell
fährst, fährst du an dieser Stelle wirklich auf Kosten der
anderen, gefährdest sie . Ich habe Ihnen die Zahlen ge-
nannt . Wir können nicht zulassen, dass jemand mit einer
Geschwindigkeit fährt, die bei einem Zusammenprall ei-
nem Sturz aus 20 Metern Höhe entsprechen würde . Das
ist nicht sozial . Auch die Straßenverkehrsordnung sieht
das, was das Thema „rücksichtsvolles Verhalten“ angeht,
nicht vor . Deshalb haben wir einen anderen Vorschlag
gemacht. Ihren finden wir unzureichend. Er ist besser als
nichts; aber wir hätten uns einen anderen gewünscht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303300

Dr . Johannes Fechner hat jetzt für die SPD-Fraktion

das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1824303400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Leider haben sich
in letzter Zeit immer häufiger schwere Verkehrsunfälle
ereignet, weil verrückte Raser mitten in unseren Städ-
ten Autorennen veranstaltet und mit ihren hochgetun-

Renate Künast






(A) (C)



(B) (D)


ten Fahrzeugen bei dem Ehrgeiz, der Schnellste zu sein,
fürchterliche Unfälle verursacht haben, nachdem sie die
Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatten . In Berlin,
Mönchengladbach und Köln sind solche Raser mit un-
schuldigen Bürgern zusammengestoßen, die bei diesen
schrecklichen Verkehrsunfällen ihr Leben verloren ha-
ben .

Deshalb ist für uns Handlungsbedarf gegeben . Wir
müssen gegen diese Raser vorgehen und die Bürger bes-
ser gegen diese verrückten Spinner in ihren Autos schüt-
zen – auch strafrechtlich .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


In der jüngsten Rechtsprechung wurden diese schlim-
men Unfälle in der Tat zu Recht hart bestraft . Die Fah-
rer in Berlin wurden wegen Mordes verurteilt, anders-
wo wegen Totschlags. Ich finde, zu Recht; denn wenn
man mit über 100 km/h – in Berlin waren es sogar über
160 km/h – durch die Innenstadt donnert, dann nimmt
man den Tod von Passanten und anderen Verkehrsteil-
nehmern billigend in Kauf, und deswegen habe ich gro-
ßes Verständnis für diese Rechtsprechung .

Wenn bei einem solchen Rennen oder einer solchen
Raserei glücklicherweise nichts passiert und niemand
zu Schaden kommt, dann wird dieses gefährliche Ra-
sen als Ordnungswidrigkeit mit einer Sanktion von etwa
500 Euro oder einem einmonatigen Führerscheinentzug
bestraft . Das hat keinerlei abschreckende Wirkung .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Genau!)


Das ist zu wenig und steht vor allem in keinem Verhältnis
zu der großen Gefahr, die von einer solchen verrückten
Raseraktion für unsere Mitbürger ausgeht .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben hier also eine Schutzlücke, wir müssen
handeln . Wenn jemand etwa mit 50 km/h durch die Fuß-
gängerzone oder mit 160 km/h über eine Schnellstraße
fährt, dann sind 500 Euro zu wenig, dann muss eine straf-
rechtliche Sanktion erfolgen .


(Beifall bei der SPD)


Wir können heute einen guten Gesetzentwurf vor-
legen, der genau diese Strafrechtslücken schließt . Ich
möchte mich ganz ausdrücklich auch bei den Verkehrs-
politikern und den Rechtspolitikern der Union bedanken,
und ich bedanke mich bei beiden Ministerien für die gute
Zuarbeit . Ein Dankeschön darf ich auch an die frühere
nordrhein-westfälische Landesregierung schicken, die
mit ihrem Bundesratsentwurf unter Justizminister Kut-
schaty die Initiative für diese wichtige Maßnahme ergrif-
fen hat .


(Beifall bei der SPD)


Was machen wir konkret? Zukünftig wird es strafbar
sein, wenn man ein Autorennen veranstaltet, ohne dies
anzumelden und, vor allem, ohne dies zu sichern . Auch
die Teilnahme an einem solchen illegalen Autorennen ist
zukünftig strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe von
bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet .

Das tun wir, weil wir der Meinung sind, dass schon
die Veranstaltung eines Rennens an sich oder die Teilnah-
me hieran gefährlich ist und deshalb strafbar sein sollte .
Auch eine solche hirnlose Raseraktion ist nämlich nach
heutiger Rechtslage nicht strafbar, und das darf nicht so
bleiben . Wir haben leider gesehen, dass es hier schlimme
Unfälle geben kann, und deshalb müssen wir handeln .

Wir sind auch der Meinung, dass das Alleine-Rasen
strafbar sein sollte, wenn eine erhebliche Geschwindig-
keitsüberschreitung vorliegt, weil auch das eine große
Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger sein kann . Diese
Raserei ist kein Kavaliersdelikt .

Wir haben lange diskutiert, wie wir diese Norm fas-
sen, ob wir etwa, wie in der Schweiz, konkreter werden
und möglicherweise genaue Zahlen oder Prozentzahlen
der Überschreitung in den Gesetzentwurf hineinschrei-
ben sollten . Dann wäre das aber ein sehr langer Geset-
zestext geworden, und ich glaube, wir wären dann auch
nicht der jeweiligen Verkehrssituation gerecht geworden .
Es macht eben einen Unterschied, ob jemand 30 km/h zu
schnell in der Fußgängerzone oder in der Tempo-120-Zo-
ne fährt .

Deshalb, finde ich, haben wir hier eine abstrakte Be-
schreibung der Gefährlichkeit gut formuliert in den Ge-
setzentwurf aufgenommen . Wenn mit nicht angepasster
Geschwindigkeit „grob verkehrswidrig und rücksichts-
los“ gefahren wird, dann kommt es zur Strafbarkeit .
Das sind bewährte Rechtsbegriffe, Frau Künast, die die
Rechtsprechung schon heute gut definiert und ausge-
staltet hat . Auch die Gutachter in unserer Sachverständi-
genanhörung haben gesagt, dass der Nachweis kein Pro-
blem sein wird und dass es bewährte Rechtsbegriffe sind.
Das gilt übrigens auch für die Teilnahme an Autorennen
und deren Veranstaltung . Auch das ist nach den Normen,
die wir hier gefasst haben, nachweisbar .

Wir führen aber nicht nur eine neue Strafnorm ein,
sondern wir regeln auch eine weitere Maßnahme, die in
der Autorennszene sicherlich viel mehr gefürchtet sein
wird als die Geldstrafe, nämlich die Wegnahme des Au-
tos . Der Raser kann sein Fahrzeug verlieren .

Wir regeln, dass der Veranstalter von illegalen Auto-
rennen oder der Teilnehmer daran oder der Alleinraser
sein Auto von einem Gericht durch Einziehung weg-
genommen bekommen kann . Kollegin Lühmann sagte,
dass das Spielzeug weggenommen wird. Ich finde, man
kann hier noch einen Schritt weitergehen und dies mit
dem Waffenrecht vergleichen. Wenn ein Bürger nicht
verantwortungsvoll mit seiner Waffe umgehen kann,
wenn er sich also als ungeeignet erwiesen hat, dann wird
ihm eben die Waffe weggenommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Genauso muss es auch im Straßenverkehrsrecht sein,
weil von diesen Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkei-
ten genau wie von einer Waffe eine erhebliche Gefahr
ausgeht .

Zu Recht darf das Strafrecht immer nur Ultima Ra-
tio sein. Ich finde aber, hier haben wir eine Schutzlücke.
Hier haben wir zu Recht ein Gesetz gemacht . Wir haben

Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


hier Handlungsbedarf . Lassen Sie uns mit diesem Gesetz
für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303500

Sebastian Steineke von der CDU/CSU-Fraktion hat

jetzt als letzter Redner in dieser Debatte das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sebastian Steineke (CDU):
Rede ID: ID1824303600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist knapp zwei Wochen her, dass in Mönchenglad-
bach ein junger Mann sein Leben lassen musste, weil
sich einige Unbelehrbare mitten in der Stadt ein Rennen
auf öffentlichen Straßen lieferten. Ein weiterer bekann-
ter Fall – der Minister hat darauf hingewiesen – ist der
Raser, der hier in Berlin auf dem Kurfürstendamm mit
160 km/h mehrere rote Ampeln überfahren hat, wobei ein
unbeteiligter Autofahrer zu Tode gekommen ist . Das sind
lediglich zwei prominente Beispiele der letzten Wochen
und Monate, die Aufsehen erregt haben .

Aus den regelmäßigen Berichterstattungen in der
Presse wissen wir aber, dass dies nicht nur Einzelfälle
sind, sondern dass dies inzwischen – das kann ich so
deutlich sagen – selbst bei uns im ländlichen Raum ein
Massenphänomen geworden ist . Auch wenn es noch an
einer offiziellen Statistik fehlt – schon Frau Lühmann hat
darauf hingewiesen –, gehen Experten in ihren Schätzun-
gen davon aus, dass illegal veranstaltete Straßenrennen
für eine Vielzahl von Verkehrstoten und auch Verletzten
verantwortlich sind . Es gibt vielerorts eine regelrechte
Raserszene, die sich über Chatdienste verabredet . Wir als
Gesetzgeber müssen handeln und tun dies heute, um die-
sen Wahnsinn auf unseren Straßen endlich zu beenden .

Im vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates, den
wir als Koalitionsfraktion im Grundsatz unterstützen, ist
nun die Einführung eines neuen Straftatbestandes, näm-
lich der des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, in dem
neu zu schaffenden § 315d StGB vorgesehen. Hierbei
wird nicht nur die aktive Teilnahme an einem verbotenen
Kraftfahrzeugrennen unter Strafe gestellt, sondern auch
das Veranstalten .

Wie sah es – das haben wir schon gehört – bisher aus?
Im geltenden Straßenverkehrsrecht wurden solche Fälle
lediglich als Verstoß gegen das Verbot der übermäßigen
Straßenbenutzung angesehen und damit als Ordnungs-
widrigkeit behandelt, die je nach Konstellation mit bis
zu 500 Euro Bußgeld geahndet wurde . Die erhebliche
Gefahr für Leib und Leben wurde bisher überhaupt nicht
berücksichtigt . Eine Abschreckungswirkung konnten wir
damit bisher sicherlich nicht entfalten . Das ändern wir
jetzt .

Veranstalter und Teilnehmer müssen zukünftig mit
drastischen Strafen rechnen . Bis zu zwei Jahre Haft oder
Geldstrafe ist bereits für den Grundtatbestand vorgese-
hen . Wer darüber hinaus Leib, Leben oder fremde Sachen

von hohem Wert gefährdet, kann mit Haft bis zu fünf Jah-
ren bestraft werden . Wenn bei dem Rennen unbeteiligte
Personen verletzt oder gar getötet werden, beträgt die
Höchstfreiheitsstrafe zehn Jahre . Um Wiederholungsta-
ten einzuschränken oder zu verhindern, sollen Teilneh-
mern und Veranstaltern dieser Rennen im Regelfall die
Fahrerlaubnis entzogen werden, oder es wird eine Sperr-
frist verhängt .

Zudem ermöglichen wir endlich die Einziehung der
Kraftfahrzeuge, was eben bisher nicht so einfach möglich
war . Deswegen ist das, glaube ich, ein ganz wesentliches
Signal . Auch aus der Anhörung ergab sich ja, dass die
Einziehung des Fahrzeuges eines der zentralen Elemente
überhaupt ist . Die vorgesehenen Strafmaße sind aus un-
serer Sicht richtig, notwendig und angemessen . Ich bin
froh, dass wir dieses Gesetz heute endlich verabschieden
können .

Obwohl der Ausgangsentwurf aus unserer Sicht in die
richtige Richtung ging, war es uns als CDU und auch als
Koalition wichtig, das Thema Alleinrasen ernsthaft anzu-
gehen . Wir haben die Versuchsstrafbarkeit geregelt . Das
war bisher nicht der Fall; auch das haben wir eingeführt .
Aber die Praxis hat eben gezeigt: Es kommt regelmäßig
vor, dass Menschen auf den Straßen sozusagen Rennen
gegen sich selbst fahren . Sie fahren, um ein bestimmtes
Tempo zu erreichen . Oder sie fahren, um ihre Rekorde,
die sie sich zu Hause regelmäßig eintragen, zu toppen .
Aus unserer Sicht wird damit ebenfalls ein verbotenes
Kraftfahrzeugrennen verwirklicht .

Ich will nur das Beispiel des Motorradfahrers und
YouTubers Alpi – jeder, der sich mit diesem Thema be-
schäftigt, kennt ihn, glaube ich – in Erinnerung rufen,
der vom Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung
verurteilt wurde . Er hat die Videos seiner Fahrten mit bis
zu 170 km/h durch die Bremer Innenstadt regelmäßig auf
YouTube hochgeladen .

Um diese Problematik drehte sich im Wesentlichen die
Expertenanhörung . Deswegen haben wir mit dem heuti-
gen Änderungsantrag ein abstraktes Gefährdungsdelikt
hinzugefügt – das ist richtig –, in dem geregelt ist, dass
sich der Fahrzeugführer, wenn er sich mit „nicht ange-
passter Geschwindigkeit“ – auch das ist ein im Rahmen
von § 3 StVO oder § 315c StGB eingeführter Begriff, zu
dem es Rechtsprechung gibt – rücksichtslos fortbewegt,
„grob verkehrswidrig“ verhält . Damit wird jetzt eben ne-
ben dem Veranstalter und dem klassischen Teilnehmer
am Rennen von der Vorschrift endlich auch – das war
uns sehr wichtig – der Einzelraser umfasst .

In der Anhörung – darauf wurde schon hingewiesen –
wurde nun angemerkt, dass diese Regelung an vielen
Stellen zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte.
Deswegen haben wir uns im Nachgang der Anhörung
noch einmal intensiv Gedanken gemacht und nach For-
mulierungen gesucht, die besser passen und die auch die
Rechtsprechung schon umfasst .

„Nicht angepasste Geschwindigkeit“ bedeutet heute
bereits ein zu schnelles Fahren, das Geschwindigkeits-
begrenzungen verletzt oder den konkreten Verkehrssitu-
ationen zuwiderläuft . Die Formulierung „verkehrswidrig
und rücksichtslos“ ist bereits von § 315c StGB umfasst

Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


und sollte auch für die Rechtsprechung kein Problem
darstellen . So steht es jetzt glücklicherweise auch in der
Begründung des Antrages . Hierdurch verhindern wir –
auch das ist uns wichtig gewesen; darauf haben einige
schon hingewiesen –, dass wir damit jede Geschwindig-
keitsüberschreitung umfassen . Vielmehr umfassen wir
damit diejenigen, die ein Rennen sozusagen gegen sich
selbst fahren wollen, aber nicht diejenigen, die zu schnell
zum Bäcker gefahren sind, wie Frau Künast gesagt hat .

Ich denke, dass wir insgesamt Formulierungen gefun-
den haben, die es den Strafverfolgungsbehörden und den
Gerichten ermöglichen, die Taten aufzuklären und abzu-
urteilen . Damit schließen wir eine sehr wichtige Straf-
barkeitslücke .

Ich möchte noch einige Sätze zum Antrag der Grünen
sagen . Ich glaube, uns alle hier eint – das haben wir auch
in der Anhörung gemerkt –, dass wir die Eindämmung
und Verhinderung der Autorennen konsequent angehen
wollen . Es wurde darauf hingewiesen, auch in der An-
hörung, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausrei-
chend seien . Aber auch der Antrag der Grünen wurde von
den Sachverständigen durchaus sehr kritisch gesehen .
Sie haben darauf hingewiesen, dass durch die geforderte
nur leichte Änderung von § 315c ein Großteil der Tatbe-
stände nicht umfasst würde . In diesem Sinne haben wir,
glaube ich, eine deutlich bessere Regelung gefunden, um
abzuschrecken und auch die Gesellschaft für dieses The-
ma zu sensibilisieren .

Der von uns entwickelte Straftatbestand wird diesem
Fall gerecht . Bedenken Sie vor Ihrer Entscheidung viel-
leicht noch einmal das große Sicherheitsbedürfnis unse-
rer Straßenverkehrsteilnehmer, und ringen Sie sich zu
einer Zustimmung durch!

Ich bedanke mich auch noch einmal bei allen Poli-
tikern der SPD-Fraktion . Wir haben das wirklich sehr
schnell, gut und sauber hinbekommen . In diesem Zusam-
menhang bedanke ich mich natürlich auch bei den Minis-
terien; damit sind jetzt alle durch Dank beglückt .

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksam-
keit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303700

Damit schließe ich diese Aussprache .
Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundes-

rat eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsge-
setzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeug-
rennen im Straßenverkehr . Der Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 18/12936
und 18/12964, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf
Drucksache 18/10145 in der Ausschussfassung anzuneh-
men . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition


(Kirsten Lühmann [SPD]: Und einer Stimme der Grünen!)


ohne Gegenstimmen angenommen worden .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Ent-
haltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenom-
men worden .


(Kirsten Lühmann [SPD]: Und einer Stimme der Grünen! – Sören Bartol [SPD]: Mit einer Stimme zugestimmt! Die Kollegin Wilms hat auch zugestimmt! – Weiterer Zuruf von der SPD: Eine Grüne hat zugestimmt!)


– Die Kollegin Wilms hat dem Gesetzentwurf auch zuge-
stimmt . Danke für den Hinweis .

Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz
auf Drucksachen 18/12936 und 18/12964 fort . Der Aus-
schuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12558 mit
dem Titel „Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und il-
legale Autorennen wirksam bekämpfen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfeh-
lung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen worden .

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 e so-
wie die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf:

9 . a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu,
Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Abrüstung jetzt und hier beginnen

Drucksache 18/12799

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE

Keine Orientierung am Zwei-Prozent-
Ziel der NATO

Drucksache 18/12800

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE sowie der Abgeordneten
Agnieszka Brugger, Dr . Gerhard Schick,
Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Investitionen in Streumunition und Anti-
personenminen verbieten

Drucksache 18/12898

Sebastian Steineke






(A) (C)



(B) (D)


d) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses

(3 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-

neten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordne-
ten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja
Keul, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verhandlungen über einen Atomwaffen-
verbotsvertrag aktiv unterstützen

Drucksachen 18/11609, 18/12419

e) Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses

(3 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-

neten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Atomwaffen aus Deutschland abziehen
und Neustationierung stoppen

Drucksachen 18/6808, 18/12420

ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepo-
tenziale


(Jahresabrüstungsbericht 2016)


Drucksache 18/11968
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union

ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,
Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepo-
tenziale


(Jahresabrüstungsbericht 2015)


Drucksache 18/8065
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union

ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand
der Bemühungen um Rüstungskontrolle,

Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepo-
tenziale


(Jahresabrüstungsbericht 2014)


Drucksache 18/4270
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich kann die Aussprache eröffnen, sobald die Kolle-
ginnen und Kollegen ihre Plätze eingenommen haben .

Als erster Redner in der Aussprache hat Wolfgang
Gehrcke für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824303800

Danke sehr, Frau Präsidentin! – Die eigentliche Frage,

die man sich stellen muss, lautet: Wollen wir einen So-
zialstaat und alles, was wir leisten können, einbringen,
um einen Sozialstaat aufzubauen, oder wollen wir einen
Rüstungsstaat? Beides zusammen geht nicht . Kanonen
und Butter hat es zusammen nie gegeben, man hat sich
immer entscheiden müssen . Meine Entscheidung und die
Entscheidung meiner Fraktion ist völlig klar: Wir wollen
alle Kräfte im Sozialen verstärken, und deswegen wollen
wir raus aus der Spirale der Rüstung .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte gerne, dass die Frage der Abrüstung eine
der wahlentscheidenden Fragen wird . Ich glaube, es gibt
auch eine gute Chance, sie dazu zu machen . Deswegen
sage ich zu SPD und Grünen: Lassen Sie uns doch im
Wahlkampf konkurrieren, wer die besten Vorschläge zur
Abrüstung einbringt . Wenn Ihre besser sein sollten, hät-
ten Sie mich fast überzeugt . Wenn unsere besser sind –
wir haben Ihnen ja etwas vorgelegt –, dann hoffe ich,
dass ich Sie überzeugen kann . Ein Wahlkampf, der sich
um die Frage der Abrüstung dreht, ist für mich etwas
Konstruktives in diesem Land .


(Beifall bei der LINKEN)


Mein Wunsch war es immer, persönlich und in der
Fraktion dazu beizutragen, dass um Frieden weltweit
gekämpft wird – in den Parlamenten, aber auch auf den
Straßen und Plätzen, auf internationalen Treffen. Es hat
immer eine Chance gegeben, aus Gewalt und Krieg he-
rauszukommen und eine Friedenspolitik zu entwickeln .
Eine Friedenspolitik braucht unser Land . Da kann man
sehr viel bewegen, wenn man anderen Ländern Ängste
nimmt und Vertrauen aufbaut .

Man baut eben kein Vertrauen auf, wenn man dabei
bleibt, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung
auszugeben – ein komisches Ziel, für dessen Beibehal-

Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


tung sich Volker Kauder ausgesprochen hat . Um es ein-
mal deutlich zu sagen: Das wären ungefähr 70 Milliarden
Euro im Jahr, die dafür herausgeschmissen würden, um
Leben zu vernichten, wenn man sich auf dieses Ziel fest-
legt . Das halte ich für eine Katastrophe . Deswegen er-
warte ich von der CDU/CSU nicht sehr viele Vorschläge,
was wirkliche Abrüstung angeht .

Meine Hoffnung ist, dass man nicht mehr auf die Ge-
walt der Waffen setzt. Ich bin sehr froh, dass es in unse-
rem Land eine große Mehrheit gibt, die ein vernünftiges
Verhältnis zu Russland will, die keine Auslandseinsätze
der Bundeswehr will, die auf Abrüstung setzt . Ich wäre
sehr froh, wenn man endlich aus den Menschheitsverbre-
chen des Faschismus lernen würde . Das heißt für mich:
6 Millionen Jüdinnen und Juden sind unter deutscher
Verantwortung ermordet worden und 27 Millionen Bür-
ger der Sowjetunion, die heute ja auf mehrere Staaten
aufgeteilt ist . Vor diesem Hintergrund muss man aber
etwas solider, kameradschaftlicher, zugeneigter mit die-
sen Ländern umgehen, mit Russland ebenso, wie es mit
Israel geschieht . Wir können unsere Schuld nicht auf den
Schultern der Palästinenser abladen, und wir können un-
sere Schuld auch nicht mit einem antirussischen Reflex
wettmachen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe die Bundesregierung immer wieder gebeten:
Macht uns die Russen nicht zu Feinden! Ich bin dafür,
dass die Bundeswehr sofort aus Litauen abgezogen wird .
Bundeswehr an der Westgrenze Russlands war für mich
immer unvorstellbar .

Ich bin auch dafür und bitte Sie, darüber nachzuden-
ken, wie man es hinbekommt, die Atomwaffen der USA
aus Deutschland abzuziehen . Das, was ich bei Ihnen
gelesen habe, läuft auf den berühmten Sankt-Nimmer-
leins‑Tag hinaus. Diese Atomwaffen müssen jetzt raus
aus unserem Land . Das wäre eine Antwort an Trump, und
das wäre ein politisches Signal .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bitte Sie sehr, auch die Debatten über Kampfdroh-
nen nicht auf die Frage zu reduzieren, welches System
man nimmt oder welches man nicht nimmt . Ich bin da-
für, dass sich dieses Parlament entscheidet, dass generell
keine Kampfdrohnen von der Bundeswehr angeschafft
werden dürfen . Das ist die nichtmilitärische Antwort .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich würde sehr gerne über die Möglichkeit reden, glei-
che Sicherheit in Europa herzustellen . Gleiche Sicherheit
heißt: Man braucht kein Raketenabwehrsystem . Das
schafft gespaltene Sicherheit.


(Beifall des Abg . Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich bin dafür, dass wir uns klarmachen, dass Abrüs-
tung Vertrauen braucht . Vertrauen ist die Währung der
Abrüstung . Wenn man Vertrauen aufbauen will, muss
man erst einmal selbst vorangehen, bevor man es anderen
abfordert . Das heißt: Die NATO-Osterweiterung und die

Sanktionen haben aus meiner Sicht Vertrauen in Russ-
land zerstört .


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Krim-Besetzung hat das Vertrauen in Russland zerstört!)


Über eine gemeinsame europäische Sicherheit ist eigent-
lich nie ernsthaft verhandelt worden . Ich möchte, dass
ernsthaft über ein europäisches Sicherheitssystem, das
nichtmilitärisch ist und Russland einschließt, verhandelt
wird .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das wahrschein-
lich – man weiß ja nie, ob wir nicht noch zu einer Son-
dersitzung bei dieser Lage zusammenkommen – meine
letzte Rede im Bundestag ist, sage ich: Ich vertraue mehr
auf die Bevölkerung unseres Landes, die sich als weiser
erwiesen hat als dieses Parlament .

Ich bin aber auch der Auffassung, dass im Parlament
Veränderungen denkbar sind . Man kann doch, wenn man
sich zusammennimmt, sagen: Es werden keine 2 Pro-
zent der Ausgaben für Aufrüstung verwendet . Kauder
irrt sich, wenn er fordert, dass wir 70 Milliarden Euro
verschleudern sollen . Es wird eine Hinwendung zu einer
besseren kollektiven Sicherheit in Europa geben, wenn
wir es nichtmilitärisch machen .

Wir hätten gern, dass die NATO aufgelöst wird und
dass sich die Europäische Union nicht militarisiert . Da-
rüber sind die Meinungen sicherlich gespalten . Eine ver-
nünftige Debatte dazu wäre es mir allemal wert .

Ich habe mich gerne gestritten; das wissen Sie . Das ist
mein Lebenselixier . Herzlichen Dank dafür .

Ich hoffe, dass am Ende eine vernünftige Politik im In-
teresse unseres Landes und Europas in Form einer welt-
weiten Friedensbewegung, die wir brauchen, zustande
kommt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Staatsministers Michael Roth)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824303900

Auch Ihnen, Herr Gehrcke, alles Gute für die Zukunft .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als nächster Redner hat Robert Hochbaum für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Robert Hochbaum (CDU):
Rede ID: ID1824304000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Politik, lieber Wolfgang Gehrcke, beginnt mit
dem Betrachten der Wirklichkeit . Diesem Credo bin ich

Wolfgang Gehrcke






(A) (C)



(B) (D)


in den letzten 15 Jahren meiner Tätigkeit als Abgeordne-
ter des Deutschen Bundestages stets gefolgt .


(Niels Annen [SPD]: Lassalle! – Heiterkeit bei der SPD)


Was heißt das für unsere heutige Debatte? Das beinhaltet
zunächst einmal kein unrealistisch verklärtes Wunsch-
denken, sondern einen realistischen Blick auf die Welt
und eine daraus resultierende kluge und verantwortungs-
volle Politik .

Die Betrachtung der heutigen sicherheitspolitischen
Lage ergibt ein Bild, das im Jahr 2013 zu Beginn der
aktuellen Legislaturperiode des Bundestages deutlich an-
ders und meiner Meinung nach auch deutlich besser aus-
sah . Die Krisenherde der Welt von Syrien bis zur Ukrai-
ne, vom Jemen bis Nordkorea, die Bedrohung durch den
islamistischen Terrorismus und eine nie zuvor dagewese-
ne Gleichzeitigkeit dieser Krisen, mit denen wir konfron-
tiert sind, stellt uns täglich vor neue Herausforderungen .

Dies alles macht abrüstungspolitische Fragestellun-
gen, die sich ja bekanntermaßen insbesondere dadurch
auszeichnen, dass sie hochkomplex sind, sicherlich nicht
einfacher . Dennoch sind in den letzten Jahren gute und
wichtige Schritte im Bereich der Abrüstung erfolgt . Die-
se gilt es, den Blick auf die Zukunft gerichtet, auch wei-
terhin zu verfolgen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Doch Schnellschüsse sind da kontraproduktiv und
nicht zielführend . Vor allem gilt dies natürlich auch für
den sensiblen Bereich der nuklearen Abrüstung . Eine
Welt ohne Atomwaffen – so unterstelle ich einfach ein-
mal – ist sicher der Wunsch aller hier im Saal . Nur über
den Weg dahin ist man sich bekanntermaßen, wie bei
vielen anderen Dingen, nicht immer ganz einig . Wie
schwierig es ist, auf diesem Weg ein kleines Stück voran-
zukommen, zeigen die Bemühungen des letzten US-Prä-
sidenten, der damit leider auch nicht sehr erfolgreich war .

Man sollte dabei nie aus den Augen verlieren, dass uns
die Vergangenheit gelehrt hat – ein Blick in die Vergan-
genheit hilft oft sehr –, dass Fortschritte auf dem Gebiet
der nuklearen Abrüstung niemals durch einseitige Maß-
nahmen oder einseitigen Verzicht erreicht worden sind .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wichtige und deutliche Abrüstungsschritte wurden nur
auf Augenhöhe erreicht . Ich erinnere dabei nur – Ver-
schiedenen hier im Saal sehr gut bekannt – an die Nach-
rüstungsdebatte in Deutschland oder die START- und
INF-Verträge . Alle diese Fortschritte wurden nicht aus
einer Position der Schwäche heraus, sondern, wie schon
Kanzler Helmut Schmidt erkannte, aus einer Position der
Stärke heraus – das heißt auf Augenhöhe miteinander –
erreicht . Er musste damals beim NATO-Doppelbeschluss
einiges aushalten . Doch er hat durchgehalten, und der Er-
folg hat ihm recht gegeben .

Gerade dieses Beispiel zeigt: Verhandeln, ja und un-
bedingt, aber eben nur aus einer Position der Stärke he-
raus! – Diesen Ansatz hat übrigens Altkanzler Helmut

Kohl die ganzen Jahre über fortgeführt und weiterentwi-
ckelt, zum Wohle der Sicherheit unseres Landes, Euro-
pas, ja der ganzen Welt . Am Ende stand unter anderem
ein geeintes Deutschland . Dies sollte an dieser Stelle
nicht vergessen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, leider sind die weltwei-
ten Abrüstungsbemühungen vor allem im Bereich der
nu klea ren Abrüstung und bei den vertrauensbildenden
Maßnahmen in letzter Zeit ins Stocken geraten . Die ak-
tuellen Entwicklungen sowie die jeweiligen Töne aus
Russland und vonseiten der neuen US-Administration
stimmen nachdenklich und bereiten Grund zur Sorge .
Wechselseitige Schuldzuweisungen bringen uns da nicht
weiter . Es muss verhandelt werden, so schwierig es sich
zu dieser Zeit auch darstellt .

Da nutzt es wenig, neue Baustellen wie den Nuclear
Ban Treaty aufzumachen .


(Zuruf der Abg . Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie bieten damit jetzt Staaten nur die Möglichkeit, dem
Nichtverbreitungsvertrag, dem Kernelement der welt-
weiten nuklearen Abrüstung, auszuweichen . Wenn man
sich die letzten diesbezüglichen Entwicklungen bei den
Vorschlägen ansieht, sieht man abgeschwächte Verifika-
tionsmaßnahmen und immer weniger Verweise auf den
Nichtverbreitungsvertrag . Das nimmt den Druck auf die
sogenannten Nichtunterzeichnerstaaten, weicht dieses
Kernelement der Abrüstung auf und ist – darin bin ich
mir mit den Fachleuten der Bundesregierung einig –
nicht zielführend .

Meine Damen und Herren, ich möchte heute aber auch
nicht versäumen, auf Erfolge unserer Arbeit in dieser Le-
gislaturperiode hinzuweisen . Ein erfolgreiches Projekt,
das ich als Vorsitzender des zuständigen Unterausschus-
ses besonders gerne begleitet habe, ist das Thema Open
Skies . Es zeigt, wie sehr es sich lohnt, das langfristige
Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und gegebenenfalls
auch einmal dicke Bretter zu bohren . In dieser Legisla-
turperiode konnte somit nach fast 20-jährigen Bemühun-
gen – ich wiederhole: nach fast 20-jährigen Bemühun-
gen – endlich die Beschaffung einer eigenen deutschen
Beobachtungsplattform realisiert werden . Besonders
freut mich in diesem Zusammenhang, dass es gemeinsa-
me, fraktionsübergreifende Bemühungen waren, die am
Ende zum Erfolg geführt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ein sichtbarer Erfolg für Vertrauensbildung, der in Form
unseres eigenen Fliegers in nicht allzu ferner Zeit abhe-
ben wird! Dafür möchte ich allen Beteiligten danken .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute nach
15 Jahren im Deutschen Bundestag – man glaubt es
kaum – meine letzte Rede . Am Schluss möchte ich erneut
danken, an erster Stelle natürlich meiner Ehefrau Mandy,
die viele hier im Raum kennen, die sehr häufig an meiner

Robert Hochbaum






(A) (C)



(B) (D)


Seite zu finden war und mich in all den Jahren immer
unterstützt hat .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Wahlkreis, dem schönen Vogtland – dorthin kann ich alle
nur einladen; es ist bestimmt eine Reise wert –, und na-
türlich auch Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter in Berlin! Dank an die fleißigen Helferinnen und
Helfer der Bundestagsverwaltung und der Ministerien!
Es war immer und ohne Abstriche eine sehr gute Zusam-
menarbeit .

Nicht zuletzt danke ich Ihnen bzw . euch, meinen
lieben Kolleginnen und Kollegen . Da schließe ich alle
Fraktionen ein . Auch wenn wir nicht immer alle einer
Meinung waren: Es war eine schöne Zeit mit Ihnen bzw .
mit euch . Wir werden uns auch nicht ganz aus den Augen
verlieren . Um die mahnenden Worte unseres ehemaligen
Bundestagspräsidenten, nicht zu weit hinauszuschwim-
men, ein bisschen abzuwandeln: Ich gehe zwar von Bord,
bleibe aber mit meiner Jolle immer in der Nähe .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824304100

Auch Ihnen, Herr Hochbaum, alles Gute für die Zu-

kunft und gutes Segeln!

Als nächste Rednerin hat Agnieszka Brugger für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die
Beschaffung des Open‑Skies‑Flugzeuges war ein Erfolg.
Aber jenseits dessen waren vier Jahre Schwarz-Rot vier
verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ob es um den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland
geht, ob es um ein Investitionsverbot für Streumunition
geht oder den historischen Atomwaffenverbotsvertrag
geht: Das sind nur drei wichtige Beispiele, bei denen ein-
fach nichts passiert ist .

Vor ein paar Jahren gab es in diesem Hohen Haus ei-
nen sehr großen Konsens – das ist wirklich selten –: Von
der CSU bis zur Linkspartei haben alle erklärt, dass der
Abzug der US‑amerikanischen Atomwaffen unser ge-
meinsames Ziel ist . Es ist doch unfassbar, wie schnell
Union und SPD diese Einigkeit und dieses wichtige Ziel
aufgegeben haben .

Es ist doch schon schlimm genug, dass wir keinen
Schritt weiter sind bei der Frage, dass Deutschland end-
lich atomwaffenfrei wird. Aber diese Bundesregierung
hat dem gigantischen Modernisierungsvorhaben der
USA zugestimmt, das auch die in Rheinland-Pfalz sta-

tionierten Atombomben betrifft. Es werden nicht nur die
Waffen, sondern auch die deutschen Kampfflugzeuge,
die sie im Ernstfall abwerfen müssten, nun für horrende
Summen modernisiert werden müssen . Niemand glaubt
doch, dass das, was jetzt teuer aufgerüstet wird, in den
nächsten Jahren abgezogen werden wird . Somit zemen-
tieren Sie den Verbleib dieser Waffen in Deutschland.
Das ist kein Stillstand, sondern ein Riesenrückschritt,
meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In einem gemeinsamen Antrag fordert die Opposition
auf, diese Aufrüstungspläne zu stoppen und zu unserem
früheren friedenspolitischen Konsens zurückzukehren,
damit Deutschland endlich atomwaffenfrei wird.

In dem Antrag wollen wir aber auch, dass die Bundes-
regierung einen anderen Fehler rückgängig macht: ihre
Blockadehaltung beim breiten internationalen Prozess
zum Verbot von Atomwaffen. Es gibt eine Reihe von
internationalen Verträgen, die besonders grausame Waf-
fen wie Streumunition, wie Landminen, wie biologische
oder chemische Massenvernichtungswaffen ächten. Es
fehlt unter ihnen aber doch besonders einer: ein Verbots-
vertrag für Atomwaffen, die barbarischste und grausams-
te Waffe, die die Menschheit je erfunden hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Weil die Atomwaffenstaaten ihren jahrzehntelangen
Abrüstungsversprechen nicht nachgekommen sind, hat
sich eine überwältigende Mehrheit von über 120 Staaten
bei den Vereinten Nationen auf den Weg gemacht, einen
historischen Schritt gemacht und Verhandlungen über ei-
nen solchen Verbotsvertrag auf den Weg gebracht . Die
Bundesregierung redet gern von einer atomwaffenfreien
Welt . Sie spricht davon, dass man die internationalen Or-
ganisationen stärken soll, und sie kündigt eine neue deut-
sche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik
an . Das hier wäre die Gelegenheit gewesen, all diese drei
Versprechen einzulösen . Doch was tut die Bundesregie-
rung? Sie nimmt nicht einmal als Beobachter an diesen
Verhandlungen teil und stiehlt sich aus der Verantwor-
tung . Das ist doch ein großes Versäumnis und ein großer
Fehler .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Bundesregierung hat auch gar nicht unrecht, wenn
sie als Problem benennt, dass die Nuklearwaffenstaaten
nicht mit dabei sind . Aber statt den Staaten, die sich für
einen Verbotsvertrag engagieren, vorzuwerfen, dass sie
der Abrüstungspolitik schaden, sollte die Bundesregie-
rung doch lieber die Nuklearwaffenstaaten dafür kritisie-
ren, dass sie, um ihre eigenen Privilegien und Interessen
zu schützen, sich diesem historischen Prozess verwei-
gern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Robert Hochbaum






(A) (C)



(B) (D)


Hier sollte man sich eben nicht mutlos hinter den Atom-
waffenstaaten verstecken, weil das an der Stelle einfach
nur ein außenpolitisches Armutszeugnis ist .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch ein ande-
res Argument der Bundesregierung entlarvt sich da sehr
schnell . Auch bei den Verbotsverträgen zu Streumuniti-
on und Landminen waren nicht alle Staaten von Anfang
an dabei . Trotzdem sind sie heute wichtige Meilenstei-
ne der internationalen Abrüstungspolitik geworden . Ja,
die Verträge haben leider nicht dazu geführt, dass die-
se schrecklichen Waffen, die besonders die Zivilbevöl-
kerung treffen, gar nicht mehr eingesetzt werden. Aber
heute sind viele Staaten diesen Verträgen beigetreten; es
müssen auch noch mehr werden . Es wurde neues Recht
geschaffen. Das hat Wirkung gezeigt, und der Einsatz
dieser Waffen ist drastisch zurückgegangen. Die Bundes-
regierung war auch damals skeptisch und zögerlich, hat
am Ende aber doch mitgemacht .

Dass seit 2015 alle Streumunitionsbestände der Bun-
deswehr mittlerweile vernichtet sind, das ist ein gutes
Zeichen . Trotzdem ist auch hier in Deutschland noch
nicht alles gut, wenn es um Streumunition und Landmi-
nen geht . Es kann doch nicht sein, dass die Lagerung, die
Herstellung und die Entwicklung von Streumunition und
Landminen verboten sind, es hierzulande aber erlaubt ist,
dass zum Beispiel für die Riester-Rente im Rahmen von
Fonds in Firmen investiert werden darf, die diese grausa-
men Waffen herstellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit ein für alle Mal damit Schluss ist, haben SPD,
Linke und Grüne in der letzten Legislaturperiode in ei-
nem gemeinsamen Antrag ein konsequentes Investitions-
verbot gefordert . Wir stellen heute diesen Antrag wort-
gleich noch einmal zur Abstimmung . Liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Koalition, ich appelliere an Sie:
Stimmen Sie zu, damit sich hier endlich etwas verbessert
und diese zynische Praxis beendet wird!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, die weltweiten Mili-
tärausgaben sind im letzten Jahr gestiegen . 1,6 Billionen
US-Dollar haben die Regierungen ausgegeben, um ihre
Waffenarsenale auszurüsten und noch schlagkräftiger zu
machen . Allein 10 Prozent würden ausreichen, um Armut
und Hunger auf der Welt zu bekämpfen . Dort wären diese
Gelder eindeutig besser investiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Statt sich dafür einzusetzen, folgt die Verteidigungsmi-
nisterin Ursula von der Leyen lieber dem von Trump
ausgegebenen Ziel, dass alle NATO-Mitgliedstaaten
möglichst schnell 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts
für Militär ausgeben .


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Das ist NATO, nicht Trump! – Gegenruf des Abg . Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trump hat das schon auch gesagt!)


Das kommt einer Verdopplung des Verteidigungsetats
von heute auf die gigantische Summe von 70 Milliarden
Euro gleich .

Mehr Geld für Militär und Rüstung, das verengt die
sicherheitspolitische Debatte auf das rein Militärische .
Dabei gerät einmal mehr all das, was wirklich mehr Si-
cherheit schafft und Konflikte nachhaltig löst, erst recht
aus dem Blick . Es ist auch viel Geld, das eindeutig besser
in Klimaschutz, in Bildung und in zivile Krisenpräventi-
on investiert wäre .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Schlimmste an dieser Debatte ist aber, dass Sie
für die Gefahren blind sind, die mit diesen Aufrüstungs-
plänen verbunden sind . Natürlich werden auch andere
mit Aufrüstung reagieren, und am Ende schafft das in
der Konsequenz nicht mehr Sicherheit für uns, sondern
mehr Unsicherheit für alle . Dass mehr Rüstung auto-
matisch mehr Sicherheit bedeutet, das ist eine falsche,
eine trügerische und eine gefährliche Gleichung . Daher:
Verabschieden Sie sich endlich von diesem irrsinnigen
2-Prozent-Ziel!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Inge Höger [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, großen Schaden nicht nur
für die Abrüstungspolitik, sondern auch für Menschen-
rechte, Frieden und Sicherheit richtet Schwarz-Rot vor
allem mit den deutschen Waffenexporten an. Noch nie
wurden in der Geschichte der Bundesrepublik so viele
Rüstungsexporte genehmigt, solche Rekordwerte der
Verantwortungslosigkeit verzeichnet. Sie haben Waffen
an Regime geliefert, in denen Menschenrechtsverlet-
zungen an der Tagesordnung sind. Sie haben Waffen an
Kriegsparteien genehmigt . Staaten wie Saudi-Arabien
und Katar mit Waffen zu beliefern, hat nichts, aber auch
wirklich rein gar nichts mit Sicherheitspolitik zu tun . Es
muss endlich damit Schluss sein, dass Rüstungsexporte
auf Kosten von Frieden, von Sicherheit und von Men-
schenrechten genehmigt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der die
internationale Friedensordnung unter Beschuss gerät, in
der Aufrüstungsspiralen zunehmen, in der Krisen sich
verschärfen, Fluchtbewegungen zunehmen und nationa-
listischer Egoismus auf dem Vormarsch ist, braucht es
konsequente Abrüstungspolitik und Rüstungskontrolle
mehr denn je . Vier Jahre Schwarz-Rot, das waren vier
verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik . Höchste Zeit
für eine Bundesregierung, die mehr Einsatz und mehr
Mut für Frieden und Sicherheit zeigt!

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Agnieszka Brugger






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824304200

Als nächster Redner hat der Staatsminister im Aus-

wärtigen Amt, Michael Roth, das Wort für die Bundes-
regierung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1824304300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will mich sehr gern den guten Wünschen für Herrn
Hochbaum und für dich, lieber Wolfgang Gehrcke, an-
schließen . Auch dein heutiger Beitrag hat gezeigt, dass
wir nur in seltenen Fällen übereinstimmen, aber wir ha-
ben das immer in großem Respekt ausgetragen. Ich finde,
es zeichnet unsere Außenpolitikerinnen und Außenpoli-
tiker in hohem Maße aus, dass sie immer wieder bereit
sind, eine vorbildliche Streitkultur zu pflegen. Für man-
chen Rat – du wirst dich erinnern – möchte ich dir heute
noch einmal danken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich bin auch froh, dass du an einen Punkt erinnert hast,
der uns alle hier im Saal eint . Wir haben in einem Punkt
die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen, aus
Faschismus, aus Holocaust, aus furchtbaren Kriegen, die
wir zu verantworten haben: Die Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes erwarten von uns allen hier im Bundestag
und von der Bundesregierung ein besonders hohes Maß
an Einsatz für Frieden, Versöhnung und Verständigung .
Darauf bin ich sehr stolz, auch wenn es mir in den ver-
gangenen Jahren durchaus nicht immer ganz leicht ge-
fallen ist, schwierige und komplexe Sachverhalte zu er-
läutern . Sie haben einen aus meiner Sicht ganz wichtigen
Punkt angesprochen, Frau Brugger, auf den ich gleich zu
sprechen komme, nämlich die Initiative aus der internati-
onalen Gemeinschaft, sich für ein weltweites Verbot von
Atomwaffen einzusetzen.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen: Der Ein-
satz für den Frieden ist das eine, aber die Verpflichtung
der Demokratien, sich wehrhaft zu zeigen, ist das ande-
re . Die Entwicklung in den vergangenen Jahren war al-
les in allem mehr als besorgniserregend . Der Einsatz für
Abrüstung ist seit dem Fall der Mauer, seit dem Zusam-
menbruch des kommunistischen Regimes und seit der
Wiedervereinigung Deutschlands und Europas vermut-
lich noch nie so mühsam und so beschwerlich gewesen
wie derzeit .

Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jah-
ren dramatisch verschlechtert, und zwar nicht nur durch
die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, nicht nur
durch die militärischen Auseinandersetzungen im Osten
der Ukraine. Wenn ich mir die viel zu vielen bewaffne-
ten Konflikte in unserer europäischen Nachbarschaft vor
Augen führe – nicht zuletzt den Krieg in Syrien –, denen
Tausende von Menschen zum Opfer fallen, dann kann ich
nur sagen: Die in Jahrzehnten gewachsene Abrüstungs-

und Rüstungskontrollarchitektur steht unter einem mas-
siven Druck . Dem müssen wir uns entschieden stellen .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie es auch!)


Deshalb habe ich im Gegensatz zu Ihnen eine ganze
Reihe von Punkten zu benennen, wo wir uns als Bundes-
regierung engagiert und in besonderem Maße verpflich-
tet haben . Ich erinnere daran, dass wir Mitte 2016 eine
neue Initiative für einen umfassenden Neustart der kon-
ventionellen Rüstungskontrolle in Europa ins Leben ge-
rufen haben . Diese Initiative ist auf große Unterstützung
in der Europäischen Union gestoßen . Wir haben während
des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 im Konsens einen
Dialog vereinbart: Wir wollen uns zunächst den grund-
sätzlichen Bewährungsproben für unsere gemeinsame
Sicherheit in Europa zuwenden . Darauf wollen wir dann
aufbauen, um Grundlagen für die so schwierigen Fragen
der Rüstungskontrolle zu schaffen. Ja, das ist noch nicht
genug, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung .

Nun komme ich noch einmal zu der Initiative, die Frau
Brugger eben schon genannt hat . Ich habe selbst – das
muss im April 2015 gewesen sein – in New York an der
Konferenz der Vereinten Nationen zur Nichtverbreitung
von Atomwaffen teilgenommen. Es ging um die Weiter-
entwicklung des Nichtverbreitungsvertrages NVV . Lei-
der ist es uns am Ende dieser sehr langen und auch sehr
kontrovers ausgetragenen Konferenz nicht gelungen, ein
ambitioniertes Abschlussdokument zu unterzeichnen .
Das ist unbefriedigend .

Ja, Frau Brugger, da mag es manchmal einfacher fal-
len – das ist richtig –, sich mit Gleichgesinnten zusam-
menzusetzen und sich über die Zustände dieser Welt zu
empören . Ich werbe aber dafür, gerade bei der Debatte
über eine Welt ohne Atomwaffen die Länder an den Tisch
zu holen, in deren Besitz diese furchtbaren Waffen sind.
Nur so lassen sich überhaupt Fortschritte erzielen . Liebe
Kolleginnen und Kollegen, beharrliche Diplomatie kann
sich am Ende auch auszahlen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will deshalb an die Verhandlungen mit dem Iran
erinnern . Nach mehr als zehn Jahren schwieriger Ver-
handlungen haben wir es gemeinsam mit der Europäi-
schen Union, mit den USA, mit Russland, mit China, mit
Frankreich und mit Großbritannien erreichen können,
Iran den Weg zur Atombombe dauerhaft und nachprüfbar
zu verschließen . Kürzlich hat die Internationale Atom-
energie-Organisation nochmals bestätigt: Iran hält seine
nukleartechnischen Verpflichtungen aus der Wiener Ver-
einbarung bislang ein . Ja, wir arbeiten am Ziel einer Welt
ohne Atomwaffen. Daher müssen wir uns auch unter
schwierigen Umständen – auch gerade jetzt angesichts
der vielen aktuellen Konflikte und Krisen – für neues
Vertrauen, für neue Initiativen und für neuen Mut bei der
Abrüstung einsetzen .

Es gab ja durchaus auch Fortschritte: Die nuklearen
Arsenale aus der Zeit des Kalten Krieges sind seit den
späten 1980er-Jahren um fast 90 Prozent reduziert wor-
den. Aber um unser Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt
zu erreichen, müssen in erster Linie die Nuklearwaffen-






(A) (C)



(B) (D)


staaten bereit sein, diesen Weg mitzugehen . Hier brau-
chen wir mehr Entschlossenheit: mehr Entschlossenheit
in Russland, mehr Entschlossenheit in den Vereinigten
Staaten, mehr Entschlossenheit in China, aber auch in
Frankreich und in Großbritannien .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da dies so schwierig ist, bleiben wir auch dem Vertrag
über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verpflichtet.
Das ist die Basis für alle unsere Bemühungen bei der
Abrüstung im nuklearen Bereich . Wir sehen die große
Gefahr, dass die Bedeutung des alles in allem erfolgrei-
chen Vertrags mit seinen Instrumenten und Verbindlich-
keiten durch ein Nuklearwaffenverbot gegebenenfalls
relativiert werden könnte . Denn seit dem Inkrafttreten
dieses Vertrags 1968 ist es uns gelungen, zahlreiche Staa-
ten davon abzuhalten, sich nuklear zu bewaffnen. Einige
haben wir sogar davon überzeugt, Nuklearwaffen abzu-
bauen .

Nun will ich noch zu weiteren Gravamina kommen .

Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wird immer
mehr zu einer Bedrohung für den Weltfrieden . Nordkorea
ist der einzige Staat, der im 21 . Jahrhundert Atomtests
durchführt – allein zwei in den vergangenen Monaten .
In dieser brandgefährlichen Lage muss das vom VN-Si-
cherheitsrat und der EU beschlossene harte Sanktionsre-
gime konsequent umgesetzt werden .

Völlig inakzeptabel, ja barbarisch ist der wiederhol-
te und fortdauernde Einsatz chemischer Waffen in Syri-
en und im Irak . Diesem widerlichen Tabubruch müssen
wir entschieden begegnen, mit klaren Konsequenzen für
die Verantwortlichen . Auch deshalb unterstützen wir die
Untersuchungsgremien der Vereinten Nationen und der
OVCW mit Personal, aber auch mit Geld .

Zu den größten Gefahren für den Weltfrieden gehört
es, dass Massenvernichtungswaffen in die Hände von
Terroristen gelangen könnten . In diesem Zusammenhang
will ich auf eine unserer Initiativen hinweisen: Wir ha-
ben uns im Falle Libyens im vergangenen Jahr an einer
internationalen Operation beteiligt, die Restbestände an
chemischen Substanzen aus dem libyschen Chemiewaf-
fenprogramm außer Landes brachte, um sie damit dem
Zugriff der Terrororganisation IS zu entziehen.

Ich will außerdem darauf hinweisen – auch das ist
schon angesprochen worden –, dass in Konflikten, etwa
in Syrien und im Jemen, nach wie vor Streumunition ein-
gesetzt wird . Das ist ganz furchtbar . Wir müssen endlich
diese Waffenart weltweit ächten und verbieten. Auch hier
strengen wir uns besonders an, liebe Frau Brugger, und
haben deshalb im September vergangenen Jahres für ein
Jahr den Vorsitz der Streumunitionskonvention über-
nommen .

Ebenso brauchen wir auch bei den sogenannten le-
talen autonomen Waffensystemen – wir sprechen ja oft
über Drohnen – eine Regelung . Wenn Entscheidungen
über Leben und Tod ohne menschliche Einflussnahme
von Algorithmen getroffen würden, so würde das ganz
schwierige ethische, völkerrechtliche und politische Fra-
gen aufwerfen . Insofern bin ich auch ein bisschen stolz

darauf, dass es uns unter deutscher Verhandlungsführung
gelungen ist, sich auf ein Mandat für eine Gruppe von
Regierungsexperten zu verständigen, die möglichst rasch
klären sollen, wie wir im Rahmen des VN‑Waffenüber-
einkommens zu verlässlichen und verbindlichen Regeln
kommen .

Ihnen allen in allen Fraktionen möchte ich dabei für
Ihren couragierten Einsatz und auch für Ihre Kritik dan-
ken . Wir im Auswärtigen Amt würden unsere Arbeit für
mehr Frieden und Abrüstung gerne fortsetzen . Dafür sind
noch ein paar Bedingungen zu erfüllen . Helfen Sie uns
dabei .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824304400

Als nächster Redner hat Ingo Gädechens für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1824304500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Wahlkampf ist eingeläutet . Also müssen die Linken
und die Grünen in der letzten Sitzungswoche noch ein
paar Anträge einbringen, die sicherlich nicht helfen wer-
den, die uns ein wenig Zeit rauben und die erkennbar das
Ziel verfolgen, die eigene Wählerklientel zu befriedigen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nach dem Motto „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir
gefällt“ haben Ihre Anträge, insbesondere der Antrag
„Abrüstung jetzt und hier beginnen“,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Jawohl!)


herzlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun . Ihr nahezu
verblendeter Aktionismus versucht, den Menschen in der
Republik Sand in die Augen zu streuen, und lässt jegli-
chen Bezug zur Wirklichkeit vermissen .

Meine Damen und Herren, der Antrag ist ein links-
ideologisches Thesenpapier vom Feinsten .


(Lachen bei der LINKEN)


Wenn Sie darin schreiben, dass Deutschland seinen
Machtoptionen auch militärisch Weltgeltung verschaffen
wolle, dann ist das mit Verlaub ziemlicher Unsinn .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich frage mich, welchen ideologischen Unterbau Sie
haben, um diesen Blödsinn selbst zu glauben . Deutsch-
land muss als eine der größten und einflussreichsten
Volkswirtschaften Verantwortung übernehmen . Dazu
zwingt uns die aktuelle Sicherheitslage in der Welt . Sie
von den Linken verkennen, dass die Bundesrepublik
Deutschland niemals Alleingänge unternimmt, sondern
gerade beim Einsatz militärischer Mittel immer im Bünd-
nis multilateral handelt . Ihre konstruierten Vorwürfe sind
deshalb inhalts- und haltlos .

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, wir rüsten nicht auf . Wir
schließen Lücken bei der notwendigen Ausrüstung der
Bundeswehr zum Schutz unserer Soldatinnen und Solda-
ten . Auch hier läuft Ihr Antrag an der Realität vorbei . Wer
wie Sie von Aufrüstung spricht, hat – ganz ehrlich – kei-
nen blassen Schimmer von einer intelligenten, vernetzten
Außen- und Sicherheitspolitik .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Deshalb 2 Prozent für Aufrüstung!)


Auch wenn Sie schreiben, dass Deutschland Teil einer
Eskalationsspirale sei, muss man ehrlich am Verstand de-
rer zweifeln, die diesen Antrag verfasst haben .


(Zuruf des Abg . Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE])


Sie gehen mit keinem Wort – ich wiederhole: mit kei-
nem Wort – auf die größte sicherheitspolitische Heraus-
forderung Europas seit dem Ende des Kalten Krieges ein .
Sie blenden die russische Annexion der Krim und das
völkerrechtswidrige Verhalten einfach aus .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Nein, das haben wir mehrfach benannt!)


Stattdessen kehren Sie die Vorzeichen um und werfen
Deutschland vor, an vielen Kriegen direkt oder indirekt
beteiligt zu sein .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Ja, selbstverständlich!)


Ihre Anträge überschreiten gleich mehrfach die
Schmerzgrenze rational denkender Außen- und Sicher-
heitspolitiker . Auch ihre Einlassungen zu Rüstungsex-
porten und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands sind
höchst undifferenziert.


(Zuruf der Abg . Inge Höger [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, die Linke zerlegt sich selbst,
wenn sie Fakten auslässt oder weglässt . Ich weiß, das
können Sie gut . Nur Glaubwürdigkeit sieht wahrlich an-
ders aus .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Ihrem Antrag steht: keine Orientierung am 2-Pro-
zent-Ziel der NATO . Am Rande bemerkt: 2004 von Rot-
Grün als Zielmarke beschlossen .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Leider! – Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Da haben Sie recht!)


Deshalb wunderte ich mich eben über die Einlassung von
Frau Brugger . Auch diesem Antrag fehlt jede inhaltliche
Begründung .

Zu den gemeinsamen Anträgen der Fraktion Die Lin-
ke und der Grünen bezüglich der nuklearen Teilhabe und
über Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag ist
Folgendes zu sagen: Natürlich würden wir alle lieber in
einer Welt ohne Atomwaffen leben. Wer will das nicht?
Vor knapp sieben Jahren hatten wir uns auch bereits in
einem gemeinsamen Antrag von Union, SPD, FDP und
Bündnis 90/Die Grünen auf eine entsprechende Forde-

rung geeinigt . Aber wenn wir das so wollen, muss es
nun einmal im Bündnis abgestimmt sein und kann nur
schrittweise erfolgen . Darüber hinaus muss das alles im
Rahmen einer Überarbeitung des strategischen Konzep-
tes der NATO und unter Einbeziehung aller Atomwaf-
fenpotenziale – auch der russischen – geschehen . Eine
koordinierte Abrüstung – egal ob nuklear oder konventi-
onell – kann ausschließlich im Rahmen des KSE-Vertra-
ges erfolgen . Seit 2015 hat Putin de facto diesen Vertrag
gekündigt . Erklären Sie mir doch bitte einmal: Wie kön-
nen wir unter diesen sicherheitspolitischen Veränderun-
gen zu einer koordinierten Abrüstung kommen?

Meine Damen und Herren, den Anträgen fehlen
schlüssige Argumente und darüber hinaus eine sicher-
heitspolitische Grundlage . Nehmen Sie doch bitte zur
Kenntnis, dass die Welt sich verändert hat und sich somit
auch unsere Außen- und Sicherheitspolitik den heutigen
Gegebenheiten anpassen muss .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824304600

Herr Kollege Gädechens, lassen Sie eine Zwischen-

frage zu?


Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1824304700

Ich denke, der Kollege Neu wird hinterher eine Kurz-

intervention machen . Ich führe weiter aus .

Der Antrag der Linken und der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen „Investitionen in Streumunition und Antiper-
sonenminen verbieten“ ist nun wahrlich auch nicht neu .


(Inge Höger [DIE LINKE]: Nein, das hatten wir in der letzten Legislatur schon!)


Wir sind uns doch einig, dass Antipersonenminen und
Streumunition zu den barbarischsten konventionellen
Waffen gehören. Die Bundesregierung hat sich deshalb
bereits klar zu einer weltweiten Ächtung von Streumu-
nition bekannt . In diesem Sinne hat die Bundesrepublik
Deutschland vom ersten Tag an aktiv am Oslo-Prozess
teilgenommen . Der Staatsminister führte auch aus, dass
wir dort den Vorsitz haben . Das erzielte Übereinkommen
verbietet Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Erwerb, La-
gerung, Zurückbehaltung und Weitergabe von Streumu-
nition sowie jegliche Unterstützung anderer Staaten, die
verbotene Tätigkeiten ausüben .

Auch meine Fraktion möchte selbstverständlich die
weitere Verbreitung von Streumunition unterbinden .
Wir setzen auf die Prinzipien der Ächtung, der Selbst-
verpflichtung und der Transparenz. Der von Ihnen ein-
gebrachte Antrag würde – nach Ihrer Diktion – ein bü-
rokratisches Monstrum schaffen, das unwirksam bliebe
und uns nicht dem Ziel einer gerechteren Welt und schon
gar nicht dem Ziel einer friedlicheren Welt näher brächte .

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überra-
schen; aber wir werden diese – ich nenne sie mal so –
Showanträge der letzten Sitzungswoche ablehnen . Aber,
wie gesagt, das wird Sie nicht überraschen .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein!)


Ingo Gädechens






(A) (C)



(B) (D)


Lieber Wolfgang Gehrcke, persönlich wünsche ich Ihnen
alles Gute,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Danke!)


friedenspolitisch demnächst mehr Sachverstand .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Haben wir doch! – Weitere Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824304800

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Neu

das Wort zu einer Kurzintervention .


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824304900

Geschätzter Kollege Gädechens, zunächst einmal vie-

len Dank dafür, dass Sie uns als Einzige in der Oppositi-
on wirklich ernst nehmen; denn Ihre Rede hat sich sehr
stark auf uns als Linke fokussiert . Insofern vielen Dank .

Ich möchte eine Wissenslücke bei Ihnen schließen .
Der AKSE-Vertrag, den Sie gerade angesprochen haben,
ist nicht von den NATO‑Staaten ratifiziert worden, wohl
aber von der Russischen Föderation, Weißrussland und
Kasachstan . Nachdem sich die NATO-Staaten nach vie-
len, vielen Jahren weiterhin geweigert haben, den AK-
SE‑Vertrag zu ratifizieren, hat Russland diesen Vertrag
auf Eis gelegt . – Das ist die ganze Wahrheit .


(Beifall bei der LINKEN)



Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1824305000

Lieber Herr Kollege Neu, wenn Sie in die Verwirbe-

lungen der Vertragsgestaltung – wer wann interveniert
hat – einsteigen,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wegen Sachverstand!)


dann kann ich nur wiederholen, dass sich Putin seit 2015
aus einem Abrüstungskonzept verabschiedet hat .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie waren nicht dabei!)


Das macht es der NATO, das macht es allen Verhand-
lungspartnern eben so schwer, überhaupt Schritte einzu-
leiten . Wenn sich ein Land wie Russland völkerrechts-
widrig verhält, wenn es durch ein Manöver auf russischer
Seite ein Säbelrasseln gibt und wir darauf reagieren, dann
ist das eine Reaktion der friedlichen Welt,


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oh ja! Irakintervention der USA! Sehr friedlich!)


eines friedlichen Bündnisses mit gleichen Werten und
Wertvorstellungen . Sie müssen einfach akzeptieren, dass
wir diese Werte im Bündnis, in der NATO, verteidigen
wollen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So viel zum Thema Sachverstand!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824305100

Jetzt hat Inge Höger für die Fraktion Die Linke das

Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824305200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

ich mir die weltweiten Ausgaben für Rüstung, Militär
und Kriege anschaue, wenn ich mir das 2-Prozent-Ziel
der NATO anschaue, wenn ich mir die Steigerung der
Ausgaben der Bundesregierung für das Militär anschaue,
dann kann ich nicht erkennen, Herr Staatsminister Roth,
dass Sie die Lehren aus Faschismus und Weltkriegen ge-
zogen haben; Sie haben sie vergessen .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Kriege in Syrien und in der Ukraine, die Spannungen
auf der koreanischen Halbinsel, die NATO-Manöver und
die NATO-Hochrüstungspläne sind Teil einer gefährli-
chen Eskalationsspirale .

Die Atomkriegsuhr in Genf symbolisiert die Gefahr
eines Atomkriegs, und sie steht inzwischen auf zweiein-
halb Minuten vor zwölf . Seit den 50er-Jahren wurde die
Gefahr von den beteiligten Nobelpreisträgern noch nie
als so hoch eingeschätzt . Sie fordern deswegen: Kluge
Politiker sollten sofort handeln und die Menschheit vom
Abgrund wegführen . Wenn sie es nicht tun, müssen wei-
se Bürgerinnen und Bürger vorangehen und den Weg
weisen .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


Genau diesem Rat sind die Regierungen von etwa zwei
Dritteln aller Länder weltweit gefolgt . Sie werden un-
terstützt von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Frie-
denskräften . Ihnen gebührt unser Dank .


(Beifall bei der LINKEN)


In New York finden zurzeit historische Verhandlun-
gen statt . Erstmals liegt ein Vertragsentwurf zur Ächtung
von Atomwaffen vor. Der Nichtverbreitungspakt hat
sich von einem anfänglich äußerst positiven Vertrag zu
einer Bestandsgarantie für die Atomwaffenstaaten ent-
wickelt . Statt Abrüstung steht heute die Modernisierung
der Atomwaffen auf der Tagesordnung. Auch in Büchel
sollen neue Atombomben eingelagert werden . Die Atom-
bomben müssen aber endlich aus Deutschland abgezo-
gen und vernichtet werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Alle, die Atomwaffen besitzen, sie lagern und ihren
Einsatz üben, beteiligen sich an der Vorbereitung oder
zumindest an der Androhung eines Massenmordes . Das
ist völkerrechtswidrig .


(Beifall bei der LINKEN)


Bei den entsprechenden Verhandlungen in New York
ist ein Stuhl leer . Auf diesem Stuhl sollte ein Vertreter
der deutschen Regierung sitzen . Die ganz überwiegen-
de Mehrheit der Menschen in Deutschland wünscht sich,
dass ihre Regierung an den Verhandlungen teilnimmt .

Ingo Gädechens






(A) (C)



(B) (D)


Lediglich 12 Prozent unterstützen die Verweigerungshal-
tung . Übrigens sind sowohl Unions- als auch SPD-Wäh-
ler mit über 80 Prozent dabei . Nur unter den AfD-Wäh-
lerinnen und -Wählern gibt es eine stärkere Gruppe, die
nicht für Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot ist.


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Wen wundert es?)


Da stellt sich die Frage: Wem will das Außenministerium
in diesen Verhandlungen folgen?

Den Abgeordneten von SPD und CDU/CSU möchte
ich an dieser Stelle empfehlen, es ihren Kollegen und
Kolleginnen aus dem Europaparlament gleichzutun . Un-
terstützen Sie unseren Antrag, und stimmen Sie für eine
deutsche Beteiligung an den Verhandlungen!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Folgen Sie Ihrem Gewissen! Bei der Frage der Ehe für
alle gelingt es ja auch, Fraktionsgrenzen zu überwinden .
Warum sollte das bei einer Frage, die das Überleben des
gesamten Planeten betrifft, nicht gehen? Auch wenn die
letzte Verhandlungsrunde bereits läuft: Es ist noch nicht
zu spät, beim Abschluss am 7 . Juli mit dabei zu sein – für
ein Verbot von Atomwaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich werde mich in Zukunft – nicht mehr in diesem
Parlament, sondern außerparlamentarisch – weiterhin
für ein Verbot von Atomwaffen, für Frieden und soziale
Gerechtigkeit, für eine friedliche und bessere Welt ein-
setzen . Ich hätte mir nie träumen lassen, dass in diesem
Parlament Rüstungslobbyisten und Industrielobbyisten
so viel zu sagen haben .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1824305300

Ute Finckh-Krämer hat für die SPD-Fraktion als

nächste Rednerin das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):
Rede ID: ID1824305400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen!
Wir reden heute nicht nur über die fünf Anträge der Op-
positionsfraktionen, sondern wir reden auch – und das
freut mich sehr – über die drei Jahresabrüstungsberich-
te 2014, 2015 und 2016, die wir bisher nur im Unteraus-
schuss „Abrüstung“ diskutiert hatten . In diesen drei Jah-
resabrüstungsberichten steht durchaus, was alles in den
letzten drei Jahren für Abrüstung und Rüstungskontrolle
getan wurde .

Da die Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss zum
Teil hier sind, möchte ich darauf hinweisen, dass wir in
Deutschland eine ganz spezielle Einrichtung haben, näm-
lich das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundes-
wehr . Es stellt trotz international wachsender Spannun-
gen unbeirrt und fachlich hochkompetent die Umsetzung
der vertrauensbildenden Maßnahmen und der Verträge
wie des Vertrags über den Offenen Himmel oder des

Wiener Dokuments sicher . Wir können froh und dankbar
sein, dass wir ein solches Zentrum haben . Ich weiß nicht,
wie lange wir es schon haben; ich glaube, seit ungefähr
25 Jahren . Das ist eines der Themen, die weiterhin gut
abgedeckt sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben in diesen knapp vier Jahren auch einen
Vertrag, der heute noch nicht diskutiert wurde, in Kraft
setzen können, nämlich den Arms Trade Treaty, also den
Vertrag über die Kontrolle von Importen und Exporten
konventioneller Waffensysteme. Auch er sorgt für Trans-
parenz, und man erhält Kontrollmöglichkeiten, die man
bisher nicht hatte . Die Bundesregierung hat diesen Ver-
trag sehr unterstützt . Auch darüber können und sollten
wir uns am Ende dieser Legislaturperiode freuen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Robert Hochbaum [CDU/CSU])


Es gibt altgediente Abrüstungsverträge, auf die wir
nicht verzichten können und wollen . Ich möchte in die-
sem Zusammenhang den INF ansprechen, den Vertrag
über die Vernichtung landgestützter Mittelstreckenrake-
ten in Europa, für den etliche von uns, die wir hier sitzen,
demonstriert haben . Er wurde 1987 nach der Installation
der Pershing II und der Cruise Missiles geschlossen, was
1990 dazu geführt hatte, dass die Waffensysteme, durch
die sich das Risiko eines versehentlich begonnenen
Atomkriegs drastisch erhöht hatte, wieder aus Deutsch-
land abgezogen werden konnten . Dieser Vertrag ist der-
zeit in Gefahr . Ich bin froh, dass das Auswärtige Amt
alles unternimmt und seine diplomatischen Kanäle nutzt,
um den Fortbestand dieses wichtigen Abrüstungsvertrags
zu sichern .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gibt einen weiteren Vertrag, für den sich Deutsch-
land ganz klar in den letzten Jahren engagiert hat: das
nukleare Teststoppabkommen . Der Vertrag ist ein ein-
maliger Fall; denn er ist noch nicht in Kraft getreten, er
zeigt aber trotzdem schon Wirkung, weil die Überprü-
fungsorganisation, die CTBTO, bereits arbeitet, was zum
Beispiel dazu führt, dass wir genau wissen, ob Nordkorea
Atomwaffentests durchführt oder nicht. Die Unterstüt-
zung der Bundesregierung auch für diesen Vertrag ist
eindeutig . Wir haben uns in dieser Legislaturperiode hier
im Bundestag mit ihm beschäftigt . Wir spielen aber auch
international eine wichtige Rolle .


(Beifall bei der SPD)


Ich wünsche den drei Kolleginnen und Kollegen, die
in dieser wichtigen Debatte über Abrüstung ihre letzte
Rede hier im Bundestag gehalten haben, alles Gute . An-
sonsten freue ich mich auf eine weitere gute Zusammen-
arbeit. Ich gehöre zu denen, die darauf hoffen können,
dem nächsten Bundestag wieder anzugehören. Ich hoffe,
dass wir in der nächsten Legislaturperiode auf dem auf-
bauen können, was wir in dieser Legislaturperiode abrüs-

Inge Höger






(A) (C)



(B) (D)


tungs- und rüstungskontrollpolitisch geleistet haben, und
das trotz eines schwierigen internationalen Umfelds .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824305500

Vielen Dank, Frau Kollegin Finckh-Krämer . – Für

die Unionsfraktion spricht jetzt der Kollege Professor
Dr . Egon Jüttner .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Egon Jüttner (CDU):
Rede ID: ID1824305600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Ich halte heute meine letzte Rede vor dem Deutschen
Bundestag; denn ich werde nicht mehr für den Deutschen
Bundestag kandidieren . Ich möchte mich deshalb von
dieser Stelle aus bei allen derzeitigen und ehemaligen
Abgeordneten für die gute Zusammenarbeit und für ihre
Kollegialität und bei meinen Mitarbeitern für deren Un-
terstützung bedanken .

Einen besonders herzlichen Dank übermittle ich al-
len Bürgerinnen und Bürgern meiner Stadt, die mich seit
1990 – ich bin damals zum ersten Mal in den Bundes-
tag gewählt worden – bei meiner politischen Arbeit in
Mannheim, Bonn und Berlin unterstützt haben . Es ist mir
ein großes Anliegen, die Mannheimerinnen und Mann-
heimer von hier aus wissen zu lassen, dass ich mich auch
künftig im Mannheimer Stadtrat, dem ich seit 1984 mit
Unterbrechungen angehöre, für ihre Interessen und An-
liegen einsetzen werde .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegen
mehrere Anträge der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen zur Abstimmung vor, in denen Abrüs-
tung und eine atomwaffenfreie Welt gefordert werden.
Diese Ziele sind ehrbar und richtig


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!)


– im Prinzip unterstützt sie jeder vernünftige Mensch –,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann nur zu!)


doch leider entsprechen sie nicht der sicherheitspoliti-
schen Realität:


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ah!)


Beinahe täglich erreichen uns Nachrichten von der kore-
anischen Halbinsel, die uns mit Sorge erfüllen, beinahe
täglich müssen wir erfahren, dass Russland den Luftraum
seiner Nachbarländer verletzt, die Situation in der Ost-
ukraine kann man wohl kaum als zufriedenstellend be-
zeichnen, und die Okkupation der Krimhalbinsel kann
von demokratischen Staaten nicht hingenommen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Sagen Sie etwas zu den Ursachen!)


In Syrien setzt ein Diktator Chemiewaffen ein. Und
eine Reihe von Staaten in Afrika haben große Probleme,
islamistischen Terrorgruppen Einhalt zu bieten . Trotz
dieses sicherheitspolitischen Szenarios wird in einem
Antrag der Opposition die Forderung erhoben – ich zitie-
re –, „ . . . jegliche Exporte von deutschen Rüstungsgütern,
inklusive Kleinwaffen, in die Länder außerhalb Europas
sofort zu verbieten“ .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich frage mich ernsthaft: Sollen wir also nicht mehr die
Armee in Mali mit Gerät unterstützen, um den Vormarsch
islamistischer Kräfte zu stoppen? Sollen wir also nicht
mehr die Peschmerga unterstützen, die Todesschwadro-
nen des IS im Norden des Irak aufzuhalten? Sollen wir
also nicht mehr Südkorea unterstützen, wehrhaft gegen-
über dem Nachbarn im Norden zu sein? Sollen wir Israel
hilflos den Aggressionen der Hamas aussetzen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag
sprechen Sie sich auch für ein völkerrechtlich verbindli-
ches Verbot von bewaffneten Drohnen aus. Dies bedeutet
aber im Umkehrschluss, dass führende Köpfe des IS und
anderer Terroreinheiten nicht mehr ausgeschaltet werden
können, ohne dass es zu Verlusten bei der Zivilbevölke-
rung kommt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wie wäre es mit rechtsstaatlichen Mitteln?)


Bei all diesen Forderungen drängt sich die Frage auf,
welche Mittel und Maßnahmen denn überhaupt ange-
wandt werden sollten, um Frieden, Sicherheit und Sta-
bilität zu erreichen . Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass
Sie Rüstungsbegrenzung und internationale Verträge als
Mittel betrachten, Angriffskriege unmöglich zu machen.
Das würde ich mir natürlich auch wünschen .


(Zuruf von der LINKEN: Dann tun Sie es doch!)


Die Erfahrungen zeigen aber, dass Verträge mit Despo-
ten, die unter Eroberungsabsichten handeln, weder das
Papier noch die Tinte wert sind .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Also mit der Türkei, ja?)


Und wie man internationale Verträge mit Terrorgruppen
wie dem IS schließen soll, ist mir ein Rätsel .

Im Antrag der Fraktion Die Linke, Drucksa-
che 18/12799, wird die Forderung erhoben, „die Stati-
onierung von Bundeswehreinheiten an den Westgrenzen
Russlands sofort zu beenden“ . Eine weitere Forderung
ist, dass sich Deutschland nicht weiter an militärischen
Manövern an den Grenzen Russlands beteiligt .


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich wird beantragt, dass Deutschland seine wei-
tere Mitarbeit am Raketenschirm in Osteuropa einstellt
und sich für ein atomwaffenfreies Mitteleuropa einsetzt,
um Vertrauen zu Russland zu bilden . Wenn man die-
sen Antrag liest, könnte man meinen, Russland sei eine
atomwaffenfreie Zone. Glaubhafter wäre die Forderung
an Russland, sich als Atommacht militärisch zurückzu-

Dr. Ute Finckh-Krämer






(A) (C)



(B) (D)


halten und nicht permanent den Luftraum anderer Staa-
ten zu verletzen .


(Zuruf der Abg . Inge Höger [DIE LINKE])


Gerade dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung
Deeskalation und Entspannung .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann auch kein Wort der Kritik am russischen Erobe-
rungsfeldzug finden, der in Südossetien und Abchasien
begann, sich über die Krim erstreckte und gerade jetzt in
der Ostukraine Station macht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, ich bin kein Verfechter von
Atomwaffen. Ich bin dagegen, dass Deutschland Atom-
waffen anschafft. Deutschland hat das Übereinkommen
über das Verbot von Antipersonenminen und das Über-
einkommen über das Verbot von Streumunition ratifiziert.
Wir rüsten nicht auf, sondern passen unsere Streitkräfte
lediglich der veränderten sicherheitspolitischen Lage an .
Es müssen Jahrzehnte zurückreichende Versäumnisse bei
der Beschaffung von militärischem Material und Gerät
ausgeglichen werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich würde mir
wünschen, die Zeichen stünden auf Abrüstung . Leider ist
das aber nicht die Realität . Hätten Sie mir im Wende-
jahr 1990, in dem ich zum ersten Mal in den Deutschen
Bundestag gewählt wurde, gesagt, dass ich mich 27 Jahre
später mit Fragen der Abrüstung beschäftige, wie Sie sie
formulieren, ich hätte es Ihnen nicht geglaubt . Heute ist
die sicherheitspolitische Lage eine gänzlich andere als
damals, und sie ist anders als die, die in den vorliegen-
den Anträgen zum Ausdruck kommt . Wir können deshalb
diesen Anträgen nicht zustimmen .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824305700

Herr Kollege Jüttner, das war Ihre letzte Rede in

diesem Hohen Hause . Im Kürschner sind Sie mit sechs
Sternchen abgebildet . Das steht für sechs Legislaturperi-
oden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört haben;
das ist eine lange Zeit . Ich möchte Ihnen dafür und für
Ihren Einsatz für Deutschland herzlich danken .


(Beifall)


Nächster Redner ist der Kollege Dr . Karl-Heinz
Brunner für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1824305800

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und

Kollegen! Lassen Sie mich – bei allen politischen Un-
terschieden, die wir so hatten – zuerst herzlichen Dank
sagen für die gute Zusammenarbeit und das kollegiale
Miteinander. Das betrifft dich, lieber Robert, sehr ge-

ehrter lieber Kollege Hochbaum, Sie, Kollege Gehrcke,
Professor Jüttner und Frau Höger . Aber nicht das Dan-
ke-schön-Sagen für die zu Ende gehende Legislaturperi-
ode führt uns heute in diesem Hohen Hause zusammen,
sondern die Anträge, welche die Grünen und die Linken
gestellt haben . Deshalb möchte ich am Ende dieser Le-
gislaturperiode ein bisschen über den Begriff zu Ihnen
sprechen, der diese Legislatur immer wieder ganz deut-
lich beeinflusst hat, nämlich „mehr Verantwortung“.

Dieser Begriff, der inzwischen Teil unserer Diskus-
sion geworden ist, hat – zumindest seit dem Frühjahr
2014 – diese Legislaturperiode wie ein roter Faden
durchzogen . Dabei ging es um die Ukraine-Krise, den
Konflikt in Syrien, die Wahl von Donald Trump, die Ent-
scheidung für den Brexit in Großbritannien und die Wahl
von Emmanuel Macron in Frankreich .

Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist Verantwor-
tung? Für den einen bedeutet Verantwortung mehr Aus-
landseinsätze, für den anderen Mehrausgaben für das Mi-
litär, für einen Dritten wiederum ein Sich-Zurückziehen
auf sich selbst, das Vertreten nationaler Interessen und
eine Abschottung gegenüber internationalen Bündnissen .

Verantwortung in der Welt zu übernehmen, das hat
Deutschland bereits getan . Deutschland macht das . Na-
türlich muss diese Verantwortlichkeit nun weiterentwi-
ckelt werden . Deutschland muss Verantwortung über-
nehmen, wenn alte Bündnisse nicht mehr so ganz sicher
sind oder erscheinen, wie es einst der Fall war, aber auch
dann, wenn sich internationale Beziehungen weiterent-
wickeln, wenn wir als Europa mehr denn je auf gemein-
sames Handeln angewiesen sind . Mehr denn je aber muss
internationale Verantwortung ohne Wenn und Aber mit
der Forderung nach mehr Abrüstung verbunden werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regie-
rungskoalition hat ja gezeigt, dass das geht . Bald steht
wieder ein Flugzeug zur Verfügung, mit dem wir – der
Kollege Hochbaum hat es gesagt – unseren Verpflichtun-
gen im Rahmen des Open-Skies-Vertrages nachkommen
können . Es ist wichtig wie nie, diesen vertrauensstiften-
den Vertrag zwischen der Russischen Föderation und uns
mit Leben zu erfüllen . Frank-Walter Steinmeier hat in sei-
ner Zeit als Außenminister – ihm folgte Sigmar Gabriel,
der heute durch Staatsminister Michael Roth vertreten
wird – im vergangenen August eine neue Debatte über
Abrüstung in Europa gerade im Hinblick auf Russland
in Gang gebracht . Und mit den Schlusserklärungen zur
OSZE-Präsidentschaft wurde ein solides Fundament für
Abrüstung in Europa geschaffen.

Doch es wäre viel mehr möglich und nötig . Ja, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich muss jetzt
ein bisschen zu Ihnen hinüberschauen: Ein paar Themen
könnten von Ihnen noch intensiver behandelt werden .
Dabei geht es erstens beispielsweise um das Thema der
Ächtung extralegaler Tötungen . Diese perverse Praxis
der Entgrenzung von Kriegen sollte verurteilt werden .
Wir hätten sie in diesem Parlament – so, wie es im Koali-
tionsvertrag steht – ganz offiziell ächten können. Jedoch
ist ein von uns Abrüstungspolitikern in der SPD ausgear-

Dr. Egon Jüttner






(A) (C)



(B) (D)


beitetes Papier in den Büros bzw . E-Mail-Postfächern der
Union verschwunden .


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ihr seid im Spam-Ordner!)


Zweitens . Auch bei allen Versuchen, Regeln für die
Rüstung im Weltall zu schaffen, geht nichts voran. Man
ist da behäbig . Und Sie versuchen, allen Entscheidungen
hierzu aus dem Wege zu gehen . Schade! Denn wir sind
uns im Grunde doch darüber einig, dass mehr Sicherheit
nur zu erreichen ist, wenn wir gerade die neuen Metho-
den der Kriegsführung rechtzeitig politisch begleiten, sie
rechtzeitig in enge Bahnen lenken und rechtzeitig dafür
Sorge tragen, dass mit ihnen Völkerrecht eingehalten und
dieses nicht umgangen wird .

Ich bin mir sicher, meine Kolleginnen und Kollegen:
Internationale Verantwortung ist für ein Land wie unse-
res nicht zuletzt aufgrund seiner geschichtlichen Erfah-
rung ein essenzieller Auftrag .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824305900

Kollege Brunner, gestatten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Buchholz?


Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1824306000

Gerne .


Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824306100

Vielen Dank . – Kollege Brunner, ich teile absolut Ihre

Auffassung zur Ächtung von extralegalen Tötungen, und
ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Große Koalition
gestern mit einem ihrer wichtigsten Projekte im Vertei-
digungsausschuss – dort wollte sie die Beschaffung der
Heron-TP-Kampfdrohne beschließen – gescheitert ist .
Dieser Punkt wurde ja abgesetzt . Daneben weiß ich, dass
die SPD dort, anders als bisher in dieser Legislaturperi-
ode, kritischere Fragen zum Thema Kampfdrohnen ge-
stellt hat .

Meine Frage an Sie ist jetzt: Warum haben Sie ges-
tern nicht die Chance genutzt, gemeinsam mit den
Grünen und uns diese Vorlage und damit auch die He-
ron-TP-Kampfdrohne zu Fall zu bringen? Wir hätten im
Ausschuss eine Mehrheit dafür gehabt . Sind Sie bereit, in
der nächsten Legislaturperiode mit uns den Haushaltstitel
für eine Kampfdrohne – es geht zum einen um die Über-
gangslösung Heron TP und zum anderen um die europä-
ische Kampfdrohne – aus dem Haushalt zu entfernen?
Ich glaube nämlich, wenn wir tatsächlich zur Ächtung
von Kampfdrohnen kommen wollen, dann wäre es das
Wichtigste, dass auch Deutschland keinen Schritt weiter
in diese Richtung geht .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1824306200

Verehrte Kollegin Buchholz, Sie glauben doch nicht

ernsthaft, dass wir, solange wir mit unserem Koalitions-
partner einen Koalitionsvertrag haben und gut verhan-

deln können und in guten Gesprächen sind, mit Ihnen
gemeinsam einen Antrag zu Fall bringen werden .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Bei der Ehe für alle geht es doch auch!)


Und über die Zukunft möchte ich an dieser Stelle heute
nicht spekulieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zur Sicherheitslage in vielen Teilen dieser Welt zu-
rückkommen, welche kritisch ist. Neben den Konflikten,
die uns schon seit einigen Jahren beschäftigen, erleben
wir weitere militärische Gewalt und werden uns sonstige
Gefahren aufgezeigt. Wir wissen, dass uns diese Konflik-
te immer wieder mit Fragen konfrontieren wie die, wo
welche Waffen zur Verfügung stehen und wann und wie
diese eingesetzt und verwendet werden können .

Es muss immer unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen,
dass das uns zur Verfügung stehende Arsenal so weit wie
möglich eingeschränkt wird und dass dessen Nutzung,
wenn sie nicht zu verhindern ist, klar geregelt und be-
schränkt ist . Das ist unsere Verantwortung für Deutsch-
land und in der Welt; das ist die Verantwortung, die ich
will .

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
will die Ächtung extralegaler Tötungen . Ich will die Ein-
bindung Deutschlands in die Verhandlungen zu einem
Atomwaffenbann. Ich will eine neue europäische Abrüs-
tungsinitiative .

Ich will dies aber – und da bin ich mir sicher – in Ge-
sprächen, in Verhandlungen und in einem fairen Umgang
miteinander erreichen; denn die Welt wartet nicht auf
uns . Dies müssen wir schon selbst in die Hand nehmen .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824306300

Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege

Peter Beyer für die CDU/CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1824306400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorweg
einmal zu sagen: Ich persönlich kenne niemanden, der
sich mit Leib und Seele für eine Aufrüstung ausspricht .
Die Aufgabe eines jeden verantwortungsvoll handelnden
und denkenden Politikers – ich denke, wir alle hier in
diesem Raum sind das – ist es doch, internationale Krisen
friedlich beizulegen, sich zumindest darum zu bemühen
und sich dafür einzusetzen .

Allein ich muss nun eingestehen, dass wir in dieser
Sache auch schon einmal einen Schritt weiter waren .
Einst überwunden geglaubte Bedrohungsszenarien er-
scheinen plötzlich doch wieder real .

Dr. Karl-Heinz Brunner






(A) (C)



(B) (D)


In Russland wird offen und unverblümt von höchster
Stelle aus von einem Großreich wie aus vermeintlich
besseren Zeiten schwadroniert . Leider bleibt es dort nicht
alleine bei den Worten . Sonst ist es ja immer gut, wenn
den Worten auch Taten folgen, in diesem Fall aber nicht .
Ich erwähne nur die bereits in die Debatte eingebrachte
völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Unter-
stützung der Separatisten im Osten der Ukraine durch
Russland . Kollege Professor Jüttner hat noch Südosseti-
en und andere Bereiche angeführt . Das alles ist sicherlich
nicht im Sinne einer Abrüstungsstrategie zu verstehen .

Darüber hinaus ist auch – das gehört auch in diesen
Bereich – die Einmischung in Wahlkämpfe in westlichen
Staaten wie in den USA und in Frankreich zu nennen;
und auch bei uns gibt es ganz klare Indizien dafür, dass
dies hier geschehen ist und weiter geschehen wird .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Das tun wir ja niemals! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist Propaganda, was Sie da betreiben!)


Meine Damen und Herren, die Aufrüstung in Russ-
land – das ist Fakt – wird sehr massiv vollzogen .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Oder in der Türkei!)


Das Raketenarsenal wird modernisiert . Hier werden un-
geheure Summen in den militärischen Sektor investiert .

Die Kollegen von der linken Seite des Parlaments ru-
fen jetzt wieder nervös dazwischen . Sie wollen uns im-
mer gerne glauben machen, dass alles Übel der Welt von
der anderen Seite des Atlantiks, von unseren Freunden in
den USA, ausgeht .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Leider ja! So ist es!)


Das zeugt eher von einem mich persönlich erschrecken-
den und zutiefst verwurzelten Antiamerikanismus auf der
linken Seite des Parlaments .


(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Viel Spaß mit Trump! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Fragen Sie doch einmal die Menschen in der Ukrai-
ne, fragen Sie die Menschen in den baltischen Staaten,
woher die Bedrohung kommt . Die Kollegin Elisabeth
Motschmann, die unsere Berichterstatterin für diese Re-
gion ist und sich dort bestens auskennt, redet viel mit den
Menschen dort . Ich empfehle Ihnen: Tun auch Sie das
einmal . Dann werden Sie wissen, woher die Bedrohung
kommt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, wir Deutsche kannten das
Gefühl der Bedrohung jahrzehntelang sehr gut, als wir
selbst uns am östlichsten Rand der demokratischen Welt
befanden . Uns jetzt in Sicherheit zu wiegen, weil wir uns
nach 70 Jahren europäischen Friedens in der Mitte Euro-
pas befinden, wäre trügerisch, kurzsichtig und letztlich
falsch . Die NATO ist für viele unserer östlichen Nach-
barn der wichtigste Garant der eigenen staatlichen Sou-
veränität .

Ich empfehle Ihnen die Lektüre des „Berichts der
Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüs-
tungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie
über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale“, kurz:
des Abrüstungsberichts . – Ich höre hier schon ein Gäh-
nen, wahrscheinlich hat Sie die Lektüre ermüdet . Aber
es ist eine spannende Lektüre, lesen Sie sie noch einmal
durch . In dem Bericht wird sehr detailliert mit den He-
rausforderungen auf dem Weg hin zu einer friedlicheren
Welt umgegangen. Darin finden wir ausführliche Berich-
te über die nukleare Abrüstung, das Verbot chemischer
Waffen und die Kleinwaffenkontrolle. Auch ein Kapitel
zu den Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit –
das spielt eine immer größere Rolle – sowie eine Über-
sicht über Projekte zur Minen- und Kampfmittelräumung
befinden sich in diesem Bericht.

Die Ausführlichkeit dieses Berichts zeigt doch: Die
Welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es uns manche
glauben machen wollen . Wer ernsthaft eine friedlichere
Welt möchte, der darf nicht selbst die Augen schließen
und denken, dass, wenn man nur selbst die Gefahren
und damit die Realität ausblendet und ignoriert, diese im
Gegenzug einen selbst in Ruhe lassen . Das funktioniert
nicht, meine Damen und Herren .

Ich möchte ein Beispiel anführen, welches in diesem
Zusammenhang unsere geschätzte Frau Bundeskanzlerin
in ihrem Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten der
USA Barack Obama auf dem Kirchentag gebracht hat .
Es bezieht sich auf das Volk der Jesiden im Irak . Hätten
seinerzeit nicht die US-Amerikaner gemeinsam mit den
Kurden eingegriffen, und zwar militärisch wie humani-
tär, wäre ein ganzes Volk von den Schergen des IS ver-
nichtet worden .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein, das waren doch nicht die USA! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Die Sprüche, die ich jetzt hier schon wieder von der
linken Seite des Parlaments höre, wie „Alle Soldaten
nach Hause schicken!“ oder „Alle Waffen vernichten!“,
sind natürlich bloße Plattitüden, die uns eine einfache
Welt suggerieren sollen . Denkt man sie indes weiter, so
bedeuten sie auch ein Wegsehen und – was viel schlim-
mer ist – unterlassene Hilfeleistung .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ah ja!)


Diese bittere Erkenntnis müssen Sie sich entgegenhalten
lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nicht nur in weiter Ferne lassen sich beunruhigende
Entwicklungen beobachten . Auch die als etabliert gegol-
tene Friedensstruktur in Europa gerät ein Stück weit zu-
nehmend ins Wanken . Wir müssen ein wachsames Auge
auf den westlichen Balkan haben; denn dort ist mit einem
Blick auf die Entwicklung nicht ganz auszuschließen,
dass wir uns wieder einer Situation nähern, wie wir sie in
den 90er-Jahren hatten .

Rüstungskontrolle, meine Damen und Herren, hat
immer zum Ziel, mehr Stabilität, Berechenbarkeit und
Transparenz zu erreichen . Zieht man sich überall zurück,

Peter Beyer






(A) (C)



(B) (D)


verliert man den Einblick in die verschiedenen Systeme
und schließlich den Überblick über die Zusammenhänge .

Nun zur nuklearen Abrüstung . Dass es bei den Nukle-
arwaffen zu keiner neuen Rüstungsspirale kommt, liegt
im ureigenen Interesse und ist Anspruch aller Europäer
und auch der Menschen in der Welt . Darum wirkt die
Bundesregierung darauf hin, die bestehenden Vertragsre-
gime, die in die Debatte schon eingebracht worden sind,
zu erneuern und zu vertiefen. Das Ziel, eine kernwaffen-
freie Welt zu erreichen, bleibt dabei das oberste Gebot .
Die Ehrlichkeit gebietet es aber auch, zu sagen, dass wir
dieses Ziel nicht schon morgen erreichen werden . Wir
können aber, so wie es die Bundeskanzlerin und die Re-
gierung regelmäßig tun, unsere Verbündeten und Freun-
de an deren Verantwortung erinnern und gleichzeitig da-
rauf hinwirken, dieses Ziel in der Zukunft zu erreichen .

Sorgen bereitet mir die Entwicklung um das Nuklear-
abkommen mit dem Iran . Es hat bisher erfolgreich dazu
beigetragen, dass es zu einer Entspannung im Nahen Os-
ten und im Verhältnis zum Iran gekommen ist .

Deutschland ist Teil der Joint Commission, die die
Einhaltung dieses Abkommens überwacht . Wir sehen
auch hier, dass mitreden immer besser ist, als sich selbst
ins Abseits zu stellen . Wie wichtig es ist, dass dieser
richtige Weg weitergeführt wird, müssen wir – auch das
möchte ich nicht verschweigen – als ehrliche Verbündete
und Freunde der USA nun der neuen Administration in
Amerika verdeutlichen . Denn eines ist das Abkommen
mit dem Iran sicherlich nicht – ich zitiere den amerikani-
schen Präsidenten –: „die schlechteste Vereinbarung, die
je getroffen wurde“.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Abrüs-
tung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle haben ei-
nen hohen Stellenwert in der deutschen Außen- und Si-
cherheitspolitik, und das völlig zu Recht .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein!)


Gemeinsam mit unseren Verbündeten bleiben wir in all
den unterschiedlichen Formaten, die sich der Abrüstung
widmen, beteiligt, um auf eine friedlichere Welt hinzu-
wirken . Manchmal braucht es dazu einen langen Atem,
um das Richtige zu erreichen .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824306500

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen jetzt zu den Anträgen auf den Drucksa-
chen 18/12799, 18/12800 und 18/12898 . Die Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wünschen jeweils
Abstimmung in der Sache . Die Fraktionen von CDU/
CSU und SPD wünschen jeweils Überweisung an den
Auswärtigen Ausschuss .

Wir stimmen nach ständiger Übung über die Anträge
auf Ausschussüberweisung zuerst ab . Wer für die bean-

tragte Überweisung stimmt, den bitte ich um ein Hand-
zeichen . –


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Letzte Sitzungswoche! – Gegenruf des Abg . Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das Leben geht weiter! – Gegenruf des Abg . Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann gibt es eine Sondersitzung!)


Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit sind
die Überweisungen so beschlossen, mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frakti-
on Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen . Deshalb
stimmen wir heute über die Anträge auf den Drucksa-
chen 18/12799, 18/12800 und 18/12898 nicht in der Sa-
che ab .

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 d . Be-
schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Verhandlungen über einen
Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen“. Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 18/12419, den Antrag der Fraktio-
nen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/11609 abzulehnen . Wer für diese Beschluss-
empfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um
ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen
mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und vom Bündnis 90/
Die Grünen .

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 e . Be-
schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Atom-
waffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung
stoppen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf der Drucksache 18/12420, den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6808 abzuleh-
nen . Wer für die Beschlussempfehlung des Ausschusses
stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Lin-
ke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen .

Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 1 bis 3 . In-
terfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 18/11968, 18/8065 und 18/4270 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen . Sind Sie damit einverstanden? – Kein Widerspruch .
Dann sind diese Überweisungen hiermit beschlossen .

Deshalb kann ich jetzt den Tagesordnungspunkt 10
aufrufen:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses (3 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Ope-
ration SOPHIA

Drucksachen 18/12491, 18/12868

Peter Beyer






(A) (C)



(B) (D)


– Bericht des Haushaltsausschusses (8 . Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

Drucksache 18/12869

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bünd-
nis 90/Die Grünen vor . Über die Beschlussempfehlung
werden wir später namentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Ich gehe da-
von aus, dass alle damit einverstanden sind . – Dann ist
das somit beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Rainer Arnold für die SPD das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1824306600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

denke, diese heutige Debatte können wir nicht führen,
ohne zuallererst an die Menschen zu denken, die, ein-
gepfercht auf fragilen Flüchtlingsbooten, den Weg übers
Meer nehmen müssen . Von 37 stirbt einer . Mehr als
1 300 Flüchtlinge, Menschen, darunter auch Kinder, sind
in diesem Jahr erbärmlich ertrunken . Auch deshalb müs-
sen wir alle – und wir tun das – den rechten Nationalisten
hier in unserem Land und in anderen Ländern entgegen-
treten, die den Menschen einreden wollen, Mauern und
Zäune seien die Lösungen dieser Probleme . In Wirklich-
keit befördern diese nicht nur Mauern aus Beton, sondern
sie stärken Mauern in den Köpfen und letztendlich auch
Mauern in den Herzen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, wir alle können stolz sein, in einem Land zu
leben, in dem die Mehrheit der Bürger ihrer humanitären,
wenn man so will auch ihrer christlichen Verantwortung
nachkommt und diese annimmt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Beendet doch Frontex!)


Die Mehrheit des Deutschen Bundestags taucht mit
der heutigen Verlängerung des Mandates EUNAVFOR
MED Operation Sophia auch nicht vor der parlamen-
tarischen Verantwortung ab . Wir wissen: Die Entschei-
dung ist nicht die Lösung der Tragödie im Mittelmeer
oder gar deren Ursachen . Sie ist auch nicht die Lösung
der Ursachen der Flucht von Millionen Menschen . Aber
EUNAVFOR MED ist eine der notwendigen Komponen-
ten, nicht mehr und nicht weniger . Manchmal ist es zuge-
gebenerweise auch nur ein Heftpflaster auf der klaffenden
Wunde der Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten
und in vielen Staaten Afrikas . Aber allein die Tatsache,
dass die Schiffe in den letzten Monaten von EUNAVFOR
MED insgesamt 36 000 Menschen vor dem Ertrinken ge-
rettet haben und damit ihrer Verpflichtung zur Seenotret-
tung nachkommen, ist, finde ich, Grund genug, diesem
Mandat zuzustimmen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


zumal das Mandat in ein vielfältiges Krisenengagement
eingebettet ist .

Die Stärkung der Zivilgesellschaft in Libyen ist sehr
wichtig, genauso bessere Regierungsführung – Deutsch-
land hilft hier –, Gesundheit, Bildung, Sicherheit und
Mediation zwischen den Konfliktparteien. Auch die Stär-
kung des politischen Prozesses, auch wenn es manchmal
schier zum Verzweifeln ist, der mit Trippelschritten nach
vorne geht und Rückschläge erleidet, gehört dazu . Ich
möchte an der Stelle sagen: Was der UN-Sondergesand-
te, der deutsche Diplomat Martin Kobler, hier leistet, ist
eine großartige Arbeit .


(Beifall bei der SPD)


EUNAVFOR MED hat aber auch die Aufgabe, das
Geschäftsmodell der Schleuser zu unterlaufen – das ist
ein ganz schwieriger, aber wichtiger Prozess – und das
UN‑Waffenembargo zumindest an der Küste durchzuset-
zen . EUNAVFOR MED leistet weiterhin einen Beitrag
zur Ausbildung, zum Aufbau und zur Kapazitätsbildung
der libyschen Küstenwache .

Nun werden da drüben, auf der linken Seite, gleich
welche reagieren, weil es viel an der libyschen Politik zu
kritisieren gibt, auch an der Küstenwache . Deutschland
hat im Libanon sehr erfolgreich Küstenschutz mit orga-
nisiert . In Libyen ist es ungleich schwieriger . Man kann
viel kritisieren, und man muss dort viel verbessern . Das
ist keine Frage . Es stellt sich insbesondere die Frage, ob
uns die libyschen Behörden auch die geeigneten Bewer-
ber zur Ausbildung schicken . Gehen sie tatsächlich nach
den Prinzipien der Menschlichkeit, der Menschenrechte
und der Verhältnismäßigkeit der Mittel und nach dem
Völkerrecht vor?

Die Antwort darauf kann doch nicht sein: Nur weil sie
schlecht sind, lassen wir sie das alleine machen . Ich emp-
finde das als zynische Haltung. Gerade weil es schlecht
ist, was sie machen, müssen wir helfen . Wir müssen hel-
fen, damit sie besser werden . Wir müssen ihnen Grund-
kenntnisse im Völkerrecht vermitteln, wir müssen ihnen
beibringen, Menschenrechte zu wahren, und wir müs-
sen die Seenotrettung üben . All dies ist der Auftrag von
EUNAVFOR MED .

Angesichts der Spaltung des Landes, der vielen riva-
lisierenden Milizen und der vielen Rechtsverletzungen
müssen wir uns darauf einstellen – das ist doch ganz
klar –, dass die Staatengemeinschaft in diesem Land
noch einen sehr langen Atem brauchen wird .

Werte Zuhörer, das ist meine letzte Rede nach 19 Jah-
ren . Das waren Jahre, für die ich dankbar sein kann .
Deshalb ein paar persönliche Worte: Dank an die Wähler
sowie natürlich Dank an meine Partei, in der ich mich
immer wohlfühlen werde und die mich getragen hat in
all den Jahren .


(Beifall bei der SPD)


Ich habe Politik – wie wir alle – immer so verstanden:
Demokraten – so hat Heribert Prantl mal formuliert –
nesteln an den Problemen herum und lösen Knoten . Ich
glaube, das tun wir alle in den Ausschüssen mit unend-

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


licher Geduld . Wir alle können miteinander darauf stolz
sein, und wir können selbstbewusst sein .

Ich empfinde trotzdem keine Wehmut. Ich freue mich
sehr auf Neues . Ich freue mich, keine Termine mehr
wahrnehmen zu müssen . Ganz klar – damit es niemand
falsch versteht – ist mit der heutigen Rede die Arbeit in
dieser Legislaturperiode für uns alle und damit auch für
mich noch nicht vorbei .

Ich erinnere an einen anderen Auftrag der Demokratie .
Sie ist eben kein Prozess zur Vermeidung von Streit und
Konflikten. Das gilt besonders für den Verantwortungs-
bereich der Verteidigungspolitik in diesen Tagen und
Wochen .

Wir, alle Abgeordneten, spüren die besondere Verant-
wortung für die Bundeswehr, für unsere Parlamentsar-
mee . Ich möchte den Soldaten sagen: Ich bin dankbar für
die vielen Gespräche mit gut ausgebildeten, kritischen,
reflektierenden Soldaten. Ich habe besonderen Respekt
vor denen, die mir in den Jahren auch widersprochen ha-
ben . Wir brauchen ein Grundvertrauen in demokratische
Strukturen . Aber auf dieser Basis muss es möglich sein,
sich als Staatsbürger in Uniform auch kritisch mit unse-
rer Politik und der Führung der Streitkräfte auseinander-
zusetzen .

Wir müssen Soldaten, die das tun, loben, statt Sol-
daten, die Kritik üben, zu schurigeln, oder gar einen
Soldaten, der im Eifer des Gefechtes eine ironische Be-
merkung macht, vor den Kadi zu ziehen, wie es die Ver-
teidigungsministerin derzeit tut. Ich finde, dies zeugt von
mangelnder Souveränität der Ministerin .


(Beifall bei der SPD – Wilfried Lorenz [CDU/ CSU]: Das ist falsch! Das ist sachlich falsch!)


Von diesem Pult aus wird keiner Berufsgruppe so oft
gedankt wie den Soldaten der Bundeswehr . Das ist gut
und richtig, weil sie einen besonderen Dienst leisten,
weil sie unsere Aufträge loyal annehmen und im Zwei-
felsfall auch unter Einsatz ihres Lebens für die Interessen
und die Freiheit unseres Landes kämpfen . Aber dieser
Dank wird am Ende zu einer Phrase, wenn die politische
Führungsverantwortung im Konkreten den notwendigen
Respekt vor der Leistung der Soldaten vermissen lässt .

Ich wünsche der Truppe für die Zukunft eine Lei-
tung, die die Prinzipien der Inneren Führung nicht nur
bespricht, sondern sie in erster Linie durch vorbildhaftes
Verhalten selbst vorlebt . Das ist die Grundregel der Inne-
ren Führung .

Wir bräuchten eigentlich nach den vielen angekün-
digten Trendwenden in diesem Bereich auch mal eine
Trendwende Kommunikation . Es geht einfach nicht, dass
aus dem engen Umfeld der Ministeriumsspitze an einzel-
ne Journalisten Halbwahrheiten durchgestochen werden
oder gar Personalmaßnahmen zu einzelnen Soldaten zu-
nächst einmal an die Presse gegeben werden, bevor die
Soldaten davon erfahren .


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch jetzt Spekulation!)


Ich wünsche den Soldaten und den Zivilbeschäftigten,
dass das derzeitige Misstrauen bei der Bundeswehr über-

wunden wird, sodass wieder eine Kultur des Vertrauens
einkehrt . Damit das niemand falsch versteht – ich sage
das auch in Richtung der Kollegen, mit denen wir kon-
trovers diskutiert haben –: Wer bestreitet, dass es in der
Bundeswehr derzeit einen tiefen Vertrauensbruch bzw .
eine tiefe Vertrauenskrise gibt, zerstört allein durch das
Negieren und das Nichtwahrnehmen dieser Krise das
weitere Vertrauen und zerstört übrigens auch die Chance,
dass es wieder zusammenwächst .


(Beifall bei der SPD – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Man kann es auch herbeireden!)


Auch wenn das nicht allen gefällt:


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein!)


Uns alle im Ausschuss, insbesondere die sozialdemo-
kratischen Verteidigungspolitiker, treibt dieses Thema in
diesen Tagen und Wochen um . Deshalb wird der Diskurs
auch nicht mit Ende der Sitzungsperiode in den nächsten
Wochen enden .

Manchmal gibt es Zufälle im Leben . Einschließlich
meiner zwei – wie das Präsidium damals meinte: un-
erträglich langen – Kurzinterventionen ist heute meine
hundertste gleichzeitig meine letzte Rede . Ein schöner
Zufall!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich melde mich von diesem Rednerpult ab . Ich danke al-
len Kolleginnen und Kollegen für die kollegiale Zusam-
menarbeit . Ich danke besonders all denjenigen, die als
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Parlamentsbetrieb
unterstützen, und nicht zuletzt der großartigen Stadt Ber-
lin – sie wird mir wirklich fehlen – sowie meinem tollen
Team in Berlin und im Wahlkreis . Herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin in all den Jahren als Politiker auch im Ver-
teidigungsausschuss – die meisten haben das bemerkt;
manche hat das vielleicht sogar gestört – immer ein no-
torischer Zivilist geblieben . Zugegeben, über manche Ri-
tuale und Formulierungen bei den Streitkräften kann ich
schmunzeln . Mit einer der Formulierungen, über die ich
schmunzle, beende ich meine Rede: Hiermit beende ich
meinen Vortrag!

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824306700

Herr Kollege Arnold, als Verteidigungspolitiker ha-

ben Sie strategisch geplant, die hundertste Rede als letzte
Rede hier im Hohen Haus zu halten . Ich möchte Ihnen
für 19 Jahre Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag –
fünf Legislaturperioden – und auch für das, was Sie im
Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die
für uns alle von herausragender Bedeutung ist, einge-
bracht haben, herzlich danken . Herzlichen Dank!

Rainer Arnold






(A) (C)



(B) (D)


Nächster Redner ist der Kollege Dr . Alexander Neu
für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824306800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und

Herren! Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf
der Flucht. Die allermeisten sind Binnenflüchtlinge, die
in der Region umherirren . Einige Hunderttausend Men-
schen aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten
wollen in die EU . Bei den Fluchtversuchen ertranken in
den letzten Jahren mehr als 10 000 Menschen, Männer,
Frauen, Kinder und teilweise ganze Familien . Wie re-
agiert die EU darauf? Die EU reagiert mit Flüchtlings-
abwehr unter Zuhilfenahme diplomatischer, polizeilicher
und militärischer Instrumente . Die Bundeswehrmission
EUNAVFOR MED verkörpert diese militärische Flücht-
lingsabwehr .

Wer über Flucht und Flüchtlinge redet, muss auch
über Fluchtursachen reden .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu gehört im Wesentlichen der von Deutschland vo-
rangetriebene Freihandel. Die Öffnung der jeweiligen
nationalen Binnenmärkte zum Beispiel in Afrika hat die
Zerstörung der dortigen ohnehin schwachen Landwirt-
schaft und noch schwächeren Industrie zur Folge . Ins-
besondere deutsche Produkte überschwemmen dort die
Märkte und zerstören die ansässige Wirtschaft . Nicht nur
innerhalb der EU, sondern auch weltweit produziert die
deutsche Exportwirtschaft Armut und somit Flüchtlinge .


(Beifall bei der LINKEN)


Eine zweite Ursache ist die militärisch gestützte Re-
gime-Change-Politik wie in Libyen, Syrien, im Irak und
in Afghanistan . Nur um prowestliche Regime zu instal-
lieren, nimmt man in Kauf, dass Hunderttausende Men-
schen flüchten oder sterben. Rüstungsexporte in Kon-
flikt‑ und Krisenregionen, unzureichende Klimapolitik,
all das sind Faktoren, die dazu beitragen, dass Hundert-
tausende Menschen in die EU fliehen möchten. Aber um
Fluchtursachen zu bekämpfen, muss man grundlegend
umdenken in der Außen-, Außenwirtschafts-, Entwick-
lungs- und Klimapolitik .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen heute anfangen, damit die Maßnahmen in
wenigen Jahren fruchten .

Aus diesem Grund, sehr geehrte Grüne, können wir
Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen; denn er
vermeidet geradezu die Benennung von Fluchtursachen
und reduziert sich auf die humanitäre Symptombekämpf-
ung . Das ist zu wenig, sehr geehrte Grüne .


(Beifall bei der LINKEN)


EUNAVFOR MED ist faktisch – man schaue sich die
Auftragslage an – eine Flüchtlingsabwehr . Hinzu kommt
natürlich – das wird immer wieder benannt – die völker-
rechtliche Verpflichtung, in Seenot geratenen Menschen
Hilfe zu leisten . Ja, EUNAVFOR MED hat Zehntausen-
den das Leben gerettet . Daran hat auch die Bundeswehr

ihren Anteil; daran besteht kein Zweifel . Daher auch
mein Dank an die Bundeswehrsoldaten .

Aber EUNAVFOR MED ist zuallererst eine Flücht-
lingsabwehrmission . Hören Sie auf, den Menschen mit
der Theorie Sand in die Augen zu streuen, dass hier in
erster Linie Menschen gerettet werden . Das ist nicht der
Fall .


(Beifall bei der LINKEN)


Zur vorhin gelobten Ausbildung der Küstenwache:
Dazu gibt es keine guten Nachrichten . Das Projekt einer
libyschen Küstenwache ist höchst dubios . Die libysche
Küstenwache übernimmt letztendlich den schmutzigen, ja
geradezu dreckigen Job der Mission EUNAVFOR MED,
nämlich die Menschen auf ihren Booten zurück nach
Libyen abzudrängen, zurück in die Lager, in denen der
reinste Horror herrscht: Vergewaltigung, Tod, Mord,
Versklavung . Die Bundesregierung und die Europäische
Union wissen es; aber sie sagen dazu nichts .

Die sogenannte libysche Küstenwache attackiert zivi-
le Seenotretter, zuletzt Sea-Watch im Mai . Was macht die
Europäische Union? Sie schaut weg, nein, sie finanziert
sogar diese kriminelle Struktur einer Küstenwache .

Aber nicht genug damit: Politiker in der Europäischen
Union und auch in Deutschland versuchen, zivile Seenot-
retter zu kriminalisieren . Hauptsache, das übergeordnete
Ziel wird erreicht, nämlich keine weiteren Flüchtlinge in
die EU hineinzulassen . Das ist menschenverachtend und
schändlich .


(Beifall bei der LINKEN)


Neben der von mir genannten Ursachenbekämpfung
wollen wir natürlich auch unmittelbare Maßnahmen ein-
fordern . Wir brauchen statt militarisierter Flüchtlingsab-
wehr legale Fluchtwege nach Europa .


(Beifall bei der LINKEN)


Statt einer Bundeswehr, die nur bei Seenot hilft, brau-
chen wir staatlich organisierte zivile Rettungsmissionen .
Das sind die Gründe, warum wir natürlich der Verlänge-
rung dieser Mission nicht zustimmen können .

Ich möchte abschließend meinen Dank – ich glaube,
auch im Namen der Fraktion sprechen zu können – allen
zivilen und privaten Rettungsmissionen aussprechen, die
das tun, was die Bundesregierung tun müsste, nämlich
Menschenleben retten .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824306900

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Roderich

Kiesewetter .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1824307000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa muss
sich mehr um sich selber kümmern und um seine Nach-

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


barschaft . Die Bundesregierung hat mit starker Unter-
stützung der Koalition Afrika stärker in die europäische
Nachbarschaftspolitik einbezogen: Migrationspartner-
schaften, Ausbildungspartnerschaften und gezielte Be-
gleitung der diplomatischen Prozesse im Maghreb sind
die Markenzeichen dieser Politik .

Europa hat die Chance, durch mehr Zusammenhalt in
dieser Frage mehr Kraft, neue Kraft zu entwickeln . Des-
halb ist es völlig abstrus, Herr Kollege Neu, wenn Sie
davon reden, dass das, was wir mit der Operation Sophia
beschließen, eine Flüchtlingsabhaltepolitik ist . Die weni-
gen deutschen Soldaten und Schiffe, die dort im Einsatz
sind, haben in den letzten zwei Jahren 20 000 Menschen
aus der Seenot gerettet .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD] – Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Aber das ist nicht die Hauptaufgabe!)


Insgesamt sind 40 000 Menschen von der Mission So-
phia aus der Seenot geborgen worden . Deswegen geht es
hier nicht um Abhaltung, vielmehr geht es darum, dass
wir Europäer eine abgestimmte Politik mit Blick auf
Libyen, den Maghreb und die Länder in der Sahelzone
entwickeln .

Warum ist das so notwendig? Wenn wir den Wün-
schen der Linken und zum Teil auch der Grünen folgen
würden, käme Europa in die Position eines Zuschauers .
Für die Linken wären die Grenzen offen. Die Grünen ha-
ben in ihrem Antrag gute Vorschläge gemacht, was die
Migrationspartnerschaften angeht; aber sie schließen den
Küstenschutz und die Ertüchtigung der libyschen Küs-
tenwache aus .

Die Zusammenarbeit mit Ländern in der Sahelzone
und die Stärkung des politischen Prozesses in Libyen
sind zwei Seiten einer Medaille . Beides gehört zusam-
men . Das zu berücksichtigen, ist verantwortungsvolle
Politik .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir hier erfolgreich sein wollen, sollten wir auch
die Signale, die wir dieser Tage aus Italien vernehmen,
sehr sorgfältig wahrnehmen . Es geht nicht darum, dass
wir einfach noch mehr Flüchtlinge aufnehmen und Liby-
en sich selbst überlassen, sondern es geht darum, dass wir
mithelfen, dass in den Flüchtlingslagern an der libyschen
Nordküste erheblich mehr Menschenrechte durchgesetzt
werden und diese Flüchtlingslager unter internationale
Aufsicht kommen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir in Europa di-
plomatisch alles daransetzen, dass wir in die nächste Pha-
se von Sophia kommen, nämlich zur Anerkennung der
libyschen Zentralregierung und damit auch zum Aufbau
von von der EU mitfinanzierten und vor allen Dingen
auch überwachten Aufnahmezentren in Libyen .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Es gibt überhaupt keine Zentralregierung!)


Warum ist das so erforderlich?


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Damit sie nicht nach Europa kommen!)


Die meisten Flüchtlinge, die aus Afrika nach Europa ge-
langen, kommen über Libyen, weil dieses Land zerfallen
ist .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Unseriöse Außenpolitik, die Sie machen!)


Gerade mal 3 Prozent haben einen Anspruch auf Aner-
kennung als Asylberechtigte . Entscheidend ist, dass wir
Libyen stabilisieren, dort Perspektiven schaffen und auch
die Länder südlich von Libyen, die angesichts des Kli-
mawandels, des demografischen Wandels, zerfallender
staatlicher Systeme und der Terrormilizen vor dem Zer-
fall stehen, stabilisieren und dort eine Bleibeperspektive
schaffen. Uns deshalb aus der Ertüchtigungsinitiative für
Libyen herauszuhalten, wie es der Entschließungsantrag
der Grünen fordert, greift schlichtweg zu kurz . Es kommt
darauf an, dass wir die Chance nutzen, durch permanente
gezielte Ausbildung Fähigkeiten auf libyscher Seite zu
schaffen, damit dort verlässliche staatliche Strukturen
entstehen .

Ich möchte vier Interessen ansprechen, die wir in die-
ser Region haben .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824307100

Herr Kollege Kiesewetter, der Kollege Neu möchte

eine Zwischenfrage stellen .


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1824307200

Ich freue mich auf die Kurzintervention von ihm nach

meiner Rede .


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Das ist aber schwach!)


Ich möchte meinen Gedanken zu Ende führen und die
vier Interessen ansprechen .

Erstens . Das erste deutsche wie auch europäische In-
teresse ist, dass Sarraj und Haftar in Libyen zusammen-
kommen, dass Haftar den politischen Prozess einleitet
und nicht Teil einer militärischen Lösung bleibt . Das
wird uns nur gelingen, wenn wir auf Katar und auf die
Türkei diplomatisch einwirken mit dem Ziel, dass sie
ihre Vorbehalte hinsichtlich einer Zusammenarbeit zwi-
schen Haftar und Sarraj aufgeben . Hier ist Diplomatie
gefragt . Wir brauchen in der Zusammenarbeit zwischen
Sarraj und Haftar eine stärkere staatliche Fähigkeit auf-
seiten der Zentralgewalt .

Das zweite Interesse, das wir dort haben, ist, die regi-
onalen Initiativen zu unterstützen, nämlich die, die von
Algerien, Tunesien, Ägypten und Marokko ausgehen . Es
war im Jahr 2011 schon einmal so weit, dass mit Blick
auf Gaddafi eine diplomatische Lösung aus der Region
kurz vor dem Abschluss stand . Damals haben wir einen
Fehler gemacht; nicht Deutschland, aber die internatio-
nale Staatengemeinschaft . Hier gilt es, mehr in die Fähig-
keit der Region zu investieren .

Roderich Kiesewetter






(A) (C)



(B) (D)


Der dritte Punkt ist, dass wir diplomatisch Russland
an Bord halten, dass Russland die militärische Unterstüt-
zung Haftars aufgibt und Teil des diplomatischen Pro-
zesses wird .

Viertens geht es darum – ich habe es angesprochen –,
über Libyen hinaus einen diplomatischen Prozess mit
den Migrationsländern südlich von Libyen anzustrengen .
Dazu gehören auch das Waffeneinsammeln und Militär-
diplomatie .

Ein letzter Punkt, der mir am Herzen liegt: Wir als
Fraktion unterstützen die Mission Sophia . Wir sind von
ihrer Erfolgsaussicht überzeugt . Aber es reicht noch
nicht; wir müssen in die Phase 3 einsteigen, also auch auf
dem libyschen Boden aktiv werden .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das? – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was heißt „aktiv werden“?)


Wir sollten in der nächsten Periode erreichen, dass wir
nicht immer nur isoliert Mandate beraten . Wir sollten uns
in diesem Hohen Hause auch Gedanken über die gene-
relle Ausrichtung der Außen- und Entwicklungspolitik
Deutschlands und Europas machen und die Mandate ein-
ordnen . Es sind nun mal unsere Interessen, die wir dort
wahrnehmen, und es sind auch unsere Werte, die durch
die fürchterlichen Ereignisse im humanitären Bereich
dort – in Teilen sind es Skandale – aufs Spiel gesetzt
werden . Deswegen wiederhole ich: Europa hat die Chan-
ce, durch mehr Zusammenarbeit, durch kohärente Arbeit
neue Kraft zu schöpfen, und wir in der CDU/CSU-Frak-
tion wollen das mit Nachdruck unterstützen .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824307300

Der Kollege Neu hat jetzt die Gelegenheit zu einer

kurzen Kurzintervention .


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824307400

Herr Kollege Kiesewetter, ich bin in Ihrer Rede an

zwei Punkten hängen geblieben . Der erste Punkt . Sie ha-
ben gerade so dahergeredet, auf libyschem Boden aktiv
zu werden . Was bedeutet das konkret? Können Sie das
manifestieren? Es würde uns alle im Hause interessieren,
was Sie damit meinen .

Der zweite Punkt . Sie haben gerade Italien angespro-
chen . Es wurde gestern und heute in den Medien berich-
tet, dass sich Italien bei der Bewältigung der Aufgaben,
die durch das Ankommen der Flüchtlinge entstehen, sehr
alleine gelassen fühlt . Man hängt ja immer noch am Ab-
kommen von Dublin . Was tut eigentlich die Bundesregie-
rung, wenn Italien Ernst mit seiner Ankündigung macht
und keine Boote mit Flüchtlingen mehr in die Häfen
lässt?

Ich habe also diese beiden Fragen, ohne Umrede:


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: „Umrede“? Was heißt das?)


Was soll auf libyschem Boden geschehen? Was tut die
Bundesregierung, wenn Italien Flüchtlinge nicht mehr
ins Land lässt?

Danke .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824307500

Herr Kollege Kiesewetter .


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1824307600

Danke, Herr Präsident . – Herr Kollege Dr . Neu, zu-

nächst einmal: Diese Fragen müssten Sie eigentlich der
Bundesregierung stellen .

Wir als CDU/CSU-Fraktion halten sehr viel davon,
einmal einige Jahre zurückzublicken . Im Jahr 2012 wa-
ren es Außenpolitiker der Union und der FDP, die sehr
deutlich gemacht haben, dass die Regelungen von Dublin
und Schengen alleine nicht mehr greifen, sondern dass
wir einen anderen Umgang mit Ländern wie Griechen-
land oder Italien brauchen . Das ist uns inzwischen gelun-
gen . Ich glaube, wir haben innerhalb Europas inzwischen
eine andere Kultur des Umgangs .

Uns Deutschen ist sehr bewusst, dass wir Italien nicht
alleinlassen können . Deswegen regen wir Außenpoliti-
ker der Union sehr stark an, eine trilaterale Partnerschaft
zwischen Frankreich, Italien und der Bundesrepublik zu
etablieren, in der man sich genau um diese Fragen das
Mittelmeer betreffend kümmert. Auch der Marshallplan
mit Afrika von unserem Bundesentwicklungsminister
Gerd Müller weist den Weg in die richtige Richtung . Ich
halte hier also klar fest: Es reicht nicht aus, einfach nur
zu sagen, was nicht geht, sondern wir müssen konstruk-
tiv mit Italien zusammenarbeiten . Es ist doch auch ein
Zeichen für uns alle, dass die Mission Sophia dermaßen
geschätzt wird und von europäischen Staaten unterstützt
wird . Wir tun alles, um humanitäre Bedingungen für die
Flüchtlinge zu schaffen.

Eine Abhaltepolitik, wie Sie sie unterstellen wollen,
findet ja gar nicht statt. Im Gegenteil: Italien bereitet sich
gerade auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge vor und
bereitet Hunderte von Gebäuden, Hunderte von Liegen-
schaften vor . Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt
mit Beamten aus dem Innenministerium, unterstützt mit
Polizistinnen und Polizisten . Wir sind vielfach aktiv . Wir
haben eine starke deutsche Unterstützungszelle in Rom,
die im Bereich Sophia, aber auch Italien insgesamt bei
der Migrationsbewältigung unterstützt .

Zu Ihrem anderen Punkt, was wir auf libyschem
Boden tun müssen . Zum einen gibt es die europäische
Grenzsicherungsmission . Diese kann aber erst dann grei-
fen, wenn es eine souveräne Regierung in Libyen gibt .
Zum anderen sieht Sophia vor, an der Küste aktiv zu
werden, Ausbildungseinrichtungen zu leiten und in den
Flüchtlingslagern zu unterstützen . Es ist eindeutig klar –
das habe ich angesprochen; offensichtlich haben Sie
nicht zugehört oder sind hängen geblieben –, dass Katar
und die Türkei diesen Prozess behindern . Unsere Aufga-
be muss es sein, auf diplomatischer Ebene Erdogan beim
G-20-Gipfel und Katar durch den Besuch unseres Bun-
desaußenministers zum Einlenken zu bewegen . Ich sehe

Roderich Kiesewetter






(A) (C)



(B) (D)


sehr gute Aussichten, den Zusammenhalt Libyens und
den nächsten Schritt der Mission Sophia zu erreichen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824307700

Die Kollegin Dr . Franziska Brantner spricht als Nächs-

te für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Wir reden heute nicht zum ersten und si-
cherlich auch nicht zum letzten Mal über das Mittelmeer .
Es geht nicht um Sandstrände oder idyllische Sonnenun-
tergänge, sondern um das Meer, das jährlich für Tausen-
de zum Grab wird . Viele der Verzweifelten können dem
Tod entkommen . Ja, auch die Verbände der EUNAVFOR
MED haben bis heute mehr als 36 000 Menschen aus den
Fluten gerettet . Den Soldatinnen und Soldaten, gerade
auch jenen der Bundeswehr, gilt daher unser Dank für
das Retten von Menschenleben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Aber es bleibt festzuhalten, dass Lebensrettung die Auf-
gabe einer zivilen Seenotrettung bleibt und auch dort
hingehört .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Kiesewetter, ich widerspreche Ihnen nur ungern,
aber Sie haben gerade gesagt, die Italiener seien ganz
happy mit der Situation . Herr Gentiloni hat gerade heute
wieder gesagt, dass er nicht mehr bereit sei, den Boo-
ten der privaten Seenotrettern eine Anlegeerlaubnis zu
geben, wenn Deutschland und die anderen europäischen
Länder nicht bereit sind, die Geretteten gerecht über alle
europäischen Länder zu verteilen . Das ist die Frage, die
sich diese Bundesregierung zu stellen hat . Da kommt bis
jetzt aus Berlin nur ein Nein . Das ist keine Seenotrettung,
sondern das ist Verweigerung unserer Verantwortung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich komme auf das Mandat zu sprechen . Das Haupt-
mandat ist, gegen Schmuggler vorzugehen . Die Frage ist
doch, ob diese Mission dabei effektiv ist. Unsere Antwort
ist eindeutig Nein. Wenn man effektiv gegen Schmuggler
vorgehen will, dann muss man legale Wege schaffen, auf
denen Menschen kommen können, damit sie sich nicht
Schmugglern anvertrauen müssen, um über das Meer zu
kommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das wäre eine echte Bekämpfung der Schmuggler . Aber
dieser Aufgabe stellen Sie sich ja gar nicht . Außerdem
ist es eine polizeiliche Aufgabe, gegen Menschenhandel
vorzugehen . Auch das gehört in die Hände von zivilen
Kräften .

Ein weiterer Punkt des Mandates ist, das Waffenem-
bargo der Vereinten Nationen durchzusetzen . Da haben
wir ganz viele Fragezeichen . Es gibt Beispiele, dass die
Besatzungen italienischer Boote doch nicht so genau hin-
geschaut haben, wenn die Waffen an ihre Partner gingen.
Von daher gibt es auch da ein großes Fragezeichen, ob
wir das durchsetzen können .

Eine andere Aufgabe im Rahmen des Mandates ist, die
libysche Küstenwache zu trainieren . Aber wer ist denn
diese Küstenwache, von der Sie hier immer sprechen?
Wir wissen doch, dass es de facto keine Regierung in die-
sem Land gibt und dass die Küstenwache nicht mehr ist
als eine Miliz von vielen, sehr geehrte Damen und Her-
ren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Aber deswegen können wir doch nicht nichts machen! Die Alternative ist doch nicht Nichtstun!)


Wenn es für Reformen im Sicherheitssektor eine
Grundregel gibt, dann ist es die, zu sagen: Man braucht
zuerst ein politisches Übereinkommen . Danach kann
man einen Sicherheitssektor aufbauen, zu dem eine Küs-
tenwache gehört . Das gibt es aber in diesem Fall nicht .
Diese Regel brechen Sie also . Deswegen wird es auch
nicht funktionieren, diese Küstenwache aufzubauen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es bleibt weiterhin die Frage: In welchem Rechtsrah-
men bilden wir diese Küstenwache aus? Wir wissen, dass
der Umgang mit Flüchtlingen dort katastrophal ist . Viele
sprechen von KZ-ähnlichen Zuständen . Dieser rechtliche
Rahmen, innerhalb dessen wir dort ausbilden, ist nicht
akzeptabel . Das ist kein Rahmen, der internationales
Recht respektiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Also machen wir gar nichts! – Roderich Kiesewetter [CDU/ CSU]: Nichtstun ist keine Alternative!)


Wenn Sie davon sprechen – da hat Herr Kiesewetter ja
recht –, dass das Hauptproblem ist, dass wir dieses Land
aufbauen müssen,


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nicht nur das!)


weil Libyen kaputt ist, kein Staat ist, der funktioniert,
dann frage ich Sie: Warum bilden Sie denn dann nicht
die Justiz aus? Warum bilden Sie denn nicht die Verwal-
tungsbeamten aus?


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Schritt für Schritt! Eins nach dem anderen!)


Warum bilden Sie denn nicht diejenigen aus, die ein So-
zialsystem aufbauen können? Warum bilden Sie nur die
Küstenwache aus? Das ist nicht der Teil, der Libyen hilft,
sondern nur der Teil, der uns hilft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Weil Sie die Flüchtlinge zurückbringen wollen! Darum geht es doch!)


Roderich Kiesewetter






(A) (C)



(B) (D)


Damit bauen Sie Libyen nicht auf . Damit betreiben Sie
nur eine Abschottungspolitik und keine Politik für Liby-
en .

Wenn die Europäer wirklich etwas für diese Einheits-
regierung tun wollen, dann wären sie gut beraten, wenn
die Franzosen nicht einen Teil der Anhänger Haftars mi-
litärisch unterstützen, die Italiener nicht einen Teil der
Misratis und nicht alle im sogenannten Kampf gegen den
IS an der Seite der Gegner der nationalen Einheitsregie-
rung kämpfen und dadurch diejenigen, die wir versuchen
auszubilden, gleichzeitig militärisch schwächen . Das ist
die Realität dieser Mission . Sie ist widersprüchlich, er-
reicht die Ziele nicht, und deswegen werden wir sie ein-
deutig ablehnen und werden nicht zustimmen, dass das
Ganze auch noch mit dem Titel „lebensrettend“ versehen
wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Arnold, Herr Kobler ist ja leider immer noch da,
und wir bekommen keinen neuen Sonderbeauftragten,
weil die Amerikaner jemanden blockieren, der zu nah an
anderen Interessenlagen ist, und weil andere Regierun-
gen blockieren . Dieser politische Prozess ist blockiert,
und es wäre an der Zeit, ihn endlich einmal wieder in
Gang zu bringen . Das könnte eine Aufgabe für Deutsch-
land sein . Dort sollten wir vorangehen . Daher bitte ich
die Bundesregierung: Tun Sie etwas für Libyen, für den
politischen Prozess, für den Aufbau dieses Staates, und
machen Sie nicht nur Flüchtlingsabwehr .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824307800

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege

Dr . Andreas Nick .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Nick (CDU):
Rede ID: ID1824307900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

Juni 2015 beteiligt sich die Bundeswehr an der Missi-
on EUNAVFOR MED Operation Sophia . Das Mandat
basiert auf einer UN-Resolution . Die Mission erfolgt in
enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus NATO
und EU . Zu den Aufgaben der Mission gehören die Be-
kämpfung von Schleusernetzwerken, die Ausbildung
der libyschen Küstenwache und die Durchsetzung des
UN‑Waffenembargos. Selbstverständlich kommen die
Einheiten der Mission auch ihrer völkerrechtlichen und
humanitären Verpflichtung zur Seenotrettung nach. Bis-
her konnten fast 40 000 Menschen durch Einheiten der
Operation auf der Mittelmeerroute gerettet werden . Wir
danken den Soldatinnen und Soldaten der Bundesmari-
ne an dieser Stelle ganz herzlich für ihren engagierten
Einsatz .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir dürfen aber nicht verkennen, dass sich die Lage
auf der Mittelmeerroute weiter dramatisch zuspitzt . In
diesem Jahr sind dort bereits mehr als 1 500 Menschen

ums Leben gekommen . Die Zahl der in Italien ankom-
menden Flüchtlinge ist in den ersten fünf Monaten dieses
Jahres um fast 30 Prozent auf rund 60 000 Menschen ge-
stiegen . Wir brauchen deshalb einen umfassenderen poli-
tischen Ansatz, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen,
die irreguläre Migration weitgehend zu unterbinden und
damit endlich das Sterben im Mittelmeer zu beenden .

Dass dies durchaus möglich ist, hat das in diesem Haus
häufig zu Unrecht gescholtene EU‑Türkei‑Abkommen
bewiesen . Seit dessen Inkrafttreten im März 2016 sind
nicht nur das Schlepperunwesen erfolgreich bekämpft
und die Fluchtbewegungen über die Ägäis weitgehend
gestoppt worden . 2015 sind noch über 800 Menschen, in
den ersten drei Monaten 2016 über 400 Flüchtlinge in
der Ägäis ums Leben gekommen . In diesem Jahr waren
es – immer noch zu viele – lediglich 37 .

Es ist richtig: Die Ausgangslage in der Ägäis und die
im zentralen Mittelmeer sind in wesentlichen Aspekten
nicht vergleichbar. Das betrifft zum einen die politische
und administrative Situation in den südlichen Mittel-
meeranrainerstaaten, insbesondere in Libyen . Ohne funk-
tionierende staatliche Strukturen in Libyen kann organi-
sierte Kriminalität nicht nachhaltig bekämpft werden .
Daher setzen wir uns auch weiterhin für die politische
und wirtschaftliche Stabilisierung Libyens ein . Kollege
Kiesewetter ist darauf ja schon ausführlich eingegangen .

Es wäre aber auch eine gefährliche Illusion, zu glau-
ben, dass der Schlüssel für die Lösung des Flüchtlings-
problems allein in Libyen liegt . Wir müssen den Blick
vielmehr stärker auf die jeweiligen Herkunftsländer
und die eigentlichen Ursachen und Motive der illega-
len Migration legen . Auf der Mittelmeerroute dominie-
ren Menschen aus den Herkunftsländern Westafrikas,
vor allem Nigeria, Guinea, der Elfenbeinküste, Gambia,
dem Senegal und Mali . Anders als bei den Bürgerkriegs-
flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak han-
delt es sich überwiegend um wirtschaftlich motivierte
Migration . Die Menschen haben kaum Aussicht auf
Anerkennung als Asylbewerber in Europa . Dennoch ist
die Zahl der Rückführung in die Herkunftsländer bisher
verschwindend gering . Beispiel Nigeria: 2016 gelangten
rund 37 500 Menschen aus Nigeria nach Italien . Obwohl
75 Prozent von ihnen weder Asyl noch eine andere Form
von Schutz erhielten, wurden weniger als 1 Prozent, gan-
ze 165, in ihr Heimatland zurückgeführt .

Von dieser Situation geht eine verheerende und gera-
dezu zynische Anreizwirkung aus . Wer die gefährliche
Reise durch die Sahara und über das Mittelmeer auf sich
nimmt und überlebt, der kann derzeit davon ausgehen,
auf lange Zeit in Europa bleiben zu können, häufig al-
lerdings rechtlos, in prekären Verhältnissen und ohne
Perspektive . Wir brauchen deshalb insbesondere eine
massive Beschleunigung der Verfahren in den europä-
ischen Anrainerstaaten am Mittelmeer, am besten nach
einem einheitlichen europäischen Standard und – falls
gewünscht – mit entsprechender europäischer Unterstüt-
zung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen vor allem aber auch funktionierende
Rücknahmeabkommen, insbesondere mit den Herkunfts-

Dr. Franziska Brantner






(A) (C)



(B) (D)


ländern in Westafrika . Ziel sollten Vereinbarungen sein,
die ab einem bestimmten Stichtag die Rücknahme west-
afrikanischer Staatsbürger durch ihre Heimatländer vor-
sehen . Derartige Abkommen müssen auch ein wichtiger
Bestandteil im Rahmen der verstärkten Entwicklungszu-
sammenarbeit mit den Ländern Westafrikas sein .

Meine Damen und Herren, im Rahmen von Migrati-
onspartnerschaften werden wir uns über definierte Kon-
tingente ein Stück weit für legale Migration in die EU
öffnen müssen, um diesen Staaten einen Anreiz zu ge-
ben, solche Abkommen abzuschließen . Denn wie beim
EU-Türkei-Abkommen gehören drei Grundelemente
zusammen: die bessere Sicherung der EU-Außengren-
zen und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, die
Bekämpfung von Fluchtursachen durch nachhaltige Ver-
besserung der Lebenssituation in den Herkunfts- und
Transitländern, aber auch eine Perspektive für legale
Migration im Rahmen entsprechender Kontingente und
geordneter Verfahren .

In diesem Zusammenhang trägt auch die EUNAVFOR
MED Operation Sophia zur Reduzierung illegaler Migra-
tion bei . Sie ist ein wichtiges Instrument zur Bekämp-
fung von Schleuserkriminalität . Das sollte auch die Prio-
rität der Mission bleiben . Deshalb stimmen wir heute der
Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an dieser
Mission zu .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824308000

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die

Kollegin Julia Obermeier für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Julia Bartz (CSU):
Rede ID: ID1824308100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Allein in den vergangenen vier Tagen kamen
über 10 000 Menschen über das Mittelmeer nach Itali-
en . Die Situation könnte sich angesichts der ruhigeren
See im Sommer weiter zuspitzen . Schätzungen zufolge
warten über 1 Million Menschen in Libyen auf die Über-
fahrt nach Europa . Libyen ist das wichtigste Transitland
der zentralen Mittelmeerroute . Angesichts der instabilen
Lage in Libyen, in der Clans, Kriminelle und Warlords
ohne Rücksicht auf Menschenleben um Macht, Geld
und Einfluss kämpfen, ist es schwer, den skrupellosen
Schleuserbanden Einhalt zu gebieten . Jeden Tag bringen
sie Menschen auf seeuntaugliche Boote und damit in Le-
bensgefahr .

Die Hauptaufgabe der Operation EUNAVFOR MED
Sophia ist deshalb die Bekämpfung von Schleusernetz-
werken . Im Rahmen der Mission wurden bereits mehr
als 400 Schleuserboote versenkt und über 100 mutmaß-
liche Schleuser festgenommen . Doch solange die Missi-
on – ohne die Erlaubnis einer legitimen libyschen Regie-
rung – nicht ins libysche Hoheitsgebiet vordringen darf,
kann sie ihre volle Wirkungskraft nicht entfalten . Trotz-
dem ist die Mission wichtig .

Meine Damen und Herren, natürlich kommen die
Einsatzkräfte der Mission ihrer völkerrechtlichen Ver-
pflichtung der Seenotrettung nach, auch wenn dies nicht
ihr Hauptauftrag ist . In den vergangenen beiden Jahren
wurden so über 37 000 Menschenleben gerettet . Allein
das wäre doch ein guter Grund für die Opposition, dieser
Mission zuzustimmen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Bundeswehr übernimmt zudem zwei weitere
wichtige Aufgaben . Sie bildet Einsatzkräfte der libyschen
Küstenwache aus . Nach einem langwierigen und sorgfäl-
tigen Auswahlprozess wurden rund 90 Libyer geschult,
und auch sie retten Menschenleben im Mittelmeer . Unse-
re Soldatinnen und Soldaten gehen auch gegen Waffen-
schmuggel vor . Der deutsche Tender „Rhein“ konnte am
1. Mai ein Schiff stoppen, das mit automatischen Waffen,
Maschinengewehren, Mörsern, Minen, Munition und
Granaten voll beladen war . Für diesen Erfolg, aber auch
für ihren Einsatz insgesamt danke ich unseren Soldatin-
nen und Soldaten ganz herzlich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im vergangenen Jahr konnte ich gemeinsam mit unse-
rem Staatssekretär Markus Grübel die Besatzung der Fre-
gatte „Mecklenburg-Vorpommern“ im Einsatz im Mittel-
meer besuchen und mich von ihrem großen Engagement
überzeugen . Der maritime Einsatz ist ein wichtiger Bau-
stein, um die gefährliche Mittelmeerroute zu schließen .
Aber weitere Bausteine müssen am libyschen Festland
umgesetzt werden . Libyen braucht ein Mindestmaß an
Stabilität und Staatlichkeit, um die kriminellen Struktu-
ren zu bekämpfen . Es braucht wirtschaftliche Entwick-
lung, die das Geschäftsmodell der Schleuser obsolet
macht .

Deutschland hilft Libyen hierbei diplomatisch – auch
wenn die Bemühungen langwierig und schwierig sind .
Insbesondere unterstützen wir die großen Anstrengun-
gen des UN-Sondergesandten Martin Kobler, die inter-
national anerkannte Einheitsregierung zu stärken . Denn
nur bei politischen Fortschritten kann die zivile Mission
EUBAM Libyen, die dem Land dabei helfen soll, die ei-
genen Grenzen zu schützen, auch Früchte tragen . Darü-
ber hinaus helfen wir der neuen Regierung, die Lebens-
bedingungen der Bevölkerung schnell zu verbessern .
Unter anderem beteiligen wir uns an einem UN-Stabili-
sierungsfonds, der mit 30 Millionen Euro die größte Wie-
deraufbaumaßnahme der internationalen Gemeinschaft
in Libyen darstellt .

Natürlich müssen wir auch die Migrationsursachen
in Afrika bekämpfen . Hier hat unser Bundesentwick-
lungsminister Gerd Müller mit seinem Marshallplan mit
Afrika einen wichtigen und richtungsweisenden Schritt
gemacht .

Meine Damen und Herren, wir wollen eine positive
Entwicklung in Afrika . Wir wollen Menschenleben ret-
ten . Dazu müssen wir den kriminellen Schlepperbanden
das Handwerk legen . Deshalb brauchen wir die Mission,
und deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zur Man-
datsverlängerung .

Dr. Andreas Nick






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824308200

Vielen Dank . – Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR
MED Operation SOPHIA. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksa-
che 18/12868, den Antrag der Bundesregierung auf der
Drucksache 18/12491 anzunehmen . Wir stimmen über
diese Beschlussempfehlung namentlich ab und beginnen,
wenn die Urnen aufgestellt und die Schriftführer anwe-
send sind .

Bis das abschließend der Fall ist, darf ich noch da-
rauf hinweisen, dass die Abstimmung an allen Abstim-
mungsurnen möglich ist, nicht nur an der Urne von mir
aus gesehen rechts . Die Abgabe der Stimmkarte an einer
der anderen Urnen erzielt eine völlig identische Wirkung .

Jetzt darf ich nachfragen, ob alle Abstimmungsurnen
bereitstehen . – An der Enthaltungstür oben fehlt noch ein
Schriftführer, und vorne fehlt noch ein Schriftführer von
der Opposition – Jetzt sind wir komplett . Dann kann ich
die Abstimmung eröffnen.

Ist noch ein Mitglied des Hauses hier, das seine Stim-
me nicht abgegeben hat? – Jawohl, davon gibt es noch
einige . Ich empfehle die Urnen direkt am Rednerpult . Sie
sind völlig frei zugänglich und ermöglichen eine soforti-
ge Stimmabgabe . – Jetzt sehe ich niemanden mehr, der
seine Stimmkarte abgeben möchte, aber dazu noch nicht
gekommen ist . Dann schließe ich hiermit die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Ab-
stimmung wird wie üblich später bekannt gegeben .1)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/12967 . Wer für diesen Entschlie-
ßungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . –
Einige Stimmen der Grünen . – Jetzt sind es schon mehr .
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser
Entschließungsantrag abgelehnt mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Die Linke gegen
die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des 3. Untersuchungsausschusses gemäß
Artikel 44 des Grundgesetzes

Drucksache 18/12950

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Damit sind er-
kennbar alle einverstanden . Dann ist das so beschlossen .

1) Ergebnis Seite 24936 D

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Armin Schuster für die CDU/CSU das
Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1824308300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese menschen-
verachtende Mord-, Überfall- und Anschlagsserie des
NSU-Trios soll sich nicht wiederholen, und wir tun alles,
um sie aufzuklären – das waren die zwei Versprechen,
die wir abgegeben haben . Nach dem Ende des zweiten
NSU-Untersuchungsausschusses ist es Zeit, Bilanz zu
ziehen . Die Versprechen habe ich persönlich in erster Li-
nie den Opfern und ihren Angehörigen gegeben, die ich
zum Teil auf der Tribüne begrüße . Ich habe sie aber auch
den Menschen in Deutschland gegeben; denn nach einem
solchen Vorkommnis müssen wir Vertrauen aufbauen .

Wenn Sie mir erlauben, dann fasse ich die Ergebnisse
beider NSU-Untersuchungsausschüsse zusammen . Wir
haben in beiden Untersuchungsausschüssen insgesamt
fünf Jahre intensiv, einvernehmlich, mit einstimmigen
Beschlüssen und einem einstimmigen Abschlussbericht,
einen parlamentarischen Anstand, eine parlamentarische
Disziplin gezeigt, die in diesem Haus wahrscheinlich
einmalig sind . Dafür möchte ich mich bei allen anderen
Fraktionen bedanken .


(Beifall im ganzen Hause)


Es ist ein starkes Signal an die Justiz, an die Ermitt-
lungsbehörden, an den Gesetzgeber und an unsere Ge-
sellschaft, dass wir das normale Parteiverhalten im Bun-
destag beiseitegeschoben haben . Das war keine übliche
Debatte . Deshalb möchte ich auch heute darauf verzich-
ten, zu polarisieren . Meine Fraktion hat auch kein Son-
dervotum abgegeben . Wir glauben, dass die gemeinsame
Grundüberzeugung, die wir im Untersuchungsausschuss
gewonnen haben, nicht kleinteilig zerredet werden darf .
Ich habe es mir selbst zur Pflicht gemacht, darauf zu
verzichten – ich habe nur sieben Minuten Redezeit –,
x Versagensumstände und x Schwächen, die wir schon
im ersten Ausschuss identifiziert haben, heute zu wieder-
holen, ob das das V-Leute-Wesen, das Schreddern oder
was auch immer betrifft.

Viele der dramatischen Befunde, mit denen wir uns
im Untersuchungsausschuss konfrontiert sahen, gab es
in diesem Haus bereits am 2 . September 2013, und sie
gelten weiter .


(Unruhe)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824308400

Herr Kollege Schuster, darf ich ganz kurz unterbre-

chen . – Angesichts des ernsten Gegenstandes der Debatte
darf ich alle bitten, die unabhängig von dieser Beratung
Gesprächsbedarf haben, die Gespräche nicht hier im
Plenarsaal zu führen .


(Beifall)


Julia Obermeier






(A) (C)



(B) (D)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1824308500

Warum dieser zweite Untersuchungsausschuss NSU?

Erstens . Unsere Untersuchungsarbeit im Zuge der
ersten Auflage konnte sich wegen des Prozesses in Mün-
chen, den wir nicht stören wollten, nur auf die Zeit bis
zum 4 . November 2011 beziehen . Alle Ermittlungen, die
danach stattfanden, konnten wir in der vergangenen Le-
gislaturperiode nicht untersuchen . Besonders interessiert
haben uns die Tatorte Eisenach und Zwickau . Ihnen woll-
ten wir uns widmen . Das haben wir getan .

Zweitens . War es ein Trio, oder gab es Mittäter? Wir
waren uns nach der ersten Auflage nicht sicher. Wir ha-
ben uns auch gefragt: Kennen wir alle Unterstützer, oder
rennen da draußen noch welche herum, die wir nicht ken-
nen? Das waren für mich die wesentlichen Gründe, wa-
rum wir den zweiten Ausschuss brauchten .

Welche Ergebnisse gibt es nach 55 Sitzungen, 78 Zeu-
genvernehmungen und der Auswertung von 727 Giga byte
Datenmaterial? Chapeau im Übrigen an die Mitarbeiter
aller Fraktionen und des Untersuchungsausschusssekre-
tariats!


(Beifall im ganzen Hause)


Die Geschehensabläufe in Eisenach und Zwickau, über
die wir viele Vermutungen angestellt hatten, sind für
mich im Wesentlichen aufgeklärt . Es ist eindeutig, dass
Mundlos Böhnhardt erschossen hat, bevor er sich selbst
gerichtet hat . Außerdem konnten wir keine Belege für
weitere Täter finden.

Ich sage jetzt einmal ganz ehrlich: Es hat mir sehr gut
getan, dass wir den Einsatzleiter des Tatorts Eisenach als
Zeugen vernommen haben; denn über ihn wurden öffent-
lich viel Kritik, Hohn und Spott ausgeschüttet, wie dumm
er sich – angeblich – an diesem Tatort angestellt habe .
Der Mann hatte etliche Stunden Zeit, um viele überzoge-
ne Kritikpunkte auszuräumen . So ist das eben, wenn man
die andere Seite hört . Dafür bin ich dankbar . Ich glaube,
man hätte das eine oder andere anders machen können;
aber viel Kritik an ihm war überzogen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Beim Tatort Probsteigasse in Köln haben wir eine
Theorie abgeräumt: Nein, es gab keinen führenden Neo-
nazi und V-Mann des LfV, der dort beteiligt war .

In Dortmund hätte ich mir ein intensiveres Eintauchen
von GBA und BKA in die örtliche Szene gewünscht . Wir
konnten nichts feststellen; aber Zweifel bleiben .

Bezogen auf Kassel haben wir die Zweifel daran, dass
der Mitarbeiter des LfV das alles nicht gemerkt haben
kann, nur noch erhärtet; aber wir können keine neuen Be-
lege hinzufügen . Die Zweifel bleiben .

Heilbronn ist der entscheidende Tatort für viele Kritik-
punkte bezüglich der Trio-These . Für mich ist aufgrund
der fehlenden Funkzellenauswertung und der DNA-Ab-
gleiche, die nicht optimal gelaufenen sind, vor allen Din-
gen aber aufgrund valider Zeugenaussagen zur Anzahl

flüchtender Täter, blutverschmiert, die Trio‑These oder
die These „Duo“ kaum haltbar,


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


wenngleich ich natürlich überhaupt keine Zweifel an der
Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt habe . Es geht
um die Frage: Wer war noch dabei? Deswegen sehe ich
noch reichlich Ermittlungsbedarf rund um Heilbronn .

Zur Trio-These: GBA und BKA haben aufwendig und
engagiert ermittelt . Denen kann man keinen Vorwurf
hinsichtlich des Aufwands, den sie betrieben haben, ma-
chen . Aber sie waren fokussiert: fokussiert auf die Ver-
urteilung der bekannten Angeklagten . Das ist vielleicht
vorwerfbar; ich halte mich da eher zurück . Ich verweise
lieber auf den Erfolg dieses Untersuchungsausschusses:
Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Arbeit dafür
gesorgt hat – das ist ein Erfolgsmoment –, dass die Bun-
desanwaltschaft und das BKA erhebliche Nachermittlun-
gen angestellt haben, insbesondere was Trio-These und
Unterstützerumfeld anbelangt . Das ist aus meiner Sicht
ein Erfolg .

Ich möchte auf das Thema DNA nicht eingehen . Da-
rauf wird wahrscheinlich der Vorsitzende selber eingehen
wollen; das Thema lasse ich ihm .

Zu BfV und LfV: ungenutzte Chancen, V-Leute-We-
sen, Schreddern . Meine Damen und Herren, wir können
den Schmerzpunkt nur vertiefen; aber das sind alles Be-
funde aus der letzten Legislaturperiode . Daran gibt es
nichts schönzureden; aber wir müssen bitte die Balance
wahren . Das habe ich schon am 2 . September 2013 hier
gesagt . Ermittelt haben Staatsanwaltschaften und Poli-
zeien . Deshalb ist es, wenn man kritisiert, wichtig, die
Kritik dort anzubringen, wo die Aufklärungsarbeit am
Ende zum Erfolg geführt werden muss . Deswegen hat
meine Fraktion versucht, in den Befragungen zwischen
Staatsanwaltschaften, Gerichten, Polizei und Verfas-
sungsschutz eine sinnvolle Balance zu halten . Natürlich
kann man an dem Fall „Corelli“ sehen, wie schlimm
manchmal alles läuft . Aber daran arbeiten wir . Man hat
damals leider keinen NSU-Bezug gesehen, sonst wäre
man wahrscheinlich weiter gekommen .

Waren wir erfolgreich? Wir haben alle Richtungen
beleuchtet, vorgefasste Meinungen verifiziert und fal-
sifiziert. Wir haben erhebliche Nachermittlungen ange-
strengt, und wir haben uns um die Umsetzung der Emp-
fehlungen aus dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss
gekümmert; hier hat die Bundesregierung sehr viel ge-
macht . Wir hatten wenige Chancen, und wir hatten nicht
die Smoking Gun . Das ist das, was die Journalisten jetzt
gerne hätten . Dann wäre das mediale Interesse größer .
Aber so einfach machen wir uns das nicht . Das war nicht
meine Motivation . Geduld, Geduld, Geduld!

Die Opfer, die Angehörigen der Opfer, die Menschen
in diesem Land dürfen erwarten, dass wir nicht aufhören,
uns um das Thema zu kümmern . Sie dürfen erwarten,
dass wir da sind, wenn der Nebel sich lichtet, und er wird
sich lichten, vielleicht nicht wegen Frau Zschäpe . Mir ist
das Ehepaar Eminger wichtiger . Ich halte das, was die
irgendwann sagen, für aufschlussreicher .






(A) (C)



(B) (D)


Eine Botschaft an die Täter geht von hier aus: Den
Fehler, den man früher bei der RAF gemacht hat, näm-
lich den Strafverfolgungsanspruch irgendwann vielleicht
nicht mehr so ernst zu nehmen – heute verfolgen wir sie
wegen Räubereien; merkwürdig –


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Holland!)


und nicht parlamentarisch aufzuklären, diesen Fehler
machen wir in diesem Fall nicht . Deswegen geht das Si-
gnal an München, an die Täter: Wir sind da, und wir wer-
den nicht aufhören, dieses Thema zu bearbeiten .

Deshalb habe ich einmal – das war nicht als Scherz
gemeint – gesagt: Ich wünsche mir Cold-Case-Verfahren
in den Polizeien aller Bundesländer, die betroffen sind,
weil ich das für ein wirkungsvolles Mittel halte . Ich bin
davon überzeugt, dass man mehr aufklären kann . Was
ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufklä-
ren kann, haben wir aufgeklärt . Wenn nichts Neues hin-
zukommt, halte ich im Moment einen dritten NSU-Aus-
schuss nicht für erforderlich . Aber bei dem Verfahren am
Anfang dieser Wahlperiode fand ich es sehr gut, dass die
Kolleginnen Pau, Högl und Mihalic sowie der Kollege
Binninger als Berichterstatter im Innenausschuss saßen .
Das ist das Signal, das von uns ausgehen muss: Wir hö-
ren nicht auf, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, bis
alles aufgeklärt ist, was wir aufklären können .

Ganz besonderen Dank an Clemens Binninger . Die
Qualität dieses Ausschusses hat viel damit zu tun gehabt,
dass du diesen Job nicht als parlamentarische Pflicht
empfunden hast, sondern dass es eine Herzensangele-
genheit war . Ich glaube, das hat uns gutgetan . Ich danke
allen, die mitgewirkt haben, auch dem BMI .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824308600

Bei dieser Debatte sind heute eine ganze Reihe von

Vertretern der Opferfamilien anwesend . Ich möchte Ih-
nen unsere Verbundenheit und unsere Anteilnahme aus-
sprechen .


(Beifall im ganzen Hause)


Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die
Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824308700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der nunmehr zweite
Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU-Na-
zimordkomplex beendet seine Arbeit – mitnichten, weil
etwa alle Fragen beantwortet wären . Im Gegenteil: Zent-
rale Fragen bleiben offen. Aber mit der 18. Legislatur des
Bundestages endet eben auch der Untersuchungsauftrag
zum NSU-Komplex .

Der Abschlussbericht liegt vor . Das Gros wird von
allen Fraktionen getragen . Zudem gibt es abweichende
oder weiter gehende Voten . Sie gehören mit zum Bericht .

Wie bereits im ersten Untersuchungsausschuss war
die Arbeit durch sachliche Zusammenarbeit, von der
CDU/CSU bis zur Linken, geprägt .


(Beifall im ganzen Hause)


Das verlangt unser Respekt vor den Opfern des NSU
und ihren Angehörigen, aber auch die Dimension dieses
Verbrechens . So konnten wir trotz aller Blockaden doch
etwas mehr Licht in den finsteren NSU‑Komplex bringen
und Puzzlestücke finden.

Ich komme nun zu den wesentlichen Ergebnissen der
Untersuchungen und möchte drei nennen:

Erstens . Es hat sich erhärtet, was sich bereits nach
dem ersten Untersuchungsausschuss abzeichnete: Das
NSU-Kerntrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war
von circa 40 V-Leuten der Ämter für Verfassungsschutz
regelrecht umzingelt . Wider andere Behauptungen hatte
dabei eben auch das Bundesamt für Verfassungsschutz
gekaufte Nazis in seinen Diensten, die am Netzwerk des
NSU dran waren . Dazu gehörte zum Beispiel ein gewis-
ser Ralf M ., alias V-Mann „Primus“ . Er hatte nachweis-
lich Kontakt zum NSU-Trio . Das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz versuchte, den Untersuchungsausschuss
darüber zu täuschen . Das war symptomatisch .

Zweitens . Den Ämtern für Verfassungsschutz lagen
zahlreiche Informationen über den Verbleib und über
Vorhaben des NSU-Kerntrios vor . Sie wurden nie an die
Strafverfolgungsbehörden weitergegeben . So wurde ver-
hindert, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefasst
wurden . Damals und noch immer gilt: Der Schutz der
Quellen, also der V-Leute, geht vor polizeiliche Ermitt-
lungen – und das selbst bei einer Mordserie .

Ich merke an: Diese fatale Geheimdienstlogik wird
vom Bundesinnenminister und ebenso von der General-
bundesanwaltschaft geteilt . Das heißt, sie sind beide Teil
des Problems .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Drittens . Bekanntlich wurden im Bundesamt für Ver-
fassungsschutz – und nicht nur dort – im großen Stil
Akten vernichtet . „Aus Versehen“, „aus Datenschutz-
gründen“, „aus Überlastung“, hieß es noch am Ende des
ersten Untersuchungsausschusses . Das war forsch gelo-
gen . Inzwischen ist klar: Dies geschah mit Vorsatz, damit
diese Unterlagen weder der Polizei noch den Parlamen-
ten bekannt werden und damit nicht bekannt wird, wie
sehr neonazistische Strukturen durch V-Leute der Ämter
für Verfassungsschutz durchdrungen sind . Diese Akten-
vernichtungen waren Straftaten . Geahndet wurden sie bis
heute nicht .

Nun noch einmal zu den V-Leuten . Der Chef des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz nannte sie einmal unver-
zichtbare „Schmutzfüße“ . Man brauche sie, um der Na-
ziszene Herr zu werden, so Herr Maaßen .

Armin Schuster (Weil am Rhein)







(A) (C)



(B) (D)


Ich fasse unsere Erkenntnisse aus dem NSU-Komplex
zusammen:

Zu keiner Zeit hatte der Verfassungsschutz die Nazi-
szene im Griff, geschweige denn zerschlagen. Im Gegen-
teil: Mit ihrer Geheimhaltungs- und V-Leute-Praxis ha-
ben die Ämter für Verfassungsschutz die Nazistrukturen
vielmehr gedeckt und gestärkt .

Damit komme ich zu den weiter gehenden Schlussfol-
gerungen der Linken . Es sind insgesamt acht; ich reiße
fünf davon kurz an:

Erstens . Die Linke bleibt bei ihrer Forderung, die
V-Leute-Praxis aller Sicherheitsbehörden sofort zu be-
enden


(Beifall bei der LINKEN)


und den Verfassungsschutz als Geheimdienst aufzulösen .


(Beifall bei der LINKEN)


Das dazu vorgeschlagene Alternativmodell einer Koor-
dinierungsstelle zur Dokumentierung von gruppenbe-
zogener Menschenfeindlichkeit ist Bestandteil unseres
Votums .

Zweitens . Wir empfehlen der 19 . Legislatur des Bun-
destages einen Untersuchungsausschuss „Rechtsterroris-
mus und Geheimdienste“ . Dabei geht es eben nicht nur
um die offenen Fragen aus dem NSU‑Komplex, sondern
um weitere aktuelle und auch zurückliegende ungeklärte
Fälle . Ich nenne hier nur das Oktoberfestattentat und den
Doppelmord an dem jüdischen Verlegerpaar Schlomo
Lewin und Frida Poeschke – beides im Jahr 1980 . Zu
untersuchen wären aber auch aktuelle neonazistische
Terrorakte, zum Beispiel im Freistaat Sachsen, aber auch
anderswo .

Drittens . Wir empfehlen der kommenden Linksfrak-
tion weiterhin, die Einrichtung einer Enquete-Kom-
mission „Rassismus“ im Bundestag zu beantragen . Wir
brauchen mehr Sachverstand, um Strategien gegen den
gesellschaftlichen und den institutionellen Rassismus vo-
ranzutreiben .

Viertens . Gesellschaftliche Initiativen gegen Rechts-
extremismus und Rassismus, für Demokratie und Tole-

ranz benötigen endlich eine ausreichende, verlässliche
und längerfristige Förderung .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Fünftens . Wir fordern mehr Opferschutz und die Ein-
führung einer Amtshaftung im Fall von gewalttätigen
V‑Leuten. Straftaten von V‑Leuten werden häufig ge-
deckt, während deren Opfer alleingelassen werden . Des-
halb will die Linke, dass Opfer derartiger Gewalttaten
künftig von Amts wegen entschädigt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Abschlussge-
danke . Der Rechtsstaat hat seine Bürgerinnen und Bür-
ger vor schweren Straftaten – allemal vor Mord – zu
schützen . Gelingt ihm das nicht – aus welchen Gründen
auch immer –, so hat er alle Umstände aufzuklären sowie
Täter und Mittäter zu belangen . Im NSU-Komplex hat
er weder die Mord- und Anschlagserie verhindert, noch
sind bisher alle Hintergründe aufgeklärt . Wir haben es
hier also mit einem doppelten Versagen zu tun . „Staats-
versagen“ haben wir es am Ende des ersten Untersu-
chungsausschusses genannt . Ich würde sagen, wir haben
es hier auch mit einer doppelten Staatsverantwortung zu
tun, der wir uns weiter stellen sollten .

Ich danke am Ende dieses Untersuchungsausschus-
ses allen Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam an
diesem Komplex gearbeitet haben, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern der Fraktionen und des Ausschussse-
kretariats sowie allen, die mitgetan haben, diese Puzzle-
stücke zusammenzutragen . Ich verspreche Ihnen: Ich
bleibe dran .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824308800

Zwischenzeitlich liegt das von den Schriftführerinnen

und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentli-
chen Abstimmung – Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED
Operation SOPHIA; das sind die Drucksachen 18/12491
und 18/12868 – vor: abgegebene Stimmen 586 . Mit Ja
haben gestimmt 467, mit Nein haben gestimmt 116, Ent-
haltungen 3 . Die Beschlussempfehlung ist damit ange-
nommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 586;

davon

ja: 467

nein: 116

enthalten: 3

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle

Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer

Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe

Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Dr . h . c . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Rainer Hajek
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt

Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Marion Marga Herdan
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer

Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h . c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers

Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster


(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke






(A) (C)



(B) (D)


Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Matthäus Strebl
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
HonD Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold

Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Bettina Bähr-Losse
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h . c . Gernot Erler
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich

Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen‑Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold

Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho‑Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein






(A) (C)



(B) (D)


Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

Nein

SPD

Klaus Barthel
Dr . Ute Finckh-Krämer
Cansel Kiziltepe
Hilde Mattheis

(Wol mirstedt)


DIE LINKE

Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko

Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke

Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

SPD

Marco Bülow

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Tom Koenigs

Wir fahren in der Aussprache fort . Nächster Redner ist
der Kollege Uli Grötsch für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1824308900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie
heute nach Berlin gereist sind, um dieser Debatte bei-
zuwohnen! Wir sind noch lange nicht am Ende unserer
Reformbestrebungen angekommen: Diesen Satz habe
ich hervorgehoben, als ich zum Stand der Umsetzung
von Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsaus-
schusses des Deutschen Bundestages an dieser Stelle ge-
sprochen habe . Das ist ziemlich genau acht Monate her .
Damals waren wir noch mitten im zweiten NSU-Unter-
suchungsausschuss . Heute stehen wir vor dem Abschluss
unserer Arbeit in dieser Wahlperiode .

Was steht am Ende dieses Ausschusses, der viermal
mehr Akten und Daten ausgewertet hat als alle ande-
ren parlamentarischen Untersuchungsausschüsse die-
ser Wahlperiode? Ich kann, nein, ich muss vielmehr an
meine Worte vom November 2016 anschließen . Mit der
Vorlage unseres umfangreichen Abschlussberichtes ist
die Aufarbeitung einer der schwersten Verbrechensse-
rien in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
ein weiteres Stück vorangekommen . Aber abgeschlossen
ist sie damit mit Sicherheit nicht, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie muss für uns alle, für die selbstverständlich ist,
dass in Deutschland Menschenfeindlichkeit und Ras-
sismus keinen Platz haben, vielmehr eine Daueraufgabe
sein . Dafür brauchen wir funktionierende Sicherheitsbe-






(A) (C)



(B) (D)


hörden, die bei den Bürgerinnen und Bürgern Vertrauen
genießen . Dafür brauchen wir eine starke Zivilgesell-
schaft . Und dafür brauchen wir engagierte Politikerinnen
und Politiker in allen Fraktionen des Deutschen Bundes-
tages . Dieser Ausschuss hat gezeigt: Diese Politikerinnen
und Politiker haben wir in allen Fraktionen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass
es in Deutschland auch nach dem NSU eine konkrete
Terrorgefahr gibt, die von Rassistinnen und Rassisten
ausgeht . Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns des-
halb bereits bei der Einsetzung dieses Untersuchungsaus-
schusses das Ziel gesetzt, den Blick insbesondere auf die
hinter dem NSU-Trio agierenden Netzwerke aus Unter-
stützerinnen und Unterstützern zu richten .

Dies sind wir insbesondere den Hinterbliebenen der
Ermordeten und den Opfern der Anschläge schuldig . Die
Angehörigen fragen sich nach wie vor, warum ihr Va-
ter, ihr Bruder, ihr Sohn oder ihre Tochter getötet oder
schwer verletzt wurden . Sie fragen sich, ob es noch wei-
tere Personen gibt, die an den Taten beteiligt waren, ob
es Mittäterinnen oder Mittäter als Hinweisgeber oder als
bei der Auswahl der Opfer behilfliche Ortskundige gibt.

Dasselbe gilt – das möchte ich hervorheben – für den
Umstand, inwieweit jene gegebenenfalls auch heute noch
aktiv sind, wobei es für mich keine Frage ist, ob jene
nach wie vor aktiv sind, sondern vielmehr, in welchen
Strukturen diese ihr menschenverachtendes Gedanken-
gut heute noch ausleben .

Auch aus diesem Grund, um das zu ergründen, haben
wir die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten ange-
regt . Auf unsere Initiative hin konnten wir dafür Profes-
sor Dr . Bernd von Heintschel-Heinegg gewinnen, der
diese Funktion wirklich außerordentlich kompetent und
engagiert übernommen hat . Dafür sei ihm und seinen
Mitarbeitern an dieser Stelle ausdrücklich gedankt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ergänzend haben wir als SPD-Bundestagsfraktion die
Beauftragung von Sachverständigengutachten auf den
Weg gebracht, mit der ein Ziel verbunden war: Wir woll-
ten die Regionen analysieren, in denen die Terrorgrup-
pe NSU ihre Taten begangen hatte bzw . in der sie sich
radikalisiert hatte und dann untergetaucht ist . Auf diese
Weise ist es uns im Untersuchungsausschuss gelungen,
ein möglichst umfassendes Bild der lokalen rechtsextre-
men Strukturen an den Tatorten der Terrorgruppe NSU
einschließlich ihrer Vernetzung zu anderen rechtsextre-
men Szenen sowie ganz ausdrücklich zur organisierten
Kriminalität und etwa zur Rockerszene zu erarbeiten .

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, dass ich
davon ausgehe, dass dieselben Fehler der Sicherheits-
und Ermittlungsbehörden, die letztendlich zu dem ge-
führt haben, was wir heute als NSU-Desaster kennen,
nicht nochmals begangen werden . Auch das halte ich für

einen ganz wichtigen Aspekt: dass Fehler, die damals ge-
macht wurden, nicht heute noch einmal in gleicher Weise
gemacht werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube, sagen zu dürfen, dass aus den Handlungs-
empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der
17 . Wahlperiode in der Zwischenzeit wichtige Reformen
resultiert sind . Diese aber müssen bei der Polizei, beim
Verfassungsschutz, bei der Justiz, im Bund und in den
Ländern natürlich auch fortgeführt werden .

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch noch eini-
ge grundlegende Sätze zum Thema Zeugenvernehmun-
gen bzw . Ausschusssitzungen sagen . Ja, Herr Schuster,
es war wichtig, dass wir uns in aller Ausführlichkeit etwa
mit den Ereignissen in Eisenach und am 4 . November
2011 in Zwickau befasst haben . Auf diese Weise konn-
ten wir erfreulicherweise diverse Verschwörungstheorien
widerlegen, wonach durch gezielte Manipulationen der
Tathergang in Eisenach bewusst verfälscht worden sei .
Ich schließe mich dem an und sage: Das ist nachhaltig
widerlegt, liebe Kolleginnen und Kollegen .

Gleichzeitig aber haben wir uns im Ausschuss durch
teilweise äußerst intensive Befassungen, etwa mit den To-
desumständen des ehemaligen BfV-V-Mannes „ Corelli“,
womöglich die Möglichkeit genommen, in der gebotenen
Ausführlichkeit auch andere Komplexe umfassend zu
beleuchten . Das war vielleicht auch das einzige Problem
dieses Ausschusses: dass uns am Ende die Zeit nicht ge-
reicht hat . Wir hätten uns letzten Endes alle gewünscht,
dass die 18 . Wahlperiode noch ein paar Wochen länger
dauern würde, weil wir noch Fragen gehabt haben .

Ich halte zwei regionale Schwerpunkte für besonders
relevant . Das ist zum einen Mecklenburg-Vorpommern,
wo sich inzwischen das Parlament mit diesem Thema
befasst . Wie weit das ausreicht, werden die nächsten
Monate und womöglich Jahre zeigen müssen . Und das
ist zum anderen nach wie vor Bayern . Gerade in Bezug
auf Bayern gibt es meiner Ansicht nach noch erheblichen
Aufklärungsbedarf .

Ich rufe das gerne noch einmal in Erinnerung: Drei
der zehn Morde wurden in Nürnberg begangen . So oft
wie nirgendwo sonst wurde in Nürnberg gemordet . Hin-
zu kommen zwei Morde in München . Führende Köpfe
der bayerischen Neonazi-Szene werden auch heute noch
in Verbindung mit dem NSU-Umfeld gebracht . Deshalb
ist mir das ein besonderes Anliegen .

Heute ist es für mich aus all diesen Gründen nicht an
der Zeit, ein abschließendes Fazit zu ziehen . Vielmehr ist
auch in Zukunft alles dafür zu tun, vorhandene rechtster-
roristische Untergrundstrukturen nachhaltig aufzudecken
und trockenzulegen und rechten, rassistischen und anti-
semitischen Einstellungen in unserer Gesellschaft konse-
quent entgegenzutreten .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


Wir müssen aus den Erkenntnissen rund um den NSU
in Sicherheits- und Ermittlungsbehörden wie auch in Po-
litik und Gesellschaft endlich umfassend die Lehre zie-
hen, die Gefahr rechtsextremistischen Terrors ernst zu
nehmen . Diese stellt nach wie vor ein erhebliches Risiko
für unsere Demokratie dar . Wir dürfen davor nicht die
Augen verschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen .

Ich werde deshalb an dieser Stelle heute allenfalls das-
selbe sagen wie im November 2016: Abgeschlossen ist
die Aufarbeitung hier und heute noch lange nicht . Das
Einstehen gegen Rechtsextremismus wird mich und uns
alle, die wir uns mit diesem Komplex befasst haben und
auch in Zukunft befassen werden, wahrscheinlich unser
Leben lang begleiten . Wir alle sind aufgefordert, niemals
damit aufzuhören, nicht nachlässig zu werden und enga-
giert zu bleiben, weit über diese Stunde hinaus .

Wehret den Anfängen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Lassen Sie es uns nicht hinnehmen, dass sich rechts-
extremes Gedankengut in Deutschland wieder Bahn zu
brechen sucht! Sie kennen vielleicht die Gedenktafel für
die NSU-Opfer in Nürnberg . Es sind für mich ganz be-
sonders vier Worte, die darauf für sich sprechen . Diese
Worte lauten: „Wir sagen: Nie wieder!“ In diesem Sinne:
Lassen Sie uns niemals aufhören, dafür einzutreten!

Vielen Dank .


(Beifall im ganzen Hause)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824309000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Irene Mihalic für

Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824309100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Verehrte Damen und Herren der Familien
der Opfer! Anderthalb Jahre haben wir intensiv gelesen,
ausgewertet, beraten, befragt – insgesamt rund 80 Zeu-
gen und Sachverständige . Auch wenn viele Fragen und
Zweifel bleiben: Ich finde, es hat sich gelohnt. Wir haben
weitere wichtige Mosaiksteine der Aufklärung zu diesem
Gesamtbild hinzufügen können. Ich finde, dass wir als
Fraktionen hier wirklich hervorragend zusammengear-
beitet haben, zwar mit unterschiedlichen Schwerpunk-
ten – gar keine Frage –, aber immer mit dem klaren ge-
meinsamen Ziel, die Terrorserie, so gut es geht, politisch
aufzuarbeiten . Dabei sind wir erkennbar weitergekom-
men .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Mein Dank gilt neben den Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern, die beim Aktenstudium und bei der Voraus-
wertung wirklich schier Unglaubliches geleistet haben,
ganz besonders dem Ausschussvorsitzenden Clemens
Binninger . Lieber Clemens, du hast gezeigt, dass man
trotz aller politischen Unterschiede einen solchen Un-
tersuchungsausschuss wirklich fair und umsichtig leiten
kann . Dafür ganz herzlichen Dank . Leider erleben wir
dieser Tage ganz andere Beispiele .


(Beifall im ganzen Hause)


Ich danke dir aber auch, wie die ganze Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen, für dein großes Engagement . Wir
werden dich hier im Bundestag wirklich vermissen .

Das gilt auch und gerade bei der weiteren Befassung
mit dem NSU-Komplex; denn eines ist völlig klar: Der
Untersuchungsausschuss mag beendet sein, die Aufklä-
rung ist es nicht. Zu viele Fragen sind noch offen und
konnten aufgrund der knappen Zeit bestenfalls angeris-
sen werden . Ein solches Thema ist zum Beispiel die Rol-
le von Blood & Honour. Trotz der vielen offenen Punkte
sehe ich im Ergebnis aber drei klare Befunde, die der Un-
tersuchungsausschuss herausarbeiten konnte .

Punkt eins . Die Ermittlungen nach dem 4 . November
2011 waren viel zu eng auf das Trio und das unmittelbare
Umfeld ausgelegt . Die Frage rechter Netzwerke wurde
konsequent ausgeblendet . Wichtige Spuren wurden ver-
nachlässigt – die Kollegin Pau hat es erwähnt –, zum Bei-
spiel die Rolle des ehemaligen V-Manns „Primus“, der
eben nicht nur zeitgleich mit dem Trio in Zwickau ge-
lebt hat, sondern auch eine zentrale Figur in der rechten
Szene war . Wir haben glaubwürdige Zeugen im Unter-
suchungsausschuss gehört, die Beate Zschäpe in einem
seiner Geschäfte gesehen haben und auch Uwe Mundlos
als Mitarbeiter auf einer seiner Baustellen erkannt haben .

Alles, was auch nur ansatzweise die These vom allein
handelnden Trio irgendwie ins Wanken bringen könnte,
wird vom Generalbundesanwalt bis heute konsequent
ausgeblendet und in ein Ermittlungsverfahren gegen
unbekannt ausgelagert . Deshalb muss man leider sagen:
Der Tunnelblick, der dazu geführt hat, dass die Verbre-
chen des NSU nicht als rechter Terror erkannt wurden,
besteht bis heute. Nur, dass man diesmal die Verflechtung
des Trios mit rechten Netzwerken und deren mögliche
Beteiligung nicht sehen will – ein Riesenversäumnis, das
praktisch unheilbar ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Punkt zwei . Die Zusammenarbeit von Polizei und Ver-
fassungsschutz ist ein Problem . Es gibt seitens der Poli-
zei ein großes Misstrauen gegenüber dem Verfassungs-
schutz, weil immer die Vermutung im Raum steht, dass
V-Leute in der militanten Naziszene Behördenwissen für
ihre Zwecke nutzen . Der Verfassungsschutz hat V-Leute
vor Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gewarnt
oder versucht, auf Staatsanwälte einzuwirken . Das haben
wir herausgefunden, und das nannte sich dann Quellen-
schutz . Dieser Quellenschutz ging dann noch so weit,
dass der Verfassungsschutz kaum Informationen an die
Polizei weitergegeben hat .

Und ja, Kollege Schuster, ermitteln und bewerten
muss am Ende die Polizei, und anklagen muss die Staats-
anwaltschaft . Aber wenn der Verfassungsschutz das hin-
tertreibt, ist das ein Problem und zeigt, warum das an
mancher Stelle nicht möglich ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


Das bringt mich zu Punkt drei . Das Bundesamt für
Verfassungsschutz hat auch nach dem 4 . November keine
Konsequenzen aus dem NSU-Komplex gezogen, im Ge-
genteil: Die erste erkennbare Reaktion war das Schred-
dern von Akten über V-Leute . Erst durch diesen Untersu-
chungsausschuss wissen wir, dass die Akten vorsätzlich
und gezielt vernichtet wurden, um unangenehme Fragen
über die Anzahl der V-Leute im näheren NSU-Umfeld im
Keim zu ersticken . Viele Akten sind unwiederbringlich
verloren . Und all das hatte keine Konsequenzen . Das ist
ein Riesenskandal, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch der aktuelle Amtsleiter hat bisher keine Anstren-
gungen unternommen, um diesen Vorfall aufzuarbeiten .
Herr Maaßen hat sich ausdrücklich dagegen entschieden,
den Fall noch einmal intern untersuchen zu lassen .

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen
„Verfassungsschutz post NSU“ . Da herrscht immer noch
der alte Geist des Blockierens, Vertuschens und Verne-
belns . Es geht immer so weiter, aber es darf so nicht wei-
tergehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt einen riesigen Reformstau in unserer Sicher-
heitsarchitektur, den wir endlich anpacken müssen, damit
alle Menschen in unserem Land – egal wer sie sind und
egal woher sie kommen – frei und sicher leben können .
Was dafür zu tun ist, liegt offen auf der Hand und in unser
aller Verantwortung .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824309200

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr . Volker Ullrich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1824309300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir ziehen heute nach eineinhalb Jahren der
Beweisaufnahme und zahlreichen Sitzungen Bilanz des
NSU-Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode .

Dieser Ausschuss war in der Tat etwas Besonderes .
Normalerweise sind Untersuchungsausschüsse auch
Instrumente der parlamentarischen Minderheit, Regie-
rungshandeln zu überprüfen . Dieses Mal war es aufgrund
der Erschütterung unserer Rechtsordnung das gemein-
sam gebotene Interesse, die Aufklärung voranzutrei-
ben – nicht allein im Interesse einer historisch richtigen
Geschichtsschreibung, sondern weil wir das auch den
Opferfamilien und ihrem Schmerz schuldig sind .

Wir haben uns die Fragen gestellt, was in Eisenach
passiert ist, wie es am Tatort Heilbronn war und ob es ein
Trio war oder ob es weitere Helfer in der engeren Füh-
rung gab, die in diese Mordserie eingebunden waren . Es
freut mich, dass wir einige der Verschwörungstheorien
aus der Welt schaffen konnten, insbesondere die immer
wieder geäußerte These, dass in Eisenach eine dritte Per-
son am Wohnmobil die Morde an Mundlos und Böhn-
hardt begangen habe .

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass bei-
spielsweise im Tatkomplex Heilbronn weitere wichtige
Fragen nach wie vor offen sind. Auch konnten wir nicht
zweifelsfrei die Frage klären, ob weitere Personen und
Organisationen unmittelbar eingebunden waren . Genau
das darf uns nicht ruhen lassen . Das muss Ansatz sein,
gerade auch in den Strafverfolgungsbehörden weitere
und intensive Ermittlungen aufzunehmen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben auch viel über das V-Leute-Wesen und
über den Verfassungsschutz gesprochen . Ja, es hat sich
auch in diesem Untersuchungsausschuss gezeigt, dass
beim Verfassungsschutz eklatante Fehler gemacht wor-
den sind: vom Schreddern der Akten über eine schlam-
pige V-Mann-Führung vielleicht bis hin sogar zu einem
Wegsehen oder zumindest zu einem Nichterkennenwol-
len .

Aber wichtig ist auch, zu sagen, dass damit nicht ein
generelles Urteil über den Verfassungsschutz gefällt
werden darf . Eine wehrhafte Demokratie braucht auch
einen starken Verfassungsschutz, der sich nicht nur in
der Analyse erschöpft, sondern auch die Quellen mit
V-Leuten anzugehen versucht, damit wir eine Analy-
se der Personen bekommen, die unsere Rechtsordnung
und unsere Verfassung beseitigen wollen . Deswegen war
es richtig und notwendig, dass der Staat – ich gebe das
ganz offen zu – am umstrittenen V‑Leute‑Wesen festhält,
aber diese V-Leute besser kontrolliert und ihnen klarere
rechtliche Rahmenbedingungen gibt . Das ist in Sachen
Verfassungsschutz die richtige Botschaft . Wir sollten an-
erkennen, dass sich seit 2011 und auch beginnend mit
dem ersten Untersuchungsausschuss im Bereich des Ver-
fassungsschutzes eine Fehlerkultur etabliert hat und dass
es aufrichtige Bemühungen gibt, im Rahmen des Verfas-
sungsschutzes aus den Fehlern zu lernen . Auch das ge-
hört zur Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sollten auch anerkennen, dass im Laufe dieser Le-
gislaturperiode sehr viele der 50 Empfehlungen des ers-
ten Untersuchungsausschusses umgesetzt worden sind,
insbesondere zur Kompetenz des Generalbundesanwalts,
sodass er zukünftig – das wollen wir nicht hoffen – bei
ähnlichen Taten viel schneller und gezielter ermitteln
kann .

Mehr Aufklärungsarbeit kann ein Parlament kaum
leisten . Ich weiß auch, dass quälende Fragen bleiben und
dass sich vor allen Dingen die Angehörigen nach wie
vor die Frage nach dem Warum stellen: Warum sind ihre
Angehörigen als Opfer ausgesucht worden? Was war der

Irene Mihalic






(A) (C)



(B) (D)


Hintergrund dieser Mordserie? Leider können wir ihnen
keine Antworten geben. Aber ich hoffe, dass sie uns allen
in diesem Land die von Ehrlichkeit getragene Unterneh-
mung abnehmen, dass wir alles tun, um diese Mordserie
aufzuklären, und dass wir vor allen Dingen auch verhin-
dern wollen, dass zukünftig Ähnliches passiert, dass wir
Freiheit, Menschenwürde und den Kern unserer Demo-
kratie schützen und dass wir entschlossen gegen Rechts-
extremismus und Verfassungsfeinde aller Art vorgehen .
Das ist unsere gemeinsame Aufgabe . Ich danke allen
Kollegen, die dies unternommen haben . Ich glaube, das
war ein wichtiger und notwendiger Dienst .

Vielen Dank .


(Beifall im ganzen Hause)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824309400

Vielen Dank . – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt

Monika Lazar das Wort .


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824309500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Gäste! Auch ich fand die Zusammenarbeit
im NSU-Untersuchungsausschuss sehr angenehm und
kollegial . Da wir mehrfach Zeuginnen und Zeugen aus
Sachsen hatten, konnte ich, wenn diese manchmal in sehr
starkem sächsischen Dialekt redeten, ab und zu flüsternd
zur Seite stehen und helfen .

So manches Mal, wenn die Situation in Ostdeutsch-
land in den 90er-Jahren geschildert wurde, kamen bei mir
eigene Erinnerungen hoch . Die Ausschusskolleginnen
und -kollegen wunderten sich oft, wenn Zeugen aus der
rechten Szene schilderten, wie „normal“ sie in einigen
Gegenden in Sachsen und Thüringen agieren konnten .
Ja, es war wirklich so . Es konnte sehr schnell passie-
ren, dass man angegriffen wurde, wenn man irgendwie
„nicht rechts“ aussah . Das reichte vollkommen aus . Mein
Bruder wurde in den 90er-Jahren in Sachsen, in Leipzig,
zusammengeschlagen, weil er Punk war . Trotz all dieser
Widrigkeiten können wir froh sein, dass sich Jugendliche
fanden, die nicht tatenlos zusahen, sondern sich zusam-
menschlossen . Manche wie das Bündnis gegen Rechts
in Leipzig gibt es nicht mehr, aber wir sehen uns häufig
bei Aktionen in Leipzig . Andere wie das Netzwerk für
Demokratische Kultur in Wurzen oder die Aktion Zivil-
courage und AKuBiZ in Pirna gibt es bis heute, und sie
machen professionelle Demokratiearbeit,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


und das, obwohl ihnen – in Sachsen teilweise bis heute –
Misstrauen entgegenschlug und sie als Nestbeschmutzer
bekämpft wurden .


(Zuruf von der LINKEN: So ist das in Sachsen!)


Erstmals wurden solche zivilgesellschaftlichen Initia-
tiven mit dem Bundesprogramm Civitas unter der dama-
ligen rot‑grünen Bundesregierung finanziell unterstützt.
Seitdem ist zum Glück viel passiert . Die Mittel für das
Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wurden massiv

aufgestockt . Selbst die Kolleginnen und Kollegen der
Union haben erkannt, dass das Engagement für unsere
Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus und An-
tisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind .
Aber bis dahin musste eben viel zu viel Schreckliches
passieren, wie wir unter anderem nach der Selbstenttar-
nung des NSU-Trios herausfanden . Das Versagen der Be-
hörden macht deutlich, wie unverzichtbar eine kompe-
tente Zivilgesellschaft für den Kampf gegen Rassismus
ist. Eine Neustrukturierung der finanziellen Förderung
forderte bereits der letzte NSU-Untersuchungsausschuss
vor vier Jahren . Die Förderung sollte laut damaliger Be-
schlussempfehlung „auf bundesgesetzlicher Basis auch
unter Einbeziehung der Länder“ erfolgen .

Gerade die mobilen Beratungsteams und die Opferbe-
ratungsstellen sind Beispiele dafür, wo der Westen vom
Osten lernen kann; denn dank des Civitas-Programms
haben diese Projekte qualitativ hochwertige Arbeit leis-
ten und hohe Standards entwickeln können, die wir jetzt
im gesamten Land als Vorbild brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir Grünen fordern deshalb ein Demokratiefördergesetz
zur nachhaltigen Demokratiestärkung und Prävention ge-
gen Rechtsextremismus .


(Marian Wendt [CDU/CSU]: Und gegen Linksextremismus!)


Damit wollen wir all diejenigen von Antragsbürokratie
entlasten, ermutigen und besser fördern, die sich für un-
sere Demokratie engagieren, besonders in Gegenden, wo
es bis heute nicht einfach ist . Rassismus darf in unserem
Land nie wieder Menschenleben kosten . Dafür müssen
wir auch weiterhin alle gemeinsam alles in unserer Ver-
antwortung Mögliche tun .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824309600

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Susann Rüthrich

für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Susann Rüthrich (SPD):
Rede ID: ID1824309700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Geflüch-
teter wird angegriffen und auf dem Polizeirevier gefragt,
wie er denn die Angreifer provoziert hätte . Ich unterhal-
te mich in meinem Bürgerbüro mit einer Mutter, und sie
sagt mir: Wissen Sie, Frau Rüthrich, mein Junge studiert
jetzt in Wien, und ich bin ganz froh, dass er dort ist, weil
ich hier jedes Mal Angst um ihn habe, wenn er mit seiner
Afrofrisur draußen herumläuft . – Zwei aktuelle Beispiele
für zentrale Fragen: Haben wir aus dem NSU-Desaster
genug gelernt? Könnte es uns wieder passieren?

Dr. Volker Ullrich






(A) (C)



(B) (D)


Wie Sie bereits gehört haben, haben wir uns mit sehr
unterschiedlichen Blickwinkeln diesen Fragen gewid-
met . Ich habe mir folgende Fragen für den Untersu-
chungsausschuss gestellt:

Erstens . Die Art der Ermittlungen hat die Opfer des
NSU nochmals traumatisiert . Ist ausgeschlossen, dass
heute noch so ermittelt wird?

Zweitens . Erkennen wir heute die Radikalisierung
in unserer Nachbarschaft, wenn Menschen meinen, der
Worte seien genug gewechselt, es müssten endlich Taten
folgen?

Drittens . Sind wir heute darauf eingestellt, die Netz-
werke der Rechtsextremen und deren Strategien zu er-
kennen? Haben wir die Netzwerke enttarnt und unschäd-
lich gemacht, die den NSU umgeben haben?

Viertens . Stehen diejenigen heute auf stabilen Füßen,
die sich der Radikalisierung entgegenstellen, die politi-
sche Bildungsarbeit machen, die die Opfer begleiten, die
Kommunen beraten, die zivilgesellschaftliches, vielfälti-
ges Leben organisieren, welches ja bekanntermaßen am
besten gegen Rechtsextremismus hilft?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich täte nichts lie-
ber, als alle diese Fragen heute mit Ja zu beantworten;
doch das ist leider nicht der Fall . Unzweifelhaft ist viel
geschehen . Das, was wir an Strukturen ändern mussten,
ist weitestgehend umgesetzt . Das allerdings scheint mir,
obwohl es viel Anstrengung kostete, die leichtere Aufga-
be gewesen zu sein .

Der eingeforderte Mentalitätswandel ist die größe-
re Aufgabe . Sicher, auch die wurde angegangen . Aber
ich habe im Ausschuss zu oft gehört, dass in die falsche
Richtung ermittelt wurde, jedoch nicht, warum . Warum
hat man denn, wenn ein Mord in der Nähe eines Bahn-
hofs geschah, mit allem Nachdruck und ohne individuel-
le Anhaltspunkte ins Drogenmilieu ermittelt? Warum war
der in der Nachbarschaft liegende Kameradschaftstreff
kein Anhaltspunkt für Ermittlungen? Warum? Die Hin-
terbliebenen haben oft genug gesagt: Wir kennen doch
unsere Feinde . Wir denken, es waren Nazis . – Oft habe
ich im Ausschuss die Aussage gehört: Na ja, solange wir
keine Belege dafür haben, gehen wir nicht davon aus . –
Müssen die Opfer den rauchenden Colt liefern, damit in
diese Richtung ermittelt wird? Solange hier nicht aktiv
gegengesteuert wird, solange entsprechende rassismus-
kritische Fortbildungen fakultativ bleiben, solange es
wenig Auseinandersetzung darüber gibt, inwieweit Vor-
annahmen dazu führen können, dass Menschen aufgrund
ihrer Herkunft oder ihres Aussehens nicht angemessen
behandelt werden, so lange muss sich eine Behörde Fra-
gen nach dem Umgang mit institutionellem Rassismus
gefallen lassen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Martin Patzelt [CDU/CSU])


Ich weiß sehr wohl, dass wohl niemand in einer Behörde
absichtlich und überzeugt rassistisch agieren will – um
Gottes willen! –, aber gerade deswegen brauchen wir ein
aktives Gegenwirken .

Zum zweiten Punkt, der Radikalisierung . Beim NSU
sieht man exemplarisch, wie sich eine Gruppe innerhalb
von circa zehn Jahren immer mehr radikalisiert hat . Und
heute? In Freital waren es zehn Monate vom Wort zur
Tat . Dauert es irgendwann zehn Wochen? Sind wir so
weit, diese Radikalisierungsprozesse zu erkennen?

1 000 Angriffe auf Geflüchtete, deren Unterkünfte und
Helfer hat das BKA allein im letzten Jahr gezählt, wie
auch in dem davor . Zu selten können die Täter dingfest
gemacht werden und wenn, dann ist die Überraschung
immer groß: Der ist ja in gar keiner Struktur eingebun-
den, also Einzeltäter . – 1 000 Einzeltäter pro Jahr? Wissen
Sie, ein vom Kölner Nagelbombenattentat Betroffener
sagte mir: Wir waren damals gemeint, und wir wissen,
wir sind auch heute noch gemeint . Wir sollen uns hier
in Deutschland nicht sicher fühlen . Und ihr? Ihr benennt
es wieder nicht als das, was es ist: Terror . – Der Mann
hat recht . Angst und Schrecken unter Bevölkerungsgrup-
pen zu verbreiten, das ist die spezifische Form rechten
Terrors unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Mehr-
heitsgesellschaft, weil wir selbst ja nicht bedroht sind .

Im Ausschuss fragte ich oft: Wie definieren Sie denn
Terror? Antwort: Na ja, halt so was wie eine rechte
RAF . – Doch so simpel ist es nicht, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Rechter Terror trifft Minderheiten und
richtet sich nicht wie die RAF gegen staatliche Reprä-
sentanten. Es braucht auch keine öffentliche Forderung
als Bekenntnis . Die Tat ist das Bekenntnis . Die Tat sagt:
Wir wollen, dass sich Minderheiten in diesem Land nicht
wohlfühlen, dass sie vertrieben werden. – Die Betroffe-
nen wie auch die rechte Szene verstehen das sehr wohl;
nur die Mehrheitsgesellschaft versteht es zu oft nicht .
Das muss sich ändern .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU])


In den Behörden wie auch auf allen anderen Ebenen
muss ein neues Verständnis der tatsächlichen Bedrohung
einziehen; denn nicht erst, wenn unsere staatliche Ord-
nung infrage gestellt wird, wie es Zeuginnen und Zeugen
häufig definierten, haben wir es mit Rechtsextremismus
zu tun. Jeder Angriff auf einen Menschen ist ein Angriff
auf uns alle und unsere Werte; denn Artikel 1 des Grund-
gesetzes schützt die Würde eines jeden Menschen .

Zu Punkt drei: Wer hat das Kerntrio unterstützt? Wir
als SPD-Fraktion gehen davon aus, dass die drei nicht
nach Chemnitz und Zwickau gegangen sind, weil da
gerade eine günstige Wohnung frei war . Deshalb fragen
wir, wie denn, wenigstens nachdem klar war, dass Na-
zis gemordet haben, in die rechte Szene vor Ort ermittelt
wurde. Offenbar gar nicht oder zu wenig! Es wurde nur
gegen diejenigen ermittelt, die durch entsprechende As-
servate beim Trio selbst aufgefallen sind . In einer kons-
pirativ agierenden Szene ist das zu wenig . Die von uns
in Auftrag gegebenen Gutachten zeigen sehr genau, dass
es Verbindungen und Kennverhältnisse hinsichtlich der
Tatorte gab . Das mag noch kein Beleg für eine Mittä-
terschaft sein; aber es kann dazu beitragen, die Fragen
der Hinterbliebenen zu beantworten: Warum mein Vater,
mein Bruder, mein Sohn, meine Tochter?

Susann Rüthrich






(A) (C)



(B) (D)


Zu guter Letzt zur Unterstützung für diejenigen, die
das demokratische Netz bilden, das Rassismus und an-
dere Menschenfeindlichkeiten eindämmt . Wir hatten im
Koalitionsvertrag und mit den Forderungen aus dem letz-
ten NSU-Untersuchungsausschuss beschlossen, dass es
eine eigene gesetzliche Lösung gibt, um die Dauerauf-
gabe „Demokratiebildung gegen Radikalisierung“ dauer-
haft abzusichern . Ja, wir haben das Programm „Demo-
kratie leben!“ auf fünf Jahre angelegt und damit auf eine
längere Zeit als jedes Programm zuvor . Heute sind über
100 Millionen Euro darin; auch das ist mehr als jemals
zuvor . Aber es endet 2018 . Ich erwarte, dass dann 2019
endlich das Bundesgesetz kommt .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das erwarten auch die Engagierten von uns, und zwar
zu Recht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Aus-
schuss in großer Einmütigkeit zusammengearbeitet . Ich
danke allen Mitgliedern dafür . Ja, wir Demokratinnen
und Demokraten stehen zusammen gegen Angriffe von
rechts. Wir stehen an der Seite der Opfer und Betroffe-
nen . Wir stehen an der Seite derer, die sich für eine de-
mokratische und menschenfreundliche Gesellschaft ein-
setzen . Lassen Sie uns das auch in Zukunft tun, und zwar
nicht nur in einem Untersuchungsausschuss, sondern alle
gemeinsam!

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824309800

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Sylvia Jörrißen,

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sylvia Jörrißen (CDU):
Rede ID: ID1824309900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 25 . April
dieses Jahres fand in Heilbronn die Gedenkveranstaltung
zum zehnten Todestag von Michèle Kiesewetter statt .
Vor zehn Jahren wurde die junge Polizeibeamtin an der
Theresienwiese ermordet . Ihr Andenken bleibt unverges-
sen, so wie das der neun weiteren Mordopfer des NSU .
Der schmerzliche Verlust, den die Hinterbliebenenfami-
lien erleben mussten, ist kaum in Worte zu fassen, auch
heute noch .

10 Morde, 3 Sprengstoffanschläge, 14 Banküberfäl-
le, das ist die erschreckende Bilanz, die nachhallt, wenn
wir heute an den NSU denken. Nach dem Auffliegen des
NSU im November 2011 und einer Zeit der Fassungslo-
sigkeit galt es, zu klären, wie es zu diesen schrecklichen
Gräueltaten kommen konnte und, was mindestens ebenso

wichtig ist, was wir tun können, damit sich so etwas in
unserem Land nie wiederholt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aus dieser Grundintention begann hier im Parlament
die Zeit der Aufarbeitung . Der Untersuchungsausschuss
der 17 . Wahlperiode hat zahlreiche strukturelle Fehler
und Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden zutage
gefördert . Schon der erste NSU-Untersuchungsausschuss
hat sich in seinem umfassenden Bericht für zahlreiche
Empfehlungen ausgesprochen, an denen wir in dieser
Legislaturperiode hart gearbeitet haben . Freilich sind wir
noch nicht am Ziel angekommen, und freilich kann der
Bericht der 17 . Legislaturperiode nur als Zwischenbe-
richt verstanden werden; denn viele Fragen sind damals
offengeblieben. Es war daher unverzichtbar, in dieser
Wahlperiode einen weiteren Untersuchungsausschuss
einzusetzen, um uns der Verantwortung gegenüber den
Opfern, gegenüber den Hinterbliebenenfamilien und ge-
genüber allen Menschen in unserem Land zu stellen . Wir
wollen aufklären, was es aufzuklären gibt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Schon im ersten Untersuchungsausschuss wurde
stets hervorgehoben, mit welcher Kooperationsbereit-
schaft und welcher vertrauensvollen Zusammenarbeit
alle Fraktionen gemeinsam an einem Strang gezogen
haben . Obwohl ich selbst seinerzeit kein Mitglied dieses
Ausschusses war, möchte ich behaupten, dass der zwei-
te Untersuchungsausschuss dieser gemeinsamen und
sachorientierten Arbeit in nichts nachstand . Für dieses
zielgerichtete und von jeglicher Parteicouleur losgelös-
te Arbeiten möchte ich mich bei allen Kolleginnen und
Kollegen ganz herzlich bedanken .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ergebnis dieser vertrauensvollen Arbeit ist der rund
1 800-seitige Abschlussbericht . Auch wir kommen
nicht umhin, einige Empfehlungen auszusprechen . Ei-
nen Punkt möchte ich besonders hervorheben, und zwar
die ergebnisoffene Ermittlungsarbeit der Behörden bzw.
das Fehlen dieser . Denn was bereits der erste Untersu-
chungsausschuss herausgefunden hatte, bestätigte sich
in zahlreichen Zeugenvernehmungen bei uns . Die Art
und Weise, wie Verantwortliche gehandelt haben, macht
manchmal den Eindruck, als hätten sie Scheuklappen
aufgehabt . Das ist für mich absolut unverständlich .

Nur ein Beispiel: Da ist bereits Mitte der 90er-Jahre in
einem einschlägigen rechtsgerichteten Magazin die Rede
davon, dass man aus dem Untergrund heraus agieren sol-
le, dass man autonome Zellen bilden und Strukturen auf-
bauen solle – quasi eine ideologische Eins-zu-eins-Blau-
pause für den späteren NSU . Ein Exemplar wird dann
sogar 1998 in der Garage in Jena gefunden . Es war also
bekannt . Trotzdem wird bei den Ermittlungen bis zum
4 . November 2011 der richtige Schluss, nämlich dass es
sich um rechtsmotivierte Taten gehandelt hat, entweder

Susann Rüthrich






(A) (C)



(B) (D)


gar nicht gezogen oder aber viel zu schnell wieder ver-
worfen . Meine Damen und Herren, das sind 13 Jahre!
13 Jahre ist niemand auf die Idee gekommen, dies als
Ermittlungsansatz heranzuziehen .

Ebenso wenig wurde nach dem Auffliegen des NSU
überhaupt in Betracht gezogen, dass das Trio nicht allein
gehandelt hat . Es fehlte an dezidierten Untersuchungen
zu Mittätern, Unterstützern, Netzwerken . Stattdessen
hielt man über den gesamten Zeitraum konsequent an
der Trio-These fest . In dieser Frage konnten wir wichtige
Anregungen für weitere Ermittlungen liefern . Ein Appell
für die Zukunft muss also lauten: ergebnisoffene Ermitt-
lungen und mehr Sensibilisierung, was rechtsmotivierte
Taten angeht!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gerade in Zeiten, in denen wir uns zunehmend mit
rechtspopulistischen Phrasen konfrontiert sehen, gilt dies
umso mehr, national wie international .

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss .
Klar ist, dass die strafrechtliche Aufarbeitung der Vor-
kommnisse am OLG in München noch nicht abgeschlos-
sen ist . Auf diese Ergebnisse blicken wir ebenso gespannt
wie auf die aus den einzelnen Untersuchungsausschüssen
der Länder . Auch wenn wir nicht alle Fragen vollends
klären konnten, so ist unsere Arbeit hier im Untersu-
chungsausschuss nun zu Ende . Gestatten Sie mir deshalb
noch, den Kolleginnen und Kollegen und allen Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere denen des
Ausschusssekretariats, ganz herzlich für ihre Arbeit zu
danken .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310000

Vielen Dank . – Der letzte Redner zu diesem Tages-

ordnungspunkt ist jetzt der Kollege Clemens Binninger,
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1824310100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Über fünfeinhalb Jahre parlamentarischer Aufklä-
rung sind, so will ich einmal sagen, an einem vorläufigen
Schlusspunkt angelangt . Zwei Untersuchungsausschüs-
se, der Innenausschuss des Deutschen Bundestages
und das Parlamentarische Kontrollgremium mit einem
Sonderermittler haben sich mit dem Fall NSU und sei-
nen Weiterungen befasst . Ich glaube, man kann wirklich
sagen: Noch nie in der Geschichte des Deutschen Bun-
destages wurde ein Sachverhalt so gründlich, so aufwen-
dig parlamentarisch untersucht wie dieser Komplex, wie
diese Verbrechensserie . Das zeigt, wie wichtig uns diese
Aufklärung war . Ich glaube, dass das Parlament all das
untersucht hat, was es untersuchen kann . Viel mehr kön-
nen Parlamentarier nicht machen . Vielleicht war es sogar

manchmal so, dass wir – der Ausschuss bestand ja zur
Hälfte aus ehemaligen Polizeibeamten – in einer fach-
lichen Tiefe gefragt haben, wie es nicht unbedingt von
Abgeordneten zu erwarten ist und wie es möglicherweise
auch die uns gegenübersitzenden Zeugen nicht erwartet
haben . Aber ich glaube, es hat dazu beigetragen, dass wir
einiges an neuen Informationen gewinnen konnten .

Wenn ich ein untechnisches Fazit unserer Ausschuss-
arbeit ziehen wollte, würde ich sagen: Wir haben mehr
herausbekommen als erwartet, aber weniger als erhofft,
weil natürlich noch drängende Fragen offengeblieben
sind . Dieser Bericht – weit über 1 500 Seiten –, unsere
Arbeit als Ganzes, die Arbeit dieses Parlamentes haben,
wie ich glaube, drei wichtige Beiträge geliefert: einen
Beitrag in der Sache, einen Beitrag für die Opfer und die
Familien der Opfer und einen Beitrag für die politische
und gesellschaftliche Debatte . Zu allen drei Bereichen
will ich kurz ein paar wenige Punkte anführen .

Was hat der Ausschuss als Beitrag in der Sache ge-
liefert? Eine der Leitfragen für uns war: War der NSU
wirklich nur ein Trio? Kann es sein, dass innerhalb des
Trios, so wie es der GBA formuliert, die beiden Männer
alle 27 Verbrechen alleine begangen haben – 10 Morde,
2 Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle, verteilt über
ganz Deutschland – und nirgendwo Spuren hinterlassen
haben, nirgendwo zweifelsfrei von Zeugen erkannt wur-
den? Sie sind Täter für uns, gar keine Frage . Aber kön-
nen sie es wirklich alleine gewesen sein? In der Rede der
Kollegin Mihalic wurde ja schon deutlich: Wir wissen
nicht, wie es war . Aber die Fixierung des Generalbundes-
anwaltes, der nur die Trio-These im Blick hatte, hat uns
nicht überzeugt .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir hätten uns schon gewünscht und es für notwendig er-
achtet, dass man auch anderen Indizien stärker nachgeht .
Ich weiß, es gab ein Verfahren gegen unbekannt – wenn
der GBA zuguckt, regt er sich vielleicht auf; das wissen
wir –; aber unsere Erwartung ist eine andere .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ich will daran erinnern, warum wir so skeptisch sind,
warum wir nicht lockerlassen, warum wir vielleicht auch
nerven . Übrigens ist das unsere Aufgabe; wir sind ja
nicht für die gute Laune der Exekutive da .


(Beifall im ganzen Hause)


Als es die sogenannte Ceska-Mordserie gab, die den
Namen nach der verwandten Waffe bekommen hat, wa-
ren sich die Ermittler sehr schnell einig, wie auch beim
Sprengstoffanschlag in der Keupstraße: Das ist organi-
sierte Kriminalität . Sie haben an der These bis in das
Jahr 2010 festgehalten . Als die bayerischen Ermittler
Zweifel angemeldet haben, ob es nicht vielleicht Frem-
denfeindlichkeit, Fremdenhass sein könnte, wurden sie
abgebügelt, wurde gesagt: Wir sind uns aber sicher . –
Heute wissen wir: Es war ganz anders . Als man den Mord
an Michèle Kiesewetter untersucht hat, hatte man nach
kurzer Zeit DNA einer weiblichen Person . Die Botschaft
lautete: Wir sind uns sicher; jetzt haben wir die Täterin,

Sylvia Jörrißen






(A) (C)



(B) (D)


die Gartenhäuschen aufbricht und Morde begeht . – Alle
Zweifel wurden weggewischt . Es hieß: Wir sind uns si-
cher . Wir suchen eine Frau . – Heute wissen wir: Es war
falsch . Jetzt ist man sich sehr schnell sicher gewesen:
Der NSU ist nur ein Trio . Die beiden Männer haben alle
Taten begangen . Wer daran Zweifel äußert, schürt Ver-
schwörungstheorien . – Nach den Vorerfahrungen wäre
ich vorsichtig .


(Beifall im ganzen Hause)


Deshalb müssen wir immer wieder genau hinsehen .

Das Thema DNA haben wir beleuchtet. Wir finden,
man hätte mehr tun müssen . Auch hier will ich nur ein
Beispiel nennen . Dass man die Wohnung des Terrortrios
in der Polenzstraße in Zwickau, wo sie während aller
Morde bis 2007 gewohnt haben, nach dem Auffliegen
nie – nie! – auf DNA oder Fingerabdrücke untersucht hat,
um zu erkennen, wer sich in der Wohnung noch aufgehal-
ten hat, ist für mich nicht zu entschuldigen . Tut mir leid!


(Beifall im ganzen Hause)


Zu den V-Leuten ist einiges gesagt worden . Ich will
auch für meine Fraktion deutlich machen: Bei den poli-
tischen Schlussfolgerungen – nicht bei der Aufklärungs-
arbeit – enden die Gemeinsamkeiten . Das ist aber nicht
schlimm . Wir fordern neben den Reformen, die wir auf
den Weg gebracht haben, neben einer strengeren gesetz-
lichen Grundlage, dass, wenn wir schon mit diesem In-
strument arbeiten, die Informationsabschöpfung auch
so organisiert sein muss, dass Jahre später noch nach-
vollziehbar ist: Wer hat etwas gemeldet, wer hat nichts
gemeldet? Wer hat behauptet, er kenne die drei nicht? –
Dass 30, 40 V-Leute im weiteren Umfeld des „Thüringer
Heimatschutzes“ und des NSU am Ende unter komplet-
ter Amnesie leiden und die drei gar nicht gekannt haben
wollen, ist nur schwer nachzuvollziehen . Aber es war
nichts in den Akten .


(Beifall im ganzen Hause)


Wenn ich auf die Uhr blicke, bedauere ich, dass ich
eine Minute habe opfern müssen, weil der Kollege
Schuster überzogen hat . Aber was will ich machen?

Ich will noch auf unseren Beitrag für die Opfer und
ihre Familien eingehen, auch an die Adresse der Ange-
hörigen gerichtet, die heute hier sind . Ja, wir haben die
Sie quälenden Fragen nicht beantworten können: Warum
wurden der Mann, der Vater, die Tochter, die Schwes-
ter Opfer? Warum gerade dieser Tatort? Wie lief die Tat
ab? – Dennoch glaube ich, dass wir durch die Art und
Weise, wie wir Kontakt zueinander gehalten haben, Ih-
nen gezeigt haben, dass Sie nicht vergessen sind, dass
wir an Ihrer Seite sind . Ich möchte mich von dieser Stelle
aus ganz herzlich bei Barbara John, der Opferbeauftrag-
ten der Bundesregierung, bedanken, die hier große Arbeit
geleistet hat .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir haben auch einen Beitrag geleistet für die gesell-
schaftliche und politische Debatte . Ich bedanke mich als
Ausschussvorsitzender bei allen Kollegen für die gute
Zusammenarbeit . Unser Konsens war ein starkes Signal

für ein starkes Parlament . Das muss man in der Deutlich-
keit sagen .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Unsere Arbeit hat eine Sensibilisierung für das Thema
„gewaltbereiter Rechtsextremismus“ bewirkt . Das ist ein
starkes Signal an die Sicherheitsbehörden; auch das muss
man deutlich sagen . Die Art und Weise, wie wir uns dem
Thema genähert haben, ist ein starkes und eindeutiges
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Zusam-
menhalt in unserer Gesellschaft, wozu dieses Parlament
hier beiträgt . Vielen Dank!


(Beifall im ganzen Hause)


Ich habe gerade mit der Präsidentin gedealt; ich kriege
noch Zeit für ein paar Sätze . – Sie wissen, es ist mei-
ne letzte Rede im Deutschen Bundestag . Ich darf mich
vor allen Dingen bedanken, zuerst bei den Männern und
Frauen, ohne die wir unsere Arbeit nicht machen könn-
ten: unseren Mitarbeitern .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bedanke mich bei all denen in den Ausschusssekreta-
riaten, im Parlamentarischen Kontrollgremium, vor allen
Dingen bei den Mitarbeitern meines Büros, die mir zum
Teil seit 10, ja sogar seit 15 Jahren die Treue halten . Dan-
ke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bedanke mich bei Ihnen allen . – Zunächst beginne
ich bei den Kollegen Abgeordneten der Opposition . Wir
waren immer, die ganzen 15 Jahre, in denen ich hier war,
politisch Konkurrenten, aber immer auch menschlich
Kollegen . Dafür vielen Dank an eure Adresse,


(Beifall im ganzen Hause)


beispielhaft Petra Pau und Irene Mihalic .

Ich bedanke mich natürlich bei unserem Koalitions-
partner . Es war, Burkhard Lischka, Eva Högl, in dieser
Legislatur wirklich eine Zusammenarbeit, wie man sie
sich vorstellt . Für eure Parteiführung könnt ihr ja nichts .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Insofern herzlichen Dank . – Nein, ernsthaft, Burkhard
und Eva – die Spitze konnte ich jetzt nicht zurückhalten,
aber darum ging es mir nicht –, so arbeitet man zusam-
men! Es hat viel Spaß gemacht, war wirklich à la bonne
heure . Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich richte ich ein Dankeschön an meine eigene
Fraktion . 15 Jahre – ich sehe viele bekannte Gesichter .
Manche Schlachten haben wir gemeinsam geschlagen .
Ich will mich stellvertretend bei Armin Schuster und

Clemens Binninger






(A) (C)



(B) (D)


Stephan Mayer bedanken . Ich glaube, wir waren ein gu-
tes Team, wir haben eine Menge angezettelt, vieles er-
reicht . Als ein Fraktionskollege mal zu mir gesagt hat:
„Was ihr Innenpolitiker euch alles rausnehmt!“, habe ich
gesagt: Ja, völlig zu Recht . –


(Beifall der Abg . Marian Wendt [CDU/CSU] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Danke schön für eure Unterstützung, eure Zusammenar-
beit .

Jetzt endet eine Zeit von 15 Jahren – vier Legisla-
turperioden, in denen ich meinen Wahlkreis Böblingen
jeweils als direkt gewählter Abgeordneter hier vertreten
durfte . Es war mir eine Ehre .


(Beifall im ganzen Hause)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310200

Vielen Dank auch von uns als Präsidium, lieber Kol-

lege Binninger, für Ihre Arbeit der letzten 15 Jahre hier
im Deutschen Bundestag . Ich glaube, der Applaus zeigt
Ihnen, dass Sie zu denjenigen gehören, die wir vermissen
werden .


(Beifall)


Das hat auch Ihre Rede eben gezeigt .

Ich glaube, ich darf mich für das Präsidium auch dem
Dank für die Arbeit im Untersuchungsausschuss anschlie-
ßen . Sie ist für das Selbstverständnis unseres Hauses
eine ganz wichtige Arbeit gewesen, und sie ist unendlich
wichtig dafür, damit klar wird, dass Rechtsradikalismus
in diesem Land keine Einzelerscheinung ist, sondern wir
uns intensiv damit auseinandersetzen müssen .

Ich möchte mich auch bei Ihnen, den Angehörigen der
Opfer, bedanken, dass Sie heute hier waren . Das ist für
uns sehr wichtig . Es ist für uns sehr wichtig, dass Sie
sehen, dass wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinan-
dersetzen wollen, dass wir aufklären wollen, was wir auf-
klären können . Das Ziel ist – das haben Sie auch bei den
Reden hier gehört –: Wir können das Geschehene nicht
ungeschehen machen, aber wir möchten, dass Ihnen und
den Opfern ein Stück Würde zurückgegeben wird . Das
ist unsere Aufgabe hier in diesem Haus. Ich hoffe, dass
wir dabei weiterhin zusammenarbeiten werden . Für uns
gehört es jedenfalls zum Selbstverständnis unserer De-
mokratie . Danke schön, dass Sie hier waren .


(Beifall)


Wir kommen damit zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des 3 . Untersuchungsausschusses
auf Drucksache 18/12950. Der Ausschuss empfiehlt, den
Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung ein-
stimmig angenommen .

Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der
Großen Koalition

Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 18 . Wahl-
periode neigt sich dem Ende zu . Man kann sagen: Es war
für den Parlamentarismus in diesem Haus eine schwierige
Wahlperiode . Das liegt daran, dass der zweite NSU-Un-
tersuchungsausschuss, den wir hier erlebt haben, in der
Form, wie er ablief, lieber Kollege Binninger, in diesem
Haus die absolute Ausnahme darstellt . Wir haben hier
bei der parlamentarischen Kontrolle gerade in Zeiten
der GroKo massive Probleme . Das möchte ich an zwei
Beispielen deutlich machen: einmal am Umgang mit Ak-
ten und dann am Umgang mit V-Leuten . Das ist ein altes
Problem, das über die verschiedenen Legislaturperioden
tradiert wurde .

Zu den Akten: Die Bundesregierung, die wir als Par-
lament kontrollieren müssen, bestimmt über die Heraus-
gabe der Akten zu den Untersuchungsausschüssen . Sie
verweigert manchmal gänzlich, Akten herauszugeben;
sie stuft Akten als Geheim oder Streng Geheim ein; und
manchmal stuft sie Akten einfach hoch . Wenn die zu
Kontrollierenden bestimmen, was die Kontrolleure wis-
sen dürfen, wird der Bock zum Gärtner gemacht, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Deswegen ist es richtig, dass der Bundestagspräsident
Lammert gestern ein Ende dieser Praxis gefordert und
eine Stärkung des Parlaments angekündigt hat .

Ein anderes Problem effektiver Kontrolle entsteht
durch die untragbaren behördlichen Praktiken beim
Umgang mit sogenannten V‑Leuten. So sind der Öffent-
lichkeit bis heute die Hintergründe des größten rechts-
extremistischen Anschlags in der Geschichte der Bun-
desrepublik, des Oktoberfestattentats 1980, unbekannt .
Die Geheimdienste halten hier, ebenso wie im Fall des
ermordeten Generalbundesanwalts Buback, immer noch
Informationen zur Beteiligung von V-Leuten zurück . Ich
sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es ist unwürdig,
dass dieses Parlament nicht in der Lage ist, diese Hin-
tergründe aufzuklären . Das ist eine schwelende Wunde
auch für die Hinterbliebenen der Opfer .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt begründete Fälle von Geheimhaltung auch
gegenüber dem Parlament; aber sie sind die absolute
Ausnahme . Es ist falsch, wenn in einer Demokratie die
Geheimhaltung immer wieder unberechtigterweise den
Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit
erhält .

Clemens Binninger






(A) (C)



(B) (D)


Wie fadenscheinig die Notwendigkeit der Geheim-
haltung der Großen Koalition in dieser Legislaturperio-
de vorgebracht wird, zeigte sich gerade erst im Umgang
mit dem Sondervotum der Opposition im NSA-Untersu-
chungsausschuss . Dieses wollten Sie, meine Damen und
Herren der Großen Koalition, in der Geheimschutzstelle
versenken, obwohl der Text an keiner einzigen Stelle,
Herr Kollege Kaster, einen geheimen Inhalt enthielt . Das
ist wirklich die Krönung der Auslese .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das legen Sie fest! Sie legen das fest!)


Die Klarnamen der Geheimdienstoperationen „Glo-
taic“ und „Monkeyshoulder“ durften wir in unserem
Sondervotum nicht ausschreiben, und das, obwohl die
Namen in der Presse längst vielfach genannt wurden, und
das, obwohl – das muss man sich einmal geben – sie vom
Ausschussvorsitzenden in einem Buch vier Wochen vor
dem PUA‑Bericht veröffentlicht wurden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist kein sensibler Umgang mit geheimen Informati-
onen im parlamentarischen Verfahren . Das ist Schikane,
es geht nur um das Recht des Stärkeren, und das lassen
wir uns nicht gefallen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Eines möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Den
Schaden hat doch nicht die Opposition, den Schaden ha-
ben wir alle als Parlamentarier in diesem Haus, und am
Ende des Tages hat den Schaden auch unsere Demokra-
tie . Das Parlament macht sich lächerlich, wenn es nicht
selbstbewusst seine Kontroll- und Aufklärungsfunktio-
nen wahrnimmt, sondern wenn es einfach der Bundesre-
gierung und den Geheimdiensten überlassen wird, wel-
che Informationen das Parlament und die Öffentlichkeit
bekommen und welche eben nicht . Es kann nicht sein,
dass sich die Parlamentarier der Mehrheitsfraktionen zu
Prätorianergarden der Regierung machen, meine Damen
und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Unglaublich! Unerhört! Was für ein Staatsverständnis haben Sie denn?)


Mit der Selbstverzwergung dieses Parlaments muss
Schluss sein .

Ganz herzlichen Dank .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310300

Vielen Dank . – Das Wort hat Nina Warken, CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1824310400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es gibt den wunderbaren Satz: „Die größte Waffe der

Opposition ist die Information“, und damit, Herr Kollege
von Notz, ist nicht die Falschinformation der Öffentlich-
keit gemeint .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit allem, was Sie in letzter Zeit so von sich gegeben ha-
ben, suggerieren Sie, dass es in der Großen Koalition kei-
ne parlamentarische Kontrolle gibt, und das ist schlicht-
weg falsch . Diese Behauptung wird auch der Arbeit in
fünf Untersuchungsausschüssen und anderen Gremien in
dieser Legislaturperiode in keiner Weise gerecht .

Die Wahrheit ist doch: Wäre es streng nach dem
Wortlaut des Grundgesetzes gegangen, hätte es in die-
ser Wahlperiode keinen Untersuchungsausschuss gege-
ben . Die Koalition hat aber die Problematik früh erkannt
und die Ausschüsse möglich gemacht, und dies ganz be-
stimmt nicht, weil sie eine parlamentarische Kontrolle
verhindern wollte .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wie großzügig!)


Nun darf ich als Obfrau über den NSA-Untersuchungs-
ausschuss sprechen . Richtig ist, dass der Ausschuss im
März 2014 von allen Fraktionen gemeinsam eingesetzt
wurde . Weit überwiegende Teile der Beweis- und Ver-
fahrensbeschlüsse wurden einvernehmlich getroffen. Wir
haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren in 70 Sit-
zungen 90 Zeugen gehört und 2 400 Ordner Beweisma-
terialien bearbeitet . Wir saßen alle in demselben Aus-
schuss, und wir haben alle die gleichen Informationen
erhalten . Es gab keinen gesonderten Geheimausschuss
nach dem Motto: „Zutritt nur für die Große Koalition“ .
Wir haben Sie auch nicht sonst wie in Ihren Rechten be-
schnitten . Dort, wo Sie sich ungerecht behandelt gefühlt
haben, hat Karlsruhe Ihnen gesagt, dass es nicht so war .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir sehr dankbar! Vielen Dank! Sehr gnädig!)


Wir hatten hoffentlich alle den gleichen Anspruch in
diesem Ausschuss, nämlich den Anspruch, die Vorwür-
fe aufzuklären . Aufklären bedeutet aber nicht, dass man
schon am Anfang ein Ergebnis vor Augen hat, und dann
schreit, die Aufklärung sei behindert worden, wenn sich
die eigene Vermutung am Ende nicht als wahr heraus-
stellt . Das ist sie nämlich mitnichten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Untersu-
chungsausschuss, der sich mit den Tätigkeiten der Nach-
richtendienste befasst, hat man es mit geheimhaltungs-
bedürftigen Sachverhalten zu tun . Das sollte für uns alle
keine Überraschung sein . Der Umgang mit geheimen
Akten und geschwärzten Stellen hat vielfach zu Diskus-
sionen im Untersuchungsausschuss geführt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man wohl sagen!)


Letztlich müssen wir alle akzeptieren, dass es Berei-
che gibt, in denen auch wir als Untersuchungsausschuss
nicht alle Informationen erhalten können . Die Möglich-
keiten, die wir hatten, haben wir ausgeschöpft . So haben

Dr. Konstantin von Notz






(A) (C)



(B) (D)


wir alle Gespräche mit der Bundesregierung über die
Freigabe geschwärzter Stellen geführt . Das war mühsam,
aber es war erfolgreich, und einige Schwärzungen wur-
den zurückgenommen . Im Übrigen haben Sie als Oppo-
sition die im PUAG gegebene Möglichkeit, sich gegen
Schwärzungen rechtlich zu wehren, kein einziges Mal
wahrgenommen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


Viel Aufregung und viele Vorwürfe hat es rund um das
Sondervotum der Opposition zum Abschlussbericht ge-
geben . Herr Kollege von Notz hat dazu getwittert: „Ein
einmaliger + fragwürdiger Vorgang . GroKo verbannt
Sondervotum . . . in die Geheimschutzstelle“ .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Aber auch hier gilt: Information bedeutet nicht Falschin-
formation . Lassen Sie mich das richtigstellen:


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte noch einmal wiederholen!)


Ob etwas geheim ist, darüber entscheidet nicht das Par-
lament, der Ausschuss oder der Abgeordnete, nein, ob
etwas materiell geheim ist, darüber entscheidet die her-
ausgebende Stelle .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch das Problem! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist genau das Problem!)


Das sollte Ihnen allen nach jahrelanger Tätigkeit in di-
versen Kontrollgremien und Untersuchungsausschüssen
auch bekannt sein .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau das Problem!)


Wie mit einem Dokument, das geheime Informationen
enthält, umzugehen ist, ist dann die nächste Frage . Sie
können doch nicht im Ernst verlangen, dass ein Aus-
schusssekretariat, dem Sie Ihr Sondervotum mit gehei-
men Stellen und der Notwendigkeit, den Betroffenen
rechtliches Gehör zu gewähren, vorlegen, das einfach so
fröhlich veröffentlicht. Nein, das muss in die Geheim-
schutzstelle . Dort kann es von den Abgeordneten einge-
sehen werden, dort kann es vom Sekretariat geprüft und
freigegeben werden .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das Buch des Ausschussvorsitzenden freigegeben?)


Nicht wir haben Ihr Sondervotum in die Geheimschutz-
stelle verbannt, nein, das haben Sie selbst getan . Die
Alternative wäre gewesen, einen Text vorzulegen, der
ungeschwärzt direkt veröffentlichungsfähig ist. Dafür,
dass Sie dazu nicht in der Lage sind, sind nicht wir ver-
antwortlich, sondern Sie selbst .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)


Das Verfahren bezüglich Ihres Sondervotums war al-
ternativlos . Die Ursache dafür liegt bei Ihnen: Nach dem
gemeinsam beschlossenen Zeitplan hat die Koalition
ihren Bewertungsteil am 28 . April 2017 vorgelegt . Mit
41 Tagen Verspätung haben Sie Ihr Sondervotum vorge-
legt, nämlich am 19 . Juni 2017 . Sie haben es zuerst der
Presse vorgestellt und dann dem Ausschuss übermittelt .
Somit konnte weder das rechtliche Gehör vorab gewährt
werden, noch konnten zu schwärzende Stellen gegebe-
nenfalls freigegeben werden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist alles an der Sache vorbei!)


Wir sind als Untersuchungsausschuss verpflichtet –
das dürfte Ihnen auch bekannt sein –, zum Abschluss
unserer Tätigkeit einen Bericht vorzulegen . Da dies die
letzte Sitzungswoche in dieser Wahlperiode ist, war es
zwingend, den Bericht in der vergangenen Woche zu ver-
abschieden und in dieser Woche zu debattieren . Von da-
her hat der Vorsitzende zu Recht den Vorschlag gemacht,
dass das Votum dem Abschlussbericht beigefügt wird und
die geschwärzten Stellen sukzessive nach entsprechender
Prüfung freigegeben werden . Bereits am 22 . Juni 2017
wurde eine vorläufige, veröffentlichungsfähige Fassung
erstellt und dem Abschlussbericht beigefügt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, halt ohne Opposition!)


Die Stellen, die darin noch geschwärzt sind – das muss
man auch einmal sagen –, betreffen zu zwei Dritteln die
Gewährung rechtlichen Gehörs .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310500


Frau Kollegin Warken .


Nina Warken (CDU):
Rede ID: ID1824310600


Die Wahrheit ist also: Es gab keine Alternative, als mit
dem Abschlussbericht so zu verfahren, wie damit verfah-
ren wurde . Sie haben hier ein unwürdiges Spektakel ver-
anstaltet, mit dem Sie vor allem bezwecken wollten, dass
über den Abschlussbericht in dieser Woche nicht disku-
tiert werden kann . Das ist Ihnen nicht gelungen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310700


Vielen Dank . – Alle folgenden Rednerinnen und Red-
ner möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die
Redezeit in der Aktuellen Stunde maximal fünf Minuten
beträgt . Das ist nicht das Minimum, sondern das Maxi-
mum .

Jetzt hat die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die
Linke, das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)


Nina Warken






(A) (C)



(B) (D)



Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824310800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin

Warken, Sie wissen, dass das, was Sie eben gesagt haben,
Widerspruch hervorruft .


(Nina Warken [CDU/CSU]: Keine Falschinformationen!)


Sie haben zu Recht ausgeführt: Die herausgebende Stelle
entscheidet über den Einstufungsgrad der Akte .


(Nina Warken [CDU/CSU]: Die Information, die in dem Sondervotum enthalten ist, ist natürlich gemeint!)


Und wer war die herausgebende Stelle? Bei einem Son-
dervotum ist dies die Opposition .


(Nina Warken [CDU/CSU]: Sie können da nicht einfach geheim eingestufte Dinge reinschreiben!)


Es ist unser vornehmes Recht, in einem Sondervotum
unsere eigenen Feststellungen und Bewertungen aufzu-
schreiben, ohne dass Sie eingreifen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch Ihr Hinweis darauf, dass wir das Sondervotum
mit 43 Tagen Verzögerung vorgelegt haben, stimmt nicht .


(Nina Warken [CDU/CSU]: 41!)


Wir konnten das Sondervotum erst erstellen, nachdem
Sie Ihre Bewertungen und Feststellungen abgegeben ha-
ben, weil das Sondervotum die abweichende Meinung
der Opposition widerspiegelt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)


Und wenn Sie 17 Tage zu spät sind,


(Nina Warken [CDU/CSU]: Wir waren nicht zu spät! – Gegenruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!)


dann können wir nicht pünktlich einlaufen . Hören Sie
auf, zu lügen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss wirklich sagen, dass hier die Debatte von
gestern fortgesetzt wird . Auch gestern dachte man teil-
weise, man ist im falschen Film .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja, bei Ihnen!)


Der Ausschussvorsitzende hat gestern die Einmütigkeit
und Einigkeit im NSA-Untersuchungsausschuss besun-
gen . Man fragt sich wirklich, wo er die letzten drei Jahre
gewesen ist .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Er hat drei Jahre lang mitgeholfen, die Opposition in die-
sem Ausschuss durch vielfältige Beschlüsse und vielfäl-

tige Dinge, die sich im Geheimen abspielten, massiv zu
behindern . Teilweise hat man sogar versucht, den Red-
nern der Opposition in Auseinandersetzungen das Wort
zu entziehen . Ich erinnere mich gut . Ich weiß nicht, ob
Herr Sensburg mittlerweile geblitzdingst wurde, sodass
er das alles nicht mehr weiß .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Sensburg ist dafür verantwortlich, dass in einem
einmaligen Vorgang in diesem Haus die Berichterstatter
der Oppositionsfraktionen abberufen wurden, ohne zu
fragen, ob die Stellvertreter an ihre Stelle treten . Und er
hat in der Presse dreist über die Gründe gelogen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Unverschämtheit, diese Unterstellungen!)


Er hat gesagt, wir hätten grundlos unsere Unterschrift
verweigert . Das ist nicht der Fall . Der Grund lag in Ih-
rer Einstufung unseres Sondervotums als Geheim und in
nichts anderem .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/ CSU]: Sie haben geheime Sachverhalte veröffentlicht!)


Das war der Höhepunkt einer Kampagne gegen die Kon-
trollfunktionen des Parlaments, die allein auf dem Dog-
ma beruht, dass Regierungsinteressen identisch mit dem
Staatswohl sind . Aber das sind sie nicht .


(Marian Wendt [CDU/CSU]: Die Regierung ist für den Staat verantwortlich!)


In einer Demokratie übt nämlich das Parlament eine
Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus . Wer die-
se Kontrolle sabotiert, der beraubt nicht nur die Opposi-
tion ihrer demokratischen Rechte, sondern schadet auch
der Demokratie .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne einige Beispiele . Auch in dieser Legislatur
wurde der NSU-Untersuchungsausschuss in seiner Arbeit
massiv behindert . Der ehemalige BfV-Präsident Fromm
verschwieg jahrelang den Tatverdacht gegen einen
V-Mann im Zusammenhang mit dem NSU-Anschlag auf
einen iranischen Lebensmittelladen . In seiner Befragung
wurde offenbar: Solange Parlamentarier nicht ander-
weitig über die Machenschaften der Dienste informiert
werden, erfahren sie aus den Geheimdiensten nichts, wie
viele Beweisbeschlüsse sie auch stellen . Und wenn Ver-
schweigen nicht reicht, dann wird eben das Staatswohl
als Begründung für die Verweigerung von Akten heran-
gezogen . So geschah es auch im Fall von Ralph H ., ei-
nem mutmaßlichen Unterstützer des NSU, der Medien
zufolge als V-Mann angeworben werden sollte . Die Ak-
ten könnten Aufschlussreiches über das Wissen des Ver-
fassungsschutzes bezüglich des NSU offenbaren. Doch
lesen durfte der Ausschuss die Akten nicht .

Auch im NSA-Untersuchungsausschuss verweigerte
die Bundesregierung Akten mit dem Argument, das The-
ma hätte gar nichts mit dem Untersuchungsauftrag zu






(A) (C)



(B) (D)


tun . Dabei weiß die Bundesregierung und wissen auch
Sie ganz genau, dass das Verfassungsgericht klar gere-
gelt hat, dass der Ausschuss entscheidet, was zum Thema
gehört – und eben nicht die Regierung oder die Große
Koalition .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie haben eine verdrehte Rechtsauffassung!)


Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass 2010
ein deutscher Islamist im Foltergefängnis Bagram in Af-
ghanistan von Verfassungsschutzbeamten verhört wur-
de . Einen Tag später ist ein anderer deutscher Islamist
im angrenzenden Pakistan von einer US-Drohne getötet
worden . Die Akten darüber durften wir nicht lesen . Dabei
ist die deutsche Rolle im Drohnenkrieg Thema des Un-
tersuchungsauftrages gewesen .

Eine weitere Posse: Wir sollten in unserem Sonder-
votum nicht schreiben dürfen, was der Ausschussvorsit-
zende in seinem Buch ausplaudert. Er zitiert offen aus
einer BND-internen Mail, während diese Passage in un-
serem Sondervotum geschwärzt wurde . Mein Kollege
Konstantin von Notz nannte das Schikane . Ich nenne es
reine Willkür .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch der Bericht der Datenschutzbeauftragten über
die BND-Stelle Bad Aibling sollte geheim bleiben . Es
geht dabei um 18 schwerwiegende Rechtsverstöße und
12 Beanstandungen . Das war einzig und allein VS-Grad
Vertuschung und nichts anderes .

Bei parlamentarischen Anfragen machten wir ähnli-
che Erfahrungen . Immer wieder kriegen wir vorgefertig-
te Satzbausteine: Eine Beantwortung sei nicht möglich,
weil sie die Arbeit der Dienste oder das Wohl des Staates
gefährden könnte .

Genau gegen diese Haltung klagen wir im Zusammen-
hang mit unseren Kleinen Anfragen zum Oktoberfestat-
tentat vor dem Bundesverfassungsgericht . Denn diese
Haltung läuft darauf hinaus, die Aufklärung zu verhin-
dern . Mit dieser Haltung wird die Strafverfolgung der
NSU-Verbrechen ebenso wie die vollständige Aufklä-
rung des Oktoberfestattentates behindert . Aber auch die
illegalen Machenschaften der NSA und des BND bleiben
ohne Folgen für die Verantwortlichen . Damit werden wir
uns nicht abfinden, auch wenn Sie unsere Berichte an die
Geheimschutzstelle schicken, –


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824310900

Frau Kollegin Renner .


Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824311000

– ich bin fertig – Akten zurückhalten oder sich von

den Geheimdiensten wie an einem Nasenring durch die
Arena ziehen lassen .

Wir bleiben dabei: In einer Demokratie bedeutet
Staatswohl, dass das Parlament die Regierung kontrol-
liert – und nicht umgekehrt .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und wenn diese Regierung das anders sieht, dann brau-
chen wir eine andere Regierung .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824311100

Danke . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Uli

Grötsch .


(Beifall bei der SPD)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1824311200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich verspreche, mich

etwas kürzer zu fassen als meine Vorrednerinnen und
Vorredner. – Liebe Kolleginnen und Kollegen – hoffent-
lich wieder alle ohne roten Kopf und geschwollene Hals-
schlagader –,


(Martina Renner [DIE LINKE]: Manchmal wäre es besser, ihr würdet euch auch engagieren!)


als ich die Überschrift zu dieser Aktuellen Stunde – „Par-
lamentarische Kontrolle in Zeiten der großen Koaliti-
on“ – gelesen habe, habe ich mir gedacht: Das klingt eher
wie der Titel eines Buches als wie die Überschrift einer
Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Buch heißt Unter Freunden!)


Aber natürlich steht es uns allen – und erst recht dem
Parlament – gut zu Gesicht, wenn wir über unsere Ar-
beit im Parlament berichten – und nicht anderswo . Das
ist erst recht so, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn
es um ein so sensibles Thema wie die parlamentarische
Kontrolle der Nachrichtendienste geht . Aber sei’s drum .

Die Aktuelle Stunde gibt mir am Ende dieser Wahl-
periode Gelegenheit, zusammenzufassen, was die Große
Koalition im Bereich der parlamentarischen Kontrolle
der Nachrichtendienste getan hat . Und ich glaube, sagen
zu dürfen: Das war wirklich jede Menge .

Zu Beginn der Wahlperiode war natürlich im Lichte
der Lage um das Handy der Kanzlerin bzw . im Lichte
der Enthüllungen von Edward Snowden sofort allen klar:
Wir müssen etwas machen . Und ich darf behaupten: Wir
haben etwas getan .

Wir haben die parlamentarische Kontrolle der Nach-
richtendienste in dieser Wahlperiode umfassend neu ge-
regelt . Damit haben wir übrigens auch die Handlungs-
empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der
17. Wahlperiode aufgegriffen.

Der durch die Gesetzesreform neu installierte Ständi-
ge Bevollmächtigte und die neuen Mitarbeiter werden –

Martina Renner






(A) (C)



(B) (D)


davon bin ich überzeugt – den Mitgliedern des PKGr
bestmöglich zuarbeiten . Erste sehr positive Erfahrungen
damit haben wir inzwischen schon gemacht, Kollege
Hahn .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das kann man auch anders sehen!)


Das heißt aber nicht, dass wir Abgeordneten unsere
Kontrollrechte nicht auch in Zukunft ausüben könnten .
Ganz im Gegenteil: Wir erteilen Weisungen an den Stän-
digen Bevollmächtigten und seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter . Auch dadurch wird die parlamentarische
Kontrolle in Zukunft effizienter und wirksamer sein.

Wir müssen aber natürlich schon auch noch feststel-
len: Es läuft noch nicht alles rund . Die Akten im Fall
Anis Amri hätten beispielsweise, wie es sich meiner Mei-
nung nach gehört, für die Abgeordneten im Parlament
vorliegen müssen . Als Mitglied der sogenannten Task
Force im Fall Anis Amri habe ich es schon als befremd-
lich empfunden, unter ständiger strenger Aufsicht und
ausschließlich im Bundeskanzleramt diese Akteneinsicht
vornehmen zu können . Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das
kann in Zukunft nicht so bleiben . Darüber werden wir in
der neuen Wahlperiode reden müssen .


(Beifall bei der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Wir als Koalitionsfraktionen haben der Opposition
schon ganz zu Anfang dieser Wahlperiode freiwillig
Minderheitenrechte eingeräumt . Weil die Opposition
aufgrund ihrer geringen Größe das Quorum für Untersu-
chungsausschüsse nicht erreichen konnte, haben wir uns
verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss schon bei
Zustimmung von mindestens 120 Abgeordneten möglich
zu machen . Davon haben Sie nun wirklich regen Ge-
brauch gemacht . Ich glaube, es gab in den 50er-Jahren
zuletzt eine so große Zahl von Untersuchungsausschüs-
sen in einer einzigen Wahlperiode des Bundestages .

Nur dank der Aufklärung durch den NSA-Untersu-
chungsausschuss – mein ausdrückliches Kompliment an
alle, die in diesem Untersuchungsausschuss auf ihre Art
und Weise mitgewirkt haben – konnten wir als Gesetzge-
ber aus dem, was Sie erarbeitet haben, schon Konsequen-
zen ziehen . Ich halte es für den elementar wichtigsten
Punkt des NSA-Untersuchungsausschusses, dass die De-
fizite, die es gab, in Zukunft nach dem neuen BND‑Ge-
setz so nicht mehr möglich sein werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daran, dass all das, was wir in dieser Wahlperiode ge-
macht haben, möglicherweise nicht der Weisheit letzter
Schluss ist und dass der neue Bundestag das nach der
Bundestagswahl in der neuen Wahlperiode womöglich
noch einmal etwas genauer fassen und etwas nachar-
beiten muss, glaube ich schon . Das gilt durchaus auch
bezüglich der Einstufung von Akten durch die Bundesre-
gierung . Auch darüber wird der neue Bundestag meiner
Meinung nach zu beraten und zu entscheiden haben, weil
auch in diesem Bereich die Arbeit des Parlaments und die

Arbeit von uns Parlamentariern nicht behindert werden
darf .

Sofern der Wähler und die Wählerin es wollen, wer-
den viele von denen, die ein Interesse an der Fortent-
wicklung der parlamentarischen Kontrolle haben, in der
neuen Wahlperiode wieder dabei sein . Ich würde mich
freuen, dann auch wieder mit Ihnen in diesem Bereich
zusammenarbeiten zu können .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824311300

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht

jetzt Bernhard Kaster .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1824311400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Ich bin zunächst einmal meiner Kollegin
Nina Warken dankbar, dass sie die Dinge hier


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Falsch darstellt!)


einmal klargestellt und bezüglich der Geheimhaltung und
des Fristenverlaufs aufgeklärt hat, was wir dazu in den
letzten Wochen erlebt haben . Wir werden hier keine Le-
gendenbildung zulassen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sage es ganz schlicht: Die Ergebnisse – speziell im
NSA-Untersuchungsausschuss – haben Ihnen – ich sage
es einmal so – nicht gefallen . Dann tun Sie das, was Sie
immer tun, wenn Ihnen die Inhalte ausgehen oder nicht
reichen: Dann wird ein geschäftsordnungsrechtliches
Spektakel aufgeführt . Die Verweigerung der Unterschrif-
ten war eindeutig sachwidrig .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Kaster, ich bitte Sie! Wir haben das doch am Freitag besprochen! Da haben Sie kein Wort gesagt!)


Das war ein Klassiker der Geschäftsordnung . Der Vor-
sitzende konnte überhaupt nicht anders handeln . Am
Schluss war es letztendlich ein einziges Verzögern, Ver-
schleppen und Vereiteln . So war der Ablauf!


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, mit Ihnen setze ich mich noch einmal an einen Tisch! Wirklich unfassbar!)


Wir mögen ja noch Verständnis dafür haben, dass
man hier ein entsprechendes, auch formales Spektakel
macht . Aber wir haben kein Verständnis dafür – da frage
ich nach Ihrem Staatsverständnis –, wenn Sie politisch
darüber beschließen wollen, was geheimhaltungswürdig
ist, was also der Geheimhaltung unterliegt . Sie können in
eigener Verantwortung wie jeder andere auch veröffent-
lichen, was Sie denken veröffentlichen zu können. Aber

Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


der Bundestag – das gilt auch für das Ausschusssekreta-
riat – ist an Recht und Gesetz gebunden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich erinnere noch einmal daran, dass die Einsetzung
des NSA-Untersuchungsausschusses von allen Fraktio-
nen gemeinsam vereinbart wurde . Das heißt, wir hatten
einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag, ein gemein-
sames Untersuchungsinteresse . Es ist vollkommen nor-
mal, dass die Sichtweisen auf die Ergebnisse eines Un-
tersuchungsausschusses zwischen Regierungsfraktionen
und Oppositionsfraktionen unterschiedlich sind . Was wir
aber erwartet haben, speziell in diesem Untersuchungs-
ausschuss, der sich zwangsläufig mit geheim eingestuf-
ten Sachverhalten und Akten beschäftigen musste, war
ein verantwortungsvoller Umgang mit Vorgängen, die
die Sicherheit Deutschlands unmittelbar und ganz kon-
kret berühren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben da, meine Damen und Herren, eine dreifa-
che Verantwortung .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zu Sensburgs Buch, Herr Kaster! Unfassbar! Nie dabei, aber hält hier so eine Rede!)


Wir haben erstens die Verantwortung für die Sicherheit
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Nachrich-
tendienste . Dafür tragen wir Verantwortung . Wir haben
zweitens eine Verantwortung für die Zusammenarbeit
mit Partnerdiensten . Die Zusammenarbeit mit Partner-
diensten – das brauche ich doch hier nicht groß zu erklä-
ren – ist nötiger denn je .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sitzt man mit am Tisch, und er sagt kein Wort!)


Es wurde auch im Ausschuss offensichtlich, wie wichtig
diese Zusammenarbeit ist . Die dritte Verantwortung tra-
gen wir schlichtweg für unsere Bürgerinnen und Bürger .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bigotterie! Wirklich!)


Sie erwarten, dass unsere Dienste arbeiten können, dass
wir ihnen vertrauen können und dass unsere Sicherheits-
behörden auch vom Parlament geschützt werden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein unkollegiales Verhalten! Unfassbar!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Parlament,
der Deutsche Bundestag, ist – ich jedenfalls kenne kein
anderes – in seiner gesamten Arbeitsweise durch die
rechtlichen Rahmenbedingungen – Gesetze und unsere
Geschäftsordnung – so sehr von Minderheitenrechten
und Oppositionsrechten geprägt wie kein anderes Parla-
ment .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


– Dann müssen Sie ein anderes nennen . – Oder nennen
Sie mir ein Parlament auf dieser Welt – so hat es damals

unser Bundestagspräsident ausgedrückt –, das wie der
Deutsche Bundestag unter der Großen Koalition über-
haupt auf die Idee kommt, zu Beginn einer Legislatur-
periode die Geschäftsordnung für eine Legislaturperiode
im Interesse der Opposition an zig Stellen zu verändern .

Allein elf Quoren haben wir in der Geschäftsordnung
verändert, nur um der Opposition mit ihrem schwachen
Wahlergebnis weiterhin Oppositionsarbeit zu ermögli-
chen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quark! – Weitere Zurufe von Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie werden auch nicht bestreiten, dass diese Regelungen
eingehalten werden . Das zeigen auch die fünf Unter-
suchungsausschüsse . Im Übrigen hat mit Blick auf die
Quoren das Bundesverfassungsgericht festgehalten:

Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen
Quoren für die Ausübung parlamentarischer Min-
derheitenrechte steht die bewusste Entscheidung
des Verfassungsgebers entgegen .

So das Bundesverfassungsgericht .

Aber ich will, meine Damen und Herren, nicht falsch
verstanden werden . Diese Geschäftsordnungsänderungen
waren keine gönnerhafte Geste . Nein, wir stehen dazu .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt relativieren Sie es doch nicht!)


Wir wollten die Stärkung der Oppositionsrechte . Wir er-
warten auch keinen Dank . Das wäre Unsinn . Aber dass
Sie in der letzten Sitzungswoche ausgerechnet das The-
ma „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen
Koalition“ auf die Tagesordnung setzen, und zwar in dem
Wissen, was alles geändert worden ist, halten wir – ich
sage es ganz diplomatisch – für unangemessen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sebastian Hartmann [SPD])


Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Parlamenta-
rische Kontrolle ist eine Aufgabe für das gesamte Parla-
ment, unabhängig davon, wie die politischen Konstellati-
onen sind . Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die
parlamentarische Kontrolle ist die wichtigste Aufgabe
dieses Parlamentes .

Ich will jetzt in meinem letzten Redebeitrag in die-
sem Parlament – ich hatte das schon einmal gesagt, will
es aber insbesondere jetzt tun – ganz persönlich sagen:
Wir brauchen ein starkes Parlament . Wir brauchen star-
ke Abgeordnete, die die Kontrollaufgaben gemeinsam
wahrnehmen . Wenn wir ein starkes Parlament bzw . star-
ke Abgeordnete wollen, dann müssen wir darauf achten –
dabei geht es weniger um die politische Konstellation –,
dass das, was in der Verfassung verankert ist, nämlich das
freie Mandat, weiter gestärkt wird .


(Martina Renner [DIE LINKE]: Da braucht man aber auch Rückgrat! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie es doch einfach, statt darüber zu reden!)


Bernhard Kaster






(A) (C)



(B) (D)


Wir hatten, gut gemeint, an der einen oder anderen Stelle
im Abgeordnetenrecht immer wieder Änderungen vor-
genommen, die letztendlich – man kann es so sagen –
das freie Mandat reguliert, kontrolliert oder auch einge-
schränkt haben .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die längsten fünf Minuten meines Lebens!)


Mein Wunsch wäre, dass die wichtigste Aufgabe des
Parlamentes, die Kontrolle der Regierung oder eben, wie
es heute heißt, die parlamentarische Kontrolle unabhän-
gig davon, wie die Konstellationen sind, gewährleistet
ist . Das Parlament muss immer in der Lage sein, seine
Aufgaben in vielfältiger Weise und in jeder Form immer
auch auf Augenhöhe mit der Bundesregierung und den
anderen Verfassungsorganen wahrzunehmen . Das, den-
ke ich, ist wichtig . Dann funktioniert parlamentarische
Kontrolle auch weiterhin . In diesem Sinne kann dieses
Parlament dann weiter arbeiten .

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824311500

Vielen Dank . – Ich bitte aber jetzt alle Nachfolgenden,

in der Aktuellen Stunde nicht mehr Zeit durch lange Dan-
kesreden abzuschöpfen .

Der nächste Redner für die Fraktion Die Linke ist
Dr . André Hahn .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824311600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel

dieser Aktuellen Stunde böte ausreichend Stoff, um einen
ganzen Plenartag zu bestreiten . Ich kann nur auf wenige
Beispiele eingehen .

Welche negativen Auswirkungen es auf die parlamen-
tarische Arbeit hat, wenn Union und SPD alles dominie-
ren und der Opposition kaum Luft zum Atmen lassen,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


zeigt die zu Ende gehende Wahlperiode dieses Bundes-
tags .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das hat mit der Debatte überhaupt nichts zu tun!)


Im Übrigen: Herr Sensburg, Sie sind offenbar zu fei-
ge, in dieser Debatte Stellung zu nehmen . Ich hätte von
Ihnen erwartet, dass Sie hier zu Ihrem Agieren im Unter-
suchungsausschuss Position beziehen .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Die Debatte war gestern!)


In diesem NSA-/BND-Untersuchungsausschuss ver-
hinderten Bundesregierung und Koalition, dass Edward
Snowden als Kronzeuge hier in Berlin aussagen konnte,


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dreimal gerichtlich beurteilt!)


weil man Angst vor dem Unmut der Vereinigten Staaten
hatte . Wir haben gestern den Abschlussbericht diskutiert,
und es sind vielfach Beispiele genannt worden, wie die
Aufklärungsbemühungen der Opposition be- oder gar
verhindert worden sind .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dreimal gerichtlich verloren!)


Ja, es gibt Sonderregelungen für Untersuchungsaus-
schüsse in unserer Geschäftsordnung . Aber wir haben ein
zentrales Instrument, das wegen des Quorums überhaupt
nicht zur Anwendung kommen kann, nämlich die Nor-
menkontrollklage . Sehen wir uns nur einmal an, was Sie
mit dem neuen BND-Gesetz gemacht haben: Sie haben
damit alle Regelungen, die der Untersuchungsausschuss
als grundgesetzwidrig, gegen geltende Gesetze versto-
ßend oder als in eine Grauzone fallend festgestellt hat,
im Nachhinein legitimiert .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wie denn? Wurde vom Untersuchungsausschuss nie festgestellt!)


Dieses Gesetz würde natürlich vom Verfassungsgericht
gekippt werden . Aber im Moment kann es niemand anru-
fen, und ich bin sicher: Es wird leider noch Jahre dauern,
bis dieses Gesetz aufgehoben wird . Sie nehmen das alles
in Kauf, ohne auch nur ansatzweise auf die Argumente
der Opposition einzugehen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hanebüchen! Sie machen Ihrem Namen alle Ehre!)


Das Parlamentarische Kontrollgremium soll die Ge-
heimdienste in diesem Land kontrollieren, kannte aber
bis vor kurzem nicht einmal das Auftragsprofil der Bun-
desregierung für den Bundesnachrichtendienst . Wie aber
soll man prüfen, ob sich der BND an seinen Auftrag hält,
wenn dieser selbst vor den Abgeordneten geheim gehal-
ten wird?

Inzwischen kennen wir das Auftragsprofil, aber nicht
etwa, weil die Bundesregierung Einsicht gezeigt und es
uns zur Verfügung gestellt hat, nein, sondern nur dank
eines CIA-Spions im BND . Der hat nämlich unter ande-
rem dieses supergeheime Dokument geklaut und an die
Amerikaner weitergegeben .


(Nina Warken [CDU/CSU]: Das finden Sie toll?)


Als der Mann aufflog und es zur Anklage kam, konnten
wir es in den Unterlagen der Generalbundesanwaltschaft
finden.


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist eine Posse!)


Bernhard Kaster






(A) (C)



(B) (D)


Ansonsten hätten wir es vermutlich bis heute nicht be-
kommen .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Skandal!)


Alles, was der GroKo in die Quere kommt oder ein-
fach nur unbequem ist, wird abgeschafft, selbst lange
geübte demokratische Gepflogenheiten wie der jährliche
Wechsel beim Ausschussvorsitz im Kontrollgremium
zwischen Koalition und Opposition . Jetzt, wo die Ko-
alition einen ihr genehmen sogenannten Ständigen Be-
vollmächtigten installiert hat, der künftig die Arbeit eines
großen Mitarbeiterstabes koordinieren soll, darf natürlich
kein Linker den Ausschuss führen . Schließlich hätte der
dann Weisungsbefugnisse gegenüber dem Bevollmäch-
tigten und vielleicht auch Einfluss auf die Auswahl der
einzustellenden Mitarbeiter und könnte kritische Geister
befördern . Das darf nicht sein . Also ändern Union und
SPD mitten in der Wahlperiode einfach mal schnell das
Gesetz und dann die Geschäftsordnung, um einen linken
Vorsitzenden zu verhindern . „Super Demokraten!“, kann
man da nur sagen .

Angeblich sollen die Abgeordneten ja in ihrer Tätig-
keit unterstützt und entlastet werden, aber die Vertreter
der Opposition haben keinerlei Einfluss auf die Auswahl
auch nur eines einzigen Mitarbeiters . Wir können auch
keine eigenen Mitarbeiter anstellen, also Leute, die wir
aussuchen, damit sie für uns Akten lesen können . Wenn
man dann noch in die Ausschreibungskriterien schreibt,
dass Voraussetzung für die Einstellung der neuen Mit-
arbeiter unter anderem eine frühere Tätigkeit bei den
Geheimdiensten sein soll, dann werden in Zukunft ehe-
malige BND- und Verfassungsschutzleute ihre früheren
Kollegen kontrollieren helfen . Was dabei herauskommt,
kann sich wohl jeder vorstellen .


(Beifall bei der LINKEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Unglaublich!)


Zur Einstufung von Dokumenten und Schwärzungen
bei Akten ist schon einiges gesagt worden . Nur ein Bei-
spiel: Im Ordner des Kanzleramts fand sich auf einer
Seite die Überschrift: Weiterer Umgang mit der Causa
Snowden . – Danach folgten vier geschwärzte Seiten .
Begründung der Regierung: kein Bezug zum Untersu-
chungsgegenstand . Wie absurd ist das denn? Dieser Aus-
schuss wurde nach den Snowden‑Veröffentlichungen we-
gen Snowden eingesetzt . Nein, es wird geschwärzt, und
Akten werden uns vorenthalten .

Es gab im Untersuchungsausschuss auch mehrfach
streng geheime Sitzungen . Streng geheime Sitzungen
sind nur dann möglich, wenn der Bestand der Bundesre-
publik Deutschland gefährdet ist . Der Bestand der Bun-
desrepublik Deutschland war nie gefährdet,


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


aber Sie wollten einfach verhindern, dass hochbrisante
Informationen in den Abschlussbericht kommen . Nur
deshalb hat die Koalition diese Sitzungseinstufung be-
schlossen .

Schließlich, ganz zum Schluss, komme ich zum Kon-
sultationsverfahren, das immer vorgeschoben wird, wenn
es Kooperationen mit anderen Geheimdiensten gibt .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Seit Jahrzehnten gibt es das!)


Man müsse die anderen Dienste fragen, ob wir die Doku-
mente sehen könnten . Ich sage Ihnen, was passiert, wenn
Sie so weitermachen: Dann wird der BND künftig all sei-
ne Operationen zum Beispiel mit dem luxemburgischen
Geheimdienst machen . Wenn der Nein zur Einsichtnah-
me in Dokumente sagt, dann ist jede parlamentarische
Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes ausgehöhlt .
Herr Mayer, ich weiß Sie sagen, das werden wir nicht
machen, so etwas kommt angeblich nicht vor . Wissen
Sie, ich traue dieser Großen Koalition und insbesondere
der CDU/CSU inzwischen alles zu, auch, dass Sie das
machen würden . Auch deshalb muss diese Regierung
schnellstens abgelöst werden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824311700

Danke schön . – Nächste Rednerin für die SPD-Frakti-

on ist Susanne Mittag .


(Beifall bei der SPD)



Susanne Mittag (SPD):
Rede ID: ID1824311800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will
das Ganze mal wieder herunterfahren .


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Am gestrigen Tage haben wir nach dreieinhalb Jahren –
das war der Anlass – die Ergebnisse des NSA-Untersu-
chungsausschusses im Plenum vorgestellt . Das war eine
langwierige gemeinsame Arbeit, aber sie war auch von
einer konstruktiven Atmosphäre geprägt . Ich will nicht,
dass am Ende hier der Eindruck entsteht, wir hätten uns
nur in der Wolle gehabt . Manchmal sind wir uns nicht
einig gewesen, wir haben uns aber irgendwie zusammen-
gerauft . Sowohl der Vorsitzende als auch ich als Stellver-
treterin haben versucht, zwischen konträren Positionen
zu vermitteln . Bevor die Wogen hochschlagen: Okay,
gelegentlich hatte auch der Vorsitzende eine kontroverse
Position, aber das gehört wahrscheinlich zur Diskussion
dazu .

Ich kann mich gut an diverse Obleuterunden und Be-
ratungssitzungen erinnern, in denen wir versucht haben,
Kompromisslinien auszuloten . Das ist auch passiert . Wir
haben auch versucht, den Wünschen der Opposition ent-
gegenzukommen, und wir wollten immer alle Fraktionen
so weit wie nur irgend möglich einbinden und gemein-
sam den Untersuchungsauftrag des Parlaments erfüllen .
Das ging immerhin über dreieinhalb Jahre, und das ist
uns sehr oft gelungen . Viele Beweisanträge wurden im
NSA-Untersuchungsausschuss gemeinsam gestellt . Um-
strittene Mehrheitsentscheidungen gab es also relativ sel-
ten .

Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


Wir waren uns in vielen Dingen einig, zum Beispiel,
wenn wir der Bundesregierung verdeutlichen mussten,
dass wir nicht akzeptieren, dass sie uns zwar Akten über-
reicht, die dann aber, wie schon mehrfach erwähnt, sei-
tenweise geschwärzt waren . Teilweise wurden sogar die
Seitennummern geschwärzt . Da fragt man sich: Was soll
das denn?

Damit komme ich zu einem Punkt, der regelungs-
bedürftig ist: Wie können Betroffene eines parlamen-
tarischen Untersuchungsausschusses gleichzeitig die
Entscheider darüber sein, wie die sie betreffenden Un-
terlagen eingestuft werden? Das widerspricht jeder soge-
nannten Ermittlungslogik, auch wenn das natürlich kein
Strafverfahren ist . Zu diesem Thema hatten alle Fraktio-
nen längere Diskussionen mit der Bundesregierung und
dem Kanzleramt . Wir hatten sozusagen schon eine kleine
Verhandlungsgruppe gegründet, um die Schwärzungen
immer wieder abzuwägen, und danach wurden einige
von den Unterlagen wieder sichtbar . Das war ein echtes
Problem . Das muss aber grundsätzlich und unabhängig
geregelt werden . Das hätte die Arbeit von uns allen im
Untersuchungsausschuss sehr erleichtert . Herr Lammert
hatte bei der Übergabe gestern ebenfalls auf die Proble-
matik hingewiesen . Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich:

… erforderlich sei „ein anderes Verfahren zur Ein-
stufung von Dokumenten“; sonst bleibe es letztlich
der Regierung überlassen, zu entscheiden, was un-
tersucht werden dürfe und was nicht .

Und das macht auch eine Regierung unnötig angreifbar .

Nun gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber,
wie mit dem Minderheitenvotum umzugehen ist . Wir
haben uns gemeinsam zur Abgabe der Voten zusammen-
gesetzt . Es gab eine Verlängerung der Frist . Es war auch
allen Beteiligten klar, welche Voraussetzungen das Son-
dervotum erfüllen muss, damit es veröffentlichungsfähig
ist: Es durfte keine eingestuften Informationen enthalten
und auch kein rechtliches Gehör auslösen . – Diese Dinge
sind schon seit Jahren gesetzlich geregelt . Das wussten
alle Beteiligten . Das kann man nun wirklich dem Aus-
schusssekretariat nicht zum Vorwurf machen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: So ist das! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es ja selbst geschwärzt! Das ist nicht das Problem!)


– Ganz in Ruhe: einmal Sie, einmal ich .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wieder ich! – Gegenruf von der CDU/CSU: Sie waren schon!)


– Nein, nachher . – Hierbei gibt es eben kaum Ermessens-
spielraum . Wir haben in der Großen Koalition nichts an
den Regelungen verändert, sondern in der vergangenen
Woche bei Beratungssitzungen und auf Arbeitsebene
noch einmal nach tragfähigen Lösungen gesucht . Es hat
leider nicht funktioniert .

Wir sind aber bei einem anderen Quorum auch noch
entgegengekommen; das ist auch schon erwähnt worden .
Anstatt der sonst nötigen 25 Prozent der Mitglieder des

Deutschen Bundestages haben wir vereinbart, dass auf
Verlangen von 120 Abgeordneten ein Untersuchungs-
ausschuss eingerichtet werden kann . Das hat auch gut
geklappt . Wir waren auch mit vielen Untersuchungsaus-
schüssen sehr einverstanden . Es waren ja diesmal fünf .

Dann gaben auch noch Redezeiten in den Untersu-
chungsausschüssen Anlass zu Kritik . Wir haben einige
Jahre lang gehört, dass die Opposition bemängelt hat,
dass sie einfach zu wenig Redezeit gehabt habe . Das ge-
flügelte Wort „Wir haben nur acht Minuten“ haben wir
sehr oft gehört . Das liegt nun einmal an den Mehrheits-
verhältnissen, die der Wähler bestimmt hat . Das kann
man auch im Moment nicht ändern – soll ja anders wer-
den . Aber netterweise darf man auch erwähnen, dass es
immer so viele Fragerunden gab, in denen Abgeordnete
von CDU/CSU und SPD gar nicht mehr gefragt haben,
bis die letzte Frage der Opposition geklärt war – viel-
leicht nicht zur Zufriedenheit, aber das lag dann am Zeu-
gen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Aber es wurden keine Fragen abgebügelt, sondern man
konnte endlos lange fragen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für ein Argument? Dann hätten wir ja 15, 15, 15, 15 machen können!)


Wir haben eben sehr lange Sitzungen gehabt, und es wur-
de nie gesagt, dass der eine oder andere nicht mehr fra-
gen dürfe .

Um das nicht unnötig zu verlängern, möchte ich nur
Folgendes dazu sagen: Natürlich ist es nicht schön, wenn
man vor Ende eines Untersuchungsausschusses tatsäch-
lich feststellt, dass über diesen Untersuchungsausschuss
ein Buch erstellt und veröffentlicht wird. Ich finde es ei-
gentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man das nicht
macht . Die Opposition hat sich darüber aufgeregt; das
kann ich verstehen . Wir fanden das auch nicht gut . Selbst
viele Teile der CDU fanden das nicht gerade hilfreich für
die gesamte Diskussion .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dreistigkeit par excellence!)


Vielleicht muss es tatsächlich eine Regelung geben, dass
vor Ende eines Untersuchungsausschusses keine eigenen
Publikationen veröffentlicht werden dürfen. Das würde
die Diskussion um die Inhalte vielleicht entspannen und
einfacher machen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die Union noch kein Wort zu gesagt!)


Dass man solche Diskussionen führt, muss eigentlich
nicht sein . Das ist ein bisschen schade . Das hätte nicht
sein müssen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)


Susanne Mittag






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824311900

Danke schön . – Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-

Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege von Notz kam gerade sehr empört und außer
sich zu mir und hat die Frage gestellt, ob das wirklich
dieser Kaster ist, mit dem er am Freitag in einem vertrau-
lichen Gespräch gesprochen hat . Ich schaue jetzt auch;
das scheint er zu sein . Denn dieser Kaster


(Zurufe von der CDU/CSU: Kollege Kaster!)


hat ihm da noch erzählt, sie seien auf einem guten Wege,
sie kämen ja wohl noch zusammen . Da waren noch an-
dere dabei .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das war der Beginn des Gesprächs! – Gegenruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und auch das Ende des Gesprächs!)


So war der Inhalt des Gesprächs . Dann war das Gespräch
nach einer Stunde zu Ende . Kurz nachdem es zu Ende
war, bekam er einen Brief des Vorsitzenden, in dem der
Vorsitzende ihm mitteilt, er sei nunmehr als Berichter-
statter abgelöst .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Und dann werfen Sie ihm vor, er würde nur verschlep-
pen, er würde verzögern und das sei sein einziges Motiv
gewesen . Sie sollten sich bei ihm entschuldigen, dass Sie
das gemacht haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg . Rüdiger Veit [SPD] – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Nein! Er hatte das Gespräch beendet! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Wissen Sie, ich finde es infam. Ein nettes Wort wäre an-
gemessen .


(Nina Warken [CDU/CSU]: Die zeitlichen Abläufe waren ganz anders! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da haben sich andere mehr zu entschuldigen!)


Ich möchte noch etwas zu der Geheimeinstufung sa-
gen und sie von einer ganz anderen Seite beleuchten .
Ich werfe der Bundesregierung und Ihnen vor, dass mit
Geheimeinstufung auch Politik gemacht wird, und zwar
eine schlimme Politik .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist eine starke Behauptung, die Sie belegen müssen!)


Ich nenne ein Beispiel, bei dem ich selber betroffen
war . Vor ein paar Jahren ist ein deutscher Staatsangehö-
riger in Pakistan durch eine US-Drohne getötet worden;
ich will Namen und andere Details weglassen . Einige
Zeit später hat sich bei mir per E-Mail sein Bruder ge-

meldet und mir gesagt, er sei dabei gewesen, habe über-
lebt und sei bereit, mir zu berichten, was dort passiert
ist, und Fotos zu schicken . Ich habe mit ihm korrespon-
diert. Diese E‑Mail‑Korrespondenz ist offenbar von deut-
schen Geheimdiensten abgefangen worden . Das ist schon
schlimm . Immerhin bin ich Abgeordneter des Deutschen
Bundestages . Viel schlimmer ist aber, dass ich vier Mo-
nate später die gesamten E-Mails im Focus veröffentlicht
gefunden habe . Ich habe mit dem Focus nicht gespro-
chen; das weiß ich .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie sprechen eher mit dem Spiegel!)


Warum ist das gemacht worden? Wer hat das gemacht?
Das konnten nur die Bundesregierung oder ihr unterstell-
te Behörden gewesen sein, wer auch immer ein Interesse
daran hatte, so etwas weiterzugeben .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ganz dünnes Eis!)


Ich habe dieses Beispiel gewählt, um zu beleuchten, was
uns im Ausschuss passiert ist .

Im Sommer 2014 gab es verschiedene Meldungen vor
allem in der Süddeutschen Zeitung, in denen relativ kon-
kret der Inhalt von Akten, die wir auch hatten, dargelegt
wurde . Wir erinnern uns, weil wir daraus immer wieder
zitiert haben . Dann hat, wie die Kollegen, die dabei wa-
ren, wissen, der Chef des Bundeskanzleramts einen bösen
Brief geschrieben, in dem er den Abgeordneten Vorwür-
fe gemacht und angedroht hat, es werde möglicherweise
zu einer Beschränkung der Aktenvorlage kommen . Auch
dieser Brief ist in der Öffentlichkeit erschienen, noch be-
vor wir ihn hatten .

Warum ist das gemacht worden? Das geschah, um
die Mitglieder der Opposition im Ausschuss zu diskre-
ditieren, zu desavouieren und ihnen möglicherweise ein
Verfahren anzuhängen . Und mit dieser Message sind
die Dienste dann in die USA gefahren und haben ge-
fragt: Können wir diesem Untersuchungsausschuss des
deutschen Parlaments Akten zur Verfügung stellen, bei-
spielsweise die NSA-Selektoren? – Die Dienste haben
geradezu die Antwort – sie kennen wir nicht genau; dazu
wurde nie etwas vorgelegt; hier sind wir auf Angaben der
Bundesregierung angewiesen – vorweggenommen und
die Message aus Washington mitgebracht: Die NSA fin-
det das nicht gut . – Was sie genau gesagt haben, wissen
wir nicht .

Auch so kann man verhindern, dass Akten, über die
sich der Chef des Kanzleramtes seinerzeit selber in
höchstem Maße empört hat, dem Ausschuss zur Verfü-
gung gestellt werden . Man hat nämlich geradezu das Vo-
tum des Partnerdienstes herbeigeführt, um zu verhindern,
dass wir Akteneinsicht erhalten . Das werfe ich der Bun-
desregierung vor, das werfe ich der Koalition vor . So ha-
ben Sie die Ausschussarbeit hintertrieben, blockiert und
von vorne bis hinten gemauert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Verschwörungstheorie! Nicht ein Beweis, Herr Ströbele!)







(A) (C)



(B) (D)


Für zukünftige Untersuchungsausschüsse – damit
ende ich, Frau Präsidentin – muss man das und noch viel
mehr, was ich mir hier aufgeschrieben habe, berücksich-
tigen .


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824312000

Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht

jetzt Dr . Johann Wadephul .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1824312100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich stehe nicht an, dem Kollegen Ströbele, der
seinen anwaltlichen Beruf doch etwas anders ausgeübt
hat als ich


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Besser!)


und der in seiner politischen Arbeit regelmäßig zu Ergeb-
nissen gekommen ist, die anders als die sind, zu denen
ich gekommen bin, durchaus meinen Respekt für seinen
parlamentarischen Weg zu zollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Immerhin hat er es geschafft, ein Direktmandat hier in
Berlin für die Grünen zu gewinnen .

Herr Kollege Ströbele, so wie Sie und auch Vorredner
von der Linksfraktion die Arbeit dieses Ausschusses in
den Mittelpunkt einer Debatte über die parlamentarische
Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition gestellt haben,
ist das – das muss ich sagen – kleines Karo .


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


Dabei missachten Sie, dass es in keinem anderen Land
der Welt eine derart umfängliche Kontrolle der Nach-
richtendienste, die wir übrigens für die Sicherheit unserer
Bürgerinnen und Bürger dringendst benötigen, und eine
derart effektive parlamentarische Kontrolle wie in der
Bundesrepublik Deutschland gibt . Darauf sind wir stolz,
und dabei sollte es auch bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber die Effektivität der Arbeit der Nachrichtendienste
darf unter der parlamentarischen Kontrolle am Ende na-
türlich nicht leiden, weil wir sonst die Sicherheit unseres
Staatswesens und im Übrigen auch die Zusammenarbeit
mit befreundeten Diensten infrage stellen würden .

Ich hatte eigentliche große Hoffnung in die Kollegin
Haßelmann gesetzt, mit der ich sehr erfolgreich zusam-
mengearbeitet habe . Auch mit der Kollegin Sitte – sie ist
nicht da – gab es große Einigkeit . So bedaure ich jetzt
sehr, dass Sie – der Kollege Kaster hat es schon ange-
sprochen – es leider nicht zur Kenntnis genommen ha-
ben: Wir haben in dieser Wahlperiode Oppositionsrechte
in der Geschäftsordnung verankert, wie es sie nirgendwo
auf der Welt gibt: Die Opposition kann erwirken, dass
der Bundestag einberufen wird, dass Untersuchungsaus-

schüsse eingesetzt werden, dass öffentliche Anhörungen
in den Ausschüssen durchgeführt und dass Enquete-Kom-
missionen einberufen werden . Die Oppositionsfraktionen
haben übrigens auch einen höheren Oppositionszuschlag
bekommen; darüber wollten Sie hier auch nicht so gerne
reden . Die Oppositionsfraktionen bekommen auch mehr
Redezeit . Das heißt, Oppositionsabgeordnete haben viel
mehr Möglichkeiten, sich hier – das ist der zentrale Ort,
wo parlamentarische Arbeit ausgeübt wird – zu artiku-
lieren, als Abgeordnete der Mehrheitsfraktionen, die an
dieser Stelle eigentlich schon benachteiligt werden .

Das Bundesverfassungsgericht hat uns dazu in einem
Urteil wissen lassen, dass wir das so machen konnten –
übrigens mit einer Einschränkung: Dass wir die Mindest-
stimmenanzahl von 120 nur der Opposition zugedacht
hatten, sei schon viel zu oppositionsfreundlich gewesen .
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Große
Koalition Ihnen hier geboten hat, war Goldstandard in
der Wahrung von Oppositionsrechten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das hätte in dieser Debatte mindestens einmal erwähnt
werden dürfen .

Herr Kollege Hahn, was man zur Erhebung einer Nor-
menkontrollklage sagen kann – Sie haben dies angespro-
chen –, hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls fest-
gestellt . Wir haben Ihnen die Argumente vorher genannt;
aber Sie haben die Klage durchgezogen, und Sie haben in
Karlsruhe – das muss ich Ihnen sagen – mit Pauken und
Trompeten verloren . Dort ist Ihnen Einhalt geboten wor-
den, wie kürzlich übrigens auch der Fraktion der Grünen,
als der Eindruck erweckt wurde, die Große Koalition
verschleppe hier Gesetzgebungsvorhaben und bringe sie
nicht zu Ende .

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
finde, wenn wir miteinander eine ehrliche Bilanz dieser
Legislaturperiode ziehen, dann muss man wirklich sa-
gen: Es ist natürlich staatspolitisch nicht wünschenswert,
eine 80 : 20-Mehrheit zu haben; sie hat sich niemand ge-
wünscht .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist so . Kämpfen Sie für mehr; aber ich habe eher
den Eindruck, dass die aktuelle Debatte von der Furcht
getragen ist, die Fünfprozenthürde nach unten zu unter-
schreiten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, nein! Und das sagt ein schleswig-holsteinischer Kollege! So was! – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hochmut kommt vor dem Fall!)


Das ist der Eindruck, den Sie hier insgesamt erwecken .
Das ist doch nicht wünschenswert .

Es waren aber, Herr Kollege von Notz, Bündnis 90/
Die Grünen, die zu einem frühen Zeitpunkt der vergange-
nen Legislaturperiode eine Koalition mit der Union nicht
wollten . In Schleswig-Holstein, Herr Kollege von Notz,

Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


sind wir beide mittlerweile zu besseren Ergebnissen ge-
kommen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Wir wollen einmal sehen, wie es weitergeht .

Wer im Parlament Einfluss nehmen will, der muss
am Ende Wahlen gewinnen . Deswegen halte ich es mit
Johann Wolfgang von Goethe:

Eine Opposition, die keine Grenzen hat, wird platt .
Die Einschränkung aber nötigt sie, geistreich zu
sein . . .

Seien Sie das, und dann haben wir solche Debatten nicht
mehr .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Bärbel Bas [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824312200

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion hat jetzt

Sebastian Hartmann das Wort .


(Beifall bei der SPD – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das ist ja schon wieder ein Redner von der Opposition! So viele!)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1824312300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Ich bin Mitglied des Deutschen Bundestages
wie Sie, Herr Kollege Hahn, und ich glaube nicht, dass,
wenn es um die Frage der parlamentarischen Kontrolle
geht, wir uns willkürlich in Opposition und Regierungs-
koalition trennen sollten;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre gut!)


denn diese Kontrolle obliegt uns als Parlamentarierin-
nen und als Parlamentariern insgesamt . Den geschätzten
Kollegen, die die Rechte der Opposition nach unserer
Geschäftsordnung zitiert haben, sei gesagt: Dort steht:
120 Mitglieder des Deutschen Bundestages .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Richtig!)


Es können durchaus 119 Mitglieder der Großen Koaliti-
on und ein Mitglied der Opposition sein, die diese Rechte
einfordern .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie uns das mal machen! Wir haben noch einen Tag! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist die Entscheidung der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen gewesen, nicht in einer anderen Koalition mit
die Regierung zu stellen, sodass wir in die Oppositi-
onsrolle verwiesen worden wären . Wir hätten auch eine
zweite oder dritte Konstellation – beispielsweise Rot-

Rot‑Grün – in diesem Plenum finden können, um die Re-
gierung zu stellen .


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Schauen wir mal, was morgen wird!)


Dementsprechend reden wir hier über die Rechte des
Parlaments insgesamt und nicht über die willkürliche
Trennung in Oppositions- und Regierungsfraktionen,
meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD)


Das hat viel mit unserem Selbstverständnis zu tun, damit,
wie wir uns selbst sehen .

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
Sie es sich allerdings so einfach machen, hier eine Ak-
tuelle Stunde mit dem Titel „Parlamentarische Kontrolle
in Zeiten der großen Koalition“ zu beantragen, dann sagt
das sehr viel auch darüber aus, wie Sie Ihre eigene Effi-
zienz und Effektivität bei dieser Kontrolle sehen. Wenn
Sie es auf der einen Seite schaffen, ein Sondervotum mit
457 Seiten zu erarbeiten – inklusive Pressekonferenz,
Veröffentlichung im Netz usw. –, auf der anderen Seite
aber die Arbeit eines Untersuchungsausschusses infrage
stellen – insgesamt fünf Untersuchungsausschüsse gab es
in der Phase der Großen Koalition –,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben wir überhaupt nicht infrage gestellt! Sie sind auf dem falschen Dampfer!)


dann zeigt das, dass Sie an dieser Stelle offensichtlich
mehr auf den öffentlichen Effekt als auf die tatsächliche
Ausschussarbeit setzen . Den Vorhalt müssen Sie sich ge-
fallen lassen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein komplizierter Gedanke!)


Ja, wir sind bei den Frage- und Antwortrechten viel
weiter gegangen . Aber Sie müssen sich jetzt entscheiden .
Warum haben Sie es in den Jahren zuvor nicht bemän-
gelt? Warum tun Sie es am vorletzten Tag der letzten Sit-
zungswoche dieser Wahlperiode?


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben wir immer getan! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? Also!)


Der nächste Punkt ist: Sind Sie ein erfolgreicher Kon-
trolleur des Regierungshandelns, oder sind Sie jemand,
der erfolglos gehandelt hat? Es ist Ihre Entscheidung, ob
Sie sich in dieser Debatte selbst verzwergen


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal unser Votum! Ich empfehle unser Votum!)


und dieses Bild der Opposition öffentlich zeigen wollen.
Leben Sie damit, wenn Sie diese Debatte anstoßen .

Ich sage Ihnen eines: Auch wir kritisieren das Vorge-
hen . Es steht dem Vorsitzenden eines Untersuchungsaus-
schusses schlecht zu Gesicht, vor Veröffentlichung des

Dr. Johann Wadephul






(A) (C)



(B) (D)


Berichts des Untersuchungsausschusses ein entsprechen-
des Buch zu veröffentlichen, wenn es um die Arbeit geht,
die wir insgesamt als Abgeordnete des Bundestages aus-
üben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Spannungsverhältnis wird sich auch nach meinem
Eindruck weiter verschärfen . Es ist übrigens Fritz Bauer
gewesen, der uns vor geraumer Zeit im Unterschied zu
Goethe Folgendes mit auf den Weg gab – ich möchte das
zitieren –:

Was aber als „Staatsgeheimnis“ zu gelten hat, steht
nicht fest, sondern wird von Fall zu Fall durch den
Staat, der sich geschädigt fühlt, dekretiert .

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, das betrifft uns alle als Bundestagsabgeordne-
te . Es geht darum, wie wir bei rasant steigenden Akten-
zahlen, Informationen und Daten diese parlamentarische
Kontrolle effektiv ausüben. Man mag das Prinzip eines
Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen
Kontrollgremiums kritisieren . Man mag sagen, dass die-
ses Gesetz nicht weit genug geht . Aber lieber Kollege
Hahn, es ist sehr verräterisch, dass Sie in der Debatte vor
wenigen Minuten ausgeführt haben, das eigentliche Pro-
blem sei, dass Sie nicht den Vorsitz stellen und darüber
hinaus dem Ständigen Bevollmächtigten keine Weisun-
gen geben können .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch nicht!)


Dieser Ständige Bevollmächtigte dient uns allen im
Parlament und nicht nur der Opposition; denn wir alle
wollen eine effektive und effiziente Kontrolle über das
Regierungshandeln ausüben, meine Damen und Herren .
So ist das .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sprechen Sie bitte niemandem – auch niemandem, der
Mitglied einer Regierungskoalition ist – pauschal ab, an
den Rechten dieses Parlaments interessiert zu sein . Es ist
die Stärke unserer parlamentarischen Demokratie,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


in dieser Frage eine ernsthafte, harte und starke Debatte
entlang der Geschäftsordnung zu führen . Es steht Ihnen
schlecht zu Gesicht, auf der Suche nach einem kleinen
Wahlkampfthema ausschließlich die Arbeit der Unter-
suchungsausschüsse entlang dieser Minderheitenrechte
deutlich zu machen .


(Zuruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das haben wir als Deutscher Bundestag insgesamt nicht
verdient . Denken Sie auch als Opposition einmal darüber
nach! Auch Sie sind wie wir alle für das Außenbild des
Parlamentarismus insgesamt verantwortlich .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, in der Tat!)


Danke .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824312400

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Stephan Mayer,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1824312500

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin der Fraktion der
Grünen wirklich sehr dankbar dafür, dass sie diese Aktu-
elle Stunde beantragt hat,


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir uns auch! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gespürt!)


weil sie mir noch einmal Gelegenheit gibt, auf die Arbeit
im Parlamentarischen Kontrollgremium in der ablaufen-
den Legislaturperiode Bezug zu nehmen .

Es war die erste Legislaturperiode, in der ich im Par-
lamentarischen Kontrollgremium arbeiten durfte . Ich
persönlich muss sagen: Ich habe die Arbeit als sehr ge-
winnbringend, als sehr interessant und als sehr konstruk-
tiv empfunden .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir es nicht gemacht!)


Ich finde es wirklich schade, dass Sie, Kollege Hahn
und Kollege Ströbele, hier den Eindruck vermitteln, dass
die Kolleginnen und Kollegen, die den Koalitionsfrakti-
onen angehören, sich im Parlamentarischen Kontrollgre-
mium nur als Prätorianer der Bundesregierung verstehen
würden und kollusiv mit der Bundesregierung zusam-
menarbeiteten .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe kein einziges Wort zum PKGr gesagt!)


– Sie haben es nicht gesagt, aber Sie haben versucht, den
Eindruck zu erwecken .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch auf!)


Ich sage hier eines ganz deutlich: Ich bin mit Ihnen
selten politisch einer Meinung, Herr Ströbele und Herr
Hahn . Wir kommen bei den unterschiedlichen Sachver-
halten, die wir in diesen vier Jahren zu bearbeiten hatten,
eigentlich immer – zumindest tendenziell – zu sehr unter-
schiedlichen Schlussfolgerungen . Ich würde Ihnen per-
sönlich – das sage ich ausdrücklich und mit großem Res-
pekt – aber nie den Willen absprechen, dass Sie ernsthaft,
seriös und unabhängig Ihrer Arbeit im Parlamentarischen
Kontrollgremium nachgehen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Unterschied!)


Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)


Herr Ströbele – vielleicht war das heute Ihre letzte
Rede im Deutschen Bundestag –;


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich noch!)


ich habe großen Respekt und große Anerkennung vor Ih-
rer politischen Lebensleistung . Aber ich sage ganz deut-
lich: Wir tun uns insgesamt, auch als Parlamentarisches
Kontrollgremium, keinen Gefallen, Meinungsverschie-
denheiten in der Öffentlichkeit auszutragen. Ich war vor
kurzem Gast im vergleichbaren Kontrollgremium des
britischen Parlamentes . Darin sitzen auch Parlamentarier
der Regierung und der Opposition . Die streiten teilwei-
se wie die Kesselflicker, aber nach außen geben sie ein
einheitliches Bild ab . Es ist bedauerlich, dass wir dies
bislang nicht geschafft haben,


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie sich mal überlegen!)


obwohl wir als Parlamentarisches Kontrollgremium
wirklich – der festen Überzeugung bin ich – eine sehr
gute Arbeit leisten .

Die Arbeit ist in der laufenden Legislaturperiode deut-
lich besser geworden .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Wir haben seit 2009 die Situation, dass das Parlamen-
tarische Kontrollgremium in Artikel 45d Absatz 1 der
Verfassung verankert ist . Es gibt also keine Dispositi-
onsbefugnis, dass es uns gibt . Wir haben insbesondere
durch das Gesetz vom 30 . November letzten Jahres un-
sere Rechte noch einmal deutlich erweitert; das ist auch
richtig so . Wir haben die Befugnis, dass wir Kontrollbe-
suche durchführen können . Wir können uns Akten geben
lassen . Wir können Mitarbeiter anhören .

Wir können Ermittlungsbeauftragte installieren und
haben dies auch in zwei Fällen, wie ich finde, sehr ge-
winnbringend getan . Diese Erweiterung war erforderlich,
weil wir, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch
berücksichtigen müssen: Wir sind im Parlamentarischen
Kontrollgremium insgesamt zu neunt; jeder von uns hat
mannigfaltige Aufgaben neben der Arbeit im Parlamen-
tarischen Kontrollgremium zu erledigen . Deswegen sind
wir auf die Zuarbeit von guten Mitarbeitern angewiesen .
Ich empfinde es als einen Fortschritt in der Qualität unse-
rer Arbeit, dass wir mit dem neuen Gesetz auch das Amt
eines Ständigen Bevollmächtigten geschaffen haben.

Lieber Herr Kollege Hahn, Sie können durchaus in
der nächsten Wahlperiode – für den Fall, dass Sie wieder
dem Deutschen Bundestag angehören – Vorsitzender des
Parlamentarischen Kontrollgremiums werden . Nur: Ich
verstehe nicht, warum der Vorsitz im Parlamentarischen
Kontrollgremium – anders als in allen anderen Ausschüs-
sen des Deutschen Bundestages – alternierend zwischen
der Regierung und der Opposition wechseln sollte .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das haben wir 18 Jahre gemacht!)


Eine Ergänzung muss ich Ihren Ausführungen hin-
zufügen: Nicht der Vorsitzende des Parlamentarischen

Kontrollgremiums ist weisungsbefugt gegenüber dem
Ständigen Bevollmächtigten, sondern das Parlamentari-
sche Kontrollgremium an sich, also wir neun, ist gegen-
über dem Ständigen Bevollmächtigten weisungsbefugt .
Wir sollten dies, glaube ich, als Gemeinschaft etwas stär-
ker nach außen tragen .

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die-
se Debatte wirft ein schönes Schlaglicht darauf, wie die
Arbeit der Nachrichtendienste in den einzelnen Fraktio-
nen gesehen wird . Ich muss sehr kritisch anmerken – das
sage ich hier ganz deutlich –, dass vonseiten der Opposi-
tion von Hause aus immer ein Misstrauen gegenüber den
Nachrichtendiensten gehegt wird .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Natürlich machen auch die Mitarbeiter von Nachrichten-
diensten Fehler . Um die zu erkennen, sind wir da .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der parlamentarischen Kontrolle inne!)


Es ist richtig, dass Nachrichtendienste nicht im luftlee-
ren Raum agieren, sondern dass sie in einem Rechtsstaat
kontrolliert werden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


In einer parlamentarischen Demokratie ist es von ent-
scheidender Bedeutung, dass diese Kontrolle durch das
Parlament, durch die Volksvertretung erfolgt .

Es ist nicht einfach für ein Gremium mit neun Par-
lamentariern, die viele Aufgaben nebenher haben, drei
Nachrichtendienste mit insgesamt über 10 000 Mitar-
beitern adäquat zu kontrollieren . Das ist, gelinde gesagt,
eine ordentliche Herausforderung . Diesen Nachrichten-
diensten und ihren über 10 000 Mitarbeitern aber von
vornherein zu unterstellen, sie würden Machenschaften
unternehmen – wie es genannt wurde –, sie würden Skan-
dale produzieren, halte ich, gelinde gesagt, für falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! Das stimmt nicht!)


Das ist auch der Situation nicht angemessen; wir leben in
sehr schwierigen Zeiten .

Ich darf abschließend deutlich sagen: Wir hatten im
letzten Jahr fünf islamistisch motivierte Anschläge in
Deutschland . Weitaus mehr Anschläge sind aber recht-
zeitig verhindert worden, insbesondere auch wegen der
hervorragenden Arbeit unserer Nachrichtendienste . Ich
erwähne nur den Fall Jaber Albakr . Innerhalb von fünf
Wochen ist es dem Bundesamt für Verfassungsschutz
gelungen, diese Person, die aller Voraussicht nach ei-
nen konkreten Anschlag auf dem Flughafen Tegel hier
in Berlin geplant hatte, zu detektieren und zur Strecke
zu bringen . Wir haben gute, gut aufgestellte Nachrich-
tendienste, und es gilt, ihnen auch ein Grundvertrauen
entgegenzubringen .

Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksam-
keit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824312600

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Armin Schuster

für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1824312700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Dr . von Notz, Herr Dr . Hahn, weil ich nicht
Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses war, war
es jetzt eigentlich eine amüsante Debatte für mich . Ges-
tern wurde der Abschlussbericht dieses Ausschusses de-
battiert . Heute kam es mir vor, als wollten Sie systema-
tisch nachtreten .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir wollen, dass Sie was zu Sensburgs Mut sagen!)


Dafür hat vielleicht die Zeit gestern nicht ausgereicht .
Aber wissen Sie: Nachtreten ist ein klarer Beleg dafür,


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie sich mit aus!)


dass die ganze angebliche NSA‑ und Snowden‑Affäre,
die Sie als Popanz aufgebaut haben,


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was Inhaltliches!)


am Ende nicht dem standhält, was Sie belegen konnten .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schuster! Kommen Sie halt in den Ausschuss!)


Sie sind enttäuscht über Ihre Ergebnisse im NSA-Unter-
suchungsausschuss .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überhaupt nicht!)


Sie sind enttäuscht, dass Sie nicht einmal fähig waren,
ein Sondervotum zu schreiben, das man veröffentlichen
kann .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


Das leben Sie jetzt hier aus. Ich sage Ihnen ganz offen:
Dafür ist mir das Thema zu groß, als dass ich es mir von
Ihnen mit Ihrer Miesepeterlaune jetzt kleinlich zerreden
lasse .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Herr Mayer hat so gut geendet! Und jetzt so was, Herr Schuster! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Da spricht der Experte!)


In dieser Wahlperiode hat der Deutsche Bundes-
tag – die Bürger in diesem Land haben uns dafür ge-
wählt – etwas getan wie vielleicht noch nie, nämlich

die parlamentarische Kontrolle ausgeübt gegenüber der
Bundesregierung . Ich glaube, so gab es das noch nie . Ich
hätte mir zu Zeiten der RAF einen Untersuchungsaus-
schuss gewünscht, der so glasklar aufklärt, wie wir das
beispielsweise fünf Jahre lang im NSU-Untersuchungs-
ausschuss gemacht haben .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das wäre gut gewesen!)


Ich weiß als Vertreter einer Regierungsfraktion, wie
schlecht gelaunt die Regierung angesichts unserer Auf-
klärungsarbeit war – ein gutes Zeichen dafür, dass wir
hier kontrollieren . Wir haben im Untersuchungsausschuss
zum Fall Edathy, in dem ich auch Mitglied war, nichts
ausgelassen und keinen Regierungsvertreter geschont, ob
das Herr Steinmeier und Herr Gabriel oder – in der ersten
Auflage des NSU‑Ausschusses – Herr Schäuble waren.

Meine Damen und Herren, dieses Parlament kontrol-
liert ohne Ansehen der Person .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Wir haben damit vielleicht das schärfste Schwert der
Demokratie in der Hand, und wir nutzen es . Das darf
man nicht kleinreden . Sie haben vollkommen recht, Herr
Hartmann: Die Oppositionsfraktionen machen uns klein
mit ihrer Debatte . Ich bin der Überzeugung: Wir haben
schonungslos das Systemversagen im Fall des NSU auf-
geklärt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie mal was zum Oktoberfest! Sagen Sie mal was zum U-BahnMord! Sagen Sie mal was!)


Wir haben im PKGr schonungslos, Herr Dr . von Notz,
die BND‑Selektoren‑Affäre aufgeklärt. Ich kenne Jour-
nalisten, die zu mir gesagt haben: So etwas gab es im
Deutschen Bundestag noch nie, dass ein PKGr so präzise
Schwachstellen aufzeigt, veröffentlicht und dass dann ein
BND-Gesetz gemacht wird, das genau das abstellen soll .
Meine Damen und Herren, das ist die Königsdisziplin,
und die haben wir in dieser Wahlperiode wunderbar ab-
solviert .

Übrigens fällt mir jetzt noch etwas sehr Interessantes
ein:


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen ist noch was eingefallen? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bitte wieder beleidigen! Unbedingt!)


Wer war der Sonderermittler des PKGr in Sachen Corelli?
Es war der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy
Montag .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er gut gemacht!)


Und Sie wollen uns erklären, dass bei uns die parlamen-
tarische Kontrolle nicht funktioniert .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört, Herr Schuster!)


Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


Wir hatten sogar die Größe, einen grünen Bundestags-
abgeordneten, mit dem wir sehr zufrieden waren, mit
diesem Auftrag zu versehen . Und er hat schonungslos
aufgeklärt; das werden Sie ja wohl nicht bestreiten wol-
len – hoffe ich jedenfalls.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Susanne Mittag [SPD])


Ich kenne Sachverständige, die in der Anhörung zum
Thema „PKGr- und BND-Reform“ gesagt haben, das sei
epochal, wie wir hier die parlamentarische Kontrolle aus-
üben . Das ist für mich die Richtschnur .


(Zuruf der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Herr Dr . Hahn und Herr Dr . von Notz, ich wiederhole
jetzt – wahrscheinlich nicht so gut – die Gedanken von
Herrn Hartmann:


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben halt viel Redezeit, Herr Schuster! Das merkt man!)


Wir sind in das Parlamentarische Kontrollgremium nicht
von unserer Fraktion gewählt worden . Wir sind mit
Kanzlermehrheit vom gesamten Parlament gewählt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Deswegen ist für die Bürger der Vertreter der Grünen
oder der Linken in diesem Kontrollgremium in erster Li-
nie Kontrolleur dieses Parlaments .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum kann er nicht Vorsitzender werden?)


Wenn Sie das nicht beherrschen und nicht können, dann
ist das Ihre Sache .

Ich kann jedenfalls feststellen, Herr Ströbele – ich darf
Sie hoffentlich zitieren, obwohl es ein Geheimgremium
ist –, dass auch Sie gesagt haben, dass das PKGr sich in
dieser Legislaturperiode gewaltig nach vorne entwickelt
hat .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frage des Maßstabs!)


Insofern stellt diese Debatte, die Sie heute führen, die
Dinge auf den Kopf . Das lassen wir nicht zu .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht, Herr Schuster! Oktoberfest, U-Bahn, NSU!)


Herr Ströbele, ich möchte schließen mit den Worten:
Wir schaffen es nicht, dass wir eine Meinung haben. Aber
ich fand es für mich unheimlich wertvoll, Sie erleben zu
dürfen . Das sage ich mit vollem Ernst; das sage ich jetzt
zum ersten Mal und auch zum letzten Mal . Es war für
mich wichtig, mit Ihnen die Stunden im PKGr zu ver-
bringen . Für mich sind Sie eine Person der Zeitgeschich-
te . Man kann noch so viele Meinungsunterschiede haben:
Von Ihnen kann man auch lernen .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824312800

Vielen Dank . – Wir haben später noch das Vergnügen

mit Herrn Kollegen Ströbele . – Die Aktuelle Stunde ist
damit beendet .

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung
des Strafgesetzbuches – Wohnungsein-
bruchdiebstahl

Drucksache 18/12359

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbu-
ches – Wohnungseinbruchdiebstahl

Drucksache 18/12729

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz

(6 . Ausschuss)


Drucksachen 18/12933, 18/12995

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . – Ich darf Sie
bitten, Ihre Plätze einzunehmen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Johannes
Fechner, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1824312900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 500 Millionen
Euro Sachschaden sind nach einer Studie des Versiche-
rungsverbandes GDV durch Wohnungseinbrüche in
Deutschland entstanden . Das ist eine enorm hohe Sum-
me, die zeigt, dass wir gegen Einbrüche vorgehen müs-
sen . Dabei ist oft nicht der Verlust von Wertgegenständen
das Schlimmste für die Opfer . Nein, am Schlimmsten ist
oft, die Erfahrung gemacht zu haben: Man ist nicht mehr
sicher in seinen eigenen vier Wänden; jemand ist in die
eigene Intimsphäre eingebrochen .

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik ist die Zahl der
Einbrüche im Jahr 2016 erfreulicherweise um 10 Pro-
zent zurückgegangen . Noch immer kam es 2016 zu über
150 000 Einbrüchen in Deutschland . Das ist zu viel, mei-
ne lieben Kolleginnen und Kollegen . Handlungsdruck ist
eindeutig da . Wir müssen etwas gegen die Einbrüche tun .
Die Bürger haben ein Recht darauf, in ihrem Zuhause si-
cher zu leben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Armin Schuster (Weil am Rhein)







(A) (C)



(B) (D)


Wenn wir Wohnungseinbrüche effektiv bekämpfen
wollen, dann ist es mit einer Einzelmaßnahme sicher
nicht getan . Dann brauchen wir ein ganzes Bündel von
Maßnahmen . Dazu gehört zunächst, dass gerade auch im
ländlichen Raum mehr Polizeipräsenz vorhanden ist . Da-
mit meine ich nicht nur mehr Polizistinnen und Polizisten
für Streifengänge, sondern wir brauchen auch mehr Per-
sonal, etwa bei der Spurensicherung; denn Fingerabdrü-
cke zu sichern oder DNA-Spuren auszuwerten, ist oft ein
ganz wichtiges Mittel, um die Täter zu überführen .

Wir haben bekanntlich eine eher geringe, eine enttäu-
schende Aufklärungsquote . Deshalb müssen wir auch in
diesem Bereich die Personalstärke bei der Polizei erhö-
hen . Wir brauchen sicher keine Hilfspolizisten, die nach
einer ganz kurzen Ausbildung im Schnelldurchgang, wie
etwa in Sachsen, eingestellt werden und hoheitliche Auf-
gaben übernehmen . Nein, das ist der falsche Weg .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Die Personallöcher bei der Polizei können wir sicher nur
mit gut ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten behe-
ben .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Bis jetzt war alles richtig!)


Wir müssen viel stärker auf Prävention setzen .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Auch richtig!)


Es ist belegt, dass ein Einbrecher, wenn er nicht innerhalb
einer halben Minute in die Wohnung hineinkommt, vom
Einbruch ablässt . Deshalb ist für mich das entscheidende,
das wichtigste Mittel, dass Bürgerinnen und Bürger gut
gesichert sind . Deswegen haben wir gesagt: Wir erhöhen
die Mittel des entsprechenden Förderprogramms bei der
Kreditanstalt für Wiederaufbau, um Einbruchsschutz zu
gewährleisten . Wir lassen die Bürger nicht allein . Vor
allem Gering- und Normalverdiener sowie Mieterinnen
und Mieter sollen einen Zuschuss bekommen, damit sie
sich einen effektiven Einbruchsschutz leisten können.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie es nicht schon gemacht?)


Sicherheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Dr . Silke Launert [CDU/CSU], Frank Tempel [DIE LINKE] und Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Eine Situation wie bei den Autodiebstählen sollte un-
ser Ziel sein: Wir hatten 1993 in Deutschland 105 000
aufgebrochene bzw . gestohlene Fahrzeuge, und im
Jahr 2015 waren es nur noch 19 000 . Es gab also einen
extremen Rückgang, der vor allem damit zu tun hatte,
dass die Autoindustrie einen besseren Einbruchsschutz
in die Autos eingebaut hat – bessere Schlösser, Wegfahr-
sperren und Ähnliches . Wir sehen also: Prävention, die
Investition in bessere Sicherungstechnik, lohnt sich . Sie
ist ein wichtiges Mittel, um die Zahl der Einbrüche zu
reduzieren .

Eines möchte ich an der Stelle auch ganz deutlich
sagen: Was wir beim Thema „Kampf gegen Wohnungs-
einbrüche“ nicht gebrauchen können, ist Hetze gegen
Flüchtlinge . Ich will ausdrücklich festhalten, dass alle
Polizeibeamten in allen Dienststellen, mit denen ich ge-
sprochen habe, mir bestätigt haben, dass die Täter in den
seltensten Fällen Flüchtlinge oder Asylbewerber waren,
sondern dass es oft Gruppen aus Osteuropa waren . Das
macht die Einbrüche sicherlich nicht ungeschehen – kei-
ne Frage . Es ist für die Opfer natürlich immer belastend,
unabhängig davon, wer die Einbrüche verübt . Aber eines
will ich festhalten: Es sind nicht Flüchtlinge und Asylbe-
werber, die die Verantwortung für die hohen Einbruchs-
zahlen in Deutschland tragen . Es ist mir ein ganz wichti-
ges Anliegen, das zu betonen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Uns in der SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir die
Sorge der Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität,
insbesondere Wohnungseinbrüchen, ernst nehmen . Die
Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf den
Schutz des Staates und auf ein sicheres Zuhause . Weil
gerade Wohnungseinbrüche die Opfer so sehr traumati-
sieren, sollten wir diesen Schutz allen Bürgerinnen und
Bürgern zukommen lassen, unabhängig von ihrem Ein-
kommen, unabhängig von den Möglichkeiten .

Insofern haben wir hier in den letzten Monaten ein
wirklich sinnvolles Paket mit verschiedenen Maßnah-
men geschnürt . Wir kümmern uns, wir wollen die Zahl
der Wohnungseinbrüche zurückfahren . Ich glaube, das
ist ein ganz wichtiges Ziel, und dafür leisten wir auf der
Zielgerade der Legislaturperiode einen wichtigen Dienst .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Heribert Hirte [CDU/CSU])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824313000

Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der

Kollege Frank Tempel das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824313100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Sehr geehrter Herr Fechner, es ist schon
manchmal erstaunlich: Dem, was Sie, Herr Fechner, eben
an Argumenten gebracht haben, kann ich fast nicht wi-
dersprechen, und trotzdem sind die Schlussfolgerungen
nicht unbedingt immer die gleichen .

Wer die Innen- und Rechtspolitik der gegenwärtigen
Bundesregierung verfolgt, kann schon ein bisschen Angst
bekommen . Was da allein dieses Jahr im Wochentakt an
Maßnahmen auf uns einprasselt, ist schon erstaunlich:
Verschärfung des Asylrechts, Fußfesseln für potenzielle
Terroristen, mehr Videoüberwachung, Überwachung von
Messenger-Diensten, neue Straftatbestände gegen Gaf-
fer, Strafverschärfungen bei Gewaltdelikten gegen Poli-
zisten und Feuerwehrleute, Strafverschärfung bei Woh-
nungseinbrüchen usw . Da fragt man sich, ob die Lage bei

Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


uns wirklich so unsicher ist, wie es die Themensetzung
der Bundesregierung signalisiert, und ob die vorgeschla-
genen Maßnahmen tatsächlich mehr Sicherheit bringen;
denn das ist ja eigentlich das gemeinsame Ziel . Oder ist
es einfach nur Wahlkampf?


(Beifall bei der LINKEN)


Die Frankfurter Allgemeine schreibt jedenfalls am 1 . Mai
dieses Jahres:

Traditionell erfolgreich – Union geht mit dem The-
ma Sicherheit auf Wählerfang

Warum Sie von der SPD da mitmachen, weiß ich nicht .

In der heutigen Debatte geht es nun um das Phänomen
der Wohnungseinbrüche . – Erster Fakt . Nach den Zahlen
der Polizeilichen Kriminalstatistik sinkt aktuell die Zahl
der Einbrüche . Das ist wohl kaum ein Anlass zur Straf-
verschärfung . Über Strafverschärfung haben Sie, Herr
Kollege Fechner, gar nicht erst gesprochen .

Zweiter Fakt . 1998 wurde bereits das Mindeststraf-
maß von drei auf sechs Monate angehoben . Dieses Mittel
erwies sich jedoch als untauglich, um die Zahl der Delik-
te zu senken . Wieso glauben Sie, dass eine Strafverschär-
fung diesmal erfolgreicher sein kann?

Dritter Fakt . Bei Einbruchsdiebstählen verzeichnen
wir – das haben Sie geschildert – eine extrem niedrige
Aufklärungsquote und zum anderen eine sehr hohe Zahl
von Mehrfachtätern . Wir wissen: Von Einbruch zu Ein-
bruch sinkt bei den Tätern die Hemmschwelle . Sie sind
eben mit dem, was sie da machen, meistens erfolgreich;
es funktioniert ganz einfach . Nachts, also zu den Tatzei-
ten, sind immer weniger Polizeibeamte unterwegs . Das
Entdeckungsrisiko ist gering; auch das ist bekannt . In
den Polizeidienststellen sind die Ermittler angesichts der
Masse der Verfahren in der Regel ganz einfach überlas-
tet . Hinzu kommt: Viele Menschen können sich moder-
ne Sicherheitsanlagen nicht leisten . Dazu sage ich zum
Schluss noch etwas .

Sie glauben bei dieser Ausgangslage aber doch nicht
im Ernst, meine Damen und Herren, dass jetzt irgendein
Einbrecher denkt: Das Mindeststrafmaß beträgt dem-
nächst zwölf Monate und nicht mehr sechs Monate, da
höre ich mal auf . – Die Lage bei Wohnungseinbrüchen –
auch da gebe ich dem Kollegen Fechner recht – ist nicht
schlimmer geworden, aber doch zumindest ernst, und wir
haben auch eine Handlungspflicht und müssen prüfen,
was tatsächlich funktioniert .

Ich gebe Ihnen recht: Bessere Sicherheitsstandards bei
den Bürgern selbst sind erfolgreich; sie haben eine Wir-
kung und sind effizient; denn wenn es dem Täter nicht
gelingt, in einem gewissen Zeitraum in die Wohnung ein-
zudringen, bricht er diese Maßnahme ab, und wenn das
häufiger passiert, sucht er sich vielleicht andere Möglich-
keiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen .

Wenn außerdem wieder regelmäßig Streifenwagen der
Polizei tatsächlich präventiv unterwegs sind und Anfahr-
ten der Polizisten bei Alarmauslösungen deutlich kürzer
werden, steigt das Entdeckungsrisiko erheblich . Das sind
wirklich Kriterien, mit denen wir die Anzahl der Einbrü-
che effizient minimieren können.

Für Einbrecher, die dann immer noch nicht aufgeben
wollen, brauchen wir natürlich genügend Ermittler und
Staatsanwälte, die diese Täter den Konsequenzen des
durchaus ausreichenden Strafrechts zuführen können . So
sieht eine lösungsorientierte Kriminalpolitik aus, wie sie
die Linke vorschlägt .


(Beifall bei der LINKEN)


Gerade die Bekämpfung von Einbruchsdelikten ist
nun einmal eng an das zur Verfügung stehende Personal
gebunden . Dieses Personal reicht nicht aus . Deswegen
finden wir es schon bemerkenswert, dass Sie neben der
Strafverschärfung auch die verstärkte Nutzung techni-
scher Überwachungsmittel vorschlagen . Das klingt erst
mal ganz nett . Aber haben Sie tatsächlich einen Schim-
mer davon, wie das in der Praxis aussieht?

Ich kenne Telefonüberwachung aus meiner Dienstzeit
bei der Kriminalpolizei . Wir haben sie zum Beispiel in
Fällen organisierter Kriminalität angewandt . Ich kann
Ihnen versichern, dass jede einzelne Maßnahme einen
enorm hohen Personal- und Sachaufwand bedeutet . Auf-
grund des Terroranschlags von Berlin dürften Sie auch
wissen, wie umfangreich zum Beispiel eine Funkzellen-
auswertung ist . Mit dieser Maßnahme sind die Ermittler
bis heute noch nicht fertig . Und Sie wollen dieses Mittel
tatsächlich auch noch bei Wohnungseinbrüchen nutzen!
Das bindet Ressourcen, das kostet richtig Personal und
Zeit . Sie wollen einem Phänomen, zu dessen Bekämp-
fung in erster Linie Personal fehlt, jetzt mit einem Mittel
begegnen, das noch einmal ein Vielfaches mehr an Per-
sonal kostet. Ich finde, das ist schon ein richtig genialer
Gedanke, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Hinzu kommt – das wissen wir aus den aktuellen
Nachrichten –, dass auch das Mittel der Vorratsdaten-
speicherung gerade richtig kritisch zur Debatte steht und
ausgesetzt wurde . Bevor wir über neue Mittel und Be-
fugnisse reden, sollten wir doch zuallererst einmal über
mehr Polizei reden: in den Streifenwagen und bei der Er-
mittlungsarbeit .

Das sind die Hausaufgaben, die es vor allen Dingen in
den Ländern zu lösen gibt . Dieses Law-and-Order-Ge-
töse, das wir Woche für Woche im Bundestag erleben,
bringt uns dann, wenn wir über die Sicherheit der Bürger
reden wollen, tatsächlich nicht weiter . Wir haben andere
Hausaufgaben zu machen . Zum Beispiel ist es notwen-
dig – dabei würden wir sofort mitstimmen –, präventive
Möglichkeiten zu erweitern und Fördermittel für die pri-
vate Sicherheit von Wohnungen und Häusern zu erhöhen
und allen zur Verfügung zu stellen . Dabei machen wir
gerne mit .

Insofern können wir diesem Gesetzentwurf zwar nicht
zustimmen, sind aber bei den Argumenten, die Herr Kol-
lege Fechner genannt hat, schon ganz hoffnungsvoll, dass
es in anderen Regierungskoalitionen durchaus möglich
wäre, die Sicherheit auch im Hinblick auf Wohnungsein-
brüche zu verbessern .


(Beifall bei der LINKEN)


Frank Tempel






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824313200

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Dr . Volker Ullrich

für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1824313300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir debattieren heute in zweiter und dritter Le-
sung über die Änderung des Strafgesetzbuchs in Bezug
auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl . Die eigenen vier
Wände gehören zu dem Wertvollsten, was ein Mensch
besitzt . „Wertvoll“ meine ich nicht im Sinne von ma-
teriellen Werten, sondern ich meine die Bedeutung der
eigenen vier Wände als ganz privater Rückzugsort, als
Heimat und als Ort der Geborgenheit . Nicht wenige
Menschen sagen, wenn sie unter Strom stehen, wenn
sie gestresst sind, wenn sie etwas Ungutes erleben: Jetzt
möchte ich einfach nur nach Hause oder zu Hause sein .

Umso mehr erschüttert es dann, wenn Menschen in
ihrer eigenen Privatsphäre angegriffen und bestohlen
werden . Sie fühlen sich unsicher . Sie sind oftmals trau-
matisiert . Sie lassen nachts das Licht an . Sie trauen sich
nicht ins Schlafzimmer, weil ihre ganz persönlichen Sa-
chen durchsucht worden sind . Das sind Schicksale, die
viele Tausend Opfer von Wohnungseinbruchsdiebstahl
Tag für Tag erleben und durchmachen müssen . Deswe-
gen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wer den Schutz der
Opfer ernst nimmt, der muss beim Strafrecht etwas tun .
Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass wir über
150 000 Wohnungseinbrüche zu verzeichnen haben und
dass die Aufklärungsquote so gering ist . Der Rechtsstaat
muss handeln .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Und wir werden heute handeln . Wir werden den Ein-
bruch in die dauerhaft genutzte Privatwohnung zu einem
Verbrechenstatbestand erklären . Das hat ganz konkrete
Folgen . Damit geben wir den Behörden Maßnahmen an
die Hand, die sehr gut geeignet sind, um das Phänomen
besser und stärker bekämpfen zu können . Der Rechts-
staat wird dadurch erfolgreicher sein, als er es bislang
war .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Morgen melden sich die Einbrecher arbeitslos!)


Es wird künftig keinen minderschweren Fall von
Einbruch mehr geben . Wir sagen ganz klar: Wer in eine
Privatwohnung einbricht, begeht keinen minderschwe-
ren Fall . Wenn die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr
beträgt, dann wird auch bereits die Verabredung zum
Wohnungseinbruchdiebstahl unter Strafe stehen . Im
strafprozessualen Bereich wird es nicht so einfach sein,
mit einem Strafbefehl davonzukommen, und auch Ein-
stellungen von Verfahren werden nicht mehr so einfach
möglich sein . Das heißt, wir geben der Justiz Mittel an
die Hand, damit sie härter bestrafen kann . Das sind wir
den Opfern schuldig .

Wenn Sie sagen: „Ein erhöhter Strafrahmen nutzt
doch nichts“,


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist erwiesen!)


dann kann ich nur auf die Anhörung verweisen, bei der
die Experten gesagt haben, dass beispielsweise die Straf-
erhöhung in Luxemburg – dort ist Wohnungseinbruch-
diebstahl mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren be-
wehrt – dazu geführt hat, dass auf der anderen Seite der
Mosel, nämlich in Deutschland, die Anzahl der Straftaten
gestiegen ist . Ich weiß, dass ein Strafrahmen nicht alles
bedeutet, aber er bedeutet eben auch nicht nichts . Viel-
mehr ist er ein wichtiges Element der Prävention und ein
deutliches Signal des Rechtsstaates: Das ist ein schweres
Delikt, das nehmen wir nicht hin . Wer einen Wohnungs-
einbruchdiebstahl begeht, der muss härter bestraft wer-
den .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wichtig ist uns auch, dass die Strafermittlungsbe-
hörden durch die Änderung neue Ansätze der Ermitt-
lung bekommen . Insbesondere wird zukünftig auch eine
Verbindungsdatenabfrage möglich sein und auch auf
die Funkzellen zurückgegriffen werden können. Es ist
niemandem so recht klarzumachen, dass im Falle eines
Einbruchs in ein Haus die Staatsanwaltschaft im Regel-
fall nicht ermitteln kann: Wer war in der entsprechenden
Mobilfunkzelle eingeloggt? Wer hat sich im Umfeld der
Wohnung aufgehalten? Es ist zur Entdeckung und zur Er-
mittlung krimineller Strukturen ganz wichtig, dass dieses
Ermittlungswerkzeug zur Verfügung steht .

Ich sage Ihnen ehrlich: Die gestrige Anordnung der
Bundesnetzagentur bereitet uns Sorge . Wir wissen, dass
das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem Verfah-
ren auf einstweiligen Rechtsschutz die Pflicht zur Vor-
ratsdatenspeicherung ausgesetzt hat . Die Bundesnetz-
agentur hat mitgeteilt: Wir werden keine Anordnungen
zur Speicherpflicht treffen, und wir werden auch keine
Bußgelder verhängen, solange das Hauptsacheverfahren
nicht rechtskräftig abgeschlossen ist .


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr fragwürdig! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenn Sie europarechtswidrige Gesetze machen, müssen Sie damit leben!)


Das bedeutet im Ergebnis, dass möglicherweise für die
nächsten Monate oder gar Jahre eine Speicherung von
Verbindungsdaten in Deutschland nicht stattfinden kann.


(Beifall des Abg . Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU] – Beifall des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Der Deutsche Bundestag hat ein entsprechendes Ge-
setz in namentlicher Abstimmung – über 400 Kollegin-
nen und Kollegen haben zugestimmt – verabschiedet . Es
tritt zum 1. Juli 2017 in Kraft. Ich finde schon, dass die
Bundesnetzagentur hier ein Stück weit ihre Kompetenz
überschritten hat . Vor diesem Hintergrund fragen wir
uns: Wer steckt hinter der Entscheidung? Kann es sein,
dass die Entscheidung eines einzigen Referates eine Par-






(A) (C)



(B) (D)


lamentsentscheidung aushebelt? Diesen Fragen muss
man nachgehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Missachtung des Parlaments!)


Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen . Das
Oberverwaltungsgericht Münster hat seine Entscheidung
auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit Unionsrecht ge-
stützt . Ich möchte aber anmerken, dass es gerade im Be-
reich der Vorratsdatenspeicherung im Augenblick über-
haupt keinen Unionsakt gibt und dass es immer noch so
sein muss, dass der nationale Gesetzgeber in nationaler
Souveränität wesentliche Entscheidungen der inneren
Sicherheit frei treffen kann. Außerdem bewegt sich die
Vorratsdatenspeicherung, die wir beschlossen haben, in-
nerhalb des Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht
vorgibt .

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen dieses
Aufklärungsinstrument nicht allein in Sachen Woh-
nungseinbruchdiebstahl, sondern allgemein zur Verteidi-
gung unserer Freiheit und Sicherheit, weil wir nicht wol-
len, dass Verbrecher sich diese Lücke auf Dauer zunutze
machen . Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine kluge
Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, und wir
brauchen auch die Speicherung und die Auswertung von
Verbindungsdaten und die Funkzellenanalyse .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir brauchen bei der Be-
kämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität einen
Dreiklang . Wir brauchen strafrechtliche Maßnahmen .
Die entsprechenden Vorhaben bringen wir heute zum
Abschluss . Daneben haben wir in dieser Wahlperiode
auch im Bereich Prävention viel geleistet . Ich erinnere
an das Programm zur Stärkung des eigenen Schutzes .
Der staatliche Schutz ist die Kehrseite der notwendigen
Eigenvorsorge . Es ist gut, dass mit KfW-Mitteln schon
viele Tausend Haustüren in Deutschland stärker gesichert
wurden . Wir müssen dieses Programm fortführen, und
wenn die Mittel dafür vorhanden sind, müssen wir das
Programm auch aufstocken . Damit unterstützen wir die
Menschen, die sich selbst vor diesen Delikten schützen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen auch mehr Polizisten und eine gute
Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden . Ich glaube,
ich kann mit Fug und Recht sagen, dass die unionsge-
führten Bundesländer hier ein Vorbild sind: In diesen
Bundesländern werden neue Stellen geschaffen, und wir
zeigen durch eine klare Sicherheitspolitik, dass wir die
Menschen nicht im Regen stehen lassen, sondern sie mit
ihren Sorgen und Befürchtungen ernst nehmen .


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: In Berlin habt ihr abgebaut!)


Der Rechtsstaat ist mit diesem Gesetz auf einem gu-
ten Weg . Wir werden die Wohnungseinbruchkriminalität
stark und entschlossen bekämpfen, weil wir wollen, dass
die Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden sicher
fühlen und sicher sind . Deswegen bitte ich um Zustim-
mung zu diesem Gesetzentwurf .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Bettina Bähr-Losse [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824313400

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vor
etwa sechs Wochen habe ich hier schon einmal zu die-
sem Thema gesprochen . Die Lage hat sich seitdem für
Sie eigentlich verschärft, weil Ihre Argumente in der An-
hörung, die wir durchgeführt haben, ziemlich zerpflückt
wurden .


(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht!)


Zum Thema Wohnungseinbrüche will ich nur drei
Punkte sagen:

Erstens . Wir wollen alle keine Wohnungseinbrüche .
Wir finden das ganz schrecklich und ganz schlimm. Wir
möchten nicht nur alle selber nicht davon betroffen sein,
sondern wünschen das auch niemandem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Wir wollen, dass gilt – das habe ich beim letzten Mal
schon gesagt –: „My home is my castle“ – da bin ich si-
cher, da passiert mir nichts; übrigens auch sicher vor der
Polizei . Jetzt sagen Sie – das hat Herr Fechner gesagt,
auch Herr Ullrich hat das jetzt noch einmal gesagt –, dass
Sie Geld zur Verfügung stellen wollen, damit das Heim
ein wirkliches Castle wird, damit es wirklich sicher ist .
Sie haben über die KfW Geld zur Verfügung gestellt . Die
KfW hat aber kein Geld mehr dafür .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das stimmt nicht!)


Jetzt sagen Sie doch einmal, wie viel Geld Sie dafür zur
Verfügung stellen wollen und wann .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: 50 Millionen!)


Sagen Sie jetzt, dass Sie 200 Millionen Euro – vielleicht
auch 400 Millionen Euro – zur Verfügung stellen wollen .
Machen Sie das bekannt,


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das ist bekannt!)


damit all diejenigen, die ihre Wohnung besser sichern
wollen, das auch können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Lage ist so – das vergessen Sie immer wieder –,
dass fast die Hälfte der Wohnungseinbrüche nicht zu
Ende geführt wird, sondern abgebrochen wird . Diese
Wohnungseinbrüche werden nicht durchgeführt, es pas-
siert dabei also nichts Wesentliches, weil der Täter oder

Dr. Volker Ullrich






(A) (C)



(B) (D)


die Täterin – meistens sind es Täter – nicht reinkommt .
Daraus muss man lernen, dass man den Einbruchschutz
verstärken muss, damit die Täter nicht reinkommen . Es
gibt viele Wohnungen, die aus verschiedenen Gründen
nicht so gesichert sind, wie das möglich wäre . Wir for-
dern von Ihnen, dass Sie einen besseren Schutz ermögli-
chen . Dazu kann man einen Gesetzentwurf vorlegen und
entsprechende Mittel dafür zur Verfügung stellen .

Zweitens . Sie sehen in Ihrem Gesetzentwurf für einen
Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung eine
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor . Es gibt
keine Strafminderung . Der Richter am Bundesgerichts-
hof, den wir als Sachverständigen angehört haben – Sie
werden sich erinnern –, hat diese Regelung infrage ge-
stellt und gefragt: Was ist eine dauerhaft genutzte Privat-
wohnung? Wenn dann ein Angeklagter vor Gericht steht,
wird der Richter möglicherweise erst einmal den Woh-
nungsinhaber hören und ihn genau befragen wollen: Be-
nutzt er die Wohnung dauerhaft? Hat er noch woanders
eine Wohnung? Oder übernachtet er überwiegend bei sei-
ner Freundin? Oder, oder, oder . – Jedenfalls hat er darauf
hingewiesen, dass das eine Schwachstelle ist; denn damit
belasten Sie das Opfer möglicherweise erneut erheblich,
oder Sie machen es erneut zum Opfer . Denn der Bestoh-
lene muss nicht nur sagen, was ihm geklaut und kaputt
gemacht worden ist, sondern es wird möglicherweise in
seine ganz privaten Verhältnisse eingegriffen. Deshalb ist
das Kriterium völlig ungeeignet .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Drittens ist es so, dass da vor gar nicht so langer Zeit
schon einmal etwas gemacht worden ist . Vor ein paar
Jahren ist die Mindeststrafe ohne Effekt von drei auf
sechs Monate erhöht worden .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: 1998!)


Jetzt wollen Sie sie noch einmal um sechs Monate erhö-
hen und meinen, dass dann endlich der gewünschte Ef-
fekt eintreten wird .

Machen Sie lieber das – das ist unsere Alternative
dazu, die wir aber gar nicht erfunden haben –, was der
Sachverständige von der Polizeigewerkschaft, den wir
gehört haben, vorgeschlagen hat . Der hat gesagt: Die Po-
lizei lebt von Spuren . – Das wissen wir, jedenfalls wenn
es um Einbruchdiebstahl geht, von fast jedem Krimi . –
Wir brauchen insbesondere zur Spurensicherung beste
Technik . Die Polizei muss natürlich auch in die Lage
versetzt werden, diese Technik anzuwenden . Das heißt,
vor allem die Ausbildung muss besser werden .

Wenn Sie das alles tun, dann haben Sie die Voraus-
setzung dafür geschaffen, dass mehr als nur 12 Prozent,
14 Prozent oder 18 Prozent der Täter erwischt werden .
Dann werden auch weniger Leute einbrechen, weil die
Wahrscheinlichkeit, dass sie erwischt werden, größer ge-
worden ist . Das hält von Einbrüchen ab, aber nicht solch
eine Mindeststrafe .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb haben wir eine Alternative vorgeschlagen, die
in Ihrem Gesetzentwurf nicht vorkommt . Lassen Sie das,
was Sie vorhaben . Das bringt es nicht . Hören Sie auf uns .

Das waren eigentlich meine letzten Worte, habe aber
noch 26 Sekunden . Ich bin es auch nicht gewohnt, hier
eine lange Redezeit zu haben . Zum Ende meiner Zeit im
Deutschen Bundestag – das wird voraussichtlich so sein,
wenn nicht im Sommer noch etwas passiert; das weiß
man ja nicht – will ich Folgendes sagen: Ich bin vor et-
was weniger als 50 Jahren der Auffassung gewesen: Par-
lamentarische Demokratie ist falsch, ist Quatsch .


(Bettina Bähr-Losse [SPD]: Echt?)


Sie ist vor allen Dingen nicht in der Lage, zum Beispiel
mit der deutschen Vergangenheit fertig zu werden . Das
war einer der wesentlichen Kritikpunkte . In den Parla-
menten, im Bundeskanzleramt sowie in den Gerichten –
auch in den Obergerichten – saßen überall alte PGs, die
sich in der Nazizeit erheblich schuldig gemacht hat-
ten . Die parlamentarische Demokratie, die es Ende der
40er-Jahre, in den 50er-Jahren und Mitte der 60er-Jahre
gab, war nicht in der Lage, damit umzugehen .

Es gab aber noch viele andere Gründe . Wir waren
auch der Auffassung, dass einzelne Abgeordnete – auch
Abgeordnete der die Regierung tragenden Parteien – und
die Regierung direkt viel zu stark von Lobbyisten und
Großinvestoren beeinflusst wurden.

Also: Ich – nicht nur ich, sondern das galt auch für
viele andere – war der Meinung: Parlamentarische De-
mokratie ist nicht das richtige Mittel, um Demokratie
herzustellen . Wir wollten mehr Demokratie . Wir wollten
sie nicht so wagen, wie es dann Willy Brandt gemacht
hat, sondern wir wollten wirklich mehr Demokratie . Wir
haben gedacht, dass eine Gesellschaft, die in Räten orga-
nisiert ist – also eine Räterepublik –, jedem Menschen,
der das will, die Möglichkeit gibt, sich einzumischen,
zu reden, Einfluss auszuüben und zu einer Entscheidung
beizutragen . Dieser Meinung bin ich heute nicht mehr .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist nicht deshalb so, weil ich finde, dass all das,
was wir früher dachten, schlecht war . Wir haben wirk-
lich viel erreicht . Aber das, was ich eben vorgetragen
habe, werden wir nicht erreichen . Nach allem, was ich
inzwischen in meinem Leben – nicht nur im deutschen
Parlament – erfahren habe, weiß ich auch nicht, ob das
wirklich funktionieren würde . Vielleicht funktioniert das
nur im kleinen Rahmen, beispielsweise in einer Bewe-
gung in Berlin, Frankfurt oder Hamburg, mit der man
etwas erreichen will und wo man Entscheidungen fällen
will . Ich weiß aber nicht, ob das auch im ganzen Staat
funktioniert und ob man so all die Probleme, mit denen
sich der Bundestag beschäftigt, lösen kann . Davon bin
ich nicht überzeugt . Deshalb habe ich da eine andere
Form der Demokratie gesucht . Und das ist die parlamen-
tarische Demokratie . Es ist jedenfalls nicht zu erkennen,
dass eine andere – jedenfalls in Westeuropa und in den
westlich geprägten Ländern – funktionieren würde . Des-
halb bin ich inzwischen auch Teil der parlamentarischen

Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


Demokratie und leider – ich sage: leider – auch Teil des
parlamentarischen Establishments geworden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns gefällt es!)


Das war meine Vorrede, und jetzt komme ich zu mei-
nen drei Punkten, die ich mir wünsche .


(Heiterkeit im ganzen Hause)


Zu meinem ersten Wunsch: Ich habe ein fundamen-
tales Interesse daran, diese parlamentarische Demokra-
tie zu dem zu machen, was wir in der Schule bis zum
Abitur – in der ganz normalen Schule oder auch in der
Volksschule, wie wir früher gesagt haben, welche Schule
auch immer – und in der Universität gelernt haben . Da-
nach gibt es nämlich drei Gewalten in diesem Staat – in
diesem Gesellschafts-, Rechts- und Regierungssystem –,
und die höchste Gewalt ist der Souverän, das Volk . Wir,
die Abgeordneten, vertreten das Volk und sollen die Mei-
nung des Volkes im Parlament zur Geltung bringen und
dort entsprechende Gesetze machen . Die Legislative ist
die Hauptfunktion . Daneben sollen wir die Regierung
kontrollieren, womit wir beim Thema der letzten Aktuel-
len Stunde von vorhin sind .

Und da sage ich: Diese Demokratie funktioniert nicht
so, wie sie soll .

Meine erste Bitte ist daher: Bringen Sie den Mut auf,
auch in der Koalition – wenn also Teile von Ihnen in der
Regierung sind – die Regierung unabhängig zu kontrol-
lieren, sich nicht als Wegbereiter, Schutztruppe, Hilf-
struppe der Regierung zu verstehen, sondern unabhängig
zu handeln .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich könnte Ihnen hier jetzt den ganzen Abend unendlich
viele Beispiele dafür nennen, dass das leider nicht der
Fall ist . Das war nicht nur im Untersuchungsausschuss
und in anderen Gremien nicht so, sondern das ist grund-
sätzlich einfach nicht so .

Wenn es einem Abgeordneten durch die Androhung,
dass er nicht wieder aufgestellt wird, schwer gemacht
wird, einem Gesetzentwurf, den die Regierung vorgelegt
hat, nicht zuzustimmen, obwohl er der Meinung ist, dass
dies richtig wäre, dann ist irgendetwas nicht in Ordnung .


(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Wir haben fast alle Direktmandate!)


Sie können ihn überzeugen, aber Sie können ihn damit
nicht zwingen . Deshalb halte ich überhaupt nichts vom
Fraktionszwang . Er steht auch in keinem Gesetz .

Ich halte auch überhaupt nichts davon, dass ungefähr
30 Mitglieder der Bundesregierung gleichzeitig Abge-
ordnete sind, die sich selbst kontrollieren. Das finde ich
demokratiewidrig, und das ist mit den Grundgedanken
der parlamentarischen Demokratie nicht zu vereinbaren .

Mein erster Wunsch ist also: Machen Sie diese parla-
mentarische Demokratie wirklich zu einer solchen, so-
dass die erste Gewalt im Staat das Parlament ist, das sou-
veräne, unabhängige, selbstbewusste, mutige Parlament .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Jetzt bin ich fast am Schluss .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824313500

Ja . Die anderen zwei Punkte wollen aber, glaube ich,

alle noch hören .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt kommt der zweite Punkt, Frau Präsidentin; das
geht ganz schnell .


(Heiterkeit im ganzen Hause)


Mein zweiter Wunsch ist: Holen Sie Edward Snowden
nach Deutschland! Holen Sie ihn aus Moskau raus!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Er hat sich um die Welt und auch um Deutschland ver-
dient gemacht .

Ihre Kanzlerin wüsste nicht, dass sie abgehört worden
ist, wenn es Edward Snowden nicht gegeben hätte, und
alle Bürgerinnen und Bürger wüssten ohne ihn nicht, dass
sie in Gefahr sind, von der NSA oder anderen Geheim-
diensten abgehört zu werden, wenn sie die IT-Kommu-
nikation nutzen . Das ist ein hohes Verdienst von Edward
Snowden .

Ich fordere von Ihnen, dass sie ein bisschen dankbar
sind und das Wenige tun: Holen Sie ihn aus Moskau hier-
her!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Mein dritter Wunsch ist – ich weiß nicht, ob das allen
in meiner Fraktion jetzt gefallen wird –: Beenden Sie den
Krieg in Afghanistan! Ziehen Sie die Truppen aus Afgha-
nistan ab! 17 Jahre sind viel zu viel und mehr als genug .

Ich weiß nicht, wie viele von denen heute noch hier
sind, die das damals mit entschieden haben . Ich bin mir
sicher – und wenn Sie den ehemaligen Bundeskanzler
fragen, dann wird er Ihnen das bestätigen –: Wenn bei
der ersten Entscheidung über die Entsendung der Trup-
pen nach Afghanistan gesagt worden wäre: „Das ist jetzt
für 16 oder 17 Jahre“, dann hätte diese Entsendung hier
im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gefunden . Des-
halb: Holen Sie die Leute so da raus, dass möglichst we-
nig Schaden zusätzlich entsteht .

Wenn Sie das machen, was die NATO vorhat und
was die Bundesverteidigungsministerin angekündigt hat,
nämlich weitere fünf Jahre in Afghanistan zu bleiben und
die Truppenstärke aufzustocken, dann wird das alles nur
noch schlimmer . Dann stehen Sie in vier oder fünf Jahren
hier, können weitere 10 000 Tote beklagen, und die Lage

Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


in Afghanistan ist nicht besser geworden . Ich sage Ihnen:
Zeigen Sie Mut, und holen Sie die deutschen Soldaten
aus Afghanistan zurück!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Jetzt komme ich zum Dank . Ich danke Ihnen für die
Zusammenarbeit . Manchmal waren einige auch nett und
freundlich .


(Heiterkeit im ganzen Hause – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie die Präsidentin jetzt!)


Es wäre mir lieber gewesen, Sie hätten, statt mir zu dan-
ken, ein bisschen mehr das gemacht, was ich für richtig
halte . Aber das haben Sie nicht .


(Heiterkeit im ganzen Hause – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Ute Finckh-Krämer [SPD])


Ich bedanke mich natürlich bei all denen, die uns da-
durch, dass hier täglich das Licht angeht, geholfen haben,
Politik zu machen, sodass wir in Ruhe tagen konnten .


(Beifall im ganzen Hause)


Ihnen danke ich ganz besonders herzlich, weil sie mir nie
etwas Böses getan haben und mich nie zu Unrecht kriti-
siert haben .


(Beifall der Abg . Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben immer das gemacht, was ich für richtig gehal-
ten habe .


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der LINKEN sowie Abgeordnete der CDU/ CSU erheben sich)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824313600

Lieber Kollege Hans-Christian Ströbele, die Reaktion

des gesamten Hauses fasse ich so zusammen, dass die
Abgeordneten Ihnen zwar sicherlich nicht versprechen,
Ihnen alle Ihre Wünsche zu erfüllen – das muss jeder
für sich entscheiden –, aber zumindest nicht nur darü-
ber nachdenken, sondern in dem Sinne, wie Sie es be-
schrieben haben, die Arbeit hier im Parlament entspre-
chend fortsetzen werden . Diese Reaktion war aber auch
ein Ausdruck des großen Respektes vor Ihrem Weg . Sie
haben eingangs beschrieben, wie wir uns alle entwickeln
und uns gegebenenfalls – das ist Stärke – korrigieren
können, wenn wir eine Auffassung haben, die sich als
falsch erweist .

Seit ich jetzt hier oben sitze, denke ich darüber nach,
welches Zeichen es ist, dass ausgerechnet ich während
Ihrer letzten Rede hier sitzen durfte . Sie wissen es: Wir
sind ein ganz großes Stück des Weges hier in Berlin,
aber auch an anderen Stellen zusammen gegangen . Also,

Dank von allen für die Zusammenarbeit, auch mein per-
sönlicher Dank, und Ihnen alles, alles Gute .


(Beifall)


Prophylaktisch an alle, die sich in den nächsten zwei
Stunden anschicken, hier Ihre letzte Rede zu halten: Ich
habe die Zeichen aus den Fraktionen sehr wohl wahrge-
nommen und diese Rede deshalb so zugelassen . Es wird
nicht bei jeder letzten Rede ein solches Zeitkontingent
geben .

Wir fahren jetzt in der Debatte so fort, wie wir das
verabredet haben . Deshalb hat die Kollegin Bettina
Bähr-Losse für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bettina Bähr-Losse (SPD):
Rede ID: ID1824313700

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich ziehe,
auch wenn ich selbstverständlich nicht alle Positionen
des Kollegen Ströbele teile, den Hut vor der politischen
Lebensleistung, besonders hier im Parlament . Sie werden
diesem Hohen Haus ganz bestimmt fehlen .

Obwohl Sie viele Themen angesprochen haben, über
die wir Stunden debattieren könnten, muss ich jetzt zum
Wohnungseinbruchdiebstahl zurückkommen . Ich begin-
ne meinen Redetext damit, Ihnen zu sagen: Jeder Woh-
nungseinbruch, der stattfindet, ist einer zu viel. Zwar
haben wir in den Redebeiträgen zur ersten Lesung die-
ses Gesetzentwurfes auch hören können, dass die Zahl
der Einbruchdiebstähle um 10 Prozent gesunken ist . Die
Gesamtzahl von 150 000 Einbrüchen ist aber gleichwohl
erschreckend hoch, sodass es völlig richtig ist, dass wir
uns dieses Themas annehmen .

Wesentlich schwerer als der wirtschaftliche Schaden,
den Opfer hinnehmen müssen, wiegt die psychische
Beeinträchtigung; das wurde in den vorangegangenen
Redebeiträgen schon angesprochen . Diesen Umständen
muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, und genau das
tun wir mit diesem Gesetzentwurf . Wir setzen dabei auf
bessere Prävention – das dürfte das Wesentliche sein –,
und wir setzen auf eine bessere personelle und technische
Ausstattung von Polizei und Justiz sowie auf eine stetige
Anpassung von Strafnormen .

Das größte Plus an Sicherheit schaffen wir dann, wenn
es den potenziellen Tätern erst gar nicht gelingt, in die
Wohnung einzudringen . Wir wollen, dass Wohnungen so
gesichert sind, dass man eben nicht mit ein paar einfa-
chen Kniffen Türen oder Fenster aushebeln kann.

In 40 Prozent der Fälle – das haben wir schon ge-
hört – bleibt ein Wohnungseinbruch im Versuchsstadium
stecken . Das heißt, Prävention ist eine entscheidende
Stellschraube, um Einbrüche zu verhindern . Wir unter-
stützen daher den Einbau von Mechanismen, die dem
Einbruchschutz dienen, mit erheblichen Fördergeldern .
Hierfür stehen allein in diesem Jahr 50 Millionen Euro
zur Verfügung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


Dass Prävention funktioniert, zeigt die Entwicklung
bei den Autodiebstählen . Es gab im Jahr 1993 über
100 000 Autodiebstähle und Einbrüche in Autos . Diese
Zahl hat sich auf 19 000 im letzten Jahr reduziert . Es
macht also Sinn, auf Sicherungstechniken zu setzen, und
genau das tun wir .

Ferner hat meine Fraktion schon lange betont, dass
Polizei und Justiz personell und technisch so aufgestellt
sein müssen, dass sie uns vor Kriminellen und ihren Ma-
chenschaften bestmöglich schützen können . Eine perso-
nell und technisch gut ausgestattete Polizei erzielt noch
bessere Ermittlungserfolge .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Eine personell gut aufgestellte Justiz kann Verfahren
zeitnah zur Straftat durchführen . Die Strafe folgt – wie
von uns allen gewünscht – quasi auf dem Fuße .

Die Ermittlungsarbeit sollte auch dadurch unterstützt
werden, dass künftig die Überwachung von Funkzellen
dort, wo es angezeigt ist, möglich sein sollte . Von dieser
Möglichkeit wird jedoch erst dann Gebrauch gemacht
werden können, wenn die rechtlichen Zweifel an der
Konformität der sogenannten Vorratsdatenspeicherung
im Hinblick auf europäische Datenschutzrichtlinien
nicht mehr bestehen . Zweifel daran, dass dieses Instru-
ment den Ermittlern helfen würde, die Aufklärungsquote
zu erhöhen, habe ich nicht . Gleichwohl dürfen wir für
ein Mehr an Sicherheit datenschutzrechtliche Bedenken
nicht ignorieren .

Schließlich setzen wir darauf, dass auch Einbruch-
diebstähle in dauerhaft genutzte Privatwohnungen als
Verbrechen einzustufen sind . Denn genau darum handelt
es sich für die Opfer: Für sie ist es nicht bloß ein Verge-
hen, sondern ein Verbrechen .

Mit der Einstufung als Verbrechen geht dann auch
eine härtere Bestrafung zwischen einem Jahr und zehn
Jahren einher, die die gravierenden Folgen für die Opfer
im Strafmaß abbildet und, so hoffen wir, bei der Kos-
ten-Nutzen-Rechnung der Täter auch eine abschreckende
Wirkung entfalten wird . Einen minderschweren Fall soll
es zukünftig nicht mehr geben .

Jede aufgezeigte Einzelmaßnahme an sich würde ver-
mutlich nur Teilerfolge erzielen . Durch die Kombination
von Prävention, verbesserter Aufklärungsmöglichkeit
und abschreckenden Strafen wollen wir einen Erfolg er-
zielen, wie er bei den Autodiebstählen und -einbrüchen
möglich war . Wir werden damit unseren Beitrag für ein
Mehr an Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger leisten .
Dessen bin ich gewiss . Deshalb bitte ich um Ihre Zustim-
mung .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824313800

Das Wort hat der Kollege Professor Dr . Patrick

Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1824313900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Lieber Kollege Ströbele, ich habe Ihren
Worten gerne gelauscht, und ich werde versuchen, meine
Redezeit jetzt etwas kürzer zu halten, damit wir halbwegs
im zeitlichen Rahmen bleiben . Ich glaube, das ist mög-
lich, weil die wesentlichen Punkte zu diesem Gesetzge-
bungsverfahren gesagt sind .

In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Einbruch-
diebstähle um 30 Prozent angestiegen . Auch wenn sie
in letzter Zeit wieder zurückgegangen ist: In der langen
Tendenz steigt sie an; das haben wir auch gesehen . Alle
drei Minuten findet ein Einbruchdiebstahl statt. Das ist
etwas, was wir nicht hinnehmen können . Ich glaube, über
alle Fraktionen hinweg haben wir klar gesagt, dass das
etwas ist, was wir nicht tolerieren wollen .

Bei den Ansätzen unterscheiden wir uns etwas . Aber
deshalb hat diese Koalition auch nicht nur einen Ansatz
gewählt, sondern sie hat verschiedene Ansätze gewählt,
die richtig sind .

Bei einem sind wir über alle Fraktionen hinweg ei-
ner Meinung: Wir brauchen mehr Polizei vor Ort, damit
wir etwas machen können . Wir müssen den Ermittlungs-
druck erhöhen . Wenn ich Sie richtig verstanden habe,
Herr Kollege Tempel, bringt alleine schon die Präsenz
etwas . Das ist die Erfahrung, die wir vor Ort machen .
Deswegen haben wir den Teil, den der Bund beitragen
kann, gemacht, indem wir 7 500 Bundespolizisten mehr
einstellen, 1 300 Polizisten beim Bundeskriminalamt und
10 000 Personen bei den Sicherheitsbehörden . Das wird
schon wirken . Das ist das, was wir beim Personal haben
machen können .

Wir haben zweitens aber auch gesagt, dass wir – die
Länder können wir zwar anstoßen, aber wenig beein-
flussen; ich bin gespannt, was in Nordrhein‑Westfalen
passieren wird – Anreize schaffen müssen, damit Bür-
gerinnen und Bürger die Dinge, die sie machen können
und wollen, auch umsetzen können . Das sind die Siche-
rungsmaßnahmen im eigenen Wohnungsbereich . Es war
richtig, die Grenze der Förderwürdigkeit auf 500 Euro
herunterzusetzen . Auch darüber sind wir uns alle einig .
Diejenigen, die es sich gerade nicht leisten können, be-
stimmte Maßnahmen zu ergreifen, wären auch bei der
höheren Grenze von 2 000 Euro nicht dazu gekommen .
Deswegen ist die Grenze von 500 Euro, glaube ich, rich-
tig . Ich bin gespannt, ob die Verfahren dann so einfach
ausgestaltet werden, dass Bürgerinnen und Bürger diese
Maßnahmen wirklich in Anspruch nehmen . Meine Vor-
rednerin hat gerade zu Recht gesagt: 50 Millionen Euro
sind dafür bereitgestellt. Ich hoffe, dass die Verfahren
sehr praxistauglich sind .

Bei der Straferhöhung – das ist der dritte Bereich – sind
wir im Dissens . Wenn ich mir anschaue, wie sich Woh-
nungseinbrüche in den letzten Jahren entwickelt haben,

Bettina Bähr-Losse






(A) (C)



(B) (D)


dann stelle ich fest, dass sie mehr von Banden organisiert
werden und mit einer deutlich größeren Schwere und
Brutalität verbunden sind . Man dringt in die Wohnung
ein, auch wenn die Leute im Bett schlafen, und raubt die
Wohnung aus . Wenn die Leute aufwachen, drohen ihnen
große Gefahren . Oft wird tätlich gegen diese Personen,
oft gegen ältere Menschen, vorgegangen . Da ist also eine
starke, organisierte Kriminalität im Spiel .

Dazu muss ich sagen: Dann muss auch das Strafmaß
der Intensität der Tat entsprechen . Deswegen ist es rich-
tig, dass man das Strafmaß erhöht . Wenn die Höhe des
Strafmaßes als Abschreckungsgrad nie eine Rolle spielen
würde, dann müssten wir das bei allen Taten diskutieren .
Dann müssten wir uns überall fragen, welchen Sinn es
macht, ein hohes Strafmaß bei einer sehr schweren Tat
vorzusehen . Wir stufen eben den Wohnungseinbruch, das
Eindringen in die Privatsphäre als eine schwere Tat ein .
Ich glaube, das ist richtig .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieser Dreiklang ist es, den wir als Gesetzgeber die-
sem Phänomen der kontinuierlich ansteigenden Woh-
nungseinbruchskriminalität entgegensetzen . Ich glaube,
das ist ein richtiges Zeichen, wenn man so etwas erkennt .

Wir haben in den Debatten viele Punkte diskutiert,
gemeinsam mit der Bundesregierung viele Details ange-
sprochen . Eine Expertenanhörung hat uns unterschied-
liche Ansichten gezeigt . Ich glaube, die überwiegende
Meinung in der Koalition und die Punkte, in denen wir
sogar mit der Opposition einig sind, wurden bestätigt .
Dass wir bei einem so schweren Delikt auch die Vorrats-
datenspeicherung nutzen wollen, um Ermittlungsansätze
zu haben, wenn wir von Bandenkriminalität ausgehen,
und auch die Hintermänner feststellen wollen, ist dann
folgerichtig . Wir müssen schauen, wie sich dieses Instru-
ment in nächster Zeit weiterentwickelt .

Wir haben die richtigen Maßnahmen getroffen. Ich
würde mir wünschen, dass wir jetzt nicht im Dissens
auseinandergehen, sondern hier gemeinsam dieses Ge-
setzespaket beschließen würden, für mehr Sicherheit für
unsere Bürgerinnen und Bürger . Zumindest zwei von drei
Maßnahmen sind – das sagen alle Fraktionen – gut, und
bei der dritten, glaube ich, könnte man auch mitgehen .
Wir könnten das Gesetz vielleicht heute gemeinsam be-
schließen . Dafür werbe ich .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824314000

Herzlichen Dank, auch für die Umsetzung des ange-

kündigten Versprechens . – Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ge-
setzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Woh-
nungseinbruchdiebstahl . Der Ausschuss für Recht und
Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/12933

und 18/12995, den Gesetzentwurf der Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 18/12359 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion
und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an-
genommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Par-
allelgesetzentwurf der Bundesregierung . Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh-
lung auf den Drucksachen 18/12933 und 18/12995,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/12729 für erledigt zu erklären . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ein-
stimmig angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria
Klein-Schmeink, Katja Dörner, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und
Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen
stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung

Drucksache 18/12951

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Kerstin
Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mit Sicherheit in die Selbständigkeit – Für
eine bessere Absicherung von Selbständigen

Drucksachen 18/10035, 18/12673

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Wir stellen Ihnen heute unser Konzept der Bürger-

Dr. Patrick Sensburg






(A) (C)



(B) (D)


versicherung erstens vor und zweitens auch zur Abstim-
mung . Damit wollen wir einen Beitrag dafür leisten, dass
wir Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahl-
freiheit in unserem Gesundheitswesen stärken können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir geben damit eine Antwort auf die Herausforde-
rungen unseres Gesundheitswesens, nämlich zum einen
die Versorgung für alle in der gewohnten und geforderten
Qualität zugänglich zu halten und zum anderen insge-
samt die Beiträge für unser Krankenversicherungssystem
bezahlbar zu halten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Spagat kann nur gelingen, wenn wir uns da-
rum bemühen und heute die Grundlagen dafür schaffen,
dass wir eine stabile und nachhaltige Finanzierung auch
in Zukunft haben, weil wir wissen, dass enorme Heraus-
forderungen durch den demografischen Wandel und auch
durch die medizinische Entwicklung vor uns stehen . Da
müssen wir heute handeln . Wir können nicht darauf bau-
en – dieser Gedanke tauchte gestern in der Diskussion
auf –, dass durch die Zusatzbeiträge eine komfortable
Situation sowie gute Rücklagen geschaffen wurden, mit
denen wir die Aufgaben schon stemmen können . – Nein,
so gelingt das nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sehen auch sehr deutlich, dass das System der
Zusatzbeiträge, das Sie sich ausgedacht haben, erstens
ungerecht ist und zweitens auch auf Dauer nicht trägt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD])


– Ich sehe schon: Der Kollege von der SPD klatscht und
stimmt mir zu .

Über die Zusatzbeiträge haben wir die enormen Las-
ten, die jährlich neu im Gesundheitswesen entstehen, auf
die Versicherten allein verschoben . Das ist nicht gerecht,
und das trägt auf Dauer nicht . Deshalb müssen wir aus
dieser Sackgasse heraus, hin zu einer gerechten Finan-
zierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir zu einer gerechten Finanzierung kommen
wollen, dann bedarf es keines großen Kunstgriffs; denn
unser heutiges solidarisches System beruht auf der So-
lidarität der Sozialversicherten und insbesondere der ge-
setzlich Krankenversicherten . Damit sind 90 Prozent un-
serer Bevölkerung in ein Solidarsystem einbezogen . Das
ermöglicht die Sicherstellung einer guten Versorgung in
Deutschland, unabhängig davon, wie viel Geld der Be-
treffende hat und in welcher Lebenslage er ist. Das ist
eine wesentliche Errungenschaft unseres Sozialsystems
und eine der tragenden Säulen dessen, was wir unter so-
zialer Sicherung verstehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb ist es wichtig, dass wir nun auch die 10 Pro-
zent – viele davon mit hohen Einkommen – einbeziehen,

die derzeit nicht zum Erhalt des Solidarprinzips und zu
einer verlässlichen Finanzierungsbasis beitragen . Diesen
Schritt gilt es endlich zu gehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage . Vielmehr geht
es auch darum, dass wir wesentliche Fehlentwicklungen
in der Versorgung, die sich aus dem doppelten System,
dem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Kran-
kenversicherung ergeben, in den Griff bekommen.

Ich möchte ein Beispiel nennen, das viele leidgeprüf-
te gesetzlich Versicherte kennen . Ich rufe in einer Praxis
an, frage nach einem Facharzttermin und erhalte ihn erst
in sechs oder acht Wochen – manchmal dauert es noch
länger –, während der Privatversicherte beim gleichen
Arzt innerhalb von fünf Tagen einen Termin erhält . Das
ist Zweiklassenmedizin; das können wir nicht zulassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das stellt in Zukunft auch die Versorgung insgesamt in-
frage . Studien zeigen deutlich: Ärzte lassen sich dort nie-
der, wo es viele Privatversicherte gibt und wo sie höhere
Honorare erzielen können . Das ist kein Beitrag zu einer
zukunftsfesten Versorgung . Auch deshalb müssen wir zu
einem integrierten Versicherungssystem kommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Bei einem integrierten Versicherungssystem handelt
es sich keineswegs, wie Sie es uns unterstellen, um eine
Einheitsversicherung . Im Gegenteil: Erstmalig werden
wir den Wettbewerb befördern, den es sowieso in der
gesetzlichen Krankenversicherung gibt; es gibt über
100 Krankenversicherungen . Ich kann als gesetzlich
Versicherter und als freiwillig versicherte Abgeordnete
wählen, in welche gesetzliche Krankenversicherung ich
gehe; das ist sehr schnell möglich . In der privaten Kran-
kenversicherung ist das nicht möglich . Wenn ich einen
alten Vertrag habe, dann bin ich – rational betrachtet – an
meine private Krankenversicherung gebunden und kann
nicht wechseln, selbst wenn ich mit ihren Dienstleistun-
gen in keiner Weise zufrieden bin . Auch das muss man
verändern . Wir müssen zu echter Wahlfreiheit kommen .
Genau das könnten wir erreichen, indem wir jede Per-
sonengruppe und jede Einkommensart in das System
der solidarischen Bürgerversicherung einbeziehen . Alle
Einkunftsarten werden verbeitragt . Auch die privaten
Krankenversicherungen sollen die Bürgerversicherung
anbieten können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren von der Union, hören Sie
genau hin und schauen Sie unseren Antrag an, damit Sie
nicht ständig mit der alten Leier von der Einheitsversi-
cherung kommen! Das wird unserem Konzept in keiner
Weise gerecht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)


Welche Antwort wollen Sie all den vielen Rentnern und
Rentnerinnen geben, die heute durch private Prämien für
die Krankenversicherung über Gebühr belastet werden?
Welche Antwort wollen Sie den vielen kleinen Selbst-
ständigen auf die Frage nach deren sozialen Sicherung
geben? Da haben Sie ganz große Lücken und keine Ant-
wort .

Mit der Bürgerversicherung liefern wir eine Antwort .
Das ist machbar . Es bedarf vieler Schritte; das ist ganz
klar . Mit dem ersten Schritt, der Wiederherstellung der
paritätischen Finanzierung, würden wir vorangehen . Als
Nächstes würden wir die Selbstständigen in die gesetz-
liche Krankenversicherung einbeziehen sowie ihnen be-
zahlbare Tarife und eine gute Mindestbemessungsgrenze
anbieten . Wir würden den Beamten einen Tarif anbieten,
damit auch sie in der gesetzlichen Krankenversicherung
Mitglied werden können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gleichzeitig könnten wir alle Zuzahlungen abschaffen.
Das ist ein klares Angebot für eine stabile und verlässli-
che Finanzierung und eine gute Versorgung .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824314100

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Thomas

Stritzl das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 18/12951 ist kaum mehr als alter
Wein in neuen Schläuchen . Unter dem Schalmeienklang
„Allen Wohl, keinem Wehe“ soll die Axt an eines der er-
folgreichsten und leistungsstärksten Gesundheitssysteme
dieser Welt angelegt werden .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist es! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Quatsch!)


Da zufällig gerade Wahlkampfzeiten sind, war beim
Verfassen des Antrags der Grünen, der das Ziel der Zer-
schlagung des erfolgreichsten Gesundheitssystems der
Welt verfolgt, leider keine Zeit, die schädlichen Neben-
wirkungen der grünen Anti-PKV-Pille zu berücksichti-
gen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn da eine Nebenwirkung?)


Diese wären erheblich .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PKV ist eingeladen, die Bürgerversicherung anzubieten!)


Der Antrag, der in seinem Wording auf die Ausstrahlung
sogenannter sozialer Wärme abzielt, verliert nicht eine
Silbe an die Adresse der Direktverlierer des grünen Vor-
habens: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
Versicherungsbranche .

Wenn man der Hans-Böckler-Stiftung folgt – eine
Studie dort haben nicht wir beauftragt; es ist nicht un-
ser Institut; es ist eher auf der linken Seite des Hauses
beheimatet –, drohen 51 000 nicht kompensierbare Ar-
beitsplatzverluste in der Privatversicherungsbranche –
51 000! Kein Wort von Ihnen dazu .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist das! – Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Die können doch in andere Versicherungen gehen!)


Ich finde das bemerkenswert. Auch kein einziges Wort
dazu, dass rund 300 000 Arbeitsplätze in den Bereichen,
die an die Versicherungsbranche angrenzen, gefährdet
sind – keinen Ton!


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Digitalisierung wird sehr viel verändern, auch in der PKV!)


Ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie von Zweiklas-
senmedizin reden. Sie haben offensichtlich ein Zweiklas-
senverständnis, wenn es um Arbeitsplätze geht . Als es
um die 15 000 Arbeitsplätze bei Tengelmann ging, konn-
te Gabriel laut OLG Düsseldorf das Wirtschaftsrecht
unter Ihrem Beifall mit biegen . Wenn es um 51 000 Ar-
beitsplätze in der privaten Versicherungsbranche geht,
dann erwähnen Sie es nicht nur nicht einmal, sondern Sie
betreiben sogar direkt deren Verlust und fühlen sich da-
bei auch noch gut . Das müssen Sie vor sich selbst recht-
fertigen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wirklich nicht zugehört!)


Die Koalition habe durch ihre Politik in dieser Legis-
laturperiode, so darf ich Ihren Antrag zitieren, im Ge-
sundheitssektor erhebliche Kostensteigerungen ausgelöst
und durch die Existenz der Zusatzbeiträge die soziale
Spaltung verschärft .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824314300

Kollege Stritzl, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung der Kollegin Klein-Schmeink .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314400

Aber jederzeit doch .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich danke für die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu
stellen .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314500

Gerne .

Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Haben Sie unserem Konzept entnommen, dass auch
die private Krankenversicherung eingeladen ist, die Bür-
gerversicherung anzubieten? Dann würde sie nicht nur
Behandlungen abrechnen und Risiken berechnen, son-
dern sie könnte mit dafür sorgen, dass Versorgung vor
Ort gestaltet wird .

Das tut sie im Übrigen in kleinen Anteilen sogar schon
jetzt im Bereich der Pflegeversicherung; sie übt sich in
diesem Feld schon . Man kann deutlich sehen: Das hat
Zukunft; das ist in Zukunft gefragt . – Hingegen wird die
Digitalisierung viele der anderen Aufgaben, die heute in
der privaten Krankenversicherung anfallen, sowieso di-
gital ersetzen . Da wird man insgesamt einen Wandel im
Bereich der Arbeitsfelder erleben . Von daher bieten wir
gerade der privaten Krankenversicherung eine ganz kon-
krete Perspektive .

Man hat im Übrigen sehen können, dass so etwas
Ähnliches in den Niederlanden vonstattengegangen ist
und durchaus geklappt hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314600

Ich bedanke mich für den Hinweis, Frau Klein-

Schmeink, dass wir einig sind: Auch Sie gestehen jetzt
zu, dass durch die Umsetzung Ihres Antrages Arbeitsplät-
ze bei der PKV in erheblichem Umfang abgebaut wür-
den . Das ist ja genau das, was ich befürchtet habe .


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine schlechte Antwort! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie denn schwerhörig?)


Dass Sie das auch einmal zugeben, finde ich gut.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Sie sagen dazu ja nichts in Ihrem Antrag; das ist ent-
scheidend . Sie verlieren dazu in Ihrem Antrag überhaupt
kein Wort. Ich finde, darauf sollte man hinweisen. Wenn
wir darüber jetzt Einigkeit gefunden haben, ist das sehr
schön .


(Beifall der Abg . Maria Michalk [CDU/ CSU] – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Sie wollen doch mit Ihrem Antrag, gnädige Frau, die
Bürgerversicherung einführen . Dafür müssen Sie die
PKV abschaffen. Das ist das, was Sie wollen. Sie wollen
es nur nicht mehr so deutlich sagen . Sie wollen das Ge-
schäftsmodell der PKV mittelfristig zerstören,


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


aber Sie wollen es jetzt im Wahlkampf nicht so deutlich
sagen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Antrag überhaupt nicht gelesen!)


Sie wollen gern durch die Hintertür ins Haus . Glauben
Sie nicht, dass wir Sie damit durchkommen lassen .

Ich komme noch einmal zu dem Zitat zurück . Sie
schreiben, wir hätten die Gesundheitskosten erheblich
gesteigert und die soziale Spaltung verschärft . Richtig
ist, dass die Koalition unter Leitung von Gesundheitsmi-
nister Gröhe in dem Bereich enorm viel geleistet hat . Er
hat wirklich viel geleistet . Die Qualität in unserem Ge-
sundheitswesen ist gestiegen . Dies mögen Sie jetzt kriti-
sieren, aber als es hier um die konkreten Maßnahmen im
Einzelnen ging, war es gerade Ihnen immer nicht genug,
durfte es immer noch ein bisschen mehr sein .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, mit mehr Solidarität können wir mehr gute Leistungen bezahlen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824314700

Kollege Stritzl, ich habe die Uhr angehalten und fra-

ge Sie, ob Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin
Scharfenberg zulassen .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314800

Jawohl, auch das .


(Dr . Edgar Franke [SPD]: Sie wollen nur die Redezeit verlängern!)


– Genau .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Redezeit verlängere ich gern .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824314900

Bitte, Frau Scharfenberg .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es spricht für sich, was wir hier hören . – Ihre Antwort
hat mich nicht wirklich zufriedengestellt; denn die Frage,
die meine Kollegin formuliert hat, wurde de facto nicht
beantwortet .

Sie haben darauf bestanden, dass mit unserem Antrag
quasi Arbeitsplätze beseitigt würden und dass wir die
private Krankenversicherung eliminieren wollen . Mich
würde interessieren, an welcher Stelle Sie das gelesen
haben, wenn Sie unseren Antrag gelesen haben . Das wür-
de ich gern wissen; denn die Kollegin hat sehr eindeutig
gesagt, dass wir die private Krankenversicherung einla-
den, sich an diesem Modell zu beteiligen, dass wir ihr
in Zeiten der Digitalisierung im Grunde genommen neue






(A) (C)



(B) (D)


Geschäftsmodelle bieten, dass wir also anbieten, sich am
Gesundheitswesen ganz aktiv zu beteiligen .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das tut sie ja schon!)


Mich würde jetzt also interessieren, wo genau Sie das
gelesen haben, dass wir die private Krankenversicherung
eliminieren wollen . Ich fordere Sie auch herzlich auf, die
Frage meiner Kollegin zu beantworten .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824315000

Wenn ich Ihnen mit Herrn Montgomery, dem Präsi-

denten der Bundesärztekammer, antworten darf .


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den habe ich nicht gefragt! Ich habe Sie gefragt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der schreibt Ihnen vielleicht die Anträge, uns nicht!)


Zu dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, EBM, den
Sie einführen wollen, sagt er:

Das ist die Einführung der Bürgerversicherung, die
Abschaffung der PKV durch die Hintertür.


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es geht doch um unseren Antrag, nicht um Herrn Montgomery! Es geht um den Grünenantrag!)


Auf Berlinerisch würde man sagen: „Nachtigall, ick
hör dir trapsen .“

Genau das ist die Situation: Sie wollen den Einstieg in
die Abschaffung der PKV.


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das?)


Wir wollen ihn nicht, weil wir zur Dualität des Systems
stehen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Dualität hat uns im Gesundheitssystem nach vorn
gebracht und nicht zurückgeworfen . Diesen Fortschritt
wollen wir sichern – für die Versicherten, für die Pati-
enten . Deswegen wehren wir uns dagegen, dass Sie die
Dualität aufheben wollen . Das ist der Sinn Ihres Antrags .
Das können Sie ruhig sagen . Da sind wir in der Sache
unterschiedlicher Meinung .


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben!)


– Ich habe ihn nicht nur gelesen; ich habe ihn sogar ver-
standen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir aber Zweifel!)


Noch einmal zu der Frage: Wie steht es um die Finan-
zen der GKV? Sie sagen, dass alles das, was die Große
Koalition beschlossen und eingeführt hat, nicht leistbar

sei . Aber auch dazu sagen Sie nichts: 16,7 Milliarden
Euro sind auf dem Rücklagenkonto der GKV .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die gehören den Versicherten! Aus den Zusatzbeiträgen! Nur von den Versicherten!)


16,7 Milliarden Euro! Das nennen Sie soziale Spaltung .
1,4 Millionen Menschen mehr haben eine Beschäftigung
auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland . Das nennen Sie
soziale Spaltung . Das Reallohnwachstum in der Zeit von
2014 bis 2016 betrug 6 Prozent – Tendenz steigend in
2017 .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht jeder nimmt daran teil!)


Das nennen Sie soziale Spaltung. Offensichtlich steuern
die Interessen Ihre Wahrnehmung, aber die Realität ist
eine andere .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Besser wird es auch nicht mit Ihrem Vorhalt der so-
genannten Zweiklassenmedizin . Sie wissen ganz genau,
dass bei der Versorgung mit medizinisch notwendigen
Leistungen eine Zweiklassenmedizin in Deutschland
nicht existiert .


(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die existiert! Als GKV-Versicherte weiß ich das!)


Was die Wartezeitenargumentation angeht: Wir als
Große Koalition


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wo sind denn Sie versichert?)


– melden Sie sich; Sie haben einen Finger – haben das
Angebot der Terminservicestellen eingerichtet . Es wird
kaum in Anspruch genommen . Auch das darf man einmal
erwähnen . – Punkt eins .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist das!)


Punkt zwei . Wenn Sie sich in der Statistik die europä-
ischen Vergleichsdaten anschauen, dann sehen Sie, dass
das duale System die kürzesten Wartezeiten hat


(Beifall bei der CDU/CSU)


und dass die Einheitssysteme, die Sie anstreben, schlech-
ter sind, als Sie uns hier vorspiegeln . Auch dieser Weg
von Ihnen ist also kein Weg nach vorn, sondern ein Weg
zurück .

Die grüne Quadratur des Kreises – das als weite-
re Bemerkung –: Sie wollen gern mehr Versicherte im
GKV-System . Sie verschweigen, dass es dann auch mehr
beitragsfrei Mitversicherte, Familienmitglieder, gäbe .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut! Das ist Familienförderung!)


Elisabeth Scharfenberg






(A) (C)



(B) (D)


Sie wollen mehr Leistungen für alle und gleichzeitig
mehr Beitragsstabilität .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Das Versprechen können Sie nur halten, wenn Sie das
Leistungsniveau absenken .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Das ist genau der Punkt, den die Vorsitzende der GKV
schon heute nennt: Gäbe es die Dualität, den Wettbewerb
mit der privaten Krankenversicherung nicht, wäre das
Leistungsniveau in der GKV heute wahrscheinlich schon
niedriger . – Genau das wollen wir nicht .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Mythos, den Sie immer nur erzählen!)


Wir wollen ein möglichst hohes Leistungsniveau für die
Versicherten, für die Patientinnen und Patienten; dabei
lassen wir nicht locker .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine weitere Fehlannahme Ihrerseits ist, dass die PKV
die Versicherung der Reichen ist . Auch das stimmt nicht .


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit kommen Sie nicht über den Wahlkampf!)


20 Prozent der Versicherten in der PKV liegen oberhalb
der Jahresbemessungsgrenze . Insofern ist auch das kein
haltbares Argument .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315100

Herr Kollege, jetzt müssen Sie aber bitte auf die Zeit

achten . Wir hatten vorhin die Uhr angehalten, sodass Ih-
nen die Kollegen schon die Verdoppelung Ihrer Redezeit
ermöglicht haben .


Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824315200

Gut . – Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Ebenfalls

sind wir nicht für die Einführung eines „grünen Solis“ .
Sie wollen in Zukunft sowohl Arbeitseinkommen als
auch Mieteinkommen und Dividenden nicht nur versteu-
ern – das machen wir heute schon –,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Freibeträgen!)


sondern sie zusätzlich auch verbeitragen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum soll nur ein abhängig Beschäftigter bezahlen?)


Damit machen Sie diese Form der Kapitaldeckung für
die Menschen – auch in Form der Altersvorsorge für die
jungen Leute – immer unattraktiver, anstatt gemeinsam
einen Weg zu suchen, wie wir junge Leute im System
halten können, wie wir Altersvorsorge bei einer sich
wandelnden Demografie weiter festigen können.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315300

Sie können gern weiterreden, Herr Kollege, aber dann

komme ich in Verhandlungen mit Ihren Kollegen aus der
Fraktion in Bezug auf die Anrechnung der Redezeit .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Er ist schon fertig!)



Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1824315400

Okay . – Im Ergebnis ist Ihr Weg kein Weg in die Zu-

kunft, sondern ein Weg in die Vergangenheit . Wir bleiben
bei unserem leistungsfähigen System .

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU macht im Wahlkampf einfach immer ein bisschen länger!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315500

Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Lieber Kollege Stritzl, besser als mit den
Worten, die Sie gerade von sich gegeben haben, kann ein
Lobbyist der PKV nicht sprechen; das muss ich Ihnen
wirklich so sagen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Er ist Abgeordneter und hat für unsere Fraktion gesprochen!)


Ich bedaure es wirklich sehr, dass Sie so für die PKV
kämpfen; denn in ihr sind 9 Millionen Menschen ver-
sichert, während es in der GKV 70 Millionen gibt . Ich
glaube, schon daran sieht man den Unterschied .


(Beifall bei der LINKEN)


Nichtsdestotrotz: Die Linke streitet für gesellschaftli-
che und politische Mehrheiten zur Umsetzung einer Bür-
gerinnen- und Bürgerversicherung . Hier sehen wir natür-
lich viele Schnittpunkte mit dem vorliegenden Antrag der
Grünen . Uns überzeugt aber nicht, dass der Wettbewerb
aufrechterhalten werden soll und damit aus unserer Sicht
die Zweiklassenmedizin weiter verfestigt wird . Damit
muss endlich Schluss sein, meine Damen und Herren .


(Beifall des Abg . Alexander Ulrich [DIE LINKEN] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Was reden Sie denn da? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg . Thomas Stritzl [CDU/CSU] gewandt: Herr Stritzl, hören Sie mal zu!)


Was Sie Wahlfreiheit nennen, ist in Wahrheit Wettbe-
werb. Die Folgen für Gesundheit und Pflege, die Herr
Stritzl überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen will, sind
bekannt. Wir sagen eindeutig: Gesundheit und Pflege

Thomas Stritzl






(A) (C)



(B) (D)


gehören in die öffentliche Daseinsvorsorge und dürfen
nicht der Gewinnmaximierung dienen .


(Beifall bei der LINKEN – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bürgerversicherung ist öffentliche Daseinsvorsorge! Das muss aber nicht alles der Staat machen!)


Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, über den wir
gestern debattiert haben . Meine Kollegin Kathrin Vogler
hat dazu schon einiges gesagt .

Meine Damen und Herren, wir haben hier einen zwei-
ten Antrag vorliegen, zur Absicherung von Selbstständi-
gen . Wir haben in dieser Legislaturperiode einige Male
über die Situation von Selbstständigen und Solo-Selbst-
ständigen debattiert, allerdings nicht, weil Sie als Damen
und Herren der Koalition das als Thema aufgesetzt ha-
ben,


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir haben das gemacht!)


sondern ausschließlich, weil die Opposition das aufge-
setzt hat . Sie interessiert die Situation der Solo-Selbst-
ständigen überhaupt nicht . Sie schauen einfach weg


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das wissen Sie selber!)


und agieren frei nach dem Motto – wie Frau Merkel im-
mer sagt –: „Deutschland geht es gut, und Probleme gibt
es in Deutschland nicht .“ Das ist eben nicht so; gerade
den Solo-Selbstständigen geht es wirklich nicht beson-
ders gut . In diesem Bereich sollten Sie endlich einmal
etwas tun .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit,
ist keineswegs mit einem guten Einkommen gleichzuset-
zen . Im Gegenteil: Die soziale Lage der Selbstständigen
ist sehr unterschiedlich . Wir haben dazu eine Große An-
frage gestellt und erfahren: Ein nennenswerter Anteil der
Solo-Selbstständigen lebt unter prekären Bedingungen .
Fehlende Sicherheit charakterisiert die soziale Lage ins-
besondere der Solo-Selbstständigen . Das muss geändert
werden, meine Damen und Herren . Sie müssen hier end-
lich etwas tun, sonst rutschen die Solo-Selbstständigen
immer mehr in Armut und haben keine Versicherung .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt unser Antrag! Genau!)


Gerade unter den Solo-Selbstständigen gibt es viele,
die nur ein geringes Einkommen haben . Mit 700 000 So-
lo-Selbstständigen verfügen fast 30 Prozent aller So-
lo-Selbstständigen über ein Einkommen von bis zu
1 100 Euro . Die fehlende oder unzureichende Vorsorge
für das Alter ist aktuell auch das dringendste Problem,
das die Politik endlich lösen muss . Das sagen nicht nur
wir . Das sagt auch die Bertelsmann-Stiftung, die weiß
Gott keine Vorfeldorganisation der Linken ist . Deshalb

ist es wichtig, dass wir die Solo-Selbstständigen schüt-
zen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit,
ist für uns wichtig . Von den 4,2 Millionen Selbstständi-
gen hat nur ein kleiner Teil – etwa 280 000 – Zugang
zu einem Alterssicherungssystem . Das ist viel zu wenig .
Hier muss eine Absicherung her .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da hilft nur die Einbeziehung in die gesetzliche Renten-
versicherung . Bereits heute zeigt sich, dass Altersarmut
unter ehemaligen Selbstständigen weit verbreitet ist . Fast
die Hälfte verfügt im Alter lediglich über ein Nettoein-
kommen von 1 000 Euro . Hier besteht dringender Hand-
lungsbedarf, den Sie einfach nicht sehen wollen, nach
dem Motto „Deutschland geht es gut“ .

Große Probleme gibt es auch hinsichtlich einer Ab-
sicherung im Bereich der Kranken‑ und Pflegeversiche-
rung . Selbstständige sind im Gegensatz zu abhängig Be-
schäftigten nicht pflichtversichert und müssen sich daher
selbst um einen Versicherungsschutz kümmern . Insbe-
sondere geringverdienende Selbstständige finden daher
keine bezahlbare Versicherung . Das muss Ihnen doch
eigentlich zu denken geben . Derzeit wird bei Selbststän-
digen ein Krankenversicherungsbeitrag erhoben, bei dem
man von einem Einkommen von rund 4 000 Euro aus-
geht . Erst beim Nachweis eines niedrigeren Einkommens
wird die Beitragsbemessungsgrenze dann auf 2 200 Euro
abgesenkt, und in nur wenigen Ausnahmefällen kann
der Beitrag auch darunter liegen . Ein Beispiel: Ein So-
lo-Selbstständiger hat ein Einkommen von 1 000 Euro im
Monat . Davon muss er rund 400 Euro für die Kranken-
und Pflegeversicherung bezahlen. Bleiben noch 600 Euro
zum Leben . Finden Sie das gerecht, meine Damen und
Herren? Die Linke fordert eine bezahlbare Kranken- und
Pflegeversicherung.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD,
Sie kümmern sich immer nur um die großen Konzerne,
allen voran die Rüstungskonzerne, die Energiekonzerne,
die Immobilien- und Versicherungswirtschaft .


(Jana Schimke [CDU/CSU]: Da kommt auch das Geld her!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315700

Kollegin Zimmermann .


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315800

Aber wie es dem kleinen Mittelständler, den Selbst-

ständigen und den Solo-Selbstständigen geht, interessiert
Sie nicht. Dabei sind gerade sie wichtig für eine florie-
rende Wirtschaft .

Deshalb ist es wichtig, meine Damen und Herren – ich
komme dann zum Schluss, liebe Frau Präsidentin –, –

Sabine Zimmermann (Zwickau)







(A) (C)



(B) (D)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824315900

Ich bitte darum .


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824316000

– dass wir eine starke Linke hier in Deutschland ha-

ben .


(Ute Bertram [CDU/CSU]: Oh nein! Um Gottes willen!)


Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824316100

Das Wort hat der Kollege Dr . Edgar Franke für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1824316200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! An den Anträgen der Opposition zur Bürgerver-
sicherung gestern und heute merkt man: Der Wahlkampf
fängt langsam an . Wir sind ja auch schon langsam da-
bei, Wahlkampf in unseren Wahlkreisen zu machen . Die
geschätzte Kollegin Kathrin Vogler hat ja gestern ange-
mahnt, dass wir eigentlich ein Gerechtigkeitsstärkungs-
gesetz bräuchten . Tatsächlich haben wir in dieser Legis-
laturperiode, was die Gesundheitspolitik angeht – hier
sitzen ja die Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss,
die dabei waren und dort Politik gemacht haben –, mit
über 20 Gesetzen


(Maria Michalk [CDU/CSU]: 26!)


so viele Gesetze wie nie beschlossen, und diese dienten
alle der Verbesserung der Gesundheitsversorgung .


(Beifall bei der SPD)


Wenn man so will, meine sehr verehrten Damen und Her-
ren, haben wir über 20 Gesetze gemacht, die zur Gerech-
tigkeitsstärkung eingesetzt worden sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Gesundheitspolitik trägt eindeutig eine sozialde-
mokratische Handschrift . Der rote Faden sozialdemo-
kratischer Gesundheitspolitik, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ist eine bessere Versorgung der Menschen
unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Wohnort
und unabhängig vom Alter . Das nennen wir Gerechtig-
keit .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben wirklich viel umgesetzt; das Versorgungs-
stärkungsgesetz, die Regelungen für den Palliativ- und
Hospizbereich, das Krankenhausstrukturgesetz, drei
Pflegestärkungsgesetze und das Präventionsgesetz sind
nur einige Beispiele . Ich darf erinnern: Wir haben die
flächendeckende medizinische Versorgung mit vielen
neuen gesetzlichen Instrumenten durchgesetzt: von der
Terminservicestelle bis zu finanziellen Anreizen für die
Niederlassung in unterversorgten Gebieten . Beispiels-

weise gibt es bei mir in Hessen 66 000 Euro für den Arzt,
der sich in einem unterversorgten Gebiet ansiedelt .


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Und wo fehlt es?)


Wir haben Qualitätsverbesserungen in der Kranken-
hausversorgung . Der G-BA wird am Ende dieses Jahres
sicherlich die Qualitätsparameter vorlegen . Wir haben
vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den
Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir verbessern die
Leistungen mit Mehrausgaben von 5 Milliarden Euro ab
diesem Jahr. Wir haben den erweiterten Pflegebedürftig-
keitsbegriff und Leistungsverbesserungen für demenziell
Erkrankte eingeführt . Das, glaube ich, lässt sich sehen .
Das merken auch die Menschen; denn Pflege muss mehr
als „satt und sauber“ sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!)


Wir haben das Präventionsgesetz auf den Weg ge-
bracht . Maria Michalk, viele andere Koalitionen haben
das nicht geschafft. Damit werden Gesundheitsförderung
und Krankheitsvermeidung in den jeweiligen Lebens-
welten endlich zum Ziel konkreten politischen Handelns
gemacht .


(Zuruf des Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE])


Das, lieber Harald Weinberg, kann sich, glaube ich, se-
hen lassen,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


und es ist eine Politik aus der Sicht der Versicherten .

Ich muss auch sagen: Die Opposition hat bei fast all
diesen Gesetzen dagegengestimmt . Auch das muss man
festhalten . – Da können die Schwarzen auch einmal klat-
schen, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir klatschen schon die ganze Zeit!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824316300

Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung der Kollegin Vogler?


Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1824316400

Ja, natürlich .


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824316500

Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie meine Zwi-

schenbemerkung zulassen . – Da Sie hier das Ergebnis der
Koalitionsarbeit so loben,


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Zu Recht!)







(A) (C)



(B) (D)


will ich doch noch etwas Wasser in Ihren Wein schütten .
Durch die Gesetze, die Sie mit dieser Koalition gemacht
haben, zieht sich eigentlich ein roter Faden,


(Hilde Mattheis [SPD]: Ja, da ist ein roter Faden!)


nämlich dass Sie die Finanzierung der Aufgaben, die
eigentlich staatliche Aufgaben wären, zum Beispiel in
Bezug auf die Krankenhausstruktur, in der Prävention
usw ., den gesetzlichen und nur den gesetzlichen Kran-
kenkassen und deren Versicherten übergeholfen haben .
Am Anfang der Wahlperiode haben Sie nämlich den Bei-
trag für die Arbeitgeber eingefroren, sodass alle künfti-
gen Ausgabesteigerungen von den Versicherten alleine
bezahlt werden müssen, natürlich nur bis zur Beitragsbe-
messungsgrenze . Das heißt, Sie haben die Ausgaben für
das, was Sie in dieser Wahlperiode verteilt haben, zum
größten Teil einseitig den Versicherten aufgelastet . Das
ist meiner Ansicht nach kein Beleg für eine besonders
gerechte und sozialdemokratische Politik, sondern es ist
eher ein Beleg für eine weitere Umverteilung von unten
nach oben .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Was war die Frage?)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1824316600

Das war eher eine Kommentierung, liebe Kathrin

Vogler, als eine Frage . –


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, das war eine Bemerkung!)


Im Bereich der Prävention haben wir ganz viel gemacht .
Wir haben nämlich die Leistungen verdoppelt . Wir geben
inzwischen 7 Euro für jeden Versicherten für Prävention
aus, und das kann sich wirklich sehen lassen:


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


für Gesundheitsförderung, für Primär- und Sekundärprä-
vention . Das lässt sich politisch darstellen .

Ich kann auch sagen, dass wir als Sozialdemokraten
den Zusatzbeitrag einkommensabhängig gemacht haben .
Auch deswegen ist es etwas ganz anderes als die Kopf-
pauschale, die es früher gab, bei der jeder unabhängig
vom Einkommen einen Zusatzbeitrag gezahlt hat .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damals war das gedeckelt, heute zahlen sie schon mehr!)


Zweitens haben wir schon damals bei den Koalitions-
vereinbarungen immer gesagt, dass wir dafür sind, Kran-
kenversicherungsbeiträge paritätisch zu finanzieren,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu 50 Prozent . Es kann
nicht sein, dass alles, was wir für den medizinischen
Fortschritt an Innovationen auf den Weg gebracht haben,
allein die Arbeitnehmer und die Versicherten zahlen .
Da bin ich vollkommen einer Meinung mit Ihnen . Aber
Politik ist manchmal eben so, dass man Kompromisse
machen muss . Das stand im Koalitionsvertrag, und die

SPD war immer koalitionstreu; das sage ich Ihnen ganz
ehrlich .


(Beifall bei der SPD – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Quod erat demonstrandum!)


Recht herzlichen Dank für die Frage, Kathrin Vogler .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt
zur gesundheitspolitischen Debatte und zum Antrag der
Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen
zum Einstieg in die Bürgerversicherung zurück .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt will ich mal wissen, ob ihr den unterstützt!)


Liebe Maria Klein-Schmeink, es ist ein guter Antrag; das
sage ich ausdrücklich .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja schon mal was!)


Es ist nicht nur ein Schaufensterantrag, der dem Bundes-
tagswahlkampf geschuldet ist .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Nein!)


Die Bürgerversicherung, lieber Kollege Thomas Stritzl,
ist für Gesundheit und Pflege sicherlich der richtige Weg.
Man kann sich aber über die Details streiten, man kann
sich auch über die handwerkliche Basis streiten .

Ich will ein bisschen was dazu sagen . Hinter dem
Schlagwort „Bürgerversicherung“ verbirgt sich relativ
viel . Herr Stritzl hat versucht, das eine oder andere zu
beleuchten –


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu unterstellen!)


ich sage mal, aus einer sehr individuellen Sicht .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aber zutreffend, erhellend! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das war eher Verdunkelung! Verdunkelungsgefahr!)


– Ob beim Kollegen Stritzl Verdunkelungsgefahr besteht,
weiß ich nicht; aber ich will Licht ins Dunkel bringen . –
Für mich sind bei der Bürgerversicherung acht Punkte
wichtig .

Erster Punkt . Ich habe schon gesagt: Aus unserer
Sicht, aus Sicht der SPD, müssen die Zusatzbeiträge zu-
nächst abgeschafft werden, die allein die Arbeitnehmer,
die Versicherten zahlen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erster Punkt! Da sind wir uns einig!)


Das ist der erste Punkt auch unseres Bürgerversiche-
rungskonzepts – da sind wir einer Meinung –:


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kathrin Vogler






(A) (C)



(B) (D)


Weg mit den Zusatzbeiträgen, die nur die Arbeitnehmer,
nur die Versicherten belasten!


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 24 Milliarden 2015 und 2016! – Zuruf der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


– Da gebe ich Ihnen auch von hier vorne aus durchaus
recht; auch Ihnen, Frau Vogler .

Zweiter Punkt . Die SPD will nach ihrem Konzept die
Beiträge in der Krankenversicherung stabil halten . Es
ist nicht daran gedacht – das wissen Sie, wenn Sie unser
Programm lesen –, Beiträge für welchen Personenkreis
auch immer zu erhöhen . Vielmehr können wir die Beiträ-
ge dann, wenn alle in das System einzahlen, Herr Stritzl,
stabil halten .

Dritter Punkt . Gegenüber dem Grünen-Antrag wollen
wir – das ist ein Unterschied – Bürgerinnen und Bürger
nach unserem Bürgerversicherungskonzept finanziell
entlasten . Unser Programm sieht keine Verbeitragung
von Mieteinnahmen und Kapitaleinnahmen zur Finan-
zierung der Krankenversicherung vor .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist feige! Ihr behandelt die Einkommen nicht gleich!)


Denn damit würden wir den Häuslebauer belasten, der
eine Mietwohnung hat, und das wollen wir nicht .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aha! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da braucht ihr Freibeträge!)


Es gibt viele Gründe, in unserer Gesellschaft umzu-
verteilen – es gibt eine Schere zwischen Arm und Reich;
das ist schon so –, aber ob wir das über das Beitragsrecht
machen, ist die Frage . Ich glaube, das sollte man über das
Steuerrecht machen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schafft ihr das auch für die freiwillig Versicherten ab?)


Die SPD hat ja ein seriös durchgerechnetes Steuerkon-
zept vorgelegt,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Der war gut!)


das vorsieht, gerade die normalen Einkommen zu entlas-
ten und diejenigen, die größere Einkommen haben,


(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ja! Fleißige dürfen mehr zahlen!)


stärker bei der Finanzierung unseres Sozialstaates heran-
zuziehen . Insofern muss man eine Umverteilung über das
Steuerrecht machen, aber nicht über das Beitragsrecht,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824316700

Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung der Kollegin Klein-Schmeink?


Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1824316800

Ja, sicherlich, gerne .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Edgar, ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist;
aber heute muss jeder freiwillig gesetzlich Versicherte,
also zum Beispiel ich als Abgeordnete, bis zur Beitrags-
bemessungsgrenze die anderen Einkunftsarten mit ver-
beitragen .


(Beifall der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Das ist also schon gesetzliche Lage; das wäre nichts
Neues, was da eingeführt würde . Es stellt Gerechtigkeit
zwischen den verschiedenen Einkunftsarten her; denn es
ist doch gar nicht einzusehen, dass eine Rentnerin, die
einfach nur Rente bezieht, anders behandelt wird als eine
Rentnerin, die noch zusätzlich Einnahmen aus der Ver-
mietung von Wohnungen an andere in ihrem Mietshaus
hat .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das sie geerbt hat möglicherweise!)


Das mit zu berücksichtigen, gerade weil wir wissen, dass
andere Einkommensarten immer einen höheren Anteil
am Volkseinkommen haben, ist doch eigentlich eine ver-
nünftige Geschichte. Ich wüsste schon gerne: Schaffen
wir das jetzt für die freiwillig Versicherten ab? Das wäre
mir neu . Dazu habe ich auch noch keine Initiative von
Ihrer Seite, vonseiten der SPD, gesehen .


(Beifall der Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1824316900

Es ist richtig, dass die anderen Einkommensarten bei

freiwillig Versicherten verbeitragt werden .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also nichts Neues!)


Aber die Frage ist, welche Methoden man nutzt, um Um-
verteilung zu realisieren . Es ist nicht eine Frage des Ob,
sondern eine Frage des Wie .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ah!)


Ich glaube, es ist vernünftiger, das über das Steuerrecht
zu machen, weil es fairer ist, das ganze Einkommen he-
ranzuziehen . Ich glaube, das ist der richtigere Weg, als
es über Beiträge zu machen . Es ist nur eine Frage der
Methode, meine liebe Maria Klein-Schmeink .


(Beifall des Abg . Bernd Westphal [SPD] – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Umverteilung, es geht um stabile Finanzierung! – Zuruf von der CDU/CSU: Also Grün und Rot wollen umverteilen!)


Viertens . Wir wollen im Rahmen der notwendigen
medizinischen Behandlungen keine Bevorzugung von
Privatpatienten . Deshalb brauchen wir eine einheitliche

Dr. Edgar Franke






(A) (C)



(B) (D)


Honorarordnung für medizinische Leistungen, unabhän-
gig vom Versichertenstatus . – Maria Klein-Schmeink,
das würde dir wieder besser gefallen .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Rosinenpicker!)


Fünftens . Eine Honorarordnung hat auch einen ande-
ren Effekt. Wir bekommen momentan in den ländlichen
Räumen deshalb oftmals keine Ärzte mehr, weil es dort
weniger Privatversicherte gibt . Das hast du ja auch ge-
sagt, liebe Maria Klein-Schmeink .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Stimmt ja alles nicht!)


– Herr Stritzl, wenn man einen 20-prozentigen Anteil von
Privatpatienten hat, macht man mit ihnen 50 Prozent des
Umsatzes . Wenn man aber nur 2 Prozent Privatpatienten
hat, bedeutet das für einen Arzt oder eine Ärztin auf dem
Land wirklich 20, 30 Prozent weniger Einnahmen . Das
liegt rein am Standort und ist unabhängig davon, wie vie-
le Leute man behandelt . Ein Hausarzt in Frankfurt kann
mit 700 Scheinen leben; wenn der Arzt in Nordhessen
tätig ist, braucht er 1 200 Scheine . Das ist ungerecht .
Deswegen sollte man die Honorarordnung grundsätzlich
reformieren, nach unserem Konzept, liebe Kolleginnen
und Kollegen . – Da kannst du jetzt auch klatschen, liebe
Maria Klein-Schmeink .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg . Thomas Stritzl [CDU/CSU] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist aber ein bisschen komisch!)


Sechstens . Auch wenn wir eine Bürgerversicherung
machen, wird immer von den Ärzteverbänden vorgetra-
gen, dass wir dem System Geld entziehen . Das sagt auch
der Kollege Stritzl immer .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ja!)


Wir müssten aber die Honorare innerhalb des Systems
umverteilen . Wir müssten also dann zum Beispiel die
Honorare für EBM-Leistungen leicht erhöhen . Wir wür-
den nicht dem System Geld entziehen; wir würden es
nur fairer verteilen . Das würde auch bedeuten, dass der
Landarzt in Nordhessen mehr Geld bekommt und der
Arzt, der die Schönen und Reichen behandelt, ein biss-
chen weniger. Das finde ich fair und gerecht, meine sehr
verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Siebtens . Auch nach unserem Bürgerversicherungs-
modell – das sage ich ausdrücklich – wären weiterhin
Privatliquidationen möglich, weil in Zukunft auch Leis-
tungen angefragt sind, die über die GKV hinausgehen . Es
wird immer wieder behauptet, dass dann Privatliquidati-
onen nicht möglich sind . Natürlich ist es auch in einem
System der Bürgerversicherung möglich, die Chefarzt-
behandlung oder das Einzelzimmer sozusagen privat in
einem Vertrag zu regeln .

Achtens . Ich bin grundsätzlich für einen Preis- und
Leistungswettbewerb der Krankenkassen untereinander
im Rahmen eines Bürgerversicherungsmodells . Lieber

Kollege Stritzl, Sie sagen ja immer, wir brauchen keine
Einheitsversicherung;


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Genau!)


ich glaube, das ist die Terminologie . Wir brauchen auch
keinen Einheitsbeitrag, sagen wir . Tatsächlich brauchen
wir aber auch in einem Bürgerversicherungsmodell einen
Wettbewerb um Qualität und Leistung .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Den habt ihr doch! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Den wollt ihr abschaffen!)


Wir brauchen einen Wettbewerb auch zwischen den Kas-
sen . Wettbewerb ist auch nichts Schlimmes; denn Wettbe-
werb sorgt dafür, dass die Leistungen für die Versicherten
besser werden . Nur: Wir brauchen einen einheitlichen,
fairen Wettbewerb und einen fairen Wettbewerbsrahmen,
der einheitlich gilt .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Wie macht ihr Wettbewerb ohne Preistransparenz?)


Das ist auch in Ordnung . Das ist richtig und wichtig, mei-
ne sehr verehrten Damen und Herren .

Ein solches Modell einer Bürgerversicherung, in die
alle einzahlen und bei der alle die notwendigen medizini-
schen Leistungen bekommen, ist ein Modell der Zukunft .
Man muss sich sicherlich noch über die eine oder andere
verfassungsrechtliche Frage und über Übergangsfristen
unterhalten . Aber es ist ein Modell, nach dem jeder – so
habe ich angefangen – unabhängig von seinem Alter, un-
abhängig von seinem Wohnort und unabhängig von sei-
nem Einkommen die bestmögliche Gesundheitsversor-
gung bekommt . Das ist sozialdemokratisch . Das ist unser
Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD – Thomas Stritzl [CDU/ CSU]: Die eierlegende Wollmilchsau!)


– Die eierlegende Wollmilchsau .

Ich darf, da ich nur noch 45 Sekunden habe, mich am
Ende meiner Rede ganz herzlich für die entspannte, an-
genehme und vor allen Dingen respektvolle Zusammen-
arbeit bedanken . Es war mir eine Freude, Vorsitzender
des Gesundheitsausschusses zu sein – auch von Ihnen,
Herr Stritzl .


(Heiterkeit des Abg . Thomas Stritzl [CDU/ CSU])


Ich hoffe, viele von Ihnen wiederzusehen. Das entschei-
det letztlich der Wähler . In diesem Sinne wünsche ich
uns und Ihnen allen einen angenehmen, guten und vor
allen Dingen fairen Wahlkampf .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317000

Das Wort hat die Kollegin Jana Schimke für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Edgar Franke






(A) (C)



(B) (D)



Jana Schimke (CDU):
Rede ID: ID1824317100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

jemandem die Selbstständigen am Herzen liegen, dann
ist es die Union .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Mehr als 4 Millionen Selbstständige und ihre Beschäf-
tigten haben einen gewichtigen Anteil daran, dass wir in
Deutschland Rekordbeschäftigung, eine anhaltend gute
Konjunktur und eine stabile Haushaltslage verzeichnen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In mehreren Bürokratieentlastungsgesetzen haben wir
Aufzeichnungs‑ und Dokumentationspflichten reduziert,
wir haben Rechtssicherheit im Insolvenzrecht geschaffen
oder auch Freigrenzen im Steuerrecht erweitert . Auch
die Erhöhung der Sofortabschreibung geringwertiger
Wirtschaftsgüter von 410 Euro auf 800 Euro stellt eine
massive Entlastung unseres Mittelstands dar .


(Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Westphal [SPD]: Das war unsere Idee!)


Das Meister-BAföG haben wir durch eine verbesserte
Förderung aufgewertet


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Würden Sie endlich mal zur Sache kommen?)


und damit Existenzgründungen im Handwerk erleichtert .
Dies sind nur einige Beispiele; sie zeigen aber, dass die
Richtung stimmt .

Nun führen wir schon seit längerem eine Debatte über
die persönliche und finanzielle Situation von Selbststän-
digen, gerade auch im Alter . Ich glaube jedoch nicht, dass
die vorliegenden Informationen und das Datenmaterial
ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln erfordern .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


Diese Bemerkung geht an Sie, Frau Zimmermann .

Was wissen wir? Erstens . 3,7 Prozent aller einst
Selbstständigen beziehen Grundsicherung im Alter . Das
ist ein niedriger Wert .

Zweitens . Es ist richtig, dass 30 Prozent aller So-
lo-Selbstständigen ein Einkommen von weniger als
1 000 Euro beziehen, aber dieselbe Anzahl arbeitet eben
auch nur 29 Wochenstunden . Jetzt könnte man meinen,
die verbleibende Zeit würde für weitere Beschäftigungs-
arten genutzt, aber nein: Die überwiegende Zahl der So-
lo-Selbstständigen übt keine weitere Beschäftigung aus .
Das lässt meines Erachtens nur einen Schluss zu: Im
Haushalt gibt es weitere Haupt- und Mitverdiener, die
zum gemeinsamen Einkommen beitragen . Wohlgemerkt:
Der Haushaltskontext wird in vielen Untersuchungen
nicht abgebildet . Falsche Schlussfolgerungen sind oft-
mals die Folge . Eine weitere Zahl stützt diese Annahme:
Rund 90 Prozent der freiwillig in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung befindlichen Selbstständigen zahlen le-

diglich den Mindestbeitrag von 84 Euro . Warum tun sie
das?


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Weil sie nicht mehr zahlen können!)


Sie tun das, weil es andere Vorsorgeformen gibt, die in
den vorliegenden Untersuchungen nicht erfasst werden .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Drittens . Die Gruppe der Solo-Selbstständigen ist eine
höchst volatile Gruppe . Zwischen den Jahren 2010 und
2014 wechselten viele in ein Angestelltenverhältnis oder
stellten eigene Mitarbeiter ein . Das zeigt, dass die heuti-
ge Situation Selbstständiger keine Auskunft darüber ge-
ben kann, wie es diesen Menschen im Alter gehen wird .

Viertens . Nach Auskunft der Bundesregierung lie-
gen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, ob und wie
Selbstständige für das Alter vorsorgen . Bis auf Informa-
tionen zur freiwilligen oder obligatorischen Absicherung
in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer
Lebensversicherung können keine Aussagen getroffen
werden . Wir wissen schlichtweg nicht, ob Vorsorge nicht
auch in anderen Formen geschieht: durch Immobilien-
vermögen, durch Aktien, durch Betriebsvermögen und
andere Vorsorgearten .

Fünftens . Es gibt bei der Erhebung zur Altersvorsor-
ge keine Differenzierung zwischen Selbstständigen mit
Personalverantwortung und Solo-Selbstständigen . Die
konkrete Vorsorgesituation der nach Ihrer Mundart ar-
mutsgefährdeten Solo-Selbstständigen ist also derzeit
nicht festzustellen .

Also worüber reden wir hier eigentlich, meine Damen
und Herren?


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über unseren Antrag! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie schon wissen, worüber Sie reden! So ein Unsinn!)


Ich habe die dringende Bitte: Wenn wir über grundle-
gende Neuerungen in welchem Politikfeld auch immer
diskutieren, dann muss die Datenlage dies auch herge-
ben . Sollten wir uns irgendwann dazu entschließen, die
Altersvorsorge bei Selbstständigen zu definieren, sind
ausreichend valide Daten dafür die Grundlage . Diese
Fachlichkeit ist das Mindeste, was ein Land von seinen
gewählten Vertretern erwarten kann und muss .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aha! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können gerne die Dokumente zu unseren Fachgesprächen nachlesen!)


Lassen Sie mich abschließend folgenden Gedanken
ausführen: Unternehmertum und Selbstständigkeit fol-
gen auch im Sozialversicherungsrecht der Annahme,
dass man von seinen Einkünften leben und vorsorgen
kann . Deshalb bedeutet Selbstständigkeit nicht nur Ent-
scheidungsfreiheit, sondern auch Eigenverantwortung .
Natürlich kann ein Betrieb in die Schieflage geraten oder
muss gar geschlossen werden . Es gibt auch Beispiele,
in denen vorgesorgt wurde und die Solidargemeinschaft






(A) (C)



(B) (D)


trotzdem einspringen muss . Doch diese Beispiele recht-
fertigen nicht, dass ein bestehendes und etabliertes Re-
gelwerk auf den Kopf gestellt wird, erst recht, wenn es
dafür keine hinreichenden Erkenntnisse gibt . Eine Soli-
dargemeinschaft kann zu Recht erwarten, dass jene, die
es nicht schaffen, am Markt zu bestehen, sich beruflich
anders orientieren .

Der Fachkräftemangel ist für die deutsche Wirtschaft
inzwischen zur Wachstumsbremse geworden . Die Unter-
nehmer meines Wahlkreises kommen nicht wegen der
Altersvorsorge zu mir, sondern sie haben Zukunftsängste,
weil der Nachwuchs fehlt . Die Ausgangslage ist gut, aber
das Personal fehlt . Das bedeutet Chancen für jene Men-
schen, die nach neuen beruflichen Perspektiven suchen.
Mein Appell richtet sich deshalb an alle verantwortlichen
Institutionen dieses Landes – von den Sozialämtern und
Arbeitsagenturen, den Kammern und Verbänden bis hin
zu den Parlamenten –: Einem Selbstständigen mit gerin-
gem Einkommen hilft keine Rentenversicherungspflicht;
vielmehr braucht er gute wirtschaftliche Rahmenbedin-
gungen, Unternehmensberatung und im Zweifel Unter-
stützung bei der beruflichen Neuorientierung. Dies soll-
ten jene Prinzipien sein, die uns auch künftig leiten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317200

Der Kollege Tobias Zech hat für die CDU/CSU-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1824317300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es

ist schon spannend, zu hören, wer hier was zur Mittel-
standspolitik sagt . Natürlich ist es richtig, dass wir bei
den Solo-Selbstständigen Bedarfe haben . Natürlich ist
es richtig, dass ein Großteil derjenigen, die Grundsi-
cherungsleistungen beziehen, Solo-Selbstständige sind .
Aber das haben Sie 2004 doch mit verursacht . Eine Ursa-
che dafür ist die Abschaffung des Meisterzwangs für be-
stimmte Gewerke . Das war Rot-Grün! Was Sie machen,
ist eine mittelstandsfeindliche, handwerksfeindliche und
selbstständigenfeindliche Politik . Das ist doch die Wahr-
heit,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: La, la, la!)


und jetzt müssen wir darüber sprechen, wie wir die Feh-
ler, die Sie gemacht haben, wieder ausbaden können –
nicht mehr und nicht weniger .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Luft holen!)


Natürlich ist es richtig, eine Vorsorgepflicht einzu-
führen, wie es im Antrag der Grünen steht . Sie machen
das aber nicht mit Augenmaß, Sie fahren nicht auf Sicht,

sondern Sie wollen das so machen, wie Sie das immer
machen wollen: mit gesetzlichem Zwang .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute ist nicht Aschermittwoch, oder?)


Ausgerechnet den Selbstständigen, von denen wir seitens
der Politik erwarten, dass sie innovativ, mobil und flexi-
bel sind, wollen Sie einen gesetzlichen Deckel überstül-
pen . Lassen Sie doch auch andere Möglichkeiten der Al-
tersvorsorge zu! Lassen Sie auch andere Möglichkeiten
der Vorsorge für das weitere Leben zu!


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie in den Antrag schon reingeguckt? Das steht da doch gar nicht drin!)


Eine Zwangseinweisung in die gesetzliche Rentenversi-
cherung hat nichts mit der Realität dieser Menschen zu
tun . Eine solche Regelung wäre negativ für den Standort
Deutschland .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Neben der Rentenversicherung haben Sie auch die
Arbeitslosenversicherung angesprochen . Da stimme ich
Ihnen sogar zu: Wir müssen die Regelungen im Bereich
der Arbeitslosenversicherung weiter öffnen. Dann muss
aber auch ein dauerhafter Verbleib klar sein . Wir können
doch nicht zulassen, dass sich jemand für selbstständig
erklärt und dann monatsweise oder jahresweise in die Ar-
beitslosenversicherung hinein- und aus ihr herauswech-
selt . Deshalb brauchen wir Sperrfristen . Sonst wird jede
selbstverursachte Verschlechterung des Einkommens
von der Allgemeinheit getragen . Das kann doch nicht
Ihr Ernst sein . Das ist doch keine vernünftige Politik für
Deutschland .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen auch Anwartschaften, und natürlich muss
auch der Verwaltungsaufwand betrachtet werden .

Bei dem Thema geht es aber um noch viel mehr . Mit
dem Weißbuch „Arbeiten 4 .0“ wurde der Versuch unter-
nommen, den jetzigen Status zu dokumentieren . Natür-
lich ergeben sich dabei Fragen, zum Beispiel: Wie ent-
scheiden wir in der Zukunft zwischen Selbstständigen
und Arbeitnehmern? Bei der Statusfeststellung hatten
wir bis jetzt aber keine schwerwiegenden Probleme .
Auch vor Gericht gab es keinen einzigen Fall, bei dem
der Status nicht klar festgestellt werden konnte . Wir ha-
ben allerdings eine Veränderung unserer Arbeitswelt, und
das Weißbuch liefert uns bei weitem nicht die Antworten,
die wir brauchen . Das wird man heute aber auch nicht
entscheiden können, schon gar nicht auf Basis dieses
uninspirierten Antrags . Das ist vielmehr etwas, was wir
länger verfolgen müssen . Wie gehen wir mit Solo-Selbst-
ständigen um, deren Arbeitsfeld sich ganz neu entwi-
ckelt? Wer überwacht zum Beispiel die Arbeitszeit von
Clickworkern, die sich über eine App auf ihrem Handy
einloggen? Wer kümmert sich bei denen um den Bereich
Arbeitsschutz? Der Kollege von der SPD – er ist leider
nicht mehr anwesend – hat vorhin das Thema Parität an-
gesprochen . Es wäre fair gewesen, in diesem Zusammen-
hang auch die gesetzliche Unfallversicherung anzuspre-

Jana Schimke






(A) (C)



(B) (D)


chen . Auch in diesem Bereich haben wir nämlich keine
Parität; denn die Beiträge hierzu werden zu 100 Prozent
von den Arbeitgebern bezahlt .


(Zuruf der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Dabei geht es übrigens nicht nur um Fragen der Regu-
lierung, sondern auch um Fragen der Prävention . Auch
das gehört zur Wahrheit . Wir haben also eine Reihe von
Fragen zu beantworten .


(Zuruf der Abg . Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])


– Frau Zimmermann, gehen Sie wieder auf Normalnull .
Ich lobe Sie jetzt gleich auch . – Sogar die IG Metall
hat das schon erkannt . Mit ihrer Plattform „Fair Crowd
Work“ hat sie sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet . Aber
wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir
kennen den Markt . Das entwickelt sich noch . Dieser
Bundestag wird dazu definitiv Entscheidungen treffen
müssen . Der Arbeitsmarkt wird sich verändern, und wir
müssen richtige Antworten geben .

Die beiden Anträge, die uns jetzt vorliegen, dienen
nicht dem Wohl dieser Republik, sondern sind zu ihrem
Schaden . Mit Mittelstandspolitik und Arbeitsplatzförde-
rung hat das alles überhaupt nichts zu tun . Das ist ein-
fach nur Wahlkampfgetöse, und da machen wir nicht mit .
Deshalb lehnen wir die Anträge ab .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317400

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 18/12951 mit dem Titel „Solidarität und Verlässlich-
keit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheits-
wesen stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung“ .
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken ab-
gelehnt .

Tagesordnungspunkt 13 b . Hier geht es um die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozi-
ales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
mit dem Titel „Mit Sicherheit in die Selbständigkeit –
Für eine bessere Absicherung von Selbständigen“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12673, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10035 abzuleh-
nen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten

Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von
Mieterstrom und zur Änderung weiterer
Vorschriften des Erneuerbare-Energi-
en-Gesetzes

Drucksache 18/12355

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom
und zur Änderung weiterer Vorschriften
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Drucksache 18/12728

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/12988

Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
mentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1824317500


Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Le-
gislaturperiode geht zu Ende . Es ist vielleicht die Zeit,
aus energiepolitischer Sicht zurückzublicken . Ich denke,
wir haben für die Energiewende in Deutschland, für eine
saubere, sichere, aber auch kostengünstige Energiever-
sorgung viel erreicht .

Die Energiewende steht auf rechtlich und ökonomisch
sicherem Grund . Sie ist eines der größten Modernisie-
rungs- und Investitionsprojekte in Deutschland und, wie
ich meine, auch ein Zukunftsmodell mit großer internati-
onaler Ausstrahlung .

Wir haben mit dem EEG von 2014 wichtige Maßnah-
men ergriffen, um die erneuerbaren Energien stärker an
den Markt heranzuführen . Mit dem Strommarktgesetz
haben wir den Strommarkt für die Zukunft fit gemacht.
Und mit dem EEG 2017 integrieren wir die erneuerbaren
Energien konsequent weiter in den Strommarkt . Vor allen
Dingen senken wir die Kosten; denn die Vergütungshöhe
für erneuerbaren Strom wird nunmehr durch Ausschrei-
bung am Markt ermittelt . Den Zuschlag erhält, wer den
Strom am günstigsten erzeugt . Ich meine, das lässt sich
sehen .

Die Energiewende ist aber, denke ich, nicht nur allein
ein Thema für Anlagenbetreiber und Projektentwickler .
Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe .


(Beifall bei der SPD)


Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)


Energieeffizienzgesetz, KWK‑Gesetz und moderne Net-
ze sind Themen, die wir ebenfalls auf der Habenseite ver-
buchen können .

Bei der Energiewende ist aber auch Akzeptanz wich-
tig . Sie ist wichtig für diejenigen, die damit am Ende des
Tages umgehen müssen, also auch für die Bevölkerung .
Insofern muss sie möglichst breit getragen werden . Nicht
nur Hauseigentümer sollten davon profitieren, sondern
wir als Sozialdemokraten meinen, dass auch Mieterinnen
und Mieter vergleichbare Möglichkeiten haben müssen,
diese Energiewende zu nutzen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darauf ist Mieterstrom die richtige Antwort .

Mieterstrom, der von Solaranlagen auf Dächern er-
zeugt wird: Das ist etwas, was dem Mieter helfen kann .
Er sollte dies nutzen und damit auch umgehen können .
Wir müssen ihn in der Art schützen, dass natürlich nicht
jeder Mieter Mieterstrom beziehen muss, aber kann . Er
kann Strom aus dem Netz beziehen . Er hat die Wahl-
freiheit, und am Ende sollte sich der Mieterstrom für die
Mieter auch lohnen . Das sollte unabhängig vom Miet-
vertrag gestaltet werden, und der Mieterstromtarif darf
90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs nicht
übersteigen .

Ich denke, diese Vorteile bedeuten am Ende eine pass-
genaue Förderung . Sie kommen den Mieterinnen und
Mietern zugute und erhöhen damit die Akzeptanz .

Ich glaube, es ist wichtig, das an dieser Stelle auch
zu sagen . Denn ich will nicht verschweigen, dass das in
Städten und Ballungsgebieten hin und wieder schwierig
sein wird . Auf der anderen Seite stärkt dieser Gesetz-
entwurf die Rechte der Mieterinnen und Mieter und die
Chancen, sie gut mit einem attraktiven Angebot zu ver-
sorgen .

Meine Damen und Herren, mit diesem Schlussstein,
der Gesetzgebung zum Mieterstrom, schließt sich die
Energiewende dieser Legislaturperiode . Ich denke, wir
können stolz darauf sein, und wir sind es auch, weil wir
uns für die Zukunft gut gerüstet haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist heute meine letzte Rede im Deutschen Bundes-
tag . Diese Woche hat noch einmal deutlich gemacht, dass
in diesem Plenarbetrieb im besten Sinne dessen, wie wir
uns Plenarsitzungen vorstellen – ich sage es einmal so –,
tüchtig gestritten wird . Es gab sachliche Debatten und ein
hartes Ringen .

Ich will auch anmerken: Als Parlamentarischer Staats-
sekretär war ich häufig in der Fragestunde gefordert. Ich
habe schwierige Fragen aus all Ihren Bereichen, Wahl-
kreisen und Themengebieten beantworten müssen . An
dieser Stelle sage ich aber auch: Als Abgeordneter habe
ich ebenfalls Fragen formuliert, und ich weiß, dass es
manchmal auch nicht leicht ist, sinnvolle Fragen zu for-
mulieren .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich bin jetzt seit 15 Jahren, vier Legislaturperioden,
dabei . Ich glaube, es war ein großes Glück, mit Ihnen
allen zusammenzuarbeiten . Ich habe hier interessante
Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen – nicht
nur aus meiner Fraktion – kennengelernt. Bei allen Diffe-
renzen bei der einen oder anderen Fragestellung will ich
an dieser Stelle sagen: Es hat Spaß gemacht .

Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
die lange bei mir sind und mir den Rücken freigehalten
haben . Ich möchte hier meine hohe Wertschätzung und
meinen großen Dank auch in diese Richtung zum Aus-
druck bringen .

Wenn einem der Rücken freigehalten wird, dann heißt
das natürlich auch, dass man Rückgrat hat . Manchmal ist
das sehr wichtig – gerade im politischen Raum und bei
politischen Positionen . Ich glaube, bei den Abgeordne-
ten – uns allen – sind am Ende des Tages Kriterien wie
Ehrlichkeit und Überzeugung sowohl in der Opposition
als auch in der Regierung vonnöten, und manchmal muss
man auch ein dickes Fell haben .

Ich will an dieser Stelle rückblickend auch meinen
Wählerinnen und Wählern danken . Ich bin in den letzten
vier Legislaturperioden immer direkt gewählt worden .
Bremen II – Bremerhaven ist ein guter Wahlkreis .

An dieser Stelle sage ich in Richtung meiner sozialde-
mokratischen Kolleginnen und Kollegen: Das war meine
letzte Meldung, und ich habe mir geschworen, möglichst
nicht von der Seitenlinie aus zu kommentieren und ir-
gendwelche Sätze abzusondern . Versprochen!

In diesem Sinne: Vielen Dank euch und Ihnen allen
und alles Gute für die 19 . Wahlperiode!


(Beifall im ganzen Hause)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317600

Alles Gute auf dem weiteren Weg . – Das Wort hat die

Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Lin-
ke .


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vier Jahre lang hat die Große Koalition der Energiewen-
de Knüppel zwischen die Beine geworfen, damit regene-
rative Energien bloß nicht zu schnell wachsen .


(Florian Post [SPD]: Das stimmt doch nicht, Eva!)


Sie sagt das eine und tut das andere . Zu viel Strom aus
Sonne und Wind verhindern: Das war offensichtlich die
Devise . Kohlemeiler in Konzernhand wurden geschützt .
Vorgeschoben wurden angeblich hohe Kosten beim Er-
neuerbare-Energien-Gesetz, gleichzeitig aber wurden
größtenteils unsinnige Ausnahmen für die Industrie bei
der EEG-Umlage gewährt . Oder: Sie haben überdimen-
sionierte Megatrassen beschlossen, die eine regionale
Energiewende behindern und die Menschen noch viel
Geld kosten werden .

Parl. Staatssekretär Uwe Beckmeyer






(A) (C)



(B) (D)


Während in anderen Ländern der Ausbau der erneu-
erbaren Energien boomt wie nie, wird hierzulande der
Hahn zugedreht . Es wird gedrosselt und gedeckelt, wo
es nur geht . Die Quittung dafür bekommt die nächste
Bundesregierung dann, wenn sie 2020 die Klimaziele
krachend verfehlt . Das ist wahrlich keine nachhaltige Po-
litik . Diesen Pfusch können wir uns nicht mehr leisten .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch das Mieterstromgesetz der Großen Koalition ist
wie ein Hindernisrennen konstruiert . Wer als Vermieter
eine Photovoltaikanlage auf ein Mehrfamilienhaus stel-
len will, um Mieterinnen und Mieter mit Strom zu be-
liefern, wird dafür bestraft . Die Wohnungsunternehmen
müssen dann Gewerbe- und Körperschaftsteuer zahlen,
und zwar auf ihr gesamtes Wohnungsgeschäft, das ei-
gentlich steuerfrei ist . Der Staat verdient also am Mieter-
strom, der eigentlich gefördert werden soll . Das versteht
kein normaler Mensch mehr .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben auf eine Regelung zum Mieterstrom lange
gewartet . Jetzt machen Sie sie zu halbherzig . Warum sind
zum Beispiel vermietete Gewerbeobjekte von der Förde-
rung von Mieterstrom ausgenommen?


(Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Frage!)


Wann wollen Sie endlich dafür sorgen, dass auf allen öf-
fentlichen Gebäuden Photovoltaikanlagen stehen, damit
die Büros, Schwimmhallen, Rathäuser, Bibliotheken und
Kliniken vom ökologischen Strom profitieren?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Johann Saathoff [SPD])


Auch wenn das keine Mieter im eigentlichen Sinne sind,
ist hier doch ein riesiger Bedarf. Die öffentlichen Gebäu-
de sind wahrlich kein Vorbild . Warum ist das wohl so?
Die Antwort ist: Sie haben immer noch Angst vor zu viel
Ökostrom . Sie sperren sich weiter vor einer ökologischen
Zukunft . Sie fügen der aufstrebenden Erneuerbare-Ener-
gien-Branche sogar Schaden zu .

Aktuelles Beispiel . Die mit der letzten EEG-Reform
eingeführten Ausschreibungen führen zu mehr Proble-
men, als man sich bislang ausmalen konnte . Gestern
mussten wir uns von der Bundesregierung im Wirt-
schaftsausschuss anhören, Ausschreibungen seien noch
weniger vorhersehbar als Wahlergebnisse . – Herzlichen
Glückwunsch zum großen Erneuerbare-Energien-Lotte-
riespiel!


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317800

Kollegin Bulling-Schröter .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824317900

Das haben Sie wirklich prima eingefädelt . Da kann ich

nur empfehlen: Schaffen Sie diesen schlimmen Murks
schnellstens wieder ab!


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben die erneuerbaren Energien zu einem Spiel-
und Experimentierfeld für Spekulanten gemacht . Das
lassen wir Ihnen nicht durchgehen . Man kann sich nicht
einmal über eine hohe Beteiligung von sogenannten Bür-
gerenergiegesellschaften freuen; denn sie sind vermut-
lich nur findige Konstruktionen von Rechtsanwaltsbüros
der großen Projektierer . Mit Akteursvielfalt hat das tat-
sächlich nicht viel zu tun .

Die Linke kritisiert seit der letzten EEG-Reform den
zu niedrigen Ausbaupfad bei Wind- und Solaranlagen .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Quatsch!)


Da haben wir recht; viele unterstützen unsere Position .
Aber selbst dieser Pfad ist jetzt durch den Schmarren,
den Sie mit den Ausschreibungen angerichtet haben, ge-
fährdet . Kleinere Projekte der Bürgerenergie mit bis zu
18 Megawatt sollten nicht an Ausschreibungen teilneh-
men müssen . Das ist EU-konform .


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist höchste Zeit, diesen Blödsinn der Großen Koaliti-
on wieder zu korrigieren und zu dem verlässlichen und
vernünftigen System zurückzukehren, das den Erfolg der
Energiewende herbeigeführt hat .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich werde die-
ses Hohe Haus verlassen – nach 20 Jahren . Ich wünsche
mir für die nächste Legislaturperiode viel Kraft – viel
Kraft, endlich eine Klimapolitik zu betreiben, mit der die
Klimaschutzziele eingehalten werden – das ist für zu-
künftige Generationen notwendig –; Kraft, das Nötige zu
tun und der Lobby und den großen Konzernen zu wider-
stehen; Herr Beckmeyer hat ja hier schon von Rückgrat
gesprochen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünsche mir viel Kraft, um die ökologische Wende
sozial zu gestalten. Denn ich finde, das haben die Men-
schen in diesem Land verdient .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824318000

Kollegin Bulling-Schröter, auch Ihnen alles Gute . Sie

haben bei Ihrer letzten Rede das Angebot des Kollegen
Mindrup, diese zu verlängern, leider ausgeschlagen .
Aber auch mit seinem Beifall und dem Beifall aus al-
len Fraktionen noch einmal die besten Wünsche für alles
Kommende .


(Beifall)


Eva Bulling-Schröter






(A) (C)



(B) (D)


Das Wort hat der Kollege Thomas Bareiß für die
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1824318100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Mei-

ne Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach-
dem meine Vorredner ihre letzten Reden in diesem Haus
gehalten haben, möchte ich meinerseits und auch im
Namen meiner Fraktion Ihnen beiden für die gute Zu-
sammenarbeit danken . In der Tat, es hat Spaß gemacht .
Nicht immer waren wir einer Meinung, aber ich denke,
wir haben immer versucht, das Land in der Sache voran-
zubringen . Der gute Wille war vorhanden . In diesem Sin-
ne: Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit und Ihnen
persönlich weiterhin alles Liebe und Gute .

Ich habe auch eine gute Nachricht: Ich hoffe, dass es
nicht meine letzte Rede sein wird,


(Heiterkeit)


sondern ich bewerbe mich wieder um einen Sitz in die-
sem Hohen Hause. Insofern hoffe ich, dass ich auch wei-
terhin von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen darf, zwar
nicht mehr in dieser Wahlperiode, aber hoffentlich in der
nächsten. Ich hoffe, dass ich dann wieder gemeinsam mit
den meisten von Ihnen auch unser großes Projekt der
Energiewende mit voranbringen darf .

Der Staatssekretär hat vorhin zu Recht damit eingelei-
tet, dass man auch in dieser Debatte eine kleine Bilanz
dessen ziehen kann, was wir in den letzten Jahren ge-
meinsam energiepolitisch erreicht haben . Frau Kollegin
Bulling-Schröter hat – bei aller Nähe und allem Dank für
die Zusammenarbeit – schon auch ein paar Dinge gesagt,
die mich wieder geärgert haben . Denn Sie haben gesagt:
Es wurde gedrosselt und gedeckelt; die Energiewende
wurde abgewürgt usw .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt ja auch!)


Das Gegenteil ist der Fall, liebe Frau Bulling-Schröter:
Die erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren
einen enormen Zubau erfahren . Allein in dieser Legisla-
turperiode haben wir von 2013 bis 2017 einen Zubau von
40 Prozent zu verzeichnen . Der Anteil der erneuerbaren
Energien an der Stromerzeugung beträgt inzwischen
33 Prozent . Das ist ein Zubau, der im Übrigen für eine so
große Industrienation wie unsere einzigartig in der Welt
ist .

Für dieses Jahr – manche mag es freuen, manche aber
auch nicht – wird auch ein Zubau von Onshorewindener-
gie von 5 000 Megawatt prognostiziert .


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wahnsinn ist das! – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Energiewendeziele erreichen Sie nicht!)


Auch das wird wieder ein Rekord sein . Insofern sind wir,
was den Zubau angeht, spitze, und ich glaube, die erneu-
erbaren Energien gehen weiter ihren Weg .

Wir haben in dieser Legislaturperiode auch wichtige
Weichenstellungen in der Systematik vorgenommen .
Wir haben vereinbart, die Ausschreibungen voranzubrin-
gen . Das ist ein ganz, ganz wichtiges Projekt, für das wir
schon lange gekämpft haben. Wir haben es geschafft, dass
durch die Ausschreibungen die erneuerbaren Energien
beim Zubau näher an den Markt herangeführt wurden,
dass wir punktgenauer steuern und dass beim angestreb-
ten Anteil der erneuerbaren Energien von 80 Prozent aus-
geschrieben wird, sodass der Preis nicht mehr vom Deut-
schen Bundestag, sondern vom Markt festgesetzt wird .

Was das bedeutet, haben wir bei der Offshorestrom‑
erzeugung gesehen: Noch vor einem Jahr musste man
18 Cent für die Kilowattstunde zahlen, und heute haben
wir Gebote von 0 Cent . Das zeigt, dass der Weg in die
richtige Richtung geht und es auch da enorm viel Poten-
zial gibt . Wir stellen auch hier die Wirtschaftlichkeit wie-
der stärker in den Fokus .

Wir haben noch einen weiteren Punkt geregelt und die
Energiewende intelligent gestaltet . Wir haben die Digi-
talisierung mit einem ganz großen Paket vorangebracht .
Auch das ist etwas, was uns in die richtige Richtung führt .

Da mein Kollege Fuchs heute Morgen sehr impulsiv
die Bezahlbarkeit in den Mittelpunkt gestellt hat, wenn
wir als Industrienation auch zukünftig bestehen wollen,
ist es mir wichtig, zu betonen, dass wir auch bei dieser
Frage wichtige Punkte erreicht haben . Wir haben gesagt:
Es macht doch keinen Sinn, dort erneuerbare Energien
auszubauen, wo keine Netze vorhanden sind . Deshalb
haben wir gesagt: Wir wollen die Synchronisation von
Netzen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien; wir
wollen das besser zusammenbringen . Wir haben Netz-
ausbaugebiete definiert und dort – in der Tat – den Zubau
gedrosselt .

Wir haben die Ostseequote eingeführt und festgestellt,
dass wir Tranchen von der Nord‑ in die Ostsee schaffen
müssen, damit auch dort eine größere Wirtschaftlichkeit
des Zubaus gewährleistet ist . Das waren schwierige Dis-
kussionen, aber ich glaube, es war richtig, dass nicht ein-
fach eine Energiewende nach dem Motto „Egal was es
kostet“ gemacht wird, sondern dass wir dort eine Ener-
giewende machen, wo es Sinn ergibt, eine Energiewende,
die wirtschaftlich und finanzierbar gestaltet und umge-
setzt wird .

Ein weiterer Punkt ist die Energieeffizienz. Es wird
immer gesagt: Da passiert nichts . – Ich will diese De-
batte nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir bis 2020
17 Milliarden Euro in die Energieeffizienz investieren.
Auch das ist Rekord .

Wir haben noch ein paar Baustellen . Beim Gebäude-
energiegesetz zum Beispiel müssen wir noch etwas tun .
Bei den steuerlichen Anreizen haben wir nichts geschafft.
Das ist ärgerlich . Aber ich will jetzt keinen Schuldigen
ausmachen . Ich glaube, diese Schwarze-Peter-Spiele
bringen nichts . Wir müssen diese Hausaufgaben in der
nächsten Wahlperiode noch einmal angehen .

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, die
Kraft-Wärme-Kopplung . Ich will diesen Punkt auch
deshalb anführen, weil er beweist, dass das Parlament

Vizepräsidentin Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


sich durchaus auch gegenüber der Regierung behaupten
kann . Leider hat das Ministerium versucht, die KWK
stark zurückzudrängen, aber wir im Parlament haben ge-
sagt: Wir wollen auch zukünftig KWK haben . – Das war
richtig . Wir hätten durchaus noch mehr machen können .
Das zeigt, dass wir als Parlament richtige und wichtige
Schwerpunkte setzen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Josef Göppel [CDU/CSU]: Das war eine gute Aktion!)


Mit dem heutigen Tag machen wir einen weiteren
Schritt in der Energiewende . Beim Thema Mieterstrom
gehen wir gemeinsam voran . Ich bin etwas irritiert gewe-
sen ob der Pressemitteilung der Kollegen Westphal und
Saathoff, die behaupten: Das Gesetz kommt auf Initia-
tive der SPD-Bundestagsfraktion . – Ich dachte immer,
dass wir hier gemeinsam Initiativen ergreifen und wir
gemeinsam voranschreiten . Das war übrigens ein Projekt
des Koalitionsvertrages . Insofern betrachte ich das ein
bisschen als unkollegialen Akt; aber es gibt andere, die
noch größer sind .


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das sind wir gewohnt!)


Ich sehe das als ein gemeinsames Projekt, das wich-
tig ist und das wir voranbringen müssen . Wir wollen die
Energiewende auch in die Städte holen . Ich glaube, dass
wir auch da einen ganz entscheidenden Schritt vorange-
hen .

Ich habe schon in meiner letzten Rede gesagt: Wenn
man sieht, wo die Solaranlagen in den letzten Jahren zu-
gebaut wurden und wo nicht, dann stellt man ein krasses
Missverhältnis fest . Altötting, ein wunderschöner Land-
kreis im Süden unseres Landes mit 108 000 Einwohnern,
hat 182 Megawatt Solarenergie zugebaut, Berlin mit
3,5 Millionen Einwohnern nur 124 Megawatt . Da sieht
man, dass hier wirklich ein Missverhältnis besteht . Des-
halb ist es richtig, dass wir jetzt auch beim Mieterstrom
vorangehen .

Mieterstrom ist heute schon günstig, 11 Cent günsti-
ger als Normalstrom . Er ist vom Netzentgelt befreit, er ist
von der Stromsteuer befreit, aber er ist noch nicht für die-
jenigen wirtschaftlich, die das Konzept umsetzen wollen .
Deshalb packen wir 2,2 bis 3,8 Cent je Kilowattstunde
obendrauf, um vor Ort die Anreize zu schaffen und Mie-
terstrom möglich zu machen . Die Potenziale sind groß .
3,8 Millionen Haushalte können, wenn sie wollen, daran
teilnehmen . Das wird auch dazu führen, dass der Solar-
ausbau, der ein bisschen niedriger ist, als unsere Zielkor-
ridore vorsehen, einen Anreiz erfährt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Ein bisschen“ ist aber jetzt geschönt!)


Das ist ein ganz entscheidender Schritt, um Glaubwür-
digkeit in der Energiewende zu erzielen .

Drei Punkte waren uns im Gesetzgebungsverfahren
wichtig, die ich spiegelstrichartig nennen will .

Der erste Punkt ist: Wir wollen die Kosten für die Ver-
braucher deckeln . Wir wollen, dass die Kosten nicht aus
dem Ruder laufen wie bei vielen anderen Projekten . Des-

halb haben wir einen großzügigen Deckel von 500 Me-
gawatt eingebaut . Das wird die Verbraucher, die nicht da-
ran teilnehmen, maximal 370 Millionen Euro kosten . Das
war für uns ein ganz wichtiger Baustein .

Der zweite wichtige Baustein ist, dass die Mieter Ver-
tragsfreiheit haben und nicht der Vermieter, der Eigentü-
mer, dem Mieter vorschreiben kann, welchen Strom er
abnehmen muss . Auch das war ein ganz wichtiger Punkt,
der sich aus der Anhörung ergeben hat .

Der dritte Punkt ist, dass die Eigentümer auch Gebäu-
de in der räumlichen Nähe nutzen können . Ein KWK-
Port kann entsprechend eingebunden werden, inklusive
einer Elektrotankstelle im Keller oder in der Garage .
Auch das ist ein wichtiger Baustein gewesen, den wir im
Gesetzgebungsverfahren eingefügt haben .

Zusammenfassend darf ich sagen: Mieterstrom ist
eine weitere Chance für die Energiewende . Das Gesetz
ist klug, vernünftig und wirtschaftlich ausgestaltet . Ich
glaube, dass wir damit einen weiteren wichtigen Schritt
gehen . Deshalb werden wir dem Gesetz auch zustimmen .
Die Energiewende wird uns weiter beschäftigen . Das ist
ein riesengroßes Technologieprojekt, wahrscheinlich das
größte Technologieprojekt unserer Zeit . Insofern glaube
ich, dass wir wahrscheinlich auch noch in den nächsten
Jahren und Jahrzehnten spannende Debatten zu diesem
Thema führen werden .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824318200

Das Wort hat die Kollegin Dr . Julia Verlinden für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Du lieber Gott! Dass ich das noch erleben muss!)



Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824318300

Da müssen Sie durch, Herr Fuchs . Das ist Demokratie .


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir hoffen auf die Wähler!)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Zum Ende der Legislaturperiode schließen
wir doch noch ein Mieterstromgesetz ab . Immerhin, Sie
haben einen Teil unserer Kritik aufgenommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So haben wir zwar immer noch keinen echten Quartiers-
ansatz, aber immerhin besteht jetzt die Möglichkeit, dass
Mieterinnen und Mieter auch profitieren können, wenn
der Strom vom Dach des Nachbarhauses kommt .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Klaus Mindrup [SPD]: Wir hatten die Idee! Wir haben es gemacht!)


Noch mehr Wirkung würde das Gesetz entfalten, wenn
Sie uns auch noch in den anderen Punkten gefolgt wären,
wenn Sie also auch gewerblich und öffentlich genutzte

Thomas Bareiß






(A) (C)



(B) (D)


Gebäude, Supermärkte, Bürohäuser, Einkaufszentren,
einbezogen hätten und wenn Sie gleichzeitig den Deckel,
die Obergrenze, Ihr Lieblingsprojekt in der Energiepoli-
tik in dieser Legislaturperiode, gestrichen hätten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das nämlich hätte den Ausbau von Photovoltaik für Mie-
terstrom deutlich stärker gemacht . Wirklich schade ist,
dass Mieterinnen und Mieter in kleinen Häusern nicht
vom Mieterstrom profitieren werden, weil Ihre bürokra-
tischen Vorgaben kleine Anlagen unattraktiv und unwirt-
schaftlich machen .

Aber Sie haben sich nun für dieses Gesetz entschie-
den, und zum Glück haben wir bald Wahlen . Mit ande-
ren Mehrheiten werden wir dann die Chance haben, aus
diesem mittelmäßigen Mieterstromgesetz ein wirklich
gutes Gesetz zu machen, um noch mehr Mieterinnen und
Mieter profitieren zu lassen, damit es ein Gesetz wird,
das uns wirklich bei Klimaschutz und Energiewende vo-
ranbringt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Aber Sie sind dann gar nicht mehr dabei!)


Mit dieser Gesetzesnovelle setzen Sie außerdem die
Regeln für Bürgerenergie bei den Ausschreibungen für
Windenergieanlagen an Land außer Kraft . Das Ergeb-
nis der ersten Ausschreibungsrunde kam wahrscheinlich
für uns alle sehr überraschend . Viele Zuschläge gingen
an Projekte, die sich die Genehmigung nach dem Bun-
des-Immissionsschutzgesetz erst noch besorgen müssen
und nun zwei Jahre länger Zeit haben, um die Anlagen
aufzustellen . Die Gefahr ist nun, dass nicht alle eine Ge-
nehmigung bekommen und in zwei Jahren viel zu wenige
Windenergieanlagen gebaut werden . Das wäre natürlich
fatal; denn wir brauchen die Windenergie, um die Aus-
wirkungen der Klimakrise zu minimieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Risiko für den Klimaschutz liegt natürlich nicht
nur an den verkorksten Regelungen für die Bürgerener-
gie, die Sie im Übrigen mit einer EU-rechtskonformen
De-minimis-Regelung ganz einfach und viel besser hät-
ten gestalten können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nein, das Problem liegt vor allem auch daran, dass Sie ei-
nen viel zu niedrigen Ausbaudeckel insgesamt angesetzt
haben .

Nun kommt dazu, dass Sie sich noch immer weigern,
die Anlagen, die in der Ausschreibung einen Zuschlag
bekommen haben, aber dann doch nicht gebaut werden,
in die Ausschreibungen zurückzuführen und erneut aus-
zuschreiben . Das wäre doch das Logischste .

Ich erkläre das an einem Beispiel . Das wäre so, als
ob Sie in Ihrem Betrieb zehn Stellen zu besetzen haben .
Da machen Sie eine Ausschreibung, führen Bewerbungs-
gespräche, und dann entscheiden Sie sich für zehn neue
Kolleginnen und Kollegen . Aber was geschieht, wenn
zwei von denen absagen? Dann sagen Sie doch auch
nicht: „Egal, dann muss ich halt mit acht neuen Mitarbei-

tern klarkommen, dann bleibt die Arbeit von den ande-
ren beiden liegen“, sondern Sie versuchen es erneut und
schreiben die Stellen noch einmal aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist einleuchtend!)


Außerdem hätten Sie nun, da Sie von allen Bietern die
BlmSchG-Genehmigung vorab verlangen, für die Bür-
gerenergie zumindest die Sicherheitsleistung streichen
können . Denn eine Genossenschaft, die schon einige
100 000 Euro bis zur Erlangung der Genehmigung inves-
tiert hat, wird die Anlage auch bauen . Alles andere wäre
Geldverbrennung . Aber es ist eine besondere Heraus-
forderung für die Bürgerenergie, die Sicherheitsleistung
vorab zur Verfügung zu stellen .

Aber hier sehen wir wieder, was das Motto der letz-
ten vier Jahre Energiepolitik der Großen Koalition war:
Nehmt es den Bürgern, gebt es den Konzernen . – Wäh-
rend sich Ihre Politik in die Regelungswut eingefressen
hat, sind auf der anderen Seite die CO2-Emissionen sogar
gestiegen . Noch einmal zum Mitschreiben: Die Emissio-
nen 2016 sind gestiegen .

Herr Bareiß, Deutschland ist noch weit davon entfernt,
die Vorgaben der EU bis 2020 zu erreichen . Da geht es
nämlich nicht nur um Strom, sondern um die Gesamt-
energie, bei der Sie einen Anteil mit erneuerbaren Ener-
gien zur Verfügung stellen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Anstatt sich um den Kohleausstieg zu kümmern oder
Herrn Dobrindt daran zu erinnern, dass auch sein Ver-
kehrsministerium mit der Energiewende zu tun hat, an-
statt die Erneuerbaren und Energieeffizienz auch bei der
Wärme voranzubringen, haben Sie lieber die Bürgerin-
nen und Bürger ausgebremst, die wirklich bei der Ener-
giewende mitmachen wollen . Das ist die bittere Bilanz
der letzten vier Jahre . So kann es doch nicht weitergehen .

Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhal-
ten wollen, wenn unsere Wirtschaft auch in den nächsten
Jahrzehnten Produkte herstellen soll, die angesichts der
weltweiten Modernisierung nachgefragt werden, muss,
liebe Kolleginnen und Kollegen, in der nächsten Legis-
laturperiode viel mehr kommen . Und das wird auch ge-
schehen, wenn wir nach der Wahl endlich unsere grünen
Vorschläge umsetzen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824318400

Vielen Dank, Frau Kollegin Verlinden . – Als Nächs-

tem erteile ich das Wort Josef Göppel für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Julia Verlinden






(A) (C)



(B) (D)



Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1824318500

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es spricht für die politische Kultur in Deutschland, dass
der Bundestag trotz Wahlkampfgetöse ein solch fachlich
fundiertes, strategisch weitreichendes Gesetz auf den
Weg bringen kann .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte zu Beginn deshalb vor allem denjenigen
danken, die Detailarbeit geleistet haben, nämlich den
Berichterstattern Thomas Bareiß, dem ich dafür danke,
pro Mieterstromgesetz gearbeitet zu haben, meinem jun-
gen Kollegen Andreas Lenz und ganz besonders Johann
Saathoff, Klaus Mindrup sowie den anderen, die an die-
sem Gesetz mitgewirkt haben .

Endlich bekommen die Menschen in Mietshäusern
einen direkten Vorteil durch die erneuerbaren Energien .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Fast abgabenfrei können sie den Strom vom Dach des
Mietshauses beziehen, ohne Netzdurchleitungsgebühr,
ohne Stromsteuer und ohne Konzessionsabgabe entrich-
ten zu müssen . Den Gemeinden, die nun etwas zu jam-
mern beginnen, kann man sagen: Die Einnahmen, die sie
bei der Konzessionsabgabe verlieren, werden sie bei wei-
tem durch zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbesteu-
er, die aufgrund neu gegründeter Unternehmen erzielt
werden, kompensieren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Allerdings wurden einige Bremsen eingebaut: die Be-
grenzung auf einjährige Verträge, die Begrenzung der
Anlagen auf 100 kW und die Volumenbegrenzung des
jährlichen Zubaus auf 500 Megawatt .

Ich vermute, dass die Mieter in Deutschland von die-
sem Gesetz sehr gerne Gebrauch machen werden . Aber
entscheidend wird sein, wie viele Anbieter sich letztlich
finden werden, die ein konkretes Angebot machen und
damit den Mieterstrom zur Wirkung bringen .

Gott sei Dank haben die Detailberatungen auch zwei
Öffnungen gebracht. Die Verbrauchsabrechnung verlangt
nicht von vornherein sogenannte intelligente Zähler, son-
dern kann in Form einer bilanzierten Summenabrech-
nung erfolgen . Das bedeutet in der Praxis eine große Er-
leichterung beim Einstieg in dieses Gesetz . Eine weitere
wichtige Öffnung ist, dass auch Gebäudeteile und Ne-
benanlagen einbezogen werden können . Ich sehe darin
einen Einstieg in eine Quartierslösung . Das ist natürlich
eine Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Diejenigen, die nun landauf, landab darüber jammern,
dass aufgrund des Mieterstroms zu wenig durch die öf-
fentlichen Netze geleitet wird, sollten sich das Volumen
genau anschauen . Mit der Zubaugrenze von 500 Mega-
watt, also einem halben Gigawatt, erreichen wir gera-
de ein Vierhundertstel der in Deutschland installierten

Stromleistung . Das sind 0,25 Prozent . Angesichts dessen
kann man nicht sagen, dass die öffentliche Stromversor-
gung entsolidarisiert wird . Von den Leitungsnetzbetrei-
bern erwarte ich nun echte Vorstöße – sachlich fundiert
und machbar – im Hinblick auf die Umstellung der Netz-
entgelte auf Leistungsbezug . Ich bin dafür, dass jeder
Strombezieher sich gut überlegen muss, wie viel Strom-
leistung er in der kältesten Winternacht noch aus dem
öffentlichen Netz braucht. Diese Stromleistung muss
er dann das ganze Jahr über bezahlen . Ich halte es aber
für falsch, dass man aufgrund der arbeitspreisbezogenen
Netzentgeltabrechnung den Eigenverbrauch und die Ei-
genversorgung politisch zu behindern versucht .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch da, liebe junge Kolleginnen und Kollegen, liegt
eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode vor Ih-
nen .

Im Übrigen – ich schaue meinen Kollegen Michael
Fuchs an – ist es Zeit, die Schlachten um die Energie-
wende zu beenden .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist sicher so: Die Euphorie ist verflogen. Die Deut-
schen haben in den letzten Jahren ein nüchterneres Ver-
hältnis zu den erneuerbaren Energien entwickelt,


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das ist gut!)


und das ist auch gut so. Sie wollen die finanziellen Vor-
teile nutzen, die aus den gesunkenen Anlagekosten resul-
tieren, und sie wollen vor allem ein Stück mehr Unab-
hängigkeit durch die Eigenversorgung . Für die deutsche
Volkswirtschaft wird sich das auszahlen .

Der Entwicklungsminister Gerd Müller hat am Diens-
tag dieser Woche auf einem Energiekongress den Start-
schuss für das Projekt „Grüne Bürgerenergie für Afrika“
gegeben . Es geht darum, Energiepartnerschaften mit
Afrika aufzubauen . Ein Solarunternehmer aus Kamerun
hat auf diesem Kongress gesprochen . Der Schlusssatz
seiner Rede war: Für uns ist alles, was aus Deutschland
kommt, stark; denn es funktioniert . – Wir haben ein der-
art großes Vertrauenskapital bei den erneuerbaren Ener-
gien und der Energiewende, das es für unsere Volkswirt-
schaft zu nutzen gilt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Mei-
nungsvielfalt ist es oft schwer, zu entscheiden: Wie soll
ich mich verhalten? Welcher Weg ist der richtige? – Sie
wissen vielleicht, dass mein Beruf Förster ist . Ich habe in
meinem Leben durch Beobachtung eines gelernt: Immer
dann, wenn man sich mit einer Maßnahme den Kreisläu-
fen der Natur nähert, dann liegt man richtig; denn das,
was sich in der Natur über Jahrmillionen herausgebildet
hat, zum Beispiel die Rhythmen der Natur, können wir
mit den erneuerbaren Energien aufgreifen . Ich denke da-






(A) (C)



(B) (D)


bei insbesondere an die Stabilität, die in der Bewegung
der Natur liegt .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Ich möchte das gerne mit einem Zitat illustrieren . Es
lautet: Wir setzen uns dafür ein, den Anteil erneuerbarer
Energien weiter deutlich anzuheben . Die umweltfreund-
liche Energieerzeugung ist auf dem Weg, eine volkswirt-
schaftliche Bedeutung zu erreichen, die sich mit der der
Automobilindustrie vergleichen lässt . Gleiches gilt für
das Exportpotenzial . – Wer das geschrieben hat? Das war
der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Frakti-
on Joachim Pfeiffer 2005 in der Denkschrift Konjunktur
durch Natur angesichts der Regierungsübernahme von
Frau Merkel .


(Beifall des Abg . Peter Stein [CDU/CSU])


Lieber Kollege Joachim, ich darf dir jetzt diese Schrift
mit den besten Empfehlungen für die nächste Legislatur-
periode überreichen .


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824318600

Lieber Kollege Göppel, das war heute Ihre letzte Rede,

und Sie haben wieder deutlich gemacht: Sie haben Ih-
ren eigenen Kopf . Wenn ich Wolfgang Bosbach zitieren
darf – so hätte er es wahrscheinlich ausgedrückt –: Hin
und wieder haben Sie bei uns quer im Stall gestanden . –
Aber Sie haben immer sachlich fundiert und detailgenau
Beiträge geliefert . Sie haben Brücken zu anderen Frakti-
onen gebaut und den Dialog gesucht . Dafür möchten wir
Ihnen von ganzem Herzen danken . Alles Gute, vor allem
Gesundheit!


(Beifall – Die Abgeordneten erheben sich)


Liebe Kollegen, jetzt erteile ich dem Kollegen Johann
Saathoff für die SPD‑Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1824318700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Keine Angst: Ich habe keine energiepolitische
Grundsatzrede vorbereitet, weil ich auch der Meinung
bin, dass Richtiges durch Wiederholen nicht richtiger
wird und Falsches durch Wiederholen nicht falscher
wird . Ich würde heute gern über das Mieterstromgesetz
reden, weil ich finde: Das ist ein Grund, zu feiern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zum Abschluss dieser Legislaturperiode beschließen
wir noch zwei wichtige energiepolitische Gesetze: mor-
gen das Netzentgeltmodernisierungsgesetz und heute
das Mieterstromgesetz . Mit beiden Gesetzen wollen wir
noch vor der Wahl einen Schritt in Richtung mehr Ge-
rechtigkeit gehen . Genau diese Richtung – mehr Gerech-
tigkeit – wird sich in der nächsten Legislaturperiode in
allen Bereichen, aber auch in der Energiepolitik verste-
tigen müssen .

Keine Frage: Der Mieterstrom ist ein Gewinn für die
Mieterinnen und Mieter in Deutschland, und er ist auch
ein Gewinn für die Energiewende insgesamt .


(Beifall bei der SPD)


Menschen, die nicht über ausreichend finanzielle Mittel
für Immobilien verfügen, können nun erstmals direkt und
aktiv an der Energiewende partizipieren . Man mutt sük
um de lüttje Lü kümmern, sagt man bei uns in Ostfries-
land .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das bedeutet:


(Klaus Mindrup [SPD]: Ich verstehe das auch so!)


Wir dürfen bei der Energiewende nicht nur die Inves-
toren im Auge haben, sondern müssen vor allem an
die Menschen denken, die die Energiewende mit ihrer
Stromrechnung tragen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist schon allein aus Gründen des Erhalts der Akzep-
tanz der Energiewende enorm wichtig . Natürlich hätten
wir ohne den 500-Megawatt-Deckel noch mehr Men-
schen direkt einbinden können, und ich bin sicher, dass
die neue Koalition das auch machen wird – auf jeden
Fall, wenn wir Sozialdemokraten dabei sind .


(Beifall bei der SPD)


Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen: Dieses
Gesetz ist ein Meilenstein sozialdemokratischer Ener-
giepolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Durch dieses Gesetz können die Mieter den erneuerba-
ren Strom von der PV-Anlage auf dem Dach des Miets-
hauses beziehen, und nicht nur das . Dieser grüne Strom
muss für die Mieter auch günstiger sein . Er darf maximal
90 Prozent des jeweiligen Grundversorgungstarifs kos-
ten . Damit können wir sehr viel mehr Menschen an der
Energiewende partizipieren lassen, und damit wird die
Energiewende ein kleines Stück gerechter .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Man könnte auch sagen: Erneuerbare für alle! Gleich-
stellung und Gerechtigkeit werden in diesen Tagen viel
diskutiert . Hier tun wir etwas für mehr Gerechtigkeit und
Gleichstellung von Mietern und Eigenheimbesitzern .

Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Im-
puls durch dieses Gesetz . Die Erneuerbaren wurden bis-
her vornehmlich in ländlichen Räumen produziert . Das
hat deutliche Vorteile für die ländlichen Räume gebracht,
zum Beispiel für die beteiligte Landwirtschaft, zum Bei-
spiel für die Kommunen über die Gewerbesteuer, zum
Beispiel für die an den Projekten der erneuerbaren Ener-
gien beteiligten Bürgerinnen und Bürger . Aber es gab
auch – das muss man an dieser Stelle sagen – negative
Einflüsse und Bedenken der Menschen. Zum Beispiel
machen sich die Bürgerinnen und Bürger zunehmend
Sorgen, was die Veränderung des Landschaftsbildes
anbetrifft. Einige Bürgerinnen und Bürger machen sich

Josef Göppel






(A) (C)



(B) (D)


auch Sorgen um gesundheitliche Beeinträchtigungen
durch die Windenergie, zum Beispiel durch Schall und
Schattenwurf bei zu geringen Abständen . Zudem entsteht
mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zunehmend
eine neue Herausforderung, der wir begegnen müssen .
Da die Erneuerbaren in der Regel dort erzeugt werden,
wo kaum Verbraucher zu finden sind, entstehen neue He-
rausforderungen beim Netzausbau .

Durch dieses Gesetz tragen wir die Energiewende
über die ländlichen Räume hinaus in die Städte, und da-
mit begegnen wir der Netzausbauproblematik zumindest
ein kleines Stückchen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass dieses Gesetz möglich wurde, liebe Kolleginnen
und Kollegen, verdanken wir den Verhandlungen zum
EEG 2017 mitten in der Nacht; ich kann mich gut daran
erinnern . Zunächst wurde nur eine Verordnungsermäch-
tigung normiert . Schnell war klar: Ein Mieterstromgesetz
muss her, da viele Bereiche außerhalb der Energiepoli-
tik zu regeln sind, zum Beispiel – das will ich an dieser
Stelle nennen – der Verbraucherschutz . Die Mieter dür-
fen nicht zur Unterzeichnung eines Mieterstromvertrages
verpflichtet werden. Der Mietvertrag und der Mieter-
stromvertrag sind strikt voneinander getrennt . Die Mie-
terstromverträge dürfen den Mieter nicht länger als ein
Jahr binden und sind natürlich unabhängig vom Mietver-
trag kündbar .

Wir hätten uns – das will ich an dieser Stelle sagen –
durchaus eine echte Quartierlösung wie beim KWKG
gewünscht .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


Jetzt heißt es: Gebäude im unmittelbaren räumlichen
Zusammenhang. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff
und, wie sogar Nichtjuristen wissen, extrem auslegungs-
bedürftig . Sollte einmal ein Jurist nachlesen wollen, was
die parlamentarische Intention war, ist das aus meiner
Sicht mindestens alles am Gebäude, was irgendwie mit-
einander verbunden ist, wie gesagt: mindestens .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen
mit den Ausschreibungen im Zusammenhang mit dem
EEG 2017 haben uns gezeigt, dass wir auch in Bezug
auf Bürgerenergie ganz genau hinschauen müssen . Das
Mieterstromgesetz und dessen Wirkungen müssen in an-
gemessener Zeit überprüft und gegebenenfalls angepasst
werden . Ich bin mir ganz sicher: Das wird die neue Koa-
lition machen, egal wie sie zusammengesetzt ist .

Ich will mich abschließend herzlich bedanken bei
meinen Berichterstatterkollegen Thomas Bareiß und
Andreas Lenz . Wir haben – das kann ich, glaube ich, sa-
gen – gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet und
manchen Strauß ausgefochten, was vielleicht nicht nö-
tig gewesen wäre. Insgesamt war es, finde ich, eine sehr
angenehme Zusammenarbeit . Herzlichen Dank dafür!
Ich möchte mich auch bedanken bei Klaus Mindrup und

Josef Göppel . Auch ihr habt einen wesentlichen Anteil
daran gehabt, dass dieses Gesetz möglich geworden ist .
Last, but not least möchte ich mich beim BMWi und
natürlich bei unserem Parlamentarischen Staatssekretär
Uwe Beckmeyer bedanken . Herzlichen Dank für die su-
pergute, konstruktive Zusammenarbeit . Alles Gute für
dich auf deinem weiteren Lebensweg .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824318800

Herzlichen Dank . – Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzent-
wurf zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung
weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Ge-
setzes . Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12988, den Gesetzentwurf der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12355 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Regierungskoalition
bei Enthaltung der Opposition angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie
vorangegangen angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und
zwar zunächst zum Entschließungsantrag auf Drucksa-
che 18/13015 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Enthal-
tungen gibt es keine . Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt .

Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Druck-
sache 18/13016 . Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Enthaltungen
gibt es keine . Der Entschließungsantrag ist mit dem glei-
chen Ergebnis wie eben abgelehnt .

Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wirtschaft und Energie zu dem parallel
eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung . Der
Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/12988, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12728 für
erledigt zu erklären . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Enthaltungen
gibt es keine . Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann (Zwickau), Susanna Karawanskij,

Johann Saathoff






(A) (C)



(B) (D)


Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen
Regionen in Ost und West

Drucksache 18/11750

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring,
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Forderung der Vereinten Nationen zu den in
der DDR geschiedenen Frauen sofort umset-
zen

Drucksachen 18/12107, 18/12854

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die
Kollegin Susanna Karawanskij für die Fraktion Die Lin-
ke .


(Beifall bei der LINKEN)



Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824318900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Wer nichts tut, der kann nichts
falsch machen . Wer etwas tut, der ist natürlich nicht vor
Fehlern gefeit . Aber einmal ehrlich: Ich verstehe nicht,
warum diese Koalition regelmäßig etwas tut und dabei
immer wieder den gleichen Fehler begeht, also mit ve-
hementer Konstanz den Osten hinten runterfallen lässt .
Sie scheinen ja wirklich kein Stück lernfähig zu sein .
Ich möchte hier gar nicht detailliert auf das jüngste Bei-
spiel, die bundeseinheitlichen Netzentgelte, eingehen .
Sie sollen ja vereinheitlicht werden, aber erst im Jah-
re 2022, und noch immer haben wir den Zustand, dass
eine drei‑ bis vierköpfige Familie im Osten rund 45 Euro
mehr zahlt als im Westen . Die Preisunterschiede haben
im letzten Jahr um 50 Prozent zugenommen . Die Bun-
desregierung hat es nicht geschafft, die Strompreisschere
zu schließen . Der Osten ist auch hier schlichtweg hinten
runtergefallen .

Der große Coup für den Osten sollte die Angleichung
der Ostrenten sein . Sie entpuppte sich als Bärendienst für
all diejenigen, die im Osten arbeiten und noch nicht in
Rente sind . Natürlich bekommen die Rentnerinnen und
Rentner jetzt mehr Geld . Darüber freuen sie sich . Darü-
ber freuen wir uns natürlich auch . Aber mit dem Weg-
fall der Umrechnung in der Rentenformel werden jetzt
all diejenigen zusätzlich bei der Rente benachteiligt, die
im Osten arbeiten . Sie werden damit eigentlich Opfer ei-
ner immer noch bestehenden Lohnungleichheit . Wer also
heute im Osten arbeitet, hat meistens nicht nur weniger
Geld, sondern bekommt dafür auch noch weniger Rente .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die bekommen mehr!)


Sie akzeptieren damit nicht nur die Ungleichheiten und
Ungleichwertigkeiten, die vielleicht in den 90er-Jahren,
also in den Nachwendejahren, irgendwie noch akzepta-
bel und nachvollziehbar waren, sondern schreiben diese
Ungleichheiten gleich noch für die folgenden Genera-
tionen fort und bürden die Lasten dafür dieser auf, ei-
ner Generation, die die deutsche Zweiteilung allenfalls
noch aus den Geschichtsbüchern kennt . Mir fällt, ehrlich
gesagt, kein vernünftiges Argument ein, warum mein
Cousin, der seine Ausbildung bei einem Unternehmen in
Stuttgart gemacht hat, dort gearbeitet hat, wieder in den
Osten zurückgekehrt ist, weil dort seine Familie ist, einen
Lohnunterschied in Kauf nehmen muss und später auch
noch bei seiner Rente, die er dann irgendwann einmal
genießen soll, benachteiligt wird .


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Können Sie eigentlich rechnen? Nein!)


Dieses Beispiel zeigt, dass die Bundesregierung nicht ge-
willt ist, dem Ganzen ein Ende zu setzen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ein weiteres Beispiel für die Untätigkeit der Bundes-
regierung ist die sogenannte Rentenüberleitung, die Sie
im Übrigen bezeichnenderweise Rentenüberleitungs-Ab-
schlussgesetz genannt haben . Dieses Gesetz sollte einen
Haken setzen hinter die Frage der Anerkennung ostdeut-
scher Biografien im Rentenrecht. Und doch gibt es da im-
mer noch viele Ungerechtigkeiten, ob bei den Bergleuten
oder bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen . Das
Gleiche gilt auch für die zu DDR-Zeiten Geschiedenen .
Ich finde, es ist ein unhaltbarer Zustand, dass heute mehr
als die Hälfte der zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen
in Armut lebt . Viele Regelungen, die die geschiedenen
Frauen begünstigten, also freiwillige Beiträge bzw . An-
wartschaftsgebühren oder schlichtweg die Versicherung
für mithelfende Familienangehörige, sind bei der deut-
schen Einheit einfach hinten runtergefallen . Aber das
kann man ändern . Das können wir hier ändern . Deshalb
fordere ich klipp und klar eine Entschädigung für diese
Frauen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ein gerechter Ausgleich an dieser Stelle wäre einer von
vielen notwendigen Schritten, um vor allen Dingen die
drohende und auch die bestehende Altersarmut ost-
deutscher Frauen zu bekämpfen. Ich finde, es kann Sie
doch nicht kaltlassen, dass laut einer Studie der Bertels-
mann-Stiftung ab dem Jahr 2036, also in noch nicht ein-
mal 20 Jahren, jeder fünfte Neurentner von Altersarmut
betroffen sein wird.

Diese Ungleichwertigkeiten, diese Ungerechtigkeiten
sind reell da, und sie spiegeln sich auch in einem Emp-
finden wider.


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das hat mit 40 Jahren Misswirtschaft in der DDR zu tun!)


Fast die Hälfte der Sachsen – auch ich komme aus diesem
Bundesland – stimmte beim „Sachsen-Monitor 2016“
der These zu, dass nach der Wiedervereinigung der bei-
den deutschen Staaten vielfach neues Unrecht geschaffen

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


worden sei . Aus der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen, die
mit der DDR überhaupt nichts mehr zu tun haben, sagen
26 Prozent, dass die persönlichen Nachteile aus der Wie-
dervereinigung überwiegen . Das sind im Übrigen mehr
als bei den 60- bis 69-Jährigen, die die DDR noch mit-
erlebt haben .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil sie ständig die Propaganda ertragen müssen!)


Von den gut 400 000 Berufspendlern machen sich nur
158 000 Arbeitnehmer aus den alten Bundesländern re-
gelmäßig auf den Weg über die innerdeutsche Grenze .
Von den mehr als 133 000 Pendlern aus Sachsen arbeite-
ten im Jahr 2016 mehr als 68 000 in den alten Bundeslän-
dern . Das macht etwas mit den Leuten, mit den Familien;
das ist nicht banal . Es macht etwas mit den Strukturen,
mit den Städten, mit den Dörfern, mit den Vereinen,
mit der Zivilgesellschaft, mit dem Ehrenamt, wenn die
Menschen vor allen Dingen unterwegs sind, um ihren
Lebensunterhalt zu verdienen, anstatt die Zeit darauf zu
verwenden, sich dort zu engagieren, wo sie leben und wo
sie zu Hause sind .

Wir Linke sind in diesem Hohen Haus die einzige Par-
tei, die einzige Kraft, die zuverlässige Adresse für ost-
deutsche Interessen .


(Beifall bei der LINKEN)


Für uns sind gleichwerte Lebensverhältnisse im Westen
wie im Osten, im Norden wie im Süden Ziel unserer Poli-
tik und nicht nur Lippenbekenntnisse . Deswegen fordern
wir zum Beispiel einen Solidarpakt III, dessen Mittel vor
allem in strukturschwache Regionen fließen sollen. Für
uns ist der Osten Chefsache . Wir hauen nicht ein paar
markige Sprüche raus, damit niemand hinten runterfällt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824319000

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Ich erteile das Wort

dem Kollegen Albert Weiler für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824319100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren auf den Tribünen! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Ich musste an mich halten bei der Rede von
Frau Karawanskij . Bei uns in Thüringen regiert schon
seit einigen Jahren die Linke,


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da läuft’s!)


und die zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen haben des
Öfteren einen Ausgleich von der Landesregierung gefor-
dert . Das ist ja ein Problem, das es nur in Ostdeutschland
gibt .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824319200

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824319300

Die Linke ist aber nicht bereit, auch nur einen Pfennig

zu geben .


(Zurufe von der LINKEN)


Man hört nur Ausreden vonseiten der Thüringer Landes-
regierung . Und was hier abgeht, ist nicht nur nicht schön,
sondern unredlich . Es ist schon unerträglich, was man
sich hier anhören muss .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt möchte ich einige Worte zur Rentenangleichung
sagen . Die Rentenangleichung in Ost und West haben
wir in sieben Schritten geschafft. In 27 Jahren haben wir
endlich auch die soziale Einheit geschafft. Als Thüringer
Bundestagsabgeordneter bin ich froh, dass die unions-
geführte Bundesregierung einen konkreten Fahrplan für
die Angleichung des Rentenwertes verabschiedet hat . In
Zukunft wird die Rente in Deutschland einheitlich be-
rechnet. Davon profitieren in den neuen Bundesländern
über 6 Millionen Menschen, die derzeit in die gesetzliche
Rentenversicherung einzahlen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieser Schritt ist dringend notwendig . Schließlich ist
das Rentensystem das einzige Sozialsystem in Deutsch-
land, das bisher noch nicht angeglichen ist . Mit der
Rentenangleichung schaffen wir noch mehr Rentenge-
rechtigkeit . Der Bund ist sich bei diesem Thema seiner
gesamtdeutschen Verantwortung bewusst . Der Bundes-
zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöht
sich zukünftig dauerhaft um jährlich 2 Milliarden Euro .
Damit werden die Beiträge zur Rentenversicherung auf
längere Sicht stabilisiert .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Die beschlossene soziale Einheit im Rentensystem
schafft auch mehr soziale Sicherheit im Alter.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824319400

Herr Kollege, es besteht noch Fragebedarf aus der

Fraktion Die Linke .


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824319500

Natürlich, da werden noch mehr Fragen kommen .

Aber dann müssen Sie auch die Zeit anhalten .


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824319600

So viele Fragen werden nicht mehr kommen, lieber

Kollege Weiler . Wenn Sie hier darstellen, dass die Ost-
West-Renten ab dem Jahr 2025 angeglichen sind, dann
muss ich Sie schon fragen: Ist Ihnen bewusst, dass man
im Osten im Durchschnitt bei Vollzeitbeschäftigung im-
mer noch 25 Prozent weniger verdient? Renommierte
Forschungsinstitute belegen, dass es noch Jahrzehnte
dauern wird, die Löhne im Osten an die im Westen an-
zugleichen, und wir haben die Situation, dass wir diese
Hochwertung bzw . Umrechnung – wie immer man das
auch nennt – dringend brauchen, damit die Leute im
Osten nicht benachteiligt werden . Nehmen Sie auch zur

Susanna Karawanskij






(A) (C)



(B) (D)


Kenntnis, dass diejenigen im Osten, die jetzt ins System
einzahlen, im Jahr 2025 – da gibt es Berechnungen der
Deutschen Rentenversicherung, die Sie sicherlich auch
kennen – bis zu 100 Euro weniger im Portemonnaie ha-
ben werden als die im Westen? Finden Sie das gerecht?


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824319700

Frau Zimmermann, ich möchte gerne darauf antwor-

ten . – Ich war einer derjenigen, die gesagt haben: Vor-
sicht bei Gleichmacherei! Gerade Sie von der Linken
wollten gleiches Recht in Ost und West .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Ja, genau, klatschen Sie ruhig . – Aber wenn man glei-
ches Recht fordert, dann muss man auch gleiches Recht
ernten wollen . Wir haben jetzt gleiches Recht, und glei-
ches Recht heißt: 100 Prozent in Ostdeutschland sind
100 Prozent in Westdeutschland; wenn man von 100 Pro-
zent in Ostdeutschland spricht, meint man auch 100 Pro-
zent in Süddeutschland und 100 Prozent in Norddeutsch-
land .

Wir haben ein immenses Lohngefälle zwischen
Schleswig-Holstein und Südbayern . Es wird nie – darauf
komme ich nachher zu sprechen – gleiche Löhne in al-
len Teilen der Bundesrepublik geben . Dafür gibt es auch
nicht gleiche Lebenshaltungskosten . Wenn man in Mün-
chen eine Dreizimmerwohnung haben will, zahlt man um
die 2 000 Euro, wenn ich in Thüringen, bei mir im Dorf
in Milda, eine haben will, zahle ich Gott sei Dank nur
500 Euro .


(Zuruf von der SPD: So ein Glück!)


Das sind 1 500 Euro Unterschied . – Das muss man dabei
auch bedenken .

Ihre Gleichmacherei – das muss ich ehrlich sagen –
hat genau zu dem geführt, was Sie jetzt bejammern . Ich
glaube, an dieser Stelle – an manch anderer Stelle auch –
sollten Sie sich etwas zurückhalten . Sie sollten sich auch
beim Beschimpfen anderer Parteien zurückhalten .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Warum denn? So ein Quatsch! Man muss schon sagen, wie es ist!)


Das würde Deutschland helfen, das würde auch Thürin-
gen helfen, es würde uns allen helfen, besonders hier im
Bundestag .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Rentenreform reiht sich in eine Vielzahl weiterer
Reformen ein, die unsere von Angela Merkel geführ-
te Bundesregierung zur Stärkung des Rentensystems in
dieser Legislatur auf den Weg gebracht hat . Dazu ge-
hört – das muss man in den Ohren klingen lassen – die
Ausweitung der Mütterrente, die Verbesserung der Er-
werbsminderungsrente, die Einführung der Flexirente
und die Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsge-
setzes .

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben unser
bestehendes Rentensystem nachhaltig gestärkt; wir ha-
ben unsere Hausaufgaben ernst genommen . Wir haben

die gesetzliche Rentenversicherung verbessert, und sie
steht gut da .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Höhe der Renten hat sich sehr positiv entwickelt .
In den Jahren 2014 bis 2017 ist sie insbesondere in Ost-
deutschland um bis zu 15 Prozent gestiegen . Den aktu-
ellsten Zahlen zufolge wird sie in Ostdeutschland dieses
Jahr im Juli noch einmal um 3,59 Prozent steigen . Insge-
samt nähert sich der Rentenwert im Osten damit weiter
an den Rentenwert im Westen an; er beträgt mittlerweile
schon 95,7 Prozent und steigt damit sogar schneller als
im Abschlussgesetz vorgesehen .


(Thomas Jurk [SPD]: Durch den gesetzlichen Mindestlohn!)


– Genau . – Unsere starke Wirtschaft und die erfolgreiche
Arbeitsmarktpolitik der von Angela Merkel geführten
Bundesregierung machen diese Steigerung möglich .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie hat genau was alles gemacht?)


Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, re-
gen Sie sich wieder ab . Angesichts dieser positiven Ent-
wicklung ist Ihr Antrag nichts als purer Populismus . Sie
versuchen hier wieder einmal, Ost gegen West auszuspie-
len, anstatt die gelungene Wiedervereinigung zu feiern .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kurz vor der Wahl mit einfachen Lösungen auf Stimmen-
fang zu gehen, finde ich absolut unredlich. Sie fordern
in Ihrem Antrag wieder einmal Gleichmacherei, die den
vielfältigen Lebensverhältnissen in Deutschland eben
nicht gerecht wird .

Schon immer hat es in Deutschland Unterschiede ge-
geben – ich habe es eben schon gesagt –, und die Un-
terschiede wird es auch immer geben . Es macht eben
doch einen Unterschied, dass man in einem Ort, in dem
man vielleicht 100 Euro mehr verdient, vielleicht auch
300 Euro mehr zahlen muss, zum Beispiel für die Miete .
Sie wollen wieder eine Mauer, damit Sie alle Menschen –
aber nur nach Ihren Vorstellungen – gleichmachen kön-
nen und niemand flüchten kann. Dies, meine Damen und
Herren, ist aber Gott sei Dank vorbei .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einem
zweiten Antrag der Linken, der eine tatsächliche Unge-
rechtigkeit anspricht . Es geht hier um das Schicksal der
in der DDR geschiedenen Frauen und deren Renten-
ansprüche nach der Überleitung des DDR-Alterssiche-
rungssystems in das bundesdeutsche Recht – ein Thema,
das mir schon lange auf den Nägeln brennt und mir per-
sönlich sehr wichtig ist . In den letzten drei Jahren habe
ich den Verein der in der DDR geschiedenen Frauen in
meinem Wahlkreis in Gera viele Male besucht . Außer-
dem habe ich Briefe geschrieben, Telefonate geführt und
sogar die ehemals zuständige Ministerin auf diese Frage
persönlich angesprochen .

Sabine Zimmermann (Zwickau)







(A) (C)



(B) (D)


Mein Ziel ist es, eine konstruktive und mehrheitsfä-
hige Lösung bzw. Möglichkeit zu finden, das Anliegen
dieser Frauen umzusetzen .

Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit wur-
den immer wieder viele Gründe aufgeführt, warum das
eben nicht gehen soll . Dazu gehört vor allem der Hinweis
auf das geltende Rentenüberleitungsgesetz . Aber leider
sind bis heute die Auswirkungen dieses Gesetzes für be-
stimmte Gruppen unbefriedigend . Der Verein der in der
DDR geschiedenen Frauen e . V . hat auf eindrucksvolle
Weise wiederholt auf das Anliegen der Betroffenen auf-
merksam gemacht .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Da könnte man doch was machen, oder?)


In Gesprächen mit vielen Abgeordneten und mit Ministe-
rien haben sie sich für ihre Sache eingesetzt . Mit Petitio-
nen sowie in mehreren Verfahren und Gerichtsprozessen
auf Landes- und Bundes- und sogar EU-Ebene haben sie
für ihre Sache gekämpft .


(Daniela Kolbe [SPD]: Dann schreiben Sie das in Ihr Regierungsprogramm rein!)


Dieses Engagement hat mich tief beeindruckt . Ich habe
großen Respekt vor den Leistungen jener Frauen, die oft
in hohem Alter viel Kraft aufwenden, um ihre Belange
durchzusetzen .

Weil mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, habe ich
gemeinsam mit meinem Kollegen Tankred Schipanski in
einem Brief an die damalige Bundesministerin Schwesig
die Forderung gestellt, einen Lösungsentwurf zu erar-
beiten . Dieser ist aus meiner Sicht angebracht . Mir liegt
mittlerweile ein Antwortschreiben von der Parlamenta-
rischen Staatssekretärin, Frau Elke Ferner, vor . Dieses
Schreiben ist zwar fast drei Seiten lang, aber einen kon-
struktiven Vorschlag finde ich darin leider nicht.


(Thomas Jurk [SPD]: Was sagt denn Frau Merkel dazu?)


Allerdings spielt die Staatssekretärin den Ball zurück
zum Bundessozialministerium, das aus ihrer Sicht für die
Rentenangelegenheiten federführend ist . Ich muss leider
feststellen, dass hier ein SPD-geleitetes Ministerium ei-
nem anderen die Verantwortung zuwirft,


(Katja Mast [SPD]: Was hat nun Merkel gemacht? Frau Merkel kennt doch alles!)


ohne dabei auch nur ansatzweise einen Lösungsvor-
schlag zu präsentieren .


(Daniela Kolbe [SPD]: Was macht denn Frau Merkel in der Sache?)


Das hilft den betroffenen Frauen nicht weiter. Der Hin-
weis auf künftige Wahlprogramme und ein Gesprächsan-
gebot unter Ausschluss der engagierten CDU-Abgeord-
neten macht es dabei nicht viel besser .

Aus diesem Grund möchte ich heute an dieser Stelle
wiederholt selbst für einen Lösungsvorschlag werben .
Hören Sie zu! In unserem umlagefinanzierten Renten-
system leisten Mütter einen wichtigen Beitrag zum Ge-
nerationenvertrag . Kindererziehungszeiten sollen daher

bei der Rente berücksichtigt werden . Dieser Gedanke ist
bereits bei der Mütterrente angewandt worden und sollte
nun auch Grundlage möglicher Lösungsvorschläge für
die Altersversorgung der in der DDR geschiedenen Frau-
en sein . Ein entsprechender kindbezogener Ausgleichs-
fonds wäre aus meiner Sicht hier eine sinnvolle Lösung .


(Daniela Kolbe [SPD]: Ein „kindbezogener Ausgleichsfonds“!)


Nach meinen Recherchen haben der Druck und die
Nachhaltigkeit der Forderungen der vielen in der DDR
geschiedenen Frauen und vielleicht auch der Druck von
Kollege Schipanski und mir dazu geführt, dass sich die
SPD jetzt doch einen Schritt nach vorne bewegt hat,


(Lachen der Parl . Staatssekretärin Iris Gleicke)


was mir spätestens für die nächste Legislatur Zuversicht
gibt .

Eine Kurzschlussreaktion, wie sie die Linke hier for-
dert, ist in einem Monat sicher nicht zu erreichen . Daher
kann ich dem vorliegenden Antrag leider nicht zustim-
men .

Meine Damen und Herren, soziale Einheit bedeutet
auch, dass niemand in Deutschland bei der Rente unge-
recht behandelt werden darf . Ich werde mich weiterhin
persönlich für eine gute Lösung in dieser Angelegenheit
einsetzen, damit den betroffenen Frauen auch nach so
langer Zeit endlich geholfen werden kann .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824319800

Vielen Dank, Herr Kollege . – Bevor wir die Ausspra-

che fortsetzen, erteile ich dem Kollegen Lenkert für die
Fraktion Die Linke das Wort für eine Kurzintervention .
Ich betone „kurz“; wir haben schon eine Stunde Verzug .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824319900

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Kollege Weiler,

wenn ich Sie so reden höre, könnte ich mir vorstellen,
Sie wissen überhaupt nicht, wer in den 24 Jahren von
1990 bis 2014 in Thüringen regiert hat . Das ist meine
erste Feststellung . In diesen Jahren hat die CDU dort re-
giert . Die CDU-geführte Landesregierung in Thüringen
hat mitnichten versucht, irgendetwas für die in der DDR
geschiedenen Frauen und für die Angleichung der Ren-
ten zu unternehmen . Das ist der erste Punkt .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der zweite Punkt . Wenn ich Sie so reden höre, bin ich
mir nicht sicher, ob Sie Bundestagsabgeordneter sind .
Denn nach dem, was ich kenne, bestimmen wir, bestimmt
der Bundestag, welche Gesetze eingebracht und verab-
schiedet werden . Als Regierungsparteimitglied sollten
Sie wissen, dass Sie einen Gesetzentwurf schreiben und
die Regierung dazu bringen können, mit der Mehrheit
des Parlamentes das Gesetz zu ändern . Man schreibt kei-

HonD Albert Weiler






(A) (C)



(B) (D)


ne Briefe, sondern neue Gesetze, wenn man seine Arbeit
als Bundestagsabgeordneter ernst nimmt .


(Beifall bei der LINKEN)


Der nächste Punkt . Sie sprechen bei diesem Antrag
zu den in der DDR geschiedenen Frauen von einer Hau-
ruck-Aktion . Ich bin seit 2009 im Bundestag . Ich rede
jetzt nur über die Erfahrungen, die ich gemacht habe . Wir
haben diesen Antrag 2010 gestellt, wir haben ihn 2014 er-
neut gestellt, und wir haben ihn jetzt wieder gestellt; wir
haben ihn also mehrfach gestellt . Das als Schnellschuss
zu bezeichnen: Also, da weiß ich nicht, was bei Ihnen der
langsame Weg ist . Aber wahrscheinlich reden Sie auch
von einem Schnellschuss, wenn 2025 die nominelle Ren-
tenanpassung endlich erfolgt, und das 35 Jahre nach der
Einheit . Das ist aber wahrlich kein Schnellschuss . Die
Betroffenen müssten 100 Jahre alt werden, um davon zu
profitieren.

Zum Vergleich der Preise, den Sie angeführt haben .
Sie haben Milda angesprochen . Sie wissen, direkt ne-
ben Milda liegt die Stadt Jena . Dort bekommt man keine
Wohnung für 500 Euro, sondern für 1 300 Euro . Deswe-
gen ist es schon ein Problem, wenn man im Durchschnitt
23 Prozent weniger Gehalt erhält als in Schleswig-Hol-
stein, dem Bundesland mit dem niedrigsten Lohnniveau
in Westdeutschland . Deswegen ist die Umwertung der
Löhne für die Rente zwingend erforderlich, solange wir
nicht wenigstens – und wir sind ja schon bescheiden –
97 Prozent des Niveaus von Schleswig-Holstein erreicht
haben. All dies sollten Sie berücksichtigen und offen sa-
gen .

Sie sind doch Mitglied der Regierungspartei, Sie sind
nicht in der Opposition . Machen Sie einen Gesetzent-
wurf, wenn Sie unserem Antrag schon nicht zustimmen .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320000

Herr Kollege Weiler, wollen Sie darauf antworten?


Albert Weiler (CDU):
Rede ID: ID1824320100

Herr Kollege Lenkert, die CDU hat 24 Jahre in Thü-

ringen regiert – das ist richtig –, aber wir haben auch
nicht so einen großen Rand wie Sie als Linke .


(Lachen bei der LINKEN)


Sie hätten in Thüringen angesichts eines Überschusses
von 600 Millionen Euro im Jahr die Möglichkeit, für die
in der DDR geschiedenen Frauen etwas zu tun, aber Sie
tun es nicht . Sie machen in Thüringen an dieser Stelle gar
nichts . Sie wollen nur Windkraft im Wald und Sie wollen
Gebietsreformen durchsetzen, und zwar gegen den Wil-
len der Bürger .


(Daniela Kolbe [SPD]: Das ist der Bundestag hier! Es ist doch nicht Landtagswahl, Leute!)


Sie wollen die vielen Millionen, die in der Vergangenheit
erwirtschaftet worden sind, nicht ausschöpfen, sie wollen
sie nicht an die Kommunen und an die Bürger weiterge-
ben . Ihnen geht es um Ideologie . Sie führen Gebietsrefor-
men durch und geben das Geld für Unsinnigkeiten aus .

Und Sie wollen uns hier belehren? Das ist eine absolute
Schande .


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Hören Sie sich eigentlich auch mal zu?)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320200

Wir setzen die Aussprache fort . Ich erteile nunmehr

das Wort Dr . Thomas Gambke für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich muss Sie
zu einer intellektuellen Leistung antreiben; denn ich will
jetzt das Thema aus einer ganz anderen Sicht, aus der
Sicht eines Unternehmers darstellen .

Sie haben ja recht mit der Feststellung, dass die Le-
bensverhältnisse in Ost und West unterschiedlich sind,
und Sie weisen auf die Verpflichtung hin, das anzuglei-
chen, wobei es nicht nur Unterschiede zwischen Ost und
West gibt;


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!)


vielmehr gibt es auch sehr unterschiedliche Regionen im
Westen, auch teilweise im Norden, im Vergleich zum Sü-
den der Bundesrepublik .

Schon allein die Überschrift „Gleichwertige Lebens-
verhältnisse in allen Regionen …“, die Sie gewählt ha-
ben, zeigt, dass Sie eben nicht alle Regionen in den Blick
nehmen, dabei müssten Sie auch die strukturschwachen
Gebiete in den anderen Teilen der Bundesrepublik in Ih-
rem Antrag berücksichtigen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie schlagen drei Themen vor: langfristige Förderung
strukturschwacher Regionen, arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen und Angleichung der Renten .

Erstens . Die Angleichung der Renten ist sicher ein
wichtiges sozialpolitisches Problem – Ihr sehr konkret
vorgetragenes Thema unterstützen wir –, aber das führt
nicht zu einer nachhaltigen Änderung oder Angleichung
der Lebensverhältnisse . Strukturelle regionale Wirt-
schaftsprobleme werden dadurch gar nicht adressiert und
auch nicht gelöst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens . Über Ihre arbeitsmarktpolitischen Regelun-
gen war ich doch einigermaßen erschrocken . Sie fordern
12 Euro Mindestlohn . Der Mindestlohn soll Lohndum-
ping verhindern, aber doch um Gottes willen nicht zu

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


einem regierungsamtlich festgestellten Facharbeiterein-
heitslohn führen . Das wäre ein Rückfall in alte Zeiten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Doch, das kennen die! Das haben die 40 Jahre gemacht!)


Drittens . Die Forderung nach Förderung von struk-
turschwachen Regionen ist richtig, aber die spannende
Antwort auf die Frage: „Mit welchen Maßnahmen soll
das erfolgen?“, die beantworten Sie nicht . Einen solch
untauglichen Antrag können wir nur ganz klar ablehnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber, wie anfangs gesagt, es ist richtig, dafür zu sor-
gen, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht
weiter auseinanderdriften . Was kann man tun? Ich will
drei sehr konkrete Ansätze nennen – kleine, aber wich-
tige Punkte –:

Erstens: Bildung . Dafür müssen und können nur die
Länder die Verantwortung übernehmen . Eine gute und
praxisnahe Ausbildung verlangt heute aber auch – diesen
Punkt will ich setzen – nach einer leistungsstarken Infor-
mationstechnologie . Mir ist Folgendes aufgefallen: Jede
Schule hat einen Hausmeister . Er kümmert sich um das
Schneeräumen, um Sauberkeit und Ordnung – alles pri-
ma –, in der Regel wird er insbesondere für die Heizung
gebraucht . Die moderne Informationstechnik lässt es zu,
dass man das heute dezentral macht . Aber: Wenn Sie in
den Schulen nachfragen, erfahren Sie, dass die Informa-
tionstechnik oft in den Händen eines fast pensionierten,
eines relativ alten Lehrers liegt – oder einer Lehrerin –,
der oft ehrenamtlich auf Basis einer sehr schwachen
Softwarestruktur arbeitet . Oft höre ich die Aussage des
Rektors oder der Rektorin: „Um Gottes willen, der darf
nicht krank werden und auch nicht in Rente gehen; denn
dann fällt meine Infrastruktur im Bereich Informations-
technik zusammen .“ Ich würde mir wünschen, dass die-
ses Hohe Haus etwas auf den Weg bringt, um die Infor-
mationstechnik in den Schulen flächendeckend und vor
allen Dingen in den Regionen auf einen besseren Stand
zu bringen . Es gibt einige in diesem Bereich leistungsfä-
hige Schulen, aber eben nicht flächendeckend. Das wäre
auch eine Maßnahme zur Stärkung der Regionen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Bernhard Daldrup [SPD])


Die zweite konkrete Anregung: Wir könnten etwas im
Bereich der Unternehmensgründungen tun . Wir haben in
Landshut ein kommunales Technologiezentrum gegrün-
det. Wir haben es geschafft, junge Start‑up‑Unternehmen
aus München und Augsburg zu uns zu holen . Wir Grüne
haben vorgeschlagen – leider ist dieses Haus uns nicht
gefolgt –, jungen Unternehmern einen Gründungszu-
schuss von 25 000 Euro zu gewähren . Niedrige Lebens-
haltungskosten, stau- und staubfreie Innenstädte werden
zunehmend interessant . In Niederbayern sagen mehr jun-
ge Familien neuerdings – das haben wir in einer Umfrage
herausgefunden –, dass sie nicht nach München, sondern
in die Region ziehen wollen . Diese Familien müssen wir
unterstützen . Wir können sie unterstützen, indem wir ih-

nen attraktive Arbeitsplätze in der Region bieten . Darauf
müssen wir uns konzentrieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die dritte Anregung betrifft das Thema Digitalisie-
rung . Wir können heute die erheblichen Chancen der Di-
gitalisierung nutzen, zum Beispiel für einen internetge-
stützten öffentlichen Nahverkehr. Ich habe das Berliner
Start-up-Unternehmen Door2Door nach Freyung ge-
bracht . Das werden Sie nicht kennen; das ist eine kleine
Gemeinde im Bayerischen Wald . Diese Gemeinde will
einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr orga-
nisieren, durch den Jugendliche und alte Menschen auf
einmal beweglich werden. Bisher waren sie vom öffent-
lichen Nahverkehr praktisch ausgeschlossen, weil es zu
wenige Verbindungen gibt und die Verkehrsmittel nicht
vor der Haustür halten .

Eine Unterstützung solcher Maßnahmen hätte ich mir
von Ihnen gewünscht . Das alles kann man machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, vielleicht wissen Sie es: Ich habe 25 Jahre in
der Wirtschaft gearbeitet . Dorthin will ich wieder zurück,
nach acht sehr spannenden Jahren hier in der Politik .
Keine Angst, es folgt keine lange Rede; denn ich bin als
Unternehmer doch etwas mehr handlungs- und weniger
sendungsorientiert .


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Ich will mich an dieser Stelle also nur bedanken, und
zwar bei meiner Fraktion für die gute Zusammenarbeit
und für die lebendigen Debatten, aber auch bei Ihnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, für manch gute Debatte,
dafür, dass in der Regel sehr viel Respekt voreinander
und vor der Meinung des anderen herrschte . Außerdem
möchte ich mich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern in meinem Büro und in der Fraktion, aber
auch bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
der Bundestagsverwaltung, die diesen Apparat am Lau-
fen halten . Ich verabschiede mich, wünsche Ihnen alles
Gute für die Zukunft und bedanke mich für die Aufmerk-
samkeit .

Vielen Dank .


(Beifall im ganzen Hause)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320300

Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Gambke . Ich sage

auch herzlichen Dank im Namen des ganzen Hauses .
Zwei Legislaturperioden lang haben Sie Ihre praktische
Erfahrung als Unternehmer eingebracht . Der Mittelstand
war bei Ihnen immer im Fokus, ebenso moderne The-
men wie die Digitalisierung . Dabei ging es Ihnen immer
um die Frage: Wie stellen wir uns auf? Ferner weiß ich,
dass Sie eine besondere Affinität zu der Parlamentarier-
gruppe ASEAN haben . Auf Ihren Rat müssen wir jetzt

Dr. Thomas Gambke






(A) (C)



(B) (D)


leider verzichten . Ich wünsche Ihnen alles Gute für die
Zukunft . Danke schön .


(Beifall)


Wir machen weiter in der Aussprache . Als Nächste hat
das Wort die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Frak-
tion .


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1824320400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich bin bei dieser Rede heute ein bisschen
aufgeregt . Das liegt nicht so sehr an der Debatte selber,
sondern ich habe gerade das erste Mal überhaupt mei-
ne kleine Tochter in der Kinderbetreuung des Deutschen
Bundestages untergebracht und hoffe, dass das alles gut
klappt . Deswegen bin ich an einem zügigen Verlauf der
Diskussion interessiert .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will mich aber bei der Verwaltung des Bundestages
bedanken, dass das möglich ist . Das ist totaler Luxus,
wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
geht .

Wir sind damit schon ein bisschen beim Thema der
in der DDR Geschiedenen . Denn es ist klar, dass die
staatlichen Rahmenbedingungen sehr wohl die Umstän-
de beeinflussen können, wie Frauen – und insbesondere
Mütter – ihr Leben gestalten bzw . was für ein Leben sie
während der Zeit des Rentenbezugs führen können .

Ich will mich deswegen heute auf die in der DDR
Geschiedenen fokussieren. Im Antrag wird zutreffend
geschildert, dass Frauen, die sich zu DDR-Zeiten haben
scheiden lassen – gerade wenn sie viele Kinder erzogen
haben und, was durchaus vorgekommen ist, auch aus-
gestiegen sind –, bei der Wiedervereinigung zum Teil
massive, frappierende Nachteile erlitten haben . Sie ha-
ben quasi das Schlechte aus beiden Systemen abbekom-
men . Das DDR-Rentenrecht kannte Bevorzugungen von
Frauen und Müttern . Diese sind mit der Wiedervereini-
gung weggefallen . Die DDR kannte aber keinen Versor-
gungsausgleich. Das heißt, die betroffenen Frauen haben
keine Anwartschaften von ihren Exmännern übertragen
bekommen .

Das führt dazu, dass wir heutzutage sehr viele schlim-
me Geschichten hören . Ich selber beheimate sozusagen
die Treffen meiner lokalen Gruppe des Vereins. Es wird
einem mulmig, es wird einem ganz anders, wenn man
die Geschichten von einem Leben voller Arbeit, voller
Kindererziehung hört . Man vertraute voll auf die Ehe und
arbeitete im Betrieb mit . Und heute stehen diese Frauen
mit Niedrigstrenten da und gehen aus Scham nicht zum
Sozialamt .

Tatsächlich hat uns der UN-Ausschuss zur Beseiti-
gung der Diskriminierung der Frau ins Stammbuch ge-
schrieben, der Bundestag solle tätig werden . Wir als SPD
wollen das auch tun, und zwar nicht nur bezogen auf die
in der DDR Geschiedenen, sondern auch auf andere be-
troffene Gruppen. Uns ist das wichtig. Denn wir wissen:

Ganz viele Menschen in der ehemaligen DDR haben
noch heute das Gefühl, dass ein Teil ihrer Lebensleistung
überhaupt nicht anerkannt wird . Sie fühlen sich sozusa-
gen so, als würde vieles von dem, was sie geleistet haben,
überhaupt nicht wichtig genommen .

Wir wollen dieses Thema angehen und haben deswe-
gen in unser aktuelles Regierungsprogramm eine Fonds-
lösung hineingeschrieben . Wir sind damit – ich habe es
noch einmal nachgelesen – im Vergleich zum Programm
der Linken konkreter . In deren Programm steht lediglich,
man wolle Lebensleistung anerkennen . Auch in Ihrem
Antrag ist es nebulös . Wir wollen Fehler korrigieren .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Im Antrag steht es drin!)


Also ich finde, wir als SPD können durchaus stolz sein.
Wir sind hier sehr konkret und wollen das Thema ange-
hen .


(Beifall bei der SPD – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!)


Uns ist klar: Es ist kompliziert .

Es kann nicht wirklich nicht Ihr Ernst sein, dass Sie
uns in Bezug auf den Antrag hinsichtlich der in der DDR
Geschiedenen heute beschließen lassen wollen, dass die
Bundesregierung morgen, am 30 . Juni 2017, einen Mas-
terplan vorlegen soll . Das ist wirklich ein bisschen al-
bern .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das liegt in der Praxis des Bundestages, das wissen Sie selber! Der Antrag liegt länger vor!)


Ich fände es vielmehr gut, wenn Sie einmal ganz kon-
kret formulieren würden, was Sie für diese Gruppe tun
wollen . Herr Weiler, ich habe Ihren Vorschlag noch nicht
richtig verstanden .


(HonD Albert Weiler [CDU/CSU]: Ich erkläre es Ihnen!)


– Den können Sie mir erklären . Erklären Sie ihn aber
vor allen Dingen der Bundeskanzlerin, erklären Sie ihn
denjenigen, die beim nächsten Mal bei den Koalitions-
verhandlungen mit dabei sind . Wir haben nämlich bei
den letzten Koalitionsverhandlungen das Thema Härte-
fallfonds behandelt . Der ist – jetzt verrate ich einmal ein
Geheimnis – nicht an meiner Fraktion gescheitert .


(Beifall bei der SPD)


Es ist also kompliziert, hier wirklich etwas zu tun . Das
ist – ich komme noch einmal auf die in der DDR Ge-
schiedenen zurück – aus verschiedenen Gründen so, aber
auch deshalb, weil die Gruppe sehr heterogen ist .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt einen sehr guten Vorschlag von den Grünen!)


Hier im Raum sitzt zum Beispiel eine in der DDR Ge-
schiedene, nämlich Iris Gleicke . Um die müssen wir uns
sicherlich keine Sorgen machen . Aber für viele der Frau-
en, die sich organisieren und für ihre Rechte kämpfen,
müssen wir wirklich etwas tun .

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


Ich nutze die Gelegenheit, über diese in der DDR ge-
schiedene Frau noch etwas zu sagen . Sie hat ihre letzte
Rede irgendwann spätnachmittags am letzten Freitag ge-
halten . Ich muss sagen, das ist mir ein bisschen zu wenig .
Sie haben hier sehr viel schwarzgemalt, was das Thema
Ostdeutschland und Ost-West-Beziehungen angeht . In
den letzten vier Jahren war Iris Gleicke eine emotionale,
authentische und hartnäckige Kämpferin für die ostdeut-
schen Belange . Und Iris – das sage ich ganz persönlich –:
Du wirst in diesem Hohen Haus sehr fehlen . Ganz herzli-
chen Dank für dein tolles Engagement .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sehen, Sie können sich darauf verlassen, dass die
SPD in Bezug auf die in der DDR Geschiedenen und
die anderen Gruppen tätig werden wird . Wir werden das
Thema in seiner ganzen Komplexität und nicht mit so ei-
nem Federstrich, wie die Linke das heute mit dem Antrag
tun möchte, angehen .

Insofern freue ich mich auf eine neue Runde und hof-
fentlich auf ein Wiedersehen – der Wähler hat natürlich
das letzte Wort – im Herbst –, und dann mit einem Ko-
alitionsvertrag, wer auch immer ihn macht, in dem das
Thema Niederschlag findet. Wichtig wäre es.


(Beifall bei der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320500

Vielen Dank, Frau Kolbe . – Als Nächstem erteile ich

dem Kollegen Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1824320600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Ich finde es erstaunlich, dass die Fraktion Die Linke
kurz vor Ende der Legislaturperiode noch einen Antrag
zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West
einbringt .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Er liegt schon länger vor!)


Die Linken sind in den Umfragen ja eher im Sinkflug,
und man hat den Eindruck, da soll jetzt dringend noch
ein Wahlkampfthema gesucht werden . Ich muss sagen:
Damit liegt sie völlig daneben .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Immer weiter!)


Wir sollten in der Tat das machen, was von Ihnen vorhin
in der Debatte schon gesagt worden ist .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fra-
ge ist nicht, ob wir strukturschwache Gebiete im Osten
und im Westen haben, sondern es ist richtig: Wir haben
in Deutschland Gegenden im Osten wie im Westen, die
strukturschwach sind. Wir haben die Verpflichtung, et-
was dafür zu tun, dass sich diese Regionen in der Zukunft

besser entwickeln können, als das in der Vergangenheit
der Fall war .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Politische Reden, die den Gegensatz zwischen Ost
und West weiter pflegen, sind nach 27 Jahren deutscher
Einheit schlichtweg daneben . Uns muss es darum gehen,
dass sich insgesamt in Deutschland alle Mitbürgerinnen
und Mitbürger darauf verlassen können, dass wir als
Politik das Notwendige tun, damit sich alle Regionen
Deutschlands gesund und wohlhabend entwickeln kön-
nen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich denke, dass gerade diese Bundesregierung mit ih-
rem Programm für strukturschwache Kommunen gezeigt
hat, dass wir das auch ernst nehmen . Mit dem Fonds,
den wir geschaffen haben, fördern wir strukturschwache
Kommunen bei Investitionen in Ost und West . Genau das
ist richtig, wenn man gesamtdeutsche Politik und keine
Spalterpolitik à la Fraktion Die Linke betreiben will .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt auch für das Thema Rente . Manchmal habe
ich den Eindruck, die Linke würde am liebsten das
DDR-Rentensystem wieder einführen, ein hochkompli-
ziertes System mit unterschiedlichsten Regelungen .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann haben Sie schlecht zugehört, Herr Weiß! Das habe ich nicht gesagt!)


Bei der deutschen Einheit haben wir Folgendes ge-
macht: Wir haben dieses System beendet und alle Mit-
bürgerinnen und Mitbürger in den neuen Bundesländern
in das gesamtdeutsche Rentensystem übernommen, was
eben nicht mit hundertfachen Sonderregelungen belastet
ist, sondern bei dem vor allem ein Prinzip gilt: Die Rente
ist lohn- und beitragsbezogen .

Mit dieser Integration in das gesamtdeutsche Renten-
system haben sich über 96 Prozent der Rentnerinnen und
Rentner im Osten bessergestellt als im alten DDR-Ren-
tensystem .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sprich: Die Rentnerinnen und Rentner waren zuallererst
die Gewinnerinnen und Gewinner der deutschen Einheit .
Daran führt kein Weg vorbei, wenn man sich die Zahlen
anschaut . Deswegen vertuscht diese Art von Polemik, die
von den Linken vorgetragen wird, was historische Wahr-
heit ist .


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Wir haben jetzt keine Rentendebatte! Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West, reden Sie mal dazu!)


Diese Wahrheit fußt übrigens darauf, dass die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen
auch im Westen in einer großartigen Solidarleistung mit
ihren Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversi-
cherung dafür gesorgt haben, dass wir die Rentnerinnen

Daniela Kolbe






(A) (C)



(B) (D)


und Rentner in den neuen Bundesländern besserstellen
konnten, als das im alten DDR-Recht der Fall war .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Das kann man doch gar nicht vergleichen!)


In der Tat zeigt das Thema „Geschiedene Frauen“, wie
ungerecht dieses System war . Bei uns im Westen ist es
seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich, dass bei einer
Scheidung ein Versorgungsausgleich stattfindet, sprich:
Die in der Ehezeit erworbenen Ansprüche von Mann und
Frau werden zusammengerechnet und geteilt . Deswegen,
finde ich, müssten sich in einer solchen Debatte, die hier
beantragt worden ist, die Linken zuerst einmal dazu be-
kennen: Dieses System im Osten Deutschlands, in der
ehemaligen DDR, war ein ungerechtes System für die
dort geschiedenen Frauen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Genau diesen Mut hat die Linke nicht . Das zeigt, wie zy-
nisch sie mit dem Schicksal dieser Frauen umgeht .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Diese Rede ist zynisch!)


– Nein . Das, was ihr macht, ist zynisch .

Nun ist in der Tat der Anlass für diese Debatte, dass
sich die in einem Verein organisierten Frauen auch an die
UN gewandt haben und die UN der deutschen Bundes-
regierung die Aufgabe gestellt hat, hierfür eine Lösung
zu suchen . Federführend dafür ist das Bundesfamilienmi-
nisterium . Es ist schon bemerkenswert, dass der Verein
dieser Frauen festgestellt hat, dass sich eine Lösung im
Rentenrecht trotz allem Hin und Her nicht finden lässt.
Das ist zumindest schon ein großer Fortschritt gegenüber
früheren Debatten, in denen jeweils eine rentenrechtliche
Regelung, also eine Regelung zulasten der Beitragsein-
nahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, gefordert
worden ist .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuerfinanziert!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich
haben wir in Deutschland unterschiedliche Lohnniveaus .
Aber wir haben nicht nur ein unterschiedliches Lohnni-
veau zwischen Ost und West . Wir haben auch ein unter-
schiedliches Lohnniveau zwischen Nord und Süd . Ich
komme aus Baden-Württemberg . Die Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein verdienen
im Durchschnitt rund 25 Prozent weniger als die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg .


(Zuruf von der LINKEN)


Sie sind aber im gleichen Rentensystem .

Natürlich wünsche ich unserem neuen Ministerpräsi-
denten in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der ges-
tern gewählt worden ist,


(Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Die Rede wird immer besser!)


mit seiner Regierung Erfolg, damit er die wirtschaftliche
Entwicklung dieses Landes so voranbringt, dass der Ab-
stand zu Baden-Württemberg aufgeholt wird .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das schafft er! – Zurufe von Abgeordneten der SPD)


– Kollege Rosemann, das geschieht nicht dadurch, dass
wir Baden-Württemberger zurückfallen . Wir schreiten
selbstverständlich auch weiter voran .

Allein dieser Hinweis zeigt Ihnen doch: Es geht bei
diesem Thema nicht darum, wo weniger verdient wird
und wie die Durchschnittslöhne sind . Vielmehr geht es
darum, dass wir in Deutschland – das ist einfach ein
Fakt – ein einheitliches Rentensystem für alle haben, es
aber Regionen gibt, in denen durchschnittlich mehr, und
Regionen, in denen durchschnittlich weniger verdient
wird . Deswegen ist es richtig, dass wir nun nach 27 Jah-
ren deutscher Einheit auch bei der Berechnung der Rente
ein einheitliches System in Ost und West einführen und
Deutschland bei der Berechnung von Rente nicht teilen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Wol-
kennebel linker Reden geht unter: Die Linke will das
Gegenteil . Die Linke will die Teilung Deutschlands im
Rentenrecht auf Jahrzehnte weiter beibehalten . Das wäre
die Konsequenz der linken Reden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das ist eine Lüge! Echt, Herr Weiß! So ein Schwachsinn!)


– So ist das . Das ist die Konsequenz . – Gleiches Ren-
tenrecht in Ost und West, in ganz Deutschland, muss
bedeuten, dass mir mit jedem Euro, den ich als Beitrag
in die Rente einzahle, in Ost und West die gleichen Ent-
geltpunkte gutgeschrieben werden und dass am Schluss,
wenn ich in Rente gehe, das, was sich auf meinem Ren-
tenkonto angesammelt hat, in Ost und West mit dem
gleichen Betrag multipliziert wird . Genau das ist das Ziel
der nun in sieben Schritten zu erfolgenden Rentenanglei-
chung in Ost und West .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das könnten wir noch ein bisschen schneller haben!)


Deswegen halte ich fest: Es ist diese Koalition, die in
dieser Legislaturperiode das geschafft hat, worüber jahr-
zehntelang diskutiert worden ist. Wir schaffen endlich
die Renteneinheit in Ost und West . Das ist wirklich ein
Erfolg, den wir hinbekommen haben . Das zeigt: Arbeit
in Deutschland ist überall gleich viel wert, auch in der
Rente .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Peter Weiß (Emmendingen)







(A) (C)



(B) (D)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320700

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß . – Als Nächs-

ter spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Bernhard
Daldrup .


(Beifall bei der SPD)



Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824320800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Ich will ein bisschen an die
Art und Weise, wie Herr Gambke über dieses Thema ge-
sprochen hat, anknüpfen, statt nur über Rente und Arbeit
zu sprechen; denn das Thema der heutigen Debatte lau-
tet: gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West .

Was meinen wir eigentlich, wenn wir über Gleichwer-
tigkeit reden? Das ist nichts anderes als die räumliche
Seite des Sozialstaatsprinzips . Es geht nicht um Gleich-
macherei, sondern um die Betrachtung von Lebenschan-
cen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Bildung, Woh-
nen, Arbeit, Mobilität, selbstverständlich auch Rente; das
ist keine Frage . Aber im Kern ist mit Gleichwertigkeit
von Lebensbedingungen in allen Teilräumen des Landes
gemeint, dass die Menschen gleiche Chancen und die
gleiche Freiheit haben, ihre eigenen Ziele zu verwirkli-
chen . Deswegen ist sozusagen dem Befund des Antrags
der Linken gar nicht zu widersprechen . Wenn die Schere
zwischen Arm und Reich, regional oder zwischen einzel-
nen Gruppen auseinandergeht, dann ist das schlecht für
die gesamte Gesellschaft . Deswegen ist es auch richtig,
dass der Bund aufgefordert wird, hier etwas zu tun .

Aber dann machen Sie etwas, was ich überhaupt nicht
verstehe . Denn Sie führen wieder weitgehend eine alte
Ost-West-Auseinandersetzung – in dem Antrag ist sogar
von „DDR“ die Rede –, suchen ein paar prekäre Unter-
schiede heraus und wollen sich im Grunde genommen
doch nur selbst zum Gralshüter ostdeutscher Interessen
machen . Das macht den Antrag schlecht; das macht ihn
schwach . Denn das sind Sie nicht, schon gar nicht Sie
alleine .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen
des Landes heißt ja nicht gleichwertige Lebensverhält-
nisse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland .
Das ist ein großer Unterschied .

Sie beziehen sich auf Arbeitsmarkt und Rente – dazu
ist schon einiges gesagt worden –, und dann fordern Sie
einen Solidarpakt III völlig undifferenziert als Konzept.
Das macht den Antrag nicht stärker .

Abenteuerlich ist dann die Behauptung, die Bundes-
regierung ließe effektive Maßnahmen vermissen. Das
ist nämlich einfach nur falsch . Deshalb ist der Antrag
schlecht . Das sage ich ganz deutlich .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen .
Ich will jetzt, wie gesagt, nicht so viel über Ordnung am
Arbeitsmarkt reden . Ich glaube, da hat die Koalition das

getan, was der Koalitionsvertrag zuließ . Ich will auch
nicht über das Thema Rente reden . Aber ich glaube, in
beiden Fällen hat Andrea Nahles als zuständige Ministe-
rin wirklich Vorbildliches geleistet,


(Beifall bei der SPD)


und das lassen wir auch nicht in Zweifel ziehen .

Ich möchte andere Punkte ansprechen . Ich glaube
nämlich – das muss man in Erinnerung rufen –: Was den
Dreiklang von Investitionsschwäche, Höhe der Sozial-
ausgaben und Entlastung von Sozialausgaben und damit
die Möglichkeit zu weniger Verschuldung angeht, hat
diese Koalition unglaublich viel erreicht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann Ihnen das haarklein darlegen . Bei den Sozi-
alausgaben liegen die Entlastungen bei 4,5 Milliarden, in
der Zukunft bei 5 Milliarden Euro jährlich . Ich könnte
die Grundsicherung im Alter oder den Kitaausbau nen-
nen, wo übrigens die Differenzen ganz andere sind, als
es aus der Diktion Ihres Antrags hervorgeht . Bei den In-
vestitionen in Höhe von 7 Milliarden Euro geht es um fi-
nanzschwache Kommunen . Nehmen Sie das bitte einfach
einmal zur Kenntnis! Es geht bei dem Bund-Länder-Pro-
gramm „Soziale Stadt“ darum, den Quartieren zu helfen,
die in einer benachteiligten Situation sind . Das alles hat
sozusagen Ausgleichsziele zur Grundlage . Das heißt mit
anderen Worten: Zu behaupten, hier würde nichts gesche-
hen, ist, ehrlich gesagt, schlicht und ergreifend falsch .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe extra eine nette Broschüre mitgebracht – die
stelle ich Ihnen gern zur Verfügung –, in der das alles
drinsteht . Ich kann das nämlich gar nicht alles aufzählen .
Im Ergebnis kommen wir und selbst die kommunalen
Spitzenverbände – alles keine sozialdemokratisch durch-
setzten Organisationen – zu der Feststellung, dass kei-
ne Bundesregierung so viel für die Kommunen und für
die Regionen geleistet hat wie diese . Wir sind Teil die-
ser Bundesregierung bzw . dieser Koalition, und wir sind
stolz darauf, dass wir das hingekriegt haben . Und man
kann nicht davon reden, dass es unterlassen worden ist .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bilanz ist also gut, und es gibt auch Ergebnisse:
Der Investitionsstau bei den Kommunen sinkt . Die In-
vestitionen steigen . Die Verschuldung der Kommunen
sinkt . Die kommunalen Steuereinnahmen steigen . Man
muss aber bereit sein, das alles wahrzunehmen .

Jetzt kommen wir zu dem Thema Solidarpakt III .
Hinter dieser Formel steht nichts außer: Gebt uns mehr
Geld! – Das ist nicht falsch; es ist aber auch nicht be-
sonders pfiffig. In Wirklichkeit wollen Sie an der alten
Ostforderung „Himmelsrichtung statt Bedürftigkeit“
festhalten . Ich bin Iris Gleicke sehr dankbar dafür, dass
sie in der Zeit, in der sie diese Aufgabe wahrgenommen
hat, dafür gesorgt hat, dass diese Dichotomie endlich auf-
hört und dass wir zusammen darüber reden, wie künftig






(A) (C)



(B) (D)


nach Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung gefördert
werden kann . Denn das wollen wir .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Das wird hier so lax gesagt: Ihr lasst mal wieder die
ostdeutschen Kommunen hinten runterfallen . – Im Jah-
re 2015 betrug die erhöhte Gewerbesteuerumlage der
westdeutschen Kommunen 3,4 Milliarden Euro . Sie wird
seit Anfang der 90er-Jahre erhoben . Es ist hier ein hohes
Maß an Solidarität da, ein ausgesprochen hohes Maß . Ich
würde das nicht einfach so wegreden .

Ich habe leider nicht die Zeit, darauf im Einzelnen
einzugehen, aber die Antwort ist doch nicht nur, das Aus-
gleichsziel zu verfolgen, sondern Strukturpolitik . Die
Antwort besteht in der Förderung von Wachstumsfeldern,
die man mobilisieren muss, in der Unterstützung von en-
dogener Entwicklung, in der tragfähigen wirtschaftlichen
Entwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt . Wenn
wir uns nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wie
das in dem Antrag von Ihnen getan wird, dann ist das ein
Festschreiben einer Situation, die wir doch verbessern
wollen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824320900

Herr Kollege .


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824321000

Deswegen haben wir eine andere Zielsetzung . Ich bit-

te Sie, doch daran mitzuwirken . Das ist doch die notwen-
dige Voraussetzung .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824321100

Das war ein guter Schlusssatz .


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824321200

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, was passiert, wenn das

so gemacht wird und wir uns nicht nur auf das Aus-
gleichsziel konzentrieren, wenn wir Regionalpolitik als
Chancenpolitik begreifen in einer Umbruchzeit, wie wir
sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Digitalisierung
erleben –


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824321300

Herr Kollege .


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824321400

– ein letzter Satz, Frau Präsidentin –:


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824321500

Aber ganz schnell .


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824321600

Ja, auch Bayern war einmal ein Agrarland und hat bis

in die 80er-Jahre am Tropf der westdeutschen Länder ge-
hangen . Heute ist es ein Technologieland geworden .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824321700

Punkt .


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1824321800

Diese Perspektive gibt es, und man muss sie nutzen .

Wir helfen dabei gerne mit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824321900

Vielen Dank, Herr Kollege . – Ich schließe die Aus-

sprache .

Tagesordnungspunkt 15 a . Wir kommen zur Ab-
stimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/11750 mit dem Titel „Für gleichwertige
Lebensverhältnisse in allen Regionen in Ost und West“ .
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Gibt es keine . Der Antrag ist mit den
Stimmen der Regierungsfraktionen und den Stimmen des
Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Lin-
ken abgelehnt .

Tagesordnungspunkt 15 b . Wir kommen zur Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozi-
ales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR
geschiedenen Frauen sofort umsetzen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/12854, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/12107 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktio-
nen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und
der Linken angenommen .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses

(3 . Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesre-

gierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der „United Na-
tions Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL)


Drucksachen 18/12492, 18/12866


(8 . Ausschuss)


Drucksache 18/12867

Über die Beschlussempfehlung werden wir später na-
mentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Bernhard Daldrup






(A) (C)



(B) (D)


Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erster Redner
hat für die SPD-Fraktion der Kollege Niels Annen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1824322000

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die
Verlängerung des Mandats zur Entsendung deutscher
bewaffneter Streitkräfte an die UN‑Mission UNIFIL im
Libanon . Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustim-
men . Das, was wir dort leisten, ist ein kleiner Beitrag,
aber ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung eines Lan-
des, aber auch einer Region, die, wie wir alle wissen,
ausgesprochen unruhig ist, die ausgesprochen fragil ist .

Ich will noch einmal daran erinnern, warum sich ei-
gentlich deutsche Soldatinnen und Soldaten an dieser
Mission beteiligen . Wir müssen in das Jahr 2006 zurück-
gehen . Der eine oder andere von Ihnen erinnert sich viel-
leicht daran, dass es einen kurzen, aber sehr intensiven
und dramatischen Krieg zwischen Israel und dem Liba-
non bzw ., da man das eigentlich gar nicht sagen kann,
der Hisbollah-Miliz im Libanon gegeben hat . Das hatte
Auswirkungen auf die ohnehin schon fragile Infrastruk-
tur eines kleinen und bürgerkriegsgeplagten Landes . Es
gab massive Angriffe der IDF, der israelischen Streitkräf-
te, aber ebenso massive Angriffe der Hisbollah‑Miliz auf
die israelische Zivilbevölkerung .

Diese Mission ist, glaube ich, ein Beispiel dafür, dass
die politische Initiative, der Wille, mit den unterschied-
lichen Parteien dieses Konfliktes ins Gespräch zu kom-
men, auch aus einer Situation der geografisch großen Di-
stanz – das kann man ja gar nicht anders beschreiben –,
dank der Politik unseres heutigen Bundespräsidenten und
des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier
dazu geführt hat, dass man einen Beitrag leisten konnte,
zwar nicht dazu, dass ein Friede geschlossen worden ist –
wir alle wissen, dass zwischen Israel und dem Libanon
seit vielen Jahren Kriegszustand herrscht –, aber dass es
zu einem Waffenstillstand gekommen ist. Wir unterstüt-
zen seit 2006 mit einem ausgedehnten UNIFIL-Mandat
die Einhaltung und Stabilisierung dieses Waffenstill-
stands mit heute etwas mehr als 130 Soldatinnen und
Soldaten und mit einem Mandat, das dort eine vernünf-
tige, eine ausgewogene Politik verfolgt und vor Ort auch
umsetzen kann .

Ich will noch einmal darauf hinweisen, in welcher
politischen und geografischen Umgebung diese Mission
eigentlich stattfindet. Der Libanon hat ja nicht nur die
Probleme zu bewältigen, die es nach 15 Jahren Bürger-
krieg gibt . Der Libanon ist ein Land, von dem wir ei-
gentlich alle sagen müssen: Es ist quasi ein Wunder, dass
die staatlichen Strukturen heute trotz der Aufnahme von
über 1 Million Flüchtlingen aus Syrien überhaupt noch
intakt sind . Der Libanon ist indirekt, auch wenn die of-
fizielle Politik des Landes etwas anderes suggeriert, an
dem schrecklichen Krieg in Syrien beteiligt – mit der
eben schon erwähnten Hisbollah-Miliz, die den Süden
des Landes heute de facto kontrolliert .

Wir leisten mit den deutschen Soldatinnen und Solda-
ten nicht nur einen Beitrag durch die derzeitige Beteili-

gung mit einer Fregatte, sondern wir leisten auch einen
Beitrag, indem die deutschen Soldatinnen und Soldaten
die UNO an der sogenannten Blue Line unterstützen –
das ist nicht die markierte Grenze, aber das ist sozusagen
die vereinbarte Waffenstillstandslinie –, um zwischen
dieser Blue Line und dem Litani-Fluss eine demilitari-
sierte Zone durchzusetzen . Darüber könnte man viel sa-
gen . Die Soldatinnen und Soldaten – ich habe mich selbst
davon überzeugen können – leisten dort eine exzellente,
eine herausragende Arbeit .

Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen


(Unruhe)


– vielleicht interessiert das auch die Kollegen der Uni-
on –, geht es auch darum, dass wir einen Mechanismus
entwickelt haben, bei dem es zwar oberflächlich darum
geht, das Mandat umzusetzen und die Vereinbarung ein-
zuhalten, aber der auch dazu führt, dass zumindest inof-
fiziell Verantwortliche der libanesischen Armee und der
israelischen Armee unter Vermittlung der Vereinten Nati-
onen miteinander sprechen . Das ist die einzige Gelegen-
heit, bei der sich offizielle Vertreter dieser beiden, sich
miteinander im Krieg befindlichen Parteien treffen und
über konkrete Probleme der Stabilisierung und der Kon-
fliktbeseitigung miteinander reden können. Das verdient,
liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Unterstützung .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gibt aber bedauerlicherweise noch mehr Gründe,
diesen Einsatz fortzusetzen . Wir reden – ich habe das
eben schon erwähnt – über eine Region, die sich im
Krieg befindet. Syrien ist nicht weit weg. Und obwohl
die Hisbollah-Miliz mit starken Kräften im syrischen
Bürgerkrieg aktiv ist, sagen im Grunde genommen über-
einstimmend alle Berichte, dass die Hisbollah ihre Stel-
lungen im Süden des Libanon, ihre militärische Kapazität
systematisch seit dem Ende des Krieges bzw . der Befrie-
dung 2006 wieder ausgedehnt und aufgebaut hat . Viele
Experten, auch unsere Freunde aus Israel, die das mit
ihren doch relativ gut entwickelten Instrumenten ziem-
lich genau beobachten und ein sehr genaues Bild über
die Lage im Süden des Libanon haben, weisen darauf
hin, dass hochmoderne Waffen in diese Region verbracht
werden, dass viele Befestigungsanlagen sozusagen reak-
tiviert werden und dass es – lassen Sie uns das so aus-
sprechen, wie es ist – Kriegsvorbereitungen in der Zone
gibt, in der auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten
im Moment ihren Dienst tun .

Jeder von uns weiß doch, dass es nur eines kleinen
Vorwands bedarf, um diesen Krieg wieder zu einem
heißen Konflikt werden zu lassen, und dass ein Wieder-
aufflackern dieses Konfliktes sehr wahrscheinlich dazu
führen würde, dass es zu einer militärischen Auseinan-
dersetzung in einer Intensität käme, die möglicherweise
die Kampfhandlungen von 2006 noch übersteigen wür-
de . 2006 ist dieser Krieg sozusagen bis in die Hauptstadt
Beirut getragen worden . Es ist kritische Infrastruktur des
Libanon zerstört worden . Meine sehr verehrten Damen
und Herren, wir dürfen das nicht zulassen . Deswegen
ist die klare Aufforderung an die Hisbollah, aber auch

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


an die Unterstützer dieser Organisation, die vor allem in
Teheran sitzen, diese Unterstützung einzustellen und zur
Deeskalation beizutragen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Aufforderung, ihrer Verantwortung nachzukommen,
gilt auch für diejenigen, die damals die Waffenstillstands-
vereinbarung unterzeichnet haben . Wenn das geschehen
sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann
dürfen die Konfliktparteien von uns, die wir uns bereit
erklärt haben, diesen Waffenstillstand zu garantieren, er-
warten, dass wir weiterhin unseren kleinen, aber wichti-
gen und substanziellen Beitrag leisten .

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen
Sie zu! Es ist eine wichtige Mission . Ich danke an die-
ser Stelle auch den Soldatinnen und Soldaten für ihren
Einsatz in einem schwierigen Umfeld und bitte um Zu-
stimmung .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322100

Vielen Dank, Herr Kollege Annen . – Als Nächster

erteile ich das Wort der Kollegin Annette Groth für die
Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824322200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Annen, es wird Sie nicht überraschen, dass wir Ih-
rem netten Appell, dem Antrag zuzustimmen, sicherlich
nicht Folge leisten werden .


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist schade!)


– Ja, sehr schade . –


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein, ist besser so!)


Wir, die Linke, kritisieren von Anfang an den UNI-
FIL‑Einsatz als unsinnig, überflüssig und politisch falsch.


(Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie kritisieren ja jeden Einsatz!)


Wir fordern die sofortige Beendigung dieses Kampfein-
satzes, in den die Bundesregierung weiterhin Soldatinnen
und Soldaten schicken will . Die Kosten dieses Einsatzes
belaufen sich für den Zeitraum vom 1 . Juli 2017 bis zum
30 . Juni 2018 insgesamt auf rund 41,2 Millionen Euro .
Das sind täglich mehr als 100 000 Euro . Das ist skanda-
lös, wie ich finde.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Gelder wären für Investitionen in Bildung, Kran-
kenhäuser und Pflegeheime sowie für den sozialen Woh-

nungsbau, für marode Schulen und für den öffentlichen
Nahverkehr wesentlich besser eingesetzt .


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe des Abg . Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Alle wissen, dass die Schiffe, die vor der libanesischen
Küste eingesetzt werden, keinen Waffenschmuggel un-
terbinden, da Waffen vorwiegend auf dem Landweg ins
Land gelangen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Warum wohl?)


Vielmehr geht es darum, bundesdeutsche Militärpräsenz
im Mittelmeer zu zeigen und für eventuelle Einsätze be-
reitzustehen, wenn Frau von der Leyen mal wieder unse-
rer Verantwortung in der Welt nachkommen will .

Heute Morgen hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regie-
rungserklärung die Bekämpfung der Fluchtursachen als
eines der zentralen Ziele ausgegeben . Eine der Hauptur-
sachen für Flucht sind kriegerische Auseinandersetzun-
gen, die durch deutsche Waffenexporte extrem verschärft
werden . Deshalb fordern wir schon seit vielen Jahren:
Beenden Sie die Waffenexporte in Krisenregionen!


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Standardrede Nummer zwei!)


Beenden Sie die Waffenlieferungen an Saudi‑Arabien, Is-
rael, Katar und die Türkei, die in der gesamten Region zu
Eskalation und Destabilisierung beitragen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren kri-
tisieren wir auch die mangelnde Neutralität des UNI-
FIL‑Mandats. Während der Waffenschmuggel in den
Libanon verhindert werden soll, intensiviert die Bundes-
regierung – genauso wie die USA und andere EU-Mit-
gliedstaaten – die Rüstungskooperation mit Israel,
das – es wurde schon gesagt – bereits zweimal durch
Bombardierungen die Infrastruktur im Libanon zerstört
und viele Menschen getötet hat .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322300

Liebe Kollegin Groth, lassen Sie eine Zwischenfrage

zu?


Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824322400

Nein, jetzt nicht . Meine Füße sind zu nass; ich bin in

den Regen gekommen .


(Niels Annen [SPD]: Das erklärt einiges! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hindert doch nicht am Denken! – Rainer Arnold [SPD]: Sie hat zu wenig Sonne abbekommen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist absurd!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter dem Vorwand,
Terrorismus zu bekämpfen, werden Länder zerstört und
Menschen zur Flucht gezwungen . Stattdessen sollten die
Menschen mit sauberem Trinkwasser und Nahrungsmit-
teln versorgt werden . In dieser Woche sind innerhalb von
vier Tagen fast 10 000 Geflüchtete in Italien angekom-
men. Die italienische Regierung erwägt jetzt, Schiffe, die
unter fremder Flagge fahren, nicht mehr in italienische

Niels Annen






(A) (C)



(B) (D)


Häfen zu lassen . Die italienische Regierung appelliert
an die EU, Italien bei der Aufnahme und Versorgung der
Geflüchteten zu unterstützen. Das muss jetzt dringend
umgesetzt werden, um weitere Tote zu verhindern .


(Beifall bei der LINKEN)


Anstatt weitere Milliarden für Rüstung auszugeben
und den Ausbau der Festung Europa voranzutreiben,
sollte die Bundesregierung verstärkt in nachhaltige In-
frastruktur im globalen Süden investieren . Deutschland
sollte sich zu einem internationalen Kriegsdienstver-
weigerer entwickeln und Auslandseinsätzen eine klare
Absage erteilen . Das wäre endlich einmal ein wichtiges
humanitäres Signal .


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist auch meine
letzte Rede im Deutschen Bundestag . Ich wünsche den
ausscheidenden Abgeordneten eine stressfreie und ge-
nussreiche Zeit und den verbleibenden Kolleginnen und
Kollegen viel Erfolg in der neuen Legislaturperiode . Ver-
gessen Sie die Menschenrechte nicht!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie werden zunehmend mit Füßen getreten . Das dürfen
wir nicht zulassen . Ich werde weiterhin außerhalb des
Parlaments für die Durchsetzung der Menschenrechte bei
uns, im eigenen Land, und woanders kämpfen .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322500

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Auch Ihnen alles Gute .

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen
Dr . Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1824322600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Frau Kollegin Groth, im Gegensatz zu Ihren
Ausführungen muss ich sagen: Wenn es – abgesehen von
der Anfangszeit – je einen Anlass gab, den UNIFIL-Ein-
satz fortzusetzen, dann ist das heute der Fall . Die Span-
nungen zwischen Israel und Libanon sind – der Kollege
Annen hat darauf hingewiesen – nach wie vor vorhanden .

Die Hisbollah baut unter dem Deckmantel der Um-
welt-NGO „Green without borders“ neue Beobachtungs-
posten entlang der libanesisch-israelischen Grenze .

Gleichzeitig erleben wir aktuell, wie syrische Streit-
kräfte, unterstützt durch die Hisbollah, in Syrien sowohl
nach Osten als auch nach Süden vorstoßen . Sie rücken
damit immer näher an die Grenze zu Israel und Jordani-
en, aber auch an den Libanon heran .

Die israelische Luftwaffe hat schon zwei Angriffe ge-
gen Stellungen der Assad‑Truppen geflogen, nachdem

Geschosse auf dem von Israel kontrollierten Golan nie-
dergegangen sind .

Vom Iran unterstützte schiitische Milizen stehen mitt-
lerweile an der syrisch-irakischen Grenze mit der Bestre-
bung, zusammen mit proiranischen Milizen aus Syrien
einen gemeinsamen Landkorridor zu errichten . Dieser
würde sich dann fast bis in die unmittelbare Nähe zu Li-
banon und Israel erstrecken .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte
das fortsetzen . Auch Ihren idealistischen Appell, Frau
Kollegin Groth, habe ich gehört . Man könnte sich als
deutsche Nation zu einer Art Kriegsdienstverweigerer-
partei erklären . Aber allein dadurch, dass wir die Augen,
Ohren und Mund zumachen nach dem Motto „Nichts se-
hen, nichts hören, nicht sagen“, wird man diesen aggres-
siven Kräften nicht Einhalt gebieten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage Ihnen: Wenn es einen Erfolgsparameter dafür
gibt, dass diese Mission sinnvoll war, dann ist es doch
der Umstand – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen –,
dass Waffentransporte an die Hisbollah auf dem Land-
weg geschehen . Solche Transporte auf dem Seeweg sind
eben verhindert worden, und das ist ein Verdienst der
Mission UNIFIL . Deswegen gebührt ihr weiterhin unse-
re Unterstützung; das Mandat für diese Mission sollte ein
weiteres Mal verlängert werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich will darauf hinweisen, dass es im Libanon eine er-
freuliche Entwicklung gibt, auch wenn sie uns noch lan-
ge nicht beruhigen kann; auch Kollege Annen hat darauf
hingewiesen . Michel Aoun ist Präsident geworden . Es ist
dort eine verhältnismäßig stabile Regierung unter Minis-
terpräsident Hariri gebildet worden . Der Libanon hat mit
der Wahlrechtsreform eines der wichtigsten und zugleich
heikelsten innenpolitischen Themen angefasst .

Man muss auch noch einmal darauf hinweisen: Im
Libanon mit 6 Millionen Einwohnern sind 1,5 Millionen
Flüchtlinge aufgenommen worden . Das ist eine wahnsin-
nige Leistung für ein administrativ wirklich schwaches
Land . Auch deswegen verdient der Libanon jede Unter-
stützung, auch die Unterstützung, die wir an dieser Stelle
leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich will einen weiteren Aspekt, der den Libanon be-
trifft, hinzufügen. Dieser betrifft die besondere Bedeu-
tung der Ausbildungsunterstützung der libanesischen Ar-
mee . Die libanesische Armee ist nicht irgendeine Armee .
Sie ist eine überkonfessionelle Konstante in einem Land
mit einer breiten religiösen und ethnischen Vielfalt . Es
gibt dort 18 anerkannte Religionsgemeinschaften . Die
Armee ist eine verbindende Klammer . Dieses Element
muss erhalten und gestärkt werden . Die Hisbollah tritt
mittlerweile im Libanon quasi als Zweitstaat auf . Alles,
was staatliche Institutionen des Libanon stärkt – und das

Annette Groth






(A) (C)



(B) (D)


tut unsere Ausbildungsmission –, stärkt die staatliche
Funktion des Libanon . Das ist gut, und das ist richtig .
Das sollten wir zur Sicherung von Frieden in dieser Re-
gion wirklich unterstützen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Frau Kollegin Groth, dass Sie sich kritisch zu Waf-
fenexporten äußern, ist ja legitim . Ich habe aber nicht
überhört, dass Sie Israel in einem Atemzug mit ande-
ren Krisenstaaten nennen . Das verwundert mich schon,
und das fällt hier schon auf . Deswegen will ich das noch
einmal deutlich sagen: Diese Mission wird ausdrücklich
auch vom Staat Israel, dem wir als Deutsche besonders
verpflichtet sind, gefordert.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist das!)


Daher muss es uns allen Auftrag sein, diesen internatio-
nalen Einsatz fortzuführen und gegenüber Israel zu sa-
gen: Wir sind verlässliche Bündnispartner Israels, auch
in einer schwierigen internationalen Lage .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mir ab-
schließend einen Hinweis erlauben, weil dies wohl die
letzte Mandatsdebatte in dieser Wahlperiode ist . Alle
Anträge zu UNIFIL und zu anderen Mandaten sind in
dieser Wahlperiode für die Unionsfraktion von den Kol-
legen Dr. Andreas Schockenhoff und Philipp Mißfelder
eingebracht und begründet worden . Ihren viel zu frühen
Tod haben wir in dieser Wahlperiode zu beklagen gehabt .
Nicht zuletzt ihren Liebsten und ihren Familien möchte
ich für dieses Haus und insbesondere für die Außenpoli-
tiker sagen, dass die Expertise, die sie in diese Debatten
des Hauses eingebracht haben, uns dauerhaft fehlen wird .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322700

Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Wadephul . – Ich glau-

be, vielen Kollegen sind die Namen noch sehr präsent,
weil sich diese Kollegen hier so stark eingesetzt haben .

Als Nächste spricht die Kollegin Agnieszka Brugger
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum
die Friedensmission UNIFIL weiter gebraucht wird, zeigt
sich leider alle paar Monate aufs Neue .


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ja!)


Im Oktober vergangenen Jahres fielen an der libane-
sisch-israelischen Grenze Schüsse . Ein israelischer Sol-
dat wurde verletzt; der Grenzposten schoss zurück . In der
nach wie vor angespannten Situation kann ein solcher
Fall schnell zu einer neuen Eskalation führen . Niemand

will sich ausmalen, was es gerade im Nahen und Mittle-
ren Osten, wo es ohnehin an so vielen Orten Menschen
gibt, die unter Krieg und Gewalt leiden müssen, bedeuten
würde, wenn wieder neue Gewalt ausbrechen würde .

Was eine Eskalation bedeuten kann, das haben 34 Tage
Krieg zwischen Israel und dem Libanon 2006 mit über
1 300 Toten gezeigt . Die Einrichtung von UNIFIL war
nicht nur eine Bedingung für das Ende dieses Krieges;
die Friedensmission leistet auch heute bei Auseinander-
setzungen wie denen an der Grenze einen unverzichtba-
ren Beitrag dazu, dass es keine weiteren Gewalteskalati-
onen gibt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322800

Einen Augenblick, Frau Kollegin . – Ich bitte um ein

bisschen mehr Aufmerksamkeit für das, was Frau Kolle-
gin Brugger gerade vorträgt .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In solchen Situationen stellt UNIFIL den Dialog zwi-
schen den Parteien sicher, wirkt vermittelnd . Gleichzeitig
leistet dieser Einsatz mit der Unterstützung bei der Si-
cherung der Seegrenze, bei der Unterbindung von Waf-
fenschmuggel und bei der Ausbildung der libanesischen
Streitkräfte einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung .

Die neue Evaluation der Vereinten Nationen hat erge-
ben, dass man in Zukunft den Fokus verstärkt auf Ausbil-
dung und Prävention legen sollte . Das sind richtige und
notwendige Schwerpunkte . Mir ist wirklich schleierhaft,
wie die Linkspartei an dieser Stelle von einem Kampfein-
satz sprechen kann .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie vergessen auch immer, zu erwähnen, dass diese Mis-
sion nicht nur auf Wunsch beider Parteien eingerichtet
worden ist, sondern dass beide Parteien nach wie vor da-
rum bitten, dass sie fortgesetzt wird .

Der Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nati-
onen macht aber auch deutlich, dass Fortschritte hin zu
einem echten Waffenstillstand ausbleiben und es noch
ein langer Weg zu echter Stabilität oder gar Frieden ist .
Alles zusammen zeigt, dass es völlig falsch wäre, jetzt
den deutschen Beitrag, den die Soldatinnen und Soldaten
erbringen, zu beenden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, die Lage im Libanon gibt
immer wieder Anlass zur Sorge . Es ist die Angst, dass der
Krieg aus Syrien überspringt . Auch der schwierige, lang-
wierige und zähe Prozess zur Regierungsbildung zeigt,
dass es große Spaltungen im Land selbst gibt. Wir hoffen,
dass die Parlamentswahlen im nächsten Jahr gelingen
und für eine gute politische Zukunft sorgen werden .

Dr. Johann Wadephul






(A) (C)



(B) (D)


Hinzu kommt aber auch die gigantische humanitä-
re Herausforderung, die der Libanon schon seit Jahren
meistert: Über 1 Million registrierte Geflüchtete und
nochmals Hunderttausende weiterer Menschen sind im
Libanon aufgenommen worden . Im Libanon ist jeder
vierte Mensch ein Flüchtling . In keinem Land der Welt
ist die Quote höher . Liebe Kolleginnen und Kollegen, in
dieser Lage darf man die Menschen im Libanon nicht al-
leine lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Anfang Juli hat das Flüchtlingswerk der Vereinten
Nationen in einem erneuten Hilferuf wieder bekannt
geben müssen, dass für Zehntausende Familien in den
kommenden Monaten die Unterstützung fehlen wird .
Dass der VN-Finanzierungsbedarf noch nicht einmal zu
25 Prozent erfüllt ist, ist doch einfach ein Skandal .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn in einer solchen Situation – sie ist in vielen Kri-
sengebieten der Welt genauso dramatisch – der US-Präsi-
dent ankündigt, die Gelder für die Vereinten Nationen zu
kürzen, dann hat das nichts mit humanitärer Verantwor-
tung und auch nichts mit sicherheitspolitischer Vernunft
zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, wenn Sie aktuell einen
Blick in die Pressemeldungen werfen, werden Sie vie-
le Artikel darüber finden, dass sich die NATO‑Staaten
auf Druck von Herrn Trump auf den Weg machen, im-
mer mehr Geld für ihre eigenen Verteidigungshaushalte
auszugeben, um das 2-Prozent-Ziel zu erreichen . In der
Nacht auf Mittwoch wurden bei den Vereinten Nationen
auf Betreiben von Herrn Trump Gelder für die VN-Frie-
densmissionen gekürzt . Das ist genau das falsche Signal .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Rolf Mützenich [SPD])



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824322900

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Statt Herrn Trump in Bezug auf die NATO-Gelder zu
folgen, sollten Sie die Gelder, die jetzt bei den VN-Orga-
nisationen fehlen, von Europa aus zahlen . Das wäre das
richtige Zeichen;


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


denn sonst werden am Ende des Tages solche Friedens-
missionen wie im Libanon keine Erfolgsgeschichte blei-
ben können .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824323000

Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger . – Liebe Kolle-

ginnen und Kollegen, es trennen Sie von der namentli-
chen Abstimmung noch knapp fünf Minuten . Ich bitte um
geballte Aufmerksamkeit für den Kollegen Dr . Reinhard
Brandl für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1824323100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wenn es vor der Küste Libanons Nacht wird, dann sehen
die Soldaten auf den UNIFIL‑Schiffen mit ihren bloßen
Augen das Flackern der Bomben über Syrien . Tagsüber
können sie auf ihren Monitoren genau verfolgen, welche
Flugzeuge sich über Syrien wie bewegen .

Meine Damen und Herren, von der Küste des Liba-
nons bis nach Damaskus sind es 80 Kilometer . Von der
Küste des Libanons bis zur EU-Grenze, bis zur Küste Zy-
perns, sind es 180 Kilometer . UNIFIL steht im wahrsten
Sinne des Wortes dazwischen . Das alleine zeigt schon die
strategische Bedeutung des Mandats .

Sieben Schiffe sind dort im Moment im Auftrag der
UN unterwegs, eines davon kommt aus Deutschland, die
Korvette „Braunschweig“. Diese sieben Schiffe über-
wachen den Seeraum, überwachen den Luftraum, sie
kontrollieren andere Schiffe und helfen dem Libanon,
die Seegrenze zu sichern und den Waffenschmuggel so
weit wie möglich zu unterbinden . Ohne diese internati-
onale Unterstützung wäre der Libanon nie in der Lage,
in diesem vielbefahrenen Seegebiet, mitten in einer der
schwierigsten Konfliktregionen der Welt, diese Aufgabe
auch nur annährend wahrzunehmen .

Damit der Libanon aber in die Lage versetzt wird,
langfristig auch selbst für die Sicherheit seiner Grenzen
zu sorgen, ist die Ausbildung der libanesischen Marine
eine weitere Komponente des Einsatzes . Wir leisten das
im Rahmen von UNIFIL, und wir leisten es bilateral .
Deutschland hat Küstenradarstationen aufgebaut . Mein
Kollege Ingo Gädechens, der vorher auf solch einer Sta-
tion gearbeitet hat, schwärmt immer wieder von der Qua-
lität dieser Stationen; diese haben wir in Deutschland in
der Qualität nicht .

Wir bilden aber auch die Soldaten aus, damit sie mit
dieser Technik umgehen können . Drei deutsche Soldaten
sind immer an der Marineschule in Beirut zur Ausbildung
der libanesischen Marine anwesend . Dass es wirkt, zeigt
sich zum einen daran, dass in der Zwischenzeit die Liba-
nesen selbst immer mehr in die Lage kommen, ihre eige-
nen Soldaten auszubilden; Deutschland folgt jetzt dem
Prinzip „Train the trainer“ . Meine Damen und Herren,
zum anderen erkennt man es auch daran, dass der Liba-
non spätestens 2018 in der Lage sein wird, mit einem ei-
genen Schiff am UNIFIL‑Flottenverband teilzunehmen.

Die strategische Bedeutung dieses Mandats zeigt sich
aber nicht nur an seiner maritimen Komponente .


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824323200

Einen Augenblick bitte, Herr Kollege Brandl . – Es

sind noch genau 2 Minuten und 16 Sekunden bis zur na-

Agnieszka Brugger






(A) (C)



(B) (D)


mentlichen Abstimmung . Ich bitte um Ihre Aufmerksam-
keit .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1824323300

UNIFIL steht genau zwischen Israel und dem Liba-

non . Meine Damen und Herren, auch da kann man sagen:
Im wahrsten Sinne des Wortes; denn beide Länder reden
nicht miteinander . Wenn sie miteinander kommunizieren,
dann kommunizieren sie nur über die VN . Das heißt, je-
des Mal, wenn zwei Vertreter der Länder an einem Tisch
sitzen, muss ein Vertreter der VN danebensitzen . Und
wenn auf diesem Tisch ein Glas Wasser steht, dann muss
sichergestellt sein, dass dieses Wasser weder aus dem
Libanon noch aus Israel kommt, weil keiner das Wasser
des anderen trinken würde . Mit diesem Beispiel will ich
einmal illustrieren, wie angespannt die Situation dort tat-
sächlich noch ist und wie wichtig es ist, dass die VN dort
eine Vermittlerposition einnehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube nicht, dass eine der beiden Parteien im
Moment ein Interesse daran hat, die Situation weiter es-
kalieren und es wieder zu einem neuen Krieg kommen
zu lassen . Aber, meine Damen und Herren, die Situati-
on ist angespannt . Der Kollege Johann Wadephul hat ja
vorhin die Frage der Beobachtungstürme angesprochen .
Sind diese jetzt der Hisbollah zuzurechnen oder nicht?
Israel hat sich vergangene Woche darüber bei den VN
beschwert . Diejenigen, die sofort dazu Stellung nehmen
konnten, weil sie vor Ort sind und als neutraler Partner
vor Ort auch von beiden Seiten akzeptiert werden, waren
die Vertreter von UNIFIL, die sofort hingefahren sind
und sich die Situation noch einmal angeschaut haben .

UNIFIL wird im Ernstfall, wenn ein Krieg gewollt
ist, natürlich keinen Krieg verhindern . Aber was UNI-
FIL leisten kann, ist, dass es nicht zu einem ungewoll-
ten Konflikt kommt, dass keine Eskalation aufgrund von
Missverständnissen oder falscher bzw . fehlender Kom-
munikation ausgelöst wird .

Meine Damen und Herren, UNIFIL wird auch in die-
sem Haus oft als Stabilitätsanker im Libanon bezeichnet .
Das ist sicher richtig . Aber im Moment habe ich eher den
Eindruck, dass es sich mehr um einen Feuerlöscher als
um einen Stabilitätsanker handelt . In einer hochbrenn-
baren Situation sollte man eines nicht tun, nämlich den
Feuerlöscher entfernen . Deshalb bitte ich Sie um Ver-
längerung des Mandates und bedanke mich für Ihre Auf-
merksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824323400

Vielen Dank, Herr Kollege Brandl . – Ich schließe die

Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United
Nations Interim Force in Lebanon“, UNIFIL . Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12866, den Antrag der Bundesregierung
auf Drucksache 18/12492 anzunehmen . Wir stimmen
nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab . Sind
die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall . Ich
eröffne die Abstimmung über die Beschlussempfehlung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall . Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben .1)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 c auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck

(Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängi-
ge Polizeibeauftragte oder den unabhängigen

(Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG)


Drucksache 18/7616

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksache 18/12826

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens er-
leichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Ge-
setzes über die unabhängige Polizeibeauftrag-
te oder den unabhängigen Polizeibeauftragten

(Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG)


Drucksachen 18/7617, 18/12826

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Im-
munität und Geschäftsordnung (1 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Änderung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages

hier: Umsetzung des Gesetzes über die un-
abhängige Polizeibeauftragte oder den

1) Ergebnis Seite 25013 D

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


unabhängigen Polizeibeauftragten des

(Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG)


Drucksachen 18/7618, 18/12978

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Günter Baumann für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1824323500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Ge-
meinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder
Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden .

Artikel 17 Grundgesetz . – Ein hohes Gut in Deutschland,
ein Grundrecht, das jeder nutzen kann . Aus 19 Jahren Ar-
beit im Petitionsausschuss weiß ich, dass alle Bürger, alle
Schichten, alle Gruppen dieses Recht intensiv nutzen . Ich
kenne keine Gruppe, die sagt: Das nehme ich nicht wahr .

Natürlich haben wir auch Petitionen von Bundespoli-
zisten und über Bundespolizisten . In der 18 . Wahlperiode
sind bis jetzt 103 Petitionen zum Oberbegriff „Bundespo-
lizei“ eingegangen . Das zeigt, dass das parlamentarische
Mittel, das wir seit vielen Jahren haben, akzeptiert wird
und in der Praxis funktioniert .

Gestatten Sie mir ein Beispiel: Ein Bürger wollte be-
reits im Jahr 2014 – ich zitiere – zum Wohle der Allge-
meinheit und der Polizei erreichen, dass Beamte im Au-
ßendienst mit einer an der Uniform befestigten Kamera
ausgestattet werden . Er hatte sich Sorgen gemacht, nach-
dem er Fernsehbilder von Einsätzen, bei denen Polizis-
ten verletzt wurden, gesehen hatte, und hat sich gefragt:
Wie kann man Polizisten schützen? Er hat sich mit einer
Petition an uns gewandt . Sie kennen den weiteren Wer-
degang . Wir haben die Bodycams inzwischen in einem
Gesetz realisiert .

Das Petitionswesen ist ein wichtiger Bestandteil des
gesamten Beschwerdewesens in unserem Land . Man
könnte meinen, der Gesetzesvorschlag von Bündnis 90/
Die Grünen, den wir heute behandeln, geht von einer
übergroßen Mehrzahl von Beschwerden über Polizeige-
walt, unangemessene Kontrollen, Übergriffe von Polizei-
beamten bei Demonstrationen oder dergleichen aus .

Meine Damen und Herren, ich kann aus dem Petiti-
onswesen sagen: Es ist genau anders herum .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gehen bei uns Petitionen ein, weil sich die Bürger Sor-
gen um unsere Sicherheit machen . Sie haben berechtigte
Sorgen und sagen: Ihr müsst die Polizei zahlenmäßig auf-
stocken . Ihr müsst sie besser ausstatten . Ihr müsst mehr

tun für die Präsenz bei Fußballspielen oder bei anderen
Veranstaltungen .

Im Hinblick auf die materielle und finanzielle Stär-
kung der Polizei haben wir gerade in der letzten Wahlpe-
riode relativ viel gemacht . Ich brauche nicht im Einzel-
nen aufzuführen, was wir im Hinblick auf das Personal
und die finanziellen Mittel umgesetzt haben.

Auch Bundespolizeibeamte nutzen das Petitionswe-
sen . Das heißt, sie kommen mit Beschwerden etwa über
ausgebliebene Beförderungen und über eine ausgeblie-
bene Ausstattung mit Schutzwesten – sie wurde zunächst
zugesagt, aber dann nicht realisiert – zu uns . Wir hatten
vor kurzem den Fall eines nicht genehmigten Sonder-
urlaubs für eine Qualifizierungsmaßnahme. Wir haben
das über das Petitionswesen klären können . – All diese
Beschwerden werden gewissenhaft parlamentarisch ge-
prüft, und wir erreichen bei diesen Petitionen einen Rea-
lisierungsgrad – das ist der Anteil der Fälle, in denen wir
helfen können – von weit über 50 Prozent .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Petiti-
onswesen ist nur ein Bestandteil; es gibt eine Vielzahl
anderer Möglichkeiten, Beschwerden über eventuelles
Fehlverhalten von Polizisten oder andere Petitionen zu
diesem Thema einzureichen . Die Bürgerinnen und Bür-
ger haben viele Möglichkeiten, die sie nutzen können .
Es gibt zum Beispiel bei der Bundespolizei zwölf Be-
schwerdestellen; in den verschiedenen Dienstbereichen
besteht die Möglichkeit zur Dienstaufsichtsbeschwerde
und zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten . Wir haben
die Petitionsausschüsse in den Bundesländern, und wir
haben die Bundesdatenschutzbeauftragte .

In der Anhörung mit den Experten haben wir eine
ganze Menge dazugelernt; einige von Ihnen waren dabei .
Wir haben erfahren, dass es innerhalb der Bundespoli-
zei 18 Stellen gibt, an die man sich bei einem Problem
wenden kann . Es gibt also intern eine relativ große Fül-
le an Stellen mit der Möglichkeit zur Beschwerde . Der
Präsident der Bundespolizei, Herr Dr . Romann, hat so-
gar die Zahl der Personen genannt, die sich bei der Bun-
despolizei mit solchen Themen beschäftigen: Es sind
immerhin 1 861 Leute; diese Zahl ist schon erstaunlich .
Dazu zählen Personalvertretungen, Jugend- und Auszu-
bildendenvertretungen, Schwerbehindertenvertretungen,
Gleichstellungsbeauftragte . Ich könnte eine ganze Reihe
aufzählen – Sie wissen das –; es gibt eine Vielzahl von
Möglichkeiten, sich zu beschweren .

Neuerdings, seit dem 27 . Mai 2015, haben wir die Ver-
trauensstelle, die direkt beim Präsidenten angesiedelt ist .
Diese Vertrauensstelle wurde nach den Vorkommnissen
in Hannover gegründet; Sie kennen das Thema . Auch
diese Vertrauensstelle wird genutzt: Es gab im Jahr 2015
22 Eingaben, 2016 44 Eingaben und 2017 bisher bereits
47 Eingaben . All diesen Fällen ist konkret nachgegangen
worden . Dabei ging es in 39 Fällen um Disziplinarprob-
leme und in 48 Fällen um Personalangelegenheiten .

Meine Damen und Herren, die öffentliche Anhörung
hat gezeigt, dass die Mehrzahl der Experten der Meinung
war, dass der Gesetzentwurf über die unabhängige Poli-
zeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftrag-

Vizepräsidentin Michaela Noll






(A) (C)



(B) (D)


ten des Bundes in der vorliegenden Form nicht umsetz-
bar ist .


(Widerspruch der Abg . Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Frau Mihalic, auch wenn Sie den Kopf schütteln: Selbst
Volker Schindler, der Bürgerbeauftragte des Landes Ba-
den-Württemberg,


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Will sich nicht abschaffen!)


der gleichzeitig Polizeibeauftragter ist, hat dort klipp
und klar gesagt, dass das im Gesetzentwurf vorgesehene
Rollenverständnis des Beauftragten absolut fragwürdig
ist . Das sagt selbst er, der eine solche Stelle einnehmen
sollte . Die Doppelrolle des geplanten Bundespolizeibe-
auftragten als Mediator und Sonderermittler wird absolut
nicht funktionieren . Deswegen hat auch er das abgelehnt .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß nicht, in welcher Anhörung Sie waren, aber bei uns hörte sich das ein bisschen anders an!)


Es gab eigentlich niemanden mehr, der hinter Ihrem Vor-
schlag stand .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, un-
sere schon in der ersten Lesung geäußerte Meinung, dass
der Gesetzentwurf abzulehnen ist, wurde in der Anhö-
rung absolut bestätigt .

Selbstverständlich ist jeder einzelne Vorwurf ernst zu
nehmen, jeder einzelne muss untersucht werden, um je-
den einzelnen muss man sich kümmern . Man muss ganz
exakt schauen, wo man helfen kann und wo es ein Pro-
blem gibt . Ich möchte die Probleme nicht kleinreden,
aber ich sage: Wir haben genügend Stellen, an die man
sich wenden kann . Für die Einrichtung eines Polizeibe-
auftragten gäbe es nur dann einen Grund, wenn es diese
Stellen nicht gäbe oder sie nicht funktionierten . Aber wir
haben die Stellen, und sie funktionieren . Deswegen gibt
es keinen Grund, einen Polizeibeauftragten des Bundes
neu einzuführen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die CDU/CSU bleibt bei ihrem Votum . Wir werden
den Gesetzentwurf heute ablehnen und fühlen uns, wie
gesagt, durch die Anhörung darin bestätigt .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möch-
te in meiner letzten Rede in diesem Hohen Haus natür-
lich auch die Gelegenheit nutzen, mich zuerst bei allen
Bundespolizistinnen und Bundespolizisten ganz herzlich
für ihren engagierten Dienst, den sie in Deutschland und
im Ausland für uns alle, für unsere Bevölkerung leisten,
ganz herzlich zu bedanken .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Wir wissen alle gemeinsam, dass die Einsätze schwerer
und komplizierter geworden sind . Die Verletzungen neh-

men zu . Die Hemmschwellen sind gesunken . Die Män-
ner und Frauen machen draußen einen immer schwereren
Job . Deswegen müssen wir eindeutig hinter ihnen stehen
und nicht irgendwelche neuen Stellen aufmalen .

Ich durfte mich 19 Jahre im Innenausschuss um die
Belange der Bundespolizei mit kümmern . Ich habe das
sehr gerne gemacht . Das waren spannende Zeiten, Zeiten
mit sehr großen Veränderungen und mit mehreren Refor-
men . Nicht immer war alles schlüssig; auch wir hatten
oft unsere Meinung geäußert, dass einiges nachgebessert
werden müsste .

Ich war ständig an den verschiedensten Stellen bei der
Bundespolizei vor Ort und habe mich um die Probleme
gekümmert . Ich war nicht immer angemeldet, sondern
auch mal ohne Anmeldung vor Ort . Es gab oft Ärger mit
den Präsidenten; das habe ich aber gerne ausgehalten,
weil die Kontakte vor Ort ganz wichtig für unsere Arbeit
waren . Dabei hat man erfahren, was wirklich dort drau-
ßen los ist . Die Termine, bei denen die geputzten Autos
in Reih und Glied standen, haben wir eigentlich nicht ge-
braucht . Die unangemeldeten Termine waren die schöns-
ten, weil wir dabei das meiste mitbekommen haben .

Ich bin auf vielen Streifen mitgefahren . Dabei ging es
um die spannendsten Sachen . Wenn man 19 Jahre dabei
war, hat man gerade direkt an der Grenze zu Tschechien
und Polen relativ viel erlebt .

Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen, die sich
im Innenausschuss weiterhin um die Sicherheit kümmern
werden, alles Gute und recht viel Erfolg wünschen . Ich
bin dankbar für die Jahre, die ich mitarbeiten durfte, und
bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1824323600

Vielen Dank, Herr Kollege Baumann . 19 Jahre waren

Sie Mitglied hier im Deutschen Bundestag . Ich würde
Sie als einen Kümmerer bezeichnen . Das haben Sie ge-
rade deutlich in Ihrer Rede transportiert . Sie hatten ein
Auge auf die Polizisten und sind unangemeldet zu Ter-
minen gekommen . Sie haben sich der Bedürfnisse der
Menschen angenommen . Für diese Tätigkeit herzlichen
Dank und alles Gute!


(Beifall)


Bevor wir die Aussprache fortsetzen, gebe ich Ihnen
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-
telte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Betei-
ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der ‚United
Nations Interim Force in Lebanon‘ (UNIFIL)“, Druck-
sachen 18/12492 und 18/12866, bekannt: abgegebene
Stimmen: 571 . Mit Ja haben gestimmt 505, mit Nein ha-
ben gestimmt 59 . Enthaltungen gab es 7 . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Günter Baumann






(A) (C)



(B) (D)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 571;
davon

ja: 505
nein: 59
enthalten: 7

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Dr . h . c . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


Axel E . Fischer

(Karlsruhe-Land)


Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Rainer Hajek
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Marion Marga Herdan
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier

Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h . c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann

Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h . c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen






(A) (C)



(B) (D)


Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster


(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz

Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
HonD Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Bettina Bähr-Losse
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h . c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Jürgen Coße
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann

Michaela Engelmeier
Dr . h . c . Gernot Erler
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Lars Klingbeil
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)


Dr . Karl Lauterbach
Steffen‑Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder






(A) (C)



(B) (D)


Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho‑Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Sonja Steffen
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Annalena Baerbock
Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge

Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Tabea Rößner
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Dr . Valerie Wilms

Nein

SPD

Klaus Barthel
Willi Brase
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Hiller-Ohm
Rüdiger Veit
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)


DIE LINKE

Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring

Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Hans-Christian Ströbele

Enthalten

SPD

Marco Bülow
Cansel Kiziltepe

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Maria Klein-Schmeink
Özcan Mutlu
Lisa Paus
Corinna Rüffer
Dr . Harald Terpe

Wir setzen die Aussprache fort . Als Nächstem erteile
ich dem Kollegen Frank Tempel für die Fraktion Die Lin-
ke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824323700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Lieber Kollege Baumann, Sie haben viele
Situationen geschildert, in denen sich der Bürger über
die Polizei bei der Polizei beschweren kann . Nicht nur
die parlamentarische Opposition hält es für erforderlich,
zwischen der Polizei, die das staatliche Gewaltmono-

pol gegenüber dem Bürger ausübt, und dem Bürger eine
unabhängige Instanz für den Bürger zu schaffen, die im
Zweifel Vorfälle untersucht .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Betonung liegt dabei eindeutig auf „unabhängig“ . Es
umzudeuten und zu behaupten, es sei gegen die Polizei
gerichtet und spräche von Misstrauen oder, wie einige sa-
gen, von einem Generalverdacht, ist nicht seriös .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Grundsätzlich sollte eine solche Einrichtung, die es
zum Beispiel auch in Dänemark, Irland, Belgien, Nor-
wegen und Österreich gibt, die es auch in drei deutschen
Bundesländern gibt, für einen Rechtstaat gar nicht infra-
ge gestellt werden .

Ich wähle heute bewusst ein Beispiel, das nur wenige
Tage zurückliegt. Es betrifft eine Landespolizei, könnte
aber ohne Weiteres so auch bei der Bundespolizei ge-
schehen . Laut Medienberichten ist es am Sonntagabend
zu dramatischen Szenen gekommen . Was mit einer Ver-
kehrskontrolle begann, endete in einer Eskalation zwi-
schen 50 Polizeibeamten und 250 Anwohnern . Anlass
war die Weigerung eines Autofahrers, seine Papiere zu
zeigen . Bei der folgenden Festnahme wurde er verletzt
und musste anschließend im Krankenhaus behandelt
werden . Ein 37-Jähriger, der die Szene mit seinem Handy
filmte, wurde laut Zeugen ebenfalls – ich zitiere – brutal
niedergerungen . Eine Polizeisprecherin erklärte später,
die Aggressivität sei von Beginn an von dem Autofahrer
ausgegangen . Die Polizei leitete nach dem Einsatz Er-
mittlungen wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefrei-
ung ein . Ursache war, wie gesagt, eine Verkehrskontrolle .
Das ist ein Beispiel für eine Situation, wie sie im polizei-
lichen Alltag nicht selten vorkommt . Mir würden sofort
einige ähnliche Sachverhalte einfallen, Herr Wendt, die
ich selber im Dienst erlebt habe . Ich muss eben nicht ein-
fach einmal so mit einem Streifenwagen mitfahren .


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: He!)


Auch das Folgende ist absolut nicht untypisch . Es gab
noch eine zweite Sichtweise zum Geschehen, eine andere
als die der Polizei . Ein Journalist beobachtete das Ge-
schehen zufällig und wird folgendermaßen zitiert:

Meiner Meinung nach hätte die Eskalation vermie-
den werden können, wenn die Polizei nicht so brutal
gegen den Autofahrer vorgegangen wäre .

Mit diesen beiden Sichtweisen steht der Vorgang in
der Öffentlichkeit. Nicht jeder, Herr Baumann, wird die-
sen Vorgang mit ungeteiltem Vertrauen in die Polizei
wahrnehmen . Sehr oft enden solche Vorkommnisse mit
Strafen für den Bürger und ohne jegliche Konsequenz für
den Beamten . Das sorgt ebenfalls nicht für Vertrauen .

Doch wie sieht es mit dem Maß der Verhältnismä-
ßigkeit aus, mit der Verpflichtung des Polizeibeamten,
zu deeskalieren, statt kraft seiner Befugnisse sofort ge-
waltsam seine Anordnungen durchzusetzen? Der Ver-
stoß gegen das Deeskalationsprinzip ist sehr häufig nicht
gleich eine Straftat . Eine Strafanzeige gegen den Poli-
zeibeamten erfolgt erst gar nicht oder sie ist rechtlich
nicht erfolgreich . Trotzdem war das Verhalten der Polizei
möglicherweise ursächlich für den weiteren Ablauf einer
Handlung . Was ist also, wenn Straftaten des Bürgers erst
durch fehlerhaftes Verhalten der Polizeibeamten provo-
ziert wurden?

Meine Damen und Herren, zumindest bei vielen Bür-
gern wäre das Vertrauen in die Polizei deutlich höher,
wenn die Ausübung des Gewaltmonopols des Staates
nicht nur durch den Staat selbst, durch die Institutionen,

die Sie geschildert haben, sondern auch durch eine unab-
hängige Instanz anlassbezogen kontrolliert wird .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Wo liegt der Unterschied?)


– In der Unabhängigkeit liegt der Unterschied, Herr
Baumann . – Denn es ist sehr gut möglich, auch in dem
soeben genannten Fall, dass der Journalist die Situation,
die er beobachtet hat, falsch einschätzt, dass die Polizei-
beamten zum Beispiel keine Chance zur Deeskalation
hatten . Ich weiß es nicht . Ich kenne nur die zwei Sicht-
weisen aus der Öffentlichkeit. Eine abschließende Ent-
scheidung darüber von einer unabhängigen Instanz hätte
einen ganz anderen Stellenwert in der Bevölkerung als
die Erklärung der Polizeisprecherin .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wird jedoch ein pflichtwidriges Verhalten festgestellt,
kann die Konsequenz zum Beispiel auch ein verstärktes
Deeskalationstraining in der Dienststelle sein . Die Poli-
zei wird, wenn sie die neutrale Bewertung des Polizei-
beauftragten richtig nutzt, besser werden, was ebenfalls
nicht zum Nachteil gereichen kann . Die Linke wird,
ebenso wie die Grünen sicherlich, in der kommenden
Legislatur weitere Vorschläge unterbreiten, wie eine sol-
che unabhängige Kontrolle aussehen kann und wie durch
eine solche Instanz das Vertrauen zwischen Bevölkerung
und Polizei auch in solch kritischen Sachverhalten ge-
stärkt werden kann . Den Vorschlag abzulehnen, das ist zu
einfach für einen Parlamentarier .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824323800

Vielen Dank . – Für die SPD hat jetzt Wolfgang Gunkel

das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Wolfgang Gunkel (SPD):
Rede ID: ID1824323900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

Frank Tempel, diesmal hattest du das Glück, vor mir zu
sprechen, und du hast viele Dinge erwähnt, die auch auf
meinem Zettel standen . Aber nun muss ich nach dir re-
den, und ich kann sagen: Vieles von dem, was du gesagt
hast, kann ich übernehmen .

Kommen wir zu dem, was eigentlich Sache ist, kom-
men wir auf die Vorlagen der Grünen zu sprechen, die
sich mit der Einsetzung eines unabhängigen Polizeibe-
auftragten befassen . Wir haben von dir gehört, dass es
in drei Bundesländern bereits einen solchen Beauftrag-
ten gibt . Das entscheidende Kriterium ist, lieber Herr
Baumann, dass der Polizeibeauftragte unabhängig ist,
also nur den Parlamenten der Länder, die das Amt ein-
geführt haben, gegenüber verantwortlich ist . Das anders
als bei denjenigen, die bei Polizeibehörden, also bei vor-

Frank Tempel






(A) (C)



(B) (D)


gesetzten Behörden, angebunden sind und ein wichtiges
Kriterium .

Sicher stimmt das alles, was du gesagt hast . Die An-
zahl, die du genannt hast, ist sicherlich auch richtig, aber
es kommt nicht auf die Anzahl, sondern auf die Qualität
dessen an, was zur Anzeige gebracht wird . Bei einem un-
abhängigen Beauftragten dürfte sie von etwas größerem
Wert sein, als wenn man, wie du es beschrieben hast, den
Dienstweg beschreitet, der auf dem Petitionsweg endet .

Kommen wir zu dem, was die Anhörung inhaltlich
ergeben hat . Ich bin nicht der Meinung, dass man über-
wiegend der Auffassung gewesen sei, dass das Ganze un-
sinnig sei, was da vorgelegt wurde . Im Gegenteil: Profes-
sor Aden, der dort sprach, hat eine rechtliche Würdigung
vorgenommen und einige Punkte geradegerückt .

Damit komme ich auf den Antrag der Grünen zu spre-
chen . Professor Aden hat gesagt, dass man lieber einen
Gesetzestext inhaltlich verändern sollte als die Richtli-
nien für Straf- oder Bußgeldverfahren . Um es deutlich
zu sagen: Es wäre ihm lieber, man würde den § 258
StGB – Strafvereitelung – inhaltlich so verändern, dass
die Polizeibeamten Gelegenheit erhalten, auch noch zu
einem späteren Zeitpunkt eine Aussage zu einem Vor-
gang zu machen, ohne sich strafbar zu machen . Das ist,
finde ich, der Kern dieser ganzen Angelegenheit. Das
bringt mich dazu, dies zu befürworten . Ich sage: Trotz all
der Schwächen, die noch darin liegen, kann eine solche
Regelung hilfreich sein . Wenn ein Kollege, der überlegt,
ob er sozusagen Kumpanei mit den anderen macht oder
sich tatsächlich zu dem bekennt, was er gesehen hat und
zur Anzeige bringen muss, schon nach wenigen Stunden
oder Tagen fürchten muss, den Tatbestand der Strafverei-
telung zu erfüllen, ist seine Bereitschaft zu einer Aussage
zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich nicht mehr allzu
groß . Dies halte ich für den wichtigsten Punkt in Ihrem
Antrag .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Redezeit
kann ich nicht den ganzen Antrag auseinanderpolken;
aber einen Punkt will ich noch nennen . Es geht um § 13
Absatz 2 Ihres Gesetzentwurfs – Frau Mihalic, Sie wis-
sen, was ich meine –, um Ermittlungen des unabhängigen
Beauftragten parallel zum Straf- oder Disziplinarverfah-
ren . Dabei habe ich nach wie vor Bedenken . Ich den-
ke, dass gerade die Staatsanwaltschaft damit Probleme
bekommen würde . Ein Disziplinarverfahren wird jetzt
ausgesetzt, solange strafrechtliche Ermittlungen bei der
Staatsanwaltschaft laufen . Wie das mit dem unabhängi-
gen Beauftragten, der ja gleichzeitig weiterermitteln soll,
gehandhabt werden kann, ist mir noch nicht so ganz klar .
Diesen Punkt kann ich noch nicht so richtig als gelöst
betrachten .

Die SPD-Abgeordneten des NSU-Untersuchungs-
ausschuss der letzten Legislaturperiode haben in einem
Sondervotum zum Abschlussbericht ebenfalls einen un-
abhängigen Beauftragten gefordert . Insofern ist es auch
ein Anliegen meiner Fraktion, diese Forderung in irgend-
einer Form umzusetzen . Dort, wo die CDU zusammen

mit den Grünen regiert, in Baden-Württemberg, ist diese
Forderung ja bereits umgesetzt worden . Von daher plä-
diere ich nach wie vor dafür, dieses Thema im Blick zu
behalten. Es ist richtig, dass wir gehofft haben, hier mit
der Union auf einen Nenner zu kommen . Das war nicht
der Fall . In der nächsten Legislaturperiode werden wir
aber Zeit haben, dieses ganze Thema noch einmal aufzu-
greifen, die Diskussion fortzuführen und eine Vorlage zu
erarbeiten, die vielleicht von allen Fraktionen in diesem
Hause befürwortet wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Günter Baumann, selbstverständlich teile ich deine
Auffassung zur Bundespolizei. Auch dieses Anliegen –
ich will das jetzt nicht wiederholen – unterstütze ich voll
und ganz .

Dies ist meine letzte Rede im Bundestag . Nach zwölf
Jahren habe ich das Bedürfnis, mich bei all denjenigen
zu bedanken, die mich in dieser Zeit begleitet haben, mit
denen ich insbesondere im Bereich der inneren Sicher-
heit zwölf Jahre lang sehr eng zusammengearbeitet habe .
Fangen wir auf der rechten Seite des Hauses an: Für die
CDU waren das Clemens Binninger und Ralf Göbel .
Ralf Göbel ist nicht mehr Mitglied des Bundestages, der
Clemens aber immer noch .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aber nicht mehr lange!)


– Ja, wahrscheinlich nicht mehr lange . – Aus der CSU
waren das insbesondere Alois Karl und Stephan Mayer .
Mit Stephan Mayer verbindet mich mehr, als das unter
Abgeordneten normalerweise der Fall ist . Ich hatte die
Gelegenheit, mich ausführlich in seinem Wahlkreis um-
zusehen . Das war sehr spannend .

Im Menschenrechtsausschuss habe ich acht Jahre lang
gearbeitet . Da fallen mir von der CDU Michael Brand
und Frank Heinrich ein, die mich ganz eng begleitet ha-
ben . Ebenso fällt mir Ute Granold ein, die eine Legisla-
turperiode früher ausgeschieden ist .

Kommen wir dann zu der mittleren Abteilung in die-
sem Hause, zu den Grünen . Die meisten, die ich nennen
möchte, sind nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundes-
tages; aber ich kann mich immer noch sehr gut an Silke
Stokar von Neuforn, an Josef Winkler und an Wolfgang
Wieland erinnern . Das waren drei ganz dufte Leute, die
die Grünen in diesem Ausschuss hatten . Mit denen bin
ich sehr gut ausgekommen .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Das waren noch Zeiten!)


In der heutigen Zeit sind Monika Lazar, Konstantin von
Notz und Irene Mihalic, mit der ich mich lange über den
unabhängigen Polizeibeauftragten ausgetauscht habe,
dabei .

Bei meiner Fraktion wäre es jetzt schwierig, 20 oder
mehr Namen zu nennen. Das betrifft all diejenigen, die
mit mir seit zwölf Jahren – oder für kürzere Zeit – im
Innenausschuss zusammengearbeitet haben . Die kann

Wolfgang Gunkel






(A) (C)



(B) (D)


ich hier mit einem Schlag erwähnen . Damit wäre das erst
einmal abgedeckt .

Ich komme nun zur linken Seite . Auch hier ist es so,
dass mich die im Folgenden genannten Leute sehr lan-
ge begleitet haben . Dabei handelt es sich um Petra Pau,
Ulla Jelpke und Jan Korte, die zwölf Jahre mit dabei
waren und mit denen ich sehr gut zusammengearbeitet
habe . Neu hinzugetreten ist dann 2009 Frank Tempel .
Dir, Frank, sage ich nun ein besonders herzliches Dan-
keschön für die vielen Gedanken, die wir ausgetauscht
haben . Was die Menschenrechtsschiene anbelangt, fällt
mir noch Annette Groth ein, mit der ich gut zusammen-
arbeiten konnte .

Es ist schon bemerkenswert, dass ich in allen Berei-
chen doch immer wieder Gesprächspartner hatte, die fair
und sauber argumentiert haben .

Ich hatte – das ist eine besondere Angelegenheit –
einen fast freundschaftlichen Kontakt zu Matthias
Birkwald . Der ist natürlich nicht mehr da, aber richtet
ihm aus: Er war wirklich eine gute Gedankenstütze .

Damit habe ich etwas überzogen, Frau Präsidentin .
Ich danke für die paar Sekunden . Im Übrigen ist dies das
Ende meiner Rede . Viel Spaß in der 19 . Legislaturperio-
de für alle, die diese Rede gehört haben .

Ich danke euch . Tschüss!


(Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324000

Vielen Dank, Kollege Gunkel . Zum Ende der Arbeit

im Deutschen Bundestag darf man auch einmal überzie-
hen, wenn es nicht zu viel ist . Auch wir vom Präsidium
wünschen Ihnen alles Gute für die vielleicht etwas ru-
higere Zeit . Und noch einmal ganz herzlichen Dank für
das Engagement in den vielen Bereichen, die du ja selber
hier aufgeführt hast . Mir bleibt aber immer in Erinnerung
dein Einsatz für Menschenrechte und dafür, dass es den
Polizistinnen und Polizisten in diesem Land gut geht,
dass wir als Bundestag ihre Arbeit zu schätzen wissen
und auch das Entsprechende tun . Noch einmal danke
schön dafür .


(Beifall)


Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt
Irene Mihalic das Wort . – Bitte schön .


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824324100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf zur Ein-
richtung eines Polizeibeauftragten beim Deutschen
Bundestag wird eine wichtige Forderung umgesetzt,
die – wie wir gerade jetzt wieder gehört haben bzw . noch
hören werden – drei von vier Fraktionen hier im Haus
verbindet .

Ich bin dankbar für die Worte der Kollegen Gunkel
und Tempel . Sie haben viele Beispiele genannt, weshalb
eine solche Einrichtung wirklich sinnvoll ist . Deswegen
kann ich mich hier auf ein paar Grundsätzlichkeiten be-

schränken und das Gesagte noch einmal sinnvoll zusam-
menfassen .

Bei der Stelle geht es im Kern um die Kontrolle des
staatlichen Gewaltmonopols im Innern und um eine mo-
derne Verwaltung, die sich dessen bewusst ist, dass sie
gegenüber dem Parlament und den Bürgerinnen und Bür-
gern zur Rechenschaft für ihr Handeln verpflichtet ist. Es
geht aber eben auch um die Beschäftigten der Polizeien
des Bundes und ihre Sicht auf die Dinge sowie um besse-
re Arbeitsbedingungen und einen besseren Schutz der be-
troffenen Bürgerinnen und Bürger. Beides bedingt sich.
Wir müssen beides stärken . Beides ist auch Teil unserer
grundrechtlichen Position .

Der Kollege Gunkel hat vorhin zu Recht folgenden
Sachverhalt beschrieben: Wenn zum Beispiel Polizisten
Zeugen einer Straftat, begangen von ihren Kollegen,
werden und den Fall aus verständlichen Gründen eben
nicht sofort zur Anzeige bringen, dann sollten sie sich an
eine Stelle außerhalb der Polizei wenden können, ohne
befürchten zu müssen, selbst wegen Strafvereitelung an-
gezeigt zu werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lieber Kollege Baumann, dann hilft eben leider auch
der Petitionsausschuss nicht weiter . Denn der eigentliche
Fall kann nicht aufgeklärt werden, wenn alle Beteiligten
die Aussage verweigern .

Allein daran sieht man: Das bestehende System steht
einer echten Fehlerkultur leider im Weg, und das muss
sich dringend ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Kollege Gunkel, damit sollen keine Parallelermittlun-
gen durchgeführt werden . Auch das ist ein weitverbreite-
tes Missverständnis . Es geht im Kern um das Nachvoll-
ziehen der Ermittlungen, um parlamentarische Kontrolle
und Aufarbeitung solcher Fälle . Und dabei geht es eben
auch ganz konkret um die Weiterentwicklung einer Si-
cherheitsarchitektur, die bundesweit – auch für die Bun-
desländer, die eine solche Einrichtung noch nicht ha-
ben – als Vorbild dienen könnte . Das hat auch eine große
Anzahl von Experten in der Anhörung bestätigt .

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU –
das muss ich Ihnen an dieser Stelle jetzt noch einmal sa-
gen –, haben für die Anhörung im Ausschuss – das tut mir
sehr leid – Rainer Wendt als Sachverständigen benannt .
Allein schon durch die Benennung dieses Sachverstän-
digen haben Sie sehr deutlich gemacht, was Sie von par-
lamentarischer Kontrolle der Polizei, Verantwortlichkeit
und sachgerechter Aufarbeitung halten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sagen: Ein Fehlverhalten darf weder unter den
Teppich gekehrt noch drakonisch bestraft werden . Es ist
immer wichtig, nach den Ursachen zu fragen: Wie ist es
zu einem Fehler gekommen? Was kann in Zukunft besser

Wolfgang Gunkel






(A) (C)



(B) (D)


laufen? Ein Polizeibeauftragter würde hier einen wichti-
gen Beitrag liefern und uns hier im Parlament eine wich-
tige und neutrale Innensicht in die Polizei hinein ermög-
lichen – auch für mehr Sachlichkeit in der öffentlichen
Diskussion .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Das ist auch notwendig, weil sich die Arbeitsweise
und die Befugnisse der Polizei in den letzten 15 Jahren
stark verändert haben . Das ist zum Teil auch eine Fol-
ge der Digitalisierung und von neuen Befugnissen, die
die Polizei hat . Gleichzeitig hat man die Hürden für die
Strafbarkeit bei manchen Delikten so weit gesenkt, dass
es auch darum geht, zum Schutz der Grundrechte und für
mehr Transparenz und Effizienz im Sinne eines echten
Gewinns für die innere Sicherheit die Wirkungen einem
parlamentarischen Blick zu unterziehen .

Jedes Mal, wenn es um die Erweiterung polizeilicher
Befugnisse und die Verschärfung des Strafrechts geht,
steht die Große Koalition zusammen . Sie haben es im
Ausschuss leider abgelehnt, an dieser Stelle einmal die
bürgerrechtliche Position zu stärken .

Es würde mich sehr freuen, wenn unser Gesetzentwurf
hier im Haus eine breite Zustimmung finden würde. Da-
rum haben wir Grüne uns in Gesprächen mit der Linken,
mit der SPD und auch mit der Union sehr bemüht . Die
Rückmeldung aus der Union, Herr Schuster, war aber,
dass Sie den Polizeibeauftragten zwar auch irgendwie
wollen, aber erst nach der Wahl in einer Koalition ver-
handeln wollen . Das kostet nur Zeit,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Mit wem haben Sie denn gesprochen? – Günter Baumann [CDU/CSU]: Sind bestimmt Gerüchte!)


es sei denn, es geschieht vielleicht noch ein Wunder und
die Kanzlerin gibt noch ein Interview in der Brigitte.


(Beifall der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Dann findet sich vielleicht auch dafür eine Mehrheit hier
im Haus, wenn diese Entscheidung zur Gewissenent-
scheidung erklärt wird .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ansonsten müssen wir vermutlich auf die nächste
Wahlperiode warten, was ich sehr bedaure . Dann sind
Sie, Kollege Gunkel, und Sie, lieber Herr Baumann, lei-
der nicht mehr dabei .


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: Ihr vielleicht ja auch nicht! Das ist ja auch schade!)


Ich hoffe trotzdem auf breite Zustimmung zu unserem
Gesetzentwurf – wenn nicht heute, dann hoffentlich in
der nächsten Wahlperiode .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324200

Vielen Dank . – Damit ist die Aussprache beendet .

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die un-
abhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen
Polizeibeauftragten des Bundes . Der Innenausschuss
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12826, den Gesetzentwurf der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7616
abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetz-
entwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen und Linken bei zwei Enthaltungen aus der
SPD-Fraktion abgelehnt . Damit entfällt nach unserer Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung .

Unter Tagesordnungspunkt 17 b setzen wir die Ab-
stimmung zu der Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses auf Drucksache 18/12826 fort . Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung
die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/7617 mit dem Titel „Aufklä-
rung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergän-
zung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige
Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauf-
tragten des Bundes“ . Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppo-
sition bei zwei Enthaltungen aus der SPD-Fraktion an-
genommen .

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahl-
prüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Ti-
tel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages – hier: Umsetzung des Gesetzes über die
unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängi-
gen Polizeibeauftragten des Bundes“ Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/12978, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/7618 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition bei zwei Enthaltungen aus
der SPD angenommen .

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 20:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss) zu der Verordnung des
Bundesministeriums für Ernährung und Land-
wirtschaft

Verordnung über den Umgang mit Nährstof-
fen im Betrieb und zur Änderung weiterer
Vorschriften

Drucksachen 18/12731, 18/12879 Nr. 2,
18/12921

Irene Mihalic






(A) (C)



(B) (D)


Interfraktionell wurde vereinbart, dass für die Aus-
sprache 25 Minuten vorgesehen sind . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen . Dann könn-
te der Kollege Waldemar Westermayer von der CDU/
CSU‑Fraktion die Debatte eröffnen. – Bitte schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD])



Waldemar Westermayer (CDU):
Rede ID: ID1824324300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Wir diskutie-
ren heute die Stoffstrombilanzverordnung. Man könnte
auch sagen: die Priesmeier-Bilanzverordnung .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dieser Verordnung gestalten wir das aus, was wir mit
§ 11a Absatz 2 des geänderten Düngegesetzes den Land-
wirten auferlegen, nämlich die Pflicht zur Stoffstrombi-
lanzierung . Wir konkretisieren damit die gute fachliche
Praxis beim Umgang mit Nährstoffen in den landwirt-
schaftlichen Betrieben .

Die betroffenen Betriebe sind nach der Verordnung
verpflichtet, betriebsbezogen die zugeführten und abge-
gebenen Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor zu
ermitteln und darüber hinaus eine Ermittlung und Bewer-
tung der betrieblichen Stoffstrombilanzen für Stickstoff
vorzunehmen und eine entsprechende Dokumentation
durchzuführen .

Diese neuen Pflichten, die mit erheblichem bürokra-
tischem Aufwand verbunden sind, werden – das möch-
te ich hervorheben – bis spätestens Ende 2021 auf ihre
Wirksamkeit überprüft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD])


Die Überprüfung wird in Abstimmung mit dem Bun-
desumweltministerium sowie unter Beteiligung der Län-
der erfolgen und soll Vorschläge für notwendige Anpas-
sungen der Regelungen enthalten; denn – das sollte uns
allen klar sein – die Stoffstrombilanzierung erfüllt kei-
nen Selbstzweck . Sie soll als Teil des Düngepakets dazu
dienen, das Düngerecht insgesamt auf eine nachhaltige
Grundlage zu stellen .

Zielvorgabe für die Neuregelung des Düngerechts in
Deutschland war aus Sicht der Union immer die Verein-
barkeit von bedarfsgerechter Pflanzenernährung und dem
Schutz der Gewässer .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieses Ziel erreicht man nicht durch mediale Panikma-
che, wie es das Umweltbundesamt mit seinen gewagten
Prognosen zur Entwicklung der Trinkwasserpreise getan
hat, sondern durch problemorientiertes Handeln .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Willi Brase [SPD])


Mit dem Düngepaket haben wir unser lösungsorien-
tiertes Handeln unter Beweis gestellt . Wir erkennen an,
dass es Handlungsbedarf zum Schutz unserer Gewässer
gibt . Gerade in Gebieten mit belasteten Wasserkörpern
hat auch für uns die Reduzierung des Eintrags von Nitrat
eine hohe Priorität . Wir verschärfen deshalb die Anfor-
derungen an die Düngung in Deutschland erheblich . Die
Landwirtschaft stellt sich somit ihrer Verantwortung .

Mit den verschärften Anforderungen erhöht sich aber
auch der ohnehin schon hohe Anpassungsdruck für die
Betriebe . Wenn bei uns Lebensmittel in die Läden kom-
men, die diese Standards nicht erfüllen, wird dies im
Hinblick auf die Struktur der Landwirtschaft in Deutsch-
land negative Folgen haben . Deshalb sind Lebensmit-
telimporte mit den gleichen Auflagen zum Wasser‑ und
Klimaschutz zu belegen und zu kontrollieren . Es ist aus
meiner Sicht klar, dass die weitergehenden Anforderun-
gen im Düngerecht die Produktionskosten in der deut-
schen Landwirtschaft und damit letztendlich auch die
Kosten unserer Lebensmittel erhöhen werden .

Zusammengefasst haben wir mit dem Düngepa-
ket dennoch praktikable Lösungen entwickelt, die die
Fruchtbarkeit unserer Böden erhalten und die es gleich-
zeitig erlauben, eine ausreichende Nährstoffversorgung
unserer Pflanzen mit Wirtschaftsdünger zu gewährleis-
ten . Am Ende eines langen Weges haben wir einen Aus-
gleich gefunden, der auch die Landwirte einbezieht und
ihnen Planungssicherheit bietet . Vor diesem Hintergrund
möchte ich hervorheben, dass unsere Bauern in Deutsch-
land nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung
sind .

Ich bedanke mich ganz herzlich und schenke Ihnen
eine Minute .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324400

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Dr . Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824324500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! In der letzten agrarpolitischen Debatte in
dieser Wahlperiode sprechen wir nun also über die Stoff-
strombilanz . Das ist der dritte und letzte Teil der Dünge-
gesetzgebung, nachdem das Düngegesetz selbst und die
Düngeverordnung novelliert wurden .

Worum geht es? Es geht eigentlich um ein Regelwerk,
mit dem die Landwirtschaftsbetriebe ihre Nährstoffüber-
schüsse identifizieren sollen. Warum ist das wichtig?
Weil in vielen Regionen zu viel Nitrat in die Gewässer
und ins Grundwasser eingetragen werden . Dabei geht es
um die Natur in den betroffenen Regionen; denn wir wol-
len den Kindern und Enkeln ja eine intakte Welt hinter-
lassen, soweit das noch möglich ist .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Es geht aber eben auch um eine soziale Frage . Denn
zu viel Nitrat bedeutet auch, dass hohe Kosten für die
Trinkwasseraufbereitung entstehen, und das kann schnell
zum Preistreiber für Wasser- und Abwassergebühren
werden . Auch deswegen ist es wichtig, hier konsequent,
aber auch angemessen zu handeln .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In dem Ziel sind wir uns sogar einig, aber beim „Wie“
haben sich Union und SPD dann doch wieder in den vie-
len Fäden der unterschiedlichen Interessen verstrickt .
Deswegen gehen wir zumindest im Moment davon aus,
dass dieses Ziel nicht erreicht wird . Das geht auf Kosten
der Natur und der Betriebe . Das ist problematisch .

Die Koalition hat nun eine denkbar breite Koalition
gegen sich . Gerade haben Wasserverbände, Umweltorga-
nisationen und meine Gewerkschaft Verdi aus der Sorge
heraus, dass sich die Nährstoffüberschüsse nicht reduzie-
ren und gerade in den Problemregionen NRW und Nie-
dersachsen das Problem nicht gelöst wird, eine gemein-
same Petition gestartet .


(Willi Brase [SPD]: Problemregion NRW? Unglaublich!)


Diese Sorge zumindest teilen wir, wenn wir auch nicht
jedes Wort aus der Petition teilen . Deswegen müssen wir,
lieber Wilhelm – auch wenn dir heute große Ehre zuteil-
wird –, die Verordnung leider ablehnen .

Aber ich möchte noch zu einem anderen Thema reden,
das uns sehr wichtig ist und bei dem es lichterloh brennt .
Unsere agrarwissenschaftliche Forschung verliert seit
Jahren Personal . Als Linke habe ich deshalb schon lange
einen strategischen Neuansatz gefordert . Da ich vor mei-
nem Bundestagsmandat in der Agrarforschung gearbeitet
habe, weiß ich, wovon ich rede, und kenne die Szene .

Schlecht bezahlte und ungesicherte Arbeitsverhält-
nisse zum Beispiel sind leider in der deutschen Wissen-
schaftslandschaft zum Standard geworden. Ich finde, das
ist ein Armutszeugnis für das selbsternannte Land der
Dichter und Denker .

Aber auch die aktuellen Bewertungsmaßstäbe für
wissenschaftliche Leistungen sind aus meiner Sicht pro-
blematisch . Die Bearbeitung von Förderanträgen kostet
viel zu viel Zeit und Ressourcen, und zu selten werden
kreative Lösungen für wirkliche Menschheitsprobleme
gesucht .

Das trifft die anwendungsorientierte Agrarforschung
leider ganz besonders . Ich denke, dass wir tatsächlich
wieder eine eigene agrarwissenschaftliche Institution
brauchen .


(Beifall bei der LINKEN)


Aber das werden wir erst in der nächsten Wahlperiode
hinbekommen .

Keinesfalls warten kann aber das Leibniz-Institut für
Gemüse‑ und Zierpflanzenbau in Erfurt. Hier ist nämlich
Gefahr im Verzug . Ihm droht die Abwicklung, obwohl

niemand daran zweifelt, dass es dringend gebraucht wird .
Ich finde, das ist total absurd.


(Beifall des Abg . Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Das Institut beschäftigt sich nämlich unter anderem mit
den Fragen der Düngung im Gartenbau .

Schlimm genug, dass die Leibniz-Gemeinschaft dieses
Institut leider zunächst aus der Familie entlassen hat . Die
Belegschaft kämpft aber mit sehr großem Engagement
um dieses Institut . Wissenschaftlich sind unterdessen alle
Gleise für die Zukunftsfähigkeit dieses Wissenschafts-
standortes gelegt. Der finanzielle Beitrag des Freistaats
Thüringen für den Weiterbestand dieses Wissenschafts-
standortes wurde mehrfach zugesichert . Nun muss nur
noch der Bund seinen Beitrag dazu leisten, dass dieser
Standort tatsächlich erhalten bleibt .

Fachpolitisch sind wir uns fraktionsübergreifend sogar
vollkommen einig, dass wir das Institut in Erfurt erhalten
wollen . Aber wir müssen eben handeln und nicht reden .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir können das offensichtlich nicht der Bundesregierung
überlassen .

Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Diese Beleg-
schaft besteht nicht aus Schachfiguren, die man einfach
einmal von einem Standort zum anderen verschieben
kann. Wir kämpfen für das Institut in Erfurt. Ich finde,
diese Spielchen sollten wir der Bundesregierung nicht
durchgehen lassen . Das IGZ ist wichtig, und es hat un-
moralische Angebote nicht verdient .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324600

Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD-Fraktion

ist der Kollege Dr . Wilhelm Priesmeier .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1824324700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist
heute nicht Wehmut angesagt . Ihr kennt mich alle als
jemanden, der immer aufrecht und geradlinig im Deut-
schen Bundestag für seine Ziele gekämpft hat, im Sinne
seiner Fraktion und für die Sache . So ist es auch heute
Abend . Ich freue mich, dass ich das Projekt, das ich vor
sechs Jahren begonnen habe, die Novellierung unseres
Düngerechts, längst überfällig, heute zumindest mit dem
dritten Teil, der noch fehlt, abschließen kann .

Ich glaube, dass wir den eben geprägten Begriff, das
sei dann die Priesmeier-Bilanzverordnung, in der Schub-
lade verschwinden lassen sollten . Das kann man viel-
leicht im Nachhinein, ex post, beurteilen . Zu viel Lob
ist auch nicht angesagt . Es stört mich aber auch nicht,

Dr. Kirsten Tackmann






(A) (C)



(B) (D)


dass dieser Begriff für heute geprägt worden ist. Aber ich
glaube, er hat keinen Bestand .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich freue mich jedenfalls, dass wir damit den notwen-
digen Paradigmenwechsel, den wir längst hätten voll-
ziehen müssen, jetzt endlich vollziehen können . Es geht
vordergründig zunächst einmal um die Umsetzung der
Nitratrichtlinie aus dem Jahr 1991 . Das hat lange gedau-
ert . Wir sind seit 2013 im Vertragsverletzungsverfahren .
Das macht deutlich, dass es aus den unterschiedlich-
sten Gründen und Interessen schwer war, mit allen eine
Einigung zu erzielen . Das muss man auch nicht, wenn
man Politik macht . Man muss vielmehr eine klare Linie
haben . Man muss hinterher aber auch einen vernünfti-
gen Konsens finden, der für alle tragfähig ist und der die
wirtschaftliche Existenz der Betriebe, die in besonderer
Weise betroffen sind, nicht infrage stellt. Ich glaube, das
ist gelungen .


(Beifall bei der SPD)


Nicht alles ist perfekt . Geholfen hat mir dabei na-
türlich die Entschlossenheit der Kommission . Das Kla-
geverfahren, das in Luxemburg auf dem Tisch lag, hat
natürlich die Einsichtsfähigkeit des großen Deutschen
Bauernverbandes ein bisschen befördert . Nachdem von
dort aus Konsensbereitschaft signalisiert wurde, gab es
auch im Rahmen der Koalition mit dem Koalitionspart-
ner ein ausreichendes Fundament, um das Düngepaket
letztendlich nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern
auch zu verhandeln und zum Erfolg zu führen. Das hoffe
ich jedenfalls .

Mit dem neuen System, das die Bruttobilanzierung
neben der Bedarfsorientierung umfasst, schaffen wir
Transparenz und Vergleichbarkeit . Nicht nur der Bedarf
ist hinterher Grundlage für die Düngung, sondern auch
die Immissionsbetrachtung . Wie viel wird in die Umwelt
freigesetzt, und wo bleibt der Eintrag? Wir wissen alle
um den Zustand vieler Gewässer, vor allem in den Re-
gionen, wo wir eine hohe Veredelung und Verdichtung
haben . Dort gibt es dringenden Handlungsbedarf .

Für die Kontrolle der Verbesserung dieses Zustands
haben wir mit dieser Verordnung und mit der Gesetz-
gebung in Gänze die Grundlagen gelegt . Wir haben das
justiziabel gemacht; die alten Vorgaben waren das nicht .

Insofern haben wir es möglich gemacht, dass man
zukünftig, wenn wir das Bruttobilanzierungssystem
als Grundlage nehmen, mit der Weiterentwicklung der
Grundlagen, die wir an sich noch gebraucht hätten, die
wir aber im Augenblick nicht haben, einfach Daten aus
der betrieblichen Buchführung für diese Bilanzierungs-
vorgänge übernimmt, um hinterher Rückschlüsse über
die Fläche und über die Frage, ob der Betrieb mehr oder
weniger als die zulässige Menge an Nährstoffen ausge-
bracht hat, zu ziehen . Das wird dann einfacher sein, aber
diese Grundlagen haben wir im Augenblick noch nicht .
Deshalb sind die verschiedensten Verstöße noch nicht
durch Bußgelder sanktioniert . Sie führen dazu, dass der
Betrieb eine Beratung in Anspruch nehmen muss . Erst
wenn er das nicht tut, wird gegen ihn ein Bußgeld ver-
hängt . Ich glaube, das ist der richtige Weg . Wir müssen

das, was wir auf die Schiene gesetzt haben, ans Laufen
bekommen .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben durchgesetzt, die Biogasanlagen in Gänze
einzubeziehen . Das war vorher nicht der Fall . Wir ha-
ben auch durchgesetzt, dass wir die jetzigen Vorgaben
bis zum 31 . Dezember 2022 befristet haben . Das wird
die dann im Amt befindliche Bundesregierung dazu
verpflichten, dieses System, das wir jetzt anschieben,
letztendlich in der Weise zu verfeinern und zu verbes-
sern, dass es ein effizientes und wirksames Instrument
sein wird, um hinterher unsere Umwelt vor übermäßigen
Emissionen zu schützen . Es wird vielleicht auch einen
Beitrag leisten, dass wir der Wasserrahmenrichtlinie, der
NERC-Richtlinie und der Meeresschutzrichtlinie, die wir
noch zu erfüllen haben, entsprechen können .

Ob das ausreichend ist, zweifle ich mit Blick auf die
Größen und die Vorgaben an . Da hätten wir mehr errei-
chen können . Wir haben nur das Notwendige getan; mehr
war leider nicht machbar . Aber ich glaube: Das ist der
erste Aufschlag . Er muss weiterentwickelt werden – dann
natürlich von Kollegen, die in diesem Hause sind; ich
werde das dann nicht mehr sein .

Aber ich freue mich natürlich heute nicht nur über
den Besuch bei der kleinen Feier, die ich veranstaltet
habe, sondern auch darüber, dass ich in Gänze von al-
len Fraktionen letztendlich, auch vom Koalitionspartner,
im Wesentlichen vom Kollegen Westermayer und vom
Kollegen Holzenkamp, die entsprechende Unterstützung
erfahren habe, um dieses Paket so zu verhandeln .

Wir waren häufig am Rande des Scheiterns, aber ir-
gendwie haben wir es dann doch zusammenbekommen
in der Erwartung, dass wir der Umwelt natürlich auch
etwas Gutes tun . Zu viel Dünger – das weiß jeder – kos-
tet nur Geld . Die Reduzierung des Düngereinsatzes spart
Ressourcen in den Betrieben . Aber es wird nicht ganz
einfach sein . Das wird viele Betriebe vor allen Dingen in
den Veredelungsregionen an die Grenze ihrer Möglich-
keiten führen . Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob alle diese
Grenze letztlich werden ertragen können . Einige werden
das vielleicht nicht können . Das muss man der Ehrlich-
keit halber sagen .

Wenn ich meine 15 Jahre im Deutschen Bundestag re-
kapituliere, erinnere ich mich noch an meine erste Rede
hier . Da saß da vorne Ernst Hinsken . Der machte den ers-
ten Zwischenruf . In der Folge gab es 19 Zwischenrufe
in 7 Minuten Redezeit, aber ich habe die Redezeit um
2 Minuten überzogen .


(Heiterkeit bei der SPD – Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Da sind wir sehr brav heute!)


Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, meinen Dank
richte ich an euch, an Sie alle . Bei den „Agrariern“ hat
man sich im Regelfall immer geduzt, was in anderen
Debatten nicht immer üblich ist . Aber das ist auch ein
vernünftiges Zeichen, wie man miteinander in der Poli-
tik umgeht. Ich finde: Geradlinigkeit ist angesagt. Ehr-
lichkeit ist angesagt . Eine klare Ansprache ist angesagt .
Dann, glaube ich, wird es mit der Agrarpolitik und den
agrarpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag auch

Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)


in Zukunft die richtigen Ergebnisse und die richtigen Ab-
stimmungen geben .

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gele-
gentlich sieht man sich vielleicht auch noch mal wieder
bei anderen Anlässen. Das hoffe ich zumindest. Wir alle
sind ja nicht aus der Welt . Wenn ich in die Runde schaue,
glaube ich schon: Es gibt genug Anlässe, die ich immer
auch gern wahrgenommen habe. Da treffen wir uns dann
und machen noch das eine oder andere obendrauf .

Vielen Dank .


(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324800

Vielen Dank, lieber Wilhelm Priesmeier . – Ich kann

mir von hier aus keine agrarpolitische Debatte vorstellen,
an der du nicht teilnimmst und nicht mit uns debattierst .
Aber wir wünschen jedenfalls von hier aus alles Gute
und bedanken uns noch einmal für dein Engagement zum
Wohle der Agrarwirtschaft in Deutschland als jemand,
der immer wieder versucht hat, hier Kompromisse zu
schmieden . Danke schön dafür .


(Beifall)


Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff
für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Entschuldigt, dass ich den wehmütigen Geist
der Dankbarkeit für die ausscheidenden Kolleginnen und
Kollegen etwas stören muss . Wer hätte gedacht, dass sich
die Koalitionäre nach monatelangen Grabenkämpfen
doch noch auf einen Entwurf einer Stoffstrombilanzver-
ordnung verständigen? Wie weise, dass wir den Parla-
mentsvorbehalt eingefügt haben! Wie oft stieg der weiße
Rauch in den letzten Monaten nach Verhandlungen auf,
um dann sofort wieder von CDU und CSU eingefangen
zu werden, weil sich irgendwelche Güllebarone querleg-
ten! Aber am Ende obsiegte die Einsicht, dass nicht alle
Verschärfungen zu verhindern sind, wenn das EU-Ver-
tragsverletzungsverfahren abgewendet werden soll . In
diesem seit 2013 währenden Prozess des Nichtstuns und
Aussitzens


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit hat er recht!)


wurde kurz vor Toresschluss eine halbgare Düngeverord-
nung beschlossen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses verabschiedete Gesamtpaket weist zwar mit
wichtigen Bausteinen wie der Stoffstrombilanz, dem Da-
tenabgleich oder der Hinzurechnung der Gärsubstrate aus
Biogasanlagen zur Obergrenze von 170 Kilogramm N
pro Hektar und Jahr in die richtige Richtung, aber nur
weil die Bundesländer – hier ist besonders Niedersachsen

zu nennen – immer wieder gedrängt haben . Das ganze
Theater, das es hier gegeben hat, ist doch nur veranstaltet
worden, weil der Deutsche Bauernverband, dem Sie von
CDU/CSU stets nachgeben, nicht einverstanden war .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für wen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/
CSU, machen Sie eigentlich Politik? Machen Sie Politik
für die Menschen, die sauberes Trinkwasser wollen, die
wollen, dass unser Gemeingut sauber bleibt?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja!)


Nein, Sie – Frau Connemann vorneweg – machen Politik
für einzelne Tierhalter, die mit viel zu viel Gülle unser
aller Gemeingut Wasser enorm belasten . Das ist Ihre Po-
litik! Reine Klientelpolitik!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


7,7 Millionen Schweine in Niedersachsen und NRW, das
erfordert zielgerichtetes Handeln .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So wie es jetzt ist, drohen steigende Wasserpreise . Das
sagen selbst Ihre Behörden, Herr Minister; Sie haben
es vernommen . Das Verursacherprinzip, das mit dieser
Novellierung eingeführt wurde, kann wegen geschönter
Zahlen aus der Stoffstrombilanzverordnung nicht richtig
befolgt und die Gülle nicht sachgerecht bilanziert wer-
den . Alle Warnungen der Umwelt- und Wasserverbände
wurden von Ihnen in den Wind geschlagen . Alle Kom-
promisse, die von den Bundesländern mit viel Aufwand
erarbeitet wurden, wurden von Ihnen immer wieder un-
terlaufen . Sie verhindern so wieder einmal das so sehr
benötigte Verständnis und die Akzeptanz für die Tierhal-
tung in unserer Gesellschaft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Besonders ärgerlich ist, dass flächenlose Biogasbe-
triebe ohne Zusammenhang zur Viehhaltung aus der Ver-
ordnung wieder herausfallen . Es ist eine absolut unver-
ständliche Entscheidung, warum es nicht dabei geblieben
ist, alle Biogasbetriebe in der Verordnung zu berücksich-
tigen . Wieso stehen in der Verordnung nicht mehr alle
Biogasbetriebe?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die vorhandenen Phosphatüberschüsse – ein großes The-
ma – bleiben völlig ungeregelt und fallen gänzlich unter
den Tisch . Zusätzlich werden die ohnehin hohen Stick-
stoffüberschüsse mit einem sogenannten Toleranzfak-
tor versehen, um Lagerverluste von Gärsubstraten und
Grobfutter zu berücksichtigen . Die auf den Bilanzwert
anrechenbaren Verluste sind zu streichen, damit Anreize
zur Steigerung der Stickstoffeffizienz geschaffen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die zusätzliche Anlage 5 – nun Anlage 4 – gehört ge-
strichen . Ganz nebenbei wurde mit dem Paket ein kaum
administrierbares Bürokratiemonster entworfen, anstatt
die Pflichtberatung für die Problembetriebe massiv zu

Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)


stärken . Viele Betriebe könnten dadurch massive Kos-
tenminderungen erreichen .

Wir Grüne stimmen gegen diese unzureichende Stoff-
strombilanzverordnung. Hoffentlich werden die Bundes-
länder noch einmal aktiv werden, um unser aller Wasser
wirksam zu schützen . Wir Grüne machen den Bäuerin-
nen und Bauern das Angebot, mit uns endlich auf ver-
lässliche, planbare politische Rahmenbedingungen zu
setzen . Schluss damit, dass die Landwirtschaft weiterhin
durch CDU/CSU zum willfährigen Spielball falscher In-
teressen gemacht wird!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824324900

Vielen Dank . – Jetzt hat Franz-Josef Holzenkamp,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD])



Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1824325000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute den
letzten Teil unseres großen Düngepaketes . Wasserschutz
zu gewährleisten, das ist auch unser Anspruch als Union,
auch wenn die Grünen das manchmal infrage stellen . Ich
weiß gar nicht, wie man so etwas infrage stellen kann .


(Lachen des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist relativ einfach!)


Wir wollen eben auch für eine ausreichende Ernährung
von Pflanzen sorgen.

Wir werden immer mit den Dänen verglichen . Die Dä-
nen haben einen Fehler gemacht . Sie mussten plötzlich
Qualitätsweizen aus Deutschland oder anderen EU-Mit-
gliedstaaten importieren,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: So ist es!)


weil sie überzogene Düngeauflagen hatten, sodass sie in
Dänemark nicht mehr ausreichend anbauen konnten . Sol-
che Fehler wollen wir nicht machen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bestimmte rot-grüne Länder wollten so etwas mit uns
machen . Doch so einen fachlichen Unsinn lassen wir mit
uns natürlich nicht machen .

Ich freue mich, dass unser Minister heute anwesend
ist . Wilhelm Priesmeier, du hast angesprochen, wie
breit dieses Thema im Umweltministerium verankert
ist . Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Umweltministerin
Hendricks, mit der wir viel zusammengesessen haben,
heute Abend dabei gewesen wäre .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lieber Kollege Friedrich Ostendorff, du hast hier von
Biogas gesprochen . Biogasbetriebe haben wir in die Ver-
ordnung aufgenommen .


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! Lesen!)


Ihr müsst den Text schon richtig lesen .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die, die in Zusammenhang mit Viehhaltung stehen! Sag doch die Wahrheit! Mensch! Die anderen sind nicht drin!)


Es sei mir eine Bemerkung gestattet – ich meine es
nicht bösartig; aber ich will darauf hinweisen –: Frau
Künast hat in ihrer Amtszeit in Bezug auf Biogas und
Landwirtschaft von den „Ölscheichs von morgen“ ge-
sprochen . Frau Künast hat durch einseitige Fehlsteuerun-
gen im EEG dafür gesorgt, dass so hohe Investitionen in
diesem Bereich getätigt worden sind .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Also: Wenn man also im Glashaus sitzt, dann sollte man
nicht mit Steinen werfen .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war die Große Koalition 2009, die das versaut hat!)


Ich will darauf hinweisen, dass wir ein ganzes Paket
schnüren . Wir haben die Düngemenge für jede einzelne
Pflanzenart exakt festgelegt. Wir haben die Sperrzeiten
für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger verlängert .
Wir haben die Gewässerabstände ausgeweitet . Wir haben
die Anforderungen an die Ausbringungstechnik erhöht
und damit auch Emissionen reduziert .


(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Aber wie!)


Wir haben für verschärfte Vorgaben für Lagerkapazitäten
gesorgt . Die Landwirte müssen Geld in die Hand nehmen
und mehr Lagerraum schaffen. Ich habe schon darauf
hingewiesen: Die Gärsubstrate der Biogasanlagen wur-
den berücksichtigt . Wir haben den Bundesländern eine
Ermächtigung erteilt, diese Regelungen noch weiter zu
verschärfen . Außerdem haben wir den Vollzug der Kon-
trollbehörden wesentlich verbessert . Kommt also bitte
nicht daher, um zu sagen: Das ist alles nichts . – Schaut
euch das lieber einmal richtig an .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben ein umfassendes Paket geschnürt . Ich will
hier unterstreichen: Dieses Paket wird für die Landwirt-
schaft eine riesengroße Kraftanstrengung nach sich zie-
hen . Das wird den Strukturwandel noch einmal zusätz-
lich befeuern .


(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Leider richtig!)


Auch das muss man sich dabei immer wieder vor Augen
führen .


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Leider richtig!)


Was die Stoffstrombilanz angeht: Es ist kein Geheim-
nis, dass ich sie immer kritisch gesehen habe . Das Ganze
ist eine Bruttoemissionsbewertung . Darauf haben wir uns
verständigt . Dazu stehe ich natürlich . Das bedeutet letzt-
endlich, dass man alle gasförmigen Emissionen, die die
Pflanzenwurzel nie erreichen, mit einbezieht.

Friedrich Ostendorff






(A) (C)



(B) (D)


Auch hier sei mir ein Hinweis auf unseren Nachbar-
staat Dänemark gestattet . Die Dänen haben so etwas ge-
macht und anschließend wieder aufgegeben, weil es von
den Behörden verwaltungsmäßig nicht zu bewältigen
war .

Unabhängig davon, lieber Kollege Wilhelm
Priesmeier: Wir haben das so beschlossen . Wir starten
jetzt eine Lernphase, weil das vollkommenes Neuland
ist . Wir rechnen mit Werten, die wir heute noch nicht
beurteilen und nicht bewerten können . Auch deshalb ist
eine Befristung vorhanden . Wir werden in etwa drei Jah-
ren sehen, was diese zusätzliche bürokratische Belastung
bringt . Deshalb war es uns und auch mir persönlich so
wichtig, dass es doch die Anlage 4 gibt;


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hab ich gesagt! Anlage 5, heute 4! Hab ich gesagt! Hör einfach zu! Wenn du zuhören würdest, würdest du auch begreifen! denn damit kann errechnet werden, wie viele Nährstoffe bei einer Pflanze tatsächlich ankommen. Wenn Sie sich einmal mit den Vertretern der Kontrollbehörden unterhalten, werden Sie hören: Ohne dieses Herunterrechnen, ohne den Bezug auf die Fläche können wir das überhaupt nicht kontrollieren . – Auch das gehört zur Wahrheit dazu . Meine Damen und Herren, uns ist ein guter Kompromiss, glaube ich, für unser Wasser gelungen . Es wird hart für die Landwirte sein . Wir haben dabei aber immer darauf geachtet, dass unsere Landwirte ihre Pflanzen ausreichend ernähren können . Meine Damen und Herren, lieber Wilhelm Priesmeier, dies war auch für mich die allerletzte Rede im Deutschen Bundestag, weil ich den Bundestag bekanntermaßen verlassen werde . Ich möchte deshalb diese Gelegenheit nutzen, Danke schön zu sagen für das viele Miteinander, auch für die teilweise streitigen Auseinandersetzungen . Friedrich Ostendorff, wenn wir uns am Rande des Plenums beim Bier fachlich gut und konstruktiv unterhalten, ist das das eigentlich Schöne . Bei allem Wettstreit um den richtigen Weg, vielleicht auch um die Fraktion oder Partei, vergessen wir dies nicht . Das haben wir in unserem Ausschuss immer in besonderer Weise gepflegt. Dafür bin ich sehr dankbar . Ich wünsche Ihnen allen eine gute Zeit . Bitte, meine Damen und Herren, anerkennen wir, was die Landwirtschaft, was die deutschen Landwirte für unsere Gesellschaft leisten, und instrumentalisieren wir die Landwirte nicht für Wahlkämpfe! Vielen Dank . Alles Gute! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1824325100

Vielen Dank, Herr Kollege Holzenkamp . Ihnen herzli-

chen Dank für Ihre zwölf Jahre des Engagements hier im

Deutschen Bundestag für die Landwirtinnen und Land-
wirte! Auch wir wünschen Ihnen alles Gute .


(Beifall)


Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Ernährung und Landwirtschaft zu der Verordnung
des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt-
schaft über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb
und zur Änderung weiterer Vorschriften . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/12921, der Verordnung auf Drucksache 18/12731
zuzustimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Das
ist die Opposition . Wer enthält sich? – Niemand . Damit
ist die Beschlussempfehlung angenommen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind heute so
gut aufgestellt, dass ich Sie jetzt guten Herzens vor die
größte Herausforderung des heutigen Abends stelle . Ich
bitte Sie alle, sitzen zu bleiben; denn wir brauchen für die
nächste Zeit Ihre ganze Konzentration .

Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 35 a,
35 b, 35 d sowie 21 b . Es handelt sich hierbei um Über-
weisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

Tagesordnungspunkt 35 a:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt
Stuttgart 21

Drucksache 18/10060

Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der
Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen
Überweisung an den Ausschuss für Verkehr und digita-
le Infrastruktur . Wie Sie alle wissen, stimmen wir zuerst
über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab . Ich frage
deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? –
Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Das ist die
Opposition . Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die
Überweisung so beschlossen, und wir stimmen heute
über den Antrag auf Drucksache 18/10060 nicht in der
Sache ab .

Tagesordnungspunkt 35 b:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sven-
Christian Kindler, Matthias Gastel, Stephan
Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dialogforum Schiene-Nord ernst nehmen –
Erweiterten Lärmschutz beim Schienenaus-
bauprojekt „Alpha-E“ vorantreiben

Drucksache 18/12862

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstim-
mung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und
SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur . Wir stimmen zuerst über
den Antrag auf Überweisung ab . Ich frage: Wer stimmt
für die beantragte Überweisung? – Das ist die Koaliti-
on . Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition . Wer

Franz-Josef Holzenkamp






(A) (C)



(B) (D)


enthält sich? – Niemand . Damit ist die Überweisung so
beschlossen, und wir stimmen heute über den Antrag auf
Drucksache 18/12862 nicht in der Sache ab .

Tagesordnungspunkt 35 d:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Umbau der Tierhaltung gestalten und finan-
zieren

Drucksache 18/12947

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Ab-
stimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft . Wer stimmt für die bean-
tragte Überweisung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? – Das ist die Opposition . Wer enthält sich? –
Niemand . Damit ist die Überweisung so beschlossen, und
wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12947
nicht in der Sache ab .

Tagesordnungspunkt 21 b:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Werner, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderun-
gen garantieren

Drucksache 18/12941

Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der
Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen
Überweisung an den Innenausschuss . Wer stimmt für die
Überweisung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt dage-
gen? – Das ist die Opposition . Wer enthält sich? – Nie-
mand . Damit ist die Überweisung so beschlossen, und
wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12941
nicht in der Sache ab .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 36 a bis dd, ff bis
pp, rr bis yy, aaa und bbb, eee bis jjj, lll, ooo bis uuu und
35 c sowie Zusatzpunkte 5 a bis 5 q auf . Auch hierbei
handelt es sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu
denen keine Aussprache vorgesehen ist .

Tagesordnungspunkt 36 a:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung

Achte Verordnung zur Änderung der Außen-
wirtschaftsverordnung

Drucksachen 18/12242, 18/12443 Nr. 2.3,
18/12630

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12630, die Aufhebung der Ver-
ordnung der Bundesregierung auf Drucksache 18/12242
nicht zu verlangen . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –

Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion
Die Linke angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 b:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Kultur und Medien

(22 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr . Rosemarie
Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern –
Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerin-
nen und Künstler schließen

Drucksachen 18/12094, 18/12910

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12910, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12094 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Ko-
alition . Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die Beschluss-
empfehlung angenommen .

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 c:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Kirsten
Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Ausverkauf des Bodens an landwirtschafts-
fremde Investoren stoppen – Bodenmarkt
im Interesse der Landwirtschaft strenger
regulieren

– zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einrichtung eines Bundesprogramms „Zu-
gang zu Land – Chancen für neue Betriebe
ermöglichen“

Drucksachen 18/12551, 18/11601, 18/12878

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/12878 die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/12551 mit dem Titel „Ausverkauf des Bodens an
landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt
im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren“ .
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist
die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Das ist die Oppo-
sition? Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/11601 mit dem Titel „Einrichtung ei-
nes Bundesprogramms ‚Zugang zu Land – Chancen für
neue Betriebe ermöglichen‘“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


dagegen? – Das ist die Opposition? Wer enthält sich? –
Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenom-
men .

Tagesordnungspunkt 36 d:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert
Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelret-
ter entkriminalisieren

Drucksachen 18/12364, 18/12635

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12635, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12364 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU
und SPD . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition? Wer
enthält sich? – Niemand . Damit ist die Beschlussempfeh-
lung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 e:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Ernährung und
Landwirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-
Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE

Tierversuche beenden

Drucksachen 18/11724, 18/12981

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12981, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11724 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 f:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens,
Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Offenlegung von Gutachten zur Deutschen
Bahn AG

Drucksachen 18/11011, 18/12528

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12528, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11011 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koaliti-
on . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer enthält
sich? – Niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 g:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir,
Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt
Stuttgart 21 kritisch prüfen

Drucksachen 18/9039, 18/9863

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/9863, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9039 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die Beschluss-
empfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 h:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae,
Dr . Thomas Gambke, Renate Künast, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Mehr für das Gemeinwohl – Steuerabzug für
Managergehälter deckeln

Drucksachen 18/11176, 18/12627

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12627, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11176 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Damit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 i:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald,
Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Managergehälter beschränken

Drucksachen 18/9838, 18/11201

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/11201, den Antrag der Frakti-
on Die Linke auf Drucksache 18/9838 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die
Fraktion Die Linke . Enthaltungen? – Keine . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 j:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Unternehmensmitbestimmung stärken –
Grauzonen schließen
Drucksachen 18/10253, 18/12861

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12861, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10253 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Damit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 k:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Kerstin Andreae, Dr . Konstantin von Notz,
Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten
Drucksachen 18/10254, 18/12991

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12991, den Antrag der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10254
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Koalition . Wer ist dagegen? – Bündnis 90/
Die Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 l:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozi-
ales (11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Kettenbefristungen abschaffen
Drucksachen 18/4098, 18/8457

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/8457, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/4098 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU,
Bündnis 90/Die Grünen und SPD . Wer stimmt dage-
gen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 m:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Kordula
Schulz-Asche, Britta Haßelmann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Rechtssicherheit für bürgerschaftliches En-
gagement – Gemeinnützigkeit braucht klare
Regeln
Drucksachen 18/12559, 18/12973

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12973, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12559 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Gegenprobe! – Bündnis 90/Die Grünen .
Enthaltung? – Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 n:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr . Thomas
Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine neue Gründungskultur in Deutsch-
land

Drucksachen 18/12369, 18/13005

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13005, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12369 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 o:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-

neten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle
Schauws, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen

Drucksachen 18/12794, 18/12984

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12984, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12794 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 p:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald,
Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Umweltverschmutzung durch Mikroplastik-
freisetzung aus Kosmetika und Waschmitteln
beenden

Drucksachen 18/10875, 18/13004

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13004, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10875 abzu-

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Eine Enthaltung bei der Fraktion Die
Linke . Aber trotzdem ist die Beschlussempfehlung ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 36 q:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Ernährung und
Landwirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke,
Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Pestizide reduzieren – Mensch und Umwelt
schützen

Drucksachen 18/7240, 18/12980 Buchstabe a

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/7240 abzulehnen . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dage-
gen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – Die
Fraktion Die Linke . Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 36 r:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wege zur Pestizidreduktion in der Landwirt-
schaft

Drucksachen 18/12382, 18/12980 Buchstabe b

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/12382 abzulehnen . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dage-
gen? – Die Opposition . Wer enthält sich? – Niemand . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 s:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung und Land-
wirtschaft (10 . Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff,
Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bienengiftige Insektizide vollständig verbie-
ten – Bestäuber, andere Tiere und Umwelt
wirksam schützen

Drucksachen 18/12384, 18/12980 Buchstabe c

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/12384 abzulehnen . Wer stimmt für diese Be-

schlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dage-
gen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 t:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias
Gastel, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verkehrspolitik auf Klimaschutzziele ausrich-
ten

Drucksachen 18/7887, 18/9819

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/9819, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7887 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Enthaltungen? – Keine . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 u:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss) zu dem Antrag der
Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Britta
Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Fairen Wettbewerb und kommunale Gestal-
tungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicher-
stellen

Drucksachen 18/10978, 18/12875

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12875, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10978 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 v:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen
den gewaltbereiten Islamismus

Drucksachen 18/10477, 18/12996

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12996, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10477 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die Beschluss-
empfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 w:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte,
Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Journalistinnen und Journalisten sowie
Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor
Strafverfolgung schützen und Unabhängig-
keit der Justiz sicherstellen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele, Tabea Rößner, Luise
Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich
Landesverrats – Pressefreiheit und Journa-
listinnen und Journalisten besser schützen

Drucksachen 18/5839, 18/10036, 18/12416

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/5839 mit dem Titel
„Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberin-
nen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und
Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen“ . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und Bünd-
nis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die Linke .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/10036 mit dem Titel „Lehren aus den
Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Pressefreiheit
und Journalistinnen und Journalisten besser schützen“ .
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist
die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Das ist die Oppo-
sition . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 x:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul,
Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich
Landesverrats – Stellung des Generalbundes-
anwaltes rechtsstaatlich reformieren

Drucksachen 18/10037, 18/12637

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12637, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10037 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .

Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 y:

Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Luise
Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung
der Verwaltungsgerichtsordnung zum besse-
ren Rechtsschutz bei behördlich geheim ge-
haltenen Informationen

Drucksache 18/3921

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/11791

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/11791, den Gesetzentwurf der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3921 abzulehnen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Das sind Bündnis 90/Die
Grünen und die Linke . Wer stimmt dagegen? – Das sind
die Koalitionsfraktionen . Wer enthält sich? – Niemand .
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung abge-
lehnt, und es entfällt die dritte Beratung .

Tagesordnungspunkt 36 z:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr und digitale
Infrastruktur (15 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Die notwendigen Konsequenzen aus dem
Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan
Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Matthias
Gastel, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zum Schutz der Verbraucher – Unzutref-
fende Angaben beim Spritverbrauch und
Schadstoffausstoß von PKW beenden

– zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver
Krischer, Kerstin Andreae, Stephan Kühn

(Dresden), weiterer Abgeordneter und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequen-
zen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der Au-
tomobilindustrie sichern

Drucksachen 18/6325, 18/6070, 18/6334,
18/7533

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/6325 mit dem Titel
„Die notwendigen Konsequenzen aus dem Betrugsskan-

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


dal um Kfz-Abgase ziehen“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? – Das ist die Linke . Wer enthält sich? – Bünd-
nis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/6070 mit dem Titel „Zum Schutz der
Verbraucher – Unzutreffende Angaben beim Spritver-
brauch und Schadstoffausstoß von PKW beenden“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koaliti-
on . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer enthält
sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen .

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta-
be c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/6334 mit dem Titel „Aus dem Pkw-Abgasskan-
dal Konsequenzen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der
Automobilindustrie sichern“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt
dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? –
Die Linke . Trotzdem ist die Beschlussempfehlung ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 36 aa:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Innenausschusses (4 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck

(Köln), Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer

Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Antisemitismus entschlossen bekämpfen

Drucksachen 18/12784, 18/12982

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12982, den Antrag der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12784
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Koalition . Wer stimmt dagegen? – Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 bb:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-
Asche, Irene Mihalic, Maria Klein-Schmeink,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Das freiwillige und ehrenamtliche Engage-
ment im Bevölkerungsschutz und in der Kata-
strophenhilfe stärken

Drucksachen 18/12802, 18/12985

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12985, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12802 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .

Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 cc:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena
Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für den Menschenrechtsschutz in Deutsch-
land – Die Nationale Stelle zur Verhütung von
Folter reformieren und stärken

Drucksachen 18/12544, 18/13006

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13006, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12544 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Op-
position . Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die
Beschlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 dd:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Uwe
Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Südsudan – Hungersnot abwenden, Völker-
mord verhindern

Drucksachen 18/11732 (neu), 18/13008

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13008, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11732 (neu)

abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Koalition und die Linke . Wer stimmt dage-
gen? – Bündnis 90/Die Grünen . Enthaltungen? – Keine .
Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ff:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken

Drucksachen 18/1337, 18/4112

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/4112, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1337 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Tagesordnungspunkt 36 gg:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan
Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Die digitale Welt verstehen und mitgestal-
ten – Lernen und Lehren digitalisieren

– zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Bildungseinrichtungen fit für die digitale
Gesellschaft und die Zukunft machen

Drucksachen 18/6203, 18/10474, 18/12926

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12926, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/6203 abzulehnen . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dage-
gen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 18/10474 mit dem Titel „Bildungs-
einrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die
Zukunft machen“ . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bünd-
nis 90/Die Grünen . Enthaltung? – Die Fraktion Die Lin-
ke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .

Wir kommen zu Tagesordnung 36 hh:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine Internationalisierungsstrategie von
Wissenschaft und Forschung, die Pluralität
und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und
Zusammenhalt stärkt

Drucksachen 18/10359, 18/12935

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12935, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10359 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 ii auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung

und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu,
Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Nationaler Bildungsbericht – Bildungsinstitu-
tionen zukunftsfest machen – Für eine gerech-
te und soziale Gesellschaft

Drucksachen 18/10248, 18/12927

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12927, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10248 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 jj:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

BAföG an die Lebenswirklichkeit anpas-
sen – Keine weiteren Nullrunden für die
Studierenden

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Attraktivitätsverlust stoppen – BAföG
noch 2017 erhöhen

Drucksachen 18/10012, 18/11178, 18/12925

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 18/12925, den An-
trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10012
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Op-
position . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 18/11178 mit dem Titel „Attraktivi-
tätsverlust stoppen – BAföG noch 2017 erhöhen“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer enthält
sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen .

Tagesordnungspunkt 36 kk:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin
Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau),

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Gute und wohnortnahe Arzneimittelver-
sorgung

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin
Vogler, Pia Zimmermann, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Patientinnen und Patienten entlasten – Zu-
zahlungen bei Arzneimitteln abschaffen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula
Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink,
Dr . Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen
der Patientinnen und Patienten orientie-
ren – Heute und in Zukunft

Drucksachen 18/10561, 18/12090, 18/11607,
18/12732

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/10561 mit dem Titel
„Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die
Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Damit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/12090 mit dem Titel „Patientinnen und Patienten
entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Ko-
alition . Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält
sich? – Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfeh-
lung ist angenommen .

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta-
be c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/11607 mit dem Titel „Arzneimittelversorgung
an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientie-
ren – Heute und in Zukunft“ . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Die Koalition und die Linke . Wer
stimmt dagegen? – Die Grünen . Enthaltungen? – Nie-
mand . Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ll:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche,
Luise Amtsberg, Monika Lazar, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Heute für morgen helfen – Engagement für
Geflüchtete stärken

Drucksachen 18/8221, 18/13011

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13011, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8221 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen,
dass wir die Hälfte der Abstimmungen hinter uns haben .

Tagesordnungspunkt 36 mm:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Dr . Franziska Brantner,
Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Damit Kinder gut aufwachsen – Kinderschutz
und Prävention ausbauen

Drucksachen 18/9054, 18/11913

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/11913, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9054 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 nn:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche,
Dr . Konstantin von Notz, Maria Klein-Schmeink,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Freiwilligendienste ausbauen und weiterent-
wickeln, Engagement anerkennen und attrak-
tiver machen

Drucksachen 18/12804, 18/13012

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13012, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12804 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Eine Enthaltung bei der Fraktion Die
Linke . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 oo:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Katja
Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Programm für soziale Gerechtigkeit – Kon-
sequenzen aus dem Fünften Armuts- und
Reichtumsbericht

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Zimmermann (Zwickau), Norbert Müller

(Potsdam), Katja Kipping, weiterer Abgeord-

neter und der Fraktion DIE LINKE

Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktions-
plan gegen Kinderarmut

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate
Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am
Wohlstand beteiligen

Drucksachen 18/11796, 18/9666, 18/12557,
18/12863

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/11796 mit dem Titel
„Programm für soziale Gerechtigkeit – Konsequenzen
aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition
und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die
Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 18/9666 mit dem Titel „Jedes Kind ist gleich viel
wert – Aktionsplan gegen Kinderarmut“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Bünd-
nis 90/Die Grünen . Damit ist die Beschlussempfehlung
angenommen .

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta-
be c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/12557 mit dem Titel „Teilhabe statt Armut –
Alle Menschen am Wohlstand beteiligen“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält
sich? – Die Fraktion Die Linke . Die Beschlussempfeh-
lung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 pp:

Beratung der Beschlussempfehlung und des

(3 . Ausschuss)

Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Andrej
Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Weichen für eine Europäische Union der
Abrüstung und des Friedens stellen

Drucksachen 18/10629, 18/11028

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/11028, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10629 abzulehnen . Wer

stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dage-
gen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 rr:

Beratung der Beschlussempfehlung und des

(3 . Ausschuss)

Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unver-
züglich schließen

Drucksachen 18/10863, 18/11245

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/11245, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10863 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dage-
gen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ss:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van
Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Nationales Konversionsprogramm entwi-
ckeln – Umwandlung der Militärwirtschaft in
eine Friedenswirtschaft ermöglichen

Drucksachen 18/2883, 18/4115

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/4115, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/2883 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Koalition und
Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die
Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 tt:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses (7 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna
Karawanskij, Dr . Axel Troost, Klaus Ernst, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Zulassungspflicht für Finanzprodukte schaf-
fen – Finanz-TÜV einführen

Drucksachen 18/9709, 18/12823

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12823, den Antrag der Frakti-
on Die Linke auf Drucksache 18/9709 abzulehnen . Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? –
Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Tagesordnungspunkt 36 uu:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie
Hein, Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid
Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Berufsbildungsgesetz novellieren – Ausbil-
dung verbessern

Drucksachen 18/10281, 18/12928

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12928, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/10281 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? –
Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 vv:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke,
Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion DIE LINKE

Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissen-
schaft wirksam bekämpfen

Drucksachen 18/11597, 18/12934

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12934, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11597 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Koalition und
Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die
Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ww:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke,
Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Soziale Durchlässigkeit bei Zugang und Zu-
lassung zu Hochschulen durchsetzen

Drucksachen 18/11418, 18/12929

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12929, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11418 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? –
Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 xx:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-

gie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Globalabkommen mit Mexiko aussetzen

Drucksachen 18/12548, 18/12986

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12986, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12548 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? –
Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 yy:

Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Harald Petzold (Havelland), Jan Korte,
Sabine Zimmermann (Zwickau), weiteren Ab-
geordneten und der Fraktion DIE LINKE einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse-
rung des Schutzes gegen Diskriminierungen
aufgrund des Gesundheitszustandes

Drucksache 18/3315

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/10665

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/10665, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 18/3315 abzulehnen . Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen . – Das ist die Linke . Wer stimmt dagegen? – Das
ist die Koalition . Und wer enthält sich? – Bündnis 90/Die
Grünen . Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abge-
lehnt, und damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung .

Tagesordnungspunkt 36 aaa:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva
Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in
Zirkussen

Drucksachen 18/12088, 18/12908

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12908, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12088 abzulehnen . Wer
stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? –
Die Opposition . Wer enthält sich? – Niemand . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Tagesordnungspunkt 36 bbb:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus
Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den
Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im
Ausland stoppen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grenzregionen vor Atomrisiken schützen –
Export von Brennelementen stoppen

Drucksachen 18/11596, 18/12093, 18/12891

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12891, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11596
mit dem Titel „Ausfuhr von Uran‑Brennstoffen für den
Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stop-
pen“ abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die
Linke . Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung der Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/12093 mit dem Titel „Grenzregionen
vor Atomrisiken schützen – Export von Brennelementen
stoppen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 eee:

Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate
Künast, weiteren Abgeordneten und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Asylgesetzes zur Beschleunigung von Verfah-
ren

Drucksache 18/12360

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)


Drucksache 18/12646

Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/12646, den Gesetzent-
wurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/12360 abzulehnen . Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen . – Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke . Wer
stimmt dagegen? – Die Koalition . Wer enthält sich? –
Niemand . Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ab-
gelehnt, und damit entfällt jede weitere Beratung .

Tagesordnungspunkt 36 fff:

Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck

(Köln), weiteren Abgeordneten und der Frakti-

on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zi-
vilprozessordnung

Drucksache 18/7359

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/8124

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/8124, den Gesetzentwurf der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7359 abzulehnen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – CDU/CSU
und SPD . Wer enthält sich? – Niemand . Der Gesetzent-
wurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt
die weitere Beratung .

Tagesordnungspunkt 36 ggg:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja
Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz

Drucksachen 18/12097, 18/12990

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12990, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12097 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 hhh:

Beratung der Beschlussempfehlung und des

(3 . Ausschuss)

Koenigs, Uwe Kekeritz, Kordula Schulz-Asche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Die Beziehungen zwischen Deutschland und
Namibia stärken und unserer historischen
Verantwortung gerecht werden

Drucksachen 18/5385, 18/6378

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/6378, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5385 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bünd-

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


nis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Die
Beschlussempfehlung ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 iii:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses (7 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Gerhard
Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder
nachhaltig anlegen

Drucksachen 18/12381, 18/12843

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12843, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12381 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 jjj:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi
Lemke, Dr . Valerie Wilms, Uwe Kekeritz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 –
Meeresschutz

– zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi
Lemke, Dr . Valerie Wilms, Peter Meiwald,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im
Meer wirkungsvoll schützen

Drucksachen 18/12380, 18/12109, 18/12899

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12899, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/12380 mit dem Titel „Umsetzung des Nachhal-
tigkeitsziels 14 – Meeresschutz“ abzulehnen . Wer stimmt
dafür? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Op-
position . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/12109 mit dem Titel „Todesfalle
Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schüt-
zen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die
Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer
enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 lll:
Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses (7 . Ausschuss)


zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas
Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplatt-
formen wirksam bekämpfen – Plattformbe-
treiber in Haftung nehmen
Drucksachen 18/12556, 18/12963

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12963, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12556 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ooo:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin
Andreae, Dr . Franziska Brantner, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Gesellschaftliche Teilhabe und gute Bildung
für alle Kinder und Jugendlichen sicherstellen
Drucksachen 18/12795, 18/12997

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12997, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12795 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ppp:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Recht und Verbrau-
cherschutz (6 . Ausschuss)

Übersicht 10
über die dem Deutschen Bundestag zugeleite-
ten Streitsachen vor dem Bundesverfassungs-
gericht
Drucksache 18/12977

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Alle .
Wer stimmt dagegen? – Niemand . Wer enthält sich? –
Auch niemand . Damit ist die Beschlussempfehlung ein-
stimmig angenommen .

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des
Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 36 qqq bis
36 uuu .

Tagesordnungspunkt 36 qqq:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)

Sammelübersicht 449 zu Petitionen
Drucksache 18/12806

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? –
Niemand . Wer enthält sich? – Auch niemand . Damit ist
Sammelübersicht 449 angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 rrr:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 450 zu Petitionen

Drucksache 18/12807

Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? –
Niemand . Wer enthält sich? – Niemand . Sammelüber-
sicht 450 ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 sss:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 451 zu Petitionen

Drucksache 18/12808

Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt da-
gegen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die
Grünen . Sammelübersicht 451 ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 ttt:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 452 zu Petitionen

Drucksache 18/12809

Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? –
Niemand . Wer enthält sich? – Niemand . Sammelüber-
sicht 452 ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 36 uuu:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 453 zu Petitionen

Drucksache 18/12810

Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt da-
gegen? – Die Opposition . Wer enthält sich? – Niemand .
Sammelübersicht 453 ist angenommen .

Tagesordnungspunkt 35 c:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele, Irene Mihalic, Dr . Konstantin
von Notz, weiterer Abgeordneter und der Frakti-
on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994
zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahl-
periode zur Aufarbeitung der DDR-Geschich-
te (MfS/KoKo) des Bundestages nach über
zwei Jahrzehnten aufheben

Drucksache 18/12821

Wer stimmt für den Antrag? – Die Opposition . Wer
stimmt dagegen? – Die Koalition . Wer enthält sich? –
Niemand . Der Antrag ist damit abgelehnt .

Zusatzpunkt 5 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Modernisierung des Rechts der Um-
weltverträglichkeitsprüfung

Drucksache 18/11499

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (16 . Ausschuss)


Drucksache 18/12994

Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß
§ 31 unserer Geschäftsordnung vor .1)

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12994, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/11499 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Die Koalition . Wer stimmt
dagegen? – Die Opposition . Wer enthält sich? – Nie-
mand . Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung
angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen
zu erheben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhält-
nis angenommen .

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/13017 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – CDU/
CSU und SPD . Wer stimmt dagegen? – Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – Niemand . Der
Entschließungsantrag ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 b:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Schädliche Umweltwirkungen von Geisternet-
zen und Dolly Ropes verhindern

Drucksache 18/12944

Wer stimmt für diesen Antrag? – Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer enthält sich? –
Der Antrag ist angenommen . Ich sehe keine Enthaltun-
gen .

Zusatzpunkt 5 c:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten
und notwendige Assistenz ermöglichen

Drucksache 18/12945

1) Anlage 2

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stim-
men aller Fraktionen angenommen .

Zusatzpunkt 5 d:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Nationale Stelle zur Verhü-
tung von Folter

Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der
Länderkommission

Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2,
18/13007

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/13007, in Kenntnis der Unter-
richtung auf Drucksache 18/12444 eine Entschließung
anzunehmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Op-
position . Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 e:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
der Verordnung der Bundesregierung

Verordnung zur Neuordnung der Klär-
schlammverwertung

Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2,
18/13003

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/13003, der Verordnung auf
Drucksache 18/12495 zuzustimmen . Wer stimmt für die-
se Beschlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt
dagegen? – Die Opposition . Wer enthält sich? – Nie-
mand . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 f:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie (9 . Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung

Verordnung zu Ausschreibungen für
KWK-Anlagen und innovative KWK-Syste-
me, zu den gemeinsamen Ausschreibungen
für Windenergieanlagen an Land und Solar-
anlagen sowie zur Änderung weiterer Verord-
nungen

Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4,
18/12987

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/12987, der Verordnung auf
Drucksache 18/12375 in der Ausschussfassung zuzu-
stimmen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Opposition .
Wer enthält sich? – Niemand . Die Beschlussempfehlung
ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 g:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21 . Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Matthias W . Birkwald, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

Neustart für eine friedliche und gerechte Eu-
ropäische Union

Drucksachen 18/11723, 18/12919

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12919, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/11723 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dage-
gen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Niemand . Damit
ist die Beschlussempfehlung angenommen .

Zusatzpunkt 5 h:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21 . Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize
Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Neustart der Europäischen Union auf der
Grundlage Sozialer Menschenrechte

Drucksachen 18/12089, 18/12918

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12918, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 18/12089 abzulehnen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Linke . Wer enthält sich? –
Bündnis 90/Die Grünen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Zusatzpunkt 5 i:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-
Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt
modernisieren

Drucksachen 18/12361, 18/12931

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12931, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12361 abzu-
lehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die
Grünen . Wer enthält sich? – Die Linke . Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen .

Zusatzpunkte 5 j bis 5 q . Wir kommen zu weiteren Be-
schlussempfehlungen des Petitionsausschusses .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Zusatzpunkt 5 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 454 zu Petitionen

Drucksache 18/12955

Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? –
Niemand . Wer enthält sich? – Niemand . Sammelüber-
sicht 454 ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 455 zu Petitionen

Drucksache 18/12956

Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? – Nie-
mand . Enthaltungen? – Niemand . Sammelübersicht 455
ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 l:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 456 zu Petitionen

Drucksache 18/12957

Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt da-
gegen? – Die Linke . Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die
Grünen . Sammelübersicht 456 ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 m:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 457 zu Petitionen

Drucksache 18/12958

Wer stimmt dafür? – Alle . Wer stimmt dagegen? –
Niemand . Wer enthält sich? – Niemand . Sammelüber-
sicht 457 ist angenommen .

Zusatzpunkt 5 n:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 458 zu Petitionen

Drucksache 18/12959

Wer stimmt dafür? – CDU/CSU, SPD und Linke . Wer
stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen . – Es enthält
sich niemand . Die Sammelübersicht 458 ist angenom-
men .

Zusatzpunkt 5 o:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 459 zu Petitionen

Drucksache 18/12960

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 459 ist bei Enthaltung der
Linken angenommen .

Zusatzpunkt 5 p:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 460 zu Petitionen

Drucksache 18/12961

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 460 ist gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke angenommen .

Zusatzpunkt 5 q:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 461 zu Petitionen

Drucksache 18/12962

Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt da-
gegen? – Die Opposition . Wer enthält sich? – Niemand .
Sammelübersicht 461 ist angenommen .

Damit bedanke ich mich bei Ihnen für die Konzent-
ration .


(Beifall – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/ CSU]: Kompliment, Frau Präsidentin! Klasse!)


Ich rufe die Zusatzpunkte 6 a und 6 b auf:

a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be-
nennenden Mitglieder des Gemeinsamen par-
lamentarischen Kontrollausschusses von Eu-
ropol

Drucksache 18/13026

b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD

Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be-
nennenden Mitglieder des Gemeinsamen par-
lamentarischen Kontrollausschusses von Eu-
ropol

Drucksache 18/13025

Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß
§ 31 unserer Geschäftsordnung vor .1)

Zusatzpunkt 6 a . Wir stimmen zunächst über den
Wahlvorschlag der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/13026 ab . Wer
stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Das sind die Grünen
und die Linken . Wer stimmt dagegen? – Das ist die Koa-
lition . Enthaltungen? – Niemand . Der Wahlvorschlag ist
abgelehnt .

1) Anlage 3

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Zusatzpunkt 6 b . Wir kommen nun zu dem Wahl-
vorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 18/13025 . Wer stimmt für diesen Wahlvor-
schlag? – CDU/CSU und SPD . Wer stimmt dagegen? –
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke . Wer enthält
sich? – Niemand . Der Wahlvorschlag ist angenommen .

Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:

Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen-
nenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Be-
ratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Un-
terlagen-Gesetzes

Drucksache 18/13002

Wer stimmt für den interfraktionellen Wahlvorschlag
auf Drucksache 18/13002? – Alle . Wer stimmt dage-
gen? – Niemand . Wer enthält sich? – Auch niemand . Der
Wahlvorschlag ist angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja
Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE

Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen
bundesweiten Aktionsplan

Drucksachen 18/8723, 18/12893

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden .1)

Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12893, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8723
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? –
Das ist die Opposition . Enthaltungen? – Keine . Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit (16 . Ausschuss) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung
Baukultur

und Stellungnahme der Bundesregierung

Drucksachen 18/10170, 18/10307 Nr. 9,
18/11384

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor .

1) Anlage 4

Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben
werden . – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden .2)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
auf Drucksache 18/11384. Der Ausschuss empfiehlt, in
Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/10170
eine Entschließung anzunehmen . Wer stimmt für die-
se Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist bei Enthaltung der Opposition angenom-
men .

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/12970 . Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Die Linke . Wer stimmt
dagegen? – Die Koalition . Wer enthält sich? – Bünd-
nis 90/Die Grünen . Der Entschließungsantrag ist abge-
lehnt .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 ddd auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln),
Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Aufenthaltsgesetzes
Drucksache 18/12546
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4 . Ausschuss)

Drucksache 18/12838

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . Sind
Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall .3)

Dann kommen wir zur Abstimmung . Der Innenaus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12838, den Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12546 abzu-
lehnen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen . – Die Grünen und
die Linken . Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU/CSU .
Wer enthält sich? – Niemand . Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt die wei-
tere Beratung .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia
Dignidad
Drucksache 18/12943

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Künast, Harald Petzold (Havelland) und weiterer
Abgeordneter
Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia
Dignidad und Hilfe für die Opfer
Drucksache 18/11805

2) Anlage 5
3) Anlage 6

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Jetzt sind Sie wieder dran . Denn nach der Vereinba-
rung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . –
Auch hier höre ich keinen Widerspruch . Dann ist so be-
schlossen .

Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat
Dr . Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion . – Bitte schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Stephan Harbarth (CDU):
Rede ID: ID1824325200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer von San-
tiago de Chile aus Richtung Süden reist, die Ufer des Rio
Maipo überquert, vorbei an Nationalparks in ein Pla teau
unweit des Vulkans Nevado de Longavi gelangt, dem
bietet sich ein wirklich unwirklicher Kontrast . Denn die
Schönheit der Landschaft darf nicht über den Schrecken
des Ortes, darf nicht über den Schrecken der sogenannten
Colonia Dignidad hinwegtäuschen, einer selbst erklärten
Kolonie der Würde, die zum Verlies, Trauma und Schick-
sal von Hunderten Deutschen und Chilenen wurde . Was
sich auf dem 15 000 Hektar umfassenden Gelände über
einen Zeitraum von Jahrzehnten abspielte, offenbart das
Grauen vieler isolierter, in sich geschlossener Systeme .
Sie tendieren zum Totalen, zur Repression, zur Entrech-
tung des Einzelnen .

Im Rahmen einer Delegationsreise des Rechtsaus-
schusses begegneten Parlamentarier aus diesem Hause
einigen der im Inneren gebrochenen Menschen, deren Le-
ben bis heute von den Kerben der Schreckensherrschaft
Paul Schäfers geprägt ist . Missbrauch, Folter, Zwangs-
arbeit, die Liste der Verbrechen der Führungsriege ist
lang und unerträglich . Einige der tiefsten Verletzungen
der Opfer sind für uns nicht sichtbar, aber im persönli-
chen Gespräch sehr wohl spürbar. Besonders betroffen
macht mich etwa, dass Kinder kurz nach der Geburt von
ihren Eltern getrennt wurden, ein das Urvertrauen zerstö-
render Akt, der dazu führte, dass für die Betroffenen nie
eine normale Eltern-Kind-Beziehung entstehen konnte .
Darüber hinaus fügt die Zusammenarbeit der Täter mit
dem Pinochet-Regime dem Verbrechen eine politische
Dimension hinzu . Das inszenierte Bild einer vermeintli-
chen Idylle sollte die Öffentlichkeit davon ablenken, dass
auf dem Areal mit chemischen und biologischen Waffen
experimentiert wurde, Massengräber angelegt und Ge-
heimdienstarchive geführt wurden .

Die Aufarbeitung der Geschehnisse ist bei weitem
nicht abgeschlossen . Mit dem vorliegenden Antrag wol-
len wir den Prozess der Aufklärung vorantreiben, Opfer
unterstützen und Bildungsarbeit fördern . Im Rahmen der
deutsch-chilenischen Beziehungen soll eine Kooperati-
onsstrategie erarbeitet werden, die Licht in den Schatten
dieses dunklen Kapitels wirft . Die Förderung von Men-
schenrechts- und Bildungsprogrammen soll hierbei einen
Schwerpunkt bilden, um die Geschehnisse für nachwach-
sende Generationen erfahrbar zu halten .

Auch soll die Gedenkkultur auf dem Gelände der
ehemaligen Colonia Dignidad unter Einbeziehung der
Opferverbände eine würdige Form annehmen . Eine Ex-
pertenkommission soll den Stand der Aufarbeitung ana-
lysieren und Vorschläge für weitere Schritte unterbreiten .

In diesem Kontext trägt unser Antrag der Bundesregie-
rung auf, bis zum 30 . Juni kommenden Jahres die Finan-
zierung einer Begegnungs- und Gedenkstätte zu prüfen .

Des Weiteren wollen wir die Stärkung der psychoso-
zialen Betreuung beschließen, um die seelische Heilung
der Opfer zu unterstützen und ihnen die Rückkehr in den
gesellschaftlichen Alltag zumindest einen Schritt weit zu
erleichtern .

Als Schlussstein der Unterstützungsmaßnahmen soll
die Einrichtung eines Hilfsfonds durch eine dafür einzu-
richtende interministerielle und interfraktionelle Kom-
mission geprüft werden, um auch den finanziellen Nöten
der Opfer Rechnung zu tragen . Die Richtlinien werden
unter Beteiligung fachkundiger Nichtregierungsorgani-
sationen und betroffener Opferverbände skizziert. Von
Entschädigung sprechen wir indes nicht; denn die Ver-
brechen spielten sich auf ausländischem Boden ab . Die
deutsche Diplomatie trifft jedoch eine Mitverantwortung;
denn der Umstand, dass die deutsche Botschaft in San-
tiago de Chile betroffene und aus der Kolonie geflohene
Staatsbürger abwies und ihre Berichte nicht ernst nahm,
ist ein eklatanter Bruch des Grundsatzes der Schutzver-
antwortung des Staats für seine Bürgerinnen und Bürger .
Auch das gehört zur Wahrheit der Geschehnisse .

Richard von Weizsäcker sagte einmal: „Wer aber vor
der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für
die Gegenwart .“ Wir wollen mit dem vorliegenden An-
trag die Grundlage dafür schaffen, dass die Augen vor
der Vergangenheit weiterhin geöffnet werden, damit den
Opfern eine Zukunft geboten wird . Das sollte Fraktions-
grenzen überwinden, um ein einmütiges Signal aus die-
sem Hohen Hause an all jene zu senden, die unter diesem
Unrecht litten und nun Hoffnung in uns setzen.

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824325300

Vielen Dank, Herr Kollege Harbarth . – Liebe Kolle-

ginnen und Kollegen, wie Sie sehen, gab es einen Wech-
sel im Vorsitz . Sie und ich, wir werden gemeinsam die
letzten Tagesordnungspunkte beraten . Ich nutze diesen
Hinweis als Überleitung, weil die Kollegin Ulla Schmidt
gerade fast eineinhalb Stunden in einer außerordentli-
chen Konzentrationsleistung gemeinsam mit Ihnen eine
Vielzahl von Abstimmungen durchgeführt hat . Dafür
wollte ich ihr einfach meine Hochachtung aussprechen .


(Beifall)


Jetzt machen wir weiter . Das Wort hat der Kollege
Harald Petzold für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824325400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Im November des vergangenen Jahres hat eine
Delegation des Rechtsausschusses, der Abgeordnete aller
vier Fraktionen angehörten, Argentinien und Chile be-
sucht; der Kollege Harbarth hat gerade darüber berichtet .
Ziel der Reise war unter anderem ein Besuch der Colonia

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Dignidad, eines der berüchtigsten Orte im Hinblick auf
fürchterliche Menschenrechtsverletzungen, Folter und
Mord .

Wir wollten uns selbst ein Bild vom Ort dieses Grau-
ens machen . Wir wollten Opfern von Folter und Mord
gedenken . Wir haben eine „fosa común“ besucht und mit
Hinterbliebenen der Opfer gedacht . Wir wollten Gesprä-
che mit Verbänden sowie Aktivistinnen und Aktivisten
der chilenischen Opfer und deren Hinterbliebenen so-
wie mit ehemaligen und jetzigen Bewohnerinnen und
Bewohnern der nun „Villa Baviera“ genannten Siedlung
führen .

Das, was wir dort zu sehen und zu hören bekommen
haben, hat mich, aber auch die anderen Mitglieder der
Delegation tief beeindruckt . Dass wir heute auf der
Grundlage von zwei Anträgen über dieses Thema spre-
chen und abstimmen werden, zeugt von dieser Betroffen-
heit . Eigentlich hatten wir uns im Nachgang dieser Reise
darauf verständigt, zumindest zu versuchen, hier einen
gemeinsamen Antrag einzubringen . Insofern bedauere
ich es, dass aufgrund der Blockadehaltung der Unions-
fraktionsführung, gemeinsam mit meiner Fraktion keine
Anträge einzubringen, ein solcher Antrag der Delegati-
onsmitglieder und ihrer Fraktionen unmöglich gemacht
worden ist .

Gleichzeitig begrüße ich aber, dass die Union mit ih-
rem Antrag eine Kehrtwende in ihrer Beurteilung der Er-
eignisse in der Colonia Dignidad und in ihren Schlussfol-
gerungen vollzogen hat und dass man nach vielen Jahren
des Wegschauens und der Leugnung jeglicher Mitverant-
wortung jetzt davon spricht, dass in der Colonia Dignidad
über Jahre hinweg systematisch schwerste Menschen-
rechtsverletzungen begangen worden sind . Auch wenn
sich die Große Koalition gemeinsam mit Bündnis 90/Die
Grünen noch scheut, konkrete Mitverantwortung zu be-
nennen, kommt sie doch zu dem Schluss – ich zitiere –:
Die Colonia Dignidad verfügte auch in der Bundesrepu-
blik über politische Kontakte und Unterstützungsnetz-
werke . Es habe eine enge Zusammenarbeit mit der chile-
nischen Militärdiktatur unter Pinochet gegeben .

Schließlich begrüße ich es auch, dass nach den Er-
klärungen des Bundestages aus dem Jahr 2002 und von
Exbundesaußenminister Steinmeier jetzt endlich auch
konkrete Maßnahmen unternommen werden sollen, die
den Opfern ein würdiges Gedenken sowie Hilfe und Wie-
dergutmachung bringen können .

Diese drei Kriterien waren meiner Fraktion in den
letzten Jahren immer sehr wichtig . Deswegen werden wir
heute sowohl für den Gruppenantrag einzelner Abgeord-
neter meiner Fraktion und der Bündnisgrünen stimmen,
der ursprünglich einmal der gemeinsame Antrag aller
Fraktionen werden sollte und ohne den sich wahrschein-
lich in Sachen Beschluss gar nichts bewegt hätte . Deswe-
gen mein herzlicher Dank an die Kollegin Künast, an den
Kollegen Flisek und an den Kollegen Korte,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


die mit mir an diesem gemeinsamen Antrag gearbeitet
haben! Aber wir werden auch dem Antrag der Koaliti-
onsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen zustim-
men, weil er ein wichtiges Signal an alle Opfer der Co-
lonia Dignidad aussendet . Insofern auch den Kollegen
Harbarth, Luczak und Ullrich von der Union und dem
Kollegen Barthel von der SPD herzlichen Dank für die-
sen Antrag!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen, dass durch ein einheitliches Votum des
Deutschen Bundestages dieses wichtige Signal deutlich
gesetzt wird . Wir kündigen Ihnen aber gleichzeitig an,
dass wir in der kommenden Wahlperiode sehr genau da-
rauf achten werden, dass die in dem Antrag aufgeführten
Zusagen und Prüfaufträge tatsächlich ernst genommen
werden und dass der Antrag nicht wie die Erklärung aus
dem Jahre 2002 in der Versenkung verschwindet . Wir
werden sehr deutlich einfordern, dass dem damaligen Be-
dauern und den Worten des Exaußenministers Steinmeier
weitere Schritte in Richtung Anerkennung von Mitver-
antwortung und Schlussfolgerung folgen werden . Das
betrifft insbesondere die Militärdiktaturzeit.

Wir werden weitere Zugänglichmachung von Akten und
Archiven einfordern . Neben dem Auswärtigen Amt be-
trifft das vor allen Dingen den BND, das Bundeskanz-
leramt, aber auch die Staatskanzlei in München . Wir
brauchen endlich konsequente Strafverfolgung durch die
Justiz . Dass Hartmut Hopp immer noch frei herumläuft,
ist ein Skandal, finde ich. Wir brauchen auch endlich
wirkungsvolle Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad,
egal an welcher Stelle der Welt sie sich gerade aufhalten .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will abschließend den Opfern der Colonia Dig-
nidad versichern: Sie haben heute hier im Deutschen
Bundestag Gehör gefunden . Das ist ein wichtiger Erfolg
Ihres jahrzehntelangen Kampfes . Auch wenn die Linke
auf dem heute hier zu beschließenden Antrag „Aufarbei-
tung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ nicht mit
draufsteht, haben die Opfer auch in uns eine Partnerin im
Kampf um Gerechtigkeit, um Wahrheit, um Aufklärung
und um Wiedergutmachung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824325500

Nächster Redner ist der Kollege Christian Flisek für

die Fraktion der SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Harald Petzold (Havelland)







(A) (C)



(B) (D)



Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1824325600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Verehrte Vertreter der Betroffenen! Als ich im November
letzten Jahres gemeinsam mit einigen Kolleginnen und
Kollegen des Rechtsausschusses das Gelände der Co-
lonia Dignidad besuchte, war es schwer, an diesem Tag
aufgrund der zahlreichen Berichte nicht die Fassung zu
verlieren. Die Betroffenen, mit denen wir und mit denen
ich in Chile und später auch hier in Berlin sprechen konn-
ten, sind gebrochene Seelen . Einige von ihnen sind heute
hier .

Für mich ist klar: Die Geschichte der Kolonie, aber
insbesondere auch diese persönlichen Lebensgeschich-
ten dürfen nicht vergessen werden . Daher erlaube ich
mir, an dieser Stelle zwei kurze Zitate aus Berichten von
Rainer und Werner Schmidtke vorzulesen . Ich traf beide
Anfang Februar hier in Berlin . Sie wurden in Deutsch-
land geboren und kamen im Kindesalter in die Kolonie .

Rainer Schmidtke berichtet:

Wir Kinder wurden, nachdem wir in der Kolonie
angekommen waren, nach Alter und Geschlecht
sortiert und in Gruppen aufgeteilt . Alles, was man
von zu Hause mitgebracht hatte, wurde einem weg-
genommen, von der Zahnbürste bis zur gesamten
Kleidung . Mutti war nicht mehr da, das heißt, ich
wurde ihr weggenommen . Ich erinnere mich, wie
ich jahrelang fast täglich vor Angst und Stress in die
Hose machte .

Sein Bruder Werner schildert seine Erlebnisse:

Ich habe wie auch meine Brüder das Allerschlimms-
te erfahren, dem Tod ins Auge gesehen und überlebt .
Ich war Sklave einer namenlosen Sondergruppe, die
fast zwei Jahrzehnte lang Terror, der Folter und der
Willkür einiger Folterknechte ausgeliefert war, und
das schon im Kindesalter ab etwa acht Jahren . Bei
trocken Brot und Wasser galt es, unter Peitschenhie-
ben Zwangsarbeit zu leisten .

Werner Schmidtke beehrt unsere Debatte heute durch
seine persönliche Anwesenheit im Plenum . Ich möchte
Sie herzlich begrüßen, Herr Schmidtke .


(Beifall im ganzen Hause)


Dass dieser unglaubliche Missbrauch nicht in Ver-
gessenheit geraten ist, ist in erster Linie den Betroffenen
selbst und ihren Angehörigen zu verdanken, den zahlrei-
chen Menschenrechtsanwälten und -aktivisten und vielen
Organisationen, die seit Jahrzehnten an diesem Thema
arbeiten .

Ich bin sehr dankbar, dass der Rechtsausschuss des
Deutschen Bundestages damals den Vorschlag der
SPD‑Arbeitsgruppe aufgegriffen hat, eine Delegations-
reise nach Argentinien und Chile zu unternehmen und bei
der Gelegenheit auch die Colonia Dignidad zu besuchen .
Wir haben als erste Delegation von Bundestagsabgeord-
neten das Gelände der Kolonie besuchen können, einen
Ort, der so eng verwoben ist mit deutscher und chileni-
scher Geschichte, mit dem Leid und Leben vieler Deut-
scher und auch unzähliger Chilenen; denn die Kolonie
war in den Jahren der Militärdiktatur auch ein Ort, an

dem Oppositionelle vom chilenischen Inlandsgeheim-
dienst auf brutalste Weise gefoltert und ermordet wurden .
Das zeigt die Komplexität .

Uns war klar, dass wir ein System wie das der Co-
lonia Dignidad nicht durch einen Besuch durchdringen
können . Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute
einen überfraktionellen Antrag zur Aufarbeitung der Ver-
brechen in der Kolonie verabschieden können . In diesem
Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, die straf-
rechtlichen Ermittlungen in Deutschland und Chile vo-
ranzutreiben, ein Konzept für die gemeinsame Einrich-
tung einer nach wissenschaftlichen Kriterien gestalteten
Begegnungsstätte vorzulegen . Besonders wichtig für die
Betroffenen: Wir fordern von der Bundesregierung, ein
Konzept für Hilfsleistungen für die Opfer vorzulegen,
die heute in schwersten sozialen und wirtschaftlichen
Verhältnissen leben .

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Kolleginnen
und Kollegen, dies kann nur der Anfang für weitere Auf-
arbeitung sein . Lassen Sie uns bitte genau hinschauen,
gerade weil die Geschehnisse an einem Ort stattfanden,
der so weit von Deutschland entfernt ist . Ich bin aber si-
cher, dass unseren Worten heute endlich auch Taten fol-
gen werden .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824325700

Die Kollegin Renate Künast hat jetzt für Bündnis 90/

Die Grünen das Wort .


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824325800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Schmidtke, Herr Wagner, stellvertretend für andere,
die dort waren! Ich habe in meinem Leben schon eine
Menge gesehen und bin eigentlich gar nicht so leicht zu
erschüttern, außer als wir mit sieben Abgeordneten im
letzten November in der ehemaligen Kolonie waren . Ich
war schon vorher erschüttert, weil ich bei den Vorberei-
tungen gemerkt habe: Da ist so viel Energie drin, so viel
Verletzung, so viel Traumatisierung, so viel Ohnmacht
und so viel Wir-werden-nicht-gehört, dass ich mich, als
wir uns früh morgens auf den Weg zu einer vierstündigen
Busfahrt zur Kolonie gemacht haben, gefragt habe, was
das werden wird .

Ich muss sagen – das habe ich selten erlebt –, dass
alle aus dieser Delegation enorm beeindruckt waren
und es heute noch sind . Der größte Eindruck für mich
ist, dass wir Verantwortung haben und dass wir unserer
Verantwortung bisher nicht gerecht geworden sind . Wir
haben weggesehen . Deutsche Behörden haben weggese-
hen, und man müsste schon ziemlich viel Tuch über die
Augen legen, um da nichts zu sehen . Kinder sind dort-
hin entführt worden und wurden missbraucht . Die El-
tern sind belogen worden . Dort wurde gemordet . Es gab
Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, Sklavenarbeit, Folter,






(A) (C)



(B) (D)


Psychopharmaka ohne Indikation – an den Bewohnern,
an den Kindern, die von ihren Eltern getrennt wurden .

Ich weiß noch, dass wir am Anfang in einer Halle wa-
ren und uns an verschiedenen Stellen zum Kaffee hinge-
setzt haben; Sie erinnern sich . Mir ging es so: Ich kam
mit einer Frau ins Gespräch, die dort als Kleinkind hin-
gekommen war und mir mal eben beim Kaffee und beim
ersten Keks – es war wirklich eine klassisch deutsche,
gemütliche Struktur: Berge von Kuchen und Keksen –
ihr Leben ausgebreitet hat . Da konnte man eigentlich die
Fassung verlieren . Es wurde geschildert, wie Zweijähri-
ge behandelt werden . Sie durften ihre Eltern nicht sehen,
sie durften auf der Straße nicht miteinander reden . Es gab
Elektroschocks für die Jungen . Die Frau selber wurde
ebenfalls mit Elektroschocks an den Genitalien behan-
delt und konnte deshalb keine Kinder mehr bekommen .
Sie hat weiter erzählt, dass ihr Mann, der auch als Kind
dort aufgewachsen ist, später wegen Beihilfe zum Kin-
desmissbrauch verurteilt wurde, weil er Herrn Schäfer
offensichtlich Jungs zugeführt hat. Daran sieht man das
ganze Drama . Da kann man Täter und Opfer manchmal
nicht auseinanderhalten .

Wir als Deutschland haben nicht hingesehen, nicht
geholfen . In idyllischer Landschaft gelegen mit einem
Zaun, bei dem der Draht nach innen zeigt, damit man
nicht heraus kann, kann die Kolonie keiner in der Bot-
schaft gesehen haben, obwohl es doch ein, zwei Personen
gab, denen aber nicht zugehört wurde, weil sie nicht ge-
mocht wurden . Seit 1966 hätten wir davon wissen kön-
nen, weil zu dem Zeitpunkt der Erste, der geflohen war,
öffentlich darüber berichtete.

Mein Eindruck ist: Es gibt eine gewisse Traumatisie-
rung und vielleicht auch ein Gar-nicht-gelernt-Haben, in
einer freien Welt zu leben . Sie sind um ihr Leben betro-
gen worden . Deutschland – ich sage wir, weil wir ja die
Generation sind, die es aufklären muss – hat sich nicht
gekümmert . Sie haben schon als Kinder 7 Tage die Wo-
che, 16 Stunden am Tag auf dem Acker gearbeitet . Kei-
ner hat für sie eingezahlt, und heute sind sie arm . Wir
haben Verantwortung .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir haben auch für eine andere Gruppe Verantwor-
tung; ich habe ein paar Fotos, die mich sehr beeindruckt
haben. Dieses Gelände ist von Paul Schäfer offensichtlich
auch genutzt worden, um vor dem Putsch gegen Allende
Waffen herzustellen. Irgendwelche Leute haben da Un-
terschlupf gefunden . Während der Militärdiktatur waren
mindestens 350 Chilenen dort . 100 sind wohl ermordet
und dort verscharrt worden . Unser Tag dort hat damit be-
gonnen, dass wir an einem solchen ehemaligen Massen-
grab, in dem man später Menschen-DNA gefunden hat,
zusammen Blumen niedergelegt haben . Die Opfer sind
an anderen Stellen verscharrt worden . Wir haben sie ge-
funden, weil Jugendliche das damals gesehen haben und
mit hinfuhren . Es gab eine gemeinsame Gedenkminute
mit den nicht mehr dort lebenden Deutschen und denen,
die noch dort leben . Wahnsinn!

Wenn ich noch eine Minute Redezeit bekomme, Herr
Präsident, würde ich gerne noch sagen, um was es geht:
Wir haben an einem Folterkeller gestanden mit einem

Mann über 50, der draußen lebt und der uns erzählt hat,
dass er über diesem Folterkeller – darüber war einmal
eine Schneiderei – als Junge nachts alleine schlafen
musste – man hat sie immer separiert, sie wurden mit
Elektroschocks behandelt; denn sie sollten nicht mitei-
nander reden, das war Terror – und wie er da oben lag
und unten im Keller die Chilenen gefoltert wurden . Er
hat erzählt, wie das war: Ich lag da alleine, und sie haben
erbärmlich geschrien, und wenn das Schreien aufhörte,
habe ich gedacht, sie sind tot . Und sie waren doch nicht
tot, weil das Schreien wieder da war . – Ich sage noch
einmal: Wir haben Verantwortung . Wir hätten auch als
Deutsche ein Stück mehr mitkriegen müssen .

Um einen großen Bogen zu spannen, möchte ich sagen:
Ich bin dankbar, dass am Ende – wenn auch auf großen
Umwegen; aber es zählt ja das Ergebnis – alle Fraktionen
zustimmen und damit ausgedrückt ist, dass wir jetzt eine
Aufarbeitung wollen . Es war ein langer Weg, auf dem die
Dinge wirklich unmöglich gelaufen sind, einschließlich
das Falles von Paul Schäfer, gegen den es schon 1961
einen Haftbefehl gab, den man in Chile suchte, aber den
man scheinbar nie finden wollte. Vielleicht wollten auch
die Chilenen nicht, dass er gefunden wird . Erst 1996 war
es dann so weit, dass es ein Ermittlungsverfahren gab .
2005 wurde er festgenommen .

Es ist doch schaurig, wenn man bedenkt, dass man das
alles eigentlich nicht übersehen konnte . Wir müssen jetzt
eines tun: Auf der einen Seite müssen wir mit der chileni-
schen Regierung und dem chilenischen Volk zusammen
Aufarbeitung betreiben, einen Ort des Gedenkens und
des Lernens finden für das, was da an chilenischer Folter
passiert ist . Auf der anderen Seite müssen wir auch den
deutschen Staatsangehörigen gegenüber etwas machen,
aufarbeiten, sagen, was war – man nennt das Oral His-
tory –, und am Ende einen Weg für eine Entschädigung
finden.


(Beifall im ganzen Hause)


Diese Menschen konnten nicht erwerbstätig sein . Sie le-
ben jetzt von sehr wenig .

Ich glaube, dass dies am vorletzten Tag des Plenums
ein großer Arbeitsauftrag für die nächste Legislaturperio-
de ist, und ich freue mich, dass ich schon bei einigen ah-
nen kann, dass wir gemeinsam in der nächsten Wahlpe-
riode dranbleiben werden . Das ist ein Auftrag . Insofern
ist der 30 . Juni 2018 auch ein Datum, das in Richtung
Regierung zielt . Sie dürfen schon anfangen, an den Kon-
zepten zu arbeiten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824325900

Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Michael

Brand das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Christian Flisek [SPD])


Renate Künast






(A) (C)



(B) (D)



Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1824326000

Alle Kinder mussten da so schlafen, durften nur auf
dem Rücken liegen, die Hände daneben, nackt . Das
Gesicht wurde von diesen Wachleuten zugedeckt,
und es wurde uns nasse Watte in die Ohren gesteckt .
Und dann nachts wurdest du dann mit Strom aus
dem Schlaf gerissen . Das waren immer so Elektro-
geräte, die haben die immer in die Genitalien rein-
gehalten .

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das berichtete einer der rund 300 Menschen, die in der
streng abgeriegelten Siedlung leben mussten, versklavt,
gefoltert, viele von ihnen sexuell missbraucht von die-
sem ekelhaften Sadisten Paul Schäfer und seiner Verbre-
cherclique .

Man hat mir Spritzen, Tabletten gegeben . Und dann
warst du nur – ich weiß gar nicht, wie ich das er-
klären soll – benebelt . Ich wusste, ich bin gar nicht
mehr ich .

So erinnert sich eine Frau an die Misshandlungen im
Krankenhaus .

Es fällt mir schwer, heute darüber zu sprechen, auch
das auszusprechen . Ich habe mit Anfang 20 in Bosnien in
Massengräber geblickt, habe mich dort im Land in einer
Menschenrechtsorganisation engagiert, vor allem auch
für die überlebenden Frauen aus Srebrenica . Wir haben
dokumentiert, was damals passiert ist . Ich sage das des-
wegen, weil es mir so geht wie Renate Künast, als ich
dann vor den Opfern und Überlebenden der Colonia hier
gesessen habe . Es sind damals in Bosnien viele Tränen
geflossen. Es waren auch Unverständnis und Wut dabei
über die Täter, über das Wegschauen von denen, die ganz
sicher etwas hätten tun können . In der Zeit habe ich er-
fahren, vielleicht auch nur erahnt, was es heißt, mit einer
Traumatisierung leben zu müssen . Als ich dann vor zwei
Jahren als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses
Opfer zum Gespräch eingeladen habe, dachte ich, das
Thema der sogenannten „Colonia Dignidad“ spiele sich
in der Vergangenheit ab . Nein, ich bin eines Besseren be-
lehrt worden . Ich muss zugeben: Ich war wirklich sprach-
los, als ich im Kreise mit ihnen zusammengesessen habe .
Es war entsetzlich, was berichtet worden ist .

Es bewegt mich, dass heute Überlebende aus der „wür-
delosen Kolonie“ bei uns sind . Es ist uns eine Ehre, dass
Sie heute den Weg in den Deutschen Bundestag gefunden
haben; denn Sie ehren das Hohe Haus mit Ihrem Besuch .


(Beifall im ganzen Hause)


Ich möchte mich – das hört sich pathetisch an; aber es
ist genau so gemeint, wie ich es sage – vor Ihnen vernei-
gen . Ich möchte meinen tiefen Respekt dafür ausdrücken,
dass Sie nicht gebrochen sind, dass Sie nicht verbittert
sind . Sie haben meinen tiefen Respekt, dass Sie das al-
les ertragen haben und dass Sie heute dafür sorgen, dass
erlittenes Unrecht nicht vergessen wird, dass Sie dafür
kämpfen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt, dass
die Vergangenheit aufgearbeitet wird und dass die Täter
zur Rechenschaft gezogen werden .

Ja, es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, die ich bei
unserem Treffen wahrgenommen habe, dass eine 70‑jäh-
rige Frau, die in dieser Kolonie ein Opfer war, ihr Le-
ben lang Zwangsarbeit geleistet hat und heute eine Rente
von 112 Euro erhält, während Täter wie der frühere Arzt
Hopp, der heute in Krefeld lebt, mit allen Raffinessen
ausgestattet, vermutlich über Finanzquellen aus dem
damaligen Unrecht verfügen . Es ist ein hochkomplexes
System, in dem Verbrecher versuchen, ihre Taten zu ver-
schleiern und ihren Profit daraus zu ziehen. Deswegen
braucht es endlich mehr Licht im Dunkeln . Wir dürfen
nicht zulassen, dass die Täter in Deutschland weitgehend
unbehelligt leben und die Opfer in die Röhre schauen .
Lange war Gras über die schlimmsten Verbrechen ge-
wachsen, die Opfer auch weitgehend vergessen . Damit
muss Schluss sein . Das sind wir als Deutscher Bundestag
den Überlebenden schuldig .


(Beifall im ganzen Hause)


Chile trägt Verantwortung für die Verbrechen, die
während der Zeit der Militärdiktatur begangen wurden,
aber Deutschland trägt eine moralische und auch politi-
sche Mitverantwortung . Deutsche Diplomaten haben sich
mitschuldig gemacht . Ignoranz bedeutet auch Schuld .

Den Opfern eine Stimme geben, konkrete Unterstüt-
zung für sie, Aufarbeitung der Verbrechen und eine bes-
sere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf der
deutschen und auf der chilenischen Seite sind die wich-
tigsten Ziele dieses fraktionsübergreifenden Antrags . Ich
möchte von Herzen allen danken, die mit Energie und
Empathie dabei mitgeholfen haben . Ich danke Renate
Künast, Christian Flisek, Stephan Harbarth, Volker
Ullrich, Klaus Barthel und vielen mehr, die ihren Beitrag
geleistet haben . Es war kein einfacher Weg bis hierher .
Deswegen bin auch ich froh, dass wir über diese Frage
doch noch, einen Tag bevor die letzte Sitzungswoche
in dieser Wahlperiode endet, entscheiden können . Es ist
aus meiner Sicht ein politisch starkes Signal, das wir mit
diesem fraktionsübergreifenden Antrag setzen, versehen
mit einer Frist, um die konkreten Maßnahmen der Bun-
desregierung einzufordern . Das Thema darf nicht auf die
lange Bank geschoben werden . Die Überlebenden sind
nicht mehr in jungen Jahren . Wer es jetzt auf die lange
Bank schiebt, macht sich ein zweites Mal schuldig . Der
erste Schritt wird heute getan . Aber helfen Sie bitte alle
mit . Das ist schon die Ankündigung, eine Drohung, dass
wir in den Monaten nach der Wahl dieses Thema aktiv
begleiten werden . Wir wollen ein Ergebnis haben, und
wir werden nicht ruhen, bis wir ein ordentliches konkre-
tes Ergebnis haben . Auch das sind wir den Überlebenden
schuldig .

Ich sage noch einmal: Es ist schön, dass Sie heute ge-
kommen sind . Es ist für uns eine besondere Stunde und
Ehre .

Vielen Dank .


(Beifall im ganzen Hause)







(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824326100

Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege

Klaus Barthel für die SPD das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1824326200

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und

Herren! Ich glaube, die bisherigen Reden haben gezeigt,
warum es notwendig war, dass wir gemeinsam darauf be-
standen haben, dass auch zu so einer späten Stunde, um
halb zwölf in der Nacht, zu diesem Tagesordnungspunkt
noch geredet wird und die Reden nicht zu Protokoll ge-
hen .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Susanna Karawanskij [DIE LINKE])


Ich denke, das sind wir den Opfern, die heute da sind,
und ihren Vertreterinnen und Vertretern schuldig, all de-
nen, die sich in der letzten Zeit auch journalistisch und
wissenschaftlich mit dieser Frage beschäftigt haben, den
Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen . Sie haben
ja gehört: Eigentlich geben die Reden Bausteine wieder,
die sich überhaupt nicht widersprechen . Sie sehen daran
auch – ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen an die
Öffentlichkeit –, wie intensiv wir uns gemeinsam mit die-
ser Geschichte beschäftigt haben .

Ich will an einer Stelle bitten, den Sprachgebrauch zu
ändern . Ich glaube, wir sollten nicht ohne Anführungs-
zeichen von der „Colonia Dignidad“ reden; denn es hat
nichts mit „Würde“ zu tun, und es ist die Tätersprache .
Ich rede dann immer lieber nur von der „Kolonie“ .

Ich bedauere es auch, dass die Linksfraktion nicht mit
in der Kopfzeile stehen darf . Denn auch Sie von der Lin-
ken haben mit vielen Anfragen dazu beigetragen, dass
das Thema nicht vergessen wurde, und wir haben uns
über unser weiteres Vorgehen abgestimmt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, in einer künftigen Legislaturperiode muss
diese Ausgrenzeritis auch mal ein Ende haben,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


weil sie der Sache nicht gerecht wird, gerade auch bei
solchen Fragen, bei denen es ganz wichtig ist, dass ein
gemeinsames Signal vom Deutschen Bundestag ausgeht .

Auch ich will sagen, dass es mich schon überrascht
hat, dass nach so vielen Jahren – die Geschichte fing ja in
den 60er-Jahren an – durchaus immer noch relativ starke,
wirksame Kräfte unterwegs sind, die so einer parlamen-
tarischen Initiative ihren Widerstand entgegensetzen,
und dass es da schon irgendwie noch alte Mächte geben
muss – sowohl in Chile als auch hier bei uns ist das zu
spüren . Ich will es nicht im Detail ausführen . Aber dass
es über ein Jahr gedauert hat, bis wir uns hier – in der

letzten Sitzungswoche – mit dem Antrag befassen, ist
schon ein Zeichen dafür, dass die Vertuscher und Ver-
schweiger noch unterwegs sind, ebenso die Tatsache, die
Herr Brand gerade angesprochen hat, nämlich, dass Täter
wie Herr Hopp heute noch frei herumlaufen und mit viel
Geld und guten Anwälten unterwegs sind, während wir
es auf der anderen Seite mit Opfern zu tun haben, die
heute von Hartz IV leben müssen, obwohl sie ihr Leben
lang Sklavenarbeit geleistet haben, und wir heute darü-
ber streiten müssen, ob es sich um Entschädigung oder
um Hilfe handelt . Und dann kommt noch der Haushalts-
vorbehalt und, und, und . Aber es ist gut, dass jetzt im
Antrag alles so formuliert ist, dass es ein hohes Maß an
Verbindlichkeit gibt .

Es ist höchste Zeit, aufzuarbeiten, und es ist deutlich
zu machen, dass es in dieser Frage politische Verantwor-
tung gibt, auch wenn die Sekte eine Sekte oder eigentlich
ein privates Wirtschaftsunternehmen war . Ich glaube, es
wird ganz deutlich, dass wir alle, in allen Parteien und
Fraktionen, die hier heute vertreten sind, Verantwortung
zu tragen haben . Denn die Geschichte läuft schon län-
ger: Den ersten Antrag zur Kolonie gab es zu rot-grünen
Zeiten .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war sogar zum Schluss!)


– Nein, 2002 . Da hätten wir noch drei Jahre Zeit gehabt . –
Da haben sich also alle nicht mit Ruhm bekleckert .

Umso notwendiger war es, dass Frank-Walter
Steinmeier vor einem Jahr das Signal gegeben hat, dass
wir die Verantwortung übernehmen, sodass wir jetzt ei-
nen klaren Auftrag formulieren konnten . Insofern ist es
auch gut, dass Staatsminister Michael Roth und Staats-
sekretär Meister aus den verantwortlichen Ministerien da
sind. Ich hoffe, dass der kommende Deutsche Bundestag
diesem Antrag Nachdruck verschaffen wird und mithel-
fen wird, zusammen mit den Ministerien das umzuset-
zen, was wir hier gemeinsam formulieren .


(Beifall im ganzen Hause)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824326300

Herr Kollege Barthel, vielen Dank . Das war gleichzei-

tig auch Ihre letzte Rede im Bundestag, wenn ich richtig
informiert bin .


(Beifall)


Sie haben dem Deutschen Bundestag sechs Legislatur-
perioden angehört und dabei viele entscheidende Funk-
tionen ausgeübt . Sie haben aber auch den Deutschen
Bundestag in Organisationen und Institutionen vertreten,
beispielsweise in der Bundesnetzagentur, in der wir ge-
meinsam gearbeitet haben . Ich möchte Ihnen dafür herz-
lich danken .


(Beifall)


Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/12943 mit dem Titel „Aufar-
beitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ .






(A) (C)



(B) (D)


Dazu liegt mir eine Stellungnahme nach § 31 unserer
Geschäftsordnung vor .1)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung . Wer für diesen
Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . – Gibt
es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der
Fall . Der Antrag ist damit mit allen Stimmen des Hohen
Hauses angenommen .


(Beifall im ganzen Hause)

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 22 b .

Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold
und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 18/11805
mit dem Titel „Aufarbeitung der Verbrechen in der Co-
lonia Dignidad und Hilfe für die Opfer“ . Wer für diesen
Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist da-
mit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion
Die Linke abgelehnt .

Damit verlassen wir diesen Tagesordnungspunkt . Ich
darf auch von dieser Seite die anwesenden Opfer der
sogenannten Colonia Dignidad herzlich begrüßen und
Ihnen danken, dass Sie an dieser Debatte teilgenommen
haben .


(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert
Behrens, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines
... Gesetzes zur Änderung der Abgabenord-
nung
Drucksache 18/9125
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7 . Ausschuss)

Drucksache 18/12839

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Widerspruch dagegen erhebt sich nicht .2)

Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung . Der Fi-
nanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12839, den Gesetzentwurf der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/9125 abzulehnen . Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt . Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung .

Deshalb kann ich unmittelbar darauf den Tagesord-
nungspunkt 24 aufrufen:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97

1) Anlage 7
2) Anlage 8

des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20. Januar 2016 über Versicherungs-
vertrieb und zur Änderung des Außenwirt-
schaftsgesetzes

Drucksache 18/11627

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Energie (9 . Ausschuss)


Drucksache 18/13009

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bünd-
nis 90/Die Grünen vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
sehe ich nicht . Dann haben wir das so beschlossen .

Deshalb kann ich die Aussprache sofort eröffnen. Ich
kann als erstem Redner dem Kollegen Marcus Held für
die SPD-Fraktion das Wort erteilen . –

Da der Kollege nicht anwesend ist,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Der schläft!)


erteile ich als erster Rednerin Barbara Lanzinger für die
CDU/CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1824326400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Nach dem sehr nachdenklichen Ta-
gesordnungspunkt diskutieren wir jetzt zu später Stunde
über einen nicht weniger wichtigen, aber sicherlich nicht
so wesentlichen Tagesordnungspunkt .

Wir bringen heute die nationale Umsetzung der Ver-
sicherungsvertriebsrichtlinie zu einem guten Abschluss .
Das war mir und auch unserer Fraktion in dieser Legis-
latur ein großes Anliegen, aber – das sage ich sehr be-
stimmt – nicht um jeden Preis . Wir haben das Gesetz im
parlamentarischen Verfahren daher maßgeblich verän-
dert . Das war ordnungspolitisch sinnvoll und wirtschafts-
und verbraucherschutzpolitisch notwendig .

Mein Ziel war, wirklich nur das Notwendige gesetz-
lich zu regeln, den Verbraucherschutz durchaus zu stär-
ken, jedoch auch, dass der mündige Bürger selber ent-
scheiden kann und dass der Wirtschaft keine unnötigen
Regularien aufgebürdet werden . Wir haben daher auf
eine möglichst weitgehende Eins-zu-eins-Umsetzung der
Versicherungsvertriebsrichtlinie gedrungen, die ja gene-
rell als sehr positiv bewertet wird .

Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf grund-
legend verändert, zuvorderst die Vergütungsregelungen
für Versicherungsmakler und -berater . Der ursprüngliche
Vorschlag wäre weit über die Richtlinie hinausgegangen
und hätte unnötig in den Tätigkeitsbereich der Makler
eingegriffen. Diese hätten sich nur noch vom Versiche-
rungsunternehmen vergüten lassen dürfen, Berater nur
noch vom Kunden . Das Provisionsgebot stand dem Pro-
visionsverbot gegenüber . Das wäre unverhältnismäßig
gewesen und hätte für den Verbraucherschutz rein gar
nichts gebracht .

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


Zahlen und Daten über Missstände liegen nicht vor . Es
gibt aktuell etwa 48 000 Makler gegenüber circa 300 Be-
ratern . Es gibt keine große Nachfrage nach Beratern .
Der einfache Bürger wäre der Leidtragende gewesen . Es
bleibt deshalb so, wie es war: Der Versicherungsmakler
darf sich gegen Honorar und Provision vergüten lassen,
so wie es die Richtlinie vorsieht .

Wir setzen auch auf die Weiterbildungspflicht mit Au-
genmaß . Die Richtlinie legt fest, dass die maßgeblichen
Personen der Leitungsstruktur und des Versicherungsver-
triebs sich 15 Stunden pro Jahr fortbilden müssen . Das ist
gut und sinnvoll . Darüber hinaus jedoch sollen und wer-
den die Regelungen nicht gehen . Wir haben festgelegt,
dass sich nur die relevanten Personen fortbilden müssen
und dass das möglichst ohne Verwaltungsaufwand um-
gesetzt wird . Das ist im Sinn unseres Mittelstands und
der Verbraucher . Für die Details wird eine Verordnung
erstellt, der der Bundestag zustimmen muss .

Wir schaffen mehr Transparenz und Informations-
pflichten bei der sogenannten Restschuldversicherung.
Dieser Bereich ist teilweise undurchsichtig, und es beste-
hen durchaus Fehlanreize beim Verkauf . Restschuldver-
sicherungen sind nicht per se schlecht, aber der Kunde
muss wissen, welches Produkt er kauft, welche Kosten
entstehen und welche Widerrufsrechte er hat . Dafür sor-
gen wir durch erweiterte Informationspflichten für Un-
ternehmen durch ein Produktinformationsblatt, welches
bei Vertragsabschluss herausgegeben werden muss . Nach
einer Woche muss noch einmal daran erinnert werden,
dass der Kunde die Möglichkeit hat, zu kündigen .

Vieles mehr haben wir verbessern können . Wir haben
aktiv gestaltet . Sehr herzlich bedanke ich mich dafür bei
meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Frak-
tion, vor allem bei meiner Kollegin Astrid Grotelüschen
und beim Kollegen Klaus-Peter Flosbach und auch allen
anderen für die kluge und ergebnisorientierte Zusam-
menarbeit hierbei und in der gesamten Wahlperiode; die
möchte ich einschließen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Marcus Held [SPD])


Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas Grund-
sätzliches zu dieser Wahlperiode anmerken: Mich und
meine Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion hat bei der
wirtschaftspolitischen Arbeit ein ordnungspolitischer
Grundgedanke geleitet: so viel wie nötig und so wenig
wie möglich zu regulieren . Da wir im Bund in dieser Le-
gislatur auf einen Koalitionspartner angewiesen waren,
wurde hier leider zu wenig in diese Richtung entschie-
den . Es ist nicht unsere Aufgabe, alles zu regeln und alles
vorzuschreiben . Nicht alles, was geregelt werden kann,
muss auch gesetzlich geregelt werden .


(Beifall des Abg . Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU])


Es geht um das Wesentliche .

Mir ist ein Satz sehr wichtig: Das Wesentliche unseres
Handelns für unsere Menschen muss sein, dass das We-
sentliche auch wesentlich bleibt .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja jetzt fast philosophisch, kurz vor Mitternacht!)


Bürgerinnen und Bürger brauchen solide Grundlagen
und Informationen . Die Zauberworte heißen „Selbstver-
antwortung“ und „mündiger Verbraucher“ . Thomas von
Aquin hat gesagt:

Für Wunder muß man beten, für Veränderungen
muß man arbeiten .

Wir haben viel erreicht . Ihnen und euch allen danke .
Alles Gute, und bedenken Sie: Politische Tageserfolge
können im Bewusstsein verblassen, was aber bleibt und
weiterwirkt, ist die Kraft und die Geschlossenheit einer
Haltung, hinter der eine Idee steht . Alles Gute!

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824326500

Liebe Kollegin Lanzinger, das war Ihre letzte Rede .

Ich möchte Ihnen für Ihre Tätigkeit als Abgeordnete hier
im Hohen Hause herzlich danken, für die wichtigen Im-
pulse und die Anstöße, die Sie gegeben haben . Ich möch-
te nur den Hospizbereich erwähnen . Dafür einen herzli-
chen Dank .


(Beifall)


Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne
Karawanskij für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824326600

Sehr geehrter Herr Präsident, ich korrigiere Sie nur

ungern, aber auf das „a“ in Susanna bestehe ich wirk-
lich . – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD
ist auf viel Resonanz gestoßen . Diese Resonanz aus der
Branche hat sich vor allen Dingen in Stellungnahmen
niedergeschlagen . Ich selber habe über 200 Zuschriften
bekommen . Das zeigt, wie wichtig diese Richtlinie ist,
und vor allen Dingen, wie viel Aufmerksamkeit ihr ge-
bührt .

Deshalb komme ich nicht darum herum, festzustellen,
dass die schwarz-rote Bundesregierung zum Abschluss
dieser Wahlperiode etwas wiederholt hat, was sie schon
am Anfang dieser Wahlperiode gemacht hat: Sie ist wie-
der einmal vor der Versicherungslobby eingeknickt . In
letzter Sekunde gab es durchaus weitreichende Änderun-
gen an dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Versiche-
rungsrichtlinie IDD, die eines zeigen: Der Koalitionsver-
trag ist nun de facto bzw . endgültig Makulatur .


(Zuruf von der CDU/CSU: Seit gestern schon!)


In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass die Honorarbe-
ratung bzw . die unabhängige Beratung gestärkt werden

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)


soll . Diesem Anspruch sind Sie mit diesem Gesetzent-
wurf nicht nachgekommen .

Meine Damen und Herren, es gibt eine Diskrepanz,
die nicht ohne Weiteres aufzulösen ist, nämlich einen
Interessenskonflikt zwischen dem Interesse des Kunden,
der vor allen Dingen eine bedarfsgerechte Versicherung
haben möchte, und dem Vergütungsinteresse des Ver-
mittlers, der für den Abschluss einer bestimmten Versi-
cherung eine Provision bekommt . Will man diesen In-
teressenskonflikt tatsächlich entschärfen, muss man die
unabhängige Beratung deutlich stärken .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gleiche Augenhöhe zwischen Honorarberatern und
Provisionsvermittlern wäre ein erster Schritt zu einer
tatsächlich verbraucherfreundlicheren Beratung gewe-
sen . Diesen Schritt machen Sie aber nicht . Er wurde
von der Großen Koalition im Gesetzgebungsverfahren
immer wieder bewusst unterlaufen . Ein Beispiel da-
für ist die von Ihnen aufgeführte Scheinargumentation,
dass Honorarversicherungsberater – wir haben es gerade
wieder gehört – nicht gestärkt werden können, weil es
nur wenige von ihnen gibt . Also setzen Sie nicht auf die
unabhängige Beratung, sondern bleiben stattdessen dem
Provisionssystem treu . Über kurz oder lang brauchen wir
allerdings – mit entsprechenden Übergangsfristen – eine
Trennung von Provision und Honorarvergütung .

Ein anderes Beispiel ist, dass Sie das geplante Hono-
rarannahmeverbot für Versicherungsmakler aufgehoben
haben . Damit ermöglichen Sie weiterhin Mischmodelle,
die für die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger
Transparenz und vor allen Dingen Unklarheit bedeuten .
Da die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erken-
nen können, nach welchem Vergütungsmodell sie gerade
beraten werden, können sie das Vorgehen des Versiche-
rungsmaklers schlicht und ergreifend nicht nachvoll-
ziehen . Das ist unerhört . Das wird deutlich, wenn man
sich vor Augen führt, dass die Folgen von Falsch- und
Fehlberatung im Finanz- und Versicherungsbereich in
Deutschland bei den Verbraucherinnen und Verbrau-
chern Schätzungen zufolge Schäden in Höhe von 30 bis
98 Milliarden Euro verursachen .

In der Kürze der Zeit möchte ich noch auf weitere Kri-
tikpunkte eingehen . Zunächst komme ich zum Stichwort
„Provisionsdurchleitungsgebot“ . Da bleibt das Prämi-
enkonto für die Versicherten eine Blackbox . Es ist will-
kürlich und überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Ver-
braucher nur 80 Prozent der kalkulierten Zuwendungen
an Dritte erhalten sollen . Dieser 20-prozentige pauschale
Abzug wäre nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu ei-
nem Nettopreissystem .

Weiter nenne ich das Versäumnis, dass das Provisi-
onsabgabeverbot nicht abgeschafft wurde. Auch das wäre
ein wichtiger Schritt zur Herstellung von Augenhöhe für
die Honorarberatung gewesen .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Hinblick auf das Problem der Restschuldversiche-
rung fordern wir Linke, dass diese zeitlich getrennt von
der Kreditvergabe – also von dem Abschluss von Kredit-

verträgen – mit einer umfangreichen Verbraucherinfor-
mation bzw . -beratung einhergehen muss,


(Beifall bei der LINKEN)


damit Kopplungsgeschäfte ausgeschlossen werden kön-
nen .

Gleichzeitig fordern wir, dass sämtliche Vermittler
von Restschuldversicherungen, die das im Nebenge-
schäft tun, einer Zulassungsverpflichtung unterliegen
oder zumindest produktbezogene Kenntnisse vorweisen
müssen .

An dieser Stelle muss ich zum Schluss noch sagen: Es
wurde leider auch versäumt, im Rahmen dieses Schrit-
tes – die CDU/CSU-Fraktion und auch die SPD-Fraktion
haben das verpasst – die verbraucherpolitischen Leerstel-
len im Versicherungsbetrieb zu schließen . Deshalb wer-
den wir das ablehnen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824326700

Das Wort hat jetzt der schon angekündigte Kollege

Marcus Held für die SPD .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Marcus Held (SPD):
Rede ID: ID1824326800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Die äußeren Umstände lassen es heute Abend nicht
zu, dass jeder pünktlich zum Reichstag kommen kann .
Aber jetzt bin ich da, um für die SPD-Fraktion zu der
wichtigen Versicherungsrichtlinie, zur sogenannten IDD,
zu sprechen . Das ist heute Abend ein wichtiges Thema .
Wir wollen das noch in dieser Wahlperiode verabschie-
den, bevor es dann morgen noch zum Höhepunkt kom-
men wird .

Wir haben uns, was die IDD betrifft, sehr intensiv be-
raten . Seitdem uns der Entwurf der Europäischen Union
am 20 . Januar 2016 zugegangen ist, haben wir uns über
ein Jahr Zeit gelassen . Wir haben erhebliche, intensive
Prüfungen vorgenommen und Gespräche mit allen Be-
teiligten geführt – eben nicht nur, wie gerade behauptet
worden ist, mit der Branche, sondern auch und vor al-
lem mit den Verbraucherschützern und den Verbraucher-
schutzverbänden . Darauf werde ich aber noch im Einzel-
nen kommen .

Uns ist – deshalb freue ich mich, dass das Gesetz jetzt
so zur Umsetzung kommt – die Weiterbildungspflicht
wichtig . Denn wir wollen mehr Qualität bei den Ver-
sicherern – und damit beim Verbraucher – haben . Für
Gewerbetreibende und die unmittelbar bei der Vermitt-
lung und Beratung mitwirkenden Beschäftigten haben
wir eingeführt, dass es pro Jahr mindestens 15 Stunden
Weiterbildung geben muss. Diese Pflicht ist hier auch
entsprechend aufgenommen worden . Das Nähere wird
eine Verordnung regeln, die wir mit einem entsprechen-
den Parlamentsvorbehalt versehen haben, sodass sich das
Hohe Haus in der kommenden Wahlperiode mit den De-
tails der Weiterbildung zu befassen hat .

Susanna Karawanskij






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben auch dadurch für mehr Verbraucherschutz
gesorgt, dass wir mit diesem Gesetz die Beratungspflicht
verschärft haben . Künftig ist die Beratung auch für den
Fall notwendig, dass der Vertrag im Rahmen eines so-
genannten Fernabsatzes geschlossen wird . Also auch im
Onlinegeschäft gibt es künftig keine Privilegierungen
gegenüber den normalen Versicherungsvermittlern und
Versicherungsmaklern . Das war uns sehr wichtig .

Wir haben entgegen dem, was ursprünglich in der Dis-
kussion behandelt wurde, eine neue Situation . Im Ergeb-
nis haben wir jetzt nämlich gesagt: Die Versicherungsver-
mittler sollen weiterhin gegenüber Privatkunden sowohl
auf Honorarbasis als auch auf der Basis von Provisionen
arbeiten können . Hier hat der ursprüngliche Entwurf der
Bundesregierung noch eine strikte Trennung vorgesehen .
Wir sind aber der Meinung: Honorarversicherungsbera-
ter sollen künftig im Umkehrschluss nicht nur beraten,
sondern auch Versicherungen vermitteln dürfen . Sie sol-
len für ihre Leistungen ausschließlich von den Kunden,
nicht aber von den Versicherungen bezahlt werden . Wir
schaffen mit diesem Gesetzentwurf also alle Flexibilität
in alle Richtungen und nehmen hier keine scharfe Tren-
nung vor, wie das ursprünglich vorgesehen war .

Das Thema der letzten Tage und Wochen war die Rest-
schuldversicherung . Man hätte fast den Eindruck gewin-
nen können, dass es bei der IDD nur um die Restschuld-
versicherung gegangen ist . Es war ganz im Gegenteil,
aber dieses Thema hat uns in der öffentlichen Diskussion
noch einmal sehr beherrscht .

Deshalb haben wir gesagt: In diesen Gesetzentwurf
werden besondere Regelungen zur Restschuldversiche-
rung aufgenommen . Anlass dafür war vor allem, dass
bei Verbrauchern in vielen Fällen der falsche Eindruck
erweckt worden war, ein Darlehen nur dann zu erhalten,
wenn auch eine Restschuldversicherung abgeschlossen
wird .

Gleichzeitig sind sich viele Verbraucher nicht bewusst,
welche Risiken eine Restschuldversicherung tatsächlich
abdeckt und welche Kosten damit verbunden sind . Die
Verbraucher sollen daher losgelöst von der konkreten
Verkaufssituation im Abstand von einer Woche nochmals
besonders darauf aufmerksam gemacht werden, dass der
Vertrag zur Restschuldversicherung widerrufen werden
kann, ohne dass damit verbunden auch der Darlehensver-
trag gefährdet würde .

Dabei muss auch das vollständige Produktinformati-
onsblatt mit übermittelt werden, damit die Betroffenen
künftig nochmals die Gelegenheit bekommen, den Ab-
schluss der Restschuldversicherung zu überprüfen und
zu überdenken . Insofern sind wir auf die Forderung nach
der zeitlichen Trennung, die eben auch von der Kollegin
genannt worden ist, sehr wohl eingegangen .

Es freut mich ebenfalls, dass wir den § 155 ins VVG
aufnehmen konnten, nämlich die Verpflichtung, dass
künftig Versicherungsnehmer bei Versicherungen mit
Überschussbeteiligung jährlich in Textform über die
Entwicklung der Ansprüche unterrichtet werden müs-
sen . Dies ist bisher nicht ganzheitlich geregelt, und das
ist auch eine Verbesserung, die vom Verbraucherschutz
gefordert worden ist .

Ich möchte mich zum Schluss ganz herzlich für die
gute Zusammenarbeit und die konstruktiven Diskussio-
nen bedanken, die wir insbesondere auch in der Koalition
zu diesem Thema führen durften .

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal
ganz herzlich bei Frau Lanzinger bedanken, die eben
schon verabschiedet worden ist . Frau Lanzinger, die ro-
ten Nelken werden wir Ihnen noch nachschicken . Es hat
immer viel Spaß gemacht mit Ihnen, und ich hoffe, dass
Sie noch an die Weißwurst denken, die wir gemeinsam
verzehren wollen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit an die-
ser Stelle genauso an den Kollegen Flosbach, der heute
Abend ja auch seine letzte Rede hier im Hohen Hause
halten wird .

Ein Dankeschön aber auch an alle, die bei der öffent-
lichen Anhörung mit dabei waren; denn diese öffentliche
Anhörung hat uns tatsächlich zu einem Umdenken in
vielen Bereichen veranlasst . Deshalb ist es, glaube ich,
ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Struck’sche
Gesetz hier in besonderem Maße Geltung hat und dass
solche öffentlichen Anhörungen kein Schaulaufen sind
und von den Fraktionen nicht für Demonstrationen und
die Vermittlung ihrer Auffassungen genutzt werden, wie
immer wieder behauptet wird . Nein, hier war es im Ge-
genteil so, dass wir uns tatsächlich von den fachlichen
Aussagen und von den Aussagen der Branche sowie vor
allem auch der Verbraucherschutzverbände haben leiten
lassen . Darauf sind wir im Ergebnis ganz besonders ein-
gegangen .

Ich denke, die Kriterien Verbraucherschutz und Qua-
litätsverbesserung stehen im Mittelpunkt dieses Gesetz-
entwurfes . Deshalb freue ich mich, dass wir zum Ab-
schluss der Wahlperiode die wichtige IDD in dieser Form
umsetzen können .

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824326900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch für

Bündnis 90/Die Grünen .


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824327000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der

vorherigen Debatte über Folter und Unrecht kann man
eigentlich nur ohne Ironie sagen: Was für ein Glück, dass
wir hier jetzt frei über Provisionsdurchleitungen disku-
tieren können . Ist es nicht ein glückliches Land, das über
so etwas diskutieren kann und bestimmte andere Proble-
me eben nicht hat?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich finde aber, das sollte
kein Grund für bräsige Selbstzufriedenheit sein . Gerade

Marcus Held






(A) (C)



(B) (D)


beim Thema „Finanzieller Verbraucherschutz“ ist sie am
allerwenigsten angesagt .

Wenn man sich diesen Gesetzentwurf anschaut, dann
sieht man, dass er das Ende einer langen Kette von Ge-
setzen ist, mit denen Sie Politik für die Anbieterseite –
für die Sparkassen, die Banken und die Versicherungen –
und gegen die Interessen der Kunden gemacht haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Das ist ja völliger Quatsch!)


Ich finde, die Union ist wenigstens ehrlich. Frau
Lanzinger hat es vorgetragen: Man will eigentlich gar
nicht so viel regeln . Das sollen die Verbraucher alles sel-
ber mit sich ausmachen .

Der Kanzlerkandidat der SPD hat dagegen beim Deut-
schen Verbrauchertag Versprechungen gemacht und sich
dafür feiern lassen, was man alles für die Kundinnen und
Kunden der Versicherungen und der Banken macht .


(René Röspel [SPD]: Ja!)


Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist dagegen ziemlich
kleines Karo .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Was denn genau?)


Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele . Sie haben es nicht
geschafft, eine klare Trennung zwischen einer Beratung
auf Provisionsbasis und einer Honorarberatung zu ma-
chen .


(Marcus Held [SPD]: Wäre gegen die Interessen der Verbraucher!)


Sie haben dem Druck der Maklerlobby nachgegeben und
dem doppelten Abkassieren und dem Verschleiern Tür
und Tor geöffnet. In Zukunft kann man nämlich sowohl
Provision als auch Honorar kassieren . Wer zahlt es am
Ende? Die Kunden . Das ist Ihr Versäumnis bei diesem
schlechten Gesetz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marcus Held [SPD]: Es geht nur Entweder-oder!)


Wir hätten eine klare Pflicht zum Angebot von Net-
totarifen gebraucht. Das haben Sie nicht geschafft. Das
finde ich in diesem Gesetz ziemlich schlecht.


(Beifall des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Sie haben es auch nicht geschafft, das Provisionsabga-
beverbot abzuschaffen. Das wäre für den Wettbewerb auf
dem Versicherungsmarkt gut gewesen .

Aber kommen wir zum größten Problem bzw . zu ei-
nem, das wir, wie ich finde, dringend hätten regeln müs-
sen, das Thema Restschuldversicherung . Da haben Sie
sich ganz schnell ganz flach in die Furche gelegt. Wir
haben doch in den Anhörungen selbst von Kollegen der
CDU gehört: Das wollen wir dringend regeln . Es kann so
nicht weitergehen, dass in vielen Fällen völlig überteuer-

te und überflüssige Produkte mit unanständig hohen Pro-
visionen an die Kundinnen und Kunden vertickt werden .

In über der Hälfte der Fälle – das sagt die BaFin;
das kommt nicht von den Grünen oder den Verbrau-
cherschutzverbänden – kassieren die Banken mehr als
50 Prozent der Versicherungsprämie als Provision . Ich
finde, das ist legale Beutelschneiderei. Das geht über-
haupt nicht . Damit hätten Sie Schluss machen sollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber was machen Sie? Sie erweitern den Widerruf . Das,
finde ich, ist ein schlechter Scherz. Das wird die Abzocke
nicht beenden . Das ist wirklich keine besonders erfolg-
reiche Vorstellung .

Wir fordern ein zweites Preisschild auf dem Produkt,
sodass der Effektivzinssatz einmal mit und einmal ohne
Restschuldversicherung ausgewiesen wird . Dann hätten
es die Kunden schwarz auf weiß, wie ihnen das Geld
aus der Tasche gezogen wird . Die allermeisten würden
zu ihrer Bank sagen: Danke schön, das möchte ich nicht
haben . – Das wäre echter Verbraucherschutz gewesen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Noch ein Punkt . Ein Blick auf dieses Finanzmarktge-
setz zeigt: Das Thema Nachhaltigkeit kommt überhaupt
nicht vor . Das zieht sich durch alle SPD-Ministerien: Sie
haben sich um alles Mögliche gekümmert, aber die Öko-
logie gehört nicht dazu . Dabei wollen Verbraucherinnen
und Verbraucher, wenn sie Finanzprodukte kaufen, infor-
miert werden: Wie nachhaltig, wie ethisch, wie grün, wie
fair ist dieses Produkt? Hier haben Sie versagt . Aber das
ist bei SPD und Öko in dieser Legislatur eigentlich das
gängige Muster gewesen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben Kleinigkeiten verbessert . Wir glauben, dass
dieses Gesetz den Missstand im Versicherungsvertrieb
nicht beheben wird . Deshalb ist dieses Gesetz heute
Abend auf jeden Fall abzulehnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, nach über zehn Jahren war
dies meine vorerst letzte ungehaltene Rede in diesem Ho-
hen Haus . Es war mir immer eine Freude, mich mit Ihnen
zu streiten, jedenfalls bei den meisten Themen . Es war
mir eine große Ehre, hier in diesem Haus ein bisschen et-
was zu dem beizutragen, was das Funktionieren unserer
Demokratie ausmacht .

Jetzt wünsche ich Ihnen – hoffentlich bald – eine an-
genehme Berliner Nacht . Das Wetter ist schlecht, aber
die Nächte sind sicher schön .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Die Abgeord Nicole Maisch neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)





(A) (C)


(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824327100

Frau Kollegin Maisch, das war nach drei Legislatur-

perioden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört
haben und in denen Sie wichtige Impulse gesetzt haben,
Ihre letzte Rede . Ich möchte Ihnen dafür herzlich danken
und Ihnen für Ihre weiteren Pläne alles Gute wünschen .

Wir kommen jetzt zum letzten Redner dieser Debatte .
Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Flosbach für die
CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Klaus-Peter Flosbach (CDU):
Rede ID: ID1824327200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu

später Stunde diskutieren wir in der Tat ein sehr wichti-
ges Wirtschaftsgesetz . Es geht um die Neuordnung des
gesamten Verkaufes, der Beratung, der Regelung für Ver-
sicherungsunternehmen im sogenannten Versicherungs-
vertrieb .

Uns in der Koalition war es sehr wichtig, dass wir
funktionierende Versicherungsmärkte haben und dass
wir einen vernünftigen Wettbewerb haben . Zwei Din-
ge, Frau Maisch, waren uns besonders wichtig: Das eine
war, dass die Honorarberatung gestärkt wird . Das andere
war, dass der Versicherungsschutz dramatisch verbessert
wird . Genau das haben wir mit diesem Gesetz gemacht .
Das ist uns hervorragend gelungen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Maisch, es gibt Situationen, in denen Menschen
schlecht beraten werden . Das Schlimmste für die Men-
schen ist aber, wenn sie gar nicht beraten werden . Wenn
wir Ihrem Ansatz gefolgt worden wären, wären wir in
der Situation, dass Menschen nicht mehr beraten werden .
Aber wenn jemand den Versicherungsschutz nicht mehr
einkauft, sondern sich letztendlich auf den Staat verlässt,
dann ist die Folge, dass Kosten auf den Staat zukommen .
Wir wollen nicht, dass die Menschen ihre Risiken beim
Staat abladen und wir als Staat für die Risiken eines je-
den Einzelnen zuständig sind .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen möchte ich auf die Gefahr, die sich aus dem
Entschließungsantrag der Grünen ergibt, sehr intensiv
eingehen .

Der Gesetzentwurf will eine Stärkung der Honorarbe-
ratung erreichen . Im ersten Entwurf ging man wie Sie
noch davon aus, dass in Zukunft nur noch Versicherungs-
berater gegen Honorar beraten dürfen . Es gibt in der Tat
derzeit 318 Versicherungsberater in Deutschland . Deren
Zahl ist in den letzten Jahren um etwa 10 bis 15 Personen
pro Jahr gestiegen . Diese Versicherungsberater sollen
in Zukunft alleine Versicherungsberatung durchführen
können . Aber von diesen 318 bieten sich – das ist das
Besondere – nach Aussage des Verbandes nur 89 über-
haupt privaten Personen als Berater an . Diejenigen, die
seit Jahren, um nicht zu sagen: seit Jahrhunderten, auf
dem Beratungsmarkt tätig sind, sind die Versicherungs-

makler . Denen wollten Sie aber in Zukunft die Beratung
untersagen und sie stattdessen als Abhängige von Versi-
cherungsunternehmen darstellen . Das wollten wir nicht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen Versicherungsmakler nicht zu Abhän-
gigen machen . Versicherungsmakler sind nicht, wie in
Ihrem Antrag, Frau Maisch, irgendwelche Maklerinnen
und Makler . Wir haben in Deutschland 48 000 Versiche-
rungsmakler . Sie arbeiten zum großen Teil in Versiche-
rungsmaklerunternehmen mit 1 000 Beschäftigten, üb-
rigens alle als Angestellte, die nicht auf Provisionsbasis
arbeiten . Und der Verband Deutscher Versicherungsmak-
ler vertritt 600 Maklerunternehmen, die im Durchschnitt
20 Angestellte haben . Hier geht es nicht um Einzelne, die
auf Provisionsbasis Versicherungen verkaufen wollen .
Makler übernehmen vielmehr das gesamte Beratungsge-
schäft beim Kunden . Das heißt, sie analysieren, sie ent-
wickeln Deckungskonzepte, sie vermitteln, sie betreuen,
sie beraten, aber sie regeln auch die gesamte Schaden-
abwicklung . Damit ist Ihr Ansatz völlig daneben; denn
Sie sagen: Denjenigen, die wirklich in der Beratung tätig
sind, wollen wir die Möglichkeit dazu nehmen .

Unser Ansatz war ein anderer; wir haben deswegen
gesagt: Wir wollen in Zukunft die Honorarberatung stär-
ken . Das geht ausschließlich über die Versicherungsmak-
ler, und das haben wir jetzt mit dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung geregelt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will dennoch ein zweites Thema ansprechen, mit
dem ich überhaupt nicht zufrieden war, nämlich die
Restschuldversicherung . Sie haben dieses Thema ange-
sprochen . Ich habe auch das Gutachten der BaFin sehr
aufmerksam gelesen . Die Kollegin der Linken hat eben
vorgeschlagen, das Problem dadurch zu lösen, dass zu-
nächst ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird und eine
Woche später dann der Versicherungsvertrag . Wenn aber
der Versicherungsvertrag nicht gut ist, dann hat es auch
keinen Sinn, ihn eine Woche später abzuschließen . Wir
müssen die Regeln stattdessen so setzen, wie wir sie über
die Jahre am Finanzmarkt insgesamt gesetzt haben . Das
heißt, wir wollen Aufklärung für den Verbraucher, wir
wollen eine Beratungspflicht, und wir wollen vor allen
Dingen Transparenz . Das haben wir mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf erreicht . Denn in Zukunft wird die
versicherte Person, die einen solchen Vertrag abschließt,
so gestellt, als wenn sie der Versicherungsinhaber wäre .

Das Problem bei diesen Verträgen ist: Die versicherte
Person muss beispielsweise beim Autokauf einem Ver-
trag beitreten, der zwischen Bank und Versicherungsge-
sellschaft abgeschlossen ist . Dadurch hat sie nicht die
Rechte eines normalen Verbrauchers . Wir regeln das
heute so, dass der Kunde so gestellt wird, als wäre er der
Versicherungsnehmer selbst . Das heißt, es gibt eine Be-
ratungspflicht, eine Informationspflicht und eine Doku-
mentation . Es müssen alle Ausschlüsse und Leistungen
dargestellt werden, und vor allem müssen der Widerruf
und die Kündigungsmöglichkeiten dargestellt werden .
Das hatten wir bisher noch nicht, und damit erfüllen wir

Nicole Maisch






(A) (C)



(B) (D)


unseren Anspruch, mit diesem Gesetz in der Tat die Ver-
braucherrechte in Deutschland zu stärken .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Kollege Held hat darauf hingewiesen, dass nach
einer Woche noch ein zusätzliches Schreiben der Versi-
cherung kommen muss, um das alles abzusichern .

Ich sehe, der Präsident gibt mir schon Zeichen . Er
weiß, dass es meine letzte Rede ist . Ich möchte damit
zum Schluss kommen und mich ganz herzlich bei allen
bedanken . Ich durfte diesem Hohen Haus 15 Jahre an-
gehören . Mein Hauptthema war die Finanzmarktregu-
lierung . Wir haben uns in dieser Frage in diesem Haus
sehr intensiv gestritten; aber wir sind ja auch noch einige
Monate hier . Am 11 . September ist es genau zehn Jah-
re her, dass die IKB‑Krise bei uns anfing, wodurch im
Grunde die Finanzkrise begann – man kann sozusagen
ein negatives Jubiläum feiern –, und wir hatten mit den
Gesetzen zur Finanzmarkregulierung sehr viel zu tun . Es
waren insgesamt über 40 große Gesetze, die wir zur Re-
gulierung verabschiedet haben .

Ich habe die Arbeit gerade im Finanzausschuss immer
als sehr kollegial empfunden . Wir haben uns gestritten;
das gehört zur Demokratie . Aber es war eine gute Zeit
hier im Deutschen Bundestag . Es hat mir sehr viel Spaß
gemacht . Ich wünsche allen, die kandidieren, dass per-
sönliche Wünsche erfüllt werden . Meinen Kollegen aus
der CDU/CSU-Fraktion wünsche ich natürlich entspre-
chend mehr . Das muss jeder verstehen .

Ich danke allen für die Zusammenarbeit und wünsche
allen persönlich alles Gute für die Zukunft .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824327300

Herr Kollege Flosbach, das war Ihre letzte Rede im

Deutschen Bundestag . Sie haben dem Hohen Hause vier
Legislaturperioden angehört und sich dabei mit ganz be-
sonderer Leidenschaft der Finanzpolitik gewidmet . Da-
für möchte ich Ihnen herzlich danken .

Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Um-
setzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20 . Januar 2016 über
Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirt-
schaftsgesetzes . Der Ausschuss für Wirtschaft und Ener-
gie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/13009, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 18/11627 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen . Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung

mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/
Die Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen sehe ich keine . Der
Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von SPD und
CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/13021 . Wer für diesen Entschlie-
ßungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . –
Wer stimmt dagegen? – Der Entschließungsantrag ist da-
mit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/
Die Grünen abgelehnt .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen

(Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)


Drucksachen 18/12330, 18/12730, 18/12879
Nr. 1.9

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

(13 . Ausschuss)


Drucksachen 18/12946, 18/12952

Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . – Ich
sehe, dass alle damit einverstanden sind .1)

Deshalb kommen wir sofort zur Abstimmung . Der
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sachen 18/12946 und 18/12952, den Gesetzentwurf
der Bundesregierung auf Drucksachen 18/12330 und
18/12730 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich
bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um ein Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es kei-
ne . Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die
Linke angenommen .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es kei-
ne . Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von

1) Anlage 9

Klaus-Peter Flosbach






(A) (C)



(B) (D)


CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge, zunächst über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12974 .
Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist damit mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt .

Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12975 .
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschlie-
ßungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü-
nen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt .

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 26 sowie den Zu-
satzpunkt 8 auf:

26 . Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Erleichterung unternehmerischer Initiati-
ven aus bürgerschaftlichem Engagement und
zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften

Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181
Nr. 1.11

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/12998

ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie

(9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr . Thomas
Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Share Economy – Ökologische Chancen nut-
zen und Teilen statt Besitzen unterstützen

Drucksachen 18/11411, 18/12870

Zu dem Gesetzentwurf liegen ein Änderungsantrag
der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag von
Bündnis 90/Die Grünen vor .

Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben
werden . – Widerspruch erhebt sich nicht . Dann verfahren
wir so .1)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürger-
schaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei
Genossenschaften . Der Ausschuss für Recht und Ver-
braucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/12998, den Gesetzentwurf der Bun-

1) Anlage 10

desregierung auf Drucksachen 18/11506 und 18/11937 in
der Ausschussfassung anzunehmen .

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/13018 vor, über den wir zuerst
abstimmen . Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit
den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bünd-
nis 90/Die Grünen .

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenom-
men mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD bei
Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion
Die Linke .

Jetzt kommen wir zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung und Schluss-
abstimmung angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und
von Bündnis 90/Die Grünen .

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/13019 . Wer für diesen Entschlie-
ßungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Keine . Der Entschlie-
ßungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen und der Fraktion Die Linke .

Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 8 . Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu
dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Titel „Share Economy – Ökologische Chancen nutzen
und Teilen statt Besitzen unterstützen“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 18/12870, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/11411 abzulehnen . Wer für
diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den
bitte ich um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen gibt es keine . Die Beschlussempfehlung
ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü-
nen und der Fraktion Die Linke .

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einführung eines familienge-
richtlichen Genehmigungsvorbehaltes für
freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kin-
dern

Drucksache 18/11278

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


– Zweite und dritte Beratung des von den Ab-
geordneten Corinna Rüffer, Katja Keul, Katja
Dörner, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur
Einführung eines gerichtlichen Genehmi-
gungserfordernisses bei freiheitsbeschrän-
kenden Maßnahmen gegenüber Kindern

Drucksache 18/9804

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/12938

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Dagegen er-
hebt sich keinerlei Widerspruch . Dann sind wir uns darin
einig .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin Sonja Steffen für die SPD‑Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1824327400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir reden heute und leider zu sehr später
Stunde über ein Thema, das schwierig ist und das auch
einen abschreckenden Titel trägt . Es geht nämlich um
freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen .
Schon dieser Titel erzeugt automatisch Bilder im Kopf,
die man nicht haben will . Man denkt an Kinder, die zum
Einschlafen im Bett fixiert werden, man denkt an soge-
nannte Time-out-Räume, und man denkt an Kinder, die
an Stühlen festgebunden sind . In einigen Kinderheimen
in Deutschland haben sich in den letzten Jahren tatsäch-
lich derartige Bilder auf traurige Weise bewahrheitet .

2013 hat der BGH zu diesem Thema ein bedeutendes
Urteil erlassen . Es ging damals um ein geistig behinder-
tes Kind, das in einer Einrichtung lebte, sehr unruhig
war und extreme Weglauftendenzen zeigte . Zu seinem
eigenen Schutz und zum Schutz anderer Kinder war es
nötig, mit Einwilligung der Eltern dieses Kind nachts
zu fixieren, mit Gurten oder einem Schlafsack ans Bett
festzubinden . Der Verfahrensbeistand des Kindes wollte
damals erreichen, dass ein Familiengericht der Verlänge-
rung der Maßnahme zustimmen sollte; denn die Eltern
waren mit dieser Entscheidung überfordert . Ich denke,
jeder von uns kann diese Eltern gut verstehen; denn es ist
verdammt schwierig, darüber zu entscheiden, ob das ei-
gene Kind zu seinem eigenen Schutz festgebunden wer-
den soll oder nicht . Der BGH hat damals entschieden,
dass eine Genehmigung des Gerichts zu dieser Maßnah-
me nicht erforderlich ist und auch nicht eingeholt wer-
den kann; denn hierfür fehlt schlichtweg die gesetzliche
Grundlage .

Eltern können und müssen gegenwärtig also allein da-
rüber entscheiden, ob für ihr Kind eine freiheitsentzie-
hende Maßnahme fortgesetzt oder überhaupt durchge-
führt werden soll, auch wenn es in einer Einrichtung lebt .

Was bedeutet das aber in der Praxis? Ich möchte dies
anhand eines Beispiels kurz verdeutlichen .

Der 17-jährige Sven ist Autist, und Kleinigkeiten kön-
nen ihn aus der Bahn werfen . Auch seine Mutter weiß,
dass er manchmal aggressiv ist, dass er sich auf den
Boden wirft, dass er schreit und um sich schlägt . Vielen
Autisten hilft es, wenn man den Alltag für sie struktu-
riert . Die Mutter von Sven ist aber inzwischen mit die-
ser Strukturierung so überfordert, dass sie sich schweren
Herzens entschließt, ihn in einer Einrichtung unterzu-
bringen . Doch dann kam der Schock; denn in allen Ein-
richtungen, die sie sich anschaute, sollte sie die Erlaub-
nis unterschreiben, dass ihr Sohn eingesperrt bzw. fixiert
werden darf, nach dem Motto „Ohne Unterschrift kein
Heimplatz“ . Für die Mutter war das verstörend; aber am
Ende stimmte sie zu . Mit ihrer einmaligen Unterschrift
besiegelte sie freiheitsbeschränkende Maßnahmen für
ihren Sohn .

Im Moment sieht die Situation also so aus, dass bei
Minderjährigen lediglich die Zustimmung der Eltern be-
nötigt wird, wenn es um freiheitsentziehende Maßnah-
men geht, während Erwachsene nur nach richterlicher
Genehmigung freiheitsentziehenden Maßnahmen unter-
zogen werden dürfen . Wir meinen, dass gerade bei Kin-
dern das Gleiche gelten muss wie bei Erwachsenen .

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir die
Rechte der Kinder und Jugendlichen unter Kindeswohl-
gesichtspunkten stärken . Die freiheitsentziehende Maß-
nahme muss die Ultima Ratio sein, das letzte Mittel, wenn
ohne diese Maßnahme eine akute Selbstgefährdung oder
Fremdgefährdung höchstwahrscheinlich eintreten würde .
Hier ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich .

Zukünftig überlassen wir diese Entscheidung nicht
mehr den Eltern allein und auch nicht der Einrichtung .
Die Entscheidung treffen zukünftig die Familienge-
richte . Die Gerichte haben als Entscheidungsgrundlage
ein ärztliches Zeugnis – das wird also zunächst einmal
benötigt –, und sie erhalten Hilfe durch die zwingende
Bestellung eines Verfahrensbeistandes . Ein Verfahrens-
beistand ist, wie die Rechtspolitiker wissen, der Anwalt
des Kindes . Er oder sie hat also die Aufgabe, sich anhand
von Gesprächen, anhand von Vor-Ort-Terminen, anhand
von Gesprächen in der Einrichtung zu informieren und
herauszufinden, was das Beste für den jungen Menschen
ist . Auch der Bericht des Verfahrensbeistandes wird dann
Grundlage der familiengerichtlichen Entscheidung sein .
Damit schützen wir das Kind, und wir entlasten die El-
tern von ihrer alleinigen Verantwortung .

Wir hatten zu diesem Thema im April ein erweiter-
tes Berichterstattergespräch mit externen Expertinnen
und Experten im Deutschen Bundestag . Ich möchte zur
Verdeutlichung gern aus der Stellungnahme von Frau
Dr . Götz zitieren . Sie sagte:

Auch wenn es wünschenswert wäre, dass Kinder in
Einrichtungen keinerlei freiheitsentziehenden Maß-
nahmen ausgesetzt werden, so sind diese nach der-
zeitigem Sachstand jedenfalls nicht völlig verzicht-
bar . Auch wenn keine detaillierten Zahlen über die
tatsächliche Anwendung derartiger Maßnahmen ak-
tuell vorliegen, genügt bereits eine kleine Zahl von

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


betroffenen Kindern für das Bedürfnis nach einem
gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt in diesem
besonders grundrechtssensiblen Bereich .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur der Deut-
sche Bundestag beschäftigt sich mit diesem Thema,
sondern auch der Deutsche Ethikrat tut dies . Er hat das
Thema unter dem Begriff „wohltätiger Zwang“ auf seiner
Tagesordnung und wird dazu im Laufe des Jahres 2018
eine Stellungnahme vorlegen . Aber so lange können und
wollen wir nicht warten . Aus fachlicher Sicht ist ein ge-
richtliches Genehmigungserfordernis in jedem Fall ein
dringend notwendiger erster Schritt, um die betroffenen
Kinder und Jugendlichen besser zu schützen .

Warum ist es nur ein erster Schritt? Liebe Kollegin-
nen und Kollegen, wir bzw . die Mitglieder des nächsten
Bundestages müssen unbedingt darüber reden, ob frei-
heitsentziehende Maßnahmen insbesondere im Jugend-
hilfebereich überhaupt notwendig sind . Werden hier
tatsächlich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft?
Müsste man nicht Konflikte und Probleme von Kindern
und Jugendlichen pädagogisch lösen können? Die Ergeb-
nisse des Ethikrates werden uns hier hoffentlich weiteren
Aufschluss geben können .

Ein grundsätzliches Problem ist aus Sicht der
SPD-Fraktion, dass bislang keinerlei Daten über die
Praxis und die Anwendung dieser freiheitsentziehenden
Maßnahmen vorliegen, übrigens auch, weil es bislang
eben keine richterliche Genehmigung gab . Wir wollen
deshalb das Gesetz mit einer Evaluierung verknüpfen;
das heißt, nach Ablauf von fünf Jahren werden wir an-
hand der Genehmigungsverfahren, die dann bestehen,
schauen, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirkt
und wie sie sich bewährt hat .

Abschließend möchte ich sagen: Ich hoffe, dass dies
nicht meine letzte Rede in diesem Parlament sein wird,
wohl aber meine letzte Rede zu dieser nächtlichen Zeit .
Ich hoffe insbesondere, dass gerade auch rechtspolitische
Debatten zukünftig eine prominentere Sitzungszeit erhal-
ten werden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824327500

Nächster Redner ist der Kollege Jörn Wunderlich für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1824327600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Doch, wir hätten vielleicht warten sollen bis zur Stel-
lungnahme des Ethikrates; denn ich halte dieses Gesetz
nicht für entscheidungsreif . In der ersten Lesung gingen
die Reden dazu noch zu Protokoll, und im Schatten der
SGB-VIII-Reform sollte es hier ohne Beteiligung der Ju-
gendhilfe beschlossen werden .

Mit diesem Gesetzesvorhaben soll das unbestreitbar
bestehende Problem behoben werden, dass, wie geschil-
dert, im Kindschaftsrecht – anders als im Betreuungs-
recht für Volljährige – nicht vorgesehen ist, freiheitsent-
ziehende Maßnahmen bei Minderjährigen richterlich zu
genehmigen .

Das klingt zunächst vernünftig; es ist von der Kollegin
Steffen ja sehr schön dargestellt worden. Die Regelun-
gen bedeuten aber auch, dass freiheitsentziehende Maß-
nahmen grundsätzlich dann zulässig sein sollen, wenn
sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung
einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erfor-
derlich sind. Der weit gefasste Begriff des Kindeswohls
könnte dabei allerdings das Tor für eine Vielzahl von
Fallkonstellationen für freiheitsentziehende Maßnahmen
öffnen.

Unabhängig von der Frage, ob solche Methoden der
Behandlung unabdingbar sind, ist eine neben das El-
ternrecht tretende weitere Kontrollinstanz zunächst
offensichtlich zu begrüßen, zumal die Wirkung von Fi-
xierungen, also das Anschnallen auf Liegen, oder auch
von Sedierung – Medikamente spielen in dem Umfeld
auch eine Rolle – bei Kindern gravierender und trauma-
tisierender sein kann als eine Unterbringung an sich . Es
überrascht schon, dass im Vorfeld keine Beteiligung der
Jugendhilfe vorgesehen ist .

Nachdem der Gesetzentwurf in einem Berichterstat-
tergespräch des Rechtsausschusses einvernehmlich be-
sprochen, beraten und erörtert worden war und etliche
Beteiligte Bedenken hatten, hatte ich die stille Hoffnung,
es käme doch noch zu einer Anhörung, zumal alle Sach-
verständigen die Gewaltfreiheit gerade in der Jugendhil-
fe als ein hohes Gut bezeichneten . Nachdem es in dieser
Woche wieder auf der Tagesordnung erschien, hatte mein
Antrag auf Durchführung einer Anhörung mit eventuel-
ler Sondersitzung keine Aussicht auf Erfolg; er wurde
abgelehnt .

Ich sage nach wie vor: Die entsprechenden Fachberei-
che und die Jugendhilfe sind finanziell und personell so
auszustatten, dass es möglichst nicht zu genehmigungs-
pflichtigen Maßnahmen kommt.


(Beifall bei der LINKEN)


Insbesondere die vorgelagerten Systeme der Jugendhilfe,
welche unterstützen und helfen können, sind hierbei be-
sonders zu beachten .

Ich möchte nochmals Wolfgang Hammer und
Friedhelm Peters zitieren, welche sich zum Gesetz wie
folgt geäußert haben: „Was hier als Kinderschutz gedacht
ist, wird zum Einfallstor für Freiheitsentzug als pädago-
gischem Mittel, wo immer Eltern und Einrichtungen sich
überfordert sehen“ bzw . „Und Fixierungen mit Gurten
auf einer Liege sind ein No-Go in der Jugendhilfe“ .


(Beifall bei der LINKEN)


Es bleibt dabei: Bei allen guten Absichten müssen der
Schutz und die Rechte des Kindes, muss das Recht auf
gewaltfreie Erziehung im Vordergrund stehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Sonja Steffen






(A) (C)



(B) (D)


Es ist Aufgabe der Jugendhilfe, dies zu gewährleisten .
Zwangsmaßnahmen sind kein Mittel der Jugendhilfe,
sondern Vertrauen und Zuwendung .

Dass freiheitsentziehende Maßnahmen in der Ju-
gendhilfe menschenrechtsverletzende Praktiken sind,
hat uns nicht nur die schwarze Pädagogik der 50er- und
60er-Jahre gezeigt, sondern auch die jüngsten Heimskan-
dale haben es bewiesen . Das schmerzhafte, langandau-
ernde Festhalten von jungen Menschen durch mehrere
Personen und das Fixieren auf Liegen – solche Maßnah-
men führen zu Traumatisierungen und können kaum von
außen kontrolliert werden . Daran wird auch ein Richter-
vorbehalt nichts ändern . Es besteht nach meiner Über-
zeugung die Gefahr, dass das Gegenteil eintritt .

Bisher geschah dies in einem Graubereich . Das wird
nun geregelt . Wenn sich ein jugendlicher Bewohner dann
über eine solche Behandlung beschwert, wird es keine
Heimskandale mehr geben; denn es gibt ja die gerichtli-
che Genehmigung . Da kann die Heimaufsicht nichts mo-
nieren . Ich sage: Solche Praktiken gehören strafrechtlich
bewehrt und dürfen keinesfalls aus pädagogischen Grün-
den zur Anwendung kommen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte abschließend aus der Stellungnahme „Kein
Fesseln auf Antrag in der Kinder- und Jugendhilfe“, die
uns allen vorliegt, zitieren:

Daher sollte der gesetzgeberische Impuls die
schrecklichen Erfahrungen der vergangenen Jahre
nicht legalisieren, sondern dahin gehend aufgrei-
fen, diese Maßnahmen in der Jugendhilfe vollstän-
dig zu unterbinden . Auch dieses Ziel wird in der
Begründung des Regierungsentwurfs zwar ange-
sprochen …, durch diesen selbst jedoch nicht si-
chergestellt . Das eigentliche Thema aus Sicht der
Jugendhilfe ist also nicht das Fehlen eines Geneh-
migungsvorbehaltes, sondern das Fehlen des Ver-
bots freiheitsentziehender Maßnahmen in der Ju-
gendhilfe …

Da dies möglicherweise – hoffentlich nicht, aber mög-
licherweise – auch meine letzte Rede von diesem Pult aus
ist, möchte ich als letzten Appell an dieses Hohe Haus
sagen: Staatlich genehmigtes Fesseln in der Jugendhilfe
darf es nicht geben . Lehnen Sie dieses Gesetz bitte ab!


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824327700

Herr Kollege Wunderlich, falls es Ihre letzte Rede

war, möchte ich Ihnen danken . Sie haben dem Hohen
Hause drei Legislaturperioden angehört und einen klaren
Schwerpunkt in der Familien- und Jugendpolitik gesetzt .
Herzlichen Dank dafür!


(Beifall)


Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker für die Fraktion der Union .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1824327800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen, die zu dieser späten Stunde hier noch über
wichtige Dinge debattieren; das kann man sicherlich
nicht infrage stellen . Wir haben in den Reden bereits ge-
hört, um was es geht: um freiheitsentziehende Maßnah-
men durch mechanische Vorrichtungen, aber auch durch
Medikamente. Das sind gravierende Eingriffe für die be-
troffenen Kinder und Jugendlichen. Da gibt es überhaupt
kein Vertun .

Nur ist aus meiner Sicht nicht klar, weshalb man es
nicht begrüßt, wenn eine zusätzliche Hürde aufgebaut
wird, bevor zu solchen Maßnahmen gegriffen werden
kann; das ist mir nicht ganz einleuchtend gewesen . Ich
finde, genau diese Erwägung, dass solche Maßnahmen
nur Ultima Ratio sein dürfen, spricht doch gerade dafür,
hier eine neutrale Instanz, nämlich das Gericht, mit ins
Spiel zu bringen und solche Maßnahmen von der zusätz-
lichen Genehmigung des Richters abhängig zu machen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das ist bisher nicht der Fall .

Im Unterschied zu den Erwachsenen haben wir bei
den Kindern und Jugendlichen dieses Erfordernis nicht .
Mir geht es da genauso wie Kollegin Steffen: Ich finde
das etwas widersprüchlich . Gerade bei Kindern kann eine
solche Maßnahme viel traumatischer wirken und von ei-
nem Kind als besonders gravierend empfunden werden .
Deshalb müsste man im Wege des Erst-Recht-Schlusses
dazu kommen, dass gerade das, was bei Erwachsenen an
der Tagesordnung ist, auch bei Kindern gelten muss .

Dass die bisherige Rechtslage das nicht vorsah, hat
uns der BGH bestätigt . Er hat aber auch gesagt, dass der
Gesetzgeber natürlich befugt ist, das anders zu regeln .
Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, das heute zu
tun .

Was soll sich jetzt ändern? Wir haben gesagt bekom-
men – was Herr Wunderlich ansprach, bestätigt das –,
dass die Verhältnisse in den Kliniken noch nicht so sind,
wie wir uns das alle wünschen . Es gibt vielmehr Berich-
te, dass dort teilweise aufgrund einer pauschal gegebenen
Einwilligung bisher an der einen oder anderen Stelle ge-
radezu leichtfertig mit diesen Befugnissen umgegangen
wird . Das wollen wir ändern .

Allerdings haben wir noch nicht einmal Zahlen . Es
wird der erste gute Effekt dieses Gesetzes sein, über-
haupt einmal Licht in die ganze Situation zu bringen und
an belastbare Fakten zu kommen . Ebenfalls verspreche
ich mir, dass es auf die Einrichtungen einen gewissen
Druck ausübt, wirklich zu schauen: Ist es nötig? Wenn
man diesen zusätzlichen Aufwand machen muss und ei-
nen Richter kommen lassen muss, dann hat das auf jeden
Fall eher disziplinierende Effekte; das ist gut in diesem
Zusammenhang .

Was bewirkt das für die Eltern? Die Eltern tragen eine
große Verantwortung . Ich glaube, es ist sehr schwer, da-

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


mit umzugehen, wenn man einwilligen muss, sein Kind
in einer schwierigen Situation fixieren zu lassen.


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Das darf auch kein Richter!)


Hier entlasten wir die Eltern in ihrer Verantwortung . Es
ist kein Generalverdacht, unter den die Eltern gestellt
werden in dem Sinne, dass man ihnen das nicht zutraut,
sondern es soll ihnen hier ein Stück weit geholfen wer-
den .

Mit Blick auf die Jugendlichen denke ich, dass sich
die eine oder andere Maßnahme vermeiden lässt . Es
gibt aber noch einen anderen Effekt: Ich glaube, da, wo
Maßnahmen nötig sind, ist es für die Jugendlichen be-
ruhigend, zu wissen: Ich bin hier nicht nur von der Ein-
richtung und meinen Eltern abhängig, sondern es kommt
noch jemand, der mit unserem sonstigen Konflikt in der
Familie nichts zu tun hat, der ganz objektiv und unab-
hängig ist, der hierherkommt und für mich ansprechbar
ist . Deshalb glaube ich, dass es für die Jugendlichen eine
sehr gute Maßnahme ist, die ihnen ein Stück weit Ver-
trauen in den Rechtsstaat gibt und darin, nicht in einer
Einrichtung festzuhängen .

Es ist eine sehr gute gesetzliche Regelung, die wir hier
auf den Weg bringen . Die Sachverständigen haben sie
in dem erweiterten Berichterstattergespräch durchweg
begrüßt . Wir schauen uns das nach einiger Zeit in der
Evaluation noch einmal an . Ich denke, das ist in dieser
Weise ein gutes Paket . Ich bitte um Zustimmung .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824327900

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katja Keul für

Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1824328000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Mit dem heutigen Gesetz soll eine Schlechter-
stellung von Minderjährigen beim Schutz vor freiheits-
beschränkenden Maßnahmen gegenüber Volljährigen
beendet werden, und das ist gut so .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Silke Launert [CDU/ CSU])


Bei Senioren in Pflegeheimen bedarf es für jede
Zwangsmaßnahme eines richterlichen Beschlusses, und
das muss künftig auch bei Minderjährigen so sein . Durch
diesen Richtervorbehalt werden auch die Sorgeberech-
tigten nicht in ihren Rechten beschränkt, sondern viel-
mehr gestärkt; denn die Zustimmung der Sorgeberech-
tigten ist nach wie vor unabdingbare Voraussetzung für
jede genehmigungspflichtige Maßnahme. Bislang aber
machen einige Einrichtungen die Aufnahme der Kinder
von einem vorab erteilten generellen Einverständnis zu
freiheitsentziehenden Maßnahmen abhängig . Das geht
von Fixierungen mittels Bauch- oder Fußgurt über die
Gabe von sedierenden Medikamenten und Zimmerein-

schlüssen bis zum stundenlangen Aufenthalt in soge-
nannten Time-out-Räumen . Die Eltern stehen dabei un-
ter Druck, weil die Kinder andernfalls vielleicht keinen
Heimplatz bekommen und stimmen so Maßnahmen zu,
die sie selbst eigentlich nicht befürworten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Rechtslage führt zu unerträglichen Zuständen,
wie sie in dem viel beachteten Bericht des Bayerischen
Rundfunks im letzten Jahr mit dem Titel „Blackbox
Heim“ aufgedeckt wurden . Die Erkenntnisse aus diesen
Recherchen haben seinerzeit auch uns Grüne dazu ver-
anlasst, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen . Da auch
der Regierungsentwurf jetzt trotz einiger unterschiedli-
cher Formulierungen den von uns befürworteten Rich-
tervorbehalt einführt, werden wir diesem zustimmen und
unseren Entwurf für erledigt erklären .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Eines muss dabei jedoch in aller Deutlichkeit klar-
gestellt werden: Unser aller Ziel muss es sein, Zwangs-
behandlungen bei Kindern insgesamt zu reduzieren und
nach Möglichkeit ganz zu vermeiden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . René Röspel [SPD])


Dies setzt voraus, dass die Unterstützungs- und Hilfe-
systeme der Kinder- und Jugendhilfe mit ausreichenden
finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet werden.
Schon heute gibt es Einrichtungen, die gänzlich auf frei-
heitsentziehende Maßnahmen verzichten . Diese alter-
nativen Konzepte sind zeit- und personalaufwendig . Es
kann aber nicht sein, dass die Einrichtungen aus Perso-
nal- oder Kostengründen diese Konzepte nicht anwenden
und auf freiheitsentziehende Maßnahmen zurückgreifen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier sind wir alle gefordert, bestmöglich Unterstützung
zu leisten . Darauf machten auch die Vertreter der Ju-
gendhilfe in ihrem Schreiben vom April dieses Jahres zu
Recht aufmerksam . Allerdings kann das meines Erach-
tens nicht zu einer Ablehnung dieses Gesetzes führen, da
die bisherige Rechtslage die Kinder und Jugendlichen in
unerträglicher Weise diskriminiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Trotz der berechtigten Sorgen der Jugendhilfever-
treter führt die Gesetzesänderung zu einer deutlichen
Verbesserung und zu mehr Transparenz . Vor allem die
Notwendigkeit eines gerichtlichen Antrages dürfte den
Anreiz zur Vermeidung solcher Maßnahmen bereits we-
sentlich erhöhen . Wichtig ist, dass wir als Gesetzgeber
hier sorgsam hinsehen und die Praxis evaluieren . Noch
besser wäre das von uns vorgeschlagene dauerhafte Mo-
nitoring gewesen . Aber immerhin werden wir durch die
künftig erforderlichen Gerichtsverfahren schon deutlich
mehr Daten aus der Praxis bekommen, als dies bislang
der Fall ist .

Elisabeth Winkelmeier-Becker






(A) (C)



(B) (D)


Noch einmal ein letztes Wort: Wir haben bereits im Zu-
sammenhang mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des
Sachverständigenrechts in Gerichtsverfahren gemeinsam
festgestellt, dass wir die Zugangsvoraussetzungen und
die Fortbildungspflichten für Familienrichterinnen und
-richter angehen wollen . Das ist im Sinne aller Beteilig-
ten und nicht zuletzt im Interesse der Richter selbst, wie
unsere Gespräche auf vielen Ebenen ergeben haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir dürfen uns jetzt also nicht beruhigt zurücklehnen,
sondern müssen an diesem Thema dranbleiben . Zunächst
sind die Minderjährigen jetzt hinsichtlich der Freiheits-
beschränkungen den Volljährigen gleichgestellt . Ob das
reicht, werden wir noch sehen . Sollte es weiterhin Miss-
stände geben, werden wir die gesetzlichen Vorausset-
zungen weiter verschärfen müssen, gegebenenfalls auch
über die Voraussetzungen bei Erwachsenen hinaus .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824328100

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die

Kollegin Dr . Silke Launert für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Silke Launert (CSU):
Rede ID: ID1824328200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren!“
richte ich an die Mitarbeiter, die auch zu dieser späten
Stunde noch ihren Dienst tun . Wir verabschieden heute
den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung
eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für
freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern . Mit dem
Gesetz wollen wir also bestimmte freiheitsentziehende
Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen unter den
Vorbehalt der Genehmigung des Familiengerichts stel-
len .

Bislang unterliegen in Deutschland nur Unterbringun-
gen von Minderjährigen, die mit einem Freiheitsentzug
verbunden sind, einer Genehmigung durch das Familien-
gericht, das heißt, wenn die Unterbringung in einer Ein-
richtung erfolgt und die Tür geschlossen bleibt . Für die
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen anderer Art sieht
das Gesetz dagegen derzeit keine gerichtliche Genehmi-
gungspflicht vor. Hierüber entscheiden allein die Eltern
im Rahmen ihrer elterlichen Sorge und in Absprache mit
den jeweiligen Einrichtungen .

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – gemeint sind
beispielsweise Fixierungen durch Gurt, Anbringen von
Bettgittern, die Gabe sedierender Medikamente oder der
Einschluss in sogenannte Time-out-Räume – sind für die
Betroffenen aber meist eine nicht weniger einschneiden-
de Maßnahme als eine geschlossene Stationstür . Sie sind
ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, und sie wer-
den von vielen Kindern als tiefste Demütigung empfun-
den .

Bei volljährig Betreuten sieht das Betreuungsrecht –
das wurde heute schon mehrfach angesprochen – deshalb
bereits jetzt ein solches gerichtliches Genehmigungs-
erfordernis vor, also auch für unterbringungsähnliche
Maßnahmen . Ich freue mich, dass wir heute für einen
Gleichlauf des Kinderschutzes mit dem Erwachsenen-
schutz sorgen . Künftig stellen wir auch die Anwendung
freiheitsbeschränkender Maßnahmen in Einrichtungen
bei Kindern und Jugendlichen unter diesen familienge-
richtlichen Genehmigungsvorbehalt .

Leider – auch das wurde heute schon mehrfach an-
gesprochen – gibt es Fälle, in denen freiheitentziehende
Maßnahmen in den Einrichtungen zu leichtfertig ange-
wandt wurden . In jüngster Zeit sind einige Fälle von
Einrichtungen bekannt geworden, in denen Kinder mit
geistigen und seelischen Behinderungen regelmäßig
Freiheitsbeschränkungen ausgesetzt wurden, obwohl
mildere Maßnahmen möglich gewesen wären . Insbeson-
dere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und der
Behindertenhilfe haben die Aufnahme von schwierigen
Jugendlichen zum Teil davon abhängig gemacht, dass
die Eltern zu Beginn unterschreiben, dass sie mit solchen
freiheitsentziehenden Maßnahmen einverstanden sind .

Die Ursachen für die angesprochenen Missstände
können vielfältig sein . Nicht selten genug geschieht die
Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme in
gut gemeinter pädagogischer Absicht oder auch aus Per-
sonalmangel, obwohl die Maßnahme im Einzelfall hätte
vermieden werden können . Maßgeblich ist aber, dass es
sich bei dem Einsatz freiheitsbeschränkender Maßnah-
men jedes Mal um einen schwerwiegenden Eingriff in
die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen handelt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Katrin Werner [DIE LINKE])


Da die Entscheidung für freiheitsentziehende Maß-
nahmen weitreichende Auswirkungen für die spätere
Entwicklung des Kindes haben kann, sollten sie wirklich
nur das allerletzte Mittel sein . Natürlich gibt es auch Si-
tuationen, in denen aus Gründen des Kindeswohls der
Einsatz zwingend erforderlich ist . Ich war in solchen
Einrichtungen als Betreuungsrichterin bei den gerade
18 Jahre alt gewordenen Kindern und habe viele solcher
Situationen und Konstellationen auch live erlebt . Ein
Sachverständiger hat gesagt: Wenn man ganz viel Perso-
nal und viel Geduld hat, dann kann man irgendwann alle
Kinder beruhigen . – Das ist genau die Argumentation im
Bezirkskrankenhaus . Die Realität in vielen Einrichtun-
gen und in vielen Bezirkskrankenhäusern sieht einfach
anders aus .


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Nur weil das Personal fehlt, gibt es solche Maßnahmen! Das ist doch echt nicht wahr!)


– In wie vielen solcher Einrichtungen waren Sie schon?
Wie viele solcher Entscheidungen haben sie schon ge-
troffen? Mit wie vielen betroffenen Kindern haben Sie
schon geredet? Sie reden immer nur vom Schreibtisch
aus . Sie haben nie die Praxis erlebt . Es tut mir leid . Glau-
ben Sie mir, es ist wirklich bitter . Was glauben Sie, wie
schwer es als Richter ist? In diesem Fall waren es gerade
18-Jährige . Deshalb musste man als Betreuungsrichter

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


da entscheiden . Zum Glück werden diese Entscheidun-
gen nicht am Fließband getroffen. Daher sollten wir uns
freuen, dass wir eine zusätzliche Maßnahme zum Schutz
einrichten .


(Zurufe von der LINKEN)


– Wir führen jetzt doch keine Diskussion . Ich soll eine
Rede halten, oder?


(Abg . Jörn Wunderlich [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Wir haben jetzt fast 1 Uhr . Wir müssen morgen alle
wieder um 7 .30 Uhr hier sein . Eine Zwischenfrage lasse
ich jetzt nicht zu .


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Lass dich nicht irritieren! Mach weiter!)


Aus meiner Sicht ist es folgerichtig, dass wir den Ge-
nehmigungsvorbehalt jetzt einführen und damit letztlich
einen Gleichlauf mit dem Betreuungsrecht . Das hat zwei
Vorteile . Es hat zum einen für die Eltern einen Vorteil .
Für die Eltern ist es sehr schwierig, ihr Einverständnis
zu erteilen . Oft sind sie selbst unsicher . Manche Eltern
haben vielleicht auch gar kein großes Interesse und in-
teressieren sich nicht so sehr für ihre Kinder, die sie in
die Einrichtung geben . Auch das kann es geben . Umso
wichtiger ist es, dass das Gericht bei derart demütigen-
den Maßnahmen dies noch einmal kontrolliert . Es wurde
von meiner Kollegin schon angesprochen: Manchmal ist
es auch besser für die Kinder, wenn nicht nur die Eltern
oder die Einrichtung das festlegen, sondern wenn eine
unabhängige dritte Person drübergeschaut hat .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende; ich will sie nicht
länger überziehen . – Aus der Praxis im Betreuungsrecht
weiß ich: Manchmal nervt die richterliche Kontrolle .
Aber es gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Eine
disziplinierende Wirkung hat ein zusätzliches richterli-
ches Genehmigungserfordernis auf alle Fälle . Und ich
glaube, wenigstens in dem Ziel, so wenige solcher Ein-
griffe wie möglich zu haben, sind wir uns doch heute hier
einig .

Gute Nacht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1824328300

Ich schließe damit jetzt die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ein-
führung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvor-
behaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kin-
dern . Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/12938, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/11278 in der Aus-
schussfassung anzunehmen . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen gibt es keine . Der Gesetzentwurf ist damit
in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU,

SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Ablehnung durch
die Fraktion Die Linke angenommen .

Wir kommen jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen gibt es keine . Der Ge-
setzentwurf ist damit mit Stimmen von CDU/CSU und
SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Recht und
Verbraucherschutz zu dem Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zur Einführung eines gerichtlichen Ge-
nehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen gegenüber Kindern . Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/12938, den Gesetzentwurf der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9804 für er-
ledigt zu erklären . Wer für diese Beschlussempfehlung
des Ausschusses stimmt, den bitte ich um ein Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Niemand . Die Beschluss-
empfehlung ist damit mit allen Stimmen des Hohen Hau-
ses angenommen .

Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 9 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Neuregelung des Schutzes von Ge-
heimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der
Berufsausübung schweigepflichtiger Personen

Drucksache 18/11936

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(6 . Ausschuss)


Drucksache 18/12940

Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden . –
Darüber besteht allgemeines Einvernehmen .1)

Deshalb kommen wir zur Abstimmung . Der Aus-
schuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12940,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/11936 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich
bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um ein Handzeichen . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
von CDU/CSU, SPD und der Fraktion Die Linke gegen
die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Deshalb kommen wir jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-

1) Anlage 11

Dr. Silke Launert






(A) (C)



(B) (D)


ben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD sowie der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 10:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Durchführung der Verordnung (EU)

Nr. 1143/2014 über die Prävention und das
Management der Einbringung und Ausbrei-
tung invasiver gebietsfremder Arten

Drucksache 18/11942

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (16 . Ausschuss)


Drucksache 18/12976

Hierzu liegt jeweils ein Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen vor .

Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben
werden . – Darüber besteht allgemeines Einverständnis .1)

Deshalb kommen wir zur Abstimmung . Der Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/12976, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 18/11942 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt
es keine . Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen

1) Anlage 12

die Stimmen der Fraktion Die Linke sowie Bündnis 90/
Die Grünen angenommen .

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte jetzt diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben . – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es
keine . Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Lin-
ke sowie von Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge, zunächst zum Entschließungsantrag
der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/12992 .
Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Gibt es keine . Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/
Die Grünen abgelehnt .

Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksa-
che 18/12993 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es
keine . Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/
Die Grünen sowie der Fraktion Die Linke abgelehnt .

Die Tagesordnung ist damit erschöpft, allerdings nicht
das Parlament und auch wir nicht .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf heute, Freitag, den 30 . Juni 2017, 8 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen . Kommen Sie gut und
rechtzeitig heute ins Plenum . Nutzen Sie notfalls auch
Gummistiefel und Faltboote .