Protokoll:
18226

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 226

  • date_rangeDatum: 24. März 2017

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:29 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/226 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 226. Sitzung Berlin, Freitag, den 24. März 2017 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 6: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes Drucksachen 18/11237, 18/11536, 18/11646 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22689 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe- bung des Gesetzes über die Erhebung ei- ner zeitbezogenen Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstra- ßen (Infrastrukturabgabenaufhebungs- gesetz – InfrAGAufhG) Drucksachen 18/11012, 18/11646 . . . . . . . 22689 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwei- ten Verkehrsteueränderungsgesetzes Drucksachen 18/11235, 18/11560, 18/11643 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22689 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/11644 . . . . . . . . . . . . . . . . 22689 B Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22689 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22690 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22693 A Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22694 B Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22696 D Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22698 A Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22699 C Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22700 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22700 C Dr . Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22701 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22703 A Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22704 C Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 22706 A, 22706 B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22708 D, 22711 A Tagesordnungspunkt 28: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Demografiepolitische Bilanz der Bun- desregierung zum Ende der 18. Wahl- periode – Jedes Alter zählt – Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Ge- nerationen Drucksache 18/11145 . . . . . . . . . . . . . . . . 22706 C b) Antrag der Abgeordneten Doris Wagner, Ulle Schauws, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam für ein gutes Morgen – Den demografischen Wandel gestalten Drucksache 18/11606 . . . . . . . . . . . . . . . . 22706 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017II c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Doris Wagner, Elisabeth Scharfenberg, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Partizipation und Selbst- bestimmung älterer Menschen stärken Drucksachen 18/9797, 18/11645 . . . . . . . . 22706 D Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22707 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22714 A Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22715 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22716 B Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22717 D Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 22718 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 22720 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 22720 D Astrid Timmermann-Fechter (CDU/CSU) . . . 22721 D Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22722 C Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22723 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22723 D Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Befristung von Arbeitsver- trägen ohne Sachgrund Drucksache 18/11598 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22725 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Kerstin Andreae, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Sach- grund – Keine Befristung Drucksache 18/11608 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22725 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 22725 D Dr . Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22727 B Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22729 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22730 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22731 A Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 22732 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22733 B Bernd Rützel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22734 C Dr . Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . 22735 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 22735 C Tagesordnungspunkt 29: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beein- trächtigungen 2016 Drucksache 18/10940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22736 D Gabriele Lösekrug-Möller, Parl . Staatssekre- tärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22736 D Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22738 A Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22739 C Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22741 A Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 22742 C Verena Bentele, Beauftragte der Bundesre- gierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22743 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22745 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22747 A Tagesordnungspunkt 31: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Strategie der Bundesregierung zur In- ternationalisierung von Bildung, Wis- senschaft und Forschung Drucksache 18/11100 . . . . . . . . . . . . . . . . 22748 A b) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung, die Plura- lität und Freiheit schützt, Grenzen über- windet und Zusammenhalt stärkt Drucksache 18/10359 . . . . . . . . . . . . . . . . 22748 B Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 22748 C Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 22749 D Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22751 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22752 D Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22754 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22756 D Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22757 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 III Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 22757 C Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22759 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22760 A Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22761 A Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22761 D Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Sport- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Özcan Mutlu, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine weltoffene und vielfältige Sport- und Fan- kultur – Bürgerrechte schützen, Gruppen- bezogene Menschenfeindlichkeit effektiv bekämpfen, rechte Netzwerke aufdecken Drucksachen 18/6232, 18/11511 . . . . . . . . . . . 22763 A Dr . Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22763 B Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22765 C Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22766 C Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22767 D Johannes Steiniger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22769 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22769 D Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22771 B Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 22772 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22773 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 22775 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Sabine Dittmar, Gabriele Fograscher, Bettina Hagedorn, Michael Hartmann (Wackernheim), Christina Jantz- Herrmann, Hiltrud Lotze, Ulli Nissen, Dr . Simone Raatz und Dr . Dorothee Schlegel (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Infrastrukturabgabengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . 22776 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christel Voßbeck-Kayser und Sabine Weiss (Wesel I) (beide CDU/CSU) zu der namentli- chen Abstimmung über den von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabga- bengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . 22777 B Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabga- bengesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . 22777 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 22777 C Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22778 A Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22778 C Petra Rode-Bosse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22778 D Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22779 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22780 B Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22780 D Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22781 B Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulrike Bahr, Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier, Dr . h . c . Gernot Erler, Petra Ernstberger, Saskia Esken, Karin Evers- Meyer, Hubertus Heil (Peine), Wolfgang Hellmich, Gustav Herzog, Josip Juratovic, Ralf Kapschack, Ulrich Kelber, Arno Klare, Birgit Kömpel, Anette Kramme, Christian Lange (Backnang), Dr . Birgit Malecha-Nissen, Katja Mast, Susanne Mittag, Bettina Müller, Jeannine Pflugradt, Detlev Pilger, Sabine Poschmann, Joachim Poß, Bernd Rützel, Ursula Schulte, Svenja Stadler, Sonja Steffen, Christoph Strässer, Kerstin Tack, Carsten Träger, Rüdiger Veit und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmun- gen über den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes und den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes (Zusatztagesordnungspunkte 6 und 7) . . . . . . 22782 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elke Ferner, Heidtrud Henn und Christian Petry (alle SPD) zu den namentlichen Abstim- mungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017IV zur Änderung des Infrastrukturabgabengeset- zes und den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes (Zusatztagesordnungspunkte 6 und 7) . . . . . . 22783 A Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rita Hagl-Kehl, Gabriela Heinrich und Marianne Schieder (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabga- bengesetzes und den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Zweiten Verkehrsteueränderungs- gesetzes (Zusatztagesordnungspunkte 6 und 7) . . . . . . 22783 D Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen über den von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabga- bengesetzes und den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Zweiten Verkehrsteueränderungs- gesetzes (Tagesordnungspunkte ZP 6 und ZP 7) . . . . . . 22784 C Heike Baehrens, (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22784 C Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22785 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 22785 D Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 22786 B Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22786 D Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22787 C Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22788 B Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22788 D Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22789 C Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22790 A Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 22790 D Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22791 B Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 22792 A Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22792 C Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22793 A Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22793 D Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22794 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22689 226. Sitzung Berlin, Freitag, den 24. März 2017 Beginn: 9 .01 Uhr
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    (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22775 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 24 .03 .2017 Altmaier, Peter CDU/CSU 24 .03 .2017 Barthle, Norbert CDU/CSU 24 .03 .2017 Binder, Karin DIE LINKE 24 .03 .2017 Bülow, Marco SPD 24 .03 .2017 Dröge, Katharina * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Fischer (Karlsru- he-Land), Axel E . CDU/CSU 24 .03 .2017 Funk, Alexander CDU/CSU 24 .03 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 24 .03 .2017 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Gottschalck, Ulrike SPD 24 .03 .2017 Griese, Kerstin SPD 24 .03 .2017 Groneberg, Gabriele SPD 24 .03 .2017 Grütters, Monika CDU/CSU 24 .03 .2017 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 24 .03 .2017 Hajek, Rainer CDU/CSU 24 .03 .2017 Hakverdi, Metin SPD 24 .03 .2017 Held, Marcus SPD 24 .03 .2017 Heller, Uda CDU/CSU 24 .03 .2017 Höger, Inge DIE LINKE 24 .03 .2017 Jelpke, Ulla DIE LINKE 24 .03 .2017 Kiesewetter, Roderich CDU/CSU 24 .03 .2017 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Klein, Volkmar CDU/CSU 24 .03 .2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Kolbe, Daniela SPD 24 .03 .2017 Krüger, Dr . Hans-Ulrich SPD 24 .03 .2017 Kudla, Bettina CDU/CSU 24 .03 .2017 Kühn-Mengel, Helga SPD 24 .03 .2017 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 24 .03 .2017 Möhring, Cornelia DIE LINKE 24 .03 .2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 24 .03 .2017 Nahles, Andrea SPD 24 .03 .2017 Oppermann, Thomas SPD 24 .03 .2017 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Pfeiffer, Dr . Joachim CDU/CSU 24 .03 .2017 Post, Florian SPD 24 .03 .2017 Pronold, Florian SPD 24 .03 .2017 Rachel, Thomas CDU/CSU 24 .03 .2017 Riesenhuber, Dr . Heinz CDU/CSU 24 .03 .2017 Röspel, René SPD 24 .03 .2017 Rüthrich, Susann * SPD 24 .03 .2017 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Schauws, Ulle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 24 .03 .2017 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 24 .03 .2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722776 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 24 .03 .2017 Schmidt, Dr . Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Schön (St . Wendel), Nadine CDU/CSU 24 .03 .2017 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 24 .03 .2017 Stauche, Carola CDU/CSU 24 .03 .2017 Stockhofe, Rita CDU/CSU 24 .03 .2017 Strebl, Matthäus CDU/CSU 24 .03 .2017 Tank, Azize DIE LINKE 24 .03 .2017 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24 .03 .2017 Ulrich, Alexander DIE LINKE 24 .03 .2017 Veith, Oswin CDU/CSU 24 .03 .2017 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 24 .03 .2017 Weinberg, Harald DIE LINKE 24 .03 .2017 Wöllert, Birgit DIE LINKE 24 .03 .2017 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Sabine Dittmar, Gabriele Fograscher, Bettina Hagedorn, Michael Hartmann (Wackernheim), Christina Jantz- Herrmann, Hiltrud Lotze, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz und Dr. Dorothee Schlegel (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgaben- gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Heute stimmt der Deutsche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes ab . Am 27 . März 2015 beschloss der Deutsche Bundes- tag in zweiter und dritter Lesung das Infrastrukturab- gabengesetz (Pkw-Maut) . Damals stimmten wir mit Ja, zweifelten aber wie viele Abgeordnete an der Europa- rechtskonformität des Gesetzes . Allerdings gab Minister Dobrindt damals im Bundestag zu Protokoll: „Sie ist eu- roparechtskonform . Glauben Sie es endlich .“ Am 18 . Juni 2015 allerdings stoppte Minister Dobrindt nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz . Anstatt – wie ständig angekündigt – die Pkw-Maut zum 1 . Januar 2016 „scharf zu stellen“, vereinbarte er fast 18 Monate später mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc am 1 . Dezember 2016 umfangreiche Nachbesserungen, um die Europarechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch herzustellen . Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sin- ken – unter anderem Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffar- me Pkw –, während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Mit diesen Konse- quenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsaus- schuss am 20 . März 2017 mit vier namhaften Sachver- ständigen beschäftigt . Fazit: Drei von vier Sachverständigen geben zu den kalkulierten Ausgaben einerseits „sehr begründete Zwei- fel daran, dass die 211 Millionen Euro realistisch sind“, zu Protokoll und bemängeln: „Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die vorliegenden Abschätzungen der Bundesregierung bzw . des BMVI bezüglich der Er- hebungskosten einer Infrastrukturabgabe nicht ansatz- weise den Anforderungen hinsichtlich Nachvollziehbar- keit und Transparenz genügen, die für die Ermittlung der Wirkungen von Großprojekten im Infrastrukturbereich bestehen und bezüglich derer im Übrigen ein breiter wissenschaftlicher Konsens vorhanden sein dürfte .“ Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft bestätigt, dass die 210,5 Millionen Euro des Verkehrsministeriums, „egal ob beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), ob beim BAG oder beim Zoll … absolut schöngerechnet sind“ . Andererseits prognostizieren drei von vier Sachver- ständigen zu der Einnahmeseite der Pkw-Maut – wenn überhaupt – nur marginale Nettoeinnahmen im Einfüh- rungsjahr, die sich nach übereinstimmender Meinung schon kurz darauf in ein Nettominus entwickeln würden . Fazit: Die Einnahmeprognose des BMVI wird von allen namhaften Sachverständigen nicht geteilt – mit Ausnah- me von Professor Dr . Schulz, der allerdings als Gutachter für das BMVI gearbeitet hat . Nach dem übereinstimmen- den Urteil aller anderen drei Experten wurde dessen Gut- achten allerdings unwissenschaftlich erhoben, wird als unplausibel bewertet und kommt darum vermutlich zu falschen Ergebnissen . Umso erstaunlicher ist deshalb die Bewertung von Finanzminister Schäuble, der die Netto- einnahmeprognose aus dem BMVI am 16 . März 2017 1 : 1 so bestätigt hat: „Das Bundesministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezweifeln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanz- plan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Mio . € p .a . vor .“ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22777 (A) (C) (B) (D) Damit hat Herr Schäuble die Verantwortung für prog- nostizierte Nettoeinnahmen im Bundeshaushalt bis 2021 von 1,5 Milliarden Euro durch die Pkw-Maut übernom- men . Nur wenn diese zweifelhafte Prognose auch tat- sächlich zutreffen würde, wären die drei Bedingungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbare Vorbedingungen zur Einführung der PKW- Maut erfüllt: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen an- gemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute . Die Ausgestaltung wird EU-rechtskon- form erfolgen .“ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat jetzt schon ein zweites Mal versichert, dass sein Gesetzent- wurf alle drei Bedingungen erfüllt – wir persönlich haben allerdings insbesondere nach den Erfahrungen von 2015 erhebliche Zweifel daran . Zusätzlich teilen wir die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Ein- führung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabga- be auf bestimmten Autobahnabschnitten hätte als Son- derregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Wir bedauern, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Wi- derstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Wir stimmen heute trotz dieser und weiterer offener Fragen und Bedenken dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil wir die Abstimmung nicht für eine Gewissen- sentscheidung halten und weil die SPD vertragstreu auch die Punkte des Koalitionsvertrags umsetzt, die unsere Koalitionspartner zu ihrem zentralen Anliegen gemacht haben . Die Pkw-Maut ist der Preis dafür, dass wir unsere zentralen Versprechen für diese Wahlperiode in die Tat umsetzen konnten: Der Mindestlohn gilt, wir haben die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren durchge- setzt, und die Kommunen wurden bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro entlastet . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christel Voßbeck-Kayser und Sabine Weiss (Wesel I) (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgaben- gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dem vorliegenden Gesetzentwurf stimmen wir zu . Die folgenden Voraussetzungen bilden dabei die Grund- lage unserer Entscheidung: Erstens . Die Gesamteinnahmen aus der Infrastruktur- abgabe sind deutlich positiv und fließen zweckgebunden in die Erhaltung der Straßeninfrastruktur des Bundes . Prognostiziert sind nach einem vom BMVI in Auftrag gegebenen Gutachten Gesamteinnahmen (brutto) von jährlich rund 3,9 Milliarden Euro, davon entfallen rund 830 Millionen Euro auf nicht in Deutschland zugelassene Fahrzeuge . Zweitens . Für deutsche Staatsbürger fallen durch die geplante Absenkung der Kfz-Steuer keine Mehrkosten an . Drittens . Die Infrastrukturabgabe wirkt sich nicht ne- gativ auf die Grenzregionen, also auf den Tourismus, das Gastgewerbe sowie den Einzelhandel, aus . Unsere Zustimmung zum Infrastrukturabgabegesetz erfolgt unter dem Vorbehalt, dass diese drei Vorausset- zungen sich erfüllen . Anderenfalls müssen Änderungen bzw . Ausnahmen für die Grenzregionen geprüft und ein- geführt werden . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra- strukturabgabengesetzes (Zusatztagesordnungs- punkt 6) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): In einem TV-Duell am 1 . September 2013 sagte die Kanzlerin: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben!“ Und so wie wir sicher sein konnten, dass sich Peer Steinbrück für den Mindestlohn einsetzen würde, haben wir der Kanzlerin natürlich diesen schlichten Satz geglaubt: Mit Angela Merkel „wird es keine Pkw-Maut geben“ . So weit die Kanzlerin . In der siebenten Sitzungswoche vor Ende dieser 18 . Legislaturperiode wird nun die Kanzlerin ihr Wort doch noch endgültig brechen . Die Anhörungen im Verkehrs-, im Haushalts-, und Finanzausschuss zur Maut haben ergeben, dass die vom Bundesminister für Verkehr behaupteten Ziele mit dem Gesetz nicht erreichbar sind . Im Gegenteil: Dieses Vor- haben ist weder gerecht noch europarechtskonform noch werden nennenswerte Einnahmen für die Infrastruktur erzielt . Die Berechnungen des Bundesverkehrsministers konnten nicht bestätigt werden, im Gegenteil: Die Bü- rokratie bzw . Erhebungskosten übersteigen die Einnah- men mit großer Wahrscheinlichkeit . Die Annahmen, die den Rechnungen des Verkehrsministers zugrunde liegen, konnten häufig nicht bestätigt werden. Das wäre nicht dramatisch, denn üblicherweise verifiziert das Bundesfi- nanzministerium solche Rechnungen anderer Fachminis- terien oder falsifiziert solche Rechnungen. Diesmal war es anders: Der Bundesfinanzminister bestätigt lediglich, dass er keine Zweifel an den Prognosen und Rechnungen des Bundesverkehrsministers habe . Eigene Rechnungen hat Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722778 (A) (C) (B) (D) der BMF nicht vorgelegt . Er schreibt: „Das Bundes- ministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezwei- feln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanzplan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen € p .a . vor .“ So wurde nun das CSU-Projekt im Koalitionsvertrag doch noch zu einem CDU-Projekt . Die CDU-Fraktion musste vertragsgemäß zustim- men: dem Mindestlohn, der Rente mit 63, der doppelten Staatsbürgerschaft, mehr Frauen in Führungspositionen, der Bekämpfung von Missbrauch bei Leih- und Zeitar- beit . Dafür bin ich nun auch vertragstreu und stimme der Maut widerwillig zu . Was bleibt: CDU/CSU erwirkt ihre Maut zum Schaden Deutschlands und Europas . Die SPD hat den Mindest- lohn, die Rente mit 63, die doppelte Staatsbürgerschaft, mehr Frauen in Führungspositionen, die Bekämpfung von Missbrauch bei Leih- und Zeitarbeit erwirkt zum Nutzen allen Menschen in Deutschland und Europa . Bernhard Kaster (CDU/CSU): Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Als Bundestagsabgeordneter für Trier und Trier-Saar- burg mit der unmittelbaren Nachbarschaft zu Frankreich und Luxemburg habe ich bis zuletzt dafür geworben, dass der Grenzübertritt als solcher keine Zahlungsverpflich- tung auslöst und daher zumindest die Strecke bis zur ers- ten Autobahnabfahrt mautfrei ausgestaltet wird . Schluss- endlich konnte ich dieser Position in der Koalition nicht zu einer Mehrheit verhelfen, dennoch habe ich mich entschlossen, dem Gesetz zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes meine Zustimmung nicht zu verwei- gern . Das Gesetz beseitigt europarechtliche Zweifel am bereits am 12 . Juni 2015 in Kraft getretenen Infrastruk- turabgabengesetz, es ging somit im Ergebnis nicht mehr um die Frage, ob eine solche Maut gesetzlich eingeführt wird . Beim 2015 beschlossenen – ursprünglichen – Ge- setz war es mir gelungen, die Herausnahme der Bundes- straßen aus dem damaligen Gesetzentwurf zu erreichen . Ich bedauere zutiefst, dass sich beim jetzt beschlossenen Änderungsgesetz und der sich damit neu ergebenden Be- ratungsgelegenheit keine Mehrheit für eine Sonderrege- lung bei der Ausgestaltung der Maut in Grenzregionen fand . Besonders in Regionen, wie sie mein Wahlkreis repräsentiert, wird Europa tagtäglich intensiv gelebt . Die Grenze ist bei uns in der Region nicht mehr spürbar, und dabei muss es auch bleiben . Es existiert ein immer enger zusammengewachsener grenzüberschreitender Arbeits- und Ausbildungsmarkt, zudem bestehen enge freund- schaftliche und wirtschaftliche Verbindungen zwischen den drei Ländern . In jeder Koalition gibt es Vorhaben, für die man selbst besonders gekämpft hat – wie beispielsweise die Mütter- rente –, aber es gibt auch Vorhaben, deren Unterstützung schwerfällt, und hierzu gehört die Zustimmung zum In- frastrukturabgabengesetz . In einem Parlament muss ein Abgeordneter aber auch immer in der Lage sein, Kom- promisse mitzutragen, denn diese bilden die Grundlage für die parlamentarische Arbeit . Dies habe ich mit meiner Zustimmung getan . Markus Paschke (SPD): Ich komme aus einer Re- gion, in der eine sehr gute Nachbarschaft mit den Men- schen in den Niederlanden gelebt wird . In beide Rich- tungen gibt es einen regen Austausch, sowohl privat als auch wirtschaftlich . Konkret für meinen Wahlkreis kommt hinzu, dass die Niederlande den Bau der A 31 we- sentlich mitfinanziert haben. Ohne diese niederländische Finanzierung wäre der Lückenschluss dieser Autobahn bis heute nicht realisiert worden . Es ist unseren Nach- barn nicht zu erklären, dass sie jetzt für die Benutzung einer von ihnen mitfinanzierten Straße auch noch zu zah- len müssen . Hinzu kommt, dass unsere niederländischen Nachbarn nach wie vor bereit sind, in die Schieneninfra- struktur auf deutscher Seite zu investieren . Diese Investi- tionsbereitschaft sehe ich durch den heute abzustimmen- den Gesetzentwurf massiv gefährdet . Zudem gibt es in meinem Wahlkreis wenige Verbin- dungen außerhalb der Autobahnen . Die zu erwartende Ausweichreaktion der Autofahrerinnen und -fahrer stel- len eine erhebliche Belastung nicht nur für die Dörfer und Städte in Grenzregionen, sondern vor allem für die dort lebenden Menschen dar . Der Gesetzentwurf gefährdet meiner Meinung nach ganz konkret den wirtschaftlichen Grenzverkehr, die da- mit verbundenen Arbeitsplätze und in Gänze die guten Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten . Dies hat auch sehr deutlich eine von der Ems-Dollart-Region in Auf- trag gegebene Umfrage unter im Grenzgebiet lebenden Niederländern ergeben . Danach gaben rund 35 Prozent der Befragten an, derzeit wöchentlich über die Grenze zu fahren . Nach Einführung einer Maut würden dies nur noch 8 Prozent tun . 75 Prozent der befragten Niederlän- der lehnen den Kauf einer Vignette rigoros ab . Hinzu kommt, dass die Umsetzung des Gesetzes mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden sein wird . Die daraus resultierende Belastung steht aus meiner Sicht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der beabsichtigten finanziellen Entlastung. Ich stehe zu den im Koalitionsvertrag formulierten Vereinbarungen . Die Maut ist ebenso Bestandteil dieses Vertrages wie der inzwischen eingeführte Mindestlohn . Aber ohne Ausnahmen für die Grenzregionen kann ich dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen . Ich hätte mir gewünscht, dass den vielfach formulierten Bedenken Rechnung getragen worden wäre und Aus- nahmen, wie sie zum Beispiel der Bundesrat in seiner Stellungnahme gefordert hat, mit in den Gesetzentwurf aufgenommen worden wären . Statt Barrieren abzubauen, errichtet dieser Gesetzentwurf zusätzliche Hürden zwi- schen den Menschen . Eine Enthaltung kommt daher für mich nicht infrage, und so stimme ich mit „Nein“ gegen den Gesetzentwurf zur „Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benut- zung von Bundesfernstraßen“ . Petra Rode-Bosse (SPD): Heute stimmt der Deut- sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22779 (A) (C) (B) (D) Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra- strukturabgabengesetzes ab . Am 27 . März 2015 beschloss der Deutsche Bundes- tag in zweiter und dritter Lesung das Infrastrukturabga- bengesetz (Pkw-Maut) . Meine Fraktion stimmte mit Ja, obwohl Zweifel an der Europarechtskonformität des Ge- setzes bestanden . Minister Dobrindt versicherte damals in seiner Rede: „Sie ist europarechtskonform . Glauben Sie es endlich .“ Am 18 . Juni 2015 allerdings stoppte Minister Dobrindt nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz . Anstatt – wie ständig angekündigt – die Pkw-Maut zum 1 . Januar 2016 „scharf zu stellen“, vereinbarte er fast 18 Monate später mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc am 1 . Dezember 2016 umfangreiche Nachbesserungen, um die Europarechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch zu herzustellen . Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sin- ken – unter anderem Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffar- me Pkw –, während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Mit diesen Konse- quenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsaus- schuss am 20 . März 2017 mit vier namhaften Sachver- ständigen beschäftigt . Fazit: Drei von vier Sachverständigen geben zu den kalkulierten Ausgaben einerseits „sehr begründete Zwei- fel daran, dass die 211 Millionen Euro realistisch sind“, zu Protokoll und bemängeln: „Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die vorliegenden Abschätzungen der Bundesregierung bzw . des BMVI bezüglich der Er- hebungskosten einer Infrastrukturabgabe nicht ansatz- weise den Anforderungen hinsichtlich Nachvollziehbar- keit und Transparenz genügen, die für die Ermittlung der Wirkungen von Großprojekten im Infrastrukturbereich bestehen und bezüglich derer im Übrigen ein breiter wissenschaftlicher Konsens vorhanden sein dürfte .“ Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft bestätigt, dass die 210,5 Millionen Euro des Verkehrsministeriums, „egal ob beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), ob beim BAG oder beim Zoll … absolut schöngerechnet sind“ . Andererseits prognostizieren drei von vier Sachver- ständigen zu der Einnahmeseite der Pkw-Maut – wenn überhaupt – nur marginale Nettoeinnahmen im Einfüh- rungsjahr, die sich nach übereinstimmender Meinung schon kurz darauf in ein Nettominus entwickeln würden . Fazit: Die Einnahmeprognose des BMVI wird von allen namhaften Sachverständigen nicht geteilt – mit Ausnah- me von Professor Dr . Schulz, der allerdings als Gutachter für das BMVI gearbeitet hat . Nach dem übereinstimmen- den Urteil aller anderen drei Experten wurde dessen Gut- achten allerdings unwissenschaftlich erhoben, wird als unplausibel bewertet und kommt darum vermutlich zu falschen Ergebnissen . Umso erstaunlicher ist deshalb die Bewertung von Finanzminister Schäuble, der die Netto- einnahmeprognose aus dem BMVI am 16 . März 2017 1 : 1 so bestätigt hat: „Das Bundesministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezweifeln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanz- plan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen € p .a . vor .“ Damit hat Herr Schäuble die Verantwortung für prog- nostizierte Nettoeinnahmen im Bundeshaushalt bis 2021 von 1,5 Milliarden Euro durch die Pkw-Maut übernom- men . Nur, wenn diese zweifelhafte Prognose auch tatsäch- lich zutreffen würde, wären die drei Bedingungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbare Vorbedingungen zur Einführung der Pkw- Maut erfüllt: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen an- gemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute . Die Ausgestaltung wird EU-rechtskon- form erfolgen .“ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat jetzt schon ein zweites Mal versichert, dass sein Gesetzent- wurf alle drei Bedingungen erfüllt – ich persönlich habe allerdings insbesondere nach den Erfahrungen von 2015 erhebliche Zweifel daran . Zusätzlich teile ich die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einfüh- rung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderrege- lung für die grenznahen Städte und Kommunen zweck- dienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Ich stimme heute trotz dieser und weiterer offener Fragen und Bedenken dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil ich die Abstimmung nicht für eine Gewissens- entscheidung halte und weil die SPD vertragstreu auch die Punkte des Koalitionsvertrags umsetzt, die unsere Koalitionspartner zu ihrem zentralen Anliegen gemacht haben . Die Pkw-Maut ist der Preis dafür, dass wir unsere zentralen Versprechen für diese Wahlperiode in die Tat umsetzen konnten: Der Mindestlohn gilt, wir haben die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren durchge- setzt, und die Kommunen wurden bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro entlastet . Dr. Martin Rosemann (SPD): Der Deutsche Bundes- tag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . 76 Prozent der SPD-Mitglieder haben im Dezem- ber 2013 bei einer Mitgliederbefragung für einen Koali- tionsvertrag gestimmt, dessen Bestandteil die Pkw-Maut war . Sie haben es deshalb getan, weil wir im Gegenzug wichtige sozialdemokratische Projekte wie den Mindest- lohn, die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722780 (A) (C) (B) (D) deutliche Verbesserungen bei der Erwerbsminderungs- rente oder die Entlastung der Kommunen um mehr als 25 Milliarden bis 2018 durchsetzen konnten . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Für die Umsetzung der Pkw-Maut haben wir drei klare Kriterien festgelegt: Sie darf die deutschen Autofahrerin- nen und Autofahrer nicht zusätzlich belasten, sie muss europarechtskonform sein, und sie muss zu substanti- ellen Mehreinnahmen im Bundeshaushalt führen . Nur wenn diese drei Bedingungen erfüllt werden, kann die Pkw-Maut tatsächlich langfristig umgesetzt werden . Die Kosten für die Maut für deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer, sollen durch eine Entlastung in gleicher Höhe bei der Kfz-Steuer kompensiert werden . Wegen der Staffelung der Mautsätze hat die EU-Kommission ange- kündigt, das im September 2015 eröffnete Strafverlet- zungsverfahren gegen Deutschland aufzugeben . Und die Bundesminister Dobrindt und Schäuble haben uns zuge- sichert, dass die Maut zu substantiellen Mehreinnahmen im Bundeshaushalt führt . Auch wenn wir heute eine Pkw-Maut beschließen, ist das kein Einstieg in eine Nutzerfinanzierung der Infra- struktur . Die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur ist und bleibt eine Kernaufgabe des Staates und muss daher auch grundsätzlich über Steuern finanziert werden. Da wir zum einen im Koalitionsvertrag die Einführung einer Pkw-Maut beschlossen haben und zum anderen der Verkehrsminister und der Finanzminister nach langen und intensiven Verhandlungen zugesagt haben, dass un- sere Bedingungen mit dem jetzigen Gesetzentwurf ein- gehalten werden, stimme ich dem Gesetzentwurf zu . Dr. Nina Scheer (SPD): Heute stimmt der Deut- sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra- strukturabgabengesetzes ab . Die hiermit eingeführte so- genannte Pkw-Maut war auf Drängen der CSU in den Koalitionsvertrag von 2013 aufgenommen worden . Die SPD kritisierte das politische Vorhaben einer solchen Pkw-Maut von Beginn an und hatte insofern an ein sol- ches Projekt Bedingungen gestellt . Ich persönlich erach- te ferner eine Pkw-Maut als nicht hilfreich, die heutigen zentralen politischen Handlungserfordernisse abzubil- den . Diese müssen in einer Einbindung auch des Ver- kehrssektors in den Transformationsprozess der Energie- wende liegen – weg von fossilen Treibstoffen und hin zu Erneuerbaren Energien . Am 27 . März 2015 beschloss der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Infrastrukturabgaben- gesetz (Pkw-Maut) . Damals stimmte ich mit Ja, zweifelte aber wie viele Abgeordnete an der Europarechtskonfor- mität des Gesetzes . Allerdings gab Minister Dobrindt damals im Bundestag zu Protokoll: „Sie ist europarechts- konform . Glauben Sie es endlich .“ Am 18 . Juni 2015 stoppte Minister Dobrindt aller- dings nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz . Fast 18 Monate später, am 1 . Dezember 2016, vereinbarte Minister Dobrindt mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc umfangreiche Nachbesserungen, um die Eu- roparechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch herzustellen . Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sin- ken – unter anderem Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffar- me Pkw –, während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Mit diesen Konse- quenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsaus- schuss am 20 . März 2017 mit vier namhaften Sachver- ständigen beschäftigt . Fazit: Drei von vier Sachverständigen erklärten zu den kalkulierten Ausgaben sehr begründete Zweifel an einer positiven Einnahmenbilanz und äußerten ferner Zweifel hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Transparenz . Nur bei einer positiven Einnahmensituation wären die mit dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbar gesetzten Vorbedingungen zur Ein- führung der Pkw-Maut vollständig erfüllt . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Der Nachweis über die tatsächliche Einnahmesituati- on wird noch zu erbringen sein . Vor diesem Hintergrund überwiegt die Aussage des Koalitionsvertrages zur Ein- führung der Pkw-Maut . Trotz der benannten Fragen, die auch die Erfüllung der Bedingungen des Koalitionsver- trages in Zweifel ziehen, stimme ich somit heute dem vorliegenden Gesetzentwurf aus Gründen der Koaliti- onstreue zu . Dr. Karin Thissen (SPD): Heute stimmt der Deut- sche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra- strukturabgabengesetzes ab . Am 27 . März 2015 beschloss der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Infrastrukturabgaben- gesetz (Pkw-Maut) . Damals stimmte ich mit Ja, zweifelte aber wie viele Abgeordnete an der Europarechtskonfor- mität des Gesetzes . Allerdings gab Minister Dobrindt damals im Bundestag zu Protokoll: „Sie ist europarechts- konform . Glauben Sie es endlich .“ Am 18 . Juni 2015 allerdings stoppte Minister Dobrindt nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz . Anstatt – wie ständig angekündigt – die Pkw-Maut zum 1 . Januar 2016 „scharf zu stellen“, vereinbarte er fast 18 Monate später mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc am 1 . Dezember 2016 umfangreiche Nachbesserungen, um die Europarechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch zu herzustellen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22781 (A) (C) (B) (D) Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sin- ken – unter anderem Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffar- me Pkw –, während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Mit diesen Konse- quenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsaus- schuss am 20 . März 2017 mit vier namhaften Sachver- ständigen beschäftigt . Fazit: Drei von vier Sachverständigen geben zu den kalkulierten Ausgaben einerseits „sehr begründete Zwei- fel daran, dass die 211 Millionen Euro realistisch sind“, zu Protokoll und bemängeln: „Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die vorliegenden Abschätzungen der Bundesregierung bzw . des BMVI bezüglich der Er- hebungskosten einer Infrastrukturabgabe nicht ansatz- weise den Anforderungen hinsichtlich Nachvollziehbar- keit und Transparenz genügen, die für die Ermittlung der Wirkungen von Großprojekten im Infrastrukturbereich bestehen und bezüglich derer im Übrigen ein breiter wissenschaftlicher Konsens vorhanden sein dürfte .“ Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft bestätigt, dass die 210,5 Millionen Euro des Verkehrsministeriums, „egal ob beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), ob beim BAG oder beim Zoll … absolut schöngerechnet sind“ . Andererseits prognostizieren drei von vier Sachver- ständigen zu der Einnahmeseite der Pkw-Maut – wenn überhaupt – nur marginale Nettoeinnahmen im Einfüh- rungsjahr, die sich nach übereinstimmender Meinung schon kurz darauf in ein Nettominus entwickeln würden . Fazit: Die Einnahmeprognose des BMVI wird von allen namhaften Sachverständigen nicht geteilt – mit Ausnah- me von Professor Dr . Schulz, der allerdings als Gutachter für das BMVI gearbeitet hat . Nach dem übereinstimmen- den Urteil aller anderen drei Experten wurde dessen Gut- achten allerdings unwissenschaftlich erhoben, wird als unplausibel bewertet und kommt darum vermutlich zu falschen Ergebnissen . Umso erstaunlicher ist deshalb die Bewertung von Finanzminister Schäuble, der die Netto- einnahmeprognose aus dem BMVI am 16 . März 2017 1 : 1 so bestätigt hat: „Das Bundesministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezweifeln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanz- plan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Mio . € p .a . vor .“ Franz Thönnes (SPD): Heute stimmt der Deutsche Bundestag in namentlicher Abstimmung über den Ent- wurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes ab . Am 27 . März 2015 beschloss der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Infrastrukturabgaben- gesetz (Pkw-Maut) . Damals stimmte ich mit Ja, zweifelte aber wie viele Abgeordnete an der Europarechtskonfor- mität des Gesetzes . Allerdings gab Minister Dobrindt damals im Bundestag zu Protokoll: „Sie ist europarechts- konform . Glauben Sie es endlich .“ Am 18 . Juni 2015 allerdings stoppte Minister Dobrindt nur sechs Tage nach Inkrafttreten das Gesetz . Anstatt – wie ständig angekündigt – die Pkw-Maut zum 1 . Januar 2016 „scharf zu stellen“, vereinbarte er fast 18 Monate später mit der EU-Verkehrskommissarin Frau Bulc am 1 . Dezember 2016 umfangreiche Nachbesserungen, um die Europarechtskonformität jetzt im zweiten Anlauf mit einer Gesetzesänderung doch noch zu herzustellen . Diese Änderungen am Gesetz von 2015 führen jedoch absehbar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sin- ken – unter anderem Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie zusätzliche Entlastung für schadstoffar- me Pkw –, während die Ausgaben – insbesondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Mit diesen Konse- quenzen hat sich ein Expertengespräch im Haushaltsaus- schuss am 20 . März 2017 mit vier namhaften Sachver- ständigen beschäftigt . Fazit: Drei von vier Sachverständigen geben zu den kalkulierten Ausgaben einerseits „sehr begründete Zwei- fel daran, dass die 211 Millionen Euro realistisch sind“, zu Protokoll und bemängeln: „Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die vorliegenden Abschätzungen der Bundesregierung bzw . des BMVI bezüglich der Er- hebungskosten einer Infrastrukturabgabe nicht ansatz- weise den Anforderungen hinsichtlich Nachvollziehbar- keit und Transparenz genügen, die für die Ermittlung der Wirkungen von Großprojekten im Infrastrukturbereich bestehen und bezüglich derer im Übrigen ein breiter wissenschaftlicher Konsens vorhanden sein dürfte“ . Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft bestätigt, dass die 210,5 Millionen Euro des Verkehrsministeriums, „egal ob beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), ob beim BAG oder beim Zoll … absolut schöngerechnet sind“ . Andererseits prognostizieren drei von vier Sachver- ständigen zu der Einnahmeseite der Pkw-Maut – wenn überhaupt – nur marginale Nettoeinnahmen im Einfüh- rungsjahr, die sich nach übereinstimmender Meinung schon kurz darauf in ein Nettominus entwickeln würden . Fazit: Die Einnahmeprognose des BMVI wird von allen namhaften Sachverständigen nicht geteilt – mit Ausnah- me von Professor Dr . Schulz, der allerdings als Gutachter für das BMVI gearbeitet hat . Nach dem übereinstimmen- den Urteil aller anderen drei Experten wurde dessen Gut- achten allerdings unwissenschaftlich erhoben, wird als unplausibel bewertet und kommt darum vermutlich zu falschen Ergebnissen . Umso erstaunlicher ist deshalb die Bewertung von Finanzminister Schäuble, der die Netto- einnahmeprognose aus dem BMVI am 16 . März 2017 1 : 1 so bestätigt hat: „Das Bundesministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezweifeln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanz- plan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen € p .a . vor .“ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722782 (A) (C) (B) (D) Damit hat Herr Schäuble die Verantwortung für prog- nostizierte Nettoeinnahmen im Bundeshaushalt bis 2021 von 1,5 Milliarden Euro durch die Pkw-Maut übernom- men . Nur wenn diese zweifelhafte Prognose auch tatsäch- lich zutreffen würde, wären die drei Bedingungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbare Vorbedingungen zur Einführung der Pkw- Maut erfüllt: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen an- gemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute . Die Ausgestaltung wird EU-rechtskon- form erfolgen .“ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat jetzt schon ein zweites Mal versichert, dass sein Gesetzent- wurf alle drei Bedingungen erfüllt . Vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 2015 kann man jedoch erhebliche Zweifel daran haben . Zusätzlich teile ich die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einfüh- rung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderrege- lung für die grenznahen Städte und Kommunen zweck- dienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Ich stimme heute trotz dieser und weiterer offener Fragen und Bedenken dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil ich die Abstimmung nicht für eine Gewissen- sentscheidung halte und weil die SPD vertragstreu auch die Punkte des Koalitionsvertrags umsetzt, die unsere Koalitionspartner zu ihrem zentralen Anliegen gemacht haben . Die Pkw-Maut ist der Preis dafür, dass wir un- sere zentralen Versprechen für diese Wahlperiode in die Tat umsetzen konnten . So gilt der Mindestlohn . Die ab- schlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren wurde von uns durchgesetzt, und die Kommunen wurden bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro entlastet . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulrike Bahr, Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, Saskia Esken, Karin Evers-Meyer, Hubertus Heil (Peine), Wolfgang Hellmich, Gustav Herzog, Josip Juratovic, Ralf Kapschack, Ulrich Kelber, Arno Klare, Birgit Kömpel, Anette Kramme, Christian Lange (Backnang), Dr. Birgit Malecha-Nissen, Katja Mast, Susanne Mittag, Bettina Müller, Jeannine Pflugradt, Detlev Pilger, Sabine Poschmann, Joachim Poß, Bernd Rützel, Ursula Schulte, Svenja Stadler, Sonja Steffen, Christoph Strässer, Kerstin Tack, Carsten Träger, Rüdiger Veit und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes und den von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes (Zusatztagesord- nungspunkte 6 und 7) Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Ent- wurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehr- steueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Wir teilen die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Wir bedauern, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird Wort für Wort umgesetzt . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten wer- den . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22783 (A) (C) (B) (D) ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat unserer Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimmen wir trotz weiterhin bestehender Fra- gen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koa- litionsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen beinhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wur- den viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elke Ferner, Heidtrud Henn und Christian Petry (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes und den von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes (Zusatztagesord- nungspunkte 6 und 7) Diese Pkw-Maut war nie ein Kernanliegen der SPD . Mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages haben sich die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion jedoch verpflichtet, dem Gesetz zuzustimmen, wenn die Voraus- setzungen erfüllt sind, die wir im Koalitionsvertrag ver- einbart haben . Der Druck von SPD-Politikerinnen und -Politikern hat dafür gesorgt, dass Bundesverkehrsminister Dobrindt und Bundesfinanzminister Schäuble bereits im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses im Dezember 2014 gravieren- de Änderungen an ihrem Konzept vornehmen mussten: Die Maut für im Ausland zugelassene Pkw wird nicht mehr auf allen Straßen, sondern nur noch auf Bundesau- tobahnen erhoben . Das Saarland lebt von offenen Grenzen . Täglich pen- deln mehr als 20 000 Menschen aus Frankreich zur Ar- beit oder zum Einkaufen ins Saarland . Alleine in Saar- brücken geht ein Drittel des Umsatzes auf Kunden aus Frankreich . Aber es ergeben sich durch die Einführung der Pkw-Maut nicht nur reale Gefahren für die saarlän- dische Wirtschaft . Durch die Bemautung der Autobahn, die gerade im Regionalverband Saarbrücken mit zur Ent- lastung der innerstädtischen Straßen beiträgt, droht der tägliche innerstädtische Verkehrskollaps – mit allen öko- logischen und ökonomischen Folgen . Auch die örtlichen Industrie- und Handelskammern, Handwerksammern, Kirchen und Verbände in den Grenzregionen befürchten, dass die Einführung einer Pkw-Maut zu negativen wirt- schaftlichen und kulturellen Konsequenzen führen wird . Wir nehmen die Bedenken der Menschen vor Ort sehr ernst . Daher hat die SPD-Bundestagsfraktion in den Ver- handlungen mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit großem Nachdruck den Vorschlag des Bundesrats und der kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen und eine weitergehende Ausnahmeregelung für die ersten 30 Ki- lometer Wegstrecke an den grenznahen Bundesautobah- nen gefordert . Wir bedauern, dass dieser Vorschlag an dem erbitter- ten Widerstand von Bundesverkehrsminister Dobrindt und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Darüber hinaus haben die Anhörungen im Haus- halts- und Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags unsere Zweifel an der EU-Rechtskonformität der Maut und der Frage, ob durch die Pkw-Maut auch tatsächlich Mehreinnahmen für dringend notwendige Investitionen generiert werden können, nicht ausräumen können . Da gerade für das Saarland, mit seinen europäischen Grenzen zu Frankreich und Luxemburg, und für die dort ansässigen kleinen und mittelständischen Unternehmen der kleine Grenzverkehr überlebenswichtig ist, können wir heute den vorliegenden Gesetzentwürfen nicht zu- stimmen . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rita Hagl-Kehl, Gabriela Heinrich und Marianne Schieder (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes und den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungs- gesetzes (Zusatztagesordnungspunkte 6 und 7) Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Ent- wurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehr- steueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Wir teilen die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722784 (A) (C) (B) (D) grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Wir bedauern, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverletzungs- verfahren gegen Deutschland, das die EU-Kommission eingeleitet hatte, wurde unter Auflage von Änderungen aufgegeben, über die wir heute abstimmen müssen . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird Wort für Wort umgesetzt . Der Minister hat uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – eingehalten werden . Die Änderung des Gesetzes sieht nun eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hu- braum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Ge- setzentwurf des Bundesverkehrsministeriums hineinver- handelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, ist im gleichzeitig zu beschließenden Verkehrsteuerände- rungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Ver- gleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal gestiegen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand angeht . Der Bundesver- kehrsminister hat versichert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizierten Einnahmen in Höhe von min- destens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Mil- lionen – zu bezweifeln. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat in dieser Woche schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesver- kehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehreinnahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der In- frastrukturabgabe nachteilig auf Grenzregionen aus- wirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, sämtliche Fehler zu korrigieren . Heute stimmen wir trotz weiterhin bestehender Fra- gen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion in den parlamenta- rischen Beratungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das sozialdemokratische Kernforderungen in die Tat umsetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente mit 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastruk- turabgabengesetzes und den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungs- gesetzes (Tagesordnungspunkte ZP 6 und ZP 7) Heike Baehrens (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD . Sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU, ohne das ein Koalitionsvertrag nicht zustande gekommen wäre . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parla- mentarischen Beratungen war es der SPD bereits vor In- krafttreten des Infrastrukturabgabengesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf ent- schieden zu verbessern . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Die im Koalitionsver- trag getroffenen Vereinbarungen werden umgesetzt . Die Bundesminister Dr . Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedin- gungen – die Europarechtskonformität, substanziel- le Einnahmen sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 be- schlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen . Ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Was die Forderung des Koaliti- onsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, soll im heute zu beschließenden Verkehr- steueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steu- er im Vergleich zum Entwurf von vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22785 (A) (C) (B) (D) Mehreinnahmen bringt . Sollte sich im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes herausstellen, dass die gesetzten Ziele nicht erreicht werden, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, die notwendigen Korrekturen vor- zunehmen oder das Infrastrukturabgabengesetz wieder aufzuheben . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu . Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich 2013 im Koalitionsver- trag auf ein einheitliches Stimmverhalten innerhalb der Großen Koalition verpflichtet. Wir konnten darin sozial- demokratische Kernforderungen, wie den Mindestlohn, die Rente ab 63 und die Entlastung der Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro durchsetzen . Im Gegenzug haben wir der Einführung einer Pkw-Maut zu- gestimmt . Bärbel Bas (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentarischen Bera- tungen war es der SPD bereits vor Inkrafttreten des In- frastrukturabgabengesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entscheidend zu ver- bessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort und zum Koalitions- vertrag . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europarechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen . Ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit zur Fehlerkorrektur geben . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fra- gen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD 2013 in den Koalitionsverhandlungen ein Gesamtpaket ausgehandelt hat . Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition und in den vergangenen Jahren konnten viele wichtige Forderungen der SPD umgesetzt werden . Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Rente mit 63, die Entlastung der Kommunen oder die Frauenquote . Auf der anderen Seite hat sich die SPD bereit erklärt, dem Vorhaben von CDU/CSU zur Einfüh- rung dieser Pkw-Maut nicht im Wege zu stehen, und wir halten Wort . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Wir halten Verein- barungen . Genauso wie wir erwarten, dass unser Koa- litionspartner der CDU/CSU den Koalitionsvertrag ein- hält – beispielsweise Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaft- lichen Bereichen beendet und die sogenannte „Ehe für alle“ akzeptiert –, bleiben wir vertragstreu und stimmen der sogenannten Pkw-Maut zu . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass die Pkw- Maut europarechtskonform ist, einen substanziellen fi- nanziellen Beitrag liefert und es keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter gibt . Das waren die Voraussetzungen für unsere Zustimmung . Die Pkw-Maut ist kein Anliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentarischen Bera- tungen war es der SPD bereits vor Inkrafttreten des In- frastrukturabgabengesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu ver- bessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates und der Mehr- zahl der Gutachter über eine mögliche nachteilige Aus- wirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722786 (A) (C) (B) (D) Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnit- ten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Dieser Vor- schlag ist leider am Widerstand der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion gescheitert . Wenigstens bietet die gesetzlich vorgesehene Evaluierung später die Chance zur Korrek- tur . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Der Bundesverkehrsminister hat Einnahmen von min- destens 520 Millionen Euro versichert . Ich habe jedoch weiterhin Bedenken, dass die Kosten für den bürokra- tischen Aufwand und die tatsächlichen Einnahmen im Verhältnis stehen . Sollten sich die Minister der CDU/ CSU wieder irren und wir im Rahmen der von uns durch- gesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturab- gabe nachteilig auf Grenzregionen auswirkt, so werde ich mich dafür einsetzen, dass wir mit entsprechenden Mehrheiten die Pkw-Maut in der kommenden Legislatur- periode wieder abschaffen . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wur- den viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Der Deutsche Bun- destag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Ge- setzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgeset- zes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das zentrale Wunschprojekt der CSU in dieser Legis- laturperiode . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentarischen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttreten des Infrastrukturabgabengesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzent- wurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mög- liche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infra- strukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnitten als Sonderregelung für die grenz- nahen Städte und Kommunen wäre sinnvoll . Ich be- dauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestags- fraktion gescheitert ist . Die gesetzlich vorgesehene Eva- luierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen, eine Mehrheit finden. Die SPD steht zu ihrem Wort . Der Koalitionsver- trag wird Wort für Wort umgesetzt . Die Bundesminis- ter Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten wer- den . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung hat die SPD in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundes- verkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Die SPD hat weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezwei- feln. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat der SPD-Fraktion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substan- zielle Mehreinnahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und im Rahmen der von der SPD durchge- setzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes fest- gestellt werden, dass sich die Erhebung der Infrastruktur- abgabe nachteilig auf Grenzregionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, die Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung ei- ner Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wurden viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umge- setzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde ein- geführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Dagmar Freitag (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute in Namentlicher Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra- strukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Ver- kehrsteueränderungsgesetzes ab . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22787 (A) (C) (B) (D) Die Pkw-Maut ist kein Projekt der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentarischen Bera- tungen war es der SPD bereits vor Inkrafttreten des Infra- strukturabgabengesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf zu verbessern . Ich teile ausdrücklich die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einfüh- rung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderrege- lung für die grenznahen Städte und Kommunen zweck- dienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Aller- dings bietet die gesetzlich vorgesehene Evaluierung spä- ter die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsver- trag wird umgesetzt . Dieses erwarten wir im Gegen- zug schließlich auch von unserem Koalitionspartner . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedin- gungen – die Europarechtskonformität, der substanzi- elle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 be- schlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – anzuzweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehr- einnahmen bringt . „Das Bundesministerium der Finanzen hat keine Veranlassung, die Annahmen der Verkehrsexperten des BMVI zu bezweifeln . Daher sehen die im Kabinett am 15 . März 2017 beschlossenen Eckwerte für den Finanz- plan bis 2021 auch ab 2019 zusätzliche Investitionen in Höhe von rund 500 Mio . € p .a . vor .“ (Bewertung von Fi- nanzminister Schäuble vom 16 . März 2017) Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Er- hebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenzre- gionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Die heutige Abstimmung ist keine Gewissensfrage . Daher stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische – und im Laufe dieser Wahlperiode bereits umgesetzte – Kernforderungen be- inhaltet, aber eben auch unter Bedingungen die Einfüh- rung einer Pkw-Maut umfasst . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Der Deutsche Bundes- tag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der In- frastrukturabgabe auf die Grenzregionen – wie im Nor- den Schleswig-Holsteins an der Grenze zu Dänemark, insbesondere für den grenznahen Tourismus . Ein Ver- zicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf be- stimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdien- lich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die ge- setzlich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bun- desverkehrsminister Alexander Dobrindt haben versi- chert, dass die drei Bedingungen der SPD – die Euro- parechtskonformität, der substanzielle finanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterin- nen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeu- ge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Aus- wirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir als SPD in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Ko- alitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterin- nen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehr- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722788 (A) (C) (B) (D) steueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steu- er im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Als SPD-Fraktion haben wir weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die ge- sicherten Einnahmen angeht . Der Bundesverkehrsminis- ter hat versichert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizierten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen Euro – zu bezweifeln. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat uns schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substan- zielle Mehreinnahmen bringt . Sollten sich die Minister Dobrindt und Schäuble wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkun- gen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenzregionen aus- wirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 mit dem Koaliti- onsvertrag ein Gesamtpaket ausgehandelt hat, das mehr- heitlich sozialdemokratische Kernforderungen beinhal- tet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren konnten wir viele wichtige sozialdemokratische Projekte in die Tat umsetzen: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wur- de eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Frank Junge (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird Wort für Wort umgesetzt . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten wer- den . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesver- kehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zusätzli- chen finanziellen Belastung auszusetzen, soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Ent- lastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD 2013 in den Koalitionsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialde- mokratische Kernforderungen beinhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wurden viele der sozialdemo- kratischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindest- lohn gilt, die Rente mit 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Mil- liarden Euro . Caren Marks (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Anliegen der SPD, sie ist das Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentarischen Beratungen war es der SPD-Bundestagsfraktion bereits vor Inkrafttreten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu ver- bessern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22789 (A) (C) (B) (D) Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu dem vereinbarten Koalitionsvertrag . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedin- gungen – die Europarechtskonformität, der substanzi- elle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 be- schlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Ko- alitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterin- nen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im ebenfalls heute zu beschließen- den Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jah- ren sogar noch einmal steigen . Bedenken bestehen weiterhin bezüglich der Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Einnahmen . Bundesverkehrsminister Dobrindt hat ver- sichert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognosti- zierten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Milli- onen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen Euro – zu bezweifeln. Bundesfinanzminister Schäuble hat schrift- lich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehreinnahmen bringt . Sollte sich im Rahmen der von uns durchgesetz- ten Evaluierung des Gesetzes herausstellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit zur Korrektur geben . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu . Die SPD hat 2013 in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU ein Gesamtpaket verhandelt, das viele so- zialdemokratische Projekte beinhaltet, das meiste davon ist bereits umgesetzt . Bestandteil des Koalitionsvertrages war auch die Einführung einer Pkw-Maut unter entspre- chenden Bedingungen . Gerold Reichenbach (SPD): Der Deutsche Bundes- tag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverletzungs- verfahren gegen Deutschland, das die EU-Kommission eingeleitet hatte, wurde unter Auflage von Änderungen aufgegeben, über die wir heute abstimmen müssen . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird umgesetzt . Der Minister hat uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europarechtskonformi- tät, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – eingehal- ten werden . Die Änderung des Gesetzes sieht nun eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deut- schen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, ist im gleichzeitig zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Ent- lastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal gestiegen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand angeht . Der Bundesver- kehrsminister hat versichert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizierten Einnahmen in Höhe von min- destens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Mil- lionen – zu bezweifeln. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat in dieser Woche schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Berechnungen des Bundesver- kehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehreinnahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der In- frastrukturabgabe nachteilig auf Grenzregionen aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722790 (A) (C) (B) (D) wirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, sämtliche Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion in den parlamentari- schen Beratungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das sozialdemokratische Kernforderungen in die Tat um- setzt: Der Mindestlohn gilt, die Möglichkeit für langjäh- rige Beitragszahler, zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente zu gehen, wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Es gehört zum Wesen der Demokratie, erzielte Kompromis- se und Mehrheitsentscheidungen auch dann mitzutragen, wenn man nicht alle eigenen Vorstellungen durchsetzen konnte . Andreas Rimkus (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entscheidend zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedin- gungen – die Europarechtskonformität, der substanzi- elle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Die bereits 2015 be- schlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Ko- alitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterin- nen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehr- steueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steu- er im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wur- den viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengeset- zes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsge- setzes ab . Zusammen mit vielen anderen Bundestagsab- geordneten der SPD stelle ich fest: Die Pkw-Maut ist absolut kein Herzensanliegen der SPD . Aber sie ist das einzige wirkliche hundertprozen- tige Wunschprojekt der CSU, das diese Partei in den ge- meinsamen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD eingebracht hat . Es ist der SPD im Zuge der umfang- reichen und intensiven parlamentarischen Beratungen bereits vor dem Inkrafttreten des Infrastrukturabgabege- setzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglich sehr schlechten Gesetzentwurf des CSU-Verkehrsministers in einzelnen Punkten zu verbessern . Die bereits 2015 be- schlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Als Abgeordneter für Schleswig-Holstein sehe ich durch die Grenzlage besondere Probleme für die grenz- überschreitende Autobahnnutzung und die Grenzmobi- lität . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22791 (A) (C) (B) (D) Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen, wie sie auch von der Landesregierung aus Schleswig-Holstein einge- bracht worden sind . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimmten Autobahnabschnit- ten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich be- dauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestags- fraktion gescheitert ist . Die gesetzlich vorgesehene Über- prüfung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europarechtskonformität, die finanzielle Absicherung für den Bundeshaushalt sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zusätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteuerände- rungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Ver- gleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand, die gesicherten Einnahmen und die Auswirkungen auf die Grenzregionen angeht . Sollten sich die Minister von CDU und CSU hier irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evalu- ierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenzregionen auswirkt, so wird die nächste Legislatur- periode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber eben auch unter bestimmten Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wurden sehr viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umgesetzt . Ich stehe deshalb dazu, dass jetzt auch der andere, kleinere Teil dieses Koalitionspakets umgesetzt wird, selbst wenn ich das Vorhaben der CSU nicht teile . Ich setze für die Zukunft darauf, dass die Wählerinnen und Wähler durch ihre Entscheidung andere Mehrheiten schaffen und damit Koalitionen möglich werden, die die Maut abschaffen bzw . neu gestalten können und werden . Sarah Ryglewski (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Zwar hat Verkehrsminister Dobrindt im zweiten Anlauf nun die im ersten Entwurf fehlende Europarechtskonformi- tät hergestellt, jedoch werden die vom BMVI erhobenen Kosten sich dadurch nach Einschätzung von Sachver- ständigen anders entwickeln, als die Abschätzung es dar- legt . Ob die Maut einen nennenswerten Beitrag einbringt, steht dadurch in Zweifel . Die Änderungen am Gesetz von 2015 führen abseh- bar dazu, dass die Einnahmen nennenswert sinken – un- ter anderem durch die Verdoppelung von drei auf sechs Vignetten, wobei vier preiswerter als 2015 festgelegt werden, sowie durch die zusätzliche Entlastung für schadstoffarme Pkw –, während die Ausgaben – insbe- sondere durch den zusätzlichen Kontrollaufwand durch das Personal des BAG – erheblich steigen werden . Sach- verständige, die der Haushaltsausschuss zu einem Ex- pertengespräch geladen hatte, gaben zu den vom BMVI kalkulierten Ausgaben „sehr begründete Zweifel daran, dass die 211 Millionen Euro realistisch sind“ . Trotz dieser Abschätzungen hat der Bundesminister für Finanzen, Herr Schäuble, die Verantwortung für die prognostizierten Nettoeinnahmen im Bundeshaushalt bis 2021 von 1,5 Milliarden Euro durch die Pkw-Maut übernommen . Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat der SPD-Bundestagsfraktion ein zweites Mal versichert, dass sein Gesetzentwurf alle drei Bedin- gungen erfüllt – ich persönlich habe nach dem derzeiti- gen Sachstand erhebliche Zweifel daran . Nur wenn diese zweifelhafte Prognose auch tatsäch- lich zutreffen würde, wären die drei Bedingungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD von 2013 als unabdingbare Vorbedingungen zur Einführung der Pkw- Maut erfüllt: Die Maut muss vereinbar mit EU-Recht sein, darf deutsche Autofahrer nicht stärker belasten als bislang und muss einen nennenswerten Betrag einbrin- gen . Zudem teile ich die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Ver- zicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf be- stimmten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdien- lich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den parlamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die ge- setzlich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird Wort für Wort umgesetzt . Zudem hat die SPD-Frak- tion zumindest noch wichtige Änderungen in den ur- sprünglichen Gesetzentwurf des Bundesverkehrsminis- teriums bereits 2015 hineinverhandelt . So sehen die 2015 beschlossenen Gesetze eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem bleiben die Bundesstraßen ausge- nommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzie- ren . Was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722792 (A) (C) (B) (D) heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Ich stimme heute trotz der dargelegten und weiterer offenen Fragen und Bedenken dem vorliegenden Ge- setzentwurf zu, weil ich die Abstimmung nicht für eine Gewissensentscheidung halte und weil die SPD vertrags- treu auch die Punkte des Koalitionsvertrags umsetzt, die unsere Koalitionspartner zu ihrem zentralen Anliegen gemacht haben . Die Pkw-Maut ist der Preis dafür, dass wir unsere zentralen Versprechen für diese Wahlperiode in die Tat umsetzen konnten: Der Mindestlohn gilt, wir haben die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren durchgesetzt, und die Kommunen wurden bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro entlastet . Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Der Deut- sche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgaben- gesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteuerände- rungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Wir stehen zu unserem Wort . Der Koalitionsvertrag wird Wort für Wort umgesetzt . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten wer- den . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Wir haben weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Ein- nahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versi- chert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizier- ten Einnahmen in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – vielleicht sogar 600 Millionen – zu bezweifeln . Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Frak- tion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . Udo Schiefner (SPD): Vor exakt zwei Jahren wur- de im Bundestag die Infrastrukturabgabe für die Benut- zung von Bundesfernstraßen, die sogenannte Pkw-Maut, grundsätzlich beschlossen . Damals wie heute halte ich die Maut für sinnlos und sogar schädlich . Darum fällt mir als Vertreter einer Grenzregion die heutige Entscheidung äußerst schwer . Grundsätzlich ist die Mautfrage aber keine Gewissen- sentscheidung . Wenn ich mein Abstimmungsverhalten festlege, werfe ich in die Waagschale, dass es sich dabei nicht um Gewissensfragen wie Sterbehilfe oder Ausland- seinsätze deutscher Soldaten handelt . Im Kompromiss mit der Union mussten wir akzeptie- ren, dass im Koalitionsvertrag die CSU-Herzensangele- genheit Pkw-Maut aufgenommen wurde . Nur so konnten wir dort unsere eigenen Ziele erfolgreich verankern . Un- sere Punkte haben wir seitdem nahezu vollständig abge- arbeitet . Das bestätigt mir, dass dieses Zugeständnis an die Union richtig war . Es wäre falsch gewesen, die Koa- lition wegen einer Infrastrukturabgabe infrage zu stellen . Neben vielen größeren und kleineren Projekten ha- ben wir den Mindestlohn eingeführt, und wir haben Milliardenentlastungen für die Kommunen erreicht . Verkehrspolitisch haben wir die Investitionsweichen für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte gestellt . In meinem Fachthema Güterverkehr und Logistik konnte ich wichti- ge Schritte gegen Lohn- und Sozialdumping in den Bun- destag einbringen . Heute beschließen wir Änderungen am Mautgesetz, mit denen nach Aussagen des CSU-Ministers die euro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22793 (A) (C) (B) (D) parechtliche Konformität sichergestellt werden soll . An meinen grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Maut hat sich nichts geändert . Das Vorhaben des Ministers, auch weitere Straßen ne- ben den Autobahnen in die Mautpflicht aufzunehmen, ha- ben wir dem Minister aus seinen Plänen gestrichen . Das heißt für den Niederrhein und den Kreis Viersen, dass Niederländer auch weiterhin unsere Angebote durch die Fahrt über Bundes-, Land- und Kommunalstraßen nutzen können, ohne Maut zahlen zu müssen . Die Forderung der SPD, im grenznahen Raum Autobahnteilstücke mautfrei nutzen zu können, scheiterte bisher am Widerstand von CDU und CSU im Bundestag . Deshalb ist die entspre- chende Initiative im Bundesrat unter Führung von NRW umso wichtiger und findet meine volle Unterstützung. Für meine heutige Entscheidung muss ich berücksich- tigen, dass wir in dieser Legislaturperiode noch für uns Sozialdemokraten offene Punkte abarbeiten wollen, zum Beispiel weitere Schritte zur Lohngleichheit für Mann und Frau . Das darf an der Mautfrage nicht scheitern . Nach reiflicher Überlegung stimme ich den vorliegenden Gesetzentwürfen deshalb mit massiven Bauchschmerzen zu . Bernd Westphal (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Ver- kehrsteueränderungsgesetzes ab . Die Pkw-Maut ist kein Herzensanliegen der SPD, sie ist das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamentari- schen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkrafttre- ten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 ge- lungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschieden zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitte hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Das im September 2015 eröffnete Vertragsverlet- zungsverfahren gegen Deutschland wird die EU-Kom- mission voraussichtlich aufgeben, wenn die Änderungen, über die wir heute abstimmen müssen, eine Mehrheit fin- den . Die SPD steht zu ihrem Wort . Der Koalitionsver- trag wird Wort für Wort umgesetzt . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europa- rechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Hal- ter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten wer- den . Die bereits 2015 beschlossenen Gesetze sehen eine Staffelung der Mautsätze nach dem Hubraum sowie den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge vor . Zudem blei- ben die Bundesstraßen ausgenommen, ihre Benutzung ist für ausländische Pkw frei, um die Auswirkungen für die Grenzregionen zu reduzieren . Diese Verbesserung haben wir in den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bun- desverkehrsministeriums bereits 2015 hineinverhandelt . Und was die Forderung des Koalitionsvertrages angeht, keine deutschen Pkw-Halterinnen und -Halter einer zu- sätzlichen finanziellen Belastung auszusetzen, so soll im heute zu beschließenden Verkehrsteueränderungsgesetz die Entlastung über die Kfz-Steuer im Vergleich zum Entwurf vor zwei Jahren sogar noch einmal steigen . Ich habe weiterhin Bedenken, was die Kosten für den bürokratischen Aufwand und die gesicherten Einnahmen angeht . Der Bundesverkehrsminister hat versichert, dass er keine Veranlassung sieht, die prognostizierten Einnah- men in Höhe von mindestens 520 Millionen Euro – viel- leicht sogar 600 Millionen Euro – zu bezweifeln . Bun- desfinanzminister Schäuble (CDU) hat meiner Fraktion schriftlich bestätigt, dass er keine Zweifel an den Be- rechnungen des Bundesverkehrsministeriums hat und die Pkw-Maut dem Bund tatsächlich substanzielle Mehrein- nahmen bringt . Sollten sich die Minister wieder irren und wir im Rahmen der von uns durchgesetzten Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes feststellen, dass sich die Erhebung der Infrastrukturabgabe nachteilig auf Grenz- regionen auswirkt, so wird die nächste Legislaturperiode Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren . Ich stimme heute trotz weiterhin bestehender Fragen und Bedenken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koaliti- onsverhandlungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen be- inhaltet, aber auch unter Bedingungen die Einführung einer Pkw-Maut umfasst . In den letzten drei Jahren wur- den viele der sozialdemokratischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde eingeführt, und wir entlasten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Gülistan Yüksel (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes sowie den Entwurf eines Verkehrsteueränderungsgesetzes ab . Im Zuge der umfangreichen und intensiven parlamen- tarischen Beratungen war es der SPD bereits vor Inkraft- treten des Infrastrukturabgabegesetzes am 8 . Juni 2015 gelungen, den ursprünglichen Gesetzentwurf entschie- den zu verbessern . Ich teile die Bedenken des Bundesrates über eine mögliche nachteilige Auswirkung der Einführung der Infrastrukturabgabe auf die Grenzregionen . Ein Verzicht auf die Entrichtung der Infrastrukturabgabe auf bestimm- ten Autobahnabschnitten hätte als Sonderregelung für die grenznahen Städte und Kommunen zweckdienlich sein können . Ich bedauere, dass dieser Vorschlag in den par- lamentarischen Beratungen am Widerstand der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion gescheitert ist . Die gesetz- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722794 (A) (C) (B) (D) lich vorgesehene Evaluierung bietet dennoch später die Chance zur Korrektur . Die Bundesminister Wolfgang Schäuble und Alexander Dobrindt haben uns versichert, dass unsere drei Bedingungen – die Europarechtskonformität, der substanzielle Beitrag sowie keine Mehrbelastung für deutsche Pkw-Halterinnen und -Halter – auch mit den heutigen Änderungen eingehalten werden . Heute stimme ich trotz weiterhin bestehender Be- denken den vorliegenden Gesetzentwürfen zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion 2013 in den Koalitionsverhand- lungen ein Gesamtpaket verhandelt hat, das mehrheitlich sozialdemokratische Kernforderungen beinhaltet . Im Kompromiss mit der Union mussten wir die Pkw-Maut als das einzige wirkliche Wunschprojekt der CSU im Ko- alitionsvertrag akzeptieren . Nur so konnten wir dort un- sere eigenen Themen erfolgreich verankern . Wir haben in den letzten drei Jahren viele unserer sozialdemokra- tischen Projekte in die Tat umgesetzt: Der Mindestlohn gilt, die Rente ab 63 wurde eingeführt, und wir entlas- ten die Kommunen bis 2018 um mehr als 25 Milliarden Euro . Wir stehen zu unserem Wort . Anlage 9 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 954 . Sitzung am 10 . März 2017 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Erstes Gesetz zur Änderung des Düngegesetzes und anderer Vorschriften Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: 1 . Der Bundesrat stellt fest: – Der hohe Eintrag von Stickstoffverbindungen in Boden, Wasser und Luft ist eines der großen un- gelösten Umweltprobleme unserer Zeit . Aus glo- baler Sicht sind die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit bei der Stickstoffbelastung bereits überschritten . In Deutschland stammt ein wesent- licher Teil der Stickstoffüberschüsse aus der Inten- sivlandwirtschaft und der nicht flächengebundenen Tierhaltung . – Der aktuelle Nitratbericht 2016 (Gemeinsamer Bericht der Bundesministerien für Umwelt, Na- turschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie für Ernährung und Landwirtschaft Stand Januar 2017) zeigt, dass zirka 50 Prozent der Messstellen in Deutschland erhöhte Nitratkonzentrationen auf- weisen und bei 28 Prozent die zulässigen Grenz- werte überschritten werden . – Angesichts der langjährigen Verzögerungen bei der Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie hat die EU-Kommission Deutschland zuletzt vor dem Eu- ropäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt . Damit drohen empfindliche Geldstrafen, für die bei einer Verurteilung die Steuerzahlerinnen und -zahler aufkommen müssen . 2 . Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, schnellst- möglich mit der EU-Kommission zu klären, ob das geänderte Düngegesetz in Verbindung mit der Dün- geverordnung den Forderungen der EU-Kommission genügt, um das Vertragsverletzungsverfahren einzu- stellen . 3 . Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Auswir- kungen der neuen düngerechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Schutzgüter Wasser, Klima, Luft un- ter Einbindung der Länderkompetenzen zu evaluieren . – Gesetz zur Neuregelung des Rechts zur Sicherstel- lung der Ernährung in einer Versorgungskrise – Drittes Gesetz zur Änderung der Bundes Tierärzte- ordnung – Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016) – Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelver- sorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) – Fünftes Gesetz zur Änderung des Sprengstoffgeset- zes Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: 1 . Der Bundesrat bekräftigt sein Anliegen, den legalen Zugang von Extremisten zu Waffen und explosions- gefährlichen Stoffen so weit wie möglich auszuschlie- ßen . Das Sprengstoffgesetz in seiner derzeitigen Fas- sung sieht zu diesem Zweck bereits vor Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis eine Regelanfrage der zuständigen Behörde bei der für den Wohnsitz des Betroffenen zuständigen Verfassungsschutzbehörde zu Erkenntnissen gemäß § 8a Absatz 2 Nummer 2 und 3 SprengG vor . 2 . Bezug nehmend auf den Gesetzentwurf des Bundesra- tes vom 23 . September 2016 in BR-Drucksache 357/16 (Beschluss) zur Änderung des Waffengesetzes bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, ob eine dem dortigen Regelungsanliegen vergleichbare ge- setzliche Vorschrift zur organisatorischen Ausgestal- tung der Mitwirkung der Verfassungsschutzbehörden bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen, namentlich – zur Kanalisierung von Anfragen der zuständigen Behörden an die Verfassungsschutzbehörden über das Bundesverwaltungsamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz entsprechend § 73 Absatz 2 und 3 AufenthG in einem Massendatenverfahren und – zur Einführung einer Nachberichtspflicht der zu- ständigen Verfassungsschutzbehörden gegenüber den zuständigen Behörden einschließlich der Schaffung einer korrespondierenden Speicherbe- fugnis der Verfassungsschutzbehörden in gemein- samen Dateien gemäß § 6 BVerfSchG Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 2017 22795 (A) (C) (B) (D) auch im Sprengstoffgesetz für die Mitwirkung der Ver- fassungsschutzbehörden bei Zuverlässigkeitsüberprü- fungen vor Erteilung sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse geschaffen werden kann . Begründung: Zu Buchstabe a: Der Zugang zu und der Besitz von Waffen und ex- plosionsgefährlichen Stoffen durch Extremisten können eine besondere Gefährdung einerseits der Öffentlichkeit und andererseits der Bediensteten von Bund, Ländern und Kommunen darstellen . Es ist daher ein Anliegen des Bundesrates, solche Personen, bei denen tatsächliche An- haltspunkte für extremistische Bestrebungen oder gar die gesicherte Erkenntnis hierüber vorliegen, von dem lega- len Zugang auszuschließen . Zu Buchstabe b: Der Bundesrat hat am 23 . September 2016 in BR-Drucksache 357/16 (Beschluss) bereits einen Ge- setzentwurf auf den Weg gebracht, der vor diesem Hin- tergrund die gesetzlichen Regelungen zur Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse verschärfen will . Der Ge- setzentwurf sieht unter anderem eine Regelanfrage der zuständigen Waffenbehörden bei den Verfassungsschutz- behörden im Rahmen der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemäß § 5 Absatz 5 Satz 1 Nummer 4 WaffG-E vor . Entsprechend einem erfolgreichen Än- derungsantrag des Landes Schleswig-Holstein ist im Gesetzentwurf aus Gründen der Verfahrenserleichte- rung zudem analog zu § 73 Absatz 2 und 3 AufenthG vorgesehen, die Anfragen der Waffenbehörden über das Bundesverwaltungsamt und das Bundesamt für Verfas- sungsschutz als Massendatenverfahren zu kanalisieren . Zudem ist die Einführung einer Nachberichtspflicht der Verfassungsschutzbehörden bei späterem Bekanntwer- den von relevanten Informationen zur betroffenen Per- son vorgesehen . Hierzu sollen die zuständigen Verfas- sungsschutzbehörden die Befugnis zur Speicherung von Grunddaten (unter anderem Name, Geburts- und Wohn- ort, Aktenfundstelle) in Verbunddateien gemäß § 6 BVer- fSchG erhalten . Aufgrund vergleichbarer Interessen- beziehungs- weise Gefahrenlage soll eine entsprechende organi- satorische und gesetzestechnische Ausgestaltung der Mitwirkung der Verfassungsschutzbehörden auch bei Zu- verlässigkeitsprüfungen zur Erteilung sprengstoffrecht- licher Erlaubnisse angestoßen werden . Bisher sieht das Sprengstoffgesetz vor Erteilung einer sprengstoffrecht- lichen Erlaubnis allein eine Regelanfrage der zuständi- gen Behörde bei der für den Wohnsitz des Betroffenen zuständigen Verfassungsschutzbehörde zu Erkenntnis- sen gemäß § 8a Absatz 2 Nummer 2 und 3 SprengG vor . Regelungen zur organisatorischen Ausgestaltung der Anfragen in Form eines Massendatenverfahrens sowie eine Nachberichtspflicht der Verfassungsschutzbehörden einschließlich einer hierzu erforderlichen Speicherbe- fugnis in gemeinsamen Dateien gemäß § 6 BVerfSchG entsprechend der Bundesratsinitiative zum Waffengesetz (vgl . BR-Drucksache 357/16) indes fehlen, obschon sie sowohl aus Gründen der Verfahrenserleichterung als auch bei Umsetzung des genannten Gesetzentwurfs zum Waffengesetz im Interesse einer Homogenisierung ge- setzlicher Regelungen zu Mitwirkungsaufgaben der Ver- fassungsschutzbehörden wünschenswert sind . – Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes – Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: a) Der Bundesrat begrüßt das höhere Maß an Rechtssi- cherheit für die am Wirtschaftsverkehr Beteiligten bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung (InsO) und nach dem Anfechtungsgesetz, das dieses Gesetz bedeutet . Insbesondere die Verkürzung der Frist für Anfechtungen wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO auf vier Jahre ist positiv hervorzuheben . Zudem ist zu erwarten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Änderung des § 142 InsO in weitaus geringerem Umfang als bislang Insolven- zanfechtungen ausgesetzt sind . b) Der Bundesrat bedauert allerdings, dass seine Vor- schläge in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf – BR-Drucksache 495/15 (Beschluss) – nicht aufge- griffen wurden, die ebenfalls darauf gerichtet waren, deutlich mehr Rechtssicherheit in der Praxis des Wirtschaftsverkehrs herzustellen . Ebenso hätte er es begrüßt, wenn die im Gesetzentwurf ursprünglich vor- gesehene Einschränkung der Anfechtbarkeit von Zah- lungen in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Er- öffnung des Insolvenzverfahrens (§ 131 InsO) als weiterer wichtiger Baustein für mehr Rechtssicherheit beibehalten worden wäre . c) Der Bundesrat wird deshalb sehr genau verfolgen, wie die nun beschlossenen gesetzlichen Änderungen in der Praxis wirken und ob für alle Beteiligten am Wirt- schaftsleben die Ziele des Gesetzes tatsächlich erreicht werden . Dabei wird sich insbesondere der verbesserte Insolvenzschutz von Arbeitsentgelt bewähren müssen . Hierzu gehört auch die Frage, ob das Gesetz die nötige Klarheit bringt, wie diejenigen Teile des Arbeitsent- gelts zu behandeln sind, die der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen an Dritte (Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) ab- führt . Sollten in der Praxis Schwierigkeiten auftreten, wird in der nächsten Legislaturperiode zu entscheiden sein, wie man diese beseitigt . – Gesetz zu den Vorschlägen der Europäischen Kom- mission vom 7. März 2016 für Beschlüsse des Ra- tes zur Festlegung von Standpunkten der Union in den Stabilitäts- und Assoziationsräten EU – Re- publik Albanien sowie EU – Republik Serbien im Hinblick auf die Beteiligung der Republik Albanien sowie der Republik Serbien als Beobachter an den Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und die entsprechenden Modalitäten im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 226 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 24 . März 201722796 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de – Gesetz zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Regie- rung von Kanada über die Anwendung ihres Wett- bewerbsrechts im Namen der Europäischen Union und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Ra- tes über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Regierung von Kanada über die Anwendung ihres Wettbewerbs- rechts – Gesetz zu dem Wirtschaftspartnerschaftsabkom- men vom 15. Oktober 2008 zwischen den CARIFO- RUM-Staaten einerseits und der Europäischen Ge- meinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitge- teilt, dass sie den Antrag Pkw-Maut zurückziehen und Konflikt mit der EU-Kommission beenden auf Druck- sache 18/8397 zurückzieht . Der Haushaltsausschuss hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Be- richterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundestages in der Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der Europäischen Union Siebte Tagung der Konferenz am 17. und 18. Okto- ber 2016 in Bratislava (Slowakische Republik) Drucksachen 18/11014, 18/11225 Nr. 3 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Innenausschuss Drucksache 18/8936 Nr . A .6 Ratsdokument 8728/16 Drucksache 18/8936 Nr . A .7 Ratsdokument 8764/16 Drucksache 18/8936 Nr . A .12 Ratsdokument 9253/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .4 Ratsdokument 12813/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .5 Ratsdokument 12822/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .7 Ratsdokument 12864/16 Drucksache 18/10449 Nr . A .6 Ratsdokument 13453/16 Drucksache 18/11029 Nr . A .4 Ratsdokument 15507/16 Drucksache 18/11029 Nr . A .5 Ratsdokument 15593/16 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/8936 Nr . A .14 Ratsdokument 9702/16 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/11229 Nr . A .13 Ratsdokument 5349/17 Drucksache 18/11229 Nr . A .19 Ratsdokument 15288/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/11229 Nr . A .21 Ratsdokument 5018/17 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/9746 Nr . A .6 Ratsdokument 11774/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .24 Ratsdokument 12749/16 Drucksache 18/10706 Nr . A .9 Ratsdokument 14364/16 Drucksache 18/11029 Nr . A .19 Ratsdokument 15420/16 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksache 18/10706 Nr . A .11 Ratsdokument 14332/16 Drucksache 18/11484 Nr . A .18 Ratsdokument 5708/17 Drucksache 18/11484 Nr . A .24 Ratsdokument 5968/17 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 18/9141 Nr . A .36 Ratsdokument 9978/16 Drucksache 18/10311 Nr . A .30 EP P8_TA-PROV(2016)0375 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/419 Nr . A .193 Ratsdokument 16079/13 Drucksache 18/7286 Nr . A .27 Ratsdokument 14291/15 Drucksache 18/8140 Nr . A .29 Ratsdokument 7076/16 Drucksache 18/8936 Nr . A .26 Ratsdokument 9182/16 Drucksache 18/9605 Nr . A .70 EP P8_TA-PROV(2016)0311 Drucksache 18/10706 Nr . A .13 EU-Dok 501/2016 226. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 6 u. 7 Infrastrukturabgabe und Verkehrsteuern (Pkw-Maut) TOP 28 Demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung TOP 30, ZP 8 Befristung von Arbeitsverträgen ohne Sachgrund TOP 29 Teilhabebericht der Bundesregierung 2016 TOP 31 Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft TOP 33 Vielfältige Sport- und Fankultur Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822600000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu unserer Plenarsitzung und
rufe gleich die Zusatzpunkte 6 und 7 unserer Tagesord-
nung auf:

ZP 6 – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Ersten Gesetzes zur Änderung des Infra-
strukturabgabengesetzes

Drucksachen 18/11237, 18/11536

– Zweite und dritte Beratung des von den Ab-
geordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig,
Caren Lay, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des
Gesetzes über die Erhebung einer zeit-
bezogenen Infrastrukturabgabe für die

(Infrastrukturabgabenaufhebungsgesetz – InfrAGAufhG)


Drucksache 18/11012

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur

(15 . Ausschuss)


Drucksache 18/11646

ZP 7 – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Zweiten Ver-
kehrsteueränderungsgesetzes

Drucksachen 18/11235, 18/11560

Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
nanzausschusses (7 . Ausschuss)


Drucksache 18/11643


(8 . Ausschuss)


Drucksache 18/11644

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Än-
derung des Infrastrukturabgabengesetzes liegt ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor .

Über beide Gesetzentwürfe der Bundesregierung wer-
den wir später namentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Das ist offen-
kundig einvernehmlich .

Damit eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort
zunächst dem Bundesminister Alexander Dobrindt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Verehrter Herr Präsident! Die deutsche
Pkw-Maut ist ein europäisches Projekt –


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim EuGH! Beim Europäischen Gerichtshof! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Subsidiarität, weil wir die Verantwortung für unsere In-
frastruktur übernehmen, Solidarität, weil wir uns ganz
selbstverständlich an der Finanzierung der Infrastruktur
unserer Nachbarländer beteiligen und diese Selbstver-
ständlichkeit jetzt auch auf unseren Straßen Realität wird,


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nirgendwo gibt es einen solchen Quatsch! Nirgendwo sonst!)


und Gerechtigkeit, weil es keinen Unterschied mehr zwi-
schen den Nutzern, die sich heute an der Finanzierung
beteiligen, und denjenigen, die bisher kostenlos auf un-
seren Straßen fahren, geben wird .


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Das ist ein europäisches Projekt, meine Damen und Her-
ren .

Übrigens bestätigt dies auch die Europäische Kom-
mission, die ja ganz offensichtlich uns und unsere Pläne
unterstützt . Die EU-Kommission hat deutlich gemacht –
wörtlich –:

Die vereinbarte Lösung wahrt die Rechte der
EU-Bürger auf Gleichbehandlung ungeachtet ihrer
Staatsbürgerschaft, sorgt für eine gerechte Infra-
strukturfinanzierung und erleichtert den Übergang
zu einer emissionsarmen Mobilität .

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Worte der
EU-Kommission zur deutschen Pkw-Maut .

Wir stellen damit unsere Infrastrukturfinanzierung auf
eine breitere Basis und machen das, was die meisten un-
serer Nachbarländer bereits vor vielen Jahren vollzogen
haben:


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein einziges Nachbarland macht so einen Quatsch! Kein einziges!)


die Finanzierung der Infrastruktur auf drei Säulen zu
stellen – Mineralölsteuer, Kfz-Steuer, Mautsystem . Bis-
her haben wir zwei Säulen: die Mineralölsteuer und die
Kfz-Steuer . Jetzt bauen wir eine dritte verlässliche Säu-
le dazu: die Infrastrukturabgabe, die Maut . Das ist ein
echter Systemwechsel . Das ist der Systemwechsel, von
dem viele seit Jahren reden, nämlich von der Steuerfi-
nanzierung der Infrastruktur hin zur Nutzerfinanzierung,
von nicht zweckgebundenen Steuermitteln hin zu einer
zweckgebundenen Finanzierung .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822600100

Herr Minister, möchten Sie schon eine Zwischenfrage

der Kollegin Haßelmann zulassen?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt schon? Er hat doch noch gar nicht angefangen!)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Na klar .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822600200

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank auch,

Herr Minister, dass Sie die Frage zum jetzigen Zeitpunkt
schon zulassen .


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU)


Bevor Sie sich hier so richtig in Fahrt reden, –

Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Wollten Sie mich unterbrechen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ein technisches Foul, was Sie machen!)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822600300

– was Ihr unsinniges Pkw-Mautprojekt angeht, möch-

te ich, da das volle Haus heute dazu eine gute Gelegen-
heit bietet, gerne eine ganz grundsätzliche Frage an Sie
richten .

Seit dem 17. Dezember 2014 befinde ich mich mit Ih-
nen in einer Auseinandersetzung darüber, dass es keinen
anderen Minister und keine andere Ministerin in diesem
Parlament gibt, der bzw . die die Rechte der Parlamentari-
erinnen und Parlamentarier so missachtet wie Sie .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh, Frau Haßelmann, wo Sie auch so zurückhaltend sind!)


– Ich kann Sie gar nicht verstehen: Das betrifft Ihr Fra-
gerecht genauso wie das aller anderen Kolleginnen und
Kollegen; das weiß selbst die Bundesregierung inzwi-
schen .

Bevor Sie sich hier als großer Infrastrukturminister
gerieren, möchte ich Ihnen gerne die Gelegenheit geben,
dem Parlament Folgendes zu erklären:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal, was er erklären soll!)


Wir haben allein im Jahr 2014 13 Kleine Anfragen ge-
stellt . Wir haben allein im Jahr 2017 5 Kleine Anfragen
gestellt . Aber Sie missachten das Fragerecht des Deut-
schen Bundestages


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat damit nichts zu tun!)


und informieren noch nicht einmal, sie beantragen auch
keine Fristverlängerung . Ich kenne eine solche Missach-
tung des Parlamentes wirklich von niemandem .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822600400

Okay .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822600500

Ich bitte Sie, uns zu erklären, weshalb das Ministeri-

um das so handhabt und warum Sie als Minister das auch
noch rechtfertigen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie reden nur für die Grünen, nicht für das Parlament!)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Liebe Kollegin, ganz herzlichen Dank für Ihre Fra-
ge . – Wir haben in der Tat eine intensive Debatte außer-
halb des Parlaments geführt in Form von Kleinen Anfra-
gen, die Sie ständig an unser Haus stellen .


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich freue mich über jede einzelne Anfrage, die von Ih-
nen kommt, und ich freue mich auch, dass die Antwor-

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


ten unseres Hauses zur einer Wissensmehrung bei Ihnen
beitragen;


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht passiert!)


in der Regel zur Korrektur dessen, was Sie falsch oder
ideologisch in Ihren Fragen implementiert haben .


(Beifall des Abg . Ulrich Lange [CDU/CSU])


Wir werden das genauso weitermachen: Sie bekommen
die richtigen Antworten auf Ihre oft falschen Fragen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Drohung! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wieder keine Antwort! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So eine Blamage!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822600600

Einen Augenblick bitte . – Also, eine ergänzende Be-

merkung muss ich dazu schon machen, Herr Minister .
Die Freude über die Vielzahl der Anfragen ist Ihrem Mi-
nisterium in der Art und Dauer der Beantwortung nicht
immer anzumerken .


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Und Ihre Ankündigung, die bisherige Praxis genauso
fortzusetzen, würde nicht nur bei der betroffenen Frakti-
on ein Problem auslösen . Darauf muss ich auch aufmerk-
sam machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Jetzt mal wieder zum Thema!)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Herr Präsident, deswegen habe ich die Freude noch
einmal ausdrücklich betont, damit Sie auch für jeden
glaubhaft dargestellt wird . Wir werden weiterhin nach
bestem Wissen und Gewissen die Fragen der Grünen be-
antworten .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erreichen über
die Lkw-Maut schon heute zweckgebundene Einnahmen
in Höhe von 4 Milliarden Euro pro Jahr . Wir bekommen
2018 mit der Ausweitung der Maut auf alle Bundes-
straßen weitere 2 Milliarden Euro dazu . Wir erreichen
jetzt mit der Pkw-Maut zusätzliche 4 Milliarden Euro
jährlich an zweckgebundenen Einnahmen . Das bedeu-
tet im Klartext: Wir haben für die Zukunft jährlich über
10 Milliarden Euro im Verkehrsetat, die dauerhaft und
zweckgebunden für Investitionen in die Infrastruktur zur
Verfügung stehen . Das ist in der Tat ein Riesenerfolg für

die Investitionen in unser Land und für die dauerhafte
Finanzierung unserer Infrastruktur .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit räumen wir der Infrastrukturfinanzierung einen
Stellenwert ein, der in der Vergangenheit so nie da gewe-
sen ist: Die Milliarden Euro an Einnahmen auf der Stra-
ße, die jährlich von den Autofahrern kommen, entziehen
wir der Begehrlichkeit der anderen Politikfelder . Die Au-
tofahrer können in Zukunft sicher sein: Gelder, die sie
für die Maut bezahlen, die sie auf der Straße bezahlen,
landen wieder sicher in der Infrastruktur .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Kirsten Lühmann [SPD])


Das heißt, dass jeder Investitionshaushalt im Ver-
kehrsbereich in Zukunft eine feste Grundausstattung von
10 Milliarden Euro im Jahr haben wird . Damit sind Er-
halt und Betrieb der Straßen langfristig gesichert . Des-
halb ist die Maut ein zentraler Baustein des Systemwech-
sels hin zur Nutzerfinanzierung. Ohne die Pkw-Maut gibt
es diese Zweckbindung nicht, gibt es die 10 Milliarden
Euro jedes Jahr aus dem Zusammenspiel von Pkw-Maut
und Lkw-Maut nicht und auch keine dauerhafte stabile
Finanzierungsbasis .

Klar ist, dass es bei einem Systemwechsel nicht zu
einer Doppelbelastung von Autofahrern, die jetzt schon
an der Finanzierung teilhaben, kommen darf . Ich glau-
be, dass es sogar logisch ist, dass wir bei so einem Sys-
temwechsel darauf achten, dass keiner am Schluss mehr
belastet wird .


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer nutzt, der zahlt, und keiner zahlt doppelt – das ist
die Devise bei der Einführung der Infrastrukturabgabe .
Wir schaffen mit dieser Einführung endlich Gerechtig-
keit auf unseren Straßen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürokratie schaffen Sie! Viel Bürokratie! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerechtigkeit auf den Straßen? Was ist das denn?)


In Zukunft wird niemand mehr „von Grenze zu Grenze
rauschen und dabei . . . Abgase und kaputte Straßen hin-
terlassen können“ .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sind nicht meine Worte . Das ist ein wörtliches Zitat
des ehemaligen verkehrspolitischen Sprechers der Grü-
nen, Albert Schmidt . Herzlichen Glückwunsch dazu!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Ja, ich weiß, so ein Vernunftgrüner wie Schmidt geht
Ihnen in Ihrer Fraktion heute komplett ab . Momentan
sind Sie nur noch besetzt mit einer ganzen Reihe von
Verkehrspessimisten . Das kann man bei allen Vorschlä-
gen, die Sie in Ihrem Wahlprogramm aufgeschrieben ha-
ben, eindeutig nachlesen . Sie lassen nichts unversucht,
den Menschen die Mobilität zu verweigern . Sie wollen

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


die Totalmaut einführen, wo jeder Kilometer einzeln
berechnet und einzeln bepreist wird, wo man Tag und
Nacht genau weiß, auf welchem Stück Autobahn sich die
Menschen bewegen, und dafür sollen sie einzeln bezah-
len . Das schadet den Pendlern, das schadet den Familien,
das schadet denen, die aufs Auto angewiesen sind . Sie
wollen die Kfz-Steuer erhöhen, Sie wollen den Sprit ver-
teuern, Sie wollen den Infrastrukturausbau verhindern .
Sie haben jetzt sogar ein Neubaumoratorium für Straßen
gefordert .

Meine Damen und Herren, um auch das sehr deutlich
zu sagen: Sie sind und bleiben eine straßenfeindliche
Entmobilisierungspartei . Sie setzen immer nur auf Be-
lastungen, auf Verbote .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie belasten die Leute!)


Wir wollen Mobilität ermöglichen, und das bei einer gu-
ten Infrastruktur, und die muss finanziert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alte Leier!)


Dabei setzen wir auch noch die richtigen Anreize . Die
Höhe der Pkw-Maut richtet sich konsequent nach den
Umwelteigenschaften des Fahrzeugs .


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Wir haben damit eine ökologische Steuerungswirkung .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt im Klartext: Besonders umweltfreundliche
Fahrzeuge profitieren, Elektrofahrzeuge sind komplett
von der Maut befreit, Halter von Fahrzeugen der Klasse
Euro 6 werden noch zusätzlich entlastet; das ist Teil der
Vereinbarung mit der Europäischen Kommission . Insge-
samt ist das eine Entlastung um 100 Millionen Euro pro
Jahr .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Grenzregionen? Erzählen Sie mal was!)


Das ist in der Tat die erste Maut, die nach ökologischen
Grundsätzen ausgestattet ist .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben von Ökologie keine Ahnung! Das merkt man!)


Es sollte Ihnen doch eigentlich gefallen, dass wir eine
Maut haben, die auch ökologisch einen besonderen Wert
hat, weil diejenigen entlastet werden, die besonders sau-
bere Autos fahren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Pkw-Maut leistet also mit ihren Einnahmen und
der Zweckbindung


(Ulli Nissen [SPD]: Negative oder positive Einnahmen, Herr Dobrindt?)


einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung unserer In-
frastruktur . Sie wird damit den Investitionshochlauf,
den übrigens die Große Koalition gemeinsam in dieser
Wahlperiode beschlossen hat, weiter verstetigen . Wir ha-
ben in dieser Wahlperiode einen Rekordmittelaufwuchs
von 40 Prozent bei den Investitionen in die Infrastruk-
tur hinbekommen, und die Maut wird der Garant dafür
sein, dass dies auch in Zukunft weiter fortgeführt wird
und damit die Grundlage für Wachstum, Wohlstand und
Arbeit in diesem Land gesichert ist: eine gute Infrastruk-
tur, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es bleibt dabei: Die Infrastrukturabgabe ist fair, sie ist
sinnvoll, sie ist gerecht . Sie ist fair, weil sie bei den meis-
ten unserer Nachbarn genauso durchgeführt wird . Sie ist
sinnvoll, weil jeder Euro, den wir einnehmen, wieder in
unsere Infrastruktur investiert werden wird,


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürokratie!)


und sie ist gerecht, weil wir diejenigen angemessen an
der Finanzierung unserer Straßen beteiligen, die sie bis-
her kostenlos nutzen . Das, meine Damen und Herren, ist
die Grundlage der Infrastrukturabgabe, der Maut: fair,
sinnvoll und gerecht; und genau so wird sie umgesetzt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da schauen wir mal!)


Ich habe mir ja in den letzten Monaten in dieser De-
batte sehr viele falsche Argumente angehört .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Alles das, was in der Vergangenheit dazu von Ihrer Seite
erzählt worden ist, es gebe zum Beispiel keine EU-Kon-
formität, war falsch .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war richtig! Deshalb sitzen wir doch hier!)


Die Aussage, es gebe keine Einnahmen, war falsch, die
Aussage, es sei diskriminierend, war falsch . Alles, was
Sie an dieser Stelle erzählt haben, war grundsätzlich
falsch .

Deswegen setzen wir sie jetzt im Einvernehmen mit
der EU-Kommission auch um .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)


Da gibt es jetzt noch Debatten, übrigens in besonderem
Maße in einem unserer Nachbarländer . Und auch das will
ich erwähnt haben: Ich habe für diese ständige Mautmau-
lerei aus Österreich überhaupt kein Verständnis .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Machen Sie da keinen Urlaub mehr, Herr Dobrindt?)


Österreich hat es vor über 20 Jahren richtig gemacht . Sie
haben bereits damals ein Mautsystem eingeführt


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zahlen aber alle!)


Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


und damit die Grundlage für die Investitionen in ihre
Straßen gelegt, und wir zahlen ganz selbstverständlich
unsere Beiträge, wenn wir auf Österreichs Straßen un-
terwegs sind . Aber die gleiche Selbstverständlichkeit
erwarten wir auch von den Österreichern, wenn sie auf
deutschen Straßen unterwegs sind .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur darum geht es! Das entlarvt Sie!)


Die innenpolitische Debatte in Österreich, die ich zur-
zeit verfolge, die nach dem Grundsatz geführt wird: „Ja,
jeder, der nach Österreich fährt, der soll auch für Öster-
reichs Straßen einen Beitrag leisten, aber Österreicher
sollen unter keinen Umständen auf deutschen Straßen
einen Beitrag leisten“, folgt keinem europäischen Ge-
danken, liebe Freunde . Auch diesen Fehler werden wir
korrigieren .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tosender Beifall!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822600700

Das Wort erhält nun der Kollege Herbert Behrens für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822600800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Minister versteckt sich erneut hinter seinen Sprechbla-
sen, die wir hier zum x-ten Male hören,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


um nachzuweisen, dass es angeblich gerecht zugehen
soll, dass es europarechtskonform sei, dass es Einnah-
men aus dem gebe, was er Infrastrukturabgabe nennt,
was aber in Wirklichkeit eine Ausländermaut ist .

Wir sind der Meinung: Damit muss Schluss sein; denn
diese Sprechblasen verhindern nur, dass man dahinter
das sehen kann, was gemeint ist . Mit diesen Sprechbla-
sen wird verdeckt, dass es einen erheblichen Aufwand
gibt, dass es Bürokratie gibt, die viele tausend Menschen
bindet, die damit konfrontiert werden, diese Maut abzu-
wickeln . Es ist ein irrsinniger Aufwand, der betrieben
wird, um vielleicht 500 Millionen Euro einzunehmen,
vielleicht aber auch gar nichts; wahrscheinlich geht es
ins Minus .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Eher gar nichts!)


Wir wissen, dass die deutschen Autofahrer 3 Milliar-
den Euro zahlen sollen; das ist sicher . Angeblich sollen
die Ausländer 700 Millionen Euro aufwenden, um Auto-
bahnvignetten zu kaufen; das ist nicht sicher . Wir wissen,
dass die Behördenmitarbeiter 43,5 Millionen Bescheide
verschicken müssen, in denen den Autofahrern klarge-
macht wird: Sie müssen zwar zahlen, aber sie werden
entlastet . Das Personal dafür soll es angeblich geben . Si-

cher ist das nicht . Sicher ist auf jeden Fall der Aufwand,
der betrieben werden muss .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist eine Sache, die wir so nicht akzeptieren können,
wenn der Preis dafür möglicherweise ein Minusgeschäft
ist .

Ich habe versucht, mir dieses aufwendige Spektakel
zu erklären. Mir fiel dazu nur eine Satire von Ephraim
Kishon ein, nämlich Der Blaumilchkanal . In dieser Ge-
schichte ist ein Mensch aus der Psychiatrie ausgebro-
chen, schnappt sich einen Presslufthammer und reißt
eine Hauptstraße in Tel Aviv auf . Keiner fragt nach: Was
soll das? Keiner fragt nach: Wer hat dich beauftragt?
Keiner fragt nach: Was ist das Ziel dieser Maßnahme?
Im Gegenteil: Polizei und Stadtverwaltung mischen sich
ein und stellen Absperrungen zur Verfügung . Die Polizei
regelt den Verkehr, und alles geht seinen Gang . Am Ende
gibt es einen Kanal mitten durch Tel Aviv, und die Stadt-
verwaltung macht sich dieses Projekt zu eigen, obwohl
sie es nie beschlossen hat, obwohl sie es nie kontrolliert
hat . Sie feiert sich dafür, dass es jetzt einen Kanal in Tel
Aviv gibt . Während man sich selbst feiert, ist Kasimir
Blaumilch mit seinem Presslufthammer schon in einer
Nebenstraße zugange . Das ist die Parallele zu dem, was
hier mit der Maut passiert . Keiner fragt nach, keiner kon-
trolliert, und keiner sagt, was Ziel und Sinn des Ganzen
ist .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Die Idee mit Kishon war gut, aber die Umsetzung war schlecht!)


Vielleicht haben wir es aber auch nicht mit einer Sa-
tire zu tun, sondern mit einem Projekt, das mit großem
Aufwand vernebeln soll, was eigentlich dahintersteckt .
Die geheimen Gutachten, über die jetzt die Berliner Zei-
tung berichtet, zeigen auf, wohin die Reise gehen soll .
Dort wird berichtet, die Infrastrukturabgabe sei zentra-
les Merkmal der Bundesfernstraßengesellschaft, also der
Gesellschaft, mit der die Privatisierung der Infrastruk-
tur vorbereitet werden soll . In den Gutachten steht, dass
nicht mit 3 Milliarden Euro Infrastrukturabgabe gerech-
net wird, sondern mit 5,2 Milliarden Euro . Dort steht
auch nicht, dass die Maut erstattet werden kann, sondern
dort ist die Rede von einem Zuwachs, einem Aufwuchs .
Das muss uns doch höchst aufmerksam machen . Eigent-
lich müssten wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass
dieses Gesetz heute nicht beschlossen werden darf .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Stattdessen sollte ein anderes Gesetz beschlossen
werden . Unsere Fraktion hat einen entsprechenden Ge-
setzentwurf vorgelegt . Darin steht, dass die Infrastruk-
turabgabe sofort versenkt werden soll . Wir müssen noch
einmal neu darüber nachdenken, wie wir die Verkehrsin-
frastruktur finanzieren wollen.

Ich erinnere mich an die denkwürdige Rede des neuen

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1822600900


Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


Aber es gibt auch . . . die schleichende Erosion von
innen: durch Gleichgültigkeit, Trägheit und Teil-
nahmslosigkeit oder . . . die Anfechtung durch jene,
die Parlamente und demokratische Institutionen
nicht mehr als Ort für politische Lösungen sehen
wollen, sondern als Zeitverschwendung diskreditie-
ren . . .

Das trifft ein Stück weit auf das Mautgebaren der
Großen Koalition zu . Gleichgültigkeit, Trägheit und
Teilnahmslosigkeit sehe ich bei Ihnen, Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, wenn der einzige Einwand ge-
gen dieses unsinnige Gesetz der ist: Wir haben aber eine
zweijährige Frist hineingeschrieben; nach dieser muss
das Gesetz überprüft werden . – Das ist Trägheit . Das ist
keine kritische Überprüfung des Ganzen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundespräsident sprach von jenen, die Parlamen-
te nicht mehr als Ort für politische Lösungen ansehen
wollen . Dieser Satz betrifft offensichtlich den Bundes-
verkehrsminister . Seine Missachtung drückt sich nicht
nur in der Qualität der Beantwortung von Anfragen aus,
sondern auch in dem Tempo, mit dem sowohl das erste
Gesetz durchgeprügelt worden ist als auch der Gesetzent-
wurf, den wir jetzt vor uns haben, durchgeprügelt werden
soll . Binnen 24 Stunden sollten sich die Fachverbände
dazu äußern . Binnen 14 Tagen sollte sich das Parlament
abschließend mit dieser Frage befasst haben und zu ei-
nem Ergebnis kommen .

Ich hoffe, dass der Bundespräsident seine Worte ernst
meint, wenn er sagt, was er alles tun wird . Er sagte:

Ich werde parteiisch sein, parteiisch, wenn es um
die Sache der Demokratie selbst geht . . . . Partei er-
greifen werde ich auch für Europa .

Herr Bundespräsident, seien Sie bitte europäisch, und un-
terschreiben Sie dieses Gesetz nicht . Dieses Gesetz darf
nicht in Kraft treten!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822601000

Sören Bartol ist der nächste Redner für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Gang nach Canossa!)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1822601100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Vor gut drei Jahren ist die SPD in eine Koaliti-
on mit CDU und CSU gegangen . Wir waren gut vorberei-
tet . Unsere Liste an Projekten, mit denen wir die Dinge in
unserem Land besser machen wollten, war lang . In den

Koalitionsverhandlungen haben wir schnell gemerkt,
dass von CDU und CSU wenig kam .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Deshalb konnten wir viele unserer Forderungen in den
Koalitionsvertrag hineinverhandeln .

In den letzten drei Jahren haben wir in der Koalition
ein sozialdemokratisches Projekt nach dem anderen ab-
gearbeitet . Die Rente mit 63: im April 2014 im Bundes-
tag beschlossen und damit seit fast drei Jahren in Kraft .
Der Mindestlohn für alle: im Juli 2014 beschlossen und
damit seit über zwei Jahren in Kraft .


(Beifall bei der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das war falsch!)


Wir haben die doppelte Staatsbürgerschaft modernisiert:
2014 beschlossen und damit seit über zwei Jahren in
Kraft . Mehr Frauen in Führungspositionen in Unterneh-
men: im März 2015 im Bundestag beschlossen und seit
einem Jahr in Kraft .


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Deswegen habt ihr eine Frau als Kanzlerkandidatin! Frau Schulz ist jetzt die Kandidatin!)


Die Bekämpfung von Missbrauch bei Leih- und Zeit-
arbeit: im Oktober 2016 im Bundestag beschlossen, ab
April in Kraft .

Damit haben wir in unserem Land vieles zum Guten
verändert .


(Beifall bei der SPD)


Vor der Wahl 2013 haben wir gesagt, was wir tun werden .
Nach der Wahl haben wir das gemacht, was wir vorher
angekündigt haben .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822601200

Herr Kollege, ich mache Sie darauf aufmerksam:

Wenn Sie noch zum Thema reden wollen, kann ich Ihnen
deswegen nicht die Redezeit verlängern .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Präsident, man soll nichts Unmögliches verlangen!)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1822601300

Herr Lammert, das Schöne ist: Das kommt noch .

Und die Union? Man könnte meinen, ihr weltbewe-
gendstes Projekt sei die Pkw-Maut . Um sie zu verab-
schieden, brauchen wir, weil es so schön war, heute einen
zweiten Anlauf; denn der erste Entwurf war von Herrn
Schäuble, aber auch von Herrn Dobrindt so schlecht vor-
bereitet .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herbert Behrens Aha! Was sagt der Bundesverkehrsminister dazu?)





(A) (C)


(B) (D)


Unsere Vorhaben sind bereits in Kraft und wirken . CDU
und CSU müssen bei der Pkw-Maut darauf hoffen, dass
die nächste Bundesregierung ihr Lieblingsprojekt frühes-
tens 2019 umsetzt . Ob sie dann noch daran beteiligt sind,
ist offen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Medien ist
derzeit viel von den großen Herausforderungen die Rede,
vor denen Deutschland steht. Häufig wird dabei auf die
Kanzlerin, die jeden Tag hart für die deutschen Interes-
sen arbeite, verwiesen . Da kann ich verstehen, wenn sich
Bürgerinnen und Bürger fragen, warum ausgerechnet die
Pkw-Maut gerade jetzt das wichtigste Thema im Bundes-
tag sein soll .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Glauben Sie mir: Wir hätten gerne auf die Abstim-
mung am heutigen Tag verzichtet . Dass wir kein Freund
der Pkw-Maut sind, dürfte jedem hier im Saal bekannt
sein .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie doch dagegen!)


Vor zwei Jahren haben wir die Pkw-Maut schon einmal
mit auf den Weg bringen müssen .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das sind faule Ausreden!)


Damals hat die EU-Kommission dem Bundesfinanzmi-
nister und dem Verkehrsminister das Stoppschild gezeigt .
Für den unionsinternen Frieden hat die Bundeskanzlerin
Herrn Juncker von der EU-Kommission bitten müssen,
bei der Pkw-Maut ein Auge zuzudrücken .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Zuruf von der CDU/CSU: Ha, ha!)


Anstatt sich um die Probleme mit unseren europäischen
Nachbarn zu kümmern, musste die Kanzlerin in Brüssel
für das Projekt der CSU zu Felde ziehen – die gleiche
Kanzlerin im Übrigen, die als Kandidatin 2013 im Fern-
sehduell mit Herrn Steinbrück versichert hatte, mit ihr
würde es niemals in Deutschland eine Pkw-Maut geben .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD stimmt
heute unter großen Bauchschmerzen der Pkw-Maut zu .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Vorrede ist das das Letzte! – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Buh!)


Damit zeigen wir, dass man sich in einer Koalition auch
in schwierigen Situationen auf uns verlassen kann .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir stehen zu unserem Wort . Jede Koalition braucht kla-
re Regeln . Wir sind ein verlässlicher Partner .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Na ja!)


Uns ist auch klar: Wenn dieses Projekt von CSU und
CDU heute keine Mehrheit im Deutschen Bundestag be-
käme, würden beide alle noch ausstehenden Projekte und
Vorhaben blockieren . Wir wollen diese Koalition jedoch
bis zum Sommer gut und verlässlich zu Ende bringen,
eben weil es noch immer einiges zu erledigen gibt .

Meine Damen und Herren, wir haben im Koaliti-
onsvertrag zwei Bedingungen für unsere Zustimmung
vereinbart . Diese gelten nach wie vor: Kein deutscher
Autofahrer darf durch die Pkw-Maut zusätzlich belastet
und kein europäischer Nachbar aus dem Ausland diskri-
miniert werden .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müsst ihr sie ablehnen!)


Für die SPD ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass Mo-
bilität in Deutschland bezahlbar bleibt . Pendlerinnen und
Pendler, die tagtäglich mit dem Auto zur Arbeit fahren,
dürfen nicht zusätzlich belastet werden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die SPD ist der Garant dafür, dass mit diesem Gesetz
kein Inländer mehr bezahlen muss .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben wir schon von Anfang an gesagt!)


Nach dem Wink der Bundeskanzlerin in Richtung
Herrn Juncker in Brüssel hat die EU-Kommission einige
kleine Änderungen gefordert, die wir heute im Bundes-
tag beschließen werden . Daraufhin wird die Europäische
Union ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutsch-
land zurückziehen . Damit müssen wir davon ausgehen,
dass die Pkw-Maut mit diesen Änderungen mit euro-
päischem Recht vereinbar ist . Gegen die Meinung der
Hüterin der europäischen Verträge können wir schlecht
andiskutieren .

Es bleibt die Frage der Einnahmen . Die einen Ex-
perten haben uns vorgerechnet, dass es keine Einnah-
men gibt, andere Experten haben vorgerechnet, dass es
mindestens eine halbe Milliarde Euro zusätzlich für die
Reparatur bröckelnder Brücken und die Beseitigung von
Engpässen geben wird . Damit erleben wir die gleiche
Situation wie vor zwei Jahren. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble hat seinen Staatssekretär Jens Spahn
einen Brief an uns schreiben lassen . In diesem lässt er
uns übermitteln, dass er keine Zweifel an den Prognosen
des Bundesverkehrsministers hat . Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Union, ich versichere Ihnen: Dieses
Schreiben werden wir uns einrahmen und auf Wieder-
vorlage legen .


(Beifall bei der SPD)


Herr Schäuble, Herr Spahn, falls uns die Pkw-Maut doch
eines Tages um die Ohren fliegen sollte, werden wir es,

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


wo immer Sie dann in diesem Hause sitzen werden, aus
der Tasche ziehen .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir sitzen da vorne! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Und dann?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, offenbar sind die
Kriterien aus dem Koalitionsvertrag erfüllt . Daher wer-
den wir als SPD-Bundestagsfraktion heute mehrheitlich
dem zweiten Anlauf zur Einführung einer Pkw-Maut zu-
stimmen .

In den Diskussionen – insbesondere mit der CDU –
mussten wir erleben, dass alle kritischen Äußerungen
von Frau Kramp-Karrenbauer zu den Grenzregionen
nicht den geringsten Einfluss auf die Linie unseres Ko-
alitionspartners hatten . Was für ein schlechtes Standing
einer Ministerpräsidentin!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oh Gott!)


Nachdem ich von der gleichen Ministerpräsidentin
vorgestern dann auch noch gelesen habe, dass die Pkw-
Maut gar nicht kommt, frage ich mich wirklich: Was soll
das? Ich bin mir sicher, am Sonntag werden die Wähle-
rinnen und Wähler im Saarland dieser Doppelzüngigkeit
eine Absage erteilen .


(Beifall bei der SPD – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!)


Auch die Aussagen von Frau Klöckner aus Rhein-
land-Pfalz blieben folgenlos . Gleiches gilt für den Pro-
test der CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz und dem Saarland . Erst schreiben Sie
Briefe, in denen Sie den Bundesverkehrsminister auf-
fordern, die Pkw-Maut nicht erneut im Bundeskabinett
beschließen zu lassen, und dann vergessen Sie im ent-
scheidenden Moment im Bundestag Ihre Kritik und sind
nicht auf dem Platz . Das ist wenig hilfreich .

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass aus der CSU-
Maut inzwischen endgültig ein gemeinsames Projekt von
CDU und CSU geworden ist .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und SPD! Wo ist die SPD?)


Ohne Verbündete in der CDU, die nicht nur reden, son-
dern sich in dem entscheidenden Moment auch nicht
wegducken, hatten wir am Ende keine Chance .


(Lachen des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Erst noch ein bisschen Wahlkampf machen!)


Die SPD zeigt heute, dass sie ein verlässlicher Part-
ner ist . In einer Koalition handeln beide Vertragspartner
jeweils ihre wichtigsten Ziele aus . Dafür muss man Zu-
geständnisse machen . Wenn wir etwas verhandelt und
vereinbart haben, liefern wir . Eines unserer bleibenden
Zeugnisse dafür ist der Mindestlohn . Ihr bleibendes
Zeugnis wird die Pkw-Maut sein .


(Beifall bei der SPD)


Auf uns kann man sich verlassen . Das Gleiche erwarte
ich bei anderen Themen dann allerdings auch von CDU
und CSU . Zeigen auch Sie, dass Sie zu Ihrem Wort ste-
hen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nach solchen Reden? Mein lieber Mann!)


Es gibt noch genügend Projekte aus dem Koalitionsver-
trag, bei denen Sie in der Pflicht stehen. Geben Sie end-
lich Ihre Blockade beim Gesetz für mehr Lohngerechtig-
keit zwischen Mann und Frau auf!


(Beifall bei der SPD)


Beenden Sie Ihren Widerstand bei der Solidarrente! Ge-
ben Sie Mieterinnen und Mietern mehr Rechte!

Wir wollen diese Koalition ordentlich zu Ende brin-
gen – verlässlich und zum Wohle unseres Landes .


(Lachen bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das hört man! Da würde ich mit der Rede noch einmal neu anfangen!)


Deshalb werden wir – auch wenn es vielen meiner Kol-
leginnen und Kollegen schwerfällt – den Änderungen an
der Pkw-Maut und der Kfz-Steuer heute mehrheitlich
zustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Man sieht sich immer zweimal im Leben!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822601400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Anton Hofreiter das Wort .


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es wird nicht besser! – Gegenruf des Abg . Volker Kauder [CDU/CSU]: Es kann gar nicht schlechter werden!)



Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822601500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und
der SPD, Sie wissen doch selbst, dass Sie heute Teil einer
peinlichen Posse sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Vor allem die SPD ist die Peinlichkeit in Person!)


Sie wissen doch selbst, dass diese sogenannte Große Ko-
alition heute nichts anderes ist als die Beute einer kleinen
Provinzpartei aus Bayern, und Sie sollten sich für Ihr Ab-
stimmungsverhalten schämen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich komme noch einmal ganz kurz zu dem Unsinn,
den der Minister erzählt hat, und zähle auf, was wirklich

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


ist: Eine Pkw-Maut in dieser Form ist schlecht für die
Grenzregionen; denn sie führt wieder neue Grenzen ein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie ist schlecht für Saarbrücken, sie ist schlecht für Aa-
chen, sie ist schlecht für Flensburg .

Ich würde mir einmal wünschen, dass die Verantwort-
lichen von CDU und SPD in den Landesregierungen auch
den Mut hätten, deutlich etwas dagegen zu unternehmen
und nicht bloß öffentliche Reden zu halten, sondern dort,
wo es darauf ankommt, auch die Hand zu heben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu den Einnahmen . Der Minister hat wiederholt be-
hauptet, dass in Österreich, in Italien und in Frankreich
genau die gleiche Maut eingeführt wurde wie die bei uns
geplante und dass alle zahlen müssen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist gelogen!)


Wissen Sie, was der Unterschied zwischen uns und Itali-
en, Frankreich und Österreich ist? Dort zahlen wirklich
alle Bürgerinnen und Bürger, die einheimischen und die
ausländischen . Sie haben daraus etwas völlig anderes
gemacht: Sie haben sie zu Ihrem rechtspopulistischen
Wahlkampfschlager gemacht, indem Sie sie zu einer
Ausländermaut erklärt haben . Es gibt aber keine diskri-
minierungsfreie Diskriminierung . Deshalb: Hören Sie
auf, hier die Unwahrheit zu erzählen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Morgen werden 60 Jahre Römische Verträge gefeiert .
Dazu wird Frau Merkel wieder schöne Worte finden. Wir
haben Sie von der Großen Koalition aufgefordert, Herr
Kauder – Herr Oppermann ist nicht einmal da –, dass es
eine vereinbarte Debatte zu 60 Jahre Römische Verträge
gibt .


(Sören Bartol [SPD]: Der ist gerade bei den Römischen Verträgen! – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Die hatten wir in der letzten Sitzungswoche schon!)


Sie haben sich verweigert . Stattdessen führen wir eine
Debatte zu diesem völlig absurden Projekt .

Wissen Sie, das, was Sie 2013 beschlossen haben, war
schon eine Peinlichkeit . Es war eine Peinlichkeit für SPD
und CDU . Es war dreist, dass Sie der Provinzpartei aus
Bayern, die auch für Bayern eine Schande ist, nachgege-
ben haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Lassen Sie das die Mehrheit der Menschen in Bayern entscheiden!)


Aber in diesen vier Jahren ist viel passiert . Die Euro-
päische Union ist deutlich tiefer in die Krise geraten .


(Zurufe von der CDU/CSU)


Was macht die Kanzlerin des größten und wichtigsten
Landes innerhalb der Europäischen Union? Sie verbrennt
ihr politisches Kapital, um die EU-Kommission dazu zu
bringen, diesem europafeindlichen Projekt zuzustimmen .
Schämen Sie sich!


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie sollten sich schämen!)


Die Europäische Union hat Besseres verdient .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir brauchen die Europäische Union . Wir müssen die
Europäische Union retten . Mit Ihrem Verhalten schaden
Sie der Europäischen Union . Nehmen Sie endlich Ihre
Verantwortung an .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt schauen wir uns einmal die SPD an .


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Die SPD hat ja jetzt ihren 100-Prozent-Schulz, der glaubt,
über Wasser laufen zu können .


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Sebastian Hartmann [SPD]: Das behaupten andere!)


Aber in dem Moment, in dem die SPD in der politischen
Wirklichkeit ankommt, ist sie wieder ganz, ganz klein .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wieso stimmen Sie von der SPD nach der Rede von
Herrn Bartol den Gesetzentwürfen zu?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Habe ich doch gesagt! – Weitere Zurufe von der SPD)


Wissen Sie, in Koalitionen muss man Kompromisse ma-
chen .


(Sören Bartol [SPD]: Genau!)


Aber es kann einen auch in Koalitionen niemand dazu
zwingen, den größten Unsinn mitzumachen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das macht man freiwillig . Alle, die Sie hier heute sitzen,
werden gleich bei der Abstimmung freiwillig die Hand
heben und danach freiwillig aufstehen . Deshalb können
Sie sich nicht hinter der Koalitionsvereinbarung verste-
cken . Deshalb ist es nicht mehr nur eine CSU-peinliche
Maut, sondern auch eine CDU-peinliche Maut und eine
SPD-peinliche Maut .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)


Das zeigt: Diese Große Koalition gehört dringend
weg; denn sie ist ein Schaden für unser Land . Heute ist
ein schlechter Tag für unser Land .


(Sabine Weiss nein!)


Es ist ein schlechter Tag für die Grenzregionen . Es ist ein
schlechter Tag für unseren Haushalt . Es ist ein schlechter
Tag für Europa .


(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ist eine schlechte Rede für einen Freitag!)


Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren: Stimmen
Sie dem Ganzen nicht zu! Dann würden Sie endlich ein-
mal Rückgrat beweisen und Größe und Stärke zeigen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Unverschämt! – Sören Bartol [SPD]: Ha, ha, ha!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822601600

Steffen Bilger ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Steffen Bilger (CDU):
Rede ID: ID1822601700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst: Kollege Hofreiter, ich habe nicht das Gefühl,
dass die Wähler in Bayern den Eindruck haben, die CSU
sei eine Schande für Bayern . Im Gegenteil: Die Zustim-
mungswerte für die CSU sprechen eine deutlich andere
Sprache .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kann es trotzdem stimmen!)


Aber zurück zur Maut . Die Argumente dazu sind aus-
getauscht . In manchen Beiträgen gerade kamen nicht
besonders viele inhaltliche Argumente . Aber wir haben
über die Maut schon viele Jahre diskutiert . Es ist gut,
dass wir heute über die Einführung der Infrastrukturab-
gabe endgültig abstimmen .

In diesem Zusammenhang sind ein paar Aussagen ge-
macht worden, die mich verwundert haben . Es handelt
sich nach all den Diskussionen, die wir die ganzen Jahre
schon geführt haben, und nach den vielen Anhörungen,
die wir hatten, mit Sicherheit nicht um ein Durchprügeln
dieser Gesetze .

Auch habe ich eine andere Erinnerung an unsere Ko-
alitionsverhandlungen . Ich habe in Erinnerung, dass wir
zusammengekommen sind und in der Verkehrspolitik
überlegt haben: Welche gemeinsamen Projekte sind uns
wichtig? Die Parteien haben unterschiedliche Ansätze
eingebracht . Aber wir haben uns in den Koalitionsver-
handlungen über die Pkw-Maut sehr konstruktiv ausei-
nandergesetzt .

Und so war es auch die ganzen Jahre mit der SPD .
Wir haben gemeinsam konstruktiv daran gearbeitet, wie

wir dieses Gesetz umsetzen, und ich weiß nicht, Kollege
Bartol, ob es richtig ist, jetzt die Bilanz dieser Regierung
so schlechtzureden nach allem, was wir auch gemeinsam
erreicht und in Deutschland vorangebracht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Die sind unruhig!)


Nun habe ich wenig Hoffnung, dass es mir heute mit
meiner Rede gelingen wird, diejenigen zu überzeugen,
die schon immer gegen die Maut waren . Umgekehrt wird
es denjenigen, die dagegen waren, heute aber auch nicht
gelingen, mich von ihrer Position überzeugen . Ich will
mich bei meinen Ausführungen auf die Diskussionsbei-
träge beschränken, die seit unserer letzten Debatte zur
Infrastrukturabgabe vor zwei Wochen geäußert wurden .
Ich will aber auch für alle Interessierten, die unsere De-
batte außerhalb des Bundestags verfolgen, die wesentli-
chen Argumente für unser Vorhaben kurz erläutern .

Zunächst einmal waren Zweifel an der Einnahmen-
seite der Maut geäußert worden, auch von Rednern der
SPD in der letzten Debatte . Ich bin sehr froh, dass diese
Zweifel nach unseren Sachverständigenanhörungen und
nach der Mitteilung des Bundesfinanzministeriums aus-
geräumt werden konnten. Das Bundesfinanzministerium
hat bestätigt, dass die Einnahmenerwartungen realistisch
sind, meine Damen und Herren .


(Zuruf der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Die Einnahmen aus der Infrastrukturabgabe werden
einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung unseres
Investitionshochlaufs leisten . Diese mehrere Hundert
Millionen Euro, die wir Jahr für Jahr als zusätzliche Ein-
nahmen erwarten können, werden uns helfen, die Infra-
struktur in unserem Land auf den erforderlichen Stand
zu bringen, und es ist Zeit dafür, und es gut, dass wir das
endlich erreichen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Einmal mehr will ich unterstreichen, dass die Pkw-
Maut ja nicht die einzige Maßnahme ist, um die Infra-
struktur ausreichend zu finanzieren. Hinzu kommen zu-
sätzliche Haushaltsmittel und zusätzliche Einnahmen aus
der Ausweitung der Lkw-Maut .

All denen, die nun Sorgen wegen der Grenzregionen
geäußert haben, kann ich nur sagen: Wir haben uns in-
tensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt . Wir wollen
weder Nachteile für Handel oder Gastronomie noch
Ausweichverkehre zum Nachteil von Anwohnern . Aber
genau deshalb haben wir dieses Problem gelöst: Die In-
frastrukturabgabe wird für Ausländer nur auf Autobah-
nen fällig . Wir wollen also diejenigen, die unsere Straßen
nutzen, um durch unser Land zu fahren und um weitere
Strecken auf den Autobahnen zurückzulegen, an der Fi-
nanzierung unserer Infrastruktur beteiligen . Das ist nur
fair, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es bleibt dabei: Bundesstraßen, Landstraßen und
kommunale Straßen können mautfrei von den ausländi-
schen Gästen genutzt werden . Und auch wenn ein Gast
aus dem Ausland über die Autobahn zu seinem Ziel an-
reisen muss, wird er doch nicht wegen dieser paar Euro,

Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)


die für die Maut fällig werden, auf den Einkauf oder die
Übernachtung in Deutschland verzichten .

Jetzt wurde noch vorgeschlagen, es solle ein mautfrei-
er Korridor an der Grenze eingerichtet werden . Da kann
man nur fragen: Wo soll der denn enden? Auch darüber
haben wir lange diskutiert . Es gäbe erneut Ungerechtig-
keiten bei der Festlegung eines solchen Korridors . Wir
müssten alle Grenzregionen mit einem Schilderwald
überziehen . Das macht nun wirklich keinen Sinn . Wir ha-
ben uns bei dem jetzigen Vorschlag schon etwas gedacht .

Dann wurde auch gerade eben teilweise eingewandt,
das Projekt sei uneuropäisch . Auch in der Debatte vor
zwei Wochen wurde dieses Argument schon genannt .
Dazu kann ich nur sagen: Lassen wir doch die Kirche im
Dorf . Die Slowenen, die Österreicher, die Schweizer –
das sind doch auch alles gute Europäer .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Holländer, die Belgier, die Dänen!)


Unter dem Strich haben wir mit der Infrastrukturabgabe
das gleiche System, das die Österreicher haben .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eben nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da zahlen alle!)


Deswegen kann man uns hier keine Europafeindlichkeit
vorwerfen . Ich glaube nicht, dass die Pkw-Maut Europa
ins Straucheln bringen wird, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Deutschland wird nun eingeführt, was die meisten
europäischen Staaten schon längst machen . Im Übrigen
befürwortet es die EU-Kommission, dass in ganz Europa
Pkw-Mautsysteme eingeführt werden, weil es eben rich-
tig ist, eine stärkere Nutzerfinanzierung zu verwirklichen.

Also, noch einmal zusammengefasst: Wir stellen die
notwendigen Mittel für unsere Infrastruktur zur Verfü-
gung . Dazu dienen auch die Einnahmen aus der Pkw-
Maut . In einem langen Prozess, der heute seinen Ab-
schluss findet, haben wir eine von der EU-Kommission
mitgetragene Lösung entwickelt, mit der keine Probleme
für die Grenzregionen entstehen, mit der wir bei gerin-
gen Bürokratiekosten zusätzliche Einnahmen erzielen
werden, die für die Infrastruktur zur Verfügung stehen .
Dabei haben wir auch noch ökologische Aspekte berück-
sichtigt, beispielsweise durch die Befreiung von Elektro-
autos .

Aus unserer Sicht sprechen die Argumente für die
Einführung der Infrastrukturabgabe, und ich bitte Sie aus
Überzeugung um Ihre Unterstützung .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich nicht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822601800

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Lutze für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822601900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eine Maut, die außerhalb des Parlaments niemand will,
die nur sehr wenig – wenn überhaupt – zur Finanzierung
der Verkehrsinfrastruktur beiträgt,


(Dr . h . c . Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn?)


aber einen erheblichen Aufwand nach sich zieht, wollen
Sie heute wider besseres Wissen durchsetzen . Zahlreiche
Kollegen der CDU, aber auch der SPD sehen das kri-
tisch . Es hilft aber alles nichts; denn heute wird mehr als
deutlich: Eine große Koalition, wie wir sie im Deutschen
Bundestag derzeit erleben, hat sich überlebt . Die Debatte
ist ein klarer Beweis dafür .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie bitte auf
mit diesem Spuk!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie schon nicht auf die Opposition hören – das
haben Sie, glaube ich, noch nie gemacht –, dann hören
Sie wenigstens auf die Anregungen des Bundesrates . Ein
Beispiel sind die Ausnahmeregelungen im grenznahen
Bereich .

Meine Heimatstadt Saarbrücken liegt unmittelbar an
der französischen Grenze . Jeden Samstag kommen Tau-
sende Menschen, die in Frankreich leben, in die saar-
ländische Landeshauptstadt, um dort einzukaufen . Eine
Maut ohne Ausnahmen an der Grenze wird fatale Folgen
für den Einzelhandel haben .

Im benachbarten Frankreich wird eine Autobahnmaut
in aller Regel erst nach drei oder vier Abfahrten hin-
ter der Grenze erhoben; die Franzosen wissen, warum .
Eine vergleichbare Ausnahmeregelung bei der Maut im
Grenzverkehr ist bei uns dringend notwendig .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Sie schon den Unsinn mit dieser Maut durchzie-
hen wollen, dann hören Sie wenigstens auf die sinnvollen
Vorschläge aus dem Bundesrat .

Mittelfristig muss aber das Verursacherprinzip bei
der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur besser an-
gewandt werden . Nur eine Zahl: Ein 40 Tonnen schwe-
rer Lkw belastet eine Autobahnbrücke rund 60 000-mal
stärker als ein Pkw mit 1 Tonne Gewicht . Wenn Sie also
Geld brauchen, Herr Minister, um die Infrastruktur in-
stand halten zu können, dann überprüfen Sie dringend die
Höhe der Lkw-Maut . Hier ist Geld da . Hier können Sie
für Gerechtigkeit sorgen . Aber das tun Sie nicht – ganz
im Gegenteil .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn endlich daran gearbeitet wird, dass wieder deutlich
mehr Güterfernverkehr auf die Schiene verlagert wird,
dann sinken auch die Kosten für die Instandhaltung der
Straßen .

Steffen Bilger






(A) (C)



(B) (D)


Sparen Sie sich also die lächerliche Pkw-Maut . Vertre-
ten Sie auch die Interessen Ihrer Wählerinnen und Wäh-
ler statt nur die Interessen einer CSU-Parteizentrale in
München .


(Beifall bei der LINKEN)


Spätestens nach der Bundestagswahl wird es der Maut
so ähnlich ergehen wie seinerzeit der Praxisgebühr . Sie
wird eine Randnotiz im Geschichtsbuch werden .

Glück auf!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822602000

Bettina Hagedorn ist nun für die SPD die nächste Red-

nerin .


(Beifall bei der SPD)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1822602100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Herr Minister Dobrindt, Sie haben am Ende Ihrer Rede
vielen Kritikern an der Pkw-Maut im Parlament falsche
Aussagen in der Vergangenheit vorgeworfen. Das ist, fin-
de ich, eine starke Aussage von Ihnen .


(Ulli Nissen [SPD]: Aber nicht im positiven Sinn!)


Denn Sie haben in diesem Haus am 27 . März 2015 in
der zweiten und dritten Lesung zur Einführung der Pkw-
Maut gesagt: „Sie ist europarechtskonform . Glauben Sie
es endlich .“

Wenn es aber damals tatsächlich der Fall gewesen
wäre, müssten wir heute kein Änderungsgesetz beschlie-
ßen. Ich finde, dass es Ihnen gut zu Gesicht gestanden
hätte, Herr Dobrindt, das auch zuzugestehen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE])


Wir haben am Montag im Ausschuss eine Anhö-
rung durchgeführt . Hier ist immer wieder die Rede von
500 Millionen Euro Nettoeinnahmen pro Jahr . Es ist der
Wahrheit geschuldet, zu berichten, dass drei von vier
Sachverständigen gesagt haben: Wenn es überhaupt Ein-
nahmen gibt, dann gibt es sie im ersten Jahr . In den Fol-
gejahren drohen eher Minuseinnahmen .


(Ulli Nissen [SPD]: Was nun, Herr Dobrindt?)


Das ist auch eine tolle Wortschöpfung: Nettominusein-
nahmen . Der einzige Sachverständige, der das anders ge-
sehen hat, ist übrigens der, den das Verkehrsministerium
selbst bestellt hat .

Wenn vor diesem Hintergrund das Finanzministeri-
um – damit spreche ich den Kollegen Spahn als Staats-
sekretär von Finanzminister Schäuble an – bestätigt, was
es bereits getan hat, dass es 500 Millionen Euro Netto-
einnahmen geben soll – angeblich –, und wenn Sie so-
gar so mutig sind, in den Eckwertebeschluss der Bun-
desregierung für den Bundeshaushalt 2018 ab 2019 diese

500 Millionen Euro als Einnahmen aufzunehmen, dann
heißt das: Wenn die anderen Sachverständigen, wie ich
vermute, recht haben und es keine Einnahmen gibt, dann
fehlen im Bundeshaushalt bis 2021 1,5 Milliarden Euro
für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur .

Vor diesem Hintergrund will ich deutlich sagen, dass
ich heute hier mit großen Bauchschmerzen stehe . Aber
aus den Gründen, die der Kollege Sören Bartol für uns
alle in der SPD eindrucksvoll dargelegt hat, sage ich
auch: Ja, wir sind koalitionstreu . Ja, wir halten Verträ-
ge . – Kollege Hofreiter, wir verkämpfen uns nicht an der
falschen Stelle . Wir haben noch eine Grundgesetzände-
rung vor der Brust, und diese wollen wir gemeinsam mit
den Kollegen von der Union beschließen . Da wollen wir
der Infrastrukturplanungsgesellschaft noch die größten
Giftzähne ziehen . Das ist wichtiger als die Pkw-Maut .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Unsinn!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822602200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Oliver Krischer für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822602300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Viele von uns haben Sympathie für die Bewegung Pul-
se of Europe und unterstützen sie . Aber, meine Damen
und Herren von Union und SPD, was sagen Sie eigent-
lich diesen Menschen, die jeden Sonntagnachmittag auf
Marktplätzen stehen, wenn Sie dieses antieuropäische,
populistische Projekt verabschieden? Das ist ein Schlag
ins Gesicht aller Menschen, die sich für Europa einset-
zen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE])


Was der Bundesverkehrsminister in seiner Rede über
Österreich gesagt hat, drückt genau diese Mentalität aus .
Das ist anti Europa . Das ist das Gegenteil dessen, wofür
wir alle kämpfen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE])


Man kann sicherlich juristisch darüber streiten, was
alles mit dem Europarecht vereinbar ist . Aber das Euro-
päische Parlament hat in der vergangenen Woche etwas
Richtiges, und zwar – so vermute ich – mit Zustimmung
zumindest der Sozialdemokratie, beschlossen . Dort heißt
es, „dass eine Erstattungsregelung, die direkt oder indi-
rekt auf der Staatsangehörigkeit beruht, eine Diskrimi-
nierung darstellt, im Widerspruch zu den Leitprinzipien
der Europäischen Union steht, der grenzüberschreitenden
Mobilität abträglich ist und den europäischen Binnen-
markt schwächt“ . Ich sage: Das Europäische Parlament
hat recht . Es ist antieuropäisch, was Sie hier beschließen .

Thomas Lutze






(A) (C)



(B) (D)


Das haben Ihnen die Kolleginnen und Kollegen aus dem
Europäischen Parlament ins Stammbuch geschrieben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Herbert Behrens [DIE LINKE])


Liebe Kollegen von der SPD, mich interessiert, wie
Martin Schulz dort abgestimmt hat . Ich frage mich, wie
eigentlich die Position des Heilands und Kanzlerkandi-
daten der SPD ist . Mir wurde in der vergangenen Woche
aus der Städteregion Aachen, zu der auch – hören Sie
gut zu! – Würselen gehört, die Position mitgeteilt, alle
Abgeordneten sollten diese Maut ablehnen, weil sie die
Städteregion Aachen und die Grenzregionen schädigt .
Warum tun Sie das nicht auch, wenn Sie hier schon da-
gegenreden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dann möchte ich noch etwas zu den Einnahmen sa-
gen . Liebe Sozialdemokraten, lieber Herr Hartmann und
lieber Sören Bartol, in der letzten Woche haben wir hier
gehört: Die Einnahmeprognose muss kommen; da muss
etwas bestätigt werden . – Die Mehrheit der Sachver-
ständigen in der Anhörung hat gesagt, dass diese Maut
sogar ein Minusgeschäft wird . Wo, bitte schön, ist die
Einnahmeprognose? Sie haben eine solche Prognose so-
gar im Koalitionsvertrag vorgesehen . Legen Sie sie auch
vor! Nun gibt es ein Schreiben von Herrn Spahn, in dem
es sinngemäß heißt: Die Einnahmeprognose, die dieses
Parlament nicht kennt, ist richtig . – Wie geht das denn?
Da wird eine Einnahmeprognose bestätigt, die niemand
kennt . Das können wir Ihnen, liebe Sozialdemokraten,
nicht durchgehen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie können heute dieses Mautprojekt ablehnen, weil
die Bedingungen aus Ihrem eigenen Koalitionsver-
trag nicht erfüllt sind . Seien Sie mutig! Hören Sie auf,
draußen Mautopposition zu spielen, aber dann, wenn es
darauf ankommt, den Menschen Sand in die Augen zu
streuen und hier zuzustimmen! Das ist nicht in Ordnung .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben der Bundeskanzlerin vorgeworfen, ein Ver-
sprechen gebrochen zu haben . Aber Ihr Kandidat bricht
es, bevor es überhaupt losgeht . Das werden wir Ihnen
nicht durchgehen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Schulz bricht sogar Verträge, die er unterschrieben hat!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822602400

Philipp Murmann ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Philipp Murmann (CDU):
Rede ID: ID1822602500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Vielleicht sollten wir die Emotionen ein
bisschen herunterfahren und wieder auf die Sachebene
kommen .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der LINKEN: Nein! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist extrem schwer bei so einem Unsinn!)


Herr Hofreiter, dass Sie hier einen Rumpelstilzchentanz
aufführen mit ein paar Parolen und Hetzkampagnen, wird
weder der Sache gerecht noch unserem demokratischen
Anspruch .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, jeder Bürger hat den Anspruch, dass auch die
Grünen sich sachlich mit den Themen auseinandersetzen


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun wir ja! – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zu den Zahlen!)


und hier nicht einfach irgendetwas in die Luft blasen und
andere Leute auch noch diffamieren . Das tut Ihnen und
uns allen nicht gut .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Grünen sind nicht besser als die Sozis!)


Ich möchte gerne auf vier Punkte eingehen .

Erstens . Ja, wir haben einen Koalitionsvertrag . 2013
haben wir uns zusammengesetzt . Beim Aushandeln von
Koalitionsverträgen ist es so, dass jeder seine Projekte
hat, aber – das muss man auch sagen – am Ende wird
ein Gesamtpaket geschnürt . Ich weiß jetzt nicht, wo Herr
Bartol ist, aber wir haben verabredet, gemeinsam dieses
Spiel zu machen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aha, das ist ein Spiel! Und wo bleibt dann der Parlamentarismus?)


Wenn er sich nun in den Strafraum legt und überhaupt
nicht mehr auf die Argumente eingeht, ist das schon be-
denklich .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822602600

Darf ich die Kollegen, die dringende Gespräche füh-

ren müssen, darum bitten, das außerhalb des Plenarsaals
zu tun?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bitte schön, Herr Murmann .


Dr. Philipp Murmann (CDU):
Rede ID: ID1822602700

Danke schön . – Wir haben uns mit den Argumenten

auseinandergesetzt . Es gibt natürlich viele positive Ar-
gumente . Das hat die CDU davon überzeugt, bei diesem
Projekt mitzumachen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar welche?)


Oliver Krischer






(A) (C)



(B) (D)


Ein positives Argument ist nämlich, dass wir Infrastruk-
tur auf eine neue Finanzierungsbasis stellen, weil wir der
Meinung sind: Infrastruktur ist für den Mittelstand in un-
serem Land, der dezentral aufgestellt ist, ein prioritäres
Thema . Viele kleine und mittlere Unternehmen müssen
zum richtigen Zeitpunkt, termingerecht liefern . Deswe-
gen haben wir dieses Projekt beschlossen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber welche Finanzierungsbasis ist es denn, bei der die Einnahmen geringer sind als die Ausgaben?)


Zweitens . Wir haben gesagt, wir wollen keine Dop-
pelbelastungen . Sie wissen, die Kfz-Steuer besteht aus
Hubraum- und CO2-Komponenten . Ich habe in meiner
letzten Rede versucht, mit einem Beispiel deutlich zu
machen, wie sich das rechnet . Wir haben jetzt eine Än-
derung . Der Verkehrsminister hat noch einmal Gesprä-
che auf EU-Ebene geführt, und er hat sich mit ihr auf
eine Änderung verständigt, die zusätzliche Entlastungen
in Höhe von 100 Millionen Euro für Euro-6-Fahrzeuge
bringt, also für die Fahrzeuge, die besonders wenig um-
weltschädlich sind bzw . umweltfreundlicher sind .

Es gibt eine langfristige Komponente mit 32 Cent
pro 100 Kubikzentimeter, und es gibt eine kurzfristige
mit zusätzlichen 13 Cent, die nur für zwei Jahre gilt . Ich
nenne zwei Beispiele: Es gibt den Polo vom Kollegen
Schwarz – ich sehe ihn im Moment nur da hinten sit-
zen, er redet heute leider nicht –, für den er Kfz-Steuer
in Höhe von 52 Euro zahlt . Er wird jetzt durch die Infra-
strukturabgabe in Höhe von rund 30 Euro entlastet .

Steffen Bilger hatte sich beschwert, dass ich ihm ei-
nen BMW 730 zugeordnet hatte . Er hätte lieber einen
Mercedes gehabt . Okay, aber die Steuer bleibt am Ende
trotzdem bei 390 Euro, weil das Auto sehr viel mehr
Kubikzentimeter, also einen größeren Hubraum, und hö-
here CO2-Werte hat . Seine Entlastung würde eigentlich
162 Euro betragen, er bekommt aber nur 130 Euro, weil
die Entlastung nach den neuen Regeln gedeckelt ist . In-
sofern werden kleinere Fahrzeuge deutlich besser gestellt
als größere . Das ist auch Ziel dieses Projektes .

Drittens. Einnahmen und Ausgaben wurden häufig
erwähnt . Es gibt dazu sehr unterschiedliche Prognosen .
Das BMVI hat uns die Rechnung vorgelegt, dass etwa
Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro zusätzlich
entstehen . Es gibt Leute, die dies bezweifeln . Am Ende
gehen wir aber davon aus, dass auf jeden Fall ein positi-
ver Betrag bleibt . Dabei sind natürlich sehr viele Parame-
ter zu berücksichtigen .

Es ist übrigens üblich, dass in Anhörungen einige
Sachverständige die eine und andere eine andere Mei-
nung vertreten .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab drei, die gesagt haben, es gibt kein Geld, und es gab einen, der gesagt hat, es gibt Geld!)


– Ja gut, aber welche Sachverständigen gerade bei der
Anhörung sind, macht im Ergebnis keinen Unterschied .

Wir gehen davon aus: Die Infrastrukturabgabe wird
einen positiven Beitrag leisten, auch wenn wir Ausgaben
haben . Es ist eine einmalige Umstellung, die natürlich
auch zu einmaligem Aufwand, insbesondere was die Be-
scheide angeht, führt . Der Zoll hat in der Anhörung ge-
sagt, er sei noch nicht ganz sicher, ob die Mitarbeiter, die
zur Verfügung gestellt werden, wirklich ausreichen . Wir
haben gesagt: Wir evaluieren dieses Gesetz nach zwei
Jahren und schauen, ob wir gegebenenfalls an der einen
oder anderen Stelle nachsteuern müssen .

Viertens . EU-Konformität . Ich denke, das ist jetzt ein-
deutig geklärt .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klärt der EuGH, das ist ein Gericht!)


Wir haben eine Nutzerabgabe, die es auch in anderen
Ländern, zum Beispiel in Österreich, gibt . Sie ist für
In- und Ausländer . Da gibt es keinerlei Diskriminierung .
Auch die Sachverständigen haben noch einmal klar ge-
sagt: Die Kfz-Steuer ist eine rein nationale Steuer . Auch
wenn in Österreich oder in Frankreich die Kfz-Steuer
steigt oder sinkt, hat das mit Europa nichts zu tun . Inso-
fern ist das eine Sache der nationalen Hoheit, die wir so
steuern können, wie wir das wollen .

Es gibt vielleicht noch ein Thema: Die Gewerbetrei-
benden mussten bisher natürlich keine Nutzerabgabe
zahlen, wenn sie Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen fuhren,
weswegen sie auch keine Lkw-Maut zahlen . Sie haben
jetzt eine zusätzliche Belastung . Aber auch da sind wir
der Meinung: Es gibt natürlich keinen Anspruch darauf,
auf Dauer einen Wettbewerbsvorteil zu haben . Insofern
gehen wir davon aus, dass das auch kein Thema ist .

Summa summarum: Wir wollen den Umstieg in eine
nutzergebundene und auch zweckgebundene Finanzie-
rung der Infrastruktur, weil wir das für sinnvoll halten .
Wir wollen die Entlastung durch die Kfz-Steuer, die übri-
gens besonders den Haltern kleiner Pkws zugutekommt .
Im ersten Jahr nach Inbetriebnahme beträgt die zusätzli-
che Steuerentlastung durch die ökologische Komponente
für die Euro-6-Fahrzeuge rund 100 Millionen Euro . Wir
haben das alles mit der EU abgestimmt . Insofern bitte ich
um Ihre Zustimmung .

Nach zwei Jahren evaluieren wir das noch einmal, und
dann werden wir sehen, dass wir damit ein erfolgreiches
Gesetz auf den Weg gebracht haben und eine Änderung
in der Infrastrukturfinanzierung schaffen.

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822602800


Das Wort hat nun der Kollege Sebastian Hartmann für
die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Philipp Murmann






(A) (C)



(B) (D)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1822602900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Diese Debatte ist vollkommen über-
flüssig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg . Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Denn der Bundesverkehrsminister hat uns im Jahre 2015,
und zwar am 24 . März, gesagt: „Mein Gesetz ist gut . Da-
ran wird kein Wort geändert .“ Daran muss man sich mes-
sen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Ich sage Ih-
nen: Man hätte das Ganze natürlich seit zwei Jahren auf
den Weg bringen können . Es ist auf den Weg geschickt
worden, und die EU-Kommission hat sich dazu verhal-
ten .

Tatsächlich – da muss man sich an den Fakten orientie-
ren – stehen wir heute hier erneut und beschließen schon
die erste Änderung am Infrastrukturabgabengesetz, be-
vor diese Maut überhaupt in Kraft gesetzt worden ist .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Bleiben wir bei den Fakten . Mag die Pkw-Maut auch
im Koalitionsvertrag stehen: Sie ist nicht zum 1 . Januar
2016 scharfgestellt worden, und sie ist in dieser Legisla-
turperiode auch nicht gekommen – allen Koalitionsver-
sprechen zum Trotz .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich richte ich das Wort auch an den geschätz-
ten Koalitionspartner: Ja, die SPD ist koalitionstreu .
Weil sie koalitionstreu ist, können Sie auf eines zählen:
auf die Zustimmung des weit überwiegenden Teils der
SPD-Bundestagsfraktion . Aber im Koalitionsvertrag
steht nicht, dass Sie auf unser Verständnis zählen können,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das jetzt hier? Opposition und Regierung in einem!)


Für die SPD-Bundestagsfraktion standen andere Din-
ge im Mittelpunkt, die der Kollege Sören Bartol schon
erwähnt hat . Wenn Sie, Herr Krischer, sich hierhinstellen
und der Sozialdemokratie abverlangen, Rückgrat zu zei-
gen, dann sage ich Ihnen: Schauen Sie in die Geschichts-
bücher! Schauen Sie sich unser Regierungshandeln an!
Wir haben immer Rückgrat bewiesen, wenn es darauf
ankam, und das auch in Fragen Europas .


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hier gerade nicht!)


Wenn Sie das nicht glauben, dann frage ich Sie ein-
mal: Was leisten Sie sich eigentlich in Hessen in Ihrer
schwarz-grünen Koalition?


(Beifall bei der SPD)


Wie können Sie es wagen, uns vorzuhalten, hier nicht
europarechtsfreundlich zu sein! Schämen Sie sich, dass
Sie uns das hier im Plenum vorwerfen! So läuft es nicht .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Frage: Was ist denn in Hessen? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn in Hessen?)


Wenn ich mir einmal die Argumentationsstrategie des
geschätzten Koalitionspartners anschaue, wenn ich mir
anschaue, was in der letzten Runde hier gesagt worden
ist, stellt sich mir die Frage: Haben Sie noch nicht genug?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn in Hessen?)


Ich sage Ihnen: Sie sind für die Maut für alle ohne jeg-
liche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, und wir
haben dafür gesorgt, dass der deutsche Autofahrer nicht
belastet wird .


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn in Hessen?)


Nehmen Sie sich zurück, und hören Sie zu!

Ich wende mich jetzt der Argumentation des Koaliti-
onspartners zu . Es wurde gesagt – das ist ja nicht nur am
BMW 7er des geschätzten Kollegen der Union festge-
macht worden, der wohl zwischenzeitlich auf die S-Klas-
se „umgestiegen worden“ ist –: In Österreich muss ich
Maut bezahlen . In Italien muss ich 100 Euro Maut bezah-
len . – Meine Damen und Herren, ich habe in einem der
schönsten Länder der Erde Urlaub gemacht, in Deutsch-
land, und da habe ich keine Maut bezahlt . Ich wohne in
Nordrhein-Westfalen, und in den Nachbarländern Nie-
derlande und Belgien gibt es keine Maut .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn ich das zur Maßgabe der Politik machte, dürfte ich
heute nicht zustimmen . So einfach kann man sich das
nicht machen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Wir wer-
den – auch wenn wir dieses Projekt für nicht so relevant
gehalten haben, dass man davon einen Koalitionsvertrag
abhängig macht – dem heute mit großer Mehrheit zu-
stimmen .

Was hat sich geändert? Natürlich sind die Zweifel an
den Einnahmen geblieben .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, jetzt doch!)


Diese Zweifel gab es 2015 auch . Aber zwischenzeitlich
hat sich der Finanzminister nach einem Monat Bedenk-
zeit doch dazu durchgerungen, zu sagen: Ja, ich mache
mir diese Einnahmeprognose zu eigen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen die nicht!)


Auch da korrigiere ich die Opposition, die gesagt hat,
es gebe nur einen Sachverständigen . Nein, es gibt meh-
rere,


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Ihre Rednerin!)







(A) (C)



(B) (D)


nämlich auch den Finanzminister der CDU, sodass es
auch eine CDU-Maut geworden ist .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Frau Hagedorn, die das gesagt hat!)


Aber, meine Damen und Herren, es ist doch auch eines
klar: Wenn eine Partei, die diese Regierungskoalition
mit stellt, die Entscheidung darüber, ob man die stärks-
te Volkswirtschaft in Europa mit 80 Millionen Einwoh-
nerinnen und Einwohnern regiert, von einem einzigen
Wunschprojekt, nämlich der CSU-Pkw-Maut, abhängig
macht, dann muss man das zur Kenntnis nehmen; dann
ist das halt so in einer Koalition . Aber wir haben andere
Dinge in den Mittelpunkt gerückt, liebe Kolleginnen und
Kollegen, und dabei bleibt es .


(Beifall bei der SPD)


Deswegen werden wir heute mehrheitlich zustimmen,
auch wenn wir in den Anhörungen unsere Position deut-
lich gemacht haben . Ich habe große Sympathie dafür,
dass man sagt: Ja, wir haben Bedenken, was die Grenzre-
gionen angeht . – Wir haben als SPD-Bundestagsfraktion
erreicht, dass es hierbei einen Unterschied gibt zwischen
Deutschen und Ausländern . Wir bezahlen die Maut auf
der Autobahn und auf der Bundesstraße, liebe Mitbürge-
rinnen und Mitbürger, aber ausländische Kfz-Halter nur
auf der Bundesautobahn . Das war die erste Ausnahme
für die Grenzregionen; das haben wir 2015 durchgesetzt .
Wir wären gern weiter in die Richtung der Vorschläge
des Bundesrates gegangen . Mein geschätztes Heimatland
Nordrhein-Westfalen hat einen sehr guten Vorschlag ge-
macht . Aber das ist am Widerstand der CDU/CSU-Frak-
tion gescheitert, und das müssen wir zur Kenntnis neh-
men . Man stimmt in der Koalition nicht gegeneinander .

Abschließend: Ich gehe fest davon aus, dass ich der
letzte Redner der SPD-Bundestagsfraktion zu dem The-
ma Infrastrukturabgabe bin . Liebe Kolleginnen und Kol-
legen von der Opposition und der Mehrheitsfraktion, das
hatten wir uns 2015 in der Tat anders gedacht . Aber eine
Sache habe ich mir gemerkt: Sie haben wenig Verständ-
nis für wichtige Projekte gehabt, die wir in den Mittel-
punkt unseres Tuns gerückt haben, die Mietpreisbrem-
se zum Beispiel, das Recht auf gleiche Bezahlung von
Mann und Frau; das war für uns wichtig . Wir haben den
Mindestlohn eingeführt . Aber wissen Sie, was Sie ge-
macht haben? Sie haben uns vorgeworfen, dass wir mit
Transparenzregeln – dabei geht es um Gerechtigkeit – ein
Bürokratiemonster schaffen würden . Ich verrate Ihnen:
Das nächste Mal, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir ein
Bürokratiemonster schaffen, wird dieses Bürokratie-
monster in einem vollbemauteten Pkw vorfahren und Sie
auslachen .


(Beifall bei der SPD)


Für alle diejenigen, die das hier nicht richtig einord-
nen können: Das mit der Bürokratie lassen wir so nicht
auf uns sitzen . Sie mögen sich daran erinnern, was am
1 . September des Jahres 2013 nicht weit von hier in ei-
nem Fernsehstudio passiert ist . Um 20 .54 Uhr erklärte

die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland:
„Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben .“


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mehrbelastung! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Mehrbelastung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich würde mal richtig zitieren! Das wird durch Wiederholung nicht richtiger!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, so ist das
halt in Koalitionen . Das müssen wir als SPD zur Kennt-
nis nehmen .

Wir stimmen heute mehrheitlich zu . Für uns war an-
deres wichtiger .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822603000

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Ulrich Lange .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt das Highlight des Tages! – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Uli, erklär denen mal, worum es geht!)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1822603100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie

angekündigt: Nach einer kurzen Beratung, die die letzten
Zweifel auch unseres Koalitionspartners so weit beseitigt
hat, dass man gut zustimmen kann, werden wir heute die
Infrastrukturabgabe so beschließen . Es ist ein Gesetz für
mehr Gerechtigkeit auf deutschen Straßen und deswegen
auch ein Herzensanliegen unseres Koalitionspartners .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das hatten die vergessen zu erwähnen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist wichtig!)


Lieber Kollege Hofreiter, in aller Ruhe: Ich glaube, es
wäre an der Zeit, dass Sie sich für Ihre Rede in aller Form
bei den Menschen in Bayern entschuldigen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das Gegenteil! – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Frechheit der CSU! Die CSU tut immer so, dass man, wenn man die CSU angreift, Bayern angreift! Das ist die Frechheit der CSU!)


– Jetzt komm runter!


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Arroganz, Ihr Hochmut; denn Bayern ist viel mehr als diese traurige CSU! – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)


Ich glaube, wir brauchen von den Grünen, denen die ei-
genen Landtagsabgeordneten in München gerade davon-
laufen,


(Sören Bartol [SPD]: Wir sind hier nicht im Landtag!)


keine Nachhilfe in Europapolitik . Eine Union mit Franz
Josef Strauß, mit Theo Waigel, mit Konrad Adenauer und
Helmut Kohl braucht von Ihnen keine Nachhilfe .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen, wo wir in Europa stehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Bravo! – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wo stehen Sie denn in Europa? Im Zweifelsfall gegen Europa!)


Wir setzen mit dieser Maut das um, was Bürgerinnen
und Bürger in diesem Land erwarten, und genau das, was
auch die Europäische Kommission geschrieben hat: ei-
nen Systemwechsel von der Steuerfinanzierung hin zur
Nutzerfinanzierung. Und das ist richtig! Und das tun wir!
Deswegen allen Respekt vor unserem Bundesverkehrs-
minister, der den Gesprächsfaden in Brüssel nicht hat ab-
reißen lassen, der das Ziel nicht aus den Augen verloren
hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


So haben wir das europäische Gütesiegel der Kommis-
sion erhalten .

Liebe Kolleginnen und Kollegen sowohl der Grünen,
der Linken, aber auch der SPD, das war das Siegel, das
Sie 2015 wollten . Dieses Siegel legen wir auf den Tisch .
Und damit haben wir auch unsere Aufgabe erfüllt . Gratu-
lation an und Respekt für den Verkehrsminister!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn die Länder jetzt glauben: „Neues Spiel – neues
Glück“, dann wundere ich mich zumindest, dass die Län-
derbank bei dieser Debatte heute leer ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Bundesländer, die ihr alle so dagegen seid: Wo ist
denn der Kollege aus den Bundesländern, der dagegen ist
und den Mut hat, sich hierhinzustellen und das auch zu
begründen?


(Beifall bei der CDU/CSU)


2015 haben die Bundesländer genau dieser Regelung für
die Grenzregionen zugestimmt . Da war sie in Ordnung,
lieber Kollege Hartmann . An dieser Stelle wird auch kein
Wort im Gesetz geändert . Es werden Ziffern geändert,
aber keine Wörter . Das spricht für die Qualität des Ge-
setzes .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist gescheitert! Es ist eine Arroganz!)


Wenn es um erfolgreiche Politik im Verkehrsbereich
geht, dann kann ich nach elf Jahren mit Bröckelverkehrs-
ministern der Sozialdemokratie nur sagen: Seitdem die
Union das Haus des Verkehrsministeriums führt, gibt es
einen Investitionshochlauf, einen Bundesverkehrswege-
plan, der seinen Namen verdient, Geld für die Schiene
wie noch nie und ein Brückensanierungsprogramm . Das
ist, lieber Kollege Hartmann, der Unterschied zu Ihrem
geliebten Land Nordrhein-Westfalen, zu den Bröckelpis-
ten und Schlaglochstraßen!


(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Hartmann [SPD]: Ich liebe meine Heimat!)


Die Verkehrspolitik der Union, liebe Kolleginnen und
Kollegen, hat Premiumqualität .


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dank dieser Premiumqualität werden wir in Zukunft die
Straßen finanzieren. Wir werden die Finanzierung von
Steuerfinanzierung auf Nutzerfinanzierung umstellen.
Gerechtigkeit auf deutschen Straßen – das will die Mehr-
heit . Das machen wir! Und deshalb stimmen wir heute
dieser Infrastrukturabgabe zu – für eine gute, zukunftssi-
chere Verkehrspolitik!

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822603200

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
des Infrastrukturabgabengesetzes .

Zu diesem Gesetzentwurf haben nicht alle Mitglieder
des Deutschen Bundestages persönliche Erklärungen zu
ihrem Abstimmungsverhalten hier oben beim Präsidium
abgegeben, aber doch sehr viele, sodass ich Ihnen eine
anregende Lektüre des Anhangs zum Protokoll der heuti-
gen Bundestagsverhandlungen wünschen kann .1)

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-
lung auf der Drucksache 18/11646, den Gesetzentwurf
der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11237 und
18/11536 anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist damit ganz offenkundig mit hinreichender
Mehrheit in zweiter Beratung angenommen .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Wir stimmen jetzt über den Ge-
setzentwurf auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen namentlich ab . Ich weise darauf hin, dass eine
zweite namentliche Abstimmung anschließend, in weni-
gen Minuten, erfolgt .

1) Anlagen 2 bis 8

Ulrich Lange






(A) (C)



(B) (D)


Sind alle Abstimmungsurnen von jeweils zwei Schrift-
führerinnen und Schriftführern besetzt? – Auf der Regie-
rungsseite, scharf rechts von mir, fehlt noch ein Schrift-
führer . – Ich eröffne die erste Abstimmung .

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das sei-
ne Stimme nicht abgegeben hat? – Dann schließe ich
die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .1)

Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 18/11667 ab . Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Einzelne Mitglieder aus den Reihen der An-
tragsteller, auf Zuruf ein paar Einzelne mehr . Wenn ich
einmal die Emphase der Diskussion in Relation zu der
Gelassenheit im Abstimmungsverfahren setze, fällt mir
da eine gewisse Diskrepanz auf .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Also noch einmal: Wer stimmt für den Entschließungs-
antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der
Drucksache 18/11667? – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Das Zweite war die Mehrheit . Damit ist der Ent-
schließungsantrag abgelehnt .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetz-
entwurf der Fraktion Die Linke zur Aufhebung des Ge-
setzes über die Erhebung einer zeitbezogenen Infrastruk-
turabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen .
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf der
Drucksache 18/11646 empfiehlt der Ausschuss für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur, den Gesetzentwurf der
Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/11012 abzu-
lehnen .

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim-
men wollen, um das Handzeichen . – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Bei wenigen Enthaltungen ist
der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalition bei Zustimmung der Oppositionsfraktionen
abgelehnt . Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung .

Zusatzpunkt 7 . Wir kommen nun zur Abstimmung
über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz-
entwurf zur Änderung des Zweiten Verkehrsteuerände-
rungsgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/11643, den
Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksa-
chen 18/11235 und 18/11560 anzunehmen . Ich bitte die-
jenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um
das Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung
angenommen .

Wir stimmen über den Gesetzentwurf in

dritter Beratung

und Schlussabstimmung auf Verlangen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab . Deswegen bitte
ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze
wieder einzunehmen . – Sind alle Urnen ordnungsgemäß

1) Ergebnis Seite 22708 D

besetzt? – Niemand signalisiert etwas anderes . Dann er-
öffne ich hiermit die zweite namentliche Abstimmung .

Ist noch ein Mitglied im Hause, das sich an der zwei-
ten namentlichen Abstimmung noch nicht beteiligt hat? –
Das ist nicht erkennbar . Dann schließe ich die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen .2)

Wir teilen die beiden Auszählungsergebnisse mit, so-
bald sie vorliegen, fahren aber in der Zwischenzeit mit
der Tagesordnung fort, wenn es dafür eine hinreichend
beruhigte, übersichtliche Lage gibt .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 c auf:

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Demografiepolitische Bilanz der Bundesregie-
rung zum Ende der 18. Wahlperiode

Jedes Alter zählt – Für mehr Wohlstand und
Lebensqualität aller Generationen

Drucksache 18/11145
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss Digitale Agenda

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doris
Wagner, Ulle Schauws, Brigitte Pothmer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsam für ein gutes Morgen –
Den demografischen Wandel gestalten

Drucksache 18/11606
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13 . Ausschuss) zu dem An-
trag der Abgeordneten Doris Wagner, Elisabeth
Scharfenberg, Christian Kühn (Tübingen), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Partizipation und Selbstbestimmung älterer
Menschen stärken

Drucksachen 18/9797, 18/11645

2) Ergebnis Seite 22711 A

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Widerspruch
ist nicht erkennbar . Also können wir so verfahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Ole Schröder das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1822603300


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Wir leben länger . Wir sind gesünder als alle Gene-
rationen vor uns . Wir werden immer mobiler . Das ist die
positive Seite des demografischen Wandels.

Klar ist aber auch, dass die Alterung der Gesellschaft
in allen denkbaren Szenarien und Modellrechnungen
deutlich fortschreiten wird . Auch bei einer hohen Net-
tozuwanderung muss in Zukunft mit einem deutlichen
Rückgang der Erwerbsbevölkerung gerechnet werden .
Ob die überwiegend jungen Zuwanderer einen positiven
Einfluss auf die Erwerbstätigkeit haben, hängt von ihrer
oft schwierigen Integration in den Arbeitsmarkt ab . Au-
ßerdem werden ja auch die jungen Zuwanderer älter, und
auch die Kinder, die hier geboren werden, werden älter .

Damit steht fest: Unsere Gesellschaft verändert sich .
Sie wird möglicherweise kleiner, sie wird wahrscheinlich
heterogener, und sie wird sicherlich älter . Diesen Wan-
del wollen und müssen wir gestalten . Wir stehen dabei
vor grundlegenden Fragen: Welche Auswirkungen hat
Migration auf den demografischen Wandel? Wie steht
es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn die
Bevölkerung nicht nur älter, sondern auch heterogener
wird? Wohin geht die demografische Reise in Stadt und
Land? Welche Fortschritte wird uns die Digitalisierung
in diesem Zusammenhang bringen? Wie können wir un-
seren Wohlstand fortentwickeln und an die nächste Ge-
neration weitergeben?

Unter dem Motto „Zusammenhalt stärken – Verant-
wortung übernehmen“ haben Vertreter aller staatlichen
Ebenen, der Wirtschaft, der Sozialpartner, der Verbände,
der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft diese Fragen
auf Einladung des Bundesministeriums des Innern disku-
tiert. Der letzte Demografiegipfel am 16. März 2017 hat
sich wieder als zentrales Forum in der Zusammenarbeit
zwischen der Bundesregierung und den genannten Part-
nern erwiesen . Aber, natürlich, ein Gipfel allein reicht
nicht aus . Die Bundesregierung hat deshalb mit ihren
Partnern in einem seit 2012 laufenden Arbeitsprozess
kontinuierlich Lösungsvorschläge entwickelt und umge-
setzt . Das zeigt: Wir sind uns der großen Herausforde-
rung bewusst, und wir wollen sie erfolgreich bewältigen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung hat sich daher im Jahr 2015 mit
der weiterentwickelten Demografiestrategie politische
Ziele gesetzt: die Stärkung des wirtschaftlichen Wachs-
tumspotenzials, die Förderung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts und gleichwertiger Lebensverhältnisse
in Stadt und Land sowie die Gewährleistung solider Fi-
nanzen für die Handlungsfähigkeit des Staates und ver-
lässliche Sozialsysteme .

Zu soliden Sozialversicherungssystemen gehört auch,
dass die Rente mit 67 nicht infrage zu stellen ist . Auch
bei jetzt guten, ausgeglichenen Haushalten dürfen wir
nicht wieder in den alten Modus zurückverfallen, auf
Kosten der jungen Generation Politik zu machen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vor dem Demografiegipfel war es ein guter Zeitpunkt,
Bilanz aus dem bisher Erreichten zu ziehen . Die Bundes-
regierung hat daher am 1 . Februar 2017 ihre demogra-
fiepolitische Bilanz mit dem Titel „Jedes Alter zählt – Für
mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“
präsentiert. Die demografiepolitische Bilanz beschreibt
aktuelle Trends, zeigt nachdrücklich die Maßnahmen der
Bundesregierung in 13 Handlungsfeldern auf . Das reicht
von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf über die
Fachkräftesicherung bis hin zu gleichwertigen Lebens-
verhältnissen in Stadt und Land . Zentral ist in jeder Hin-
sicht der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft .

Wir haben deswegen eine Vielzahl von Maßnahmen
ergriffen, damit sich alle gesellschaftlichen Gruppen in
Deutschland als Teil des Ganzen verstehen . Hierzu ge-
hören beispielsweise die Gesetze zur Stärkung der Pfle-
ge, die weiter ausgebaute Förderung des bürgerschaft-
lichen Engagements, an dem sich bundesweit so viele
Menschen wie noch nie beteiligen . Daneben wird eine
möglichst hohe Erwerbstätigkeit gefördert; denn sie ist
Grundlage für Wachstum und Wohlstand und vor allen
Dingen für tragfähige öffentliche Finanzen .

Ich sage in diesem Zusammenhang deutlich, dass
uns Zuwanderung alleine nicht bei der Stabilisierung
der Erwerbsbevölkerung helfen wird . Was wir benöti-
gen, ist qualifizierte Zuwanderung. Die Steuerung von
Zuwanderung nach Deutschland und die Attraktivität
für Fachkräfte haben daher Priorität . Es ist darauf hin-
zuweisen, dass alle hochentwickelten Volkswirtschaften
vor der gleichen Herausforderung stehen, nämlich einem
Fachkräftemangel, und dass deshalb alle weltweit na-
türlich versuchen, genau diese besonders qualifizierten
Fachkräfte anzuziehen, was ausgesprochen schwierig ist .
Auch der ungebrochene Trend zu qualitativ hochwerti-
gen Ausbildungen und die auf Rekordniveau steigende
Erwerbstätigenquote, insbesondere bei Frauen, dienen
der Sicherung unserer Fachkräftebasis .

Die Bundesregierung hat diese Trends mit zahlreichen
Weichenstellungen in den letzten Jahren unterstützt . Sie
reichen von der beruflichen Bildung über den Hochschul-
pakt 2020 bis hin zu Maßnahmen für die weitere Verbes-
serung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie .

Für die Integration von Flüchtlingen in den Ausbil-
dungs- und Arbeitsmarkt wurden geeignete Rahmenbe-
dingungen geschaffen . Auch das ist eine Megaheraus-
forderung, vor der wir stehen . Diese und viele andere
Maßnahmen bildet die demografiepolitische Bilanz ab.

Auch andere Konzepte und Anträge, die in der heu-
tigen Sitzung beraten werden, propagieren diesen ganz-
heitlichen Ansatz und bestätigen den Weg, den die Bun-
desregierung geht .

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die demo-
grafiepolitische Bilanz anschauen, muss man feststellen,

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


dass nicht alle Maßnahmen, die wir in dieser Wahlperi-
ode getroffen haben, positiv sind . Sie sind sicherlich zu
begründen; aber natürlich ist die Einschränkung bei der
Rente mit 67 – da muss man ehrlich sein – für den Be-
reich der Demografiepolitik kritisch zu sehen. Auf der
anderen Seite haben wir es vor allen Dingen geschafft,
einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen, das ers-
te Mal seit 1962 . Jetzt haben wir den dritten ausgegliche-
nen Haushalt zum Abschluss gebracht .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da können sich die Menschen nichts von kaufen!)


Es ist demografiepolitisch mit das Wichtigste,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


dass wir das erste Mal seit 1962 keine Haushaltspolitik
mehr machen, die auf Kosten der jüngeren Generation
geht .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch hanebüchener Unsinn! So ein Quatsch!)


Das Allerwichtigste ist, dass wir das jetzt fortführen;
denn das, was wir heute ausgeben, was wir heute kon-
sumieren, müssen die Jüngeren zurückzahlen, und das
schränkt die Handlungsspielräume der Jüngeren ein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Alles, was Sie nicht investieren, müssen die Nachfahren investieren! Investitionsstau nennt man das!)


Deshalb ist die schwarze Null der wichtigste demogra-
fiepolitische Erfolg, den wir in dieser Wahlperiode erzielt
haben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Schimäre! Eine Schimäre ist das! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Amen! – Gegenruf des Abg . Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Werdet ihr noch gläubig auf die alten Tage?)


Wir können den demografischen Wandel nicht stop-
pen, wir können ihn aber erfolgreich gestalten . Das hat
die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode mit den
ausgeglichenen Haushalten geschafft . Das zeigt: Eine
gute Bilanz ist erreicht worden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts erreicht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Oh, war das schön! Gott, war das schön! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822603400

Ich gebe Ihnen die von den Schriftführerinnen und

Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden na-
mentlichen Abstimmungen bekannt .

Zunächst zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Än-
derung des Infrastrukturabgabengesetzes . Hierzu sind
541 Stimmen abgegeben worden . Mit Ja haben gestimmt
397, mit Nein 135, 9 Kolleginnen und Kollegen haben
sich der Stimme enthalten . Damit ist der Gesetzentwurf
angenommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 541;
davon

ja: 397
nein: 135
enthalten: 9

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer

Steffen Bilger
Clemens Binninger
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber

Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel

Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte

Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder






(A) (C)



(B) (D)


Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann

(Dort mund)

Karl Holmeier
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Dr . Georg Kippels
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h .c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz

Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Iris Ripsam
Kathrin Rösel
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke

Tankred Schipanski
Patrick Schnieder
Dr . Ole Schröder

(Wies baden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
Dr . h .c . Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther

Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Bettina Bähr-Losse
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h .c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h .c . Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke






(A) (C)



(B) (D)


Angelika Glöckner
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Susanne Mittag
Bettina Müller
Dr . Rolf Mützenich
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Stefan Rebmann

Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Sonja Steffen
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese

(Wol mirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

Nein

CDU/CSU

Helmut Brandt
Rudolf Henke
Anette Hübinger

Karsten Möring
Wilfried Oellers
Johannes Röring
Albert Stegemann

SPD

Jürgen Coße
Dr . Daniela De Ridder
Elvira Drobinski-Weiß
Elke Ferner
Christian Flisek
Ulrich Freese
Michael Gerdes
Michael Groß
Ulrich Hampel
Dirk Heidenblut
Heidtrud Henn
Thomas Hitschler
Matthias Ilgen
Thomas Jurk
Gabriele Katzmarek
Dr. Bärbel Kofler
Hilde Mattheis
Detlef Müller (Chemnitz)

Dietmar Nietan
Markus Paschke
Christian Petry
Johann Saathoff
Ulla Schmidt (Aachen)

Andreas Schwarz
Norbert Spinrath

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Sigrid Hupach
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte

Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)







(A) (C)



(B) (D)


Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz

Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Elisabeth Scharfenberg
Dr . Gerhard Schick
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn

Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

CDU/CSU

Franz-Josef Holzenkamp


(Braunschweig)


Karl Schiewerling
Detlef Seif
Kees de Vries

SPD

Dr . Edgar Franke
Steffen-Claudio Lemme
Dennis Rohde
Ewald Schurer

Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der
entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt .

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zwei-
ten Verkehrsteueränderungsgesetzes haben 542 Mitglie-
der des Hauses ihre Stimmen abgegeben . Davon haben

mit Ja gestimmt 405, mit Nein 125, 12 haben sich der
Stimme enthalten . Damit ist auch dieser Gesetzentwurf
angenommen .

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 542;
davon

ja: 405
nein: 125
enthalten: 12

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig

Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr . Herlind Gundelach

Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Jörg Hellmuth
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann

(Dort mund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Dr . Mathias Edwin Höschel
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen

Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Ronja Kemmer
Dr . Georg Kippels
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr . Dr . h .c . Karl A . Lamers
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert






(A) (C)



(B) (D)


Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr . Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller

(Braun schweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Iris Ripsam
Kathrin Rösel
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Tankred Schipanski
Patrick Schnieder
Dr . Ole Schröder

(Wies baden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul

Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
Dr . h .c . Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Bettina Bähr-Losse
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Dr . h .c . Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h .c . Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken

Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Dr . Eva Högl
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Susanne Mittag
Bettina Müller
Dr . Rolf Mützenich
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger






(A) (C)



(B) (D)


Sabine Poschmann
Joachim Poß
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Sonja Steffen
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese

(Wol mirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke

Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

Nein

CDU/CSU

Helmut Brandt
Rudolf Henke
Johannes Röring
Albert Stegemann

SPD

Jürgen Coße
Dr . Daniela De Ridder
Elvira Drobinski-Weiß
Elke Ferner
Ulrich Freese
Michael Gerdes
Dirk Heidenblut
Heidtrud Henn
Matthias Ilgen
Gabriele Katzmarek
Detlef Müller (Chemnitz)

Dietmar Nietan
Markus Paschke
Christian Petry
Johann Saathoff
Ulla Schmidt (Aachen)

Andreas Schwarz
Norbert Spinrath

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Sigrid Hupach
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner

Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul

Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Elisabeth Scharfenberg
Dr . Gerhard Schick
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

CDU/CSU

Detlef Seif
Kees de Vries

SPD

Christian Flisek
Dr . Edgar Franke
Michael Groß
Ulrich Hampel
Thomas Hitschler
Thomas Jurk
Steffen-Claudio Lemme
Hilde Mattheis
Dennis Rohde
Ewald Schurer

Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der
entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt .






(A) (C)



(B) (D)


Wir setzen die Debatte fort . Das Wort erhält nun die
Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Lin-
ke .


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822603500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Sie haben letzte Woche bestimmt von der Lis-
te der Länder mit den glücklichsten Menschen gehört .
Unter den ersten fünf sind vier skandinavische Länder
sowie die Schweiz . Deutschland liegt abgeschlagen auf
Platz 16 . Wissen Sie, warum die Norwegerinnen und
Norweger die glücklichsten Menschen sind? Weil sie ei-
nen funktionierenden Sozialstaat haben .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist es, was uns unterscheidet:


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist es! Wir haben eine Große Koalition!)


Kaum jemand muss im Alter in Armut leben, die Jungen
müssen keine Angst haben, nach befristeten Arbeitsver-
hältnissen oder Leiharbeit wieder aus dem Job zu fliegen,
die Menschen werden für ihre Arbeit ordentlich bezahlt,
und sie haben eine auskömmliche Rente . Das macht
glücklich!


(Beifall bei der LINKEN)


Aber dafür braucht es gewisse Voraussetzungen . Da
wir hier über den Bericht zur demografiepolitischen Bi-
lanz der Bundesregierung diskutieren, sage ich Ihnen
vorneweg ganz deutlich: In Ihrer Bilanz fehlen wesent-
liche Aspekte . Wie können Sie ernsthaft eine Frage, die
viele Menschen in Deutschland umtreibt, mit keinem
Wort erwähnen? Ist für Sie die massive Ausbreitung von
Altersarmut etwa keine demografierelevante Frage, oder
ignorieren Sie dieses Problem, weil Sie einfach keine Lö-
sungen anzubieten haben?


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dieser Bericht ist keine Bilanz, er ist ein Armutszeugnis
dieser Regierung .

Bei sinkendem Rentenniveau werden in Zukunft im-
mer mehr Menschen von ihrer Rente nicht leben können,
und das Dreisäulenmodell, welches Sie in Ihrem Be-
richt hervorgehoben haben – gesetzliche Rente, private
Vorsorge und Betriebsrente –, funktioniert nicht . Vielen
Menschen fehlt schlichtweg das Geld für eine private
Vorsorge, und oft lassen auch die Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber die Menschen bei der Betriebsrente im Stich .
Die Linke sagt: So wird das nichts mit einer ausreichen-
den Altersvorsorge .


(Beifall bei der LINKEN)


Das Einzige, was der Regierung einfällt, ist: Die Men-
schen sollen länger arbeiten . Aber nicht alle werden älter,
und nicht alle bleiben im hohen Alter gesund . Viele von
denen, die in ihrem Leben am härtesten gearbeitet haben,
hatten niedrige Einkommen und haben folglich niedrige

Renten. Sie sind nicht mehr so fit, um noch etwas hin-
zuverdienen zu können, und dann sterben sie auch noch
früher . Das ist traurig, aber wahr . Das muss sich bei uns
hier in Deutschland ändern .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich muss insbesondere die Sozialdemokraten fragen:


(Gabriele Katzmarek [SPD]: Darauf habe ich schon gewartet!)


Sieht so Ihre Solidarität mit den hart arbeitenden Men-
schen aus? Solidarität kann ich da nicht erkennen . Zum
Beispiel beim Pflegenotstand und allgemein beim The-
ma Pflege, wo es auch um Armut geht, reden Sie nicht
darüber, dass die Einkommen in der Altenpflege mit am
niedrigsten sind .


(Petra Crone [SPD]: Doch!)


Angesichts einer derart anstrengenden Arbeit ist die Idee,
dafür vor allem Frauen, Ältere und Menschen mit Migra-
tionshintergrund gewinnen zu wollen, einfach zynisch .
Hier ist vorprogrammiert, dass wiederum Frauen im
Niedriglohnbereich arbeiten .

Für Rentnerinnen und Rentner sind die Mieten und die
Nebenkosten die größten Ausgabenposten . Bei drastisch
steigenden Mieten können sie sich ihre Wohnungen nicht
mehr leisten und müssen ihr gewohntes Umfeld verlas-
sen . Wir brauchen wieder eine aktive soziale Wohnungs-
baupolitik, gerade in den Ballungszentren .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Genau das machen wir!)


Dazu kommt von Ihnen aber überhaupt nichts . Dabei
brauchen Sie doch nur die zahlreichen guten Vorschläge
der Linken abzuschreiben . Tun Sie das endlich mal!


(Beifall bei der LINKEN – Michael Frieser [CDU/CSU]: Bestimmt nicht!)


Eine Politik, die den demografischen Herausforderun-
gen vorbeugt, kostet Geld . Dafür brauchen wir eine Um-
verteilung von oben nach unten und eine Rückkehr zur
paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung . Es
geht um die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts
und der Solidarität .

Ein Alltag ohne soziale Demütigung – das ist das
Grundrecht aller, ausnahmslos .

Das hat Regine Hildebrandt mal gesagt . Sie war eine klu-
ge Frau .


(Beifall bei der LINKEN)


Diese schlichte Wahrheit sollte die Bundesregierung
und sollten insbesondere die Sozialdemokratinnen und
-demokraten zum Maßstab ihres Handelns machen . Dann
können die Menschen auch in Deutschland wieder glück-
lich sein .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)


Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822603600

Petra Crone ist die nächste Rednerin für die SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1822603700

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir spre-
chen heute über das Thema „Demografischer Wandel in
Deutschland“ . Warum? Für die Politik gilt, schnell zu re-
agieren, wenn ein Thema akut wird. Der demografische
Wandel eignet sich dafür nicht . Er ist wie auch die Glo-
balisierung ein stetiger Prozess, der uns, die Politik, auch
stetig fordert . Deshalb dürfen wir eine muntere Debatte
nicht vernachlässigen, und deshalb kann keine Bilanz
vollständig sein .

Klar ist doch: Wir werden älter, weniger und bunter,
und diese demografische Entwicklung in unserem Land
können wir nicht stoppen oder umkehren . Unsere Auf-
gabe ist die Gestaltung der Auswirkungen . Welche Fak-
toren machen das Leben in unserem Land lebenswert?
Wie gestalten wir die Zukunft für unsere Nachfahren?
In diesem tiefgreifenden Prozess, der Auswirkungen auf
Kinder und Enkel hat, brauchen wir Mut für Innovatio-
nen und unbequeme Diskussionen .


(Beifall bei der SPD)


Gerade wurde der Kinder- und Jugendmonitor öffent-
lich diskutiert . Fast jedes vierte Kind ist von Armut be-
droht . Das macht mich fassungslos, immer noch und im-
mer mehr . Unser Land ist reich, unser Land ist vielfältig .
Und die Strukturen sind dennoch ungerecht? Wie wollen
wir das ändern?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung ist der
Schlüssel für Qualifikation, für Teilhabe am beruflichen,
politischen und gesellschaftlichen Leben in jedem Alter .


(Beifall der Abg . Gabriele Katzmarek [SPD])


Lassen Sie uns endlich das unsinnige Kooperationsver-
bot aufheben .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Bravo!)


Es steht der Chancengleichheit entgegen und damit auch
der Fachkräftesicherung . Es gehen Potenziale verloren .

Wir wollen Kinder und Jugendliche stärken, sie für
ein selbstbestimmtes Leben fit machen, ihnen Perspek-
tiven bieten und Teilhabe ermöglichen . Das Gleiche gilt
für Familien bzw . die sogenannte Sandwich-Generation .
Dafür haben wir in dieser Legislaturperiode einiges auf
den Weg gebracht. Wir haben das Elterngeld flexibler ge-
staltet, den Kitaausbau vorangetrieben, pflegende Ange-
hörige entlastet und vieles mehr .

Ältere Menschen sprechen wir durch mehr Bildungs-
angebote für Senioren an, durch einen flexibleren Über-
gang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, und wir er-
höhen die Renten . Zudem fördern wir seit Jahren den
Austausch der Generationen und die Integration in unse-
ren 550 Mehrgenerationenhäusern .

Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir müssen auch die
Nachbarn, ob nah oder fern, im Blick haben . Wir sind ein
starkes Land, und es gibt keine Ausreden, nicht Maßstab
im Umgang mit Menschen auf der Flucht zu sein .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich gebe den Kollegen und Kolleginnen von den Bünd-
nisgrünen recht: Wir haben die Debatte um eine Einwan-
derungsgesellschaft im Zusammenhang mit dem demo-
grafischen Wandel bislang nicht ausreichend geführt,
obwohl die SPD-Bundestagsfraktion seit langem ein
Einwanderungsgesetz fordert .


(Beifall bei der SPD)


Diesen Fokus müssen wir verschärfen, auch um die Feh-
ler der Integration nicht zu wiederholen . Das geht weit
über die Debatte hinaus, Fachkräfte für unsere Wirtschaft
anwerben zu müssen .

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an all die
freiwilligen Helferinnen und Helfer, die sich der Ein-
zelpersonen und -schicksale annehmen . Sie leisten seit
vielen Monaten schier Unglaubliches . Dank sei auch den
vielen Feuerwehrleuten, dem THW, den vielen Ehren-
amtlichen beim Bürgerbus, den Kirchen, der AWO und
dem DRK usw .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Denn machen wir uns nichts vor, liebe Kolleginnen und
Kollegen: Die eigentliche Aufgabe stellt sich in unseren
Wahlkreisen; dort wird die große Leistung erbracht .

Im Siebten Altenbericht, der die Rolle der Kommunen
in der alternden Gesellschaft beleuchtet, stehen Anregun-
gen, Kritik und Handlungsempfehlungen, weil alle Kom-
munen betroffen sind, egal ob Stadt oder Land, Nord,
Süd, Ost oder West, arm oder reich . Sie alle sind mit den
Auswirkungen des demografischen Wandels zuerst kon-
frontiert. Sie finden vielfach kreative praxistaugliche Lö-
sungen. Das wird mit dem Programm „Demografiewerk-
statt Kommunen“ vom Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend gut unterstützt .

Die Kommunen sind immer mehr gefordert . Sie müs-
sen eine Infrastruktur schaffen für Betreuung, Pflege,
Teilhabe, Bildung, Integration, Wohnen und Mobilität .
Sie müssen lokale Akteure vernetzen . Sie müssen darauf
achten, dass diese Aufgaben gerecht zwischen Männern
und Frauen aufgeteilt werden und soziale Benachteili-
gungen ausgeglichen werden. Das alles muss finanziert
werden . Die SPD-Bundestagsfraktion steht an der Seite
der Kommunen . Das haben wir in den vergangenen Jah-
ren vielfach – und vielfach erfolgreich – unter Beweis
gestellt .


(Beifall bei der SPD)


Das gilt auch für die Zukunft .

Es geht um die Ausgestaltung des Zusammenlebens
in Deutschland – um nicht weniger . Deshalb müssen wir
externe Partner ins Boot holen und unsere Erfahrungen
teilen . Deshalb war es mir als Sprecherin der SPD-Ar-






(A) (C)



(B) (D)


beitsgruppe Demografischer Wandel auch ganz wichtig,
die Arbeit von Franz Müntefering weiterzuführen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ja, der hat uns die Rente ab 67 eingebrockt! Das war nicht gut!)


Hierbei ist uns der Kontakt zur Zivilgesellschaft und zur
Wissenschaft stets wichtig . Deshalb weckt es mein Inte-
resse, dass die Bertelsmann-Stiftung erste Überlegungen
zur Einführung eines Staatsfonds in Deutschland vor-
gestellt hat. Die Idee: Ein konkretes Ziel wird definiert,
und staatliches Vermögen wird aufgebaut, am Kapital-
markt investiert, um dann etwa Pensionslasten in Zeiten
des demografischen Wandels nicht allein den künftigen
Steuerzahlern zu überlassen . Auch für mich klingt das
erst einmal ungewohnt; aber ich wünsche mir, dass wir
hier im Parlament über solche Vorschläge ergebnisoffen
diskutieren . Näher sind mir die Vorschläge der Fried-
rich-Ebert-Stiftung für eine regionale Daseinsvorsorge
als Gemeinschaftsaufgabe . Ganz nah ist mir meine Idee
eines Demografie-Solis.

Die Herausforderungen des demografischen Wandels
müssen die Kommunen bewältigen, auch finanziell. Die
schwarze Null ist zwar wichtig, aber wir müssen da in-
vestieren . Daten und Fakten liegen auf dem Tisch, sind
rauf und runter diskutiert worden . Es ist Zeit, Zukunfts-
strategien zu entwickeln . Das hat uns als Gesellschaft in
den letzten Jahrzehnten gutgetan .

Ich danke fürs Zuhören .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822603800

Das Wort erhält nun die Kollegin Doris Wagner für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822603900

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Immer, wenn jemand die Demografie-
strategie der Bundesregierung erwähnt, frage ich mich:
Welche Demografiestrategie? Ich sehe da keine zukunfts-
orientierte Strategie .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da müssen Sie mal genauer hingucken! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Einfach mal lesen!)


Selbst der Demografiegipfel letzte Woche konnte nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung ei-
gentlich gar keine Vision von der Gestaltung der demo-
grafischen Entwicklung hat.

Ich muss sagen: Fast genauso schlimm ist die Tat-
sache, dass Sie in den Demografie-AGen die geballte
Kompetenz zusammengeholt haben und dann das Po-
tenzial und die Ressourcen dieser Leute weitestgehend
verschenkt haben . Ich selbst war Mitglied in der AG „Ju-
gend gestaltet Zukunft“ . Viele ambitionierte Ideen sind
da durch Konsenszwang der beteiligten Bundesministe-
rien schlichtweg zerrieben worden . Selbst ein einfacher
Prüfauftrag zur Senkung des Wahlalters wurde durch ein
Veto – ich wiederhole das: ein Veto – des Bundesinnen-
ministeriums aus dem Abschlussbericht verbannt . Das

muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen .
Das ist beim besten Willen kein ernstgemeintes Beteili-
gungsverfahren . Das ist schlicht und ergreifend Blend-
werk .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In Ihrer Bilanz haben Sie fleißig Maßnahmen aus den
unterschiedlichen Ressorts zusammengetragen . Aber ich
muss Ihnen sagen: Mir fehlt da ein roter Faden . Ein über-
geordnetes Ziel ist nicht zu erkennen .

Aus dem demografischen Wandel ergibt sich erhebli-
cher Handlungsdruck . Das ist ein politischer Hebel, der
sich geradezu aufdrängt, ein Hebel, den wir nutzen kön-
nen, um unsere Gesellschaft zu modernisieren . Sie lassen
ihn praktisch ungenutzt .

Wie kommen wir von der Willkommenskultur zu ei-
nem wirklichen Einwanderungsland? Ich danke Ihnen
für die Zustimmung, Frau Kollegin Crone . Wie ermög-
lichen wir Menschen im Alter barrierefreies Wohnen,
selbstbestimmte Mobilität und gute Pflege? Wie errei-
chen wir endlich Gleichstellung der Geschlechter? Wie
können wir Kinder und Jugendliche besser an unseren
Entscheidungen beteiligen? Ein Blick in unsere grüne
Demografiestrategie hätte Ihnen weitergeholfen, all diese
Fragen zu beantworten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bleiben wir einen Moment bei den Kindern und Ju-
gendlichen . Diese müssen wir schon heute in Zukunfts-
entscheidungen einbinden . Damit meine ich echte Par-
tizipation und nicht, wie man beim Demografiegipfel
gesehen hat, ihnen gerade noch zu erlauben, vorab akri-
bisch geprüfte Tafeln mit Forderungen durch die Gänge
tragen zu lassen . Das ist nicht das, was ich mir vorstelle .
Ich weiß gar nicht, wovor Sie sich fürchten? Haben Sie
doch Vertrauen in die jungen Leute! Schließlich sind sie
Expertinnen und Experten in eigener Sache .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Konkret heißt das für uns Grüne, endlich das Wahlalter
auf 16 Jahre abzusenken, die Kinderrechte im Grundge-
setz zu stärken, einen nationalen Aktionsplan für Kinder-
und Jugendbeteiligung aufzulegen und Beteiligung zum
Leitprinzip in allen Bildungseinrichtungen zu machen .

Sehen wir uns ein anderes Thema an, die Gleichstel-
lung – in Ihrer Demografiestrategie weitestgehend eine
Leerstelle. Dabei muss Demografiepolitik doch immer
auch Gleichstellungspolitik sein; denn ohne Frauen geht
es nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


In Sachen Gleichstellung bewegt sich die Bundesregie-
rung in Trippelschritten und erreicht nicht einmal alle
Frauen . Viele Frauen möchten mehr arbeiten . Obwohl im
Koalitionsvertrag angekündigt, gibt es noch immer kein
Rückkehrrecht in Vollzeit . Das Gleiche gilt für das Fa-
m
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1822604000
Es gibt immer mehr Frauen, die
arbeiten . Aber das auf sie entfallende Volumen hat sich

Petra Crone






(A) (C)



(B) (D)


praktisch nicht verändert . Das gehört auch zur Wahrheit
und muss einmal gesagt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Niedrige Löhne, eine hohe Teilzeitquote, Erwerb-
sunterbrechungen und Minijobs, all das führt dazu, dass
eine Rentenkluft von 57 Prozent – ich betone: 57 Pro-
zent – zwischen den Geschlechtern besteht . Dadurch ist
Altersarmut meistens weiblich . Hier müssen Gleichstel-
lungs- und Demografiepolitik ansetzen, und dabei muss
der gesamte Lebensverlauf berücksichtigt werden .

Stattdessen lässt die Bundesregierung die Hürden für
wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen praktisch
unangetastet . Dabei liegen die Lösungen doch auf der
Hand: weg mit Negativanreizen wie Ehegattensplitting
und Minijob, Verabschiedung eines wirklich wirkungs-
vollen Entgeltgleichheitsgesetzes, damit gleicher Lohn
für gleiche und gleichwertige Arbeit keine hohle Phrase
mehr bleibt, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
für Männer und Frauen – dafür müssen Kinderbetreuung
und Ganztagsschulen quantitativ und qualitativ ausge-
baut werden – und Rückkehrrecht in Vollzeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Werte Kolleginnen und Kollegen, nachhaltige De-
mografiepolitik heißt für uns Grüne, allen Generationen
gleichermaßen ein gutes Leben zu ermöglichen . Neben
den jungen Menschen betrifft das natürlich auch die Äl-
teren, eine Bevölkerungsgruppe, die stetig wächst . Als
Demografiepolitikerin, aber auch ganz persönlich ist
mein Ziel ein selbstbestimmtes Leben im Alter .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wohnen, Mobilität und Pflege sind da ganz zentrale The-
men .

Wir wissen doch: Die Menschen möchten so lange
wie möglich in den gewohnten vier Wänden bleiben . Da-
rin sollten wir sie unterstützen, indem wir altersgerechtes
Wohnen fördern . Für das KfW-Programm „Altersgerecht
Umbauen“ wird dringend mehr Geld benötigt, um den
tatsächlichen Bedarf zu decken .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiteres Finanzierungsinstrument, um diesem
Wunsch gerecht zu werden, ist unser Bewegungsfrei-
heitsbonus . Das ist ein Zuschuss für den Abbau von Bar-
rieren in Wohnungen und im Wohnumfeld .

Lassen Sie mich auf die Mobilität zu sprechen kom-
men . Auch im Alter möchten sich die Menschen doch
selbstbestimmt von A nach B bewegen können . Dazu
bedarf es einer barrierefreien Umgebung . Das reicht von
Gehwegabsenkungen an Kreuzungen über akustische
und optische Hilfen bis hin zu taktilen Leitsystemen .
Das gilt für die ländlichen Regionen genauso wie für die
Städte .

Auch wenn Menschen pflegebedürftig sind, haben sie
ein Recht darauf, selbstbestimmt entscheiden zu können .
Das können wir ermöglichen, indem wir einen Anspruch
auf individuelles Fallmanagement festschreiben, Sach-

leistungsansprüche in ein Pflegebudget umwandeln und
Kommunen mehr Kompetenzen und finanzielle Unter-
stützung bei der Pflegeberatung, -planung und -steuerung
gewähren .

Unsere Gesellschaft wird aber nicht nur älter, sie wird
auch bunter . Einwanderung ist eine kulturelle Bereiche-
rung für unser Land und bietet die Chance, dem drohen-
den Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen . Nun ist
aber das deutsche Einwanderungsrecht viel zu kompli-
ziert und bürokratisch . Es geht an den Bedarfen vorbei .
Deutschland muss als Einwanderungsland attraktiver
werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht! Schauen Sie mal ins Aufenthaltsgesetz! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Das stimmt auch nicht!)


Dazu brauchen wir ein potenzialorientiertes Einwande-
rungsgesetz . Über ein Punktesystem holen wir gut qua-
lifizierte Fachkräfte zur Arbeitsplatzsuche nach Deutsch-
land .

Neben einem solchen modernen Einwanderungsge-
setz brauchen wir aber auch dringend ein Integrations-
gesetz, das diesen Namen verdient . Damit Integration
wirklich funktioniert, brauchen wir eine bundesweite
Bildungsoffensive, die allen Kindern, unabhängig von
ihrer kulturellen, aber auch von ihrer sozialen Herkunft,
echte Chancen einräumt . In den letzten Jahren sind viele
Menschen nach Deutschland zu kommen, um Schutz vor
Krieg und Krisen zu finden. Diese Menschen benötigen
echte Integrationsangebote und eine sichere Zukunfts-
perspektive statt Misstrauen und Vorbehalte .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, eine ganzheitliche De-
mografiepolitik betrachtet Vielfalt als Chance für unser
Land und Integration als zentrale gesellschaftspolitische
Aufgabe . Um diesen Grundsatz institutionell zu veran-
kern, fordern wir ein eigenes Bundesministerium für
Migration und Integration. So geht Demografiepolitik –
konsistent und nachhaltig!

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822604100

Michael Frieser hat nun das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1822604200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich bedanke mich am Anfang für die Tatsache,
dass man die demografiepolitische Bilanz der Bundes-
regierung auch einmal in einer Debatte behandeln kann .
Manchmal verschwindet sie etwas aus den Augen des
Parlamentes . Ich kann nur sagen: Wer eine Strategie der
Regierung hinterfragt, der sollte sie einmal lesen . Das ist
wirklich ein interessantes Werk, insbesondere weil der

Doris Wagner






(A) (C)



(B) (D)


Begriff „Bilanz“ draufsteht . In einer Legislaturperiode
geht es nämlich immer auch darum, einen Strich zu zie-
hen .

Es hilft nichts – das vielleicht auch an die Adresse der
Vorrednerin –, durch das gesamte Sozialrecht zu mäan-
dern und einen Forderungskatalog darüber aufzustellen,
was in dieser Welt alles wünschenswert wäre . Hinter
vielem davon könnte ich einen Haken oder ein Ausrufe-
zeichen – vielleicht nicht unbedingt ein grünes – setzen .
Sie sagen aber kein Wort dazu, wie das ohne zusätzliche
Belastungen für eine geringer werdende nachwachsende
Generation finanziert werden soll,


(Beifall bei der CDU/CSU)


keinen Satz zu der nachfolgenden Generation, die diese
Lasten tragen muss – darüber sind wir uns ja, wenn es
um das Thema Demografie geht, einig – und die immer
kleiner wird, sodass sich das Verhältnis verändert .

Auf der einen Seite sind wir manchmal in dem Mo-
dus, zu sagen, der demografische Wandel sei die Bedro-
hung, und es wird ängstlich gefragt: Um Gottes willen,
was kommt da auf uns zu? Seit nahezu 20 Jahren hören
wir die fürchterlichsten Aussichten . Auf der anderen Sei-
te heißt es in den letzten zwei Jahren beim Thema „Zu-
wanderung durch Flüchtlinge“: Entwarnung! Jetzt gibt es
überhaupt keine Probleme mehr .

Wir haben in dieser Debatte sehr viel zum Thema Zu-
wanderung gehört . Die Frage, ob das deutsche Zuwan-
derungs- bzw . Einwanderungsrecht kompliziert ist, war
noch nie ein gutes Maß für die Orientierung . Es kann
aber effizient sein. Ich bin sofort bereit, über Einwan-
derung bzw . Zuwanderung zu reden, wenn diese Gesell-
schaft bereit ist, über die Frage zu diskutieren, wen wir
im Hinblick auf den demografischen Wandel gebrauchen
können, wer tatsächlich ein Zuwachs für uns ist, wer un-
sere Systeme und unsere Gesellschaft unterstützt und ei-
nen ganz wesentlichen Beitrag dazu leistet . Nein, durch
Zuwanderung werden die Fragen des demografischen
Wandels nicht automatisch beantwortet; denn Zuwan-
derung bedeutet nicht gleichzeitig Stabilität der Siche-
rungssysteme . Was wir brauchen, ist eine Zuwanderung
in Arbeit, nicht eine Zuwanderung ins Arbeitsamt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Es wäre viel wichtiger, die Arbeitgeber würden wieder ordentlich in die Rente einzahlen! Das wäre viel wichtiger!)


Deshalb ist es entscheidend, dass wir dafür die Regeln
setzen .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie das doch! Sie regieren doch!)


Ich danke Herrn Staatssekretär Schröder; denn er hat
darauf hingewiesen, dass wir definiert haben, was wir
und diese Regierung in 13 Handlungsfeldern auf den
Weg gebracht haben . Diese 122 Maßnahmen haben nur
ein Ziel, nämlich ein längeres, gesünderes, attraktiveres
und aktiveres Leben zu ermöglichen, ohne in irgendeiner

Art und Weise hinsichtlich derer, die nach uns kommen,
mit dem sogenannten Tür-zu-Effekt zu reagieren .

Im Augenblick liegen viele Vorschläge auf dem Tisch .
Das Schleifen der dämpfenden Rentenfaktoren aber ist
nicht dazu geeignet, dieses Bild auch nur annähernd auf-
rechtzuerhalten . Es geht nicht darum, die Räder zurück-
zudrehen; denn alles, was wir zurückdrehen, muss am
Ende des Tages jemand bezahlen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822604300

Herr Kollege Frieser .


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1822604400

Herr Präsident, ich habe Sie kaum an Ihrer Stimme

erkannt .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1822604500

Wir haben uns ja noch verständigt . – Ich wollte Sie

schlicht fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen .


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1822604600

Der Kollege hat stimmlich laut schon sehr auf sich

aufmerksam gemacht, sodass ich ihm die Gelegenheit
geben will, dies jetzt mit Mikrofon zu tun .


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822604700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kol-

lege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen . –
Herr Kollege Frieser, Sie haben eben gesagt, wir müssten
die Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel
so erhalten . Sie heißen zwar Dämpfungsfaktoren, füh-
ren aber in Wirklichkeit dazu, dass die Erhöhungen der
Renten der Rentnerinnen und Rentner im Verhältnis zu
dem Anstieg der Löhne der aktiven Erwerbstätigengene-
ration gekürzt werden . Das muss man immer dazusagen .
Sie haben mit keinem Wort begründet, warum diese Kür-
zung aufgrund des demografischen Wandels notwendig
sein sollte .

Ich frage Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
men, dass es angesichts des demografischen Wandels viel
wichtiger ist, dass die Menschen gute Löhne und später
gute Renten haben und die älteren Menschen in Zukunft
nicht in Altersarmut leben müssen, und dass es für die
Finanzierung einer guten Rente viel wichtiger ist, dass
die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wieder die Hälfte
der gesamten Alterssicherungskosten tragen?

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass schon
ein Mehrbeitrag von 33 Euro im Monat pro Arbeitneh-
merin/Arbeitnehmer und pro Arbeitgeberin/Arbeitgeber
bei einem durchschnittlichen Verdienst von 3 022 Euro
ausreichen würde, um das Rentenniveau von 48,2 wieder
auf 53 Prozent anzuheben? Dies wäre bis zum Jahr 2029
möglich . Das rechne ich Ihnen aus Zeitgründen nicht
vor, –


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1822604800

Das ist nett .

Michael Frieser






(A) (C)



(B) (D)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822604900

– weil mir sonst die Frau Präsidentin sagt, dass das

nicht ginge . Aber rechnerisch geht das . Nehmen Sie das
zur Kenntnis? Sind Sie auch bereit, zuzugeben, dass es
für eine vernünftige Alterssicherung viel wichtiger ist,
dass die Produktivitätsentwicklung und das Wirtschafts-
wachstum gut vorankommen, als nur das Verhältnis von
Rentnern zu Beschäftigten?


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1822605000

Sehen Sie, Herr Kollege, meine Bereitschaft zur

Kenntnisnahme ist nahezu unbegrenzt . Sie ist aber vor
allem der Wahrheit verpflichtet. Wenn Sie den Ausgang
dieses Redebeitrags abgewartet hätten, dann hätten wir
über diese Frage schön reden können .

Ich darf auf Folgendes hinweisen: Wir werden bei
Menschen, die im Produktionsprozess stehen und die
tatsächlich ein Leben lang gearbeitet haben, dafür sor-
gen, dass sie für die Gesellschaft auch im Alter einen
produktiven Beitrag leisten, was der Tatsache geschuldet
ist, dass die Menschen erstens länger und zweitens ge-
sünder leben . Wenn wir auf alle dämpfenden Faktoren
verzichten würden, würden wir diesen Menschen einen
Bärendienst erweisen .

Ich darf auf der anderen Seite darauf hinweisen, dass
unsere Anstrengungen, die Arbeitswelt beim Thema „Ar-
beit 4 .0“ zu gestalten, genau darauf gerichtet sind . Dazu
gehört auch das Thema, nicht nur junge Menschen in Ar-
beit zu bringen . Wir stellen uns immer den Dachdecker
vor, der 40 Jahre lang körperlich hart gearbeitet hat und
am Ende seines Arbeitslebens natürlich nicht in der Lage
ist, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten . Aber
die Welt hat sich doch geändert .

Nehmen Sie daher bitte zur Kenntnis, dass die Welt
sich insofern geändert hat, dass die Menschen länger
arbeiten können, dass die Digitalisierung ihren Beitrag
dazu leisten kann und dass sich das natürlich auf irgend-
eine Art und Weise in der Rente auswirken muss .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau die-
ser Punkt ist entscheidend . Menschen werden älter . Sie
leben gesünder . Sie werden länger leben . Sie sollen ei-
nen aktiven Ruhestand haben . Das kommt aber nicht von
selbst, wenn wir diesen demografischen Wandel nicht zu
gestalten wissen . Deshalb steht in der Überschrift: „Jedes
Alter zählt“ .

Das Thema „demografischer Wandel“ beschäftigt sich
nicht nur mit den gesünderen, älteren und produktiver-
en Menschen, die in einem Unruhestand leben, sondern
es beschäftigt sich auch mit den Menschen, die in dieser
Gesellschaft die Lasten zu tragen haben . Deshalb ist es
entscheidend, dass wir uns die Frage stellen: Wie gehen
wir damit um, und wie halten wir Menschen in ihrem
Arbeitsleben fit? Es reicht nicht mehr, den Menschen zu
sagen: Macht einmal für drei Tage oder eine Woche einen
Workshop . – Es kommt darauf an, dass wir die Rahmen-
bedingungen setzen, damit Menschen für ein Semester

oder ein Trimester aus ihrem Arbeitsleben herausgehen,
um neu zu lernen und ihren Beruf besser zu verstehen .

Das wird aber nicht dadurch funktionieren, indem wir
die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängern und
sagen: Staat, mach du das . Das Arbeitslosengeld wird
dann 48 Monate gezahlt, und wir schmücken das Ganze
noch mit ein bisschen Qualifizierung aus. – Wir müssen
vielmehr zusammen mit den kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen die Menschen in die Lage versetzen,
dass sie mit ihrem Arbeitgeber ihren Arbeitsplatz neu er-
leben und auch altersgerecht gestalten können . Das kann
die Digitalisierung und die Arbeit 4 .0 leisten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Insofern, glaube ich, ist unser Ansatzpunkt genau
richtig . Wir können dieses Thema nicht alleine den Kom-
munen überlassen und erklären: Wir heben das Koope-
rationsverbot im Zusammenhang mit Qualifizierung und
Bildung auf . – Dagegen wird man als geborener Födera-
list natürlich Vorbehalte haben . Wir haben vieles getan,
was mit Blick auf die Kommunen nicht ausschließlich
in die Zuständigkeit des Bundes fällt . Ich weise nur auf
die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im
Alter hin .

Entscheidend ist, die Rahmenbedingungen zu setzen .
Ein wichtiger Aspekt beim demografischen Wandel ist
die Unterstützung für kinderreiche Familien . Wenn wir
über das Thema „Wohnungen und Bauen“ reden, dann
reden wir immer mit Blick auf die Ballungsräume . Wir
reden immer darüber, wo es extrem schwierig ist . Ja, es
ist schwierig für eine Familie mit drei Kindern, in Mün-
chen, in Frankfurt, in Hamburg eine Wohnung zu finden.
Welche Überraschung!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nein, es geht darum, dass große Landstriche in die-
sem Land durchaus zu mehr in der Lage wären, wenn wir
sie denn in die Lage versetzen . Das heißt, sozialer Woh-
nungsbau darf nicht nur ballungsraumgebunden sein .
Flächenentwicklung darf nicht nur an den Rändern von
Ballungsräumen stattfinden. Digitalisierung beinhaltet
auch Stabilisierung der ländlichen Räume, nämlich ar-
beitsplatzungebunden und nicht nur in der Stadt, sondern
auch draußen durch die Ausweisung der richtigen Bau-
landflächen und das Senken der Erwerbskosten. Alle, die
hier schreien: „Wir müssen Bauen und Wohnen auch für
große Familien etwas günstiger machen“, sollen einmal
in ihren eigenen Ländern nach den Grunderwerbskosten
schauen . Die sind nämlich dort überall doppelt so hoch,
wo man danach ruft, dass man große Familien wirklich
ansiedeln möchte .

Also, wir haben es in der Hand . Wir haben es bei der
Frage des demografischen Wandels tatsächlich in der
Hand, den Menschen keine Angst zu machen und keine
Ängste zu schüren, sondern in unserem Bereich jeweils
dafür zu sorgen, dass wir diesen demografischen Wandel
wirklich stärken und vor allem gestalten . Wir gestalten
ihn, indem wir die Menschen fit darin halten, mit Spaß
ihr Leben, ihre Arbeitswelt neu zu erfinden und neu zu
gestalten . Damit geraten diese Menschen nicht langsam
auf ein Abstellgleis, sondern können in ihrem längeren,






(A) (C)



(B) (D)


gesünderen, aktiveren Ruhestand auch noch einen Bei-
trag für diese Gesellschaft leisten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822605100

Als nächste Rednerin hat Susanna Karawanskij für die

Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822605200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und

Kolleginnen! Liebe Gäste! Demografie ist so eine Sache.
Sie ist nichts Abstraktes, man kann sich ihr nicht entzie-
hen . Sie geht uns alle an; denn sie umfasst im Prinzip
unser Zusammenleben . Im Prinzip ist es eine Bevölke-
rungsentwicklung, die uns alle trifft . Wie gesagt, man
kann sich ihr nicht entziehen .

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung,
Sie schreiben allerhand zusammen in Ihrem Bericht . Sie
loben sich vor allen Dingen selbst, und auf Seite 20 be-
ginnt ein leider sehr kleines und kurzes Kapitel, aber es
ist nicht unerheblich . Es heißt: „Gleichwertige regionale
Lebensverhältnisse“ . Da bringen Sie es erstaunlicherwei-
se kritisch auf den Punkt . Dort heißt es sinngemäß: Inner-
halb Deutschlands bestehen erhebliche Ungleichheiten
auf drei Gebieten: bei den Einkommens- und Beschäfti-
gungsmöglichkeiten, bei der Sicherung der Mobilität und
beim Zugang zu den Angeboten der Daseinsvorsorge .
Strukturschwächere Regionen verlieren jüngere und vor
allen Dingen auch gebildete junge Menschen .

Aber Sie verlieren kein einziges Wort darüber, auf
welche Regionen das in unserer Bundesrepublik vor al-
len Dingen zutrifft, nämlich auf den Osten .

Es ist völlig unumstritten, dass es auch im Westen Regi-
onen gibt, die schwächer, die strukturschwach und ab-
gehängt sind . Wenn man sich aber die Deutschlandkarte
mit Blick auf die Strukturdaten anschaut, egal ob es um
Arbeit, um Arbeitslosigkeit oder zum Beispiel die Höhe
des Privatvermögens oder der Armut geht, dann sehe ich
immer noch die alte Karte der DDR . Ehrlich gesagt, wir
haben immer noch eine gespaltene Bundesrepublik, die
vor allen Dingen sozial gespalten ist . Deswegen setzen
wir uns als Linke nach wie vor dafür ein, dass es eine
bundesweite Offensive gibt zur Herstellung gleichwerti-
ger Lebensverhältnisse in Ost und West .


(Beifall bei der LINKEN)


Fakt ist, dass es in über einem Vierteljahrhundert nach
der deutschen Einheit immer noch nicht gelungen ist,
diese gleichwertigen Lebensverhältnisse zu etablieren .
Die Arbeitslosenquote ist immer noch wesentlich höher .
Die Ostlöhne liegen bei 79 Prozent des Westniveaus, und
der Anteil der prekär Beschäftigten ist im Osten immer
noch höher – trotz Arbeit .

Wenn ich mir das Rentenrecht anschaue, dann wird
das Problem Altersarmut eigentlich in meine Generati-
on weitertransportiert . Wir brauchen weiterhin eine Um-

rechnung der Ostlöhne, bis die Entgelte und Löhne der
Generation derjenigen, die jetzt arbeiten, also meine Ge-
neration, die damit wirklich gar nichts mehr am Hut hat,
gleich bzw . annähernd gleich auf Westniveau sind .

Ich erwarte von einer Demografiebilanz ehrlich ge-
sagt mehr als nur eine Analyse der Bundesregierung .
Dies sage ich auch vor dem Hintergrund, dass ich aus
einem Wahlkreis in Nordsachsen komme . Dieser ist vor
allem ländlich geprägt . Hier gibt es große strukturelle
Unterschiede zu der Stadt . Leipzig liegt in der Nähe .
Nordsachsen hat vor allem ländliche Strukturen . Ich er-
warte vor allem, dass Sie es uns erklären und Vorschläge
unterbreiten, wie wir das denn lösen sollen . Ich möchte
wissen und erklärt bekommen, was getan wird . Es geht
nicht nur um die Analyse, sondern darum, was Sie zu tun
gedenken . Es geht auch um die Frage, ob sich die Men-
schen darauf einrichten sollen, dass nichts getan wird,
oder ob jetzt tatsächlich Hoffnung geschöpft werden
kann und eine neue Situation eintritt .

Sie verlieren leider auch kein Wort darüber, wie Sie
zum Beispiel in der Frage der Pflege weiter vorzugehen
gedenken bzw . ob Sie Vorschläge unterbreiten werden .
Es ist doch krass, dass ein Viertel der Pflegebedürftigen
im Osten lebt . Das hat auch Auswirkungen darauf, dass
eine Pflegefachkraft im Osten weniger verdient als im
Westen . Das wird doch weitertransportiert . Ich muss als
Bundesregierung nicht die große Mathematik bemühen,
sondern nur eins und eins zusammenzählen, um zu er-
kennen, dass wir nicht nur jetzt, sondern stärker noch in
10 oder 20 Jahren vor Problemen stehen, deren Lösung
wir schon jetzt anpacken könnten . Ihr Ausblick füllt nur
eine halbe Seite. Das ist definitiv zu wenig.


(Beifall bei der LINKEN)


Fakt ist, dass eine weit auseinanderdriftende Schere
zwischen Arm und Reich oder eine regional stark unglei-
che Verteilung unserer Gesellschaft schaden . Wir werden
die Schere nur mit einer sozial gerechten Umverteilung
schließen . Gleichwertige Lebensverhältnisse und soziale
Gerechtigkeit sind keine Floskeln, und das ist auch kein
Selbstzweck, sondern das ist der Kitt unserer Gesell-
schaft . Wir als Linke werden weiterhin dafür kämpfen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822605300

Als nächster Redner hat Matthias Schmidt für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1822605400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren auf der Zuschauertribüne! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! „Houston, wir haben ein Problem!“: Dieser
berühmte Hilferuf der Apollo-13-Besatzung beschrieb
eine lebensbedrohliche Notsituation . Die Besatzung der
Apollo 13 fürchtete 1970, aufgrund eines technischen
Defekts nicht mehr zur Erde zurückkehren zu können .

Michael Frieser






(A) (C)



(B) (D)


Filmisch ist das übrigens von Tom Hanks und anderen
gut aufgearbeitet worden .

Unser demografisches Problem in Deutschland ist mit
Apollo 13 nicht zu vergleichen, und doch möchte man
ausrufen: „Berlin, wir haben ein Problem!“ Denn auch
dieses ist ein gewaltiges Problem, das die Bundesregie-
rung als unsere Bodenstation schon lange erkannt hat .
Die Bundesregierung hat uns mit der demografiepoliti-
schen Bilanz unter dem vielschichtigen Titel „Jedes Alter
zählt“ ein gutes Papier an die Hand gegeben, das zahl-
reiche überwiegend gesetzgeberische Maßnahmen gegen
den demografischen Wandel in unserem Land aufzählt.

Darüber, Herr Staatssekretär, ob die schwarze Null die
wichtigste Errungenschaft auf diesem Gebiet ist, kann
man vielleicht noch einmal intensiv nachdenken . Die
Probleme sind gewaltig: Von A wie Arztmangel bis Z wie
Zugverbindungen geht es um zahlreiche Belange unseres
Alltagslebens . Unsere Gesellschaft wird sich unter dem
Eindruck des demografischen Wandels verändern. Es ist
ein schleichender Prozess, der Jahre und Jahrzehnte in
Anspruch nimmt; aber er hat schon längst begonnen . Wir,
liebe Kolleginnen und Kollegen, sind in der Pflicht, die-
sen Wandel zu gestalten .

Schauen wir uns die Bilanz der Regierung an: Unter
Punkt 4 .4 geht es um „Zuwanderung und Integration von
Flüchtlingen“ . Diesem Thema kommt meines Erachtens
besondere gesellschaftliche Bedeutung zu . Auch hier
werden wir keine schnellen Lösungen erzielen können,
aber die Große Koalition hat erkannt: Sprache und Arbeit
sind die Schlüssel zur Integration . An dieser Stelle hat die
Große Koalition schon gehandelt .

Es ist sicherlich kein Zufall, dass unter Punkt 4 .5
„Fachkräftesicherung“ folgt . Auch hier erkennen wir auf
Anhieb, dass der demografische Wandel auch Chancen
beinhaltet . Wenn es uns gelingt, möglichst große Teile
der ersten, mindestens aber die zweite Generation der
Flüchtlinge komplett in unser Bildungs- und Ausbil-
dungssystem zu integrieren, dann werden wir dem Ar-
beitsmarkt Gutes tun und zugleich für ein „Selbstbe-
stimmtes Leben im Alter“ – siehe Punkt 4 .7 – sorgen .

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? So weit sind wir
noch nicht . Es gibt auch Dinge, die wir im Bund selbst
regeln können und für die der Bund selbst Verantwortung
trägt .

Damit komme ich zum Thema Demografie im öffent-
lichen Dienst . Das ist ein wichtiges Thema . Ein Blick
auf die Alterspyramide im öffentlichen Dienst zeigt: Es
ist keine Pyramide, die unten stark ist und eine schma-
le Spitze hat, sondern sie sieht eher aus wie ein Schnee-
mann aus zwei großen Ballons, der auch noch auf dem
Kopf steht . Der obere Ballon – das ist die Altersklas-
se 50 Jahre aufwärts – ist der stärkste im öffentlichen
Dienst . In der Mitte kommt eine schmale Taille . Das ist
die Gruppe der ungefähr 40-Jährigen, die so gut wie gar
nicht vorhanden sind . Eine kleinere Kugel repräsentiert
die 20- bis 30-Jährigen, die neu eingestellt wurden . Die-
se Alterspyramide wird quasi nach oben herauswachsen .
Die Babyboomer werden in Rente oder in Pension gehen .
Wir müssen schon heute durch eine kluge Einstellungs-

politik dafür sorgen, dass die dann entstehenden Lücken
geschlossen werden .

Hinzu kommt, dass wir derzeit im öffentlichen Dienst
einen Kardinalfehler begehen . Das ist die Befristung .
Wir wissen, dass junge Menschen in befristeten Arbeits-
verhältnissen nur selten Familien gründen . Diesen Men-
schen müssen wir Sicherheit geben, nicht nur im öffent-
lichen Dienst . Aber dort können wir mit gutem Beispiel
vorangehen . Insgesamt müssen wir auf dem Arbeitsmarkt
zu einer raschen Abschaffung der sachgrundlosen Befris-
tung kommen . Diese war hilfreich auf einem Arbeits-
markt, der von hoher Arbeitslosigkeit geprägt war . Aber
jetzt herrscht weithin Facharbeitermangel . Da braucht es
Befristungen nur in konkreten Einzelfällen, zum Beispiel
im Fall einer Schwangerschaftsvertretung . Lassen Sie
uns gemeinsam den Befristungsfehler schnellstmöglich
korrigieren .


(Beifall bei der SPD)


Insgesamt steht die Politik beim Thema Demogra-
fie vor vielen Handlungsfeldern und Problemen, die
gelöst werden wollen . Aber genauso wie Apollo 13 im
Jahr 1970 wohlbehalten zur Erde zurückgeholt werden
konnte, können wir die demografischen Probleme ange-
hen und lösen . Jetzt, da Apollo 13 gelandet ist, freue ich
mich auf die Ausschussberatungen .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822605500

Jetzt hat Astrid Timmermann-Fechter für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Astrid Timmermann-Fechter (CDU):
Rede ID: ID1822605600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Wohlstand und Lebensqualität für
unsere nachfolgenden Generationen, eine Gesellschaft,
die auch in Zukunft zusammenhält, in der jeder Einzelne
zählt und sich mit seinen Potenzialen einbringen kann,
egal ob jung oder alt, egal ob Mann oder Frau, egal ob
krank oder gesund, eine Gesellschaft, die auch in Zu-
kunft alters- und familienfreundlich ist – das sind unse-
re demografiepolitischen Ziele, an deren Erreichung wir
intensiv arbeiten . Das gilt insbesondere für den Bereich
der Familienpolitik; denn gerade eine vorausschauende
Familienpolitik ist für die Gestaltung des demografi-
schen Wandels grundlegend . Für uns als Union ist und
war schon immer von zentraler Bedeutung, Familien zu
stärken und finanziell zu entlasten. Familien benötigen
Freiheit und Flexibilität, um Familie und Beruf gut mit-
einander vereinbaren zu können . Diese Vereinbarkeit ist
eine wichtige Voraussetzung für die Gründung einer Fa-
milie und ermöglicht die partnerschaftliche Aufteilung
von Arbeit und familiären Aufgaben .

Seit zehn Jahren unterstützen wir mit dem Elterngeld
junge Eltern, die ihre Kinder nach der Geburt vorrangig
selbst betreuen wollen . Mit dem Elterngeld Plus haben
wir es zudem flexibler gestaltet. Das Elterngeld ist eine

Matthias Schmidt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


Erfolgsgeschichte . Es ist zielgenau und wird intensiv ge-
nutzt, bei steigendem Bedarf; denn die Geburtenzahlen
haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt .

Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ebenso
eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung von entscheiden-
der Bedeutung . Wir haben daher verstärkt in den Ausbau
von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahre inves-
tiert . Von 2008 bis 2016 stellte der Bund den Ländern
7,3 Milliarden Euro für Investitionen und Betriebskosten
zur Verfügung .

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik verfolgt
die Zielstellung, älteren Menschen auch in Zukunft ein
selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe
im Alter zu ermöglichen . Immer mehr Menschen errei-
chen bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit ein
höheres Lebensalter . Gleichzeitig steigt der Anteil der
Menschen, die pflegebedürftig sind. Die Mehrheit der
Seniorinnen und Senioren wünscht sich dabei, so lange
wie möglich zu Hause ein selbstbestimmtes Leben zu
führen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben .
Dies ist für uns Chance und Herausforderung zugleich,
eine Chance, da sich eine wachsende Anzahl an Seniorin-
nen und Senioren in die Gesellschaft einbringen möchte,
und eine Herausforderung, weil wir die entsprechenden
Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben und Teilha-
be im Alter erhalten, aber auch schaffen müssen . Hierzu
zählen insbesondere ein altersgerechtes und barrierear-
mes Wohnumfeld, Mobilität, soziale Dienstleistungen,
Prävention und Pflege.

Mit den Pflegestärkungsgesetzen haben wir die Pfle-
ge verbessert, gerechter gestaltet und für die Zukunft
gestärkt. Mit der Einrichtung des Pflegevorsorgefonds
tragen wir dabei einem möglichen erhöhten Pflegebedarf
der geburtenstarken Jahrgänge Rechnung und sorgen
damit für mehr Generationengerechtigkeit . Mit dem Ge-
setz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und
Beruf haben wir pflegende Angehörige gestärkt, indem
wir einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit und ei-
nen Anspruch auf Lohnersatzleistungen bei kurzfristigen
Pflegenotfällen eingeführt haben.

Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter ist darüber
hinaus das altersgerechte Wohnumfeld zentral . Daher
fördern wir den altersgerechten Umbau . Allein für 2017
stellen wir im Rahmen des KfW-Programms „Altersge-
recht Umbauen“ 75 Millionen Euro für den Barriereab-
bau bereit. Damit haben wir die finanziellen Mittel ge-
genüber 2016 um fast 26 Millionen Euro erhöht .

Ein besonderes Anliegen der Union war in dieser Le-
gislaturperiode auch die Verstetigung und Ausweitung
der Förderung der Mehrgenerationenhäuser . Wir haben
hierfür die Mittel erhöht, sodass 2017 eine Förderung
von rund 550 Häusern und damit fast 100 Häusern mehr
möglich wird .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der demogra-
fische Wandel gehört zu den größten Herausforderungen
unserer Zeit, eine Herausforderung, an der wir insbeson-
dere im Rahmen der Demografiestrategie arbeiten – für
eine alters- und familienfreundliche Gesellschaft, zum
Wohle unserer nachfolgenden Generationen .

Was den Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen zur
Partizipation und Selbstbestimmung älterer Menschen
betrifft, so habe ich in der ersten Debatte zum Antrag be-
reits deutlich gemacht: Viele Ihrer Forderungen sind be-
reits Bestandteil unserer Politik . Viele Ihrer Forderungen
fallen in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen .
Nicht zuletzt enthält Ihr Antrag viele finanzielle Forde-
rungen, jedoch keine entsprechenden Finanzierungsvor-
schläge . Aus diesen Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822605700

Als nächster Redner spricht Michael Groß für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1822605800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal freue ich
mich, nach Kollegin Timmermann-Fechter zu sprechen,
wenn ich das sagen darf, Frau Präsidentin, weil sie aus
dem schönen Marl kommt, dem nördlichen Ruhrgebiet .
Man kann es hierher schaffen; wie gesagt, meine Freude
ist sehr groß .

Ich habe den beiden Kollegen, dem Staatssekretär
Schröder und dem Kollegen Frieser, sehr gut zugehört .
Ich muss Ihnen sagen: Ich wundere mich immer über
Ihre Fixierung auf die schwarze Null . Sie betreiben die
Spaltung dieser Gesellschaft . Sie versuchen, zwischen
Alt und Jung einen Keil zu treiben . Sie müssen sich ein-
mal mit den Leuten vor Ort, mit Kindern, Jugendlichen
und meiner Familie unterhalten . Die sagen: Der Genera-
tionenvertrag steht . – Sie verstehen gar nicht die Diskus-
sion, die Sie hier führen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie verstehen nicht die Abkehr vom Generationenver-
trag und die Spaltung der Gesellschaft, wie das in Ihren
Formulierungen zum Ausdruck kommt . Ich glaube, wir
müssen in die Jugend investieren . Die höchste Priorität
darf nicht die schwarze Null sein,


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


sondern die Investitionen in die Städte, in die Schulen
und in die Kitas .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Genau das tun wir!)


Ihre Barriere führt doch dazu, dass wir den demogra-
fischen Wandel nicht meistern. Sie betreiben eine Politik,
die dazu führt, dass unsere Städte und Kommunen da-
von abhängig sind, selbst genug Geld zu erwirtschaften .
Ich sage Ihnen: Generationengerechtigkeit, das Leben in

Astrid Timmermann-Fechter






(A) (C)



(B) (D)


Städten und bezahlbares Wohnen dürfen kein Luxusgut
sein . Deswegen müssen wir investieren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte auf den Bereich „lebenswerte Städte und
Kommunen“ eingehen . Ich glaube, wir haben in dieser
Legislatur eine Menge geschafft . Wir haben eine Städ-
tebauförderung ermöglicht, die doppelt so viele Mittel
vorsieht wie in der letzten Legislatur . Fast 1 Milliarde
Euro haben wir etatisiert, um Städte zu unterstützen, ihre
Stadtteile zu entwickeln . Wir schaffen es durch die unter-
schiedlichen Städtebauprogramme, dass Innenstädte be-
lebt werden können, was zu Begegnungen führt . Immo-
bilien, in denen niemand mehr leben will und mit denen
spekuliert wird, können vom Markt genommen werden .
Wir sorgen dafür, dass die Menschen wieder in einer Ur-
banität leben können, in der die Wege kurz sind, in der
sie Arbeit und Wohnen miteinander verknüpfen können .

Das betrifft eben auch ältere Menschen, die heute zum
großen Teil in den Peripherien der großen Städte oder
in ländlichen Regionen wohnen . 25 Prozent der älteren
Menschen sagen: Die Wege sind mir zu weit. Ich finde
keinen Arzt. Ich finde keine Nahversorgung. – Wir ha-
ben es mit unserem Städtebauprogramm geschafft, dieser
Entwicklung entgegenzustehen .


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube, dass wir die Städte auch weiterhin unter-
stützen müssen . Die Städte haben in dieser Legislatur
von uns zusätzlich 20 Milliarden Euro bekommen . Wir
haben es ihnen ermöglicht, über die soziale Wohnraum-
förderung zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, insbe-
sondere bezahlbaren Wohnraum, auch in den Ballungs-
gebieten . Das ist ein Erfolgsmodell . NRW hat im letzten
Jahr 10 000 neue Wohnungen geschaffen, die soziale
Bindungen haben, und damit ist NRW deutscher Meister .


(Beifall bei der SPD)


Die Städte brauchen Geld, weil sie die Aufgabe meis-
tern müssen, integrative Stadtentwicklung zu betreiben .
Integrative Stadtentwicklung bedeutet – da möchte ich
gerne der Kollegin Wagner widersprechen –, dass die
Menschen vor Ort entscheiden können, wie ihre Stadt
zukünftig aussehen soll . Wir wollen sie, Alt und Jung, be-
teiligen, darüber zu diskutieren, mitzuentscheiden: Wie
soll mein Umfeld aussehen? Wie soll mein Grün in der
Stadt aussehen? Wie und wo will ich mich mit Menschen
treffen? Wie soll mein Lebensumfeld gestaltet werden?
Ich glaube, dass wir mit der Städtebauentwicklung dazu
den Städten ein gutes Instrument gegeben haben .

Wir brauchen Menschen, die sich in den Städten en-
gagieren . Wir müssen diejenigen belohnen, die sich ge-
meinwohlorientiert verhalten . Wir müssen diejenigen
belohnen, die sich neben bezahlbarem Wohnraum darum
kümmern: Wie sehen die Stadtteile aus? Wie sehen die
Quartiere aus? Wie sehen die Veedel aus, in denen wir
leben? Wir brauchen eine Unterstützung derjenigen, die
sich um die Stadtrendite kümmern .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822605900

Als letzte Rednerin in dieser Aussprache hat Barbara

Woltmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822606000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ja, der demografische Wandel betrifft sämtliche
Lebensbereiche . Frau Kollegin Karawanskij, das geht
uns alle an; da stimme ich Ihnen zu . Aber dann erschöpft
es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten .

Demografiepolitik ist eine Querschnittsaufgabe, der
wir uns alle stellen müssen . Ich bin froh, dass jetzt die
Bundesregierung auch diese Bilanz vorgelegt hat . Es ist
auch eine Daueraufgabe .

Mit Verlaub, Herr Kollege Groß, Sie haben gerade
Kritik daran geübt, dass wir zu sehr an der schwarzen
Null festhalten, haben in Ihrer Rede dann aber darauf
hingewiesen, dass wir mehr für den sozialen Wohnungs-
bau tun . Ich darf daran erinnern, dass wir 500 Millionen
Euro mehr pro Jahr in den sozialen Wohnungsbau gege-
ben haben . Ich glaube, sagen zu können, dass diese Bun-
desregierung noch nie so viel für Kommunen finanziell
getan hat . Wir nehmen Milliardenbeträge in die Hand,
um die Kommunen mit diversen Förderprogrammen zu
unterstützen . Ich denke an die 3,5 Milliarden Euro, die
wir in ein Sonderbauprogramm geben, und an diverse
andere Programme .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Da kann man sich hier doch nicht hinstellen und sagen,
wir täten nichts und wir hielten zu sehr an der schwarzen
Null fest. Ich finde, das ist nicht glaubwürdig. Ich kann
das nur zurückweisen . Wir können da auf eine gute Bi-
lanz zurückgreifen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822606100

Frau Woltmann, lassen Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Michael Groß zu?


Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822606200

Ja .


Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1822606300

Liebe Kollegin, haben Sie gestern die Veröffentli-

chung des Armuts- und Reichtumsberichts in Deutsch-
land wahrgenommen?


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Der ist doch noch gar nicht veröffentlicht!)


Sie haben ja lange versucht, diesen Bericht zu verhin-
dern . Aus ihm geht hervor, dass es in Deutschland viele
Menschen gibt, die abgehängt werden, dass 40 Prozent
der Menschen heute weniger Realeinkommen als 1995
haben .

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


Ich glaube, wir haben sehr viel erreicht; da haben Sie
Recht . Meine Frage an Sie: Sind Sie ernsthafterweise der
Meinung, dass die Städte, die Kommunen finanziell aus-
reichend ausgestattet sind, um die vielen Aufgaben, die
Sie gerade beschreiben, zu erfüllen?


Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822606400

Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Frage . – Ich habe

in der Presse vernommen, dass der Bericht jetzt vorge-
legt wird . Ich habe ihn noch nicht gelesen . Wir müssen
uns diese Dinge natürlich immer sehr genau anschauen .
Es gibt den Hinweis darauf, dass wir eine Menge Kinder
haben, die an der Armutsgrenze leben . Das ist ein Punkt,
zu dem ich persönlich sage: Das müssen wir uns sehr viel
genauer anschauen .


(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Sie müssen was machen!)


Wir haben mittlerweile aber sehr gute Rahmenbedin-
gungen; Gott sei Dank . Aufgrund der guten Wirtschafts-
politik, die wir in Deutschland machen, haben wir so
hohe Steuereinnahmen wie kaum jemals zuvor . Nicht nur
der Bund hat hohe und höhere Steuereinnahmen; auch
die Länder und die Kommunen haben höhere Steuerein-
nahmen . Es ist nicht gleich verteilt; das gebe ich zu .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Aber Nordrhein-Westfalen lässt seine Kommunen ausbluten!)


Aber man kann nicht in Abrede stellen, dass die Bun-
desregierung sehr viel Geld gerade auch für die Kommu-
nen zur Verfügung stellt, obwohl – das muss man hier
vielleicht auch mal sagen – die Länder für eine ausrei-
chende Finanzausstattung der Kommunen zuständig
sind .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte auch an die Finanzverhandlungen mit den
Bundesländern erinnern . Wir stellen das auf eine neue
Basis . Auch das haben wir im Plenum schon behandelt .
Das sind wichtige Dinge . Wir sagen: Wir wollen Länder
und Kommunen weiter mit finanziellen Mitteln ausstat-
ten . Am föderalen System – das ist doch wohl Konsens
hier – wollen wir aber festhalten . Insofern muss man im-
mer die Verantwortlichkeiten sehen .

Demografiepolitik ist ganz wichtig. Wir wissen, dass
die Alterspyramide auf dem Kopf steht . Gott sei Dank
steigen die Kinderzahlen wieder etwas an . Beim Ge-
burtsjahrgang 1968 lagen wir noch durchschnittlich bei
1,49 Kindern pro Frau, bei den Geburtsjahrgängen da-
nach schon bei 1,6 . Das reicht natürlich noch nicht aus;
das wissen wir .

Wir haben 2015 – von Einwanderung ist schon ge-
sprochen worden – einen Wanderungssaldo, ein Plus von
rund 1,1 Millionen Menschen gehabt . Es kommen viele
Menschen nach Deutschland, um hier zu arbeiten . Es ist
über ein Einwanderungsgesetz gesprochen worden . Da-
für habe ich persönlich sehr viel Sympathie .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber im Grunde haben wir schon gute Einwanderungs-
regelungen .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die OECD hat das bestätigt!)


Wir haben die Bluecard . Wenn man einen von, ich glau-
be, 109 Berufen hat, in denen Mangel herrscht, kann man
heute schon, wenn man einen sozialversicherungspflich-
tigen Arbeitsplatz in Deutschland nachweist, in die Bun-
desrepublik einwandern, also in Arbeit einwandern und
nicht, wie Kollege Frieser gesagt hat, ins Arbeitsamt . Das
ist das, was uns wichtig ist und was wir gerne wollen .

Es ist von der Kollegin Timmermann-Fechter in vie-
len Punkten aufgezeigt worden, was wir zur besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon getan haben .
Wir sind da noch nicht am Ende . Es bestreitet hier keiner,
dass wir da noch weitere Aufgaben haben . Es ist eine Bi-
lanz, ein Zwischenschritt, ein Zwischenbericht . Ich habe
vorhin schon gesagt: Es ist eine Daueraufgabe, der wir
uns ständig stellen müssen . Deswegen ist die Demogra-
fiestrategie 2015 schon überarbeitet worden. Auch das ist
wichtig: Es ist kein starres System . Wir müssen immer
wieder gucken: Wo müssen wir nachjustieren? Denn die
Gesellschaft und Systeme verändern sich .

Mir ist es ganz wichtig, dass wir eine bessere Verein-
barkeit von Beruf und Familie bekommen . Wir haben
dieser Tage den 80 . Geburtstag von Rita Süssmuth ge-
feiert, die seinerzeit auch Familienministerin war . Sie
hat schon 1985 dafür gesorgt, dass wir Erziehungsgeld
und Erziehungsurlaub bekommen haben . Welch weit-
reichende und weise Entscheidung damals! Viele Dinge
sind dazugekommen . Es kann und muss besser werden;
das bestreitet überhaupt keiner . Wir müssen weiter dafür
kämpfen, dass uns Vereinbarkeit von Familie und Beruf
gelingt .

Die Kommunen leisten dazu schon eine ganze Men-
ge . Aber eines muss man auch einmal sagen: Bei mir in
der Kommune wollten wir schon Kindergartengruppen
schließen, weil wir nicht mehr genug Kinder hatten .
Durch die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, müs-
sen wir das Angebot wieder weiter ausbauen . Insofern:
Demografischer Wandel – das ist auch schon von Vor-
rednern gesagt worden – ist nicht nur schrecklich und
schlimm, sondern es sind auch große Chancen damit
verbunden . Wir müssen das, wie man so schön sagt, ge-
stalten .

Gestern ist hier im Hause das Thema „Industrie 4 .0“
diskutiert worden . Das ist auch ein wichtiger Punkt . Wir
haben zu wenig Fachkräfte . Deshalb sagen mir meine
Unternehmer: Ihr müsst uns helfen . Ihr müsst mehr tun . –
„Industrie 4 .0“ ist da eine wichtige Antwort . Keine rich-
tige Antwort war – das möchte ich auch einmal sagen –


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822606500


Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)



Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822606600

– ich komme zum Schluss – die Rente mit 63 . Das

war das falsche Signal . Die Flexirente ist richtig, um den
nahtlosen Übergang zu schaffen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nein, das war gut!)


Und weil schon die ländlichen Räume angesprochen
worden sind: –


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822606700

Nein, Frau Kollegin, ich muss Sie jetzt wirklich bitten,

zum Schluss zu kommen .


Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822606800

– Ich finde es hervorragend, dass wir den Breitband-

ausbau fördern .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822606900

Sie haben schon über eine Minute überzogen .


Barbara Woltmann (CDU):
Rede ID: ID1822607000

Letzter Satz: Deswegen sage ich dem Verkehrsminis-

terium Dank . In dieser Woche sind Förderbescheide in
Höhe von fast einer Dreiviertelmilliarde Euro ausgekehrt
worden . Das kommt auch den Kommunen und den dorti-
gen Unternehmen zugute .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822607100

Ich schließe die Aussprache, liebe Kolleginnen und

Kollegen .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/11145 und 18/11606 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen,
wobei die Vorlage auf Drucksache 18/11606 zu Tages-
ordnungspunkt 28 b federführend im Innenausschuss be-
raten werden soll . Sind Sie damit einverstanden? – Das
ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Tagesordnungspunkt 28 c . Da kommen wir jetzt zur
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu
dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Partizipation und Selbstbestimmung älterer
Menschen stärken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11645, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 18/9797 abzulehnen . Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke angenommen worden .

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 30 sowie
zum Zusatzpunkt 8:

30 . Beratung des Antrags der Abgeordneten Jutta
Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann

(Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion DIE LINKE

Keine Befristung von Arbeitsverträgen ohne
Sachgrund

Drucksache 18/11598
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate
Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Brigitte
Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kein Sachgrund – Keine Befristung

Drucksache 18/11608
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre dazu
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen, und
wir können die Aussprache beginnen, sobald die Kolle-
ginnen und Kollegen ihre Plätze eingenommen haben .

Als erster Redner hat für die Fraktion Die Linke Klaus
Ernst das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822607200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren!

Wir wollen Sicherheit und Verlässlichkeit für die
Beschäftigten!

Vor allem jungen Menschen wird viel zugemutet:
Sie sollen eine ordentliche Ausbildung machen, sich
im Job weiterbilden, sie sollen eine Familie gründen
und wollen sich manchmal auch noch um ihre El-
tern kümmern, sie sollen für Wohneigentum sorgen,
und im Idealfall sollen sie sich auch noch ehrenamt-
lich engagieren .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Wer hat das gesagt?)


Das alles geht nicht, wenn die eigene Zukunft auf
wackeligen Beinen steht! Das kann nicht unser An-
gebot für die Jugend sein!

Und darum werden wir die Möglichkeit der sach-
grundlosen Befristung von Arbeitsverträgen ab-
schaffen!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Aha! Der eine oder andere Sozialdemokrat hat es ge-
merkt: Ich habe gerade Martin Schulz zitiert .


(Bernd Rützel [SPD]: Guter Mann, der Martin Schulz!)







(A) (C)



(B) (D)


– Ja, dass ihr das noch nicht so richtig gemerkt habt, ist
mir klar . – Es ist aber wichtig, was er gesagt hat . Denn
heute habt ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit un-
serem Antrag die Möglichkeit, genau das zu machen, was
er gesagt hat, nämlich die sachgrundlose Befristung ab-
zuschaffen .


(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel [SPD]: Guter Mann, der Martin Schulz, sehr guter Mann!)


Seit wir im Bundestag sind, fordern wir die Abschaffung
der sachgrundlosen Befristung . Sie haben das immer ab-
gelehnt . Ich hoffe, das ändert sich heute .

Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt – Hartz I – hat Rot-Grün, das dieses
Gesetz zu verantworten hat, die Möglichkeit deutlich
erweitert, dass Unternehmen befristet einstellen . Ohne
sachlichen Grund hangeln sich Beschäftigte inzwischen
von Befristung zu Befristung . Befristungen können auch
noch zweimal verlängert werden .

Ich zitiere jetzt wieder den Martin Schulz, weil er
recht hat:


(Bernd Rützel [SPD]: Sehr guter Mann!)


Auch wir haben Fehler gemacht! Fehler zu machen
ist nicht ehrenrührig . Wichtig ist: Wenn Fehler er-
kannt werden, müssen sie korrigiert werden .

Dann korrigieren Sie das heute . Sie haben die Chance
dazu!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da ich gerade den einen oder anderen Zwischenruf
höre, möchte ich noch sagen: Dass Sie 14 Jahre und ein
Wunder von Würselen brauchen,


(Bernd Rützel [SPD]: Das ist doch billig, Klaus!)


bis Sie merken, dass Sie einen Fehler machen, ist schon
ein bisschen dreist . Das ist schon ein bisschen dreist .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Fast jeder zweite Arbeitsvertrag wird heutzutage nur
noch befristet ausgestellt, bei jungen Frauen zwischen 15
und 24 Jahren sind es sogar zwei Drittel . Im Jahr 1994
gab es 863 000 befristet Beschäftigte, inzwischen sind
es 2,8 Millionen . Das ist mehr als eine Verdreifachung .
48 Prozent der befristeten Arbeitsverträge haben keinen
sachlichen Befristungsgrund . Liebe Kolleginnen und
Kollegen, befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen
Grund gehören abgeschafft .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Bernd Rützel [SPD] – Bernd Rützel [SPD]: Bravo! Hat er recht!)


Mich wundert, dass Sie von der Union heute so ruhig
sind . Normalerweise hätte ich jetzt erwartet, dass Sie sa-

gen: Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der Repu-
blik gefährdet .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Die sind schon im Wochenende!)


Das habe ich von Ihnen schon gehört . Ich sage Ihnen:
Wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Republik davon ab-
hängt, dass wir jungen Leuten bei uns den Start ins Leben
möglichst schwer machen, dann kann ich nur sagen: Ar-
mes Deutschland!


(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir hatten gar nichts gesagt! Ich bitte, das einmal festzuhalten! Wir hören nur zu!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Menschen,
die sich von Befristung zu Befristung durchschlagen, üb-
rigens jedes Mal wieder beim Einstiegsgehalt anfangen,
keinen Kündigungsschutz haben, keine Planungssicher-
heit haben . Wie soll man in so einer Situation eigentlich
eine Familie gründen? Ich habe einmal nachgeschaut,
was man bei Ihnen von der CDU dazu findet.


(Dr . Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das ist CDA-Beschlusslage, was Sie vortragen!)


Ich habe gefunden, dass Sie sich ganz besonders um die
Familien kümmern . Sie reden doch gern davon, dass
Familien – Zitat von Ihrer Website – das „Fundament
unserer Gesellschaft“ seien . Wie soll das unter solchen
Arbeitsbedingungen funktionieren? Wie soll das hinzu-
kriegen sein?


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Darauf hätte ich eigentlich gern eine Antwort .


(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Wir haben die höchste Beschäftigung in ganz Europa! Sagen Sie etwas dazu!)


Jetzt aber auch noch ein Wort zur SPD, das mir ganz
besonders wichtig ist . Die Aussage des Kollegen Schulz,
dass sachgrundlose Befristungen abzuschaffen sind und
dass ALG I länger zu zahlen ist, hat bei vielen in unserer
Republik sehr viel Hoffnung geweckt,


(Bernd Rützel [SPD]: Jetzt halt einmal ein!)


übrigens nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch bei
anderen wie zum Beispiel den Eltern derjenigen, die be-
fristet beschäftigt sind . Sie wollen, dass ihre Kinder an-
ständige Arbeitsverhältnisse bekommen . Sie haben den
Eindruck erweckt, dass Sie Fehler korrigieren wollen
und dass es tatsächlich in eine andere, soziale Richtung
geht . Sie haben dafür große Vorschusslorbeeren erhalten .
Ich bin übrigens nicht einmal traurig darüber; im Gegen-
teil . Ihre Umfragewerte, die Sie zurzeit haben, sind nicht
nur dem Gesicht von Martin Schulz geschuldet, sondern
auch den Positionen, mit denen er unterwegs ist . Mir fällt
dazu allerdings auch Ihr Parteivorsitzender Müntefering
ein,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)


Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


der einmal gesagt hat, er fände es unfair, dass er nach der
Wahl an das erinnert werde, was er vor der Wahl gesagt
habe .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Die Gefahr besteht immer!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern möchte ich
Ihnen sagen: Wenn Sie die vielen Erwartungen, die Sie
geweckt haben, wieder enttäuschen, dann prophezeie ich
der SPD dieselbe Situation wie den Sozialdemokraten in
den Niederlanden .


(Josip Juratovic [SPD]: Nach der Wahl ist vor der Wahl!)


Nach 1998 habt ihr das einigermaßen hingekriegt . Noch
einmal überwindet ihr das nicht . Ich sage euch einmal,
was die Voraussetzung dafür ist, dass das, was ihr vor-
habt, einigermaßen gelingt:


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Mit der Zweitstimme Linke wählen!)


Die Voraussetzung, dass es gelingt, ist eine starke Linke;
denn die muss aufpassen, was ihr macht, die muss euch
auf die Finger gucken .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke muss dafür sorgen, dass das, was ihr vor
der Wahl gesagt habt, auch nach der Wahl gilt; das ist
der Punkt .


(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel [SPD]: Das machen wir sowieso!)


Wenn es wieder so käme, wie es leider schon vorge-
kommen ist, dass man nämlich vor der Wahl links blinkt
und nach der Wahl rechts abbiegt und einen Crash im ei-
genen Laden verursacht, dann wäre das eine Katastrophe .
Deshalb sage ich: Lassen Sie uns die Chancen nutzen,
aber dann auch ehrlich, und nicht irgendwelche Schaum-
schlägereien machen, sondern eine vernünftige Politik .
Sie haben heute die Gelegenheit, sich zu unserem Antrag
vernünftig zu äußern .


(Bernd Rützel [SPD]: „Äußern“ ist gut!)


Ich bin wirklich gespannt, ob es das Gegenteil von dem
ist, was Martin Schulz gesagt hat, oder wieder das, was
ich zwölf Jahre lang hier gehört habe .

Danke für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822607300

Matthias Zimmer hat als nächster Redner für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1822607400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit ei-

nem gewissen Vergnügen hört man ja den Streit zwischen
den Linken und der SPD . Ich bin einmal gespannt, was
die Kolleginnen und Kollegen der SPD zu den Anwürfen
der Linken sagen .

Ich will mit einer kleinen Geschichte anfangen, die ich
neulich erlebt habe: Ich habe vor einigen Wochen eine
Talkshow über Fragen der sozialen Gerechtigkeit gese-
hen, wie sie dieser Tage so häufig im Fernsehen laufen.
Sachgrundlose Befristungen sind natürlich ein Thema, an
dem soziale Gerechtigkeit diskutiert werden kann . Die
Ministerpräsidentin eines großen Flächenlandes argu-
mentierte offensiv, man müsse die sachgrundlosen Be-
fristungen abschaffen. Ein Unionskollege hat eher süffi-
sant erwidert, er habe gerade heute eine Zeitungsanzeige
gesehen, in der für ein Ministerium dieses Bundeslandes
50 Mitarbeiter gesucht werden – sachgrundlos befristet
zunächst auf ein Jahr . Ich gestehe, ich habe die Debatte
nicht mehr weiterverfolgt und kann nicht sagen, ob sich
die Ministerpräsidentin aus den argumentativen Untiefen
ihrer eigenen Position hat befreien können .

Ich erwähne diese kleine Episode nur deshalb, weil sie
trefflich zeigt, dass sich zwar die Ideen leicht und elegant
tänzelnd im Raum bewegen, sich in der Realität aber mit-
unter hart die Tatsachen stoßen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


– Dass man für ein abgeändertes Zitat von Hegel von der
CDU/CSU-Fraktion einmal Beifall bekommt, finde ich
besonders erfreulich .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nur weil du es bist!)


Das ist nicht auf diese Landesregierung beschränkt .
Einer Anfrage, die im Februar veröffentlicht wurde, ent-
nehme ich, dass auch die Bundesregierung das Instru-
ment sachgrundloser Befristung in einem beträchtlichen
Maß nutzt . Nehmen wir etwa das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Hier ist der
Anstieg der Beschäftigten ohne Dauerstelle besonders
dramatisch . Freilich, das hat nicht unwesentlich damit zu
tun, dass hier auch im Rahmen des Zuzugs von Flüchtlin-
gen und ihrer Integration schnell reagiert werden musste
und es keine Planstellen gab . Dann ist es auch für die
öffentliche Hand sinnvoll, zu befristen, entweder bis die
Aufgabe erledigt ist oder die Befristungen in reguläre
Planstellen überführt werden können .


(Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Das ist aber ein Sachgrund!)


Ich erwähne das deshalb, weil ich glaube: Wenn man
die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung fordert,
sollte der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel voran-
gehen . Aus der Wurstküche heraus das Hohelied vege-
tarischer Lebensweise zu singen, passt nicht zusammen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich will deshalb die Frage, die wir heute diskutieren,
von einer anderen Seite angehen . Gibt es Gründe, warum
eine sachgrundlose Befristung gebraucht wird? Schau-
en wir einige Jahre zurück . Im Jahre 2005 hat es eine
Antwort einer Bundesregierung gegeben, die wie folgt
ausgefallen war: Die sachgrundlose Befristung sei „vor
allem eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative
zur Überstundenarbeit . Zugleich bekommen Arbeitsu-
chende, insbesondere auch solche, die längere Zeit ar-

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


beitslos waren, die Gelegenheit, wieder im Berufsleben
Fuß zu fassen,


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Da hat man einen Grund!)


ihre Eignung und Leistungsfähigkeit zu beweisen und
damit ihre Chancen auf eine unbefristete Weiterbeschäf-
tigung zu verbessern .“

So weit die Bundesregierung damals . Zwei Punkte
also: erstens Flexibilisierung, die nicht durch Überstun-
den geleistet werden soll,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist die Zahl der Überstunden gesunken? Nein!)


und zweitens Einstieg in den Arbeitsmarkt und in die un-
befristete Beschäftigung . Trifft das heute noch zu?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 820 Millionen Überstunden im Jahr 2016!)


– Warte es einmal ab . – Ich meine, das erste Argument,
die Flexibilisierung, trifft nur begrenzt zu . Auftragsspit-
zen können auch über Zeitarbeit oder Befristungen mit
Sachgrund aufgefangen werden . Die sachgrundlose Be-
fristung erscheint mir häufig das bevorzugte Instrument
zu sein, weil es recht leicht zu handhaben ist . Bisweilen
will man das Risiko vermeiden, über eine Befristung mit
Sachgrund in einen Rechtsstreit zu geraten und von ei-
nem Gericht zur Entfristung gezwungen zu werden .

Deswegen würde ich über zwei Dinge nachdenken:
die rechtlichen Rahmen präziser fassen, damit Arbeit-
geber nicht deswegen auf sachgrundlose Befristungen
zurückgreifen, weil sie juristische Auseinandersetzun-
gen befürchten, wenn sie mit Sachgrund befristen . Ich
würde auch einmal darüber nachdenken, den Zeitrahmen
der sachgrundlosen Befristung an den der Zeitarbeit an-
zupassen . Das sollte allemal reichen, um Auftragsspitzen
abzuarbeiten . Vielleicht könnten auch Flexibilitätszula-
gen für Arbeitnehmer helfen, den Preis solcher Befristun-
gen nicht auf die Arbeitnehmer alleine zu wälzen, eine,
wie ich finde, reizvolle Aufgabe für Tarifpartner.

Das zweite Argument ist gewichtiger . Einstieg in den
Arbeitsmarkt . Es hat in der Krisensituation 2004 und
2005 eine gewichtige Rolle gespielt . Viele Firmen waren
sich unsicher: investieren oder expandieren oder lieber
die Krise aussitzen? In dieser Zeit waren sachgrundlose
Befristungen ein gutes Mittel, Menschen zunächst ein-
mal in Arbeit zu bringen . Ein gewisser Klebeeffekt war
jedenfalls zu verzeichnen, weil ein nicht geringer Anteil
dann in reguläre Beschäftigung überführt wurde . Ich will
das nicht als gering erachten; denn für diese Menschen
war doch die Frage entscheidend: Will ich unbefristet
arbeitslos sein oder befristet in Arbeit kommen, mit der
Aussicht auf eine Festanstellung? Für die schwierige Ar-
beitsmarktsituation dieser Jahre war das zweifellos ein
gutes Instrument .

Heute ist die Situation anders: Der Arbeitsmarkt
boomt . Man hört schon Klagen von Arbeitgebern, dass
sich viele Arbeitnehmer überhaupt nicht mehr auf eine
sachgrundlose Befristung einlassen . Die Nachfrage nach

Arbeitskräften ist hoch . Die Qualität der Arbeitsplätze
spielt zunehmend eine Rolle . Zu dieser Qualität gehört
eben auch: Befristungen machen nicht glücklich . Viel zu
häufig sind sie lediglich als verlängerte Probezeiten miss-
braucht worden, als bequemer Verschiebebahnhof .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zustimmung bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber ich denke, die Zeit wird über die sachgrundlosen
Befristungen hinausgehen . Zum einen sind sie an einem
Arbeitsmarkt, an dem die Nachfrage höher ist als das An-
gebot, ein seltsam untaugliches Mittel, um als Arbeitge-
ber qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren.


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber regional sehr unterschiedlich!)


Zum anderen glaube ich, dass wir mit all dem, was wir
unter dem Titel „Arbeit 4 .0“ diskutieren, neue Formen
von betrieblichen Zuordnungen etablieren, die vielleicht
auch das Thema der sachgrundlosen Befristung obsolet
werden lassen . Ob wir uns am Ende in der neuen Arbeits-
welt 4 .0 besserstellen, wenn der Mensch nur noch eine
Relaisstation im immerwährenden Datenstrom ist – eine
Verlängerung der Technik in die sozialen Beziehungen
hinein, die vielleicht in einer drohenden Auflösung des
traditionellen Betriebsbegriffs selbst einem fundamenta-
len Wandel unterworfen sind –, ob dies uns alles wirklich
glücklich macht? Ich bezweifle es.

Ich wäre froh, wenn die sachgrundlose Befristung
möglichst schnell in die Asservatenkammer der Ge-
schichte verschwindet,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Mast [SPD]: Die CDU/CSU auch?)


als bestauntes Relikt einer vergangenen Zeit, als die Lage
verzweifelt genug war, dass man auf ein solches Instru-
ment hat zurückgreifen müssen . Deswegen neige ich
dazu, die sachgrundlosen Befristungen nicht zu verbie-
ten, sondern überflüssig zu machen – so überflüssig wie
Tipp-Ex zur Korrektur von Texten an einem Computer .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, das ist aber mutlos!)


Dazu brauchen wir zwei Dinge: erstens einen öffent-
lichen Dienst, der sich so organisiert, dass er eine Vor-
reiterrolle übernehmen kann – erst dann fordern wir als
Politik nicht vollmundig etwas, was wir in unserem ei-
genen Gestaltungsbereich nicht liefern können –, zwei-
tens weiterhin wirtschaftlichen Erfolg, Wachstum, einen
Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Arbeit. Das,
meine Damen und Herren, ist allerdings nur mit der Uni-
on zu haben .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822607500

Als nächste Rednerin spricht Beate Müller-Gemmeke

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Dr. Matthias Zimmer






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kol-
leginnen und Kollegen! Irgendwie ist die Situation ja
momentan schon etwas schräg: Da läuft einer durch die
Gegend und verspricht die ganze Zeit, dass die SPD die
sachgrundlose Befristung abschaffen wird . Gleichzeitig
haben wir hier im Bundestag dafür eine Mehrheit, aber
die SPD-Bundestagsfraktion lehnt die entsprechenden
Anträge immer ab .


(Katja Mast [SPD]: Ach, Beate! – Bernd Rützel [SPD]: Das wisst ihr doch besser als wir, wie das ist!)


– Hört einfach mal zu . – Aber natürlich ist klar, dass Sie
von der SPD diese Koalition deswegen nicht platzen las-
sen . Heute Morgen haben Sie ja sogar diese unsägliche
CSU-Pkw-Maut durchlaufen lassen . Entscheidend ist
aber, dass Sie nach der Wahl dann auch wirklich Wort
halten .


(Zuruf von der SPD: Bravo!)


Wir jedenfalls bleiben dran; das kann ich versichern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Damit bin ich bei Ihnen, liebe Unionsfraktion . Es ist
für mich nicht nachvollziehbar, warum Sie weiterhin die
sachgrundlose Befristung verteidigen . Wenn jetzt hier
nicht gerade jemand von der CDA spricht, sondern je-
mand ganz Normales von der CDU/CSU, dann wird vor
allem damit argumentiert, dass die Betriebe nur mit die-
ser Form der Befristung flexibel bleiben. Dann wird im-
mer wieder auf die vielen unbefristeten Arbeitsverträge
verwiesen . Damit wird schlichtweg das Thema kleinge-
redet . Es wird über statistische Daten geredet . Aber Sie
sprechen nicht über die Menschen, deren Beschäftigung
einfach ohne Grund befristet wird, und darüber, was das
mit den Menschen macht und was das für die Menschen
bedeutet . Aber genau um die Situation dieser Menschen
geht es, und das sollten Sie endlich ernst nehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Befristungen machen durchaus Sinn, beispielsweise
wenn es um ein Projekt auf Zeit geht – bei uns in den
Büros zum Beispiel, weil wir nur für eine gewisse Zeit
gewählt wurden –, um Auftragsspitzen, um Elternzeit,
um eine längere Krankheit oder um Urlaub . Wer gute
Gründe hat, der kann befristen, und daran will niemand
etwas verändern .

Sachgrundlos, also einfach willkürlich zu befristen,
das ist nicht notwendig, und das ist vor allem nicht fair .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg . Bernd Rützel [SPD])


Sachgrundlose Befristungen sind deshalb nicht fair, weil
sie die Menschen und vor allem auch ihre Familien be-
lasten . Wer befristet angestellt ist, kann nicht für die Zu-
kunft planen, er hat teilweise auch handfeste Nachteile .
Dabei geht es beispielsweise um für uns ganz banale

Dinge wie einen Kredit für ein Auto oder um einen Miet-
vertrag; denn ein befristeter Arbeitsvertrag bietet nicht
ausreichend Sicherheit . Wer befristet angestellt ist, hat
ein höheres Armutsrisiko, wird häufiger arbeitslos, macht
sich mehr Sorgen über die Zukunft und hat auch häufiger
Angst vor Krankheit und Armut im Alter . Das alles ist
belastend . Lebensqualität sieht wirklich anders aus .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Gilt aber auch für Befristung mit Sachgrund!)


Befristet Beschäftigte wollen auch nicht auffallen .
Sie engagieren sich seltener im Betriebsrat . Sie verhal-
ten sich ruhig und pochen eher nicht auf ihre Rechte .
Niemand will leichtfertig seine Chancen verspielen . Die
befristet Beschäftigten wollen unbedingt übernommen
werden . Das wissen im Übrigen auch die Arbeitgeber .
Von daher wundert es nicht, dass befristet Beschäftigte
weniger verdienen . Sie machen mehr Überstunden und
nehmen weniger Urlaub, und es gibt weder Aufstiegs-
noch Weiterbildungsmöglichkeiten . Das alles zusammen
ist für uns nicht akzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Von der sachgrundlosen Befristung sind vor allem –
ich sage es immer wieder – junge Menschen betroffen .
Gerade sie brauchen ihren Platz in unserer älter werden-
den Gesellschaft, und doch sind Lebens- und Familien-
planung etwas, worüber viele Jüngere nur noch müde
lächeln können; denn sie wechseln häufig von Stelle zu
Stelle und manche sogar von Ort zu Ort . Das ist wirklich
nicht ermutigend . Das dürfen Sie, die Union, nicht länger
ignorieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Sehr geehrte Unionsfraktion, die sachgrundlose Be-
fristung ist eine einfache und vorteilhafte Sache für die
Arbeitgeber, für die Beschäftigten hat sie einen hohen
Preis . Wir Grünen wollen eine gerechte Balance zwi-
schen den Interessen der Arbeitgeber und den Bedürfnis-
sen der Beschäftigten, aber genau diese Balance ist für
Sie, die Union – und ich meine nicht die CDA –, kein
Thema .

Für uns Grüne ist Flexibilität keine Einbahnstraße .
Notwendig sind Verantwortungsgefühl und Empathie für
die Betriebe, aber auch für die Beschäftigten . Deshalb
wollen wir nicht die Befristungen, sondern die sach-
grundlose Befristung abschaffen . So bleiben die Betriebe
flexibel, aber die Beschäftigten bekommen mehr soziale
Sicherheit . Diese Korrektur ist unbedingt notwendig –
für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bernd Rützel [SPD]: Sehr gut, teilweise!)







(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822607600


Gabriele Hiller-Ohm hat jetzt das Wort für die
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1822607700


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Linken und
der Grünen!


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Da können wir uns zurücklehnen!)


Sie haben uns heute Anträge vorgelegt, in denen Sie
fordern, die sachgrundlose Befristung zu verbieten . Sie
sprechen damit ein sehr wichtiges Thema an, das uns
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schon lange
auf den Nägeln brennt .


(Tobias Zech [CDU/CSU]: Ihr habt es ja eingeführt! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gegenruf des Abg . Bernd Rützel [SPD]: Stimmt nicht! 85 Kohl!)


Unser neuer Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat
Martin Schulz hat deshalb dazu sehr schnell und sehr
deutlich Stellung bezogen . Er will diese Verträge ab-
schaffen, und wir wollen das auch .


(Beifall bei der SPD )


Liebe Frau Kollegin Müller-Gemmeke, wir werden das
aber ohne Vertragsbruch machen . Wir werden die Große
Koalition sauber zu Ende führen . Es sind zum Glück nur
noch wenige Monate, dann haben wir andere Mehrhei-
ten .


(Beifall bei der SPD)


Ich muss sagen: Die Worte von Martin Schulz


(Bernd Rützel [SPD]: Guter Mann!)


haben bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Linken und der Grünen, ganz offensichtlich starken Ein-
druck gemacht und Sie veranlasst, Ihre Position heute
hier noch einmal deutlich zu machen . Aber wenn Sie
meinen, Herr Kollege Ernst, Sie müssten uns Ratschläge
mit auf den Weg geben, dann sage ich Ihnen: Die können
Sie sich gerne an den Hut stecken; wir brauchen sie nicht .


(Katja Mast [SPD]: Ratschläge sind auch Schläge!)


Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wol-
len Sicherheit und Verlässlichkeit für die Beschäftigten,
langfristige Perspektiven statt sachgrundloser Befris-
tung; denn nur eine sichere Arbeit macht es möglich, die
eigene Zukunft zu planen . Das, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ist unsere Position .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es stimmt nicht, Herr Kollege Ernst, dass die Befris-
tungen unter Rot-Grün erfunden wurden . Das ist falsch .
Befristungen gibt es seit 1985 .


(Beifall des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE] – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mit Sachgrund!)


Bundeskanzler Kohl hat das Beschäftigungsförderungs-
gesetz 1985 auf den Weg gebracht . 1996 wurde es noch
einmal verschärft . Da wurden sogenannte Befristungs-
ketten erlaubt . Das ist alles vor der Zeit von Rot-Grün
passiert . Das sollten Sie eigentlich wissen, Herr Ernst .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber sachgrundlose habt ihr eingeführt! Das ist postfaktisch!)


Die Zahlen zeigen klar: Neueinstellungen erfolgen
etwa zur Hälfte nur noch befristet . Jüngere und Frauen
sind besonders häufig davon betroffen. Oft erfolgt die
Befristung ohne jegliche sachliche Begründung . – Lie-
be Kolleginnen und Kollegen, jeder Arbeitnehmer und
jede Arbeitnehmerin sollte das Recht haben, zu wissen,
warum ihm oder ihr kein unbefristetes Arbeitsverhältnis
angeboten wird. Ich finde, das ist das Mindeste, was ge-
schehen muss .


(Beifall bei der SPD)


Zwar ist das normale, unbefristete Arbeitsverhältnis in
Deutschland zum Glück immer noch die Regel – das ist
gut so, und das muss auch so bleiben –, aber wir haben
eine Verantwortung gegenüber den jungen Menschen,
die immer häufiger mit befristeten Verträgen abgespeist
werden . Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung ha-
ben klar gezeigt, dass Befristungen große Auswirkungen
auf die Lebenssituation von jungen Menschen haben . Sie
verdienen weniger und arbeiten dafür länger als unbe-
fristete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer derselben
Altersgruppe . Außerdem sind sie weniger oft verheiratet
und haben vor allem weniger Kinder als unbefristet An-
gestellte . Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen
wir ändern . Wir müssen den Jüngeren sichere und ver-
lässliche Zukunftsperspektiven geben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das glaubt euch doch kein Mensch!)


Geradezu zynisch wirken die Ausführungen des TUI-
Chefs Friedrich Joussen, die er in einem Interview im
Handelsblatt dargelegt hat . Er meint, dass junge Leute
heute lieber in offenen Strukturen arbeiten wollen . Es
würde sie überhaupt nicht stören, dass ihre Verträge zeit-
lich beschränkt seien. – Beschränkt finde ich eine solche
Behauptung . Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind
durch feste und unbefristete Arbeitsverträge doch nicht
für immer an einen einzigen Arbeitgeber oder eine ein-
zige Arbeitgeberin geknebelt . Sie können einen Arbeits-
vertrag, der unbefristet ist, natürlich kündigen und einen
anderen unterschreiben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer wieder lese
ich von dem drohenden Fachkräftemangel . Ich frage
mich, wie es möglich ist, dass viele Arbeitgeber es trotz






(A) (C)



(B) (D)


dieses Damoklesschwerts immer noch darauf anlegen,
schlechte Arbeitsverhältnisse anzubieten . Befristungen
sind das eine . Erschwerend kommen Arbeitsverträge
hinzu, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ver-
pflichten, auf Abruf zu arbeiten. Sie werden dann jeweils,
bestenfalls vier Tage vorher, vom Arbeitgeber benach-
richtigt, wann und für wie lange sie zum Arbeitseinsatz
zu erscheinen haben . Diese Art der Arbeit macht Plan-
barkeit für die Beschäftigten gänzlich unmöglich . Leider
setzen immer mehr Unternehmen auf gerade diese aus-
beuterischen und unwürdigen Beschäftigungsmöglich-
keiten . Solchen Entwicklungen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, müssen wir einen Riegel vorschieben .


(Beifall bei der SPD – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Dann fangt doch in Schleswig-Holstein mal damit an mit der Landesregierung!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822607800

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Die-

se würde ich noch zulassen; ansonsten ist Ihre Redezeit
zu Ende .


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1822607900

Ja, gerne .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, dass ich die Frage noch stellen kann .
Ich hätte mich jetzt, weil wir schon so häufig über die
sachgrundlose Befristung geredet haben, nicht gemeldet .
Aber jetzt haben Sie gerade die Arbeit auf Abruf ange-
sprochen . Ich denke, ich weiß, aus welchem Grund Sie
das heute ansprechen: weil es vorgestern eine wirklich
sehr interessante Dokumentation bei ZDFzoom zu die-
sem Thema gab . Ich habe mitbekommen, dass Sie diesen
Bericht gesehen haben . Daher muss ich schon einmal
nachfragen .

Sie haben hier gerade gesagt, dass Arbeit auf Abruf
in dieser Form überhaupt nicht geht . In dieser Sendung
wurde aber sehr deutlich, dass das Ministerium für Arbeit
und Soziales Arbeit auf Abruf durchaus befürwortet und
dies, wie es schriftlich ausgeführt hat, mit Blick auf die
Flexibilität der Betriebe für eine wichtige Sache hält . Von
daher muss ich schon einmal fragen: Wie passt das, was
Sie hier sagen, mit dem, was ein SPD-geführtes Minis-
terium schriftlich nach außen in die Öffentlichkeit gibt,
zusammen?


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1822608000

Liebe Kollegin, ich spreche jetzt nicht für das Minis-

terium; das steht mir auch nicht zu . Ich spreche hier für
mich, für Gabriele Hiller-Ohm, SPD-Bundestagsfrakti-
on,


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Kognitive Dissonanz nennt man das! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?)


und ich sage Ihnen: Ich empfinde diese Art der Verträge
als schlecht, und ich bin dafür, dass wir solche Verträge
abschaffen, weil das unzumutbar ist . Das ist in der Sen-
dung sehr deutlich geworden . Sie sind da ja auch befragt
worden und haben Stellung bezogen . Ich fand das, was
Sie gesagt haben, sehr richtig .

Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Art der
Ausbeutung abgeschafft wird, weil ich finde, das gehört
nicht in eine moderne Arbeitswelt . Wir müssen Rahmen
einziehen, damit Menschen auch in Zukunft vernünftige
Arbeitsbedingungen haben .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie haben alle Chancen in den letzten vier Jahren gehabt und nichts getan! Echt unglaublich!)


Das darf nicht ausufern .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, befristete Arbeits-
verträge ohne einen Grund haben nirgends etwas zu
suchen . Befristungen werden wir grundsätzlich nicht
abschaffen können . Es wird Elternzeit- und Krankheits-
vertretungen weiterhin geben müssen; das bleibt so . Aber
wir werden uns dafür einsetzen, die sachgrundlosen Be-
fristungen abzuschaffen, und auch die Auswüchse bei be-
fristeten Verträgen mit Sachgrund bekämpfen . Dafür sind
übrigens auch zwei Drittel der Bevölkerung; das hat eine
jüngst durchgeführte Umfrage im ARD-Deutschland-
Trend ergeben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden es leider
jetzt mit unserem Koalitionspartner nicht mehr hinbe-
kommen, obwohl Herr Zimmer ja angedeutet hat, dass
er die sachgrundlosen Befristungen ebenfalls überhaupt
nicht gut findet. Er will, dass sie sich von selber erledi-
gen . Ich bin dafür, dass wir gesetzlich tätig werden .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822608100

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1822608200

Wir werden das also mit diesem Koalitionspartner

nicht schaffen . Aber, Herr Ernst und liebe Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen, vielleicht haben wir dann
in der nächsten Legislaturperiode


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ach, mit denen würdet ihr es schaffen!)


– vielleicht auch mit Herrn Zimmer –


(Bernd Rützel [SPD]: Dann haben wir eine ganz große Koalition!)


Gelegenheit, das gemeinsam gesetzlich neu zu regeln .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD)


Gabriele Hiller-Ohm






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822608300

Tobias Zech hat als nächster Redner für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1822608400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach-

dem wir jetzt die Erklärung für Rot-Rot-Grün vernom-
men haben, will ich zum Thema zurückkommen .

Ich kann für die Union sagen – das konnten Sie der
Debatte schon entnehmen, und das ist auch nichts Neu-
es –, dass für uns ein Arbeitsverhältnis wichtig ist und
im Fokus steht, nämlich das unbefristete Arbeitsverhält-
nis – mit ihm arbeiten wir, für das stehen wir –, nicht
die Befristung . Die Befristung ist immer ein Mittel zum
Zweck . Da müssen wir unterscheiden, wofür wir Befris-
tung brauchen, warum wir Befristung haben und wie sie
angewandt wird .

Befristung ist nie schön, egal ob sachgrundlos oder
mit Sachgrund, und Befristung hat immer zwei Seiten .


(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Auch bei der Schwangerschaftsvertretung, also einer
klassischen Befristung mit Sachgrund, hat natürlich die
Person, die dann für zwei oder drei Jahre als Vertretung
einspringt, keine gute Zeit, weil sie weiß, dass sie wie-
der gehen muss . Welche Chance ist es aber für die junge
Mutter, die weiß, dass sie nach drei Jahren wieder zurück
in ihren Job kann! Ich will damit sagen: Bei Befristung
gibt es immer unterschiedliche Gemengelagen;


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das wissen wir schon auch, Herr Kollege!)


Befristung ist immer schlecht .

Wenn ich mich selbst zurückerinnere, so war für mich
nicht die Beförderung das Wichtigste, weder bei der
Bundeswehr noch dann in der Industrie; für mich war
der schönste Moment jeweils, wenn ich einen langfristi-
gen Arbeitsvertrag bekommen habe oder in der Industrie
unbefristet gestellt worden bin, weil dies natürlich Pla-
nungssicherheit gibt . Das stellt doch niemand in Abrede .
Das wissen auch wir . Das ist doch klar .


(Beifall bei der CDU/CSU – Beate MüllerGemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann ändert doch was!)


Das unbefristete Arbeitsverhältnis ist also unser Ziel .

Es stellt sich immer die Frage: Wer hat es erfunden?
Frau Kollegin Hiller-Ohm, um es einzuordnen – ich habe
nachgelesen –: Die erste Erwähnung der sachgrundlo-
sen Befristung gab es 221 nach Christus . Ein römischer
Lohnschreiber gewann vor Gericht; sein Arbeitgeber
war verstorben, und seine Erben durften ihn nicht ent-
lassen . – Das Heilige Römische Reich ist untergegangen,
sachgrundlose Befristung beschäftigt uns noch immer .
Ich glaube, die Themen Befristung und Flexibilität am
Arbeitsmarkt werden uns auch weiterhin beschäftigen .

Wahr ist allerdings auch: Das Gesetz, über das wir de-
battieren und zu dem die Linken und die Grünen Anträge
eingereicht haben, ist nicht 221 nach Christus erfunden
worden, das hat auch nicht Arbeitsminister Blüm 1984
auf den Weg gebracht, nein, das hat Rot-Grün 2001 auf
den Weg gebracht .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: So ist es!)


Das ist die Wahrheit . Ihr habt die sachgrundlose Befris-
tung eingeführt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Immer kurz vor den Wahlen wollt ihr sie wieder abschaf-
fen . Nach den Wahlen wird das wieder vergessen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wo er recht hat, hat er recht!)


Lieber Kollege Ernst, zu dem Optimismus, den du ge-
rade ausgedrückt hast, kann ich dir nicht raten; denn die
erzählen das vor der Wahl, und nach der Wahl wird es
wieder vergessen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Aber nur, weil sie mit euch koalieren müssen!)


– Dürfen .


(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)


Ich bin ein großer Anhänger der Tariflandschaft in
Deutschland . Seit ich an diesem Pult stehen darf, habe
ich immer gesagt: Wir sind durch die Krisen dieses Lan-
des gekommen nicht trotz, sondern wegen der Sozial-
partnerschaft, die wir zwischen Gewerkschaften, also
Arbeitnehmern, und Arbeitgebern haben . Dort haben
wir die Fachleute, die die betriebliche Seite kennen . Hier
sind genügend Kollegen, die sich dort schon engagiert
haben . Schauen wir uns einmal an, wie die Fachleute in
den Betrieben, in den Gewerkschaften mit dem Thema
Befristung umgehen . – Frau Präsidentin, erlauben Sie
mir, dass ich aus dem gültigen Manteltarifvertrag der
IG BCE kurz zitiere:

Befristete oder zweckbestimmte Arbeitsverhältnisse
sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu-
lässig, wobei auf der Grundlage von § 14 Absatz 2
Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sach-
grund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu
48 Monaten ausgedehnt wird .


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir jetzt die IG BCE, oder was?)


Das heißt, bei der tariflichen Mitbestimmung ist man
wesentlich weiter, als wir es gesetzlich machen . Die Kol-
legen vor Ort in den Betrieben, in den Betriebsräten, in
den Gewerkschaften, die in den Wirtschaftsausschüssen
mit den Arbeitgebern sitzen, die Ahnung davon haben,
wie ihre Branche, wie ihr Betrieb funktioniert, gehen so-
gar noch darüber hinaus . Ich glaube an unsere gute Ta-
riflandschaft. Vielleicht sollten wir immer wieder schau-
en, was dort gemacht wird . Die Gewerkschaften und die






(A) (C)



(B) (D)


Betriebsräte vor Ort haben sich, während hier in Berlin
diese Pressemitteilungen verteilt werden, ganz klar für
die sachgrundlose Befristung entschieden . Auch das ist
Teil der Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein zweiter Teil der Wahrheit . Wir haben durchaus her-
vorragende Spezialisten für die bayerische Metall- und
Elektroindustrie hier im Raum . Ich darf dieses Beispiel
einmal herausgreifen: In der bayerischen M+E-Industrie
gibt es 95 Prozent unbefristete Arbeitsverhältnisse . Das
ist die Regel . Das ist auch das Ergebnis einer guten Tarif-
partnerschaft vor Ort . Die Übernahmequote – jetzt kom-
me ich zu der Frage, wofür wir sachgrundlose Befristung
brauchen – liegt nach alter Berechnung bei 58 Prozent .
Nach neuer Art der Berechnung gehen 40 Prozent aus
der Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis . Be-
fristung ist also nicht die Regel, sondern ein atmender
Deckel, eine Möglichkeit, in den ersten Arbeitsmarkt zu
kommen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es die Befristung mit Grund!)


Jetzt stellt sich die Frage: Wer befristet? Befristen
müssen natürlich nicht die Kleinen . Warum? Wenn ich
weniger als zehn Mitarbeiter habe, gilt das Kündigungs-
schutzgesetz nicht . Dann brauche ich diese ganze Befris-
terei nicht . Auch das ist klar . Befristen müssen in dem
Bereich, um den wir uns kümmern, auch nicht die Gro-
ßen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822608500

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?


Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1822608600

Ja, klar .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822608700

Herr Ernst .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822608800

Herzlichen Dank, Kollege Zech, dass Sie die Frage

zulassen . – Das war jetzt ein sehr wichtiger Satz . Sie
haben gesagt: Für die kleinen Betriebe gilt das Kündi-
gungsschutzgesetz nicht .


Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1822608900

Ja .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822609000

Das ist richtig . Die brauchen „diese ganze Befristerei

nicht“ . – Das war jetzt ein wörtliches Zitat . – Ist es dann
nicht so, dass der eigentliche Sinn der Befristung darin
besteht, dass man das Kündigungsschutzgesetz umgeht?
Denn bei den anderen wirkt es . Eine befristete Beschäf-
tigung bedeutet, dass der betreffende Mensch genau den-
selben Job macht wie jemand, der unbefristet beschäftigt
ist, dass er aber, wenn er den Betrieb verlassen muss,

nicht den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes für sich
in Anspruch nehmen kann und dass vor allen Dingen
auch der Betriebsrat bei dieser Kündigung nicht angehört
werden muss, weil es ja faktisch gar keine Kündigung
ist . Insofern – da ist Ihr Satz wirklich richtig – hat eine
sachgrundlose Befristung zwei Seiten .

Der erste Aspekt ist: Eigentlich wird die Probezeit
auf bis zu zwei Jahre ausgedehnt . Probezeiten hatten wir
schon immer . Man muss schließlich sehen, ob jemand
das, wofür er eingestellt wurde, kann . Man wartet also
erst einmal vier Wochen ab; bei Angestellten beträgt die
Probezeit übrigens drei Monate .

Der zweite Punkt ist, dass man nicht nur die Probe-
zeit verlängert, sondern dass der Arbeitgeber schlichtweg
sagt: Ich möchte kündigen dürfen, wann ich will; deshalb
befriste ich und umgehe damit den Kündigungsschutz . –
Das ist der eigentliche Hintergrund . Aber das kann nicht
im Sinne des Erfinders sein. Im Sinne des Erfinders wäre
eine sachliche Begründung . Ein Beispiel ist der Fall der
schwangeren Frau, den Sie erwähnten . Das ist ein sachli-
cher Grund für eine Befristung . Aber hier geht es um die
sachgrundlose Befristung . Die sachgrundlose Befristung
ist einfach nur eine Umgehung der Rechte .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1822609100

Sie haben zwei Punkte angesprochen . Ihre erste Frage

bezüglich der sachgrundlosen Befristung beantworte ich
zuerst . Die entsprechenden Fälle gibt es; auch ich kenne
sie . Wir alle, wie wir hier sitzen, sollten uns da an die
eigene Nase fassen, weil ihr, ihr, ihr und wir in Landes-
regierungen und Ministerien Verantwortung tragen . Vor
allem der öffentliche Dienst ist da ein ganz schlechtes
Beispiel . Wir geben sozusagen das schlechteste Beispiel
ab .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Stimmt!)


Wer die sachgrundlose Befristung bei Planstellen nutzt,
um die Probezeit zu verlängern, hat die Intention des
Gesetzes nicht verstanden . Ein solches Vorgehen ist klar
abzulehnen .

Zum zweiten Punkt, nämlich zu der Frage: Ist die
Zielsetzung von Befristungen die Umgehung des Kün-
digungsschutzes? Nein! Aber richtig ist: In Unterneh-
men, die nicht dem Kündigungsschutz unterliegen, gibt
es einen wesentlich geringeren Anteil an sachgrundlosen
Befristungen; das wollte ich damit sagen . Wir sprechen
hier über die Sandwichposition, über die mittleren Un-
ternehmen. In den großen Unternehmen gibt es tarifliche
Mitbestimmung; ich habe gerade einen Manteltarifver-
trag zitiert . Hier kümmern sich der Betriebsrat und die
Tarifvertragsparteien um dieses Thema . In kleinen Un-
ternehmen kann man die notwendige Flexibilität durch
die Durchführung einfacher, individueller Arbeitsmaß-
nahmen gewährleisten .

Ich glaube, dieses Gesetz hat vor allem mittlere Un-
ternehmen im Blick, die nicht tariflich mitbestimmt sind
und die dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen . Auch
diese Unternehmen brauchen Flexibilität am Arbeits-

Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)


markt, etwa um die Entwicklung eines neuen Produkts
voranzutreiben oder einen neuen Auftrag anzunehmen .
Sie verfügen nämlich nicht über die notwendige Pla-
nungssicherheit; sie wissen nicht, ob sie in drei, vier Jah-
ren immer noch genügend Umsätze haben, um die Mitar-
beiter zu halten . Deswegen gilt für mich: Nein, Kollege
Ernst, das ist keine Umgehung des Kündigungsschutzes,
sondern ein Ja zur Flexibilität .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei diesem Ja zur Flexibilität mache ich weiter . Die
mittleren Unternehmen, über die wir sprechen, sind das
Rückgrat der deutschen Wirtschaft . Dazu gehören das
Handwerk, der Handel und die Familienunternehmer .
Sie befristen nicht aus Jux und Tollerei, sondern deshalb,
weil sie die konjunkturelle Lage nicht planen können .
Ich kann allen Kollegen, die sich momentan bemüßigt
fühlen, unser Land in Armuts- und Konjunkturdebatten
schlechtzureden, sagen: Das wird in der Wirtschaft zur
Kenntnis genommen . In der Wirtschaft hört man auch,
wer hier Überregulierung oder neue Steuererhöhungen
plant . Das führt nicht zwingend zu mehr Planungssicher-
heit, sondern es führt dazu, dass man sich als Unterneh-
mer überlegt: Stelle ich, wie geplant, zwei oder drei wei-
tere Mitarbeiter ein und versuche, ein neues Produkt zu
entwickeln, oder tue ich das nicht?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch das Interesse eines Betriebs, innovativ zu sein!)


Der Staat ist als Arbeitgeber massiv übervorteilt –
Kollege Zimmer hat die entsprechenden Punkte schon
angesprochen; das gilt übrigens vor allem für die Wissen-
schaftsarbeiter –, weil er durch das Budget, das das Par-
lament ja als sein Kernrecht bezeichnet, die Befristungen
für Staatsbetriebe quasi vorgibt, indem er Mittel für Pro-
jekte auf drei, vier oder fünf Jahre befristet . So etwas gibt
es in der Wirtschaft nicht, weil ein Grund wie die kon-
junkturelle Lage, eine Auftragsflaute oder die Planbarkeit
einer Rückstellung vor Gericht nicht als Sachgrund gilt –
was den Staat betrifft, aber schon . Deswegen sage ich:
Wir müssen an die sachgrundlose Befristung heran . Wir
müssen auch an die Befristung heran . Fangen wir bitte
alle damit an! Wir alle sind aufgerufen, in den Ministeri-
en und Regierungen, in denen wir Verantwortung tragen,
dafür zu werben . Der öffentliche Dienst muss hier mit
gutem Beispiel vorangehen . Das tut er momentan nicht .

Lassen Sie mich zum Schluss kommen . Befristung ist
keine Zieldefinition. Keiner hier im Raum möchte Be-
fristungen . Es ist für einen Arbeitnehmer immer das Bes-
te, wenn er ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat . Die
Frage ist: Wie erreichen wir dieses Ziel? Wir glauben,
sozial ist, was Arbeit schafft . Um in Deutschland mehr
Arbeitsplätze zu generieren, braucht man Flexibilität .
Auf dem Weg dorthin ist die sachgrundlose Befristung
ein notwendiges, hilfreiches Konstrukt . Wir sollten an ihr
festhalten, sie aber immer wieder überwachen .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822609200

Als letzter Redner in dieser Aussprache hat Bernd

Rützel für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822609300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber
Tobias, du hast Beifall bekommen, als du gesagt hast, wer
das Gesetz eingeführt hat . Ich erinnere mich ganz genau,
wer dieses Beschäftigungsförderungsgesetz eingeführt
hat, weil ich damals, 1985, dagegen demonstriert habe .
Es war der Bundeskanzler Kohl, der als ersten Schritt in
die Deregulierung des Arbeitsmarktes dieses Gesetz auf
den Weg gebracht und 1985 die sachgrundlose Befris-
tung eingeführt hat, die bis heute gilt .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mit Sachgrund! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nicht sachgrundlos! Das stimmt nicht!)


Manche derjenigen, die vorhin geklatscht haben, wa-
ren im Jahr 1985 übrigens noch gar nicht geboren .


(Tobias Zech [CDU/CSU]: Vier Jahre war ich alt! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Tobias schon! Er war da vier Jahre alt!)


Matthias Zimmer sagt, eine sachgrundlose Befristung
sei überflüssig. Damit hat er recht. Sie ist aber nicht nur
überflüssig, sondern sie ist noch mehr: Sie ist schädlich
und gefährlich . Ich komme später noch einmal darauf
zurück . Liebe Beate Müller-Gemmeke, du hast das auch
schön ausgeführt .

Ich will die Zeit aber auch nutzen, noch einmal den In-
strumentenkasten und den Werkzeugkasten zu erläutern
und zu sagen, was alles zu Befristungen mit Sachgrund
führen kann . Es gibt hier viele Möglichkeiten, zum Bei-
spiel die Befristungen für einen vorübergehenden Be-
darf: in der Erntezeit, in der Weihnachtszeit, wenn eine
neue Maschine oder ein neuer Prozess eingeführt wird .
Das gilt zum Beispiel auch, wenn – lieber Klaus Ernst,
das hast du einmal ausgeführt – eine Ausbildung endet,
um nach der Ausbildung in einen ersten befristeten Ver-
trag zu kommen und somit den Übergang zu sichern .
Vertretungen für Mutterschutz, für Elternzeit, für längere
Erkrankungen, für Abordnungen, wenn jemand im Aus-
land, beurlaubt oder freigestellt ist: Für all diese Umstän-
de kann man befristen .

Weiterhin kann man befristen, wenn die Eigenart des
Berufs bzw . der Arbeitsleistung dies erfordert, zum Bei-
spiel im redaktionellen und im künstlerischen Bereich,
bei Regisseuren, bei Moderatorinnen, bei Schauspielern,
bei Kommentatorinnen, bei Sängern und Sängerinnen,
und auch im Profisport wird befristet.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822609400

Herr Kollege Rützel, der Kollege Zimmer würde ger-

ne eine Zwischenfrage stellen . Lassen Sie sie zu?


Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822609500

Jawohl .

Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822609600

Gut .


Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1822609700

Ganz herzlichen Dank dafür . – Lieber Herr Kollege,

ich habe nur eine Frage: Können wir uns darauf einigen –
vor dem Hintergrund, dass wir von dem postfaktischen
Zeitalter reden, in dem wir ja alle nicht sein wollen –,
hier und heute zwei Dinge festzuhalten, nämlich, dass
die Regierung Helmut Kohl damals eine Befristung mit
Sachgrund und nicht eine sachgrundlose Befristung ein-
geführt hat und dass Saisonarbeitskräfte seit der Ände-
rung der statistischen Erfassung Anfang des Jahrtausends
nicht mehr als Arbeitskräfte gezählt werden, die unter die
sachgrundlose Befristung fallen?


Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822609800

Lieber Kollege Zimmer, das ändert nichts an der Tat-

sache, dass mit diesem Beschäftigungsförderungsgesetz
ein erster Schritt in diesem Bereich gemacht worden ist,
um zu befristen, was eben zu Unsicherheiten im Beschäf-
tigungsverhältnis, auch hinsichtlich des Kündigungs-
schutzes, geführt hat .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist aber keine Antwort auf die Frage!)


So wie ich dich, lieber Matthias, wahrgenommen
habe, denke ich, dass wir auf einer Seite sind und ihr bei
euch nur noch Überzeugungsarbeit leisten müsst .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist keine Antwort auf die Frage!)


Denn in letzter Konsequenz konnten wir in unseren Ko-
alitionsvertrag leider nicht hineinarbeiten, dass wir diese
sachgrundlose Befristung abschaffen .


(Beifall bei der SPD – Kai Whittaker [CDU/ CSU]: Ein einfaches Ja oder Nein hätte gereicht!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822609900

Lieber Kollege, die Kollegin Krellmann möchte auch

noch eine Zwischenfrage stellen .


Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822610000

Ach je .


(Heiterkeit)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822610100

Sie entscheiden .


Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822610200

Gerne!


(Heiterkeit – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Lüg doch nicht!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822610300

Ich weise jetzt trotzdem darauf hin, dass wir heute

noch drei Debatten vor uns haben . Ich bitte, jetzt auch ein

bisschen an die Kolleginnen und Kollegen zu denken, die
in den darauffolgenden Debatten noch sprechen werden .
Es wäre schön, wenn Sie das auch etwas im Blick haben;
denn es wäre nicht gut, wenn hier in eineinhalb Stunden
nur noch fünf oder sechs Kollegen säßen .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine wichtige Debatte hier!)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822610400

Danke, Frau Präsidentin . Bei Ihrem Gesichtsausdruck

habe ich schon ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich
eine Frage stelle .


(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Fragen!)


Ich kann das, was Herr Zimmer gesagt hat, nur be-
stätigen . Ich sehe das ganz genauso . Damals wurde das
Beschäftigungsförderungsgesetz eingeführt . Herr Blüm
als Arbeitsminister hat sich dafür gefeiert, dass es ab
dem genannten Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben hat,
mit Sachgrund befristete Verträge abzuschließen . Die
sachgrundlose Befristung hingegen ist im Rahmen der
Agenda 2010 durch Rot-Grün eingeführt worden, nichts
anderes .

Jetzt zu meiner konkreten Frage . Haben Sie regis-
triert – Sie haben ja das Thema Ausbildung angespro-
chen –, dass Gewerkschaften gerade für die Abschaffung
von Befristungen ohne Sachgrund bei der Übernahme
nach Beendigung der Ausbildung kämpfen? Das haben
viele Gewerkschaften auch schon erreicht. Das finde ich
ganz toll für die jungen Menschen, die eine betriebliche
Ausbildung machen . Das ist das Ziel mit Blick auf die
Auszubildenden im Betrieb, nichts anderes . Abschaffung
der sachgrundlosen Befristung und fertig!


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Bernd Rützel (SPD):
Rede ID: ID1822610500

Ich kann auf die Frage ganz leicht und schnell antwor-

ten, denn es gilt: Wer nachliest, hat mehr davon . „Ge-
schichte befristeter Beschäftigungsverhältnisse“ – wir
sind ja jetzt in der Geschichtsstunde –:

Die erste Etappe der Deregulierung begann 1985
mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz, mit dem
zum ersten Mal Arbeitsverträge ohne sachlichen
Grund befristet werden konnten .


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: So ist es! Helmut Kohl! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Genau so! Helmut Kohl war das!)


Jetzt kann sich jeder ein Urteil bilden .


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: Und Martin Schulz wird es wieder ändern! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Welche Quelle?)







(A) (C)



(B) (D)


– Das stammt von der Bundeszentrale für politische Bil-
dung; das Internet speichert alles . Ich drucke mir das je-
den Tag dreimal aus .


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: Herr Kollege Zimmer, genau zuhören!)


Die Eigenart der Arbeitsleistung habe ich aufgezeigt .
Auch die Erprobung ist in diesem Zusammenhang zu
nennen . Wenn ich jemanden einstellen muss, aber nicht
weiß, ob er zu uns passt, dann gilt auch hier, dass der Ver-
trag zur Erprobung, zum Beispiel für drei Monate, mit
Sachgrund befristet werden kann . Ich kann einen Vertrag
auch befristen, wenn die Gründe in der Person des Ar-
beitnehmers liegen, zum Beispiel bei einer Tätigkeit von
Studierenden in den Semesterferien, bei einer vorüber-
gehenden Beschäftigung bis hin zur Altersrente oder im
Falle einer befristeten Aufenthaltserlaubnis .

Gott sei Dank ist es angesprochen worden: Ja, im öf-
fentlichen Dienst – darüber haben wir debattiert – wer-
den oftmals Verträge mit Befristungen abgeschlossen .
Aber es gibt ein Sonderbefristungsrecht des öffentlichen
Dienstes . Der öffentliche Dienst könnte mit Sachgrund
ordentlich befristen, wenn es die Haushaltsmittel recht-
fertigen .

Ich will zusammenfassend sagen, dass diese sach-
grundlosen Befristungen – jeder zweite befristete Vertrag
enthält eine sachgrundlose Befristung – die Menschen
krank und frustriert machen, dass sie Lebenschancen
und Perspektiven verbauen, dass es zu weniger Fortbil-
dungs- und Qualifizierungsmaßnahmen kommt und dass
dadurch der Kündigungsschutz durch die Hintertür aus-
gehöhlt wird .

Deswegen sprechen mir diese beiden Anträge von den
Grünen und von den Linken aus dem Herzen . Sie haben
mit Ihren Anträgen natürlich recht . Der Vorsitzende der
SPD und unser Kanzlerkandidat Martin Schulz


(Dr . Matthias Bartke [SPD]: Guter Mann! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Guter Mann! – Katja Mast [SPD]: Guter Mann!)


hat diese Probleme aufgegriffen und das Thema deutlich
angesprochen . Und das wird auch umgesetzt werden .
Das sind wirklich Herzensanliegen . Über die zu sprechen
werden wir sicherlich im Wahlkampf die eine oder ande-
re Möglichkeit haben .

Ich will die letzten paar Sekunden meiner Redezeit
dafür nutzen, um deutlich zu machen, was eine Koali-
tion ist . Eine Koalition bedeutet: Man setzt sich zusam-
men und lotet Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus .
Man ist sich aber auch treu und vertraut einander und
stimmt auch Vorschlägen des Partners zu . Das gilt nicht
für diesen Tagesordnungspunkt . Ich denke an das Thema
Pkw-Maut, das wir heute Morgen behandelt haben und
bei dem wir vertragstreu gewesen sind,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie sich schon nicht mit Ruhm bekleckert!)


was ich aber auch umgekehrt erwarte . Auch die Wähle-
rinnen und Wähler fordern das zu Recht .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Viele von euch haben mit uns gestimmt!)


Sie sagen: Macht eine gute Politik, und schmeißt nicht al-
les hin . – Das sage ich an die Adresse des Koalitionspart-
ners, falls es einmal zu einer anderen Politik in diesem
Lande kommen sollte .

Wer weiß: Vielleicht gibt es nach der Bundestagswahl
Konstellationen, die es möglich machen, diese sach-
grundlose Befristung endlich abzuschaffen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822610600

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich

die Aussprache .

Wir kommen zu den Überweisungen . Interfrakti-
onell wird Überweisung der Vorlagen auf Drucksa-
chen 18/11598 und 18/11608 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall, dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen .

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 29:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Teilhabebericht der Bundesregierung über die
Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchti-
gungen 2016

Drucksache 18/10940
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Sportausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache, und als erste Rednerin in
dieser Aussprache hat die Parlamentarische Staatssekre-
tärin Gabriele Lösekrug-Möller das Wort .


(Beifall bei der SPD)


G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1822610700


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es
um diesen dicken Bericht . Es ist der zweite Bericht der
Bundesregierung darüber, wie Menschen mit Beeinträch-
tigungen in Deutschland leben, also Menschen, die schon
lange krank sind, nicht sehen oder hören können, oder
denen es seelisch nicht gut geht . Aber es gehören auch

Bernd Rützel






(A) (C)



(B) (D)


Menschen dazu, die schwierige Texte nicht so schnell
verstehen oder nicht gut lesen können . Und weil es heute
auch um all diese Menschen geht, versuche ich jetzt, den
Teilhabebericht möglichst einfach zu erklären, damit es
auch viele verstehen können .

Dieser dicke Bericht hat mehr als 500 Seiten und ist
sehr genau . Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerin-
nen haben daran lange gearbeitet . Der Bericht beschreibt,
wie es den 12 Millionen Menschen mit Beeinträchtigun-
gen in unserem Land geht . Ja, so viele Menschen sind es .
Wenn wir alle, die in Deutschland leben, zählen würden,
wäre jede oder jeder Sechste Teil dieses Berichts .

Das wichtigste Ergebnis will ich zuerst nennen: Men-
schen mit Beeinträchtigungen sind und leben so unter-
schiedlich wie Menschen ohne Beeinträchtigungen .
Unser gemeinsames Ziel ist es ja, dass Menschen mit
Beeinträchtigungen genauso leben und arbeiten können
wie Menschen ohne Beeinträchtigungen . Der Bericht be-
schreibt, dass wir schon besser geworden sind, aber unser
Ziel noch nicht erreicht haben . Ganz genau beschreibt er
die Jahre von 2005 bis 2014 .

Und was steht in dem Bericht? In seinem ersten Teil
gibt es ganz viele Zahlen und Informationen . Zum Bei-
spiel: Wie viele Menschen in Deutschland haben eine
Beeinträchtigung, und wie ist ihr Leben? Im zweiten Teil
beschreibt der Bericht ganz ausführlich, wie das Leben
von Menschen mit Beeinträchtigungen in unserem Land
aussieht . Wie ist das mit dem Familienleben, den Nach-
barn und den Freunden? Wie ist das mit Schule und ei-
ner Berufsausbildung? Wie sieht es aus mit Arbeit und
Bezahlung? Und wie selbstbestimmt wohnen und leben
Menschen mit Beeinträchtigungen? Und es geht um Ge-
sundheit, um Freizeit, um Kultur und Sport, um Schutz
vor Gewalt und um Mitmachen in der Politik . Das nennt
man Lebenslagen, und zu jedem Thema wird berichtet,
was ist und was besser werden muss .

Das Ergebnis steht in zwei schwierigen Sätzen gleich
auf Seite 1, und die will ich eben lesen:

Insgesamt zeigt sich, dass die Teilhabe von Men-
schen mit Beeinträchtigungen in vielerlei Hinsicht
noch immer eingeschränkt ist .

Und:

Hierbei gilt häufig: Je schwerer die Beeinträchti-
gungen, desto geringer die Teilhabechancen .

Wenn ich das übersetze, heißt das: Wir müssen noch
sehr viel tun, damit Menschen mit Beeinträchtigungen
mitten in unserer Gesellschaft leben können wie alle
Menschen auch .

Und: Wer ganz stark beeinträchtigt ist, also zum Bei-
spiel langsam lernt oder nicht schnell versteht und im
Rolli sitzt, der oder die hat es ganz besonders schwer .
Und das ist nicht in Ordnung! Das wollen wir ändern .
Daran arbeiten wir;


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


denn seitdem der Bericht geschrieben wurde, ist viel pas-
siert . Wir haben gute Gesetze gemacht, zum Beispiel das

Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesteil-
habegesetz . Aber es dauert noch, bis alle guten Regeln
im Alltag ankommen . Das gilt zum Beispiel für Infor-
mationen in leichter Sprache . Das gilt für unabhängige
Beratung .

Es funktionieren aber auch schon ein paar Sachen .
Das ist die bessere Bezahlung für Beschäftigte in Werk-
stätten und das Recht, mehr zu sparen .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow! Die kriegen jetzt 56 Euro!)


Das sind nur einige Beispiele für Verbesserungen, über
die hier im Bundestag abgestimmt wurde .

Sehr geehrte Damen und Herren, in dem Bericht steht
auch viel darüber, wie wir in Deutschland die Behinder-
tenrechtskonvention umsetzen . Das ist ein Vertrag, der
Menschen mit Behinderungen in sehr vielen Ländern auf
der Welt helfen soll, auch bei uns in Deutschland . Diesen
Vertrag wollen wir nach und nach und Stück für Stück
erfüllen . Das ist eine Aufgabe für alle: für die Bundesre-
gierung, für alle Bundesländer, aber auch für alle Städte
und Dörfer .

Überall werden dazu Pläne gemacht, was passieren
muss . Auch die Bundesregierung hat an ihrem Plan wei-
ter geschrieben und ist dabei, immer mehr ohne Barrieren
zu machen, zum Beispiel im Internet und beim Bauen .
Dazu werden wir auch in diesem Jahr im November bei
den Inklusionstagen in Berlin mit vielen beraten und dis-
kutieren .

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt noch viel zu
tun, bis wir in Deutschland inklusiv sind . Das gelingt uns
nur, wenn wir alle zusammenarbeiten: die Menschen mit
und ohne Beeinträchtigung, die, die Politik machen, die
in Verwaltungen arbeiten, die Chefs von Unternehmen,
die Schwerbehindertenvertretungen und die, die in Ver-
einen mitmachen, die Jungen und die Alten – eben alle .

Ich bin sicher: Der nächste Bericht – und der kommt,
weil: dazu sind wir verpflichtet – wird wieder dick, weil
es so viel zu beschreiben gibt . Und ich hoffe, dass er von
Verbesserungen berichten wird . Denn daran arbeiten wir
gemeinsam .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Schluss: Was ich gut finde, ist, dass dieser Be-
richt als barrierefreies Dokument im Internet auf der Sei-
te des Ministeriums für Arbeit und Soziales stehen wird,
also für Menschen, die nicht gut sehen können, trotzdem
lesbar und hörbar ist. Und was ich auch gut finde, ist,
dass es das Wichtigste des Berichtes auch in leichter
Sprache geben wird .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822610800

Vielen Dank . – Katrin Werner hat als nächste Redne-

rin das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)


Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller






(A) (C)



(B) (D)



Katrin Werner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822610900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Wir debattieren heute über den Teilhabebe-
richt der Bundesregierung, der die Entwicklung der ge-
sellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderun-
gen in Deutschland darstellt . Als Fazit stellt der Bericht
fest, dass es in manchen gesellschaftlichen Bereichen
Verbesserungen und in anderen Verschlechterungen gibt .

Aber bei genauerem Hinsehen entdeckt man massive
Diskriminierungen und zahlreiche Barrieren . Menschen
mit Behinderungen werden in vielen gesellschaftlichen
Bereichen an ihrer Teilhabe gehindert . Daran muss sich
dringend etwas ändern .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es beginnt bereits in der Schule: Immer noch wird
der überwiegende Teil der Schülerinnen und Schüler mit
sogenanntem sonderpädagogischen Bedarf an Förder-
schulen unterrichtet . Sie werden damit vom Unterricht in
der Regelschule ausgeschlossen . 71 Prozent aller Schü-
lerinnen und Schüler, die eine Förderschule besuchen,
erreichen keinen Hauptschulabschluss . Das zeigt, wie
unterschiedlich die Bildungschancen von Menschen mit
und ohne Behinderungen sind, und das hat enorme Aus-
wirkungen auf den weiteren Lebenslauf und damit auch
auf die Teilhabechancen in allen Lebensbereichen .

Meine Damen und Herren, die Ausgrenzung muss
endlich ein Ende haben . Wir brauchen ein besser ausge-
stattetes Bildungssystem, in dem alle Schülerinnen und
Schüler mit und ohne Behinderungen von Anfang an ge-
meinsam miteinander lernen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Ausgrenzung in der Bildung hat enorme Auswir-
kungen für den weiteren Lebensweg . Besonders in der
Arbeitswelt sind Menschen mit Behinderungen aufgrund
ihrer schlechteren Bildungschancen ausgeschlossen . Die
Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinde-
rungen liegt seit Jahren stabil 5 Prozentpunkte über der
allgemeinen Arbeitslosenquote .

Menschen mit Behinderungen sind länger arbeitslos .
Sie haben größere Sorgen um ihre wirtschaftliche Lage
und bestreiten ihren Lebensunterhalt selten aus ihrem
Erwerbseinkommen . Diese Ergebnisse sind sehr alarmie-
rend . Es muss endlich um einen inklusiven ersten Ar-
beitsmarkt gehen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist nicht alles . Auch die Zahl der Beschäftigten
in Werkstätten für behinderte Menschen steigt seit Jah-
ren . Inzwischen sind über 300 000 Menschen in diesen
Einrichtungen beschäftigt und damit vom allgemeinen
Arbeitsmarkt, von tariflicher Entlohnung und auch vom
Mindestlohn ausgeschlossen . Das ist problematisch, weil
diese Sondereinrichtungen zumeist fernab der Öffent-
lichkeit existieren. Dadurch bleiben Missstände häufig
unentdeckt . Genau das hat vor kurzem die Recherche
vom Team Wallraff auf RTL gezeigt . Es schaut niemand

hin, wenn Menschen mit Behinderung drangsaliert und
schikaniert werden . Es schaut niemand hin, wenn Werk-
stätten ihrem Bildungsauftrag nicht nachkommen und
Beschäftigte stattdessen eintönige Industrieaufträge
abarbeiten müssen .

Außerdem verhindern genau diese geschlossenen
Systeme, dass Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt
wechseln. Weniger als 1 Prozent finden den Weg aus ei-
ner Werkstatt auf diesen Arbeitsmarkt . Deshalb muss es
endlich darum gehen, das System der Ausgrenzung ab-
zuschaffen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da reicht es auch nicht, sich auf das Budget für Ar-
beit zu berufen, durch das der Arbeitgeber einen Lohn-
zuschuss erhält, wenn er Werkstattbeschäftigte einstellt .
Damit wird zwar der Übergang aus der Werkstatt auf den
allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtert . Aber selbst die
Bundesregierung geht im Bundesteilhabegesetz von kei-
nen großen Effekten aus . Lediglich 1 Prozent der Werk-
stattbeschäftigten soll – so ist die Annahme der Regie-
rung – das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen und
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln; das können
Sie in Ihrem Kabinettsentwurf auf Seite 216 nachlesen .
Das ist angesichts der sehr hohen Anzahl an Werkstattbe-
schäftigten nur ein Tropfen auf den heißen Stein .

Es ist dringend notwendig, den allgemeinen Arbeits-
markt inklusiver zu gestalten, um die Bedingungen für
Menschen mit Behinderungen insgesamt zu verbessern .
Unternehmen müssen stärker verpflichtet werden, Men-
schen mit Behinderungen zu beschäftigen . Dazu ist zum
Beispiel eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe dringend
notwendig . Es muss aufhören, dass sich Unternehmen
billig freikaufen können, statt Menschen mit Behinde-
rungen zu beschäftigen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes ist
längst überfällig . Das lässt sich an einem anderen und,
wie ich finde, auch sehr erschreckenden Ergebnis able-
sen . Das Armutsrisiko von Menschen mit Behinderungen
hat sich in den letzten Jahren erhöht . 2005 waren es noch
13 Prozent . Acht Jahre später, 2013, ist es auf 20 Pro-
zent gestiegen . Im Vergleich dazu war das Armutsrisiko
von Menschen ohne Behinderungen im gleichen Jahr mit
rund 13 Prozent deutlich niedriger . Auch diese Entwick-
lung muss dringend gestoppt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu ist es notwendig – ich sage das noch einmal –, die
Sonderwelten abzuschaffen; denn dort werden Menschen
aus der Mitte der Gesellschaft ausgeschlossen .

Wir brauchen an erster Stelle ein inklusives Bildungs-
system, in dem alle Schülerinnen und Schüler von An-
fang an gemeinsam voneinander und miteinander lernen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Wir brauchen einen inklusiven Arbeitsmarkt, der für alle
Menschen gleichermaßen zugänglich ist . Wir brauchen
Teilhabeleistungen sowie Leistungen der persönlichen
Assistenz in allen Bereichen, die unabhängig vom Geld-
beutel der Betroffenen gewährt werden und alle Men-
schen in die Lage versetzen, gleichberechtigt am gesell-
schaftlichen Leben teilzuhaben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Risiko der älteren Menschen mit Beeinträchtigun-
gen, in Armut abzurutschen, ist ebenfalls stark gestiegen .
Dieses Problem wird sich in den kommenden Jahren
noch verschärfen; denn unsere Gesellschaft wird immer
älter . In den kommenden Jahren werden immer mehr
Menschen mit Behinderungen Altersrente beziehen, und
die gesetzliche Rente ist in den vergangenen Jahren wei-
ter ausgehöhlt worden . Diese Trends müssen umgekehrt
werden . Wir brauchen dringend eine solidarische Min-
destrente in Höhe von 1 050 Euro .


(Beifall bei der LINKEN)


Was hinzukommt, ist der enorme Mangel an barriere-
freien Wohnungen in Deutschland . Bis 2030 werden über
2 Millionen zusätzliche barrierefreie Wohnungen ge-
braucht, und das nur für Menschen im Alter über 65 Jah-
re . Diese Probleme lösen sich nicht von selbst . Sie müs-
sen angepackt werden . Deshalb ist es wichtig, dazu eine
neue Offensive der sozialen Gerechtigkeit zu starten .

Das kürzlich verabschiedete Bundesteilhabegesetz
wird kaum etwas an den Problemen und der Ausgren-
zung sowie der Diskriminierung von Menschen mit
Behinderungen in unserer Gesellschaft ändern . Ehrlich
gesagt, ich halte es für einen Etikettenschwindel . Das
Gesetz schafft eben keine bundesweite, einheitliche Teil-
habe von Menschen mit Behinderungen . Sie haben wei-
ter 16 Systeme, untergliedert in kommunale Ebenen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822611000

Frau Werner, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?


Katrin Werner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822611100

Ich bin gleich am Ende, und ich möchte in Anbetracht

dessen, dass wir noch einen Tagesordnungspunkt behan-
deln, keine Frage zulassen .


(Zuruf von der SPD: Aber immer laut lachen, wenn andere keine zulassen!)


Das Bundesteilhabegesetz schafft nicht die not-
wendigen Änderungen . Sie gehen damit nicht die gro-
ßen Probleme an . Weder das Bildungssystem noch der
Arbeitsmarkt, noch das Gesundheitssystem oder der
Wohnungsmarkt wird durch dieses Gesetz nennenswert
inklusiver . Nach jahrelangen Diskussionen über das Bun-
desteilhabegesetz, jahrzehntelangen Kämpfen von Be-
troffenen und einem umfangreichen Beteiligungsprozess
empfinde ich es, ehrlich gesagt, als eine Schande.

Zum Schluss: Wissen Sie, am Sonntag ist der achte
Jahrestag des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechts-
konvention in Deutschland . Für nächstes Jahr hätte ich
eine Bitte: Lassen Sie diesen Tag im nächsten Jahr zu

einem echten Grund zum Feiern werden . Hören Sie end-
lich auf, die Rechte von Menschen mit Behinderungen
unter Kostenvorbehalte zu stellen! Schaffen Sie eine vol-
le Teilhabe für alle Menschen! Nehmen Sie diesen Teil-
habebericht ernst, lesen Sie ihn ganz genau, und bringen
Sie die wichtigen Dinge voran!

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1822611200

Danke . – Als nächster Redner hat Uwe Schummer das

Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1822611300

Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Her-

ren! Der zweite Teilhabebericht der Bundesregierung
beschäftigt sich mit Zahlen, die schwerpunktmäßig bis
2014 erhoben wurden . Wie bereits im ersten Teilhabebe-
richt, den wir 2013 öffentlich diskutiert haben, sehen wir,
dass die Inklusion bei Kindern gut gelingt; denn 91 Pro-
zent der Kinder mit Behinderungen in Deutschland gehen
in Regelkindertagesstätten und Regelkindergärten und
werden dort entsprechend gefördert .

Wir sehen aber auch: Je älter die Kinder werden, des-
to geringer die Inklusion . Das manifestiert sich in den
Regelschulen, sowohl den Grundschulen als auch den
weiterführenden Schulen, in die nur etwa 37,7 Prozent
der behinderten Jugendlichen gehen . Ich warne aber auch
davor, Fördereinrichtungen generell zu verurteilen . Auch
in Fördereinrichtungen wird guter pädagogischer Unter-
richt geleistet


(Beifall bei der CDU/CSU)


und werden Menschen so gestärkt, dass sie ihren Bil-
dungsabschluss erreichen können und auf dem Arbeits-
markt eine Chance haben . Deshalb sollte man das Kind
nicht mit dem Bade ausschütten, sondern wir sollten dif-
ferenzieren und schauen, wie die Fördermöglichkeiten
verbessert werden können .

Wenn wir die Teilhabe in den Regeleinrichtungen
weitgehend umsetzen wollen, dann ist das nicht alleine
Aufgabe des Bundes . Wir müssen mit den Ländern und
mit den Schulträgern in den Kommunen reden . Dann
müssen die Lehrer entsprechend ausgebildet sein, dann
müssen die Räumlichkeiten vorhanden sein, und dann
muss die Barrierefreiheit gegeben sein .


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Und die brauchen noch mehr Lehrer!)


Es ist also nicht Alleinstellungsmerkmal des Bundes, für
Inklusion zu sorgen, sondern wir können erwarten, dass
dieses Gemeinschaftsprojekt – Umsetzung der UN-Be-
hindertenrechtskonvention – von Bund, Ländern und
Kommunen mitgetragen wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Katrin Werner






(A) (C)



(B) (D)


Auf dem ersten Arbeitsmarkt sind 1,1 Millionen Men-
schen mit Behinderungen beschäftigt . Es gibt immer
noch das Vorurteil, dass Menschen, die behindert sind,
öfter krank werden . Der Teilhabebericht spricht eine an-
dere Sprache . Er legt dar, dass 30 Prozent der Menschen
mit Behinderungen sich in einem Jahr nicht einen Tag
krank gemeldet haben und dass sie offenkundig eine
hohe Motivation haben . Es ist aber auch so, dass mit der
Beschäftigung von behinderten Menschen generell die
Humanisierung der Arbeitswelt gefördert wird, auch für
die nicht behinderten Beschäftigten . Man muss sich vor
Augen halten: In der Gruppe der erwerbstätigen behin-
derten Menschen sind es 30 Prozent, die in einem Jahr
nicht einen Tag krank waren, in der allgemeinen Arbeit-
nehmerschaft sind es 23 Prozent, die keinen Tag krank
waren .

Es gibt in den Integrationsfirmen 11 000 Mitarbeiter
mit Beeinträchtigungen . Insgesamt gibt es 850 Integrati-
onsbetriebe mit über 33 000 Beschäftigten . Die Koaliti-
on hat als Ergebnis der Staatenprüfung in Genf – geprüft
wurde die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
vention – zusätzlich 150 Millionen Euro für ein Pro-
gramm zur Förderung von Integrationsunternehmen zur
Verfügung gestellt . Wir haben gemerkt, dass in einigen
Bundesländern ein Moratorium dazu geführt hatte, dass
Integrationsfirmen mit sinnvollen Ideen auf dem ersten
Arbeitsmarkt keine Chance mehr hatten, weil ihnen das
Geld fehlte . Der Bund hat dieses Geld aus seinen Mitteln
zusätzlich bereitgestellt .


(Beifall der Abg . Antje Lezius [CDU/CSU])


Wir merken, dass dieses Instrument zur Förderung
von Integrationsfirmen auf dem ersten Arbeitsmarkt –
Stichwort: Mindestlöhne mit entsprechenden tariflichen
Vereinbarungen – auch eine Lotsenfunktion für andere
Unternehmen hat. Diese Integrationsfirmen wissen, wie
man mit psychisch erkrankten Arbeitnehmern, die sich
etwas hinzuverdienen wollen, umgeht . Unternehmen mit
einer Quote von 30, 35 Prozent beschäftigter behinderter
Menschen können bei einem entsprechenden Produk-
tivitätsausgleich und einem Lohnkostenzuschuss ihre
Marktfähigkeit erhalten .

Eine weitere Konsequenz aus dem Ziel, auf dem ers-
ten Arbeitsmarkt stärker Inklusion zu entwickeln, war,
die Kompetenz der Schwerbehindertenvertretungen zu
stärken . Wir haben dafür gesorgt, dass sie mehr Zeit
haben, um zu beraten: nicht nur die schwerbehinderten
Menschen in einem Unternehmen, sondern auch dieje-
nigen, die an der Schwelle zum Berufsleben stehen, und
Menschen, die vielleicht Integrationsmaßnahmen, ein
betriebliches Eingliederungsmanagement, etwa nach
einer chronischen Erkrankung, und weitere Instrumente
brauchen, damit ihre Produktivität und ihre Lebenskraft
nicht weiter sinken . Die Humanisierung der Arbeitswelt
auf dem ersten Arbeitsmarkt muss stärker gelebt werden .
Da sind die Schwerbehindertenvertretungen ein ganz
wichtiges Instrumentarium . Deshalb haben wir es insge-
samt gestärkt . Ermöglicht wurden mehr Freistellungen,
mehr Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten .

Wir haben aber auch dafür gesorgt, dass die stellver-
tretenden Vertrauensleute aufgewertet werden, dass man

mehr im Team arbeiten kann und dass, bevor sich ein
Unternehmen von einem schwerbehinderten Menschen
durch Kündigung trennt, erst einmal die Schwerbehin-
dertenvertretung zu informieren ist und dass darüber be-
ratschlagt wird, wie eine weitere Beschäftigung im Un-
ternehmen stattfinden kann.


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An wesentlichen Punkten haben Sie leider nichts geändert!)


43 Prozent der Frühverrentungen heute finden nicht
wegen Herz-Kreislauf-Problemen oder kaputter Kno-
chen statt, sondern aufgrund von psychischen Erkran-
kungen . Deshalb ist es so wichtig, mit den Unternehmen,
mit den Schwerbehindertenvertretern Frühwarnsysteme
gegen Burn-out zu installieren und auch ein entsprechen-
des Gesundheitsmanagement zu organisieren . Da sind
sie unsere natürlichen Bündnispartner . Sie wissen, wie
man mit behinderten Menschen in einem Unternehmen
produktiv arbeiten kann, weil sie die Konzepte kennen
und auch wissen, wie diese Konzepte finanziert werden
können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Unser Teilhabebericht enthält eine sehr positive Bot-
schaft: Die Zahl der Betriebe, die keinen schwerbehin-
derten Mitarbeiter beschäftigen, ist seit 2002 von 58 219
auf 39 101 gesunken . Wir wissen, dass im Rahmen der
Initiative „Wirtschaft inklusiv“ Tausende von Beratun-
gen von Unternehmern darüber stattfinden, wie behinder-
te Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt angestellt und
gefördert werden können . Durch diese Initiative wurden
bereits 1 600 neue Stellen für die Gruppe, die wir heute
in besonderer Weise im Blick haben, geschaffen . Es gab
zur Förderung von Inklusion viele runde Tische von Be-
triebsräten, Personalräten, Arbeitgebern, also von Vertre-
tern der Arbeitnehmerschaft und der Wirtschaft .

Die Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Men-
schen sinkt in Deutschland seit drei Jahren stärker als
die allgemeine Arbeitslosigkeit . Auch das ist eine gute
Nachricht, die letztendlich aus dem, was im Teilhabebe-
richt dargestellt ist, aber auch aus der konkreten politi-
schen Arbeit resultiert . Im Februar 2017 waren 168 964
schwerbehinderte Menschen weniger als im Vorjahr
arbeitslos . Der Rückgang der Anzahl arbeitsloser aner-
kannt schwerbehinderter Menschen liegt damit bei etwa
5,8 Prozent; der Rückgang der Anzahl Langzeitarbeitslo-
ser liegt dagegen bei etwa 5 Prozent .

Aber: Das Armutsrisiko Schwerbehinderter ist höher .
Deshalb war es wichtig, dass bei der Behandlung dieses
Themas über das Bundesteilhabegesetz die Einkom-
mens- und Vermögensgrenzen angepasst wurden . Das
war ein ganz konkreter Schritt, der das Armutsrisiko ver-
ringern wird . 40 Prozent der behinderten Menschen kön-
nen ihren Unterhalt selbst verdienen, während dies in der
Gruppe der allgemeinen Arbeitnehmerschaft 74 Prozent
sind . Deshalb: Die Freistellung von 30 000 Euro Jah-
reseinkommen brutto von der Steuer wird dafür sorgen,
dass von den 70 000 Menschen, die anerkannt schwer-
behindert und erwerbstätig sind – sie müssen heute ihre
Eingliederungshilfe sozusagen mitfinanzieren –, zukünf-

Uwe Schummer






(A) (C)



(B) (D)


tig zwei Drittel gar keine Mitfinanzierung mehr leisten
müssen .

Die Anhebung der Vermögensfreigrenze auf
50 000 Euro ist ebenfalls ein ganz zentraler wichtiger
Schritt . Die Anrechnung des Einkommens der Ehepart-
ner und Ehepartnerinnen wird abgeschafft, sodass Liebe
nicht mehr mit Armut Hand in Hand gehen muss .

Die Zahlen im Teilhabebericht stammen aus dem
Jahr 2014 . Viele Maßnahmen, die wir 2016 und 2017
beschlossen haben, werden in den nächsten zwei Jahren
in Kraft treten, das Budget für Arbeit etwa 2018 . Ich bin
von daher sicher, dass wir auf der Grundlage des nächs-
ten Teilhabeberichts sozusagen die Früchte dieser inten-
siven Arbeit dieser Koalition zur Inklusion, dieser Bun-
despolitik miteinander debattieren werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Kerstin Tack [SPD])



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822611400

Vielen Dank, Herr Kollege Schummer . – Als Nächste

hat das Wort Corinna Rüffer vom Bündnis 90/Die Grü-
nen .


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822611500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir reden heute über die Lebenssituation von
Menschen mit Behinderungen . Das ist so eine Sache .
Ich möchte mit einer Mail einsteigen, die meine Kolle-
gin Elisabeth Scharfenberg kürzlich erreichte . Die Mail
stammt von einer 52-jährigen Frau mit Behinderung .
Diese Frau hat geschrieben:

Ich wurde nach einem Knochenbruch . . . gegen mei-
nen Willen in ein Altenheim abgeschoben . . . . Jeden
Tag werde ich von einer anderen Person gewaschen,
oft bei geöffneter Tür . Ich werde komplett fremdbe-
stimmt, das Essen ist ungenießbar . . . Ich liege nur
im Bett rum und muss schauen, wie der Tag rum-
geht . . . . Alles wird über meinen Kopf gegen meinen
Willen bestimmt . . . Immer soll ich alles dankbar ak-
zeptieren . So habe ich mir mein Leben nicht vorge-
stellt . Das ist menschenunwürdig und inakzeptabel .

Diese Frau hat recht . Das ist menschenunwürdig, und das
ist inakzeptabel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn ich mir überlege, was wir hier in den letzten Jah-
ren getan haben, um so etwas zu verhindern, dann muss
ich zugeben: Ich schäme mich . Wir haben im Dezember
ein Teilhabegesetz verabschiedet, mit dem es nach wie
vor möglich ist, behinderte Menschen gegen ihren Willen
in Heime einzuweisen, in Heime zu zwingen, obwohl wir
wissen, dass behinderte Menschen, die in Einrichtungen
leben, mehr von Gewalt betroffen sind als die Durch-
schnittsbevölkerung . Das steht im Teilhabebericht, und
so stand es auch im letzten Teilhabebericht . Darüber wird
Gott sei Dank, glücklicherweise immer häufiger öffent-
lich berichtet .

Sicher haben einige von Ihnen vor gut einem Monat
den Bericht von Team Wallraff gesehen; Katrin Werner
hat es vorhin erwähnt . Ich bin sicher: Wenn Sie ihn gese-
hen haben, dann waren Sie ebenso schockiert wie ich . Da
werden Menschen brutal behandelt . Ihnen wird ein Bein
gestellt . Sie werden schikaniert . Es war die Rede von ei-
nem Spastiker, den man regelmäßig gedemütigt hat, nur
weil er sich so bewegt hat, wie er sich bewegt . Er musste
allein im dunklen Zimmer sitzen, bekam keinen Kuchen,
und die Liste der Strafen ist lang .

Das sind leider nicht nur Einzelfälle . Die Staatsan-
waltschaft ermittelt mittlerweile gegen eine Einrichtung
der Lebenshilfe in Speyer . Das ist auch richtig und gut
so . Aber es ist schlimm, dass vorher niemand hingeguckt
hat .

Wie gesagt, es geht nicht nur um Einzelschicksale . Vor
zwei Jahren waren wir mit einer Delegation aus Deutsch-
land bei den UN . Die erste Staatenprüfung hat damals
stattgefunden . Wir wurden genau auf diese Punkte hinge-
wiesen . Verändert hat sich aber leider nichts . So kann es
echt nicht weitergehen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,
Sie hatten in den letzten drei Jahren wirklich alle Chan-
cen . Sie haben diese Chancen nicht genutzt . Das Teilha-
begesetz wird die Situation von behinderten Menschen
in diesem Land vermutlich an kleinen Stellen ein wenig
verbessern, aber das ist ein bisschen so, wie wenn man
einen großen Kuchen vor sich hat, aber nur Krümel ab-
bekommt . Das ändert nämlich nichts daran, dass es wei-
terhin Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten gibt . Man
stößt auf diese Ungerechtigkeiten, auf diese Grausamkei-
ten, wenn man Kontakt zu Menschen mit Behinderun-
gen hat oder wenn man selber eine Behinderung hat . Es
wäre gut, wenn im nächsten Deutschen Bundestag mehr
Menschen mit Behinderungen vertreten wären, um hier
in eigener Sache sprechen zu können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch einmal konkret werden und auf die
Situation behinderter Geflüchteter und Asylsuchender zu
sprechen kommen . Der Teilhabebericht – das ist gut –
widmet dieser Personengruppe ein ganzes Kapitel . Ein
konkretes Beispiel: Ich habe vor ziemlich genau einem
Jahr einen gehörlosen Syrer kennengelernt, der hier in
Deutschland Asyl beantragt hat . In der letzten Woche
sollte die Anhörung beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge stattfinden. Obwohl dem Bundesamt mehr-
fach mitgeteilt wurde, dass dieser Mensch gehörlos ist,
stand kein Gebärdendolmetscher zur Verfügung . Und
dann passierte der Skandal . Er kam zum Bundesamt .
Die haben ihm dann eine Auflage erteilt: Er müsse einen
gesetzlichen Betreuer an die Seite gestellt bekommen,
damit das Bundesamt die Anhörung durchführen könne .
Es ist unfassbar, dass hier ein Mensch entrechtet werden
soll, weil das Bundesamt nicht in der Lage ist, eine barri-
erefreie Anhörung durchzuführen . Das ist wirklich völlig
inakzeptabel!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Uwe Schummer






(A) (C)



(B) (D)


Dass es auch hier wieder nicht um einen misslichen
Einzelfall geht, wissen Sie auch; denn die Monito-
ringstelle hat vor einiger Zeit einen Bericht dazu vorge-
legt . Auch der Teilhabebericht geht auf die Probleme in
diesem Bereich deutlich ein . Das Problem ist, dass Sie
als Bundesregierung keine passenden – eigentlich kei-
ne – Konsequenzen daraus ziehen .

Meine Fraktion hat eine umfangreiche Kleine Anfra-
ge zu dem Themenkomplex gestellt und in dieser Wo-
che auch eine Antwort erhalten . Ich muss Ihnen leider
sagen: Diese Antwort ist Beleg für Ihre ignorante Hal-
tung gegenüber der zum Teil verzweifelten Situation von
Geflüchteten in diesem Land. Ich kann natürlich leider
nicht auf alle Details dieser Kleinen Anfrage eingehen .
Deswegen gebe ich nur ein Beispiel . Wir haben zum Bei-
spiel gefragt, ob die Bundesregierung die Ansicht teilt,
dass sich eine schlechte Versorgung mit Heil- und Hilfs-
mitteln nachteilig auf die Gesundheit Geflüchteter aus-
wirkt und auch zu sozialen Problemen führen kann . Und
was antworten Sie, meine Damen und Herren? Die Frage
setzt gedanklich voraus, dass die Versorgung von Flücht-
lingen mit Behinderung mit Heil- und Hilfsmitteln im
Bundesgebiet mangelhaft wäre . Dies entspricht jedoch
nicht der Auffassung der Bundesregierung .

Ich sage Ihnen aber: Es kommt nicht auf die Auffas-
sung der Bundesregierung an . Ich würde Ihnen aus den
Fraktionen von Union und SPD empfehlen: Sprechen Sie
doch einmal mit Ihrer Regierung, und sagen Sie ihr, dass
Sie ihren eigenen Teilhabebericht bitte auch einmal lesen
soll .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Insbesondere der Wissenschaftliche Beirat weist im Teil-
habebericht darauf hin, dass es eine Unterversorgung
gibt und dass sich deswegen natürlich der Gesundheits-
zustand der entsprechenden Personen – was denn auch
sonst? – verschlechtert . Daran wird sich nichts ändern,
solange Sie erklären, dass hier alles in Ordnung ist, ob-
wohl das nicht der Fall ist .

Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in Be-
zug auf viele Punkte die Länder zuständig sind . Das ent-
lässt uns als Bund aber doch nicht aus der Verantwortung .
Wir könnten viel tun . Zum Beispiel könnten wir endlich
das unsägliche Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir könnten uns einen Überblick darüber verschaffen,
wie viele behinderte Menschen aus dem Ausland nach
Deutschland gekommen sind und was ihre Bedarfe sind .
Das tun wir bisher nicht . Die UN haben uns auch darauf
eindrücklich hingewiesen und gesagt, dass wir struktu-
relle Probleme haben, die wir lösen müssen .

Sie behaupten, die gesetzlichen Regelungen – insbe-
sondere im Asylbewerberleistungsgesetz – in Bezug auf
asylsuchende und geduldete Menschen mit Behinderung
stünden im Einklang mit der UN-BRK . Ich entgegne Ih-
nen: Das kann ich nur als schlechten Witz auffassen .

Es gäbe noch sehr viel zu sagen . Der Teilhabebericht –
Frau Lösekrug-Möller hat ihn hier hochgehalten – um-

fasst 500 Seiten . Natürlich können wir hier nicht über
alle einzelnen Punkte diskutieren . Wir können an dieser
Stelle aber feststellen, dass es so nicht weitergehen darf,
dass wir endlich handeln müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Katrin Werner [DIE LINKE])


Der Teilhabebericht zeigt, dass von gleichberechtigter
Teilhabe und gleichwertigen Lebensbedingungen nicht
die Rede sein kann . Die Menschenrechte behinderter
Menschen werden in unserem Lande eingeschränkt . Sie
werden zum Teil missachtet . Das ist inakzeptabel . Dies
ist und bleibt ein Skandal . Ich rufe Sie auf, dass wir end-
lich gemeinsam, und zwar konsequent, dagegen vorge-
hen .

Danke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822611600

Vielen Dank, Frau Kollegin Rüffer . – Als Nächste hat

Dr . Astrid Freudenstein von der CDU/CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Astrid Freudenstein (CSU):
Rede ID: ID1822611700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Im vergangenen Jahr haben wir alle, die wir hier
sitzen, gemerkt, dass die politische Teilhabe von Men-
schen mit Behinderung eine ganz neue Dimension er-
reicht hat – eine normale Dimension, möchte ich dazu
sagen . Die Demonstrationen im Zuge des Bundesteil-
habegesetzes haben gezeigt, dass ein neues politisches
Selbstbewusstsein unter den Menschen mit Behinderung
entstanden ist . Die aktive Teilnahme an Entwicklungen
und Entscheidungen, die das eigene Leben betreffen,
ist ein Grundprinzip der Demokratie . Mit Demonstra-
tionen, mit Hintergrund- und Fachgesprächen oder als
Experten bei Anhörungen haben sich die Menschen mit
Behinderung vielfältig am politischen Prozess beteiligt .
Der Teilhabebericht bestätigt diese Wahrnehmung: Das
aktive politische und zivilgesellschaftliche Engagement
von Menschen mit Behinderung ist in den vergangenen
Jahren deutlich stärker geworden, und das ist gut so .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist vor allem deshalb gut, weil in anderen Berei-
chen durchaus noch Handlungsbedarf besteht, um dem
Ziel der gleichberechtigten Teilhabe näherzukommen .
Und um diesen Handlungsbedarf zu lokalisieren und
dann zu beseitigen, ist eben die Mithilfe der Menschen
mit Behinderung wichtig . Aber auch Instrumente wie
dieser Teilhabebericht können einer ersten Orientierung
dienen . Aus dem vorliegenden Bericht möchte ich einige
Punkte herausgreifen, die ich für besonders wichtig halte .

Ein erster Knackpunkt ist sicher die deutlich höhere
Arbeitslosigkeit unter den Menschen mit Behinderung .
Zwar ist die Quote in den vergangenen Jahren gesunken,
sie lag 2015 aber immer noch 5 Prozentpunkte über der
allgemeinen Quote . Weiterhin dauert die Arbeitslosigkeit
von Menschen mit Behinderung auch deutlich länger an .
Durchschnittlich können sie diese erst nach einem Jahr

Corinna Rüffer






(A) (C)



(B) (D)


beenden . Auch deshalb sehen 34 Prozent der Arbeitsu-
chenden mit Beeinträchtigungen die Chance, einen Ar-
beitsplatz zu bekommen, als praktisch unmöglich an . Das
sind doppelt so viele wie unter den nicht beeinträchtigten
Arbeitsuchenden, und das sind natürlich Zahlen, die ein-
deutig sind und die uns beunruhigen müssen . Wir müssen
jedenfalls noch deutlich mehr als bisher auf die individu-
elle Situation der Betroffenen eingehen und mehr über
ihre Schwierigkeiten erfahren .

Aus welchen Gründen werden die Menschen arbeits-
los, und in welche anderen gesellschaftlichen Teilsys-
teme gehen sie über: in Arbeit, in Bildung, in Reha, in
Rente, in Mutterschaft? Einzelne Projekte zeigen bereits,
wie es gehen könnte . In Bayern beispielsweise gibt es
das Projekt LASSE, das individuelles Coaching und eine
intensive Begleitung durch die Integrationsfachdienste
für langzeitarbeitslose Menschen mit Behinderung bie-
tet . Die Erfolgsquoten sind durchaus vielversprechend .
Daneben müssen wir die Arbeitgeber zu noch mehr Ein-
satz motivieren . Eine höhere Ausgleichsabgabe halte ich
dabei für wenig produktiv . Sie würde nur das Vorurteil
bestärken, dass behinderte Arbeitnehmer eine Belastung
seien . Das Bundesteilhabegesetz wird in diesem Bereich
mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle Verbes-
serungen bringen, zum Beispiel durch die damit einzu-
führenden unabhängigen Beratungsstellen und die ver-
einfachten Verfahren .


(Beifall der Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD] und Uwe Schummer [CDU/CSU])


– Ja, das ist gut .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Haben wir ja auch zusammen gemacht!)


Das Budget für Arbeit soll den Wechsel aus der Werk-
statt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern . Arbeit-
geber erhalten dabei bis zu 75 Prozent Lohnkostenzu-
schuss – ich hoffe, das hören jetzt viele –, wenn sie einen
schwerbehinderten Arbeitnehmer einstellen . Die Lösung
des Problems sind diese Maßnahmen natürlich noch
nicht, aber sie werden für viele Menschen Verbesserun-
gen bringen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Neben den Daten zur Arbeitslosigkeit gibt es auch
noch erfreulichere Nachrichten vom Arbeitsmarkt . Die
Schwerbehindertenbeschäftigungsquote hat sich von
3,8 Prozent im Jahr 2002 auf jetzt 4,7 Prozent erhöht –
damit nähert sie sich immerhin dem gesetzlich vorge-
schriebenen Wert von 5 Prozent an –, und die Anzahl der
beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber, die gar keinen
schwerbehinderten Menschen beschäftigen, ist seit 2002
von fast 60 000 auf unter 40 000 gesunken . Die Zahlen
zeigen also: Es geht voran . Es ist aber natürlich noch ein
weiter Weg zur gleichberechtigten Teilhabe . Und: Zwi-
schen den einzelnen Bundesländern – auch das will ich
hier sagen – gibt es teilweise ganz erhebliche Unterschie-
de .

Zum Persönlichen Budget . Die Möglichkeit, Teilha-
beleistungen mit größtmöglicher Selbstbestimmung zu
beziehen, wird immer mehr angenommen . Zwischen

2010 und 2014 – das sind die aktuellsten Zahlen – stieg
die Zahl der Budgetnehmer um 80 Prozent . Wenn das so
weitergeht, können wir davon sprechen, dass sich diese
Leistungsform auch wirklich etabliert hat . Das wäre ganz
im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention .

Der Teilhabebericht zeichnet also ein sehr differen-
ziertes Bild der Situation von Menschen mit Behinde-
rung in Deutschland . Aus dem Bericht wird deutlich,
dass wir zwar einige Daten zum Leben von Menschen
mit Behinderung in Deutschland haben, Erklärungen für
einige Unterschiede trotzdem schwierig sind . Dazu feh-
len oft auch nähere Analysen . Wir sollten uns deshalb mit
allzu einfachen Erklärungen nicht zufriedengeben .

Selbst nach diesem fast 600-seitigen Bericht kann ich
nur sagen: Wir brauchen teilweise immer noch mehr In-
formationen für die Beteiligten, zum Beispiel für Men-
schen mit Behinderung: Was steht mir zu? Wo kann ich
es beantragen? Hier setze ich ganz große Hoffnungen in
die unabhängigen Beratungsstellen, die durch das Bun-
desteilhabegesetz entstehen werden . Und wir brauchen
mehr Informationen für die Arbeitgeber: Welche Hilfen
und Zuschüsse kann ich wo beantragen? Wer kann mich
bei der Integration des behinderten Menschen in meinem
Betrieb unterstützen? Die Initiative „Wirtschaft inklu-
siv“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gut funktionieren
kann .

Meine Damen, meine Herren, der Prozess zu einer
gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behin-
derung läuft . Er stockt nicht . Das zeigt der Bericht sehr
deutlich . Trotzdem könnte es an der einen oder anderen
Stelle schneller vonstattengehen . Ich würde mir deshalb
wünschen, dass wir in diesem Hause alle gemeinsam
weiter an guten Lösungen arbeiten – Seite an Seite mit
den Menschen mit Behinderung .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822611800

Vielen Dank, Frau Kollegin Freudenstein . – Als

Nächste spricht die Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Frau
Verena Bentele .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeord-
nete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wort
„Teilhabe“ ist für mich als die Beauftragte der Bundesre-
gierung für die Belange von Menschen mit Behinderun-
gen ein wesentlicher Pfeiler meiner Arbeit .

„Teilhabe“ heißt in meinen Augen aber noch viel
mehr . Es heißt nämlich: die aktive Gestaltung der Ge-
sellschaft, in der wir leben wollen . Und zwar durch und
von Menschen mit Behinderungen . Um aktiv gestalten
zu können, benötigen Menschen mit Behinderungen je-
doch Rahmenbedingungen wie beispielsweise leichte
Sprache, Gebärdensprachdolmetscher und Assistenz für

Dr. Astrid Freudenstein






(A) (C)



(B) (D)


gesellschaftliches oder politisches Engagement, und,
meine sehr geehrten Damen und Herren, sie brauchen
das Recht und die Möglichkeit, sich zu entscheiden, vor
allem zu wählen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU und die SPD gewandt: Ja, dann machen wir das doch zusammen, dass sie wählen dürfen! Jederzeit machen wir das!)


Haben alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland
das Recht, zu wählen? Nein, meine sehr geehrten Damen
und Herren Abgeordnete, wir haben in Deutschland über
81 000 Menschen, die unter rechtlicher Betreuung in al-
len Angelegenheiten stehen, die weder ein aktives noch
ein passives Wahlrecht haben. Das darf definitiv nicht
sein .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Karl Schiewerling [CDU/CSU] – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da könnte auch einmal die ganze Union klatschen!)


Menschen mit Behinderungen sollen entscheiden dür-
fen, wer ihre Interessen vertritt . Wenn Sie, meine Damen
und Herren Abgeordnete, wollen, dass sich Menschen
unter rechtlicher Betreuung in allen Angelegenheiten
für Sie als ihre Abgeordneten entscheiden können, dann
reformieren Sie bitte unser Bundes- und Europawahlge-
setz .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben hier eine Mehrheit!)


Wofür benötigen wir einen Bericht über die Teilhabe
von Menschen mit Behinderungen? Teilhabe macht deut-
lich, wo dringender politischer Handlungsbedarf besteht .
Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen hat in
dieser Legislatur Fortschritte gemacht . Dafür danke ich
den Koalitionsfraktionen, insbesondere Andrea Nahles,
die Gesetze für Menschen mit Behinderungen auf den
Weg gebracht und abgeschlossen hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Teilhabe zu verbessern, ist und war das Ziel des Be-
hindertengleichstellungsgesetzes . Wesentliche und wich-
tige Ergebnisse sind beispielsweise die Bundesfachstelle
Barrierefreiheit oder auch die Einführung einer unabhän-
gigen Schlichtungsstelle .

Im Teilhabebericht 2016 ist zu lesen, dass der Anteil
der Menschen mit Beeinträchtigungen an der aktiven po-
litischen Teilhabe und Gestaltung der Gesellschaft von
8 Prozent im Jahr 2009 auf 12 Prozent im Jahr 2013 ge-
stiegen ist . Und auch ich bin mir sicher, dass die Zahl
heute insbesondere nach dem Gesetzgebungsverfahren
zum Bundesteilhabegesetz deutlich höher ist .

Der aktuelle Teilhabebericht liefert uns wesentliche
und wichtige Erkenntnisse und sei allen, vor allem jetzt
in einem Wahljahr, zur Lektüre sehr ans Herz gelegt . Ich
habe mir zwei Themenfelder noch einmal besonders he-
rausgegriffen .

Eine Zahl: Nur 40 Prozent der Menschen mit Beein-
trächtigungen in Deutschland können hauptsächlich von
ihrem Erwerbseinkommen leben – nur 40 Prozent! Bei
den Menschen ohne Beeinträchtigungen sind das fast
doppelt so viele, nämlich 74 Prozent . Menschen mit Be-
einträchtigungen sind – auch aufgrund dieser Tatsache –
deutlich stärker von dem Risiko, arm zu sein, betroffen .
Deswegen ist es für mich jede Anstrengung wert – von
Ihnen als Parlament, von der Bundesregierung, aber auch
von der Gesellschaft, von den Arbeitgebern –, an dieser
Situation für Menschen mit Behinderungen schnellst-
möglich einiges zu ändern .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Uwe Schummer [CDU/CSU])


Menschen mit Beeinträchtigungen haben durch Arbeit
nicht nur die Möglichkeit, ihr Erwerbseinkommen zu er-
wirtschaften, sondern auch deutlich bessere Möglichkei-
ten, soziale Kontakte aufzubauen und an der Gesellschaft
teilzuhaben .

An einer Stellschraube wurde gedreht: Durch die Ver-
besserungen bei der Anrechnung des Einkommens und
Vermögens der Bezieher von Eingliederungshilfe wurde
mehr Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit
zum Ersparen eines Vermögens gegeben . Wir haben hier
einen wichtigen Schritt gemacht, sind aber – das sage ich
als Behindertenbeauftragte – noch längst nicht am Ende
der Fahnenstange .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Auch das bleibt ein Projekt für die Zukunft .

Viele Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen
aber deutlich bessere Chancen für einen Neueinstieg ins
Berufsleben oder für eine Weiterbeschäftigung; denn hier
liegt in meinen Augen der Schlüssel . Wenn Menschen
durch einen Unfall, eine Erkrankung oder durch altersbe-
dingte Einschränkungen eine Veränderung in ihrem Le-
ben erfahren, brauchen sie die Möglichkeit, am inklusi-
ven Arbeitsmarkt mit ihren Ressourcen und Fähigkeiten
wertgeschätzt zu werden .

Zur Herstellung von Barrierefreiheit leisten die
Schwerbehindertenvertretungen, deren Rechte durch das
Bundesteilhabegesetz gestärkt wurden, tagtäglich einen
wesentlichen und großartigen Beitrag . Ich möchte ihnen
allen auch an dieser Stelle für die hervorragende Arbeit
danken, die sie tagtäglich leisten .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, die Weichen für den Ein-
stieg ins Berufsleben und für Teilhabe werden aber zu ei-
nem anderen Zeitpunkt gestellt, nämlich am Anfang des
Lebens . Davon kann ich ein Lied singen . Die Teilhabe
fängt in der Kita und in der Schule an . Lernorte für alle
Kinder sind die Grundlage für eine Gesellschaft, in der

Verena Bentele






(A) (C)



(B) (D)


das Anderssein ganz normal ist und in der das Besondere
jedes Menschen geschätzt und gewürdigt wird .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen halte ich die Debatten – auch jetzt in den
Landtagswahlkämpfen –, ob wir überhaupt inklusive Bil-
dung wollen, für völlig überflüssig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Das Thema der Debatte kann doch heute nur noch lauten:
Wie wollen wir die inklusive Bildungslandschaft umset-
zen, und welche Ressourcen haben wir zur Verfügung,
um endlich für alle Kinder und Jugendlichen inklusive
Lernorte zu generieren?

Auch hierzu möchte ich eine Zahl nennen: Was pas-
siert eigentlich bei den Berufsabschlüssen? Zunächst
einmal zurück zu den Schulen: Wir haben laut Teilha-
bebericht – das kam auch vorhin schon – eine steigen-
de Anzahl von Kindern und Jugendlichen an inklusiven
Schulen, aber dies geht nicht mit einer sinkenden Anzahl
von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen einher .
Das ist, wie ich finde, definitiv nicht haltbar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822611900

Liebe Frau Bentele, achten Sie bitte ein bisschen auf

die Zeit?

Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen:

Okay . Ich bin gleich fertig . Es tut mir leid, aber Teilha-
be ist einfach so ein umfassendes Thema


(Heiterkeit bei der SPD)


Ganz kurz noch eine Zahl zu den beruflichen Ab-
schlüssen . 21 Prozent der Menschen mit Beeinträchti-
gungen, fast doppelt so viele wie bei den Menschen ohne
Behinderungen – bei ihnen sind es nur 12 Prozent –,
haben keinen Berufsabschluss, und das sind deutlich zu
viele .

Lassen Sie mich noch eine ganz wesentliche Sache
sagen . Wir müssen dringend mehr über die Lebenslagen
von Menschen mit Beeinträchtigungen wissen . Deswe-
gen ist es gut, dass es eine neue Repräsentativumfrage
gibt, die Andrea Nahles im letzten Jahr in Auftrag gege-
ben hat . Diese wird über fünf Jahre hinweg laufen und
uns wirklich wesentliche Erkenntnisse über die Teilha-
bemöglichkeiten und die Lebenslagen von Menschen mit
Beeinträchtigungen bringen, und das ist wesentlich für
politisches Handeln .

Eine Erkenntnis haben wir jedoch schon: Für mich ist
in der nächsten Legislatur einer der entscheidenden und
wichtigen Punkte, dass wir endlich auch im zivilrecht-
lichen Bereich bei der Herstellung von Barrierefreiheit

weiterkommen müssen, nämlich durch die Verpflichtung
der Anbieter von Dienstleistungen und Produkten zur
Herstellung von Barrierefreiheit im Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetz – damit wir im nächsten Teilhabebe-
richt lesen: Menschen mit Beeinträchtigungen können in
allen Lebenssituationen gleichberechtigt teilhaben .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822612000

Vielen Dank, Frau Bentele . Wir hier oben waren,

glaube ich, sehr großzügig . Es ist ein wichtiges Thema,
und ich habe an der Resonanz aller Kollegen gesehen,
dass man da nicht gleich unterbrechen sollte . – Nächste
Rednerin ist jetzt Frau Jutta Eckenbach von der CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jutta Eckenbach (CDU):
Rede ID: ID1822612100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha-

ben es heute schon mehrmals gehört: Der Teilhabebericht
umfasst rund 500 Seiten . Ich habe mir die Frage gestellt:
Ist es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, dass der
Bericht so umfangreich ist? Geht es um gelungene und
gute Teilhabe und Inklusion, oder ist der Handlungsbe-
darf noch so groß? Der Bericht spiegelt sicherlich beide
Seiten wider .

Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel dazugelernt,
und wir haben viel erreicht . Wir haben Menschen mit Be-
hinderungen durch das Behindertengleichstellungsgesetz
und durch das neue Bundesteilhabegesetz eine verbesser-
te gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht . Das waren zwei
wichtige Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht ha-
ben, aber der Nationale Aktionsplan 2 .0 gibt uns auch
zukünftig noch einiges zu tun .

Das Bundesteilhabegesetz ist entstanden unter der
Mitwirkung vieler Betroffener, Organisationen, Vereine
und Verbände . Es wurden wirklich gute Gespräche ge-
führt . Ich glaube, dass es besser ist, miteinander zu spre-
chen als übereinander . Das ist der richtige Weg .

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle auf eine Einschrän-
kung hinzuweisen, auf die wir achten müssen . Kürzlich
war der LVR, der Landschaftsverband Rheinland, zu Gast
hier in Berlin; Frau Rüffer, Uwe Schummer und Hubert
Hüppe waren auch dort . Dieses Treffen bot uns die Gele-
genheit, mit Menschen mit Behinderungen zu sprechen .
Irgendwann stand eine Frau mit Behinderungen auf und
sagte: Dieses Gesetz macht mir Angst . – Angesichts der
vielen Gespräche, die ich mitbekommen habe, sagen ich
Ihnen: Wir müssen aufpassen, wie wir mit den Menschen
reden, wenn wir mit ihnen über ein Gesetzesvorhaben re-
den . Bei manchen ist die Reaktion: „Boah, jetzt ändert
sich was“, bei anderen ist die Reaktion: Jetzt bekomme
ich Angst . – Das ist eine schwierige Situation . Deswegen
ist es wichtig, zu überlegen, wie wir die Prozesse ange-
hen und wie wir auch zukünftig mit Menschen mit Be-

Verena Bentele






(A) (C)



(B) (D)


hinderungen darüber reden, was wir mit ihnen per Gesetz
vorhaben. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Hinweis.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Kerstin Tack [SPD] – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würde mir auch Angst machen, wenn man mir sagen würde, was Sie mit einem Gesetz mit mir machen!)


– War das eine Zwischenfrage? Darüber können wir
gleich noch einmal sprechen, Frau Rüffer .

Alle Kolleginnen und Kollegen hier haben viele Ge-
spräche geführt . Wir waren auch vor Ort in den Einrich-
tungen und haben dort mit vielen Menschen gesprochen .
Da ich seit vielen Jahren für den LVR tätig bin, habe ich
auch mit Menschen mit Behinderungen gesprochen .

Ich finde es wichtig, dass wir nicht nur über die großen
Einrichtungen sprechen, sondern wir müssen auch über
die kleinen Einrichtungen sprechen . Ich habe vor einiger
Zeit eine der Arche-Wohngemeinschaften in Essen be-
sucht . Das ist so eine kleine Einrichtung . Dort habe ich
einen jungen Mann kennengelernt, der gerade neu einge-
zogen war . Zuvor hatte er bei seiner Familie gelebt, sei-
ne Mutter hatte ihn bisher versorgt . Bei meinem Besuch
saß er ganz verschüchtert und traumatisiert in der Ecke .
Ich habe versucht, ihn anzusprechen, aber da er nicht
antwortete, habe ich es sehr schnell sein gelassen . Als
die Arche-Wohngemeinschaft ihr 16-jähriges Bestehen
gefeiert hat, war ich wieder vor Ort . Die Feier fand an
einem Sonntagnachmittag statt, es wurde ein ökumeni-
scher Gottesdienst abgehalten . Als ich einen großen Saal
betrat, kam mir dieser junge Mann entgegen . Er lief fröh-
lich herum und hatte einen Hut auf . Ich habe mich sehr
gefreut, ihn so fröhlich zu sehen und habe ihm das auch
gesagt, woraufhin er mich umarmte . Er war vollkommen
in der Gemeinschaft angekommen .

Gerade wenn wir über die Teilhabeberichte diskutie-
ren, ist es wichtig, dass wir nicht nur über die schlechten
Dinge reden, sondern dass wir auch über das Gute reden,
das wir erreichen, über die vielen Möglichkeiten, über
die ganz unterschiedlichen Ansätze, die wir in der Be-
hindertenpolitik verfolgen . Wir brauchen Vielfalt; denn
jeder Mensch mit Beeinträchtigungen ist anders . Auch
diese Menschen sind nicht alle gleich . Jeder Mensch ist
ein Individuum . So wie wir alle unterschiedlich sind, so
sind es eben auch die Menschen mit Behinderungen .

Lassen Sie mich auf einen weiteren wichtigen Punkt
eingehen: Ich rede von Bildung . Ich komme aus dem
wunderschönen Land Nordrhein-Westfalen, aus der
wunderschönen Kulturhauptstadt Essen . Wie ist die Situ-
ation in den Regelschulen in Nordrhein-Westfalen? Die
Grundschulen in Nordrhein-Westfalen haben im Schnitt
28 Schüler pro Klasse, in inklusiven Klassen sind es
25 Schüler . Die Raumkonzeption der Schulen ist nicht
darauf ausgerichtet, Schüler und Schülerinnen inklusiv
zu unterrichten . Die Schulen haben auch nicht die not-
wendigen Förderlehrer, um die Kinder inklusiv zu unter-
richten . – Wir schränken die Förderschulen ein, um Kin-
der in nicht gut ausgestattete Regelschulen zu schicken .
Wir überfrachten damit die Lehrer und nehmen auch die

Eltern zum Teil nicht mit . Das ist für mich keine Bil-
dungspolitik, die Inklusion wirklich beinhaltet .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Werner [DIE LINKE]: Das fordert doch keiner so! Sie machen doch Angst!)


Das sollten wir, verdammt noch mal, wirklich ändern .
Das regt mich auf! Wir tun so, als hätten wir an dieser
Stelle schon unser Bestes erreicht .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt doch auch keiner! Aber wir haben zumindest angefangen!)


Nein, das haben wir nicht! Wir schaden den Kindern, und
wir schaden dem gesellschaftlichen Anspruch auf Inklu-
sion .


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Ja! Weil Sie das Bildungssystem nicht ausbauen!)


Ich will einen weiteren Punkt nennen: die Werkstät-
ten . Damit bin ich wieder bei dem einzelnen Menschen
mit Behinderung . Wir tun ja immer so, als könnten wir
für alle Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt schaf-
fen . Ich glaube das nicht . Die meisten Werkstätten für
Behinderte sind nicht außerhalb, sondern in den Städten .
Sie sind nicht weit draußen, sondern da, wo auch andere
Menschen sind . Wer eine solche Werkstatt besucht, sieht,
wie die Menschen dort zum Teil sehr einfache Arbeiten
erledigen – ja, aber sie tun das mit Freude . Sie gehen ger-
ne in die Werkstatt . Sie gehen sogar dann noch dorthin,
wenn sie dem Arbeitsmarkt eigentlich nicht mehr zur
Verfügung stehen würden, wenn sie im Rentenalter sind .
Sie werden morgens zu Hause abgeholt, sie können teil-
haben und mitwirken – im Rahmen ihrer Möglichkeiten .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt! Ich gebe Ihnen mal ein paar Briefe!)


Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, den wir
wirklich überdenken sollten . Wir reden immer ganz viel
über Assistenzleistungen, wir sagen, dass wir den Men-
schen im gesundheitlichen Bereich helfen müssen, wir
sagen, dass wir für die Menschen sorgen müssen, und wir
reden darüber, dass bei der Pflege in den Krankenhäusern
zusätzliche individuelle Leistungen notwendig sind . Mir
wäre es lieb, wenn wir sehr viel stringenter darüber nach-
denken würden, wie wir den inklusiven Gedanken in den
Ausbildungen der Kindererzieherinnen und der Pflege-
rinnen und Pfleger verankern können.


(Katrin Werner [DIE LINKE]: In jeder Ausbildung! Lehrer! Handwerker! Das ist doch Inklusion! Sie haben es nicht verstanden!)


Das ist noch nicht der Fall . Dieses Thema gehört aber
in die Ausbildung hinein . Genauso gehört es in das Stu-
dium der Ärzteschaft, damit ich nicht nach einem Arzt
suchen muss, der sich mit Menschen mit Behinderungen
auskennt . Wir brauchen in der Breite des gesundheitli-
chen Bereichs Ärzte, die wissen, wie sie mit Menschen
mit Behinderungen umgehen sollen . Ich glaube, das ist
dringend nötig . Es muss allgemein bekannt werden, wie
man mit Menschen mit Behinderungen umgeht . Das ist

Jutta Eckenbach






(A) (C)



(B) (D)


auch wichtig, damit Behinderungen frühzeitig erkannt
werden .

Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind . Wir
alle haben erkannt, dass wir in den vergangenen vier
Jahren einen kleinen Schritt oder einen größeren Schritt
gemacht haben .


(Katrin Werner [DIE LINKE]: Klein!)


Ich weiß, dass wir seitens der CDU/CSU-Fraktion uns
diesem Thema weiterhin sehr stringent nähern werden .
Wir werden nicht nur sehr darauf achten, dass es jedem
Menschen mit Behinderung in Deutschland gut geht,
sondern auch darauf, dass er teilhaben kann .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822612200

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Eckenbach . – Jetzt

hat als letzte Rednerin in dieser Aussprache das Wort
Frau Kerstin Tack von der SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Kerstin Tack (SPD):
Rede ID: ID1822612300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Der zweite Teilhabebericht der Bundesregierung
beschreibt die Lebenslage von Menschen mit Behin-
derung im Zeitraum von 2005 bis 2014, also in einem
Zeitraum bis vor drei Jahren . Ich freue mich sehr, dass
sich der zweite Bericht qualitativ sehr stark vom ersten
Bericht unterscheidet . Bei dem ersten Bericht hatten wir
noch zu beklagen, dass der Beschreibung der Lebensla-
gen eine sehr unzureichende Datenbasis zugrunde lag .
Dieser zweite Bericht ist qualitativ deutlich besser, und
es besteht die Möglichkeit, wenn man die beiden Daten-
blätter nebeneinanderhält, Entwicklungen nachzuvollzie-
hen .

Er beinhaltet Lebensbereiche wie Familie und soziales
Netz, Bildung und Ausbildung, Erwerbsarbeit, materielle
Lebenssituation, alltägliche Lebensführung, Gesundheit,
Freizeit, Kultur und Sport, Sicherheit, Schutz der Per-
son sowie politische und gesellschaftliche Teilhabe . Er
beschreibt also einen sehr umfangreichen Lebensbegriff
und fokussiert sich nicht nur auf Teilbereiche . Es ist auch
sehr interessant, zu sehen, wie er sich vertiefend mit den
Fragestellungen Migrationshintergrund und Wohnungs-
losigkeit von Menschen mit Beeinträchtigung befasst .

Nun haben wir natürlich die Erwartungshaltung, dass
wir diejenigen Maßnahmen, die wir in dieser Legislatur-
periode für die Belange von Menschen mit Beeinträchti-
gung umgesetzt haben, im nächsten Teilhabebericht, der
dann einen Zeitraum umfasst, für den wir hier in dieser
Koalition Verantwortung tragen, spürbar nachvollziehen
können .

Da haben wir in dieser Legislaturperiode, wie ich mei-
ne, eine beachtliche Bilanz vorzuweisen . Das Teilhabe-
gesetz, das hier ja schon mehrfach angesprochen wurde,
ist ja nur ein kleines Segment bei der Umsetzung der Ar-
beit für Menschen mit Beeinträchtigung .

Wir haben für den Bereich des Arbeitsmarktes mit der
unterstützten Beschäftigung, mit dem Budget, mit dem
Ausbau der Inklusionsbetriebe meines Erachtens Gutes
auf den Weg gebracht . Wir haben die Strukturen für Men-
schen mit Beeinträchtigung massiv ausgebaut – mit der
unabhängigen Beratung, die ab dem nächsten Jahr los-
gehen wird, mit der Schlichtungsstelle, die wir neu ein-
geführt haben, mit dem Ausbau der Fachstelle für Barri-
erefreiheit .

Wir haben das Thema Barrierefreiheit insgesamt wei-
ter nach vorne gebracht und die Barrierefreiheit insbe-
sondere mit einer Neuauflage der Unterstützung für den
Umbau von Wohnungen zu barrierearmem und barriere-
freiem Wohnraum ganz neu wieder in das Programm der
Förderung des Bundes aufgenommen . Wir haben bei der
Frage der inklusiven Bahnhöfe neue Programme aufge-
legt, und das ist auch wichtig . Die Fernbusrichtlinie ist
ein weiteres Beispiel . Wir haben den Städten mehrere
Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit auch so-
zialer Raum und Sozialräume inklusiv gestaltet werden
können .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meines Erachtens kann sich das sehen lassen . Es ist eben
mehr als nur der Fokus auf die reformierte Eingliede-
rungshilfe .

Wir haben im Gesundheitsbereich nicht nur mit den
Pflegestärkungsgesetzen, sondern vor allen Dingen mit
der Einführung der sozialpädiatrischen Zentren für er-
wachsene Menschen mit Beeinträchtigung viel erreicht
und umgesetzt .

Wir haben die Prävention gestärkt, indem wir im
Rahmen des Programms BeSt beraten und junge Men-
schen stärken . Insbesondere für Frauen mit Beeinträch-
tigung, die in ganz wesentlicher Weise Opfer sexuellen
Missbrauchs werden können, haben wir ein eigenes Pro-
gramm aufgelegt .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben mit der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“
endlich Unterstützungsmöglichkeiten für diejenigen ge-
schaffen, die in Einrichtungen der Psychiatrie oder der
Behindertenhilfe Erfahrungen mit sexueller Gewalt und
anderer Gewalt gemacht haben . Wir haben nach dem
Grundsatz „Nein heißt nein!“ endlich die Frage der Straf-
barkeit von sexuellen Handlungen in Angriff genommen .
Bisher war im Gesetz bei Taten gegen Frauen mit Be-
einträchtigung als besonders Schutzbedürftigen keine
vergleichbare Bestrafung der Täter vorgesehen wie bei
sexuellen Handlungen gegen Frauen ohne Beeinträch-
tigung . Das haben wir Gott sei Dank in dieser Legisla-
turperiode endlich geändert . Wir haben die Frauenbeauf-
tragten in die Werkstätten hineingebracht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, es ist ein sehr breiter Strauß an Maßnah-
men, die wir in dieser Legislaturperiode vorgenommen
haben, um zu dokumentieren, dass es nicht nur um die
Reform der Eingliederungshilfe geht, sondern auch um

Jutta Eckenbach






(A) (C)



(B) (D)


die Lebenslagen an ganz unterschiedlichen Stellen, und
wir glauben und sind uns auch sehr sicher, dass das na-
türlich Einfluss auf die Lebenslagen haben wird und wir
das in künftigen weiteren Berichten auch sehen werden .

Selbstverständlich haben wir weiteren Handlungsbe-
darf in all den Feldern, die hier heute schon mehrfach
deutlich dokumentiert sind . Aber wir können auch sagen:
Diese Koalition hat in dieser Frage massiv geliefert, und
darauf können wir zu Recht stolz sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822612400

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Ich schließe die Aus-

sprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/10940 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b auf:

a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Strategie der Bundesregierung zur Internati-
onalisierung von Bildung, Wissenschaft und
Forschung

Drucksache 18/11100
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth

(Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine Internationalisierungsstrategie von
Wissenschaft und Forschung, die Pluralität
und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und
Zusammenhalt stärkt

Drucksache 18/10359
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss Digitale Agenda

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Zunächst hat das Wort
Frau Dr . Lücking-Michel von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU):
Rede ID: ID1822612500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Besucher auf der Tribüne . Gut Ding will Wei-
le haben . Doch wenn wir heute über die neue Strategie
der Bundesregierung für die Internationalisierung von
Bildung, Wissenschaft und Forschung diskutieren, dann
habe ich den Eindruck: Sie kommt genau zum richtigen
Zeitpunkt .


(Beifall des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Noch nie war sie so wertvoll wie heute .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der Brexit, der Einreisestopp in den USA – uns al-
len fallen, glaube ich, noch viele Beispiele für einen sich
zunehmend isolierenden neuen Nationalismus ein, den
wir an so vielen Stellen erleben . Dieser hat Auswirkun-
gen auf die jeweiligen Gesellschaften im Allgemeinen
und natürlich auch auf Wissenschaft und Forschung im
Besonderen . Wie gut, dass die Bundesregierung in ihrer
Strategie diesbezüglich eine gänzlich andere Haltung
einnimmt . Nicht Abschottung, sondern Offenheit ist Ga-
rant für Spitzenforschung und Innovation,


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Und Wettbewerb!)


oder wie Professor Mlynek das in der Vorstellungspres-
sekonferenz auf den Punkt gebracht hat: Der wahre Ego-
ist kooperiert .

Klar: Wir müssen intensive internationale Koope-
rationen schmieden, wenn wir unseren eigenen Wis-
senschaftsstandort stärken und damit am Ende unseren
Wohlstand sichern wollen . „Internationale Kooperation:
vernetzt und innovativ“ – unter diesem Leitmotiv lotet
die neu aufgelegte Strategie die Wege genau dorthin aus
und positioniert sich deutlich gegen jede nationalistische
Verengung . Das macht sie so wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Internationalisierung geschieht in verschiedenen
Dimensionen . Die Menschen sind heute mobiler als je
zuvor . Das gilt auch für die angehenden und arrivierten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler . Sie überque-
ren Ländergrenzen, um voneinander zu lernen, miteinan-
der zu forschen, sich mit Kollegen auszutauschen und in
internationalen Projekten gemeinsam zu arbeiten . Brain
Circulation ist der Fachbegriff dafür . So nennen wir es,
wenn sich Talente möglichst frei über den Globus bewe-
gen . Wissenschaft – ich glaube, da sind wir uns einig –
ist per definitionem länderübergreifend. Der Austausch
von Wissen, Daten und Erkenntnissen ist zentral für gute
Wissenschaft . Die eigentlichen Spitzenergebnisse wer-
den und können nur in internationalen Teams erreicht
werden . Wen wundert es? Die meistzitierten Ergebnisse
stammen von international mobilen und damit weltweit
sichtbaren Wissenschaftlern . Diese Mobilität von Stu-
dierenden, von Forscherinnen und Forschern über Län-
dergrenzen hinweg fördern wir durch eine Vielfalt von
Stipendien und sonstigen Programmen . In der Strategie
werden diese hervorgehoben . Hier leisten unsere Mitt-
lerorganisationen wie zum Beispiel der DAAD und die

Kerstin Tack






(A) (C)



(B) (D)


Alexander-von-Humboldt-Stiftung, wie ich finde, her-
vorragende Arbeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Mir ist auch wichtig, zu sagen, dass sie für Studieren-
de und Wissenschaftler in Not, auf der Flucht wichtige
Perspektiven bieten und damit nicht nur die einzelnen
Menschen unterstützen, sondern auch wichtige Zeichen
setzen für die Wissenschaftsfreiheit insgesamt .

Eine andere wichtige Dimension ist natürlich die Ko-
operation zwischen Institutionen, zwischen Hochschulen
und Forschungsgemeinschaften, oder auch mit Unter-
nehmen . In den sogenannten 2+2-Formaten – so wird es
in der Strategie genannt – werden gezielt Unternehmen
eingebunden, damit international erarbeitete Forschungs-
ergebnisse auch schnell in Anwendung kommen .

Dann haben wir die Dimension der großen Zukunfts-
fragen, die uns alle herausfordern . Auch sie sind natür-
lich international . Denn es ist ja offenkundig: Die großen
Menschheitsfragen – Klimawandel, Gesundheit, Migra-
tion – werden wir nur beantworten können, wenn sich die
Weltgemeinschaft gemeinsam auf den Weg macht und
nach neuen Antworten und Erkenntnissen strebt .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zwei der fünf Handlungsfelder der Strategie haben dies
deswegen sehr explizit zum Ziel . Das ist ein Schwer-
punkt, der aus meiner Sicht absolut wichtig und richtig
ist .

Ein großes Anliegen der Strategie möchte ich an
dieser Stelle besonders herausgreifen: Die Regierung
sagt ausdrücklich, dass sie Entwicklungs- und Schwel-
lenländer noch stärker in den Fokus nehmen will und
dabei die Wissenschaft gezielt dazu beitragen soll, die
Ziele der nachhaltigen Entwicklung, die sogenannten
Sustainable Development Goals oder SDGs, gemeinsam
zu erreichen . Nun kommt es aus meiner Sicht besonders
darauf an, dass die Ministerien hier bei uns abgestimmt
zusammenarbeiten . Denn es ist ja klar, dass hier sowohl
das Forschungs- und Bildungsministerium als auch die
Ministerien für Gesundheit, Energie, Landwirtschaft,
Auswärtiges und natürlich auch das Ministerium für Ent-
wicklungszusammenarbeit gefragt sind .

Ein Beispiel will ich kurz vorstellen . Seit Januar 2017
bieten sieben bilaterale SDG-Graduiertenkollegs – vier
in Afrika, zwei in Lateinamerika, eines in Asien – jun-
gen Graduierten eine qualitätsvolle Möglichkeit, in ihren
Heimatländern sur place zu entwicklungsrelevanten The-
men zu promovieren . Deutsche Hochschulen haben dafür
Konzepte erdacht und sie mit den Partnern in den Län-
dern umgesetzt; hier finanziert das BMZ. Eines dieser
Kollegs – eine Kooperation der TU Berlin mit der Uni-
versity of Witwatersrand in Südafrika – widmet sich dem
Thema „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ . Dies wie-
derum ist aber ebenso Themenschwerpunkt eines großen
Projekts von FONA, nämlich zum Thema Zukunftsstadt;
hier finanziert das BMBF. Exemplarisch zeigt sich daran,
dass es viele Anknüpfungspunkte für Synergien gibt . Es
ist gut, dass die Strategie dies besonders hervorhebt .

Noch nie war sie so wertvoll wie heute . Die Effekte
der Internationalisierungsstrategie gehen weit über eine
Effizienzsteigerung in den Wissenschaften hinaus. Wir
brauchen, um kreativ und innovativ zu sein, Differen-
zerfahrungen, auch und gerade in fremden Kulturen und
Ländern .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Man lernt dadurch mehr als nur die fachlichen Inhalte an
der Uni oder im Forschungsprojekt . Die Kollegen, die
man weltweit in den Laboren trifft, die fremden Spra-
chen, die neuen Nachbarn: All das stärkt unser Verständ-
nis von der eigenen Kultur ebenso wie von der fremden,
in der wir leben . International zu sein, heißt, Umgang mit
dem Fremden zu erlernen und schätzen zu lernen . Gren-
züberschreitungen auf der Landkarte führen dann hof-
fentlich auch zu Grenzüberschreitungen im Kopf; denn
für Offenheit und Freiheit im Denken stehen Bildung und
Wissenschaft .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822612600

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Jetzt hat Frau Kolle-

gin Dr . Rosemarie Hein von der Fraktion Die Linke das
Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822612700

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher
auf den Tribünen! In Zeiten der weltweiten Vernetzung
wäre es töricht, wissenschaftliches Arbeiten in natio-
nalen Grenzen denken zu wollen . Auch die Vielfalt der
globalen Probleme – der sozialen, der wirtschaftlichen,
der ökologischen – zwingt geradezu dazu, nach gemein-
samen Lösungen zu suchen .

Ein Beispiel dafür . Wir wissen, der Klimawandel
kommt nicht einfach so über uns; er ist auch selbstver-
schuldet . Die Abholzung des Regenwaldes zum Beispiel
trägt dazu bei . Darum reicht es nicht, zu forschen, wie
man mit den Folgen des Klimawandels umgeht, sondern
wir müssen auch darüber nachdenken, wie man die Ur-
sachen beseitigt, die dazu führen, dass der Regenwald
abgeholzt wird .


(Beifall bei der LINKEN)


Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich gro-
ße Konzerne aufgrund ihrer Profitgier dort bedienen und
ausnutzen, dass es in diesen Ländern große Armut gibt,
die die Menschen dazu zwingt, ihre natürlichen Ressour-
cen zu verkaufen . Es gehören aber auch andere Themen
dazu . So bedarf auch die Bekämpfung schlimmer Krank-
heiten der weltweiten Forschungskooperation, ebenso
Fragen des Artensterbens und der biologischen Vielfalt .
Man kann die Beispiele nahezu unbegrenzt fortführen .
Wir alle leben nun einmal in einer Welt und nicht jedes
Land in seiner . In diesem Sinne ist es gut, folgerichtig
und auch notwendig, dass sich ein reiches Land wie

Dr. Claudia Lücking-Michel






(A) (C)



(B) (D)


Deutschland an der Forschungskooperation beteiligt und
darauf setzt .

Die Bundesregierung hat nun gleich acht Strategien
entwickelt, wie sie sich aus forschungspolitischer und
bildungspolitischer Sicht in der Welt bewegen möchte .
Dabei bekommt man den Eindruck, dass Deutschland
vor allem an seine eigenen Vorteile denkt und die Koope-
ration diesen Eigeninteressen unterordnen will .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Man kann auch mit Scheuklappen durchs Leben gehen!)


So setzt sie zum Beispiel auf Großprojekte wie die Test-
anlage für die Kernfusionsforschung Wendelstein 7-X,
deren Aufbau allein schon 1 Milliarde Euro verschlun-
gen hat .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Gutes Projekt! – Dr . Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das beste Forschungsprojekt unserer Zeit, Frau Kollegin!)


Natürlich sind nicht alle großen Projekte schlecht; aber
es gibt eben auch solche, die schlicht überflüssig sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie binden unheimlich viel Geld, das dann in anderen
Bereichen der wissenschaftlichen Forschung fehlt . Dies
engt die Möglichkeiten auf wenige Themen ein . Darauf
hat auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hinge-
wiesen . Im Gegenzug werden kleine und mittelständi-
sche Forschungsinfrastrukturen benachteiligt .


(Dr . Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: In Deutschland kann alles wachsen!)


Ein bisschen wirkt dieses Kapitel in der Strategie wie
ein Alibi . Der Anteil der kleinen und mittelständischen
Unternehmen aus Deutschland, die am EU-Forschungs-
rahmenprogramm Horizont 2020 teilnehmen, liegt mit
11,5 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt .

Die Bundesregierung setzt in ihrer Internationalisie-
rungsstrategie vor allem auf Exzellenz . Exzellenz, so
sagt sie, entstehe vor allem durch Wettbewerb .


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es! – Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Bei Ihnen ist das der sozialistische Wettbewerb!)


Wissenschaftliche Exzellenz lebt aber nicht in allererster
Linie vom Wettbewerb, sondern von guten Arbeits- und
Forschungsbedingungen und klugen Köpfen .


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da klatschen noch nicht einmal die Grünen!)


Mit Blick auf die Internationalisierung geht es vor
allem um Forschungskooperation und nicht um For-
schungskonkurrenz . Den egoistischen Wettbewerb um
die besten Köpfe werden wir nicht gewinnen können . Da
unterschätzen wir die Kreativität der Forscherinnen und
Forscher aus anderen Ländern .

Wir täten sehr gut daran, bei unserem Agieren in der
Welt auch zu begreifen, dass das reiche Europa und das
reiche Deutschland zu einem beträchtlichen Teil für die

Herausforderungen, die in der Internationalisierungs-
strategie beschrieben werden, mitverantwortlich sind .
Darum ist es auch ein wenig unredlich, wenn der eigene
ökonomische Nutzen aus international gewonnenen Er-
kenntnissen im Vordergrund steht . Wenn das Motiv des
besseren internationalen Marktzuganges für deutsche
Unternehmen die internationale Forschungskooperation
bestimmt, dann ist dieser egoistische Ansatz ein Teil der
Ursachen der derzeitigen internationalen Probleme .


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Was sind denn das für Wörter?)


Uns geht es um kulturellen und wissenschaftlichen
Austausch auf Augenhöhe . Ich hoffe, Ihnen auch .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Mit Moskau!)


– Das war jetzt Ihr und nicht mein Niveau .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Reden Sie ruhig weiter!)


Wissen ist nämlich das einzige Gut, das sich vermehrt,
wenn man es teilt . Die Orientierung an kurzfristigen öko-
nomischen Interessen ist hier schädlich .

Im Übrigen frage ich mich, wieso Sie in der letzten
Zeit eigentlich immerzu auf solche Finanzierungsmo-
delle wie öffentlich-private Partnerschaften setzen . Der
Bundesrechnungshof hat erst kürzlich erklärt, dass das
die öffentliche Hand teurer kommt, als wenn man die
Projekte gleich durch öffentliche Mittel finanzieren wür-
de . Ich weiß nicht, warum das das neue System wird und
warum man das inzwischen überall – auch in der For-
schungskooperation – anwendet .

Nun aber zurück zur Strategie der Bundesregierung . –


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr schön!)


Es gibt genau genommen keine neuen Ansätze, sondern
vor allem Worthülsen: Wir wollen uns stärker engagie-
ren . Wir wollen besser umsetzen . Wir wollen weiterent-
wickeln . – Machen Sie es doch!


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Machen wir doch!)


Begriffe wie „Dynamik“ und „Flexibilisierung“ sagen
überhaupt nichts über Inhalt und Ziel . Sie können gut,
aber auch sehr schlecht sein . Deshalb glaube ich nicht,
dass es reicht, wenn man mit solchen Worthülsen eine
Strategie entwickelt .

Die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft werden
so gut wie gar nicht thematisiert, und zwar weder die in
unserem Lande noch die im Ausland . Sie sind aber ein
wesentlicher Faktor für gute Forschung .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sie sehen das zu schwarz!)


Für gute Wissenschaftskooperationen in der Zukunft
ist es auch wichtig, dass Studierende einen Teil ihres Stu-
diums im Ausland absolvieren .


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das wird auch thematisiert!)


Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


– Das wird thematisiert, aber man muss dazu sagen, dass
das, was dort passiert, eigentlich zu wenig ist . Das hat
aber nichts damit zu tun, dass die Studierenden das nicht
wollen, sondern damit, dass die derzeitigen Studienbe-
dingungen das nicht zulassen . Deshalb liegen die Aus-
landsaufenthalte sehr oft zwischen dem Bachelor und
dem Master . Außerdem hat das damit zu tun, dass die
sozialen Bedingungen trotz des Förderprogramms nicht
stimmen .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Noch nicht einmal die Linke klatscht, Frau Hein! Das sollte Sie nachdenklich machen!)


– Wenn Sie das „Quatsch“ nennen, dann weiß ich nicht,
wo Sie leben .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er lebt in Thüringen!)


Ich möchte zu einem anderen Aushängeschild kom-
men; das ist ein Thema für Herrn Feist . Ich meine die
duale Berufsausbildung, den Exportschlager, den wir
immer so gerne bejubeln . Sie meinen, wir hätten dabei
den Stein der Weisen gefunden, und wir müssten dieses
System auf alle Länder übertragen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nein, die anderen, nicht wir!)


Manche Länder glauben tatsächlich, dass das möglich
ist . Dieses System ist aber kein Exportschlager . Nach-
dem uns einige Jahre lang ausländische Gäste die Türen
eingerannt haben, scheint sich langsam die Erkenntnis
durchzusetzen, dass die schlichte Übertragung, also der
Export dieses Systems, nicht so einfach ist .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Macht doch niemand! – Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/ CSU]: Deshalb hat man den Sozialismus immer nur in einem Land!)


So ist der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Grünen zu entnehmen, dass Spanien aus die-
sem System schon wieder ausgestiegen ist . Wenn dafür
die wirtschaftlichen Voraussetzungen in einem Land feh-
len, dann gibt es eben keine duale Ausbildung .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Wollen Sie sie deshalb auch bei uns abschaffen, oder was?)


Diese baut darauf auf, dass sich die Wirtschaft in dem
Land engagiert . Die Leuchttürme, die es in diesen Län-
dern gibt, entfalten eben keine Flächenwirkung und viele
Abkommen und Absichtserklärungen auch nicht .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Was sagt Ihnen das jetzt?)


Ich will Ihre Strategie zitieren, weil dabei ziemlich
klar wird, worum es geht – Sie haben sie gleich am An-
fang zusammengefasst –:

Sie

– die gut ausgebildeten Fachkräfte –

sind zugleich eine wichtige Voraussetzung für das
Engagement deutscher Unternehmen in den Ziellän-
dern .


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Gut zitiert!)


Da haben wir es: Darum geht es . Es geht um die besten
Bedingungen für deutsche Unternehmen in den Ziellän-
dern .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Arbeitsplätze! Wohlstand! Ganz schlimm! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Nein, es geht um den Arbeitsmarkt junger Menschen!)


Die Fachkräfte gehören eben dazu . Hier steht wieder ein-
mal die wirtschaftliche Expansion im Vordergrund .

Nun frage ich mich nur: Wieso bekommen Sie es nicht
hin, jene jungen Menschen, die in den letzten zwei Jahren
zu uns geflüchtet sind und abwarten, ob ihr Asylgesuch
anerkennt wird – ich meine diejenigen mit einer gerin-
gen Bleibeperspektive –, so auszubilden, dass sie bei der
Rückkehr in ihr Heimatland eine gute Basis dafür haben,
später einmal Fachkräfte zu werden?


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Da haben Sie recht! Machen wir doch! – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Machen wir doch!)


Hier hätten Sie die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass es
mehr Fachkräfte gibt, aber das machen Sie nicht .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Auch das machen wir!)


Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822612800

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Dr . Daniela

De Ridder von der SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1822612900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Gäste!

Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und
werden, im Innern und nach außen .

Das sagte Willy Brandt vor rund 50 Jahren in seiner Re-
gierungserklärung . Ich sage an diesem traurigen Tag, an
dem wir die Maut verabschiedet haben


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


– warten Sie doch ab –, dass es mich ein wenig ärgert,
liebe Kollegen, dass es wir Wissenschaftspolitikerinnen
und -politiker sein müssen, die die Scharte auswetzen
müssen, die die Verkehrs- und Finanzpolitiker geschla-
gen haben .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird nicht reichen!)


Dr. Rosemarie Hein






(A) (C)



(B) (D)


Meine niederländischen Kollegen verstehen nicht, wa-
rum wir heute die Einführung der Maut beschlossen ha-
ben . Aber noch weniger verstehen sie, warum wir ihre
Bildungsabschlüsse nicht ausreichend anerkennen, und
zwar trotz des Bologna-Prozesses .

Aber ich will an diesem Tag die Plenarwoche nicht
griesgrämig beenden, sondern ich will das in Dankbar-
keit tun . Sie, Frau Ministerin Wanka, werden gleich si-
cherlich erwähnen, dass allein aus Ihrem Hause für For-
schung und Entwicklung rund 800 Millionen Euro in die
internationalen Kooperationen fließen.

Ich will an dieser Stelle auch nicht unerwähnt lassen,
dass Deutschland im internationalen Vergleich Platz fünf
der beliebtesten Länder einnimmt, was die internationa-
len Studierenden angeht . 12 Prozent aller Studierenden
in Deutschland kommen aus dem Ausland . Liebe Kol-
legin Hein, das könnten gerne noch mehr sein . Genau-
so verhält es sich mit der Zahl der Studierenden, die ein
Auslandssemester einlegen oder Auslandspraktika absol-
vieren . Das ist knapp die Hälfte der Studierenden . Auch
da könnten wir gut einen Boom gebrauchen . Damit leis-
ten wir im Gegensatz zu der eben aufgestellten Behaup-
tung einen Beitrag zur Brain Circulation .


(Beifall bei der SPD)


Ich will mich für die Arbeit vom BMBF, vom BMZ
und auch vom AA bedanken . Nicht minder lobend will
ich die vielen Aktivitäten des Deutschen Akademi-
schen Auslandsdienstes und der Alexander-von-Hum-
boldt-Stiftung erwähnen . Ich will auch nicht vergessen,
dass die Goethe-Institute eine Menge leisten .

Meinen Fokus will ich aber auf die transnationa-
len Bildungsallianzen legen . Allein der DAAD fördert
80 Projekte in 36 Ländern . Wussten Sie, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, dass 52 Prozent dieser Projekte
an Fachhochschulen durchgeführt werden, die diese in
einem Förderzeitraum von fünf Jahren mit ganz erhebli-
cher Anstrengung auf die Beine gestellt haben?

Zurück zur Alexander-von-Humboldt-Stiftung . Hier-
bei will ich in der Tat noch einmal ganz besonders die
Philipp-Schwartz-Initiative lobend erwähnen; denn sie
unterstützt nach meinem Informationsstand inzwischen
70 ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler, die in ihrem Land alles andere als Wissenschaftsfrei-
heit genießen können .

Liebe Claudia Lücking-Michel, erst vor wenigen Wo-
chen haben wir hier gestanden und noch einmal deutlich
gemacht, was wir für Subsahara-Afrika tun wollen . Lie-
be Rosemarie Hein, unter anderem ein Projekt will ich
erwähnen, nämlich die Planung der Ostafrikanisch-Deut-
schen Hochschule, die gerade dafür sorgen will, dass
Menschen in afrikanischen Ländern nicht ihren Konti-
nent, nicht ihre Heimat verlassen müssen, sondern dort
eine adäquate Qualifikation genießen können, damit sie
eine Perspektive für die Zukunft haben .

Liebe Frau Präsidentin, lassen Sie mich mit Verlaub
zwei großen Damen der Wissenschaftspolitik danken .
Die erste ist Frau Dr . Edelgard Bulmahn . Ihr ist es zu
verdanken, dass es zur Gründung der German Jordanian
University kam, die im Jahr 2005 ihren Betrieb aufneh-

men konnte . Inzwischen studieren dort 3 600 Studieren-
de an sieben Fachbereichen, und inzwischen haben auch
schon 1 100 Studierende ein Deutschlandsemester oder
ein Deutschlandpraktikum aufnehmen können . Ich bin
sehr dankbar, dass Dorit Schumann, die dortige Vizeprä-
sidentin, unserer Einladung in den Ausschuss gefolgt ist .
Wir werden sie kommenden Mittwoch hören und befra-
gen können .

Ich will auch deutlich machen, dass wir in Tunesien
eine weitere Hochschule planen . Der Maghreb braucht
auch unsere Unterstützung . Wir wollen mitunterstützen;
denn wir wollen eben nicht, dass junge Menschen dem
IS anheimfallen . Wir wollen, dass sie durch Bildung eine
Perspektive auf dem Arbeitsmarkt bekommen . Warum
dann nicht mit Unterstützung deutscher Unternehmen?
Die wird dort nämlich ganz dringend gebraucht, auch für
die Investitionen, die wir allein nicht leisten können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das, was junge Menschen dort brauchen, ist Bildung statt
Bomben und Bürgerkrieg .

Ich will aber noch eine zweite große Dame, eine
Grande Dame der Wissenschaftspolitik, erwähnen . Das
ist Rita Süssmuth, die sich wie kaum eine zweite um die
Türkisch-Deutsche Universität verdient macht, und das
trotz der Bedingungen, die dort herrschen, und ich sage
das ohne jeglichen Hochmut und ohne jede Besserwis-
serei, wozu uns der neue Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier geraten hat . Ja, Frau Süssmuth bemüht sich
hier, die progressiven Kräfte in der Türkei zu unterstüt-
zen und diese deutlich zu stärken .

Ich will an dieser Stelle einen Punkt aber nicht un-
erwähnt lassen: Was die Türkisch-Deutsche Universität
offensichtlich dringend braucht, sind journalistische Stu-
diengänge . Daneben gilt es, die Pressefreiheit zu unter-
stützen, komme, was wolle; denn sie ist auch etwas, was
diese jungen Menschen unbedingt verdienen . Das ist ein
Anliegen, das mir der Journalist Gero von Boehm vor
wenigen Tagen zuflüsterte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir also mu-
tig . Das haben uns beide Bundespräsidenten, der aus
dem Amt geschiedene und der neu ins Amt gekommene,
Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier, mit ans
Herz gelegt . Haben wir also den Mut, Verantwortung
auch in der Welt zu übernehmen .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613000

Vielen Dank, Frau Kollegin . – Jetzt hat als Nächster

Kai Gehring von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
das Wort .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822613100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Welt ist aus den Fugen geraten: Akute Hungerkata-
strophen, schleichende Klimakrise, Kriege und Konflik-

Dr. Daniela De Ridder






(A) (C)



(B) (D)


te bringen Elend . Terror destabilisiert Länder, Staaten
zerfallen . 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der
Flucht . Papst Franziskus spricht von der größten Tragö-
die seit dem Zweiten Weltkrieg .

Weltweit versuchen autoritäre nationalistische und
fremdenfeindliche Kräfte, aus Krisen und Orientierungs-
losigkeit Kapital zu schlagen . Ihr giftiges Rezept: Aus-
grenzung, Abschottung und Renationalisierung . Das ist
unvereinbar mit unserer global vernetzten Welt, in der
wir leben und die wir weiter wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, wollen wir
die Globalisierung aktiv und fair gestalten:


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!)


in Verantwortung für alle Menschen in Deutschland und
nicht auf Kosten von Menschen anderer Länder und Re-
gionen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Bildung und Wissenschaft öffnen Kooperationen auch
mit Ländern, deren Türen vernagelt sind . Denn transna-
tionale Bildung richtet sich nicht an die Regime, sondern
stellt den einzelnen Menschen – den Forscher, die Lehr-
kraft, den Schüler, die Studentin – in den Mittelpunkt .

Die UNESCO-Verfassung von 1945 zeigt unseren
Auftrag . Zitat:

Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss
auch der Frieden im Geist der Menschen verankert
werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist unser Wertefundament, wenn wir über Internati-
onalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung
sprechen .

Mobilität und Austausch sind Grundlage für einen
konstruktiven Dialog und wesentlich für Völkerverstän-
digung und Vielfalt . Es geht nicht darum, den Großteil
der Wissenschaftler und Fachkräfte auf Dauer ins Land
zu holen, sondern es geht um zirkuläre Migration, um
Brain Circulation . Denn Abwerbung oder Headhun-
ting würden die Entwicklungschancen ärmerer Länder
schmälern . Es wäre falsch, Internationalisierung nur zu
betreiben, um Deutschland Wettbewerbsvorteile zu ver-
schaffen . Nein, es geht um so viel mehr .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Nachhaltig ist Austausch, von dem alle Partner pro-
fitieren, vor allem auch in der arabischen Welt und auf
dem afrikanischen Kontinent . Genau das ist Grundlage
für unseren deutschen Ansatz einer transnationalen Bil-
dung . Wir wollen Kooperation auf Augenhöhe und, ja,
auch auf Herzenshöhe .

Deutschland ist unter den Top Five der Zielländer in-
ternationaler Studierender, und das ist super . Die Zahl der
ausländischen Wissenschaftler in Deutschland wächst .
Auch das ist super .

Umgekehrt haben wir aber noch Luft nach oben . Da-
her wollen wir die Zahl der Auslandsaufenthalte von Stu-
dierenden und Azubis aus Deutschland in der Welt noch
deutlich steigern .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Gerade Finanzierungssorgen halten junge Leute allzu oft
von Auslandsaufenthalten ab . Daher wollen wir ein bes-
seres Auslands-BAföG und mehr Stipendien, damit mehr
Menschen aus einkommensarmen Familien den Schritt
ins Ausland wagen . Wir wollen Weltoffenheit für alle .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Eine international anerkannte Stärke Deutschlands ist
unser traditionsreiches System der Berufsausbildung . Es
ist bei weitem nicht makellos, aber relativ krisenfest und
verschafft uns eine vergleichsweise niedrige Jugendar-
beitslosigkeit . Dennoch lässt es sich nicht leicht kopieren
und exportieren .

Nach drei Jahren Europäischer Ausbildungsallianz
sind zum Beispiel in Italien gerade einmal 40 Ausbil-
dungsplätze entstanden . So gut unser Modell auch sein
mag, sollten wir uns doch ehrlich machen: Es ist kein
Exportschlager,


(Dr . Karamba Diaby [SPD]: Doch!)


sondern eher eine Blaupause . Es braucht echte Initiativen
gegen Jugendarbeitslosigkeit, die besser zu den jeweili-
gen Traditionen der Länder passen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber genau das machen wir ja!)


In vielen Ländern sind die Hochschulen Ausbildungs-
stätten . Allerdings hapert es vielerorts an der Verbindung
von Theorie und Praxis . Warum also nicht stärker unser
Modell der Fachhochschulen bewerben, deren Stärke
genau diese Verbindung ist? Das brächte den Fachhoch-
schulen genau den Internationalisierungsschub, den sie
leisten können und wollen . Wegweisend ist die Absicht,
eine deutsch-ostafrikanische Fachhochschule zu grün-
den: ein vielversprechender Vorstoß des DAAD, den wir
unterstützen und der hoffentlich Schule macht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Internationalisie-
rung schreitet voran: Wir haben unglaublich engagierte
Mittlerorganisationen und Stiftungen, die weltweit Tü-
ren öffnen . Wir haben Studierende und Wissenschaftler,
die in die Welt hinausziehen, um zusammen mit anderen

Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


neue Erkenntnisse zu gewinnen . Ihnen allen gebührt un-
ser Respekt und Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Uns allen muss zugleich bewusst sein, dass die Ar-
beit dieser Akteure schwerer geworden ist . Immer länger
wird die Liste der Länder, in denen Journalisten, Anders-
gläubige, Andersdenkende und Wissenschaftler entlas-
sen, verfolgt, drangsaliert und eingekerkert werden . Die
Forderung „Free Deniz!“ ist eindringliche Chiffre für den
Kampf für Pressefreiheit und die Freilassung aller inhaf-
tierten Journalisten in der Türkei und weltweit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Genauso braucht es Freiheit und Schutz für türkische
Wissenschaftler, die den Appell für den Frieden unter-
zeichnet haben . Vor massiven staatlichen wie nicht-
staatlichen Repressionen, Angriffen und Übergriffen ist
keine Profession mehr sicher . Besonders bedroht sind
Geistes- und Sozialwissenschaftler, weil sie als Antreiber
gesellschaftlichen Wandels gelten . Umso wichtiger sind
Programme für gefährdete Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler wie die Philipp-Schwartz-Initiative der
AvH-Stiftung . Wir sollten dieses Engagement verstetigen
und deutlich ausbauen, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU])


Neben dem akuten Schutz für Gefährdete kommt es
darauf an, die weltweite Stärkung der Wissenschaftsfrei-
heit zum zentralen Ziel der Internationalisierungsstrate-
gie zu machen . Das fehlt uns . Es fehlt an systematischem
Wissen, wie es in unterschiedlichen Ländern um Wis-
senschaftsfreiheit und Gefährdungen von Studierenden
und Forschern bestellt ist . Diesen blinden Fleck muss die
Bundesregierung beseitigen . Ob in der Türkei, in China,
Russland, im Iran, im Irak oder in Ägypten, dort und an-
derswo fürchten kritische Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler um ihre Freiheit, ihren Beruf, ihr Wohlerge-
hen, manchmal sogar um ihr Leben . Es reicht nicht aus,
diese Lage „mit Sorge“ zu beobachten . Es braucht hier
deutlichen diplomatischen wie politischen Druck .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Niemand will Austausch und Kooperation direkt abbre-
chen, wenn sich die Lage in einem Land immer weiter
verschlechtert . Für Ernstfälle bedarf es aber klarer Leit-
linien für die Zusammenarbeit, vor allem um denen den
Rücken zu stärken, die die internationalen Kooperatio-
nen gestalten .

Weltweit schrumpfen Budgets für die Wissenschaft .


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: In Deutschland nicht! Da steigen sie!)


Der gefährliche Trend der Wissenschaftsdiffamierung
nimmt zu . Auch hierzulande werden wissenschaftliche
Fakten wie der Klimawandel oder Genderforschungser-
gebnisse diskreditiert, lächerlich gemacht oder geleugnet .

Eine Fake- und Abschottungspolitik à la Trump und der
antieuropäische Brexit stellen Freizügigkeit und Koope-
ration von Wissenschaft auf eine mehr als harte Probe .
Das sind Herausforderungen, denen wir uns gemeinsam
aktiv stellen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bildung und Wissenschaft spielen die Schlüsselrolle,
um die Globalisierung zu gestalten . Bildung kommt soft
daher . Aber sie hat eine ungemeine Kraft . „Eine Schu-
le, ein Buch, ein Kind können die Welt verändern“ – so
hat es die Kinderrechtsaktivistin Malala auf den Punkt
gebracht . Bildung und Wissenschaft lehren Angstmacher
das Fürchten; denn es durchkreuzt ihre Pläne, die eigene
Verbohrtheit zu Intelligenz zu erklären . Bildung ist ein
Menschenrecht, ein Grundnahrungsmittel für eine starke
Zivilgesellschaft – in Deutschland, in Europa und in der
ganzen Welt . Es lohnt sich, dafür gemeinsam zu streiten
und zu werben .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613200

Vielen Dank, Herr Kollege Gehring . – Jetzt hat als

Nächste das Wort die Bundesministerin Dr . Johanna
Wanka .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am
Mittwoch, also vorgestern, war Weltwassertag, ein Tag,
der uns daran erinnern soll – und erinnert hat –, dass als
sechstes Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen an-
gestrebt wird, dass alle Menschen auf der Welt saube-
res Trinkwasser haben . Das ist eine gigantische Aufga-
be . Wenn man sich die Zahlen anschaut, weiß man, wie
schlimm es darum bestellt ist . Eine solche Aufgabe kann
man nur international, in Kooperation, lösen .

Ich will das große Projekt der Bundesregierung zum
Wasserressourcenmanagement in Jordanien als Beispiel
nennen . Es handelt sich um eine Region mit sehr wenig
Wasser und großen Problemen . In diesem Projekt arbei-
ten jordanische, deutsche, palästinensische und israeli-
sche Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter, NGO-Vertre-
ter und Behördenvertreter zusammen . Dort geht es auch
um Brücken zwischen Ländern und Menschen, die sonst
kaum miteinander reden .

Ich bleibe beim Thema Wasser . Wir haben in Deutsch-
land zu diesem Thema eine hohe Expertise, Frau Hein,
weil wir seit Jahren Grundlagenforschung betreiben .
Unsere Expertise ist gefragt . Wasserprojekte gibt es in
Israel, Indien, Afrika und China . Das heißt, die Lösung
der globalen Probleme gehen wir an . Wer kommt denn
auf die Idee, zu sagen, wir machen keine Grundlagen-
forschung? Genau das machen wir . Wir machen aber
nicht nur Grundlagenforschung . Vielmehr versuchen
wir auch, direkt die Lebensbedingungen der Menschen
in den jeweiligen Regionen positiv zu beeinflussen, zum

Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Beispiel mit den beiden Klimainitiativen SASSCAL im
südlichen Afrika und WASCAL im westlichen Afrika,
dem Forschungsnetzwerk zu Gesundheitsinnovationen
in Afrika, oder der PRIMA-Initiative, bei der es um den
Mittelmeerraum geht . In diesem Bereich gehören wir zu
den Ländern, die sich weltweit am stärksten engagieren .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


– Danke schön, Herr Rossmann .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Hein, Sie haben die Formulierung gewählt: Fu-
sionsforschung kostet viel Geld . – Dazu kann ich nur sa-
gen: Das ist ein Egoismus sondergleichen . Da wird mir
schlecht .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie ist überflüssig!)


Natürlich kommen wir in Deutschland damit aus, unsere
Energie aus Kohle – und was weiß ich nicht noch – zu
beziehen, und das auch noch in 30 Jahren .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? In 30 Jahren aus Kohle? Um Gottes willen! Kohleausstieg schnell! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich nicht!)


Aber das gilt nicht für die Megacitys der Welt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen dort forschen . Die Länder können es zum
Teil nicht . Aber gerade deswegen ist das international
und nicht egoistisch . Es ist genau das Gegenteil von ego-
istisch .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Aber an der falschen Stelle! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Kohleausstieg ist wichtig!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613300

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ich würde gern erst einmal zu Ende reden . – FONA ist
das große Programm für nachhaltige Entwicklung . Mit
2,1 Milliarden Euro werden dort beträchtliche Summen
eingesetzt . Ich habe mir den Antrag von Bündnis 90/Die
Grünen angeschaut . Das, was Sie fordern, machen wir
schon . Man kann natürlich immer noch mehr verlangen .
Noch mehr ist immer gut, aber das ist nicht das Problem
dabei .

Die Bundesregierung hat 2008 erstmals eine Interna-
tionalisierungsstrategie entwickelt . Diese Internationa-
lisierungsstrategie hatte vier Schwerpunkte . Der erste:
Lösung der globalen Probleme der Welt . Der zweite:
Zusammenarbeit mit den Besten und Leistungsstärksten
der Welt . Der dritte: international Innovationspotenziale

erschließen . Der vierte: Schwellen- und Entwicklungs-
länder stützen und stärken . Diese Schwerpunkte gelten
immer noch, und zwar unvermindert . Das sind ganz ent-
scheidende Ziele .

Aber die Welt hat sich gedreht, sie hat sich verändert .
Es müssen neue Dinge hinzukommen und neue Schwer-
punkte gesetzt werden . Ich will einige wenige nennen .

Ein Schwerpunkt ist Europa – den globalen Schwer-
punkt habe ich eben genannt – und der europäische For-
schungsraum .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wir haben null Chance, wenn wir denken, uns als
Deutschland, vielleicht noch mit Frankreich und ein,
zwei anderen Ländern zusammen, gegen die großen Zen-
tren in Amerika und in China behaupten zu können . Das
geht nur mit einem europäischen Forschungsraum .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben vor kurzem als allererstes Land in Europa
eine Strategie vorgelegt, in der wir nicht nur darlegen,
wie wir uns vorstellen, was die anderen machen sollen,
sondern vor allen Dingen, was wir selbst dazu machen
sollen . Es geht gerade darum – da sind wir oft alleine in
Europa –,


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Leider!)


dass wir uns engagieren . Es geht dabei nicht nur darum,
wie viel Geld wir oder andere zurückwollen, sondern da-
rum, wie wir in den Ländern in Europa, die nicht so leis-
tungsstark sind, exzellente Forschung ankurbeln können .
Deswegen ist das ganz entscheidend .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der zweite Punkt: internationale Mobilität . Die Stu-
dentenzahlen in diesem Bereich sind bestens . Wie kom-
men Sie denn auf die Idee, zu behaupten, dass wir in die-
ser Hinsicht nicht besonders gut seien? Haben Sie sich
einmal irgendwelche Zahlen angeschaut?


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Natürlich! Das steht doch dort drin!)


Bei uns gehen 37 Prozent aller Studenten einmal ins
Ausland . Die Niederlande, ein kleines und international
vernetztes Land, streben in den nächsten Jahren einen
Anteil von 20 Prozent an . Wir hingegen marschieren in
Richtung 50 Prozent . Wie kann man da sagen, das ist
nicht besonders gut? Das ist klasse .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Eine Bemerkung zum BAföG . In Ihrem Antrag steht,
die Bearbeitungsdauer beim Auslands-BAföG sei zu lan-
ge und die armen Studenten müssten einen Vorschuss
leisten . Sie wissen – davon gehe ich aus –, dass wir null
Einfluss darauf haben und dass das reine Ländersache
ist – Sie können Ihre Ministerin fragen –, wie BAföG
verwaltet wird . Das heißt, wir können das nicht beein-
flussen. Aber wir sehen natürlich, dass die Bearbeitung
manchmal zu lange dauert . Deswegen hat die Bundes-
regierung im BAföG einen Passus verankert, dass wir

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


einen Vorschuss zahlen, wenn die Bearbeitung zu lange
dauert . Also: erfolgt, erledigt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Bei der Mobilität geht es uns nicht nur um den Aus-
tausch, sondern es geht uns auch immer darum – Beispiel
Ukraine –, die Wissenschaft in den Ländern zu stärken,
damit die Wissenschaftler nicht alle weggehen, damit sie
nur temporär bei uns sind und dann wieder zurückgehen .
Oder sie sollen in ihrem Land gestärkt werden . Das ist
unsere Strategie . Wir haben einige Programme aufgelegt .
Die Philipp-Schwartz-Initiative ist genannt worden; ich
nenne jetzt noch: Integra, das Stipendienprogramm Lea-
dership for Syria etc . Wir haben aber auch Maßnahmen
mit einem Volumen von 18 Millionen Euro für Integra-
tions- und Migrationsforschung auf den Weg gebracht –
der 1 . März war Bewerbungsschluss für die aktuelle Aus-
schreibung –; denn wir brauchen viele Erkenntnisse in
diesem Bereich . Auch das läuft .

Vorletzter Punkt: Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands .
Da bin ich bei Jürgen Mlynek . Die Grundvoraussetzung
für Wettbewerbsfähigkeit ist Internationalisierung, ganz
klar .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Deswegen ist eine Einschränkung auf Wissenschafts-
einrichtungen und bilaterale Hochschulabkommen
falsch . Die 2+2-Projekte, die Frau Lücking-Michel er-
wähnt hat, sind richtig, ebenso Spitzencluster im Rahmen
der Internationalisierung .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch jetzt das 2-Prozent-Ziel bei Verteidigung!)


Das heißt auch, Möglichkeiten über wirtschaftliche Kon-
takte zu nutzen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der letzte Punkt . 2008 war die Attraktivität der deut-
schen Berufsausbildung noch nicht das Thema . Die Wert-
schätzung dafür ist gestiegen . Kein Mensch glaubt – das
finden Sie in keinem Papier –, dass wir das, was wir in
Deutschland haben, eins zu eins in irgendein Land über-
tragen können . Das ist absoluter Blödsinn .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das muss man nur lesen!)


Es geht nur darum, dass wir Elemente, die gut sind,
übertragen . Das ist schwierig genug . Der indische Mi-
nisterpräsident beispielsweise ist immer noch dafür, die
gesamte Ausbildung staatlich zu organisieren, ohne die
Wirtschaft .


(Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Vielleicht hat er recht!)


Das sind Dinge, über die wir diskutieren .

Für die berufliche Bildung in Deutschland ist Folgen-
des bei Erasmus wichtig: Dieses Programm ist bei vielen
Studenten angekommen; das weiß jeder, es machen vie-

le . Wir haben Gelder ohne Ende in der EU; das gilt auch
für unseren Teil . Wichtig ist nun, dass wir diejenigen, die
in der Berufsausbildung sind, auch ins Ausland schicken,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


zum Beispiel nach Italien, wenn sie Koch oder so etwas
lernen . Wir müssen das nur noch mehr zur Nutzung brin-
gen . Das Geld ist schließlich da; es ist keine Frage des
Geldes .

Was den Transport von guten Elementen angeht, ma-
chen wir in diesem Sommer eine neue Förderung: Wir
bieten den deutschen Bildungsanbietern, die die entspre-
chenden Voraussetzungen haben, Unterstützung durch
öffentlich-private Partnerschaften an, damit sie in ande-
ren Ländern tätig sein können . Warum denn nicht? Diese
Anbieter haben das nötige Know-how, und dieses Betä-
tigungsfeld ist für sie eine Chance . Das funktioniert ab
dem Sommer .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine kleine Nebenbemerkung . ÖPP-Projekte sind
nicht per se gut – nein, das kann man nicht sagen –; sie
sind aber auch nicht per se schlecht . Ein gutes Beispiel ist
natürlich unser Haus . Schauen Sie es sich an: Sein Bau
als ÖPP-Projekt blieb sowohl im Zeit- als auch im Kos-
tenplan . Da, wo rote Landesregierungen sind – Stichwort
„Flughafen“; kein ÖPP-Projekt –, dauert alles länger .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich glaube, mehr denn je
brauchen wir eine freie Wissenschaft . Wissenschaftsfrei-
heit ist das A und O . Sie ist das wesentliche Element un-
serer Internationalisierungsstrategie . Wir brauchen eine
Wissenschaft, die Grenzen überwindet, die kluge Köpfe
verbindet und die international daran arbeitet, die großen
Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen . Ich den-
ke, wir haben die Strategie dafür, und wir setzen sie um .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613400

Vielen Dank, Frau Ministerin . – Bevor wir die Aus-

sprache zu dem Thema fortsetzen, erteile ich das Wort
dem Kollegen Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke
für eine Kurzintervention .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Die Linke ist doch für Fusionsenergie!)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822613500

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Ministerin, als

Erstes eine kurze Bemerkung zu Ihrem Redezeitpunkt .
Regelmäßig ergreifen Sie das Wort nach der Opposition,
damit wir nicht mehr die Möglichkeit haben, direkt auf
Sie zu erwidern . Das ist eine kleine Unsitte . In diesem
Zusammenhang verwundert es auch nicht, dass Sie eine
Zwischenfrage nicht akzeptieren .

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka






(A) (C)



(B) (D)


Ich habe mich gemeldet, um auf die Frage der Fu-
sionsforschung einzugehen . Sie behaupteten nämlich,
mit Kernfusion könnten die Energieprobleme in den
Entwicklungsländern gelöst werden . Ich wollte Ihnen
die Frage stellen, ob Sie wissen, in welchem Jahr die
Kernfusion einsatzbereit ist . Nach meinem Wissensstand
rechnet man bei ITER damit, dass man nicht vor dem
Jahr 2055 in die kommerzielle Nutzung gehen kann –
wenn denn alles klappt .


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zu diesem Zeitpunkt leben manche Menschen noch!)


Das ist bis dahin ein Zeitraum von etwa 40 Jahren . Das
Ganze nennt sich Kernfusionskonstante, weil man schon
1970 versprach: In 40 Jahren wird die Kernfusion ein-
satzbereit sein . – Das heißt, ich frage Sie, wie die Zeit bis
dahin überbrückt werden soll .

Aus unserer Sicht müssen wir die Forschungsmittel
heute einsetzen – das ist unsere Meinung; sie hat Frau
Kollegin Dr . Hein vorgetragen –, damit die Energiearmut
und die Armut insgesamt heute bekämpft werden kön-
nen und damit keine Kriege mehr aufgrund von Armut
geführt werden .


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Kurzfristdenker!)


Da ist Forschung notwendig . Die Nutzung erneuerbarer
Energien und die entsprechenden Speichertechnologien
in Entwicklungsländern müssen vorangetrieben werden .
Die Energieeffizienz muss dahin gehend verbessert wer-
den, dass sie in den Entwicklungsländern genutzt werden
kann . Genau dafür fehlen die Gelder, weil Sie sie in eine
Forschung stecken, die vielleicht in 40 Jahren funktio-
nieren könnte .


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Egoist!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613600

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben das Wort zur

Erwiderung .

Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich
machen wir das . Natürlich fördern wir jetzt schon in
Afrika und an anderer Stelle . Ich will gar nicht über For-
schungsfragen im Zusammenhang mit diesen Energien
reden; das will ich jetzt gar nicht thematisieren .

Aber die Frage „Wann ist Kernfusion einsatzbereit?“
können wir alle nicht genau beantworten . Es dauert auf
jeden Fall . Experten sprechen von einem Zeitraum von
30 Jahren . Das ist egal . Ich habe zwei Enkeltöchter . Auch
ich bin dafür, dass wir Voraussetzungen dafür schaffen,
dass die Welt in Ordnung ist, wenn sie erwachsen sind .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist gerade ein Ausdruck von Deutschlands Größe,
dass wir nicht nur auf die kurzfristige Verwertbarkeit
schauen . Das zu tun, ist völlig falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen gilt es, die Grundlagenforschung zu fördern,
und dazu gehört die Fusionsforschung .

Das ist ein Gebiet, in dem wir Weltspitze sind . Wenn
die Chinesen sagen, sie wollten da jetzt Milliardensum-
men investieren, stelle ich fest: Wir investieren weniger
Geld; aber wir machen es exzellent . Das lasse ich mir
nicht unter dem Aspekt „Es passiert nicht gleich morgen“
zerreden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Diese Rede hätten Sie auch zur Atomkraft halten können!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613700

Vielen Dank . – Wir setzen die Aussprache jetzt fort .

Als Nächstes hat der Abgeordnete Dr . Ernst Dieter
Rossmann von der SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1822613800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Wanka, Sie haben sich sehr intensiv mit Frau Hein
auseinandergesetzt . Ich mache es kürzer . Es gibt den
schönen Satz: „Ich bin der Geist, der stets verneint .“ –
Frau Dr . Hein, Sie waren heute leicht mephistophelisch,
und das ist zu wenig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben deshalb einen weiteren Weg zu gehen, um den
Konsens in Bezug auf die Internationalisierungsstrategie
am Ende auch so zu teilen, wie das – natürlich in Nuan-
cen – bei den Grünen, bei der SPD und auch bei der Frak-
tion der CDU/CSU – dort wird es vielleicht differenziert
gesehen – der Fall ist .

Aber insgesamt ist da etwas gewachsen; Frau de
Ridder hat daran erinnert . Es begann mit Edelgard
Bulmahn . Da hat es erste Akzente gegeben .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tolle rot-grüne Koalition, ja!)


Ich erinnere mich an den leider schon verstorbenen Vi-
zepräsidenten des DAAD, Max Huber, der sich über eine
solche Debatte hier gefreut hätte . Es war damals Edelgard
Bulmahn zusammen mit Joschka Fischer . Dann kamen
in der ersten Großen Koalition – in Anführungszeichen –
der Neuzeit Frau Schavan und Herr Steinmeier . Genau-
so ist es jetzt mit Frau Wanka und Herrn Gabriel . Es ist
gut, dass wir diese Kontinuität über die verschiedenen
politischen Verantwortlichkeiten hinweg haben; denn am
Ende steht ein wirklich gutes gemeinsames Ergebnis .

Frau Hein, wenn Sie in die Betrachtung der sehr de-
taillierten Programme eintreten würden, dann würden Sie
merken, wie fein ausgewogen die vielen Aktivitäten sind .

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


Ich will versuchen, das in einem Punkt neu einzuordnen .
Frau Wanka, da haben Sie für meine Begriffe das richtige
Stichwort für diese Debatte genannt . Sie haben nämlich
auf Europa abgehoben . Wir sind in Deutschland aller-
dings dabei, ein gewisses Gegenbild zu dem zu entwer-
fen, was aktuell in Europa diskutiert wird . Ich will Ihnen
sagen: Wir sind befremdet darüber, dass Kommissions-
präsident Juncker mit seiner Zielstrategie 2025 fünf stra-
tegische Elemente bzw . fünf Inhalte benennt, in denen
Bildung, Forschung und Innovation aber nicht enthalten
sind. Das, finden wir, ist zu wenig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es wäre gut, wenn dies im Jahr 60 der Römischen Ver-
träge, im Jahr 30 von Erasmus in Europa aufgenommen
werden könnte; der Europäische Forschungsraum und
Horizont 2020 sind in diesem Zusammenhang ebenfalls
zu erwähnen . Aber es fehlt . Es fehlt in der Juncker’schen
Europastrategie vollkommen, und das ist unterkomplex,
das ist auch unterperspektivisch .

Die Bitte an die Bundesregierung ist: Bringen Sie sich,
nachdem Sie sich jetzt schon eingebracht haben, noch
viel energischer ein mit dem Ziel, dass in der Verantwor-
tung Europas diese sechste Dimension mit aufgenommen
wird . Es geht bei der Internationalisierung von den Inhal-
ten her um Entwicklung in der Welt, um Wissenschaft,
um Forschung und Bildung .

Das hat auch deshalb Perspektive – Sie haben die
Zahlen genannt –: 7 Prozent der Weltbevölkerung sind
europäisch, 19 Prozent der Wissenschaftsleistung . Aber
das wird sich ändern . Wenn wir das nicht bündeln, wenn
wir nicht mit Exzellenz in Kooperationen und Netzwerke
hineingehen, dann wird dieser positive Beitrag, den wir
aus Europa, aus Deutschland leisten, schwächer ausfal-
len, als er sein könnte .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Eine kritische Bemerkung . Wir müssen auch daran
denken – Sie haben es angesprochen, andere ebenfalls –,
dass dazu natürlich auch Substanz gehört: Substanz an
Ressourcen, Substanz an Regierungsaufmerksamkeit,
Substanz auch an Geld . Von Kai Gehring kam vorhin die-
ser Zwischenruf . Auch wir glauben, dass die Fixierung
auf das 2-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben im Rahmen
der NATO nicht das ist, was internationalen Frieden,
internationale Nachhaltigkeit tatsächlich so befördern
könnte, wie es notwendig wäre; denn Militär schafft kein
sauberes Wasser, Militär verändert nicht den Klimawan-
del, Militär sorgt nicht für berufliche Bildung. Wir dürfen
diese Dimension nicht vergessen . Wir brauchen dafür zu-
sätzliche Mittel . Wir brauchen sie in Deutschland, und
wir brauchen sie auch in Europa . Das muss eine Perspek-
tive sein, die wir zusammen aufmachen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gemeinsam!)


Es gibt jetzt erste Vorstellungen nach Trump und nach
dem Brexit und sozusagen zur Korrektur des verengten
Juncker’schen Entwicklungskonzepts . Ich fand sehr be-
merkenswert, was Herr Hippler und sein französischer
Kollege Roussel – jeder in seinem Land Präsident der

Hochschulrektorenkonferenz – angesprochen haben,
nämlich: Wir bräuchten auch aus der europäischen Wer-
tetradition heraus eine gemeinsame Initiative der Univer-
sitäten, der Forschungs- und Bildungseinrichtungen mit
dem Ziel höherer Niveaus in Europa, um dies in Europa
zu vermitteln und zu vernetzen, aber auch aus Europa
heraus . – Sie schlagen einen Fonds vor, eine Initiative
für Bildung, Forschung und Innovation . Wenn unser Au-
ßenminister Sigmar Gabriel jetzt anspricht, mehr Geld
für Europa zu mobilisieren, dann hat er auch dies mit im
Hinterkopf .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist gut, dass wir beim konservativen Partner/Kon-
kurrenten merken: Darüber wird differenziert gedacht,
von Europapolitikern anders als von anderen . Aber las-
sen Sie uns, wenn wir diese gute Bildungs- und For-
schungsagenda haben, doch gemeinsam dafür werben,
dass in Europa das Gewicht auf Bildung, Forschung und
Innovation stärker wird, weil das etwas Positives in die
Welt hineinträgt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Der Vorschlag der beiden Präsidenten zu Bildung,
Forschung und Innovation deckt sich im Übrigen mit
dem, was von Ihnen, Frau Wanka, aber auch von anderen
verdienstvollerweise in die neue Internationalisierungs-
strategie 2017 – nach der von 2008 – hineingebracht
worden ist. Darin findet sich erstmals die Dimension der
beruflichen Bildung.

Damals war man noch nicht so weit . Frau Hein, man
kann – ich mache einmal den Zusammenhang klar – ganz
einfach sagen: Es ist das Bündnis von exzellenter Wis-
senschaft und exzellentem Facharbeitertum bzw . von ex-
zellenter Forschung und exzellenter beruflicher Bildung,
das Baden-Württemberg, Deutschland und andere euro-
päische Länder stark gemacht hat .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dies in der Exzellenz und Qualifizierung nach vorne zu
tragen, wäre eine starke Botschaft . Die müssen wir aber
noch ausbauen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das darf aber nicht in dem Sinne geschehen, dass wir un-
ser System in andere Länder transportieren wollen . Nein,
wir nehmen es als Botschaft mit auf, dass wir an der Stelle
etwas entwickeln wollen . Wir müssen das dadurch unter-
stützen, dass wir – das haben Sie und auch Kai Gehring
angesprochen – für den Bereich des nichtakademischen
bzw. beruflichen Austausches die Mittel im Rahmen des
Erasmus-Programms verdoppeln . Das wäre etwas, wo
wir hinkommen könnten . Selbst wenn Sie, Frau Minis-
terin, die Stirn runzeln: Ich glaube, wenn wir es erreicht
hätten, würden auch Sie das anders beurteilen . Am Ende
geht es um die Gleichwertigkeit von akademischer und
beruflicher Ausbildung auch bei Erasmus.

Weltoffenheit ist das Ziel und die Garantie, Frau
Lücking-Michel, für das, was uns stark macht . Des-
halb schlage ich den Schlussbogen mit einem Zitat von
Alexander von Humboldt, der Folgendes gesagt hat:

Dr. Ernst Dieter Rossmann






(A) (C)



(B) (D)


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der
Leute, welche die Welt nie angeschaut haben .

Ja, sich die Welt anschauen – das ist Internationalisie-
rungsstrategie .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822613900

Vielen Dank, Herr Kollege . – Als Nächster hat das

Wort Dr . Thomas Feist von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1822614000

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Meine verehrten

Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und
Herren! Den Unterschied zwischen der jetzigen Inter-
nationalisierungsstrategie der Bundesregierung und der
vorherigen sieht man schon im Titel . Denn während es
bei der Internationalisierungsstrategie 2008 um Wissen-
schaft und Forschung ging, geht es jetzt um Wissenschaft,
Forschung und Bildung . Bildung steht sogar an vorders-
ter Stelle . Das beschreibt genau das, was der Kollege
Rossmann gerade gesagt hat: Nur im Zusammenspiel
einer gut ausgebildeten Facharbeiterschaft mit einer ex-
zellenten Wissenschaft schaffen wir die Voraussetzung,
dass internationale Kooperationen super funktionieren .

Es ist angesprochen worden, dass die Kooperation
im Bereich der Berufsbildungszusammenarbeit noch
ausbaufähig ist; das hatte auch niemand bestritten . Mitt-
lerweile ist es aber so, dass wir über die verschiedenen
Ministerien hinweg in diesem Bereich mit 100 Ländern
zusammenarbeiten . Vorgestern fand hier eine große Ze-
remonie statt: Der neue Bundespräsident wurde in sein
Amt eingeführt . Zeitgleich fand im BMBF eine Bilanz-
konferenz zur internationalen Kooperation in der Berufs-
bildungszusammenarbeit statt . Frau Hein, Sie hatten eine
Mitarbeiterin dorthin abgestellt, die auch fleißig zugehört
hat .

Wenn man dort zugehört hatte, konnte man feststellen,
dass es nicht darum geht, ein Modell eins zu eins irgend-
wohin zu übertragen, sondern es geht darum, das duale
Prinzip zu übertragen . Das heißt, es muss ein Zusammen-
spiel zwischen einer guten berufsschulischen Ebene und
den Unternehmen geben . Das geschieht so, dass wir für
die entsprechenden Länder passgenaue Konzepte entwi-
ckeln . Das macht übrigens nicht die Politik, sondern das
machen die Akteure, die vor Ort vernetzt sind . Das sind
zum Beispiel die Außenhandelskammern . Aber auch die
Handwerkskammern in Deutschland machen das . Sie
überlegen beispielsweise: Wie müsste denn ein Ausbil-
dungsgang aussehen, der die spezifischen Besonderhei-
ten eines anderen Landes aufgreift? Ich denke, das ist in
diesem Bereich genau der richtige Weg .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zweitens sind die Fachhochschulen angesprochen
worden . Es gibt aber noch eine Ebene darunter: Das sind
die Berufsakademien oder die dualen Hochschulen . Auch
die sind im Bereich der internationalen Zusammenarbeit

hervorragend aufgestellt . Der Kollege Schummer bei-
spielsweise hat sich sehr dafür eingesetzt, dass die Hoch-
schule Niederrhein ein sehr internationales Profil zwi-
schen Deutschland und Holland bekommt . Dabei spielte
die Maut überhaupt keine Rolle; das beschäftigt die jun-
gen Leute nämlich überhaupt nicht, weil die meisten von
ihnen mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind .

Dort kann man sehen, dass nicht nur gemeinsames
Lernen und Studieren wichtig sind, sondern auch das ge-
meinsame Kennenlernen . Das ist die zweite Ebene der
Internationalisierung, die darin besteht, dass wir Men-
schen zusammenbringen, Menschen, die ein Gesicht und
einen Namen haben und die sich untereinander verstän-
digen .

Wir als Parlament sagen ja nicht nur: Die Internatio-
nalisierungsstrategie der Bundesregierung ist gut . – Viel-
mehr haben wir den Anspruch, das gemeinsam mit dem
Ministerium weiterzuentwickeln . Und das haben wir in
dieser Legislaturperiode eindeutig gezeigt: Zum Beispiel
wurde nach einer Ausschussreise nach Indien ein ge-
meinsamer Koalitionsantrag erarbeitet, in dem wir gesagt
haben, dass wir die Zusammenarbeit mit Indien ausbauen
wollen . Ich nenne in dem Zusammenhang aber auch die
Initiative für die Staaten Afrikas – und hier beispielhaft
die Subsahara-Programme –, die vom Parlament aus-
ging . Und so weiter .

Zu den Studierendenzahlen kann man auch noch et-
was sagen . Man kann natürlich immer beklagen, dass
diese zu niedrig sind .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber im Marshallplan mit Afrika ist nichts mit Wissenschaft!)


Aber man muss natürlich auch zur Kenntnis nehmen,
dass sich in den letzten Jahrzehnten der Anteil der deut-
schen Studenten, die mit Stipendien des DAAD ins Aus-
land gegangen sind, verdoppelt hat


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Marshallplan mit Afrika ist nichts mit Wissenschaft!)


und dass sich die Zahl der ausländischen Studenten, die
über ein DAAD-Stipendium nach Deutschland gekom-
men sind, nahezu verdreifacht hat . Das, muss ich sagen,
ist eine ganz tolle Sache . Recht vielen Dank an dieser
Stelle natürlich auch an den DAAD .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was die Hochschulen angeht, möchte ich noch etwas
sagen .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit dem Marshallplan mit Afrika? Da fehlt unser Bereich!)


– Herr Gehring, Sie waren schon dran und hätten das al-
les sagen können .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll ich eine Zwischenfrage stellen?)


Dr. Ernst Dieter Rossmann






(A) (C)



(B) (D)


Sie haben allerdings viele Sachen gesagt, die hier über-
haupt nicht passten . Insofern würde ich jetzt gerne fort-
fahren .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lass doch eine Zwischenfrage zu! Kannst ja antworten!)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822614100

Herr Kollege, lassen Sie die Zwischenfrage des Kol-

legen Gehring zu?


Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1822614200

Eine Zwischenfrage des Kollegen Gehring lasse ich

immer ganz besonders gerne zu .


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822614300

Vielen Dank . – Ich glaube, was angemessen ist, hier

anzusprechen, das entscheidet noch jeder für sich selber .
Ich habe mich ja vor allem für das Thema Wissenschafts-
freiheit starkgemacht . Dazu habe ich von Ihnen noch
nicht viel gehört .

Da Sie Afrika, auch Subsahara-Afrika, angesprochen
haben, wollte ich Sie fragen: Wieso fehlt eigentlich der
gesamte Bereich Bildung, insbesondere Wissenschaft,
Forschung und Entwicklung, im Marshallplan mit Afrika
von CSU-Minister Müller komplett? Wieso ist das eine
Leerstelle, wo Sie doch immer wieder betonen, dass man
in dieser Bundesregierung so toll zusammenarbeitet? Im
Marshallplan mit Afrika fehlt völlig, den Bereich Wis-
senschaft und Forschung zu adressieren und zu benennen
und das, was wir hier heute diskutieren, auch dort einzu-
bringen . Gibt es da noch Maßnahmen der Koalitionsab-
geordneten? Wird dieser Plan noch erweitert, oder bleibt
er so? Das ist eine echte Leerstelle, ein echtes Problem .
Das zeigt, dass interministerielle Zusammenarbeit offen-
sichtlich nicht funktioniert, während wir hier wieder über
Interdisziplinarität gesprochen haben .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt eine klare Antwort!)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1822614400

Ich bedanke mich für diese Frage, lieber Kollege

Gehring . Ich verstehe interministerielle Zusammenarbeit
so, dass nicht jeder das Gleiche macht . Genau das ist aber
bei diesem Punkt der Fall .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch nicht die Frage!)


Wir werfen ja auch nicht dem Gesundheitsministerium
vor, dass es bestimmte Programme in diesem Bereich
nicht unterstützt .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesundheit steht im Marshallplan drin!)


Im Marshallplan mit Afrika ist zum einen von der
Frage der Neustrukturierung der beruflichen Ausbildung
unter dem Label Green Economy, das heißt nachhaltiges
Wirtschaften, die Rede . Das liegt auch in der Zuständig-

keit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nach Forschung gefragt!)


Das dürfte Ihnen nicht verborgen geblieben sein und
müsste auch Ihnen ein Herzensanliegen sein .

Zum anderen müssten Sie doch auch wissen, dass In-
stitutionen wie der Deutsche Akademische Austausch-
dienst oder die Alexander-von-Humboldt-Stiftung zu ei-
nem Drittel vom Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt werden .
Die Philipp-Schwartz-Initiative ist mehrmals angespro-
chen worden . Diese wird im Übrigen vom Auswärtigen
Amt finanziert.

Jetzt tue ich Ihnen den Gefallen und sage noch etwas
zur Wissenschaftsfreiheit. Gerade im Bereich „geflüch-
tete Wissenschaftler“ stammen momentan mehr Antrag-
steller aus der Türkei als aus Syrien .


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Deswegen kann ich das, was Sie vorhin zur Presse-, Mei-
nungs- und Wissenschaftsfreiheit in der Türkei gesagt
haben, nur unterstützen, wollte es aber nicht wiederho-
len .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Abschließend möchte ich noch etwas zum Thema „öf-
fentliche und private Hochschulen“ sagen . Es ist ja im-
mer so eine Frage, wie man das einschätzt . Wer sind die
Guten? Ich bin sehr froh, dass die internationalste Hoch-
schule Deutschlands, die Handelshochschule Leipzig,
nicht nur in meinem Wahlkreis liegt, sondern auch eine
Privathochschule ist . Die Handelshochschule Leipzig,
eine sehr alte Gewerbeschule, zeichnet sich dadurch aus,
dass ein überproportionaler Anteil der Studentenschaft
und der Lehrerschaft international zusammengesetzt ist .
Insofern möchte ich damit aufhören, zu sagen: Die sind
gut, und die sind schlecht . – Vielmehr macht es der Mix .
Wir haben hervorragende Universitäten, wir haben her-
vorragende Privathochschulen, wir haben hervorragende
Berufsakademien, duale Hochschulen und Fachhoch-
schulen, und im Bereich der beruflichen Bildung sind wir
auch ganz gut . Was wir dort an Erkenntnissen weiterge-
ben können, das machen wir gern .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822614500

Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Feist . – Jetzt hat

als Nächster der Kollege Dr . Karamba Diaby von der
SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Thomas Feist






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Karamba Diaby (SPD):
Rede ID: ID1822614600

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Ziel
der vorliegenden Internationalisierungsstrategie ist der
Ausbau der internationalen Kooperationen im Bereich
berufliche Bildung.

Als ich 2016 wieder im Senegal war, habe ich mit
vielen jungen Menschen gesprochen . Ein Großteil dieser
Menschen hat keine Berufsausbildung und sieht keine
Perspektive im Land . Deshalb wollen sie auswandern .
Viele von ihnen wollen nach Europa oder nach Amerika,
um ein besseres Leben zu führen .

Mit der Internationalisierungsstrategie wollen wir
auch dazu beitragen, Ursachen von Flucht zu bekämpfen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


indem wir zum Beispiel Forschungs- und Bildungska-
pazitäten ausbauen und gezielt junge Menschen für den
örtlichen Arbeitsmarkt ausbilden und qualifizieren.


(Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)


Dabei gilt bekanntlich unser duales Ausbildungssystem
weltweit als Vorbild . Ich betone, dass es hier aus meiner
Sicht nicht darum geht, es eins zu eins zu exportieren,


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Das behauptet auch niemand!)


sondern um Kooperation . Viele Staaten wollen bei der
Berufsausbildung mit Deutschland zusammenarbeiten,
insbesondere weil die Übergangsquote von der Ausbil-
dung in den Beruf sehr hoch ist . Das zeigt auch die nied-
rige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gut ausgebildete Menschen leisten einen guten Bei-
trag zu einer nachhaltigen Entwicklung in den Partner-
ländern und gelten auch als Erfolgsbedingung für das
Engagement deutscher Unternehmen im Ausland .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bereits mit 17 Staaten hat das BMBF bilaterale Koopera-
tionsabkommen mit Blick auf das duale Ausbildungssys-
tem unterzeichnet .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht nur
Aufstieg durch Bildung in Deutschland, wir wollen nicht
nur, dass in Deutschland Herkunft kein Schicksal mehr
ist, sondern wir wollen, dass Bildungsgerechtigkeit auch
in weiteren Ländern Fuß fasst .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/CSU])


Mit der Internationalisierungsstrategie zeigen wir: Ers-
tens, wir werden unserer Verantwortung gerecht, globale
Herausforderungen zu lösen . Zweitens, wir stärken die
Zusammenarbeit mit Partnerländern im Bereich Bildung,
Wissenschaft und Forschung .

In den letzten Jahren habe ich regelmäßig Unterneh-
men in meinem Wahlkreis besucht . Viele dieser Unter-

nehmen beklagen den Fachkräftemangel . Das ist eine
Herausforderung für unsere Volkswirtschaft, auf die wir
Antworten finden müssen. Es ist deshalb auch ein Ziel
der Internationalisierungsstrategie, die internationale
Mobilität zu steigern und die Anerkennung der im Aus-
land erworbenen Abschlüsse weiter zu erleichtern . Das
Anerkennungsgesetz trat 2012 in Kraft und trägt seitdem
zur Fachkräftesicherung in Deutschland bei . Bis 2015
wurden über 63 000 Anträge auf berufliche Anerkennung
im Bereich des Bundes gestellt und mehrheitlich positiv
beschieden .


(Beifall der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD] und Albert Rupprecht [CDU/CSU])


Allerdings, Frau Ministerin, wissen wir auch, dass es bei
der Finanzierung der Anpassungsqualifizierung weiter-
hin Handlungsbedarf gibt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zeitalter der
Globalisierung müssen wir mehr denn je für die Men-
schen da sein, die Unterstützung brauchen . Eine gute
Ausbildung und gute Arbeit ermöglichen Teilhabe an
der Gesellschaft, und genau diesen Weg gehen wir mit
der Internationalisierungsstrategie der Bundesregierung .
Lassen Sie uns gemeinsam an der Umsetzung dieser
Strategie arbeiten .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822614700


Herzlichen Dank . – Der letzte Redner in dieser Debat-
te ist Dr . Stefan Kaufmann von der CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1822614800


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein-
mal ein ganz herzliches Dankeschön an das Haus und an
Ministerin Johanna Wanka persönlich . Hier besteht Ei-
nigkeit: Internationalisierung und Außenwissenschafts-
politik werden immer wichtiger für unser Land . Deshalb
kommt diese neue Strategie der Bundesregierung, des
BMBF, genau zur richtigen Zeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was anderes haben wir von Ihnen auch nicht erwartet!)


Kooperationen gerade in Bildung, Wissenschaft und
Forschung spielen beim Aufbau von bi- und multilate-
ralen Beziehungen eine zunehmend wichtige Rolle . Das
merken wir alle, nicht nur die Bildungs- und Forschungs-
politiker, bei jeder Auslandsreise . Das betrifft nicht nur
Hochschulkooperationen, sondern – das haben wir gera-
de hinlänglich gehört – auch den Bereich der beruflichen
Bildung .






(A) (C)



(B) (D)


Der Außenwissenschaftspolitik kommt gerade in Kri-
senzeiten und in Konfliktregionen, derer es ja immer
mehr gibt, eine zentrale Aufgabe zu .


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Sie schafft wissenschaftliche und akademische Perspek-
tiven und Gesprächsfäden, wo in vielen anderen Berei-
chen nichts mehr an Austausch und Begegnung passiert .
Ich selbst habe es zum Beispiel im April 2015 in Russ-
land nach der Krim-Krise oder 2014 und 2016 in Thai-
land unter dem Eindruck einer Regierungs- und Verfas-
sungskrise sowie einer Militärregierung erlebt .

Ich will drei Themen nennen, die mir in dem Zusam-
menhang besonders wichtig sind und zum Teil noch nicht
genannt wurden:

Erstens . Aus meiner Sicht müssen wir die Strukturen
der Wissenschafts- und Innovationskooperationen im
Ausland weiter ausbauen . Das heißt zum Beispiel: mehr
Forschungs- und Wissenschaftsattachés an unseren Bot-
schaften und Konsulaten; denn es braucht die ansprech-
baren Köpfe vor Ort .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt: Konsolidierung und weiterer Aufbau unserer
Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser, zum
Beispiel in Singapur, Kanada oder China; denn dort, wo
es diese Häuser gibt, funktionieren sie zuallermeist sehr
gut, wie ich auch aus eigener Anschauung weiß . Das heißt
auch: die örtliche Bündelung der Aktivitäten deutscher
Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen wie DAAD,
Fraunhofer- und Max-Planck-Institute, Hochschulen und
sonstige Organisationen wie zum Beispiel AHKs, auch
dort, wo es solche DWIHs noch nicht gibt .

Meine Damen und Herren, bei der Weiterentwicklung
der internationalen Wissenschaftskooperationen zu Inno-
vationskooperationen werden vor allem Länder wie Chi-
na eine zentrale Rolle spielen . Dort hat die Regierung ja
schon länger das klare Ziel ausgegeben: weg von „Made
in China“, hin zu „Invented and designed in China“ . Des-
halb muss Ziel unserer Politik eine systematische Förde-
rung von internationalen Netzwerken in den Bereichen
Bildung, Hochschule, Wissenschaft und Forschung sein,
eben auch zur Schaffung innovationsfreundlicher Rah-
menbedingungen . – Der Aspekt wurde bisher noch nicht
genannt .

Der zweite Punkt, der mir in diesem Zusammenhang
wichtig ist und genau dazu passt, ist, dass wir die KMU,
die kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei ihren
internationalen Innovationskooperationen unterstützen .
Wir haben gestern Abend zu später Stunde über die För-
derung der Innovationskraft von KMU diskutiert . Viele
unserer deutschen Mittelständler sind Hidden Cham-
pions und agieren weltweit . Der weltweite Wettbewerb
wird immer härter . Deshalb verdienen unsere KMU – ge-
rade wenn sie mit ihrer Innovationskraft auch internatio-
nal erfolgreich sind – unsere volle Unterstützung .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Dr . Thomas Feist [CDU/CSU])


Auch in diesem Sinne geht es darum, dass wir die beste-
henden Netzwerke zu Innovationsstandorten ausbauen
und entsprechende Expertise an unseren Auslandsvertre-
tungen vor Ort anbieten .

Ein dritter Punkt – er wurde schon genannt, aber ich
möchte ihn noch einmal nennen – ist in der Tat die Ver-
tiefung des Europäischen Forschungsraumes . Es wurde
von Frau Ministerin gesagt, dass wir das einzige EU-Mit-
glied sind, das eine nationale Strategie zum Europäi-
schen Forschungsraum erarbeitet hat, und zwar bereits
im Juli 2014 . Zentral für das Gelingen dieser Strategie
und des Europäischen Forschungsraumes und im Übri-
gen für den Zusammenhalt Europas ist die Einbeziehung
der EU 13, also der neuen Mitgliedstaaten, die übrigens
zum Teil gar nicht mehr zur EU 13 gehören wollen, weil
sie sich mittlerweile auf Augenhöhe mit uns, mit den
alten Mitgliedstaaten sehen, zum Beispiel Tschechien,
Slowenien oder die Slowakei . Insofern sind Themen wie
die Widening Participation oder die stärkere Nutzung der
Strukturfonds für Forschungs- und Innovationsstrukturen
im Rahmen des Ausbaus des Europäischen Forschungs-
raums so wichtig .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dass wir uns um dieses Thema kümmern müssen,
zeigt folgende Zahl: Der Anteil Europas an den weltwei-
ten FuE-Ausgaben ist von 2007 bis 2013 von 26,2 auf
22,7 Prozent gefallen . Gerade deshalb, meine Damen
und Herren – Herr Kollege Rossmann, Sie haben es ja
auch sehr pointiert hier festgestellt –, müssen wir das
3-Prozent-Ziel hinsichtlich der FuE-Ausgaben in der EU,
im Europäischen Forschungsraum, ernst nehmen,


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


und wir müssen das auch von den anderen Mitgliedstaa-
ten entsprechend einfordern .

Was heißt das konkret? Wir müssen unsere nationa-
len Forschungs- und Innovationspolitiken besser mit der
europäischen Forschungs- und Innovationspolitik ver-
netzen, im Sinne einer kohärenten Strategie . Wir müs-
sen ganz bewusst auf die Bereitstellung neuer Mittel für
das 9 . FRP, also für das Nachfolgeprogramm von Hori-
zon 2020, hinwirken und auf eine Erhöhung auf mindes-
tens 100 Milliarden Euro bestehen,


(Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD])


trotz neuer Herausforderungen . Ich freue mich, dass sich
das Europäische Parlament jüngst in diese Richtung po-
sitioniert hat . Wir müssen zudem in der EU weiter für
Kooperationen mit innovativen Drittstaaten wie zum
Beispiel Israel offen sein .

Meine Damen und Herren, ich darf abschließend
nochmals betonen, dass diese Internationalisierungsstra-
tegie der Bundesregierung einen Meilenstein der deut-
schen Bildungs- und Wissenschaftspolitik darstellt, auch
in ihrer neuen Ausformung . Deshalb bin ich zuversicht-
lich, dass wir, wenn wir es gemeinsam angehen, bei der
Umsetzung der vielen Ideen und beim Meistern der vie-

Dr. Stefan Kaufmann






(A) (C)



(B) (D)


len Herausforderungen Erfolg haben werden . In diesem
Sinne: Packen wir es an!

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822614900

Vielen Dank, Herr Kollege Dr . Kaufmann . – Damit

schließe ich die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/11100 und 18/10359 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall . Dann
sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Sportausschusses (5 . Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar,
Özcan Mutlu, Dr . Konstantin von Notz, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für eine weltoffene und vielfältige Sport- und
Fankultur – Bürgerrechte schützen, Grup-
penbezogene Menschenfeindlichkeit effektiv
bekämpfen, rechte Netzwerke aufdecken

Drucksachen 18/6232, 18/11511

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Als erstem Redner er-
teile ich dem Kollegen Dr . Frank Steffel von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Frank Steffel (CDU):
Rede ID: ID1822615000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Was gibt es Schöneres,
als beim letzten Tagesordnungspunkt am Freitagnach-
mittag über Sport zu reden?


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür werden Sie bezahlt, Herr Kollege! – Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Aber nur über die Hertha!)


Es gibt wirklich nichts Schöneres .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun reden wir allerdings nicht über die schönen Dinge
des Sports, die uns nicht nur hier, sondern insgesamt in
Deutschland miteinander verbinden – über die vielen Eh-
renamtlichen, über die vielen Kinder und Jugendlichen,
die in Sportvereinen viel fürs Leben lernen, und auch die
Millionen von Fans, die begeistert in den Stadien, in den
Hallen oder an den Bildschirmen ihrer Mannschaft die
Daumen drücken –, sondern wir reden heute auf Antrag
der Grünen über die schwierigen Seiten des Sports . Ich

nehme den Grünen auch ab, dass es ihnen mit diesem
Thema, der Bekämpfung von Gewalt, ernst ist .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns ist immer alles ernst! Was glauben Sie denn?)


– Lieber Özcan Mutlu, Sie sind so feige, dass Sie nicht
einmal zu diesem missratenen Antrag reden . Stattdessen
lassen Sie Frau Lazar reden .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feige? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie können uns gerne Redezeit abgeben! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für ein Machogehabe?)


Leider Gottes enthält Ihr Antrag ein Sammelsurium
von Plattitüden und übrigens auch falschen Zahlen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? Bei uns gibt es Zuständigkeiten! Da redet nicht jeder Hansel wie bei euch! – Gegenruf von der CDU/CSU: He! Das ist ja unglaublich! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Freitagnachmittagsmacho, oder was? – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hast du provoziert!)


– Dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei diesem
Thema sensibel ist, das werden wir gleich herausarbei-
ten . Ich will nur kurz auf die Plattitüden eingehen .

Es ist schon bemerkenswert, dass Sie in der letzten
Zeile Ihres Antrages fordern, dass der Deutsche Bun-
destag nun endlich die antisemitisch motivierten Hand-
lungen gegen Makkabi in Berlin und in Köln verurteilt;
denn damit erwecken Sie den Eindruck, als habe das
Parlament, die Bundesregierung und der deutschen Sport
das nicht immer ausnahmslos getan. Ich finde das nicht
in Ordnung . Ich will das ganz bewusst als ersten Punkt
ansprechen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Jeannine Pflugradt [SPD])


Zweitens . Sie formulieren – ich lese das einmal wört-
lich vor –:

Ultras in den Fankurven sind für eine bunte und
lautstarke Fankultur verantwortlich und sind . . . hin-
gebungsvolle junge Menschen, die nicht selten laut-
stark für . . . Toleranz und Vielfalt einstehen .

Meine Damen und Herren, die Bilder, die ich von Ul-
tras in den Fußballstadien habe, sind vielfach andere . Ich
verstehe nicht, wie das zu der Überschrift Ihres Antrags
passt .


(Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Nur Leipzig ist anders!)


Dr. Stefan Kaufmann






(A) (C)



(B) (D)


Es scheint, dass Sie den Referenten nicht im Griff haben,
der diesen Antrag geschrieben hat .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Steffel, Sie müssen differenzieren!)


Dann kommen Sie zu einem falschen Ergebnis; das
entspricht auch Ihrer Politik in den Ländern . Sie fordern
nämlich die Abschaffung der Datei Gewalttäter Sport .


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Unglaublich! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also wir in unserem Antrag nicht!)


Das ist die Datei, in der Schwerstkriminelle aufgeführt
sind, die in den Stadien Kinder und Jugendliche, friedli-
che Fans gefährden,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen würde helfen!)


die Pyro abschießen, die mit Gegenständen werfen und
die unsere Polizeibeamten vor den Stadien und in den
Stadien und auch die Sicherheitskräfte verprügeln .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht drin!)


Und Sie wollen diese Datei abschaffen? Sie forderten
auch jüngst im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag hier
in Berlin die Abschaffung der Datei, also nicht nur die
schärfere Kontrolle, sondern die Abschaffung,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier nicht im Abgeordnetenhaus, sondern im Deutschen Bundestag!)


und äußern ein schlimmes Misstrauen gegenüber den
Sicherheitsbehörden; denn Sie erwecken den Eindruck,
unsere Sicherheitsbehörden verfolgten Ultras . Meine Da-
men und Herren, anders wird ein Schuh draus: Die Ultras
gefährden in den Stadien friedliebende Fans und sportbe-
geisterte Familien .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und jetzt mal Sachlichkeit, bitte!)


– Ja, ich bin ganz sachlich . Sie können ja gleich antwor-
ten .


(Michaela Engelmeier [SPD]: Nein, er darf ja nicht!)


Sie nennen Zahlen zu gewaltbereiten Personen und
unterstellen, dass es hier einen Anstieg gebe . Die Zahlen
in Ihrem eigenen Antrag sprechen eine andere Sprache .
Sowohl bei den gewaltbereiten Personen als auch bei
den gewaltsuchenden Personen war in den letzten vier
Jahren ein Rücklauf von 15 Prozent zu verzeichnen: bei
den gewaltbereiten Personen von 4 570 auf 3 900, bei
den gewaltsuchenden Personen von 1 700 auf 1 500 . Ich
sage nicht, dass damit alles gut ist . Ich sage aber aus-
drücklich: Die Arbeit von Vereinen, die Arbeit von Fan-
projekten, die Arbeit von Kommunalpolitikern und Lan-
despolitikern und die Arbeit der Bundesregierung trägt
hier Früchte . Die Zahl der gewaltbereiten Fans ist in den
letzten Jahren Gott sei Dank zurückgegangen .

Dann kommen Sie zu Ihrem Lieblingsthema, den
rechtsmotivierten Personen . Auch hier sind wir uns in der
Ablehnung einig . Sie unterstellen, dass es einen Anstieg
von rechtsextremen Gewalttaten im Sport gibt .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht auch nirgendwo drin!)


Die Zahlen sagen aber genau das Gegenteil . Wir ha-
ben auch hier Gott sei Dank einen Rückgang um 10 bis
15 Prozent .

Es gibt aber einen Bereich im Sport, in dem es einen
massiven Anstieg der Zahl der Straftaten gibt .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von welchem Antrag reden Sie denn?)


Das ist der Bereich, über den Sie natürlich wieder nicht
reden, nämlich der Bereich linksextremistischer Strafta-
ten .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das denn? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Sie haben die Anträge verwechselt!)


In diesem Bereich ist die Zahl der Straftaten in der Tat
um 15 Prozent gestiegen . Das sollten Sie der Fairness
halber wenigstens in Ihren Antrag hineinschreiben, lieber
Herr Mutlu, statt, wie so oft, das Thema sehr einseitig zu
betrachten . Das macht Sie nämlich nicht glaubwürdiger .


(Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht mal der Koalitionspartner!)


Wir haben im Bund viele Programme gegen Extre-
mismus bei den Fans, gegen Rechtsextremismus, ge-
gen Gewalt im Fußballstadion . Übrigens reden wir zu
99,9 Prozent – dieser Schwenk gehört zum Thema dazu –
ausschließlich über Fußballsport . Wir sollten an dieser
Stelle auch einmal sagen: Es gibt viele Sportarten


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Eishockey!)


mit Millionen von Fans und Zehntausenden von Sportle-
rinnen und Sportlern, bei denen samstags und sonntags
Hunderttausende von Spielen friedlich, harmonisch und
sehr sportlich durchgeführt werden . Der Ausschnitt, über
den wir hier heute reden, ist sehr, sehr klein .

Sie erwecken den Eindruck, die Bundesregierung
habe bei diesem Thema nichts getan . Das ist falsch . Man
könnte pauschal sagen: „Der Bund ist dafür gar nicht zu-
ständig“ – die Länder legen gerade bei diesem Thema
sehr großen Wert auf ihre Eigenständigkeit –; aber auf-
grund der Bedeutung des Themas sollten wir uns keinen
schlanken Fuß machen, sondern sehr klar sagen: Auch
der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung ste-
hen in dieser Frage sehr klar an der Seite der Fanprojekte
und der Sportvereine . Wir unterstützen sie, indem wir die
Mittel erhöht haben und sie in vielerlei Hinsicht motivie-
ren, bei ihren Fans für Ordnung zu sorgen . Im Übrigen
sind das keine Fans, sondern Gewalttäter und Straftäter,
und so sollten wir sie auch bezeichnen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Matthias Schmidt [Berlin] [SPD])


Dr. Frank Steffel






(A) (C)



(B) (D)


Ich will deutlich machen, dass wir das Thema nicht
alleine lösen können . Das ist erstens kein Phänomen des
Sports. Das, was dort stattfindet, findet auch im Sport
bzw . im Fußballstadion statt, aber es ist ein gesellschaft-
liches Phänomen, mit dem wir uns in Schulen, im Ju-
gendbereich, aber auch in allen anderen Bereichen der
Gesellschaft engagiert auseinandersetzen müssen .

Zweitens ist das kein deutsches Phänomen . In vielen
Ländern, gerade in Europa, stellen wir fest – übrigens in
den östlichen genauso wie in den westlichen Ländern –,
dass Sportveranstaltungen offensichtlich missbraucht
werden, um extremistische, antisemitische, gewaltberei-
te Parolen zu verbreiten und Gewalttaten im Umfeld von
Sportveranstaltungen durchzuführen .

Wir sollten daher alle viel selbstbewusster über die
Werte des Sports reden . Wir sollten über den Nutzen von
Sport reden . Wir sollten über die 30 Millionen Menschen
in Deutschland reden, die sich ehrenamtlich engagieren,
viele davon im Sport, viele auch in anderen Bereichen
der Gesellschaft . Wir sollten unseren Übungsleitern dan-
ken, die jeden Tag in Sporthallen und auf Sportplätzen
die Werte des Sports vermitteln: Toleranz und Mann-
schaftsgeist . Wir sollten unseren Trainern danken, und
wir sollten die Rahmenbedingungen für die Ehrenamtli-
chen verbessern . Wir sollten Bürokratie abbauen und uns
noch einmal mit der Frage beschäftigen, ob wir die Eh-
renamtspauschale nicht doch auf die Höhe der Übungs-
leiterpauschale erhöhen sollten . Damit würden wir denje-
nigen, die im Verein ehrenamtlich oft die undankbarsten
Arbeiten erledigen, denjenigen, ohne die das Ganze nicht
funktionieren würde, in unserer ganz konkreten politi-
schen Arbeit Anerkennung und Respekt zollen und nicht
nur in Sonntagsreden . Einig dürften wir uns sein .

Lassen Sie uns über diesen Teil des Sports reden . Las-
sen Sie uns über die Werte reden, die durch den Sport
vermittelt werden . Lassen Sie uns einheitlich und ge-
schlossen mit der Bundesregierung gemeinsam dafür
sorgen, dass die wenigen, die das Bild des Fußballs und
das Bild des Sports jeden Samstag und jeden Sonntag
zumeist in den Bundesligastadien trüben, wissen, dass
sie die Ausnahme und nicht die Regel sind . Sie sollten
die ganze Kraft und die ganze Härte des Rechtsstaates
spüren, aber auch die Werte der Gesellschaft . Wir sollten
deutlich machen: Unser Bild vom Sport ist ein anderes .
Wir haben ein anderes Verständnis von Toleranz und In-
tegration . Das hat übrigens gerade die Integration von
Flüchtlingen in den Sportvereinen bewiesen .

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wo-
chenende auf den vielen Sportplätzen in Deutschland und
viele fröhliche und gewaltfreie Fans .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1822615100


Vielen Dank, Herr Kollege . – Jetzt hat der Kollege
Dr . André Hahn von der Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1822615200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolle-

ge Steffel, trotz unbestrittener Anstrengungen von Fans,
Vereinen und Verbänden sind im Sport, insbesondere
im Fußball, Rassismus und Homophobie leider immer
wieder an der Tagesordnung . Auch die unterschiedli-
chen staatlichen Programme von Bund und Ländern ha-
ben diese menschenfeindlichen Phänomene bisher nicht
wirksam unterbinden können .


(Dr . Thomas Feist [CDU/CSU]: Dann können wir sie ja streichen!)


Es ist also weder dem Fußball noch der Politik allein ge-
lungen, eine antirassistische Kehrtwende in den Stadien
einzuleiten .

Wie wäre es, den Kampf gegen rechte Hooligans und
Nazischläger endlich einmal gemeinsam anzugehen?
Wenn sich die wahren Fußballfans aktiv einmischen,
statt wegzuschauen, verdienen sie unseren Respekt und
unsere Anerkennung .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Eberhard Gienger [CDU/CSU])


Ich erlebe erfreulicherweise immer wieder bei vielen Fuß-
ballvereinen in Sachsen, nicht zuletzt auch bei Dynamo
Dresden – dass es dort bekanntermaßen Schwierigkeiten
gibt, darf und soll nicht verschwiegen werden –, dass die
übergroße Mehrheit der Fans Gewalt und Rassismus ent-
schieden ablehnt . Dies ist am Ende eine wichtige Voraus-
setzung für volle Stadien, für eine gefüllte Vereinskasse
und schließlich auch für den sportlichen Erfolg .

Das Phänomen, über das wir heute reden, gibt es nicht
nur in Deutschland, sondern auch bei unseren europä-
ischen Nachbarn . Wir brauchen also nicht nur den be-
rühmten Blick über den Tellerrand, sondern auch interna-
tional abgestimmte Strategien . Hier meine ich nicht nur
grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Sicherheits-
behörden, sondern eben auch die Förderung der Zusam-
menarbeit von Faninitiativen .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Antrag der Grünen ist sinnvoll . Ich verstehe über-
haupt nicht, wie man ihn ablehnen kann .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Lesen Sie ihn sich doch mal durch!)


Und im Gegensatz zum Kollegen Steffel freue ich mich
auf die Rede von Frau Lazar . Sie wird uns bestimmt et-
was zu sagen haben .

In der ersten Debatte zu diesem Antrag am 28 . Januar
2016, also vor über einem Jahr, haben die Redner der Ko-
alition mehrfach auf die Autonomie des Sports verwie-
sen . Haben Sie das getan, um sich selbst aus der Verant-
wortung zu nehmen? Haben Sie überhaupt eine Idee, wie
es funktionieren könnte? Ich habe nichts gehört . Über-
aus dürftig sind auch Ihre Begründungen zur Ablehnung

Dr. Frank Steffel






(A) (C)



(B) (D)


des vorliegenden Antrags . Bessere Vorschläge haben Sie
nicht vorgelegt .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie denn jemals bessere Vorschläge gemacht?)


Auch die vor Jahresfrist angekündigte Debatte im
Sportausschuss, um eine klare Aussage der Bundesregie-
rung zu Löschungen in der Datei „Gewalttäter Sport“ zu
erhalten – es geht nicht um deren Abschaffung, sondern
um Löschungen –, ist letztlich ziemlich unbefriedigend
ausgefallen . In der Beschlussempfehlung jedenfalls ge-
hen Union und SPD mit keinem Wort mehr auf notwen-
dige Änderungen bei den Regelungen für die Speiche-
rung ein . Dabei wissen auch die Koalitionäre ganz genau,
dass die Bestimmungen, wer in dieser Datei gespeichert
werden kann, alles andere als konkret sind . Immer wie-
der kommt es zu völlig anlasslosen Speicherungen . Inso-
fern muss dort etwas getan werden .


(Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Das wäre der Stasi nicht passiert! – Gegenruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau Ihr Niveau, Herr Kollege!)


– Herr Kollege Steffel, wenn das das Einzige ist, was Ih-
nen dazu einfällt, tun Sie mir ausgesprochen leid .


(Beifall bei der LINKEN – Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist exakt sein Niveau!)


Es muss doch uns allen daran gelegen sein, dass die
Daten einer Person, die ohne entsprechenden Grund, völ-
lig ungerechtfertigt, vielleicht durch irgendeine Polizei-
kontrolle, in der Datei gelandet sind – das sind beileibe
keine Einzelfälle –, unverzüglich gelöscht werden . Das
sollte schlicht eine Selbstverständlichkeit sein .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Genauso selbstverständlich sollte es sein, die Anzeichen
für verstärkte rechtsextreme Aktivitäten von vermeintli-
chen Fußballfans als gesamtgesellschaftliches Problem
zu benennen .

Nun ein Zitat:

Der Fußball allein kann gesellschaftliche Probleme
zwar nicht lösen, aber gemeinsam können wir einen
Beitrag dazu leisten, Rechtsextremismus und Dis-
kriminierung in Deutschland ins Abseits zu stellen .

So heißt es im Vorwort der DFB-Broschüre „Für Vielfalt
und Respekt!“ . Das bedeutet: Um die Fangewalt, insbe-
sondere um die rechtsextremistische, muss sich auch die
Politik in Bund, Ländern und Kommunen kümmern, an-
statt einfach auf die Autonomie des Sportes zu verweisen
und die Sache an den Deutschen Fußball-Bund als größte
Sportfachorganisation der Welt zu delegieren .

Die Linke plädiert dafür, dass zivilgesellschaftliches
Engagement von Fangruppen und Vereinen, die sich ge-
gen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im
Sport einsetzen, noch besser und gezielter als bisher ge-
fördert wird . Wir unterstützen dabei durchaus die Idee
eines einheitlichen Bundesprogramms zur Unterstützung
einer friedlichen und vielfältigen Fankultur . Wir halten

es allerdings für sinnvoller, dies in das bereits bestehen-
de Programm „Demokratie leben“ einzuordnen . Beim
Rechtsextremismus handelt es sich schließlich nicht um
ein sportspezifisches Problem – da hat Herr Steffel aus-
nahmsweise recht –;


(Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Na ja!)


er ist vielmehr Teil einer echten Gefahr für unseren ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt, und das sollte uns alle
angehen . Rechtes Gedankengut, rechte Parolen und
rechte Schläger beim Fußball sind unser aller Problem .
Deshalb müssen wir endlich entschlossen und vor allem
gemeinsam dagegen vorgehen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822615300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Michaela

Engelmeier für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1822615400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Treffen un-
ter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“ von etwa
5 000 Anhängern im Herbst 2014 in der Kölner Innen-
stadt zeigte, wie Rechtsextreme versuchen, den Sport für
ihre perfiden Gedanken zu nutzen und zu unterwandern.
Daher ist es wichtig, in allen Teilen der Gesellschaft,
auch im Sport, den Hetzern von rechts außen die Rote
Karte zu zeigen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])


Rechtsextremismus und die Bekämpfung von An-
dersdenkenden sind kein alleiniges Phänomen im Sport,
sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem . Meine
Partei, die SPD, mit Martin Schulz an der Spitze


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


wird nicht müde, die falschen Aussagen der braunen Het-
zer zu überführen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir jetzt die nächsten sechs Monate immer wieder hören!)


– Ich weiß, dass Sie traurig sind, dass Sie keinen Martin
Schulz haben . Aber bei uns ist das so, und wir freuen uns .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt! Das ist viel cooler!)


Wir wollen uns engagieren und aufstehen gegen rech-
te Hetze . Wir wollen aufstehen für Engagement für De-
mokratie .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Was macht ihr ohne Martin?)


Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


– Entschuldigung, Özcan, schade, dass du nicht reden
darfst . Wir können uns gleich gerne weiter darüber unter-
halten . Alles geschenkt .

Der Schutz aller Menschen vor Rassismus und Dis-
kriminierung hat für die Bundesregierung eine heraus-
ragende Bedeutung . Deshalb haben wir unter anderem,
lieber André, die Mittel für das Programm „Integration
durch Sport“ im vergangenen Jahr auf 11 Millionen Euro
mehr als verdoppelt, und im Bundesprogramm „Demo-
kratie leben!“ stehen seit diesem Jahr erstmalig mehr als
100 Millionen Euro zur Verfügung .


(Beifall bei der SPD)


Für mich ist ein einheitliches Bundesprogramm gegen
rechts, wie es die Antragsteller von den Grünen fordern,
nicht zielführend .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt Martin dazu?)


Das rechte Gedankengut ist viel zu vielschichtig in den
Köpfen, als dass man mit nur einem Programm alle Pro-
bleme lösen könnte . Es ist wichtig, dass die Bundesregie-
rung weiterhin flexibel auf Bewegungen in der rechten
Ecke reagieren kann . Wir wollen alle Menschen mitneh-
men, sich für Demokratie zu engagieren . Dafür brauchen
wir eine Vielfalt von Initiativen .

Welchen Beitrag der Sport für eine gelungene Inte-
gration von Menschen mit Migrationshintergrund leistet,
zeigen die vergangenen Monate . In Deutschland enga-
giert sich jeder dritte Sportverein für Flüchtlinge . Den
Begriff „Willkommenskultur“ erfüllten die Vereine mit
Leben . Viele Millionen Mitglieder engagieren sich eh-
renamtlich . Dabei waren es besonders die Vereine, die
mit ihren Turnhallen Notunterkünfte zur Verfügung stell-
ten . Waren vor einem Jahr im gesamten Bundesgebiet
etwa 1 000 Turnhallen belegt, sollen bis zum Sommer
fast alle Hallen wieder freigegeben werden . Für die Be-
reitstellung der Hallen möchte ich mich an dieser Stelle
bei den Vereinen, ihren Ehrenamtlichen und den Mitglie-
dern sehr, sehr herzlich bedanken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wie bunt und vielfältig selbst der Profifußball in
Deutschland geworden ist, zeigt ein Vergleich: Bei der
WM 1998 hatte kein Spieler des deutschen National-
teams einen Migrationshintergrund . Bei der EM 2016
waren es bereits 10 von 23 Spielern . In den Nachwuchs-
zentren der Klubs haben 40 Prozent der Kicker keine
deutschen Wurzeln . Es zeigt sich also, dass der Sport an
Vielfalt gewinnt .

Dennoch gibt es immer wieder Versuche von rechten
Hetzern, den Sport als Bühne zu missbrauchen . So ver-
breiteten die Mitglieder des rechten Fußballvereins FC
Ostelbien Dornburg aus Sachsen-Anhalt mit ihrem bra-
chialen, rassistischen, antisemitischen und menschenver-
achtenden Auftreten Angst und Schrecken . Daher ist der

Verein bereits Ende 2015 aus dem organisierten Sport in
Sachsen-Anhalt ausgeschlossen worden .


(Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig so!)


Auch antisemitische Anfeindungen sind keine Aus-
nahme . Das Spiel zwischen TuS Makkabi III und dem
BFC Meteor III im August 2015 in Berlin musste we-
gen Übergriffen abgebrochen werden . Auslöser der
Auseinandersetzung waren antisemitische Äußerungen
gegenüber einem Spieler von TuS Makkabi . Auch das
Spiel zwischen Mügeln-Ablaß 09 und Roter Stern Leip-
zig – viele Grüße an Monika Lazar – ist in der Folge von
antisemitischen Gesängen aus dem Bereich der Mügel-
ner Fans abgebrochen worden . Nicht genug: Es gibt in
Brandenburg den Sechstligisten TuS Sachsenhausen .
Dessen Fans hatten bei einem Spiel gegen den SV Ba-
belsberg ein Transparent ausgerollt, auf dem stand: „Gas
geben Sachsenhausen“ . Wir alle kennen die Geschichte
von Sachsenhausen . Wir alle kennen das Konzentrations-
lager . Menschenverachtender geht es nicht . Im Übrigen
wurden – das ist interessant – nicht einmal die Persona-
lien von den Menschen, die dieses Plakat entrollt haben,
aufgenommen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandalös!)


Ich finde, das ist eine Ungeheuerlichkeit. Ich formuliere
hier ganz ausdrücklich ein klares Nein zur aufkommen-
den Feindlichkeit gegenüber Juden .


(Beifall im ganzen Hause)


Die Übergriffe vor den Stadien, am Spielfeldrand oder
gar auf dem Spielfeld zeigen, wie wichtig die Präven-
tion durch Aufklärung ist, unter anderem durch die Si-
cherheitsbehörden . Wir halten an der Datei „Gewalttäter
Sport“ fest, damit randalierende, gewalttätige Fans kei-
nen Zutritt zu den Stadien haben . Wir fördern allerdings
Vielfalt unter dem Motto „Bunt statt braun“ im Sport und
werben für ein gemeinsames Miteinander und mehr Res-
pekt . Kein Schritt weit den Rassisten und Antisemiten,
auch nicht im Sport!

Herr Steffel, bei der Ehrenamtspauschale nehme ich
Sie beim Wort .

In diesem Sinne ein wunderschönes Wochenende! Ich
danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822615500

Vielen Dank, Frau Kollegin Engelmeier . – Nächste

Rednerin ist die Kollegin Monika Lazar für Bündnis 90/
Die Grünen .


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1822615600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn es einmal wieder zu Gewalt im Fußball kommt,
gibt es häufig reflexartige Reaktionen. Man zeigt sich
von dem vermeintlich neuen Ausmaß an Gewalt zu Recht
schockiert . Man fordert drakonische Strafverschärfungen

Michaela Engelmeier






(A) (C)



(B) (D)


oder sogar Gesetzesänderungen . Differenzierung und
Augenmaß sind oft Fehlanzeige . So war es auch bei den
letzten Ausschreitungen Anfang Februar dieses Jahres in
Dortmund gegen die Fans von RB Leipzig . Ein friedli-
ches Stadionerlebnis sollte für alle Fans gewährleistet
werden . Das gilt sowohl für Fans von Traditionsklubs als
auch für Fans von sogenannten Retortenvereinen .


(Heiterkeit des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Man kann am Modell von RB Leipzig zu Recht einiges
kritisieren . Allerdings ist das keine Rechtfertigung für
Hass und Gewalt .


(Beifall im ganzen Hause)


Gegen Gewalttäter muss konsequent vorgegangen wer-
den . Da sind wir uns, glaube ich, einig – unabhängig
davon, was der Kollege Steffel vorhin alles überspitzt
vorgetragen hat .

Allerdings: An diesem Beispiel von Anfang Februar
zeigt sich mir der Sinn von Kollektivstrafen nicht . Wieso
bestraft zum Beispiel der DFB fast 25 000 Fans durch
die Sperrung der gesamten Südtribüne? Davon waren
auch die mehrheitlich friedlichen Fans betroffen . Kollek-
tivstrafen sind nicht das richtige Mittel, weil es dadurch
auch zu Solidarisierungseffekten zwischen den Problem-
fans und den gewaltfreien Fans kommen kann . Auch eine
interne Auseinandersetzung wird dadurch nicht gerade
gefördert .

Problematisch ist auch, wenn der Staat Fußballfans
quasi unter Generalverdacht stellt . Genau das macht er
bisweilen . In 12 von 16 Bundesländern führen szenekun-
dige Beamte intransparente Datenbanken über Fußball-
fans, die teilweise lange geheimgehalten wurden . Zu den
lokalen Datensammlungen kommt auch noch die bundes-
weite Datei „Gewalttäter Sport“ . Schon alleine der Name
ist irreführend . Man kann da sehr schnell hineinkommen,
zum Beispiel schon dann, wenn nur die Personalien fest-
gestellt werden . Ich rate jedem, sich einmal zu Gemüte
zu führen, was dort gespeichert ist . Von der Schuhgröße
bis zum Dialekt ist quasi alles möglich .


(Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Macht mir Mut!)


Die Daten von Personen, deren Ermittlungsverfahren
man eingestellt hat, werden nicht automatisch gelöscht .
Wie eine Kleine Anfrage von uns zur Datei „Gewalttäter
Sport“ ergeben hat, soll die Datei sogar noch weiter auf-
gebläht werden . Wir sagen: Statt die Datei noch weiter
aufzublähen, sollte man lieber die Löschfrist verkürzen
und vor allem eine Benachrichtigungspflicht einführen;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


denn nur wer weiß, dass er gespeichert ist, kann dagegen
vorgehen, falls er unschuldig ist .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Minimale!)


Außerdem hätte eine Benachrichtigung auch eine päda-
gogische Wirkung . Wenn ich merke, dass ich gespeichert
bin, dann kann ich vielleicht auch mein Verhalten ent-

sprechend ändern und in Zukunft ein braver Fußballfan
werden .

Wir sagen nicht, dass wir die Datei „Gewalttäter
Sport“ komplett abschaffen wollen; denn gewalttätige
Hooligans können durchaus gespeichert werden, und die
Polizei muss vor Fußballspielen natürlich wissen, welche
Fanklientel sich dort bewegt . Wir wollen die Datei aller-
dings reformieren und auf eine rechtsstaatliche Grundla-
ge stellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Für uns Grüne ist nämlich klar: Fußballfans geben ihre
Bürgerrechte nicht am Stadiontor ab .

Statt auf Repression und Datensammelwut setzen
wir auf Prävention . Auch deshalb wollen wir die Fuß-
ball-Fanprojekte noch stärker unterstützen . Wir alle wis-
sen: Schon jetzt leisten viele Sozialpädagoginnen und
Sozialpädagogen in allen Bundesländern wertvolle prä-
ventive Arbeit, besonders mit jungen Fußballfans . Das
wollen wir weiter ausbauen .

Auch aus den Fußball-Fanszenen kommen viele po-
sitive Initiativen gegen Rechtsextremismus, Antisemi-
tismus, Sexismus und Homophobie . Viele Fangruppen
machen Angebote für Geflüchtete. Das ist von anderen
Rednerinnen und Rednern ja auch schon erwähnt wor-
den . Deshalb sagen wir, dass es durchaus sinnvoll sein
könnte, die bisherigen verschiedenen Fördermöglichkei-
ten der unterschiedlichen Ministerien zusammenzufüh-
ren und ein einheitliches Förderprogramm gegen Rechts-
extremismus im Sport aufzulegen .

Wir haben natürlich nichts dagegen, dass das Bundes-
programm „Demokratie leben!“ jetzt auf 100 Millionen
Euro aufgestockt wurde . Das ist durchaus eine richtige
Entscheidung . Auch dort gibt es schon entsprechende
Fördermöglichkeiten .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
Schluss . Ich denke, nur im Dialog mit allen Beteilig-
ten – das sind Fans, Fanprojekte, Fanbeauftragte, Ver-
eine, Verbände, Politik und Polizei – können wir unser
gemeinsames Ziel erreichen, das lautet: ein friedliches
Stadionerlebnis für alle, eingebettet in eine vielfältige
Fankultur . Das sollte unser aller Anliegen sein .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg . Dr . Eva Högl [SPD])



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822615700

Ich darf alle bisherigen Rednerinnen und Redner lo-

ben, weil sie ihre Redezeit sehr diszipliniert präzise ein-
gehalten haben .


(Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Redenkultur! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, Sportpolitik! – Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Der Antrag ist so dünn, da kann man nicht länger reden!)


Monika Lazar






(A) (C)



(B) (D)


Jetzt hat der Kollege Johannes Steininger für die
CDU/CSU das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Steiniger (CDU):
Rede ID: ID1822615800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf
der Tribüne! Ich schaue auch, dass ich mich an die Re-
dezeit halte, und kann vorausschicken: Natürlich unter-
stützen auch wir das Anliegen, das in der Überschrift des
Antrags steht, nämlich eine „weltoffene und vielfältige
Sport- und Fankultur“ in Deutschland . Es sind schließ-
lich die Fans, die sozusagen das Salz in der Suppe des
Sports sind, und wir alle wollen, wenn wir ins Stadion
gehen, dass das Ganze friedlich verläuft .

Wenn man sich dann allerdings den Antragstext durch-
liest, der auf diese Überschrift folgt, dann sieht man recht
schnell, dass der Antrag erstens in vielem unzureichend
ist, zweitens ein Sammelsurium an verschiedensten For-
derungen enthält, die auch nur wenig miteinander zu tun
haben, und drittens teilweise auch noch in die falsche
Richtung geht . Deswegen werden wir diesen Antrag heu-
te auch wieder ablehnen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Antrag? Ungeheuerlich!)


Frau Lazar hat gerade die Ereignisse in Dortmund
erwähnt . Der Antrag, den wir hier vorliegen haben, gibt
aber keinerlei Antworten darauf, welche Konsequenzen
es aus den Ereignissen rund ums Spiel Dortmund gegen
Leipzig geben muss . Das, was da passiert ist, hat mit ei-
ner weltoffenen und vielfältigen Fankultur natürlich rein
gar nichts zu tun .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind auf Ihre Antwort gespannt!)


Ich habe mir in Vorbereitung auf meine Rede auf You-
Tube noch einmal ein paar Szenen von denjenigen an-
geschaut, die dort waren . Man kann tatsächlich sagen:
Das hat mit Fan-Sein nichts zu tun, sondern das sind
Kriminelle und Gewalttäter . Der Spießrutenlauf, den die
Dortmunder Kriminellen mit den Leipziger Fans ver-
anstaltet haben, das geht gar nicht . Aus dem Slogan der
Dortmunder, „Echte Liebe“, wurden eher „Echter Hass“
und „Echte Gewalt“ . Es gab brutale Angriffe, Menschen
wurden abgepasst, Böller und Leuchtraketen wurden ge-
worfen . Es wurden sogar Steine auf Familien, Kinder,
Frauen geworfen . Wir müssen alles erdenklich Mögliche
tun, um diesen Gewalttätern das Handwerk zu legen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist schon interessant, was in Ihrem Antrag nicht er-
wähnt wird . Sie nennen ja einige Punkte, die im Kompe-
tenzbereich der Bundesländer liegen . Ich hätte mir aber
schon gewünscht, dass Sie zum Beispiel auch etwas dazu
sagen, wie die Personalausstattung der Polizei in den
Ländern aussieht, wie es um die Ausstattung der Polizei

bestellt ist – beispielsweise mit Bodycams – und was mit
dem Thema „Videoüberwachung rund ums Stadion“ ist .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir extra Anträge! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regelmäßig! Kommen Sie einmal in den Innenausschuss! Niveau!)


Das wollen Sie an dieser Stelle aber nicht machen, weil
das für Sie dort, wo Sie Verantwortung haben, kein Ruh-
mesblatt ist und weil Sie hier an verschiedenen Stellen
auch ideologische Scheuklappen aufstellen .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind selber ideologisch!)


Schauen Sie sich beispielsweise die Polizeiausstattung
in Nordrhein-Westfalen und in meinem eigenen Bundes-
land, in Rheinland-Pfalz, an . Bezogen auf die Einwoh-
nerzahl sind wir bei der Polizeidichte Schlusslicht . Des-
halb sagen Sie zu diesem Thema nichts .


(Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822615900

Herr Kollege Steininger .


Johannes Steiniger (CDU):
Rede ID: ID1822616000

Ich wollte auch eine Zwischenfrage provozieren . Das

habe ich mir schon gedacht .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822616100

Also haben Sie das Wort, Herr Kollege von Notz .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Präsident . – Das mit der Zwischen-
frage war sehr geschickt gemacht .

Nennen Sie doch einmal die Zahlen! Welche Landes-
regierung in Nordrhein-Westfalen hat Polizei abgebaut,
und welche hat in den letzten Jahren Polizei aufgebaut?
Das würde mich einmal interessieren . Ich könnte Ihnen
die Antwort geben, aber zum Antwort-Geben bin ich ja
nicht hier .


(Beifall der Abg . Dr . Eva Högl [SPD] – Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Wir sind hier doch nicht im Landtag!)


– Sie haben das ja angesprochen . – Noch einmal: Wer
hat Polizei in Nordrhein-Westfalen abgebaut, und welche
rot-grüne Landesregierung hat Polizeistellen geschaffen?


Johannes Steiniger (CDU):
Rede ID: ID1822616200

Sie können sich einmal die Zahlen in Bayern und Hes-

sen anschauen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Dr . Eva Högl [SPD]: Sie sollen die Zahlen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nennen!)


Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


Diese können sie in der Dichte mit den Zahlen in Nord-
rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vergleichen . Für
Rheinland-Pfalz, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren, kann ich genau sagen, wer dort leider seit 25 Jahren
in der Verantwortung ist . Das sind nun einmal Rot und
Grün .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir redeten über Dortmund! Das liegt in Nordrhein-Westfalen!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822616300

Herr Kollege von Notz, ein Zwiegespräch ist in unse-

rer Geschäftsordnung nicht vorgesehen,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht, Herr Präsident!)


sondern das Stellen einer Frage und deren Beantwortung .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Selbst wenn sie unzureichend ist!)



Johannes Steiniger (CDU):
Rede ID: ID1822616400

Deswegen gehen Sie bitte zu den Verantwortlichen in

Ihren eigenen Regierungen und sagen Sie ihnen, dass sie
dieses Problem in Ordnung bringen sollen .


(Detlev Pilger [SPD]: 400 in Rheinland-Pfalz!)


Auch fehlt ein klares Bekenntnis zur Videoüberwa-
chung rund um Stadien . Das hätte diesem Antrag gutge-
tan .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Sportantrag!)


Wenn Sie sich die Berichte zu Dortmund anschauen,
dann sehen Sie, dass durch die hochauflösenden Bilder,
die die Videokameras gemacht haben, die Aufklärung er-
leichtert wird .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen sich die Anträge im Bereich Innenpolitik anschauen!)


Das hat eine viel größere Abschreckung als das, was Sie
in Ihrem Antrag beschreiben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles konstruiert!)


Wir als Union stehen hinter den Polizistinnen und Po-
lizisten in unserem Land . Deswegen ist es gut, dass wir
einen Vorschlag auf den Weg gebracht haben, um Angrif-
fe auf Rettungskräfte und Polizisten härter zu bestrafen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch dies müsste in einem solchen Antrag erwähnt wer-
den .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass Sie Verbesserungsvorschläge machen!)


Stattdessen schießen Sie sich auf die Datei „Gewalttä-
ter Sport“ ein . Aber gerade diese Datei ist ein wichtiges
Hilfsmittel für die Polizei . Sie versetzt die Beamten in
die Lage, zu einem sicheren Verlauf von Sportveranstal-
tungen beizutragen, weil sie die Täter zu Beginn zielsi-
cher identifizieren können,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zielsicher?)


um dann gezielte Maßnahmen gegen einzelne Personen
durchzuführen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Dann müssen die richtigen drinstehen! Da dürfen nicht die falschen drinstehen!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, was würden
wir gerade nach diesen schlimmen Ereignissen im Febru-
ar 2017 in Dortmund heute für ein fatales und verharm-
losendes Zeichen setzen, wenn wir als Parlament eine
solche Aufweichung beschließen würden? Das geht aus
unserer Sicht gar nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Datei hilft aus den genannten Gründen sowohl bei
der Prävention als auch bei der Aufklärung . Sie ist dabei
auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Bund und die Län-
der zusammenarbeiten . Das ist bei Sicherheitsbehörden
nicht immer so . Hier passt das gut .

Ich komme jetzt zu den einzelnen Punkten . Lö-
schungsfristen zu verkürzen, davon halte ich gar nichts .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte mich auch überrascht!)


Ich glaube, innerhalb von zwölf Monaten hat die Lö-
schung überhaupt keinen Sinn . Auch die pädagogische
Maßnahme dahinter erschließt sich mir in keiner Art und
Weise .

Sie schreiben weiterhin, die Daten sollen nicht an die
Vereine weitergegeben werden . Auch das sehen wir nicht
so . Die Vereine sollen schon wissen, welche Chaoten
und Kriminelle im Zweifel versuchen, in ihre Stadien
zu kommen . Mit Pädagogik kann man diejenigen, die in
Dortmund bei dem Spiel Steine geworfen haben, nicht
zur Vernunft bringen . Deswegen sind die meisten Punkte,
die Sie zum Thema der Datei „Gewalttäter Sport“ schrei-
ben, absoluter Quatsch .

Darüber hinaus fordern Sie, ein einheitliches Bundes-
programm zur Bekämpfung von Rechtsextremismus im
Sport aufzulegen . Hier ist zunächst festzustellen – das
wurde schon von Herrn Hahn genannt –, dass dies kein
sportspezifisches Problem ist, sondern ein gesamtge-
sellschaftliches . Deswegen ist die Tonalität des Antrags
schlecht, weil er dadurch den Sport ein Stück weit stig-
matisiert . Ein Blick auf die Zahlen, die sogar in Ihrem
Antrag stehen, zeigt: Es gibt in diesem Bereich 3,3 Pro-
zent an rechtsextremen Straftaten . Das ist aus meiner
Sicht nicht überproportional – auch wenn natürlich klar
ist, dass jede einzelne Straftat verabscheuungswürdig ist
und auch nicht verharmlost werden soll –, dies ist also
kein Massenphänomen .

Johannes Steiniger






(A) (C)



(B) (D)


Wir glauben nicht, dass ein Einheitsprogramm die
Probleme, die eben sehr vielfältig sind, lösen kann . Es
gibt Unterschiedlichkeiten in den Vereinen und in der
Sportlandschaft . Es gibt Unterschiedlichkeiten bei den
einzelnen handelnden Personen . Deswegen ist der sub-
sidiäre Ansatz, den wir und auch die Bundesregierung
verfolgen, gut .

In diesem Zusammenhang wurden schon einige Pro-
gramme genannt: „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und
die Initiative „Verein(t) gegen Rechtsextremismus“ . Wir
bezahlen die Hälfte der Kosten für die Koordinationsstel-
le Fanprojekte . Natürlich möchte ich ebenso – auch Frau
Engelmeier hat darauf hingewiesen – das ganz wichti-
ge Programm „Integration durch Sport“ vom BMI und
BAMF erwähnen, für das ein großer finanzieller Auf-
wand geleistet wird .

Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für den Fuß-
ball brechen . Insbesondere der deutsche Fußball ist doch
die Institution, die Menschen massiv integriert und in
den Vereinen beispielhaft vorgeht . Schauen wir uns ein-
mal die Flüchtlingssituation an: 2015 sind insgesamt
42 000 Spielberechtigungsanträge von Migranten ein-
gegangen . 2013 lag diese Zahl noch unter 10 000 . Das
ist ein massiver Aufwuchs, der zeigt, wie sehr sich die
Vereine engagieren .

Deswegen sage ich: Das Zusammenspielen auf dem
Platz, das gemeinsame Trainieren und der Zusammen-
halt in einer Mannschaft sind das beste Mittel zur Prä-
vention von saudummen rechtsradikalen Gedanken und
gegen Ressentiments . Deswegen danken wir heute allen
ehrenamtlichen Trainern und Übungsleitern, die diese
Herausforderung jeden Tag auf den Sportplätzen dieser
Republik annehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei vielem anderen wie Ehrenamtspauschale und Büro-
kratieabbau müssen wir eher ansetzen und unsere Verei-
ne besser unterstützen, damit sie dieser Arbeit auch nach-
kommen können .

Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende .
Viel Spaß auf den Sportplätzen dieser Nation und alles
Gute .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822616500

Die Kollegin Jeannine Pflugradt spricht jetzt für die

SPD .


(Beifall bei der SPD)



Jeannine Pflugradt (SPD):
Rede ID: ID1822616600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Januar
des letzten Jahres haben wir hier über den Antrag von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon einmal gespro-
chen . Alle Fraktionen waren sich damals darin einig, dass
es wichtig ist, entschieden gegen Rechtsextremismus im
Fußball vorzugehen . Meine persönliche Meinung ist: ge-
gen jegliche Form von Extremismus . Die Entwicklung

des Extremismus an sich, ob im Bereich des Sports oder
in anderen Gesellschaftsbereichen, gilt es immer zu be-
obachten .

Ob der Staat mehr tun kann, darüber kann man dis-
kutieren, das ist legitim und wichtig . Es ist aber nicht
zielführend, in der Frage um Programme gegen Rechts-
extremismus immer wieder bestehende Programme für
Integration anzuführen und gegeneinander aufzuwiegen .
Die Bekämpfung von Rechtsextremismus ist die eine Sa-
che, die Förderung der Integration ist eine ganz andere .
Dies sage ich besonders an die rechte Seite hier im Ple-
num gerichtet .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Sie sind aber nicht rechtsextremistisch!)


Einigen Punkten dieses Antrags stimme ich zu im
Sinne von mehr Transparenz und Datenschutz . Ja, Pro-
blemstandorte müssen klar benannt werden, um rechte
Netzwerke schwerpunktmäßig zu bekämpfen . Auch ist
die Datei „Gewalttäter Sport“ hinsichtlich des Daten-
schutzes kritisch zu sehen . Jeder in die Datei Aufgenom-
mene muss darüber unterrichtet werden und sollte sich
auch dazu äußern dürfen .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer keine Straftat begangen hat, darf auch nicht auf die-
ser Liste stehen, das ist klar .

Nun zu Ihrer Forderung, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von den Grünen, nach einem einheitlichen Bundes-
programm . Sie ist der Grund dafür, dass ich Ihrem Antrag
leider nicht zustimmen kann . Das sehe ich ein bisschen
kritisch .


(Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Ja!)


Ich bin der Ansicht, dass gerade die Vielzahl der Pro-
gramme gegen Rechtsextremismus wirksamer ist als ein
einzelnes Bundesprogramm . Es gibt zahlreiche Initiati-
ven, die ich nicht alle aufzählen will . Wir kennen sie alle .
Das Bundesministerium des Innern und das Bundesmi-
nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend un-
terstützen diese Programme .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Martin Schulz!)


– Und Martin Schulz, ganz genau, wunderbar .


(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die nationalen Sportverbände sowie fast alle Bun-
desligavereine leisten sich eigene Projekte gegen rechte
Fangewalt. Im Antrag selbst findet sich bei diesem Punkt
ein Widerspruch . Einerseits wird die – ich zitiere- „zen-
tralistische und medienwirksame Herangehensweise der
Verbände“ kritisiert, die teilweise dazu führe, „dass das
Engagement einzelner Fans gegen Rassismus regelrecht
ausgebremst“ werde . Da frage ich mich, wie es dann erst
mit einem zentralen Bundesprogramm aussehen würde .

Das Mobilisierungspotenzial unter gewaltbereiten
Fußballfans ist zum Beispiel hoch . Ja, rechtsextreme
Gruppen rekrutieren ihre Anhänger vermehrt wieder aus
der Fanszene . Dabei ist es aber nicht so, dass der Rechts-

Johannes Steiniger






(A) (C)



(B) (D)


extremismus zurück in die Stadien drängt . Die Gewalt
findet fast ausschließlich außerhalb der Stadien im Um-
feld von Fußballspielen statt . Dagegen muss weiter ent-
schieden vorgegangen werden . Die Begeisterung für
Fußball und Sport generell darf nicht von menschenver-
achtenden Gruppen instrumentalisiert werden .

Ich bin auch persönlich der Meinung, dass Fußballver-
eine für die Einsetzung von Polizei bzw . Bundespolizei
finanziell verantwortlich gemacht werden müssen, wenn
sie ihren Ordnungspflichten nicht nachkommen.

Das ist nicht Aufgabe des Staates . Oder haben Sie solche
Einsätze schon einmal in der Leichtathletik, beim Eisho-
ckey, beim Kanurennsport oder beim Motorsport gese-
hen, Herr Steffel? Ich nicht .


(Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Sagt das Martin Schulz auch?)


– Da sage ich nicht Martin Schulz . Das sage ich hier . –
Darüber müssen wir reden .


(Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Das sollte er in Dortmund im Stadion sagen!)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für das Zu-
hören . Ein schönes Wochenende!


(Beifall bei der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Martin?)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822616700

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Matthias Schmidt für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Matthias Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1822616800

Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die
schönste Nebensache der Welt, den Fußball .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ich dachte, über Martin Schulz!)


– Wir können auch gerne über Martin Schulz reden, aber
auf der Tagesordnung steht nun einmal der Fußball . –
Wenn man genauer hinschaut, wird deutlich, dass die
Fankultur im Sport weit über den Fußball hinausgeht .
Wir denken dabei an Eishockey, Handball, Basketball
bzw . an die großen Mannschaftssportarten, die auch Pro-
filigen haben. Aber auch im Wintersport beispielsweise
gibt es eine aktive Fankultur: beim Skispringen, Biath-
lon und bei anderen Sportarten . Über all das müssen wir
heute reden .

Probleme gibt es aber hauptsächlich oder eigentlich
fast nur beim Fußball . Deswegen fokussiert es sich im-
mer darauf . Aber auch der Fußball ist sehr vielschichtig .
Das Problem betrifft nicht nur die erste und zweite Liga,
vielleicht auch noch die dritte; nein, es geht durchaus
auch um die unteren Ligen .

Die erste und zweite Liga pausieren an diesem Wo-
chenende . Zurzeit ist Länderspielpause . Damit wären wir
bei dem nächsten Fanprojekt, nämlich dem für die Fuß-
ballnationalmannschaft . Auch das gibt es, und das zeigt
uns, wie unterschiedlich und vielfältig die Fankultur in
Deutschland über die Sportarten und die unterschiedli-
chen Ligen hinaus ist .

Ein Abgeordneter aus Treptow-Köpenick, der Heimat
des 1 . FC Union,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eisern! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eisern Union!)


kommt an dieser Stelle nicht umhin, darüber zu sprechen,
dass zwar die Fans aller Vereine einzigartig sind, aber die
Fans des 1 . FC Union sind natürlich ganz besonders .


(Beifall des Abg . Detlev Pilger [SPD])


Der Verein schickt sich jetzt langsam an, seinen Fans hin-
terherzugehen . Die Fans sind schon lange erstklassig; der
Verein wird es in dieser Saison auch werden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt ist Schluss! – Dr . Frank Steffel [CDU/CSU]: Dank Martin Schulz! )


Die Ausgangssituation für die Eisernen ist hervorra-
gend . – Wir müssen nicht über das Jammertal in Hessen
sprechen;


(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


wir wollen lieber über den 1 . FC Union reden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gibt wenigstens viele böse Zuschriften! Das sage ich Ihnen! )


– Darauf bin ich gespannt . – Aber als Eiserner kann man
da locker drüberstehen und sich freuen .

Worum es mir heute eigentlich geht: Die Fankultur
in Deutschland ist unglaublich vielfältig . Das macht den
Sport aus . Darin liegt auch die Schwäche des Antrags
der Grünen, nämlich indem Sie schreiben: Wir müssen
eine einheitliche Grundlage schaffen . Wir brauchen ein
einheitliches Programm . Wir brauchen sogar eine Stabs-
stelle, die entsprechende Informationen noch einmal ge-
sondert ausweist . – Das alles ist kontraproduktiv .

Wir brauchen die vielen unterschiedlichen Program-
me zur Unterstützung unseres schönen Sports, nicht nur
am Wochenende, sondern auch sonst . Wir wollen schö-
nen Sport sehen, und dazu gehören Fans . Dazu gehört
Leidenschaft, und dazu gehört auch Gewinnen und Ver-
lieren .

Ich freue mich, dass ich als letzter Redner Sie nun mit
dem Gruß des 1 . FC Union ins Wochenende schicken
darf: Eisern!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jeannine Pflugradt






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1822616900

Damit schließe ich die Aussprache . Weitere Bekennt-

nisse zu Lieblingsvereinen können deshalb nicht mehr
zugelassen werden .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Sportausschusses zu dem An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Titel „Für eine weltoffene und vielfältige Sport- und
Fankultur – Bürgerrechte schützen, Gruppenbezoge-
ne Menschenfeindlichkeit effektiv bekämpfen, rech-
te Netzwerke aufdecken“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11511,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
der Drucksache 18/6232 abzulehnen . Wer für diese Be-

schlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte
ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen sehe ich keine . Die Beschlussempfehlung ist
damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü-
nen und der Fraktion Die Linke .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung angekommen .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tags auf Mittwoch, den 29 . März 2017, 13 Uhr, ein .

Kommen Sie alle gesund wieder! Die Sitzung ist ge-
schlossen .