Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich wünsche Ihnen allen und uns ein gutes neues Jahr .Ich rufe mit einigen Minuten Verzögerung den Tages-ordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Änderungdes Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infra-struktur, Alexander Dobrindt .Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Wir haben uns heute im Bundeskabinett über zweiFragen unterhalten: zum einen über das DWD-Gesetzund zum anderen über die neue Drohnenverordnung . MitIhrem Einverständnis, Herr Präsident, würde ich gerneauf beides eingehen .Zum ersten Punkt, zum Gesetz über den DeutschenWetterdienst: Es geht darum, dass wir uns in unserer Di-gitalen Agenda vorgenommen haben, die Rahmenbedin-gungen für einen effektiven Zugang zu öffentlich finan-zierten Daten zu verbessern . Wir alle wissen, dass Datender Rohstoff für zukünftige digitale Wertschöpfung sind.Dem dient dieses Gesetz. Wir schaffen nämlich die Vo-raussetzungen dafür, dass zukünftig der DWD Millionenan Klima- und Wetterdaten kostenfrei jedermann zurVerfügung stellen kann . Bisher fallen Gebühren für dieNutzung dieser Daten an . Wir werden das jetzt ändern .Aus unserer Sicht ist das die Grundvoraussetzungfür Innovationen . Es werden durch die Möglichkeit desquasi barrierefreien Zugangs zu diesen Daten neue Ge-schäftsmodelle, neue Ideen entstehen und möglicherwei-se dann auch zur Marktreife entwickelt werden . Geradedie Vernetzung vielfältiger Anwendungen mit den Datendes Deutschen Wetterdienstes lässt vielerorts die Fanta-sie sprießen, was man damit an zusätzlicher Wertschöp-fung erreichen kann .Wir wollen diese Daten auch in unserer mCLOUD,in unserer Mobility Cloud, zur Verfügung stellen . DiemCLOUD ist eine bereits bestehende Datencloud, in deroffene Daten, die unserem Haus vorliegen, zur Verfü-gung gestellt werden . Wir haben außerdem Unternehmenaufgefordert, auch ihre Daten zur Verfügung zu stellen,sodass wir einen Marktplatz mit einem vielfältigen Da-tenschatz haben, auf den Nutzer zurückgreifen können .Wir gehen davon aus, dass auf diesem Zugang zu denvielfältigen Klima- und Wetterdaten hohe Konjunkturherrschen wird, sich also viele Menschen zukünftig mitdiesen Daten beschäftigen werden .Der zweite Punkt, über den wir heute diskutiert haben,ist die Drohnenverordnung . Eine neue Drohnenverord-nung war notwendig, weil wir es hier mit einem extremwachsenden Markt zu tun haben . Wir gehen davon aus,dass in Deutschland bereits im letzten Jahr 400 000 Droh-nen in Privatbesitz waren und dass zu Weihnachten wei-tere 100 000 Drohnen dazugekommen sind .Einher mit den Zuwächsen in diesem Bereich gehtnatürlich auch eine steigende Zahl von Zwischenfällenmit Drohnen . Die DFS meldet, dass wir im Jahr 2015 imLuftverkehrsbereich 14 Zwischenfälle mit Drohnen zuverzeichnen hatten, 2016 waren dann schon über 60 Zwi-schenfälle zu verzeichnen . Allein an der Entwicklung derZahl der Zwischenfälle sieht man, welche Dynamik hierzu verzeichnen ist . Das ist der Grund dafür, dass wir eineVerordnung mit neuen Regeln schaffen werden. Wir un-terscheiden dabei zwei Säulen .Die erste Säule umfasst die gewerblichen Drohnen .Wir wollen auch hier neue Geschäftsmodelle ermögli-chen . Sie alle kennen die Diskussionen über Paketdroh-nen und vieles mehr . Wir haben deswegen die Regelunggetroffen, dass im gewerblichen Bereich ein Drohnen-flug zukünftig auch außerhalb der Sichtweite des Steue-rers der Drohne möglich ist; bisher ist das untersagt . DerDrohnenflug außerhalb der Sichtweite ist allerdings er-laubnispflichtig, sodass diese Geschäftsmodelle zukünf-tig entsprechend angemeldet werden müssen .
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Die zweite Säule umfasst die privaten Drohnen . Wirführen eine Kennzeichnungspflicht für private Drohnenein, wenn sie mehr als ein Viertel Kilogramm wiegen,also mehr als 250 Gramm. Kennzeichnungspflicht be-deutet, dass Name und Adresse auf der Drohne verzeich-net werden müssen, um im Schadensfall den Eigentümerleichter ermitteln zu können . Bei Drohnen, die deutlichschwerer sind, also über 2 Kilogramm wiegen, muss derDrohnenführer entsprechende Kenntnis nachweisen kön-nen . Hierfür führen wir einen Kenntnisnachweis ein .Des Weiteren werden in dieser Verordnung eine Reihevon Betriebsverboten dargestellt . Damit wird unter ande-rem der Zweck verfolgt, dass denjenigen, die sich Droh-nen anschaffen, klar wird, dass nicht grundsätzlich allesmit Drohnen erlaubt ist . Vielmehr sollen sie sehr genaunachvollziehen können, wo die Grenzen beim Einsatzvon Drohnen liegen . Eine dieser Grenzen ist die Höhen-beschränkung . Drohnen sollen zukünftig nicht höher als100 Meter fliegen. Das ist eine Grenze, die im Beson-deren mit dem Bundesministerium für Verteidigung ver-einbart worden ist, weil wir bei Höhen über 100 Meternin Bereiche kommen, in denen in Deutschland Tiefflügevon Hubschraubern stattfinden können.In vielen weiteren sensiblen Bereichen gibt es Ein-schränkungen: Zum Beispiel über Rettungseinsätzen,über Menschenansammlungen, über Naturschutzgebie-ten, über Bundesfernstraßen wie auch über Bahnanlagendürfen Drohnen nicht gesteuert werden . In Kontrollzo-nen von Flugplätzen dürfen Drohnen ebenso wenig flie-gen wie in den An- und Abflugbereichen.Es geht natürlich auch um den Schutz der Privatsphä-re . Deswegen haben wir in die Verordnung aufgenom-men, dass mit Drohnen nicht über Wohngrundstückegeflogen werden darf, wenn diese in der Lage sind, Foto-oder Videoaufnahmen zu machen – außer es gibt eineZustimmung des Grundstückseigentümers .Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir uns be-sonders über Ausnahmen für sogenannte Modellfliegerunterhalten haben . Es gibt zahlreiche Ausnahmen für denModellflugsport. Insbesondere werden auf Modellflug-geländen die Einschränkungen, die ich vorhin genannthabe, so nicht zum Tragen kommen . Das heißt, auf Mo-dellflugplätzen gilt weder die Höhenbeschränkung nochgelten andere entsprechende Einschränkungen, sodassman davon ausgehen kann, dass Modellflieger in Verei-nen ihrem Sport so, wie bisher schon gewohnt, nachge-hen können .Herzlichen Dank .
Herr Minister, vielen Dank . – Ich schlage vor, dass
wir jetzt wie folgt vorgehen: Zunächst stellen Sie die
Fragen, die sich mit dem angekündigten Themenbereich
Wetterdienst beschäftigen . Dann kommen wir zu anderen
Fragen, die in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt
haben . Danach besteht die Möglichkeit, weitere Fragen
an die Bundesregierung zu richten .
Wir beginnen mit einer Frage der Kollegin Bulling-
Schröter .
Danke schön . – Meine Frage bezieht sich auf den
Deutschen Wetterdienst . Ich würde gerne von der Bun-
desregierung wissen, ob die finanzielle und personelle
Ausstattung des Deutschen Wetterdienstes ausreicht,
um im Lichte immer komplexer werdender Datenanaly-
severfahren, Modellierungsmethoden und notwendiger
Projektforschung mit anderen forschenden Institutionen
und auch mit privaten Wetterdienstleistern zukünftig
mithalten zu können . Mir ist zu Ohren gekommen, dass
sehr viele Beschäftigte befristet eingestellt sind . Ich habe
auch gehört, dass Stellen, die dadurch frei werden, dass
Kolleginnen und Kollegen in Rente gehen, nicht mehr
besetzt werden . Dazu würde ich gerne etwas hören .
Herr Bundesminister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Liebe Kollegin, vielen Dank . – Die personelle Aus-
stattung des Deutschen Wetterdienstes ist im Umfeld
seiner bisherigen Aufgaben ausreichend . Wir wissen al-
lerdings, dass wir es mit einem dynamischen Prozess zu
tun haben . Das heißt, es ist auch zukünftig davon auszu-
gehen, dass immer mal wieder neue Aufgaben auf den
Deutschen Wetterdienst zukommen .
Gerade im Bereich der Klimaforschung leistet der
Wetterdienst erstklassige Arbeit . Da gibt es immer wie-
der neue internationale Aufgaben, die zusätzlich erledigt
werden müssen . Für zusätzliche Aufgaben muss dann
auch das entsprechende Personal zur Verfügung gestellt
werden . Genau in diesem Sinne haben wir bisher immer
gehandelt und werden auch weiterhin so handeln . Neue
Aufgaben haben auch neues Personal zur Folge .
Für die nächste Frage hat der Kollege Ralph Lenkert
von der Fraktion Die Linke das Wort .
Herr Minister, die Anforderungen an Wettervorher-
sagen seitens der Industrie, der Landwirtschaft und der
Gesellschaft werden immer größer . Gibt es deshalb Pla-
nungen, die automatischen Messnetze des DWD, des
Deutschen Wetterdienstes, die standardmäßig alle zehn
Minuten Messwerte übermitteln, weiter auszubauen?
Falls Sie das nicht planen, bitte ich Sie, die Entscheidung
des Ministeriums zu begründen, gerade im Hinblick da-
rauf, dass für präzisere Wettermodellierung ein engma-
schiges Messnetz unerlässlich ist .
Herr Bundesminister .Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Vielen Dank . – Wir teilen die Einschätzung, dass dieAnforderungen immer größer werden, und die Auffas-sung, dass das Netz der Daten, die erhoben werden, im-Bundesminister Alexander Dobrindt
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mer engmaschiger werden muss . Von daher haben wir inder Tat die Vorstellung, das Netz der Messstationen aus-zubauen . Zurzeit wird beim Deutschen Wetterdienst eineentsprechende Strategie entwickelt . Diese Strategie kannallerdings nicht in wenigen Wochen umgesetzt werden,sondern deren Umsetzung wird sich über Jahre hinzie-hen . Ziel ist es, dem Mehrbedarf an Wetterinformationennachzukommen . Es gilt, diese Strategie abzuwarten, sieentsprechend zu bewerten und im Zweifelsfall zu geneh-migen . Dabei geht es ja dann um erhebliche Investitionenin die technische Ausstattung .
Die nächste Frage stellt der Kollege Gustav Herzog
von der SPD .
– Zu den Drohnen . Damit warten wir noch ein biss-
chen . – Dann kommt als Nächstes die Frage der Kollegin
Dr . Claudia Lücking-Michel .
Herr Minister, vielen Dank . – Meine Frage bezieht
sich auch auf den Gesetzentwurf zur Änderung des
Gesetzes über den DWD . Es geht um die Abgrenzung
zwischen den Dienstleistungen, die der DWD künftig
anbieten können soll, und den Dienstleistungen privater
Anbieter, also um das breite Feld an Marktangeboten, die
es schon gibt . In Ihrer Einführung habe ich gehört: Ziel
ist es, Daten zur Verfügung zu stellen, um damit die Ent-
wicklung neuer Geschäftsmodelle zu ermöglichen . – Das
finde ich gut. Trotzdem habe ich eine Rückfrage.
Nach meinem Verständnis verhält es sich so: Es gibt
die sogenannten Rohdaten – das sage ich mal in der Lai-
ensprache –, die die Wetterleute einkaufen müssen . Diese
Daten werden unter anderem von Satelliten geliefert . Der
DWD kann dafür Steuermittel einsetzen . Alle anderen,
die diese Daten nutzen wollen, müssen sie einkaufen .
Damit man diese Daten zum Beispiel für Privatleute wie
Claudia Lücking nutzbar machen kann, muss man sie
technisch aufbereiten . Wir alle benutzen heute entspre-
chende Apps . Das ist eine Dienstleistung, entwickelt auf
Basis der Rohdaten . Da gibt es einen breiten Markt mit
vielen hilfreichen Angeboten . Ich verstehe, dass private
Anbieter sagen: Wir möchten, dass diese Leistung, die
wir erbringen, finanziert wird. Entweder ihr bezahlt die
App, oder ihr müsst Werbung in Kauf nehmen .
Jetzt zu meiner Frage: Was ist die Intention der öffent-
lichen Hand? Will man neben diesem breiten Marktange-
bot ein Zusatzangebot schaffen? Mir fällt dazu ein: Wir
haben im Sinne der Daseinsvorsorge ein Interesse daran,
dass es Apps wie WarnWetter gibt . In dem Gesetz werden
diese Dienste jedoch nicht näher bestimmt . Ich lese da:
für alle Nutzer in allen Fällen . – Das müsste aus meiner
Sicht dringend eingegrenzt werden, um den Markt nicht
kaputtzumachen .
Herr Bundesminister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Herzlichen Dank . – In der Tat gibt es immer, wenn öf-
fentliche Daten offen zur Verfügung gestellt werden, die
Frage: Wer kann damit welche Geschäftsmodelle entwi-
ckeln? Unser Ziel ist es, die privaten Anbieter dadurch zu
unterstützen, dass wir unsere Daten jetzt kostenfrei zur
Verfügung stellen . Das heißt, die Hürde für neue Anbie-
ter, für neue Ideen wird gesenkt . Das ist genau das Ziel
unseres Umgangs mit öffentlichen Daten. Sie sollen nicht
einigen wenigen, sondern der großen Masse zur Verfü-
gung stehen . Der Deutsche Wetterdienst selber stellt zum
Beispiel kostenlos die WarnWetter-App zur Verfügung .
Das Angebot dieser App ist im Rahmen seines Auftrags
zu sehen . Unwetterwarnung ist die klassische Kompe-
tenz des Deutschen Wetterdienstes . Genau in diesem
Zusammenhang ist auch das Engagement des Deutschen
Wetterdienstes bei dieser App zu sehen .
Andere Ideen verfolgen wir nicht . Das heißt, wir wol-
len in den Wettbewerb zwischen den privaten Unterneh-
men, den Sie angesprochen haben, durch das Engage-
ment des Deutschen Wetterdienstes nicht eintreten bzw .
nur im gesetzlichen Rahmen . So haben wir das auch im
Gesetzentwurf festgeschrieben . Nur in diesem Rahmen
wird der Deutsche Wetterdienst seine Dienstleistungen
der Bevölkerung anbieten .
Der Kollege Lenkert hat noch eine Frage zu diesem
Themenbereich .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Minister, Sie
sprachen gerade an, dass vor möglichen Hochwasserka-
tastrophen, wie wir sie letztes Jahr ja häufig erlebt haben,
vor Starkregenereignissen – hier gibt es nur kurze Warn-
zeiten – eine App die Warnung aussprechen soll . Jetzt
ist es aus unserer Sicht nicht verständlich, weshalb im
Rundfunk vor jedem Falschfahrer sofort gewarnt wird –
das Programm wird dafür sogar unterbrochen –, aber vor
einer bevorstehenden Überflutung in Orten nicht. Daher
lautet die Frage an Sie: Ist zusätzlich zu der Information
durch die App vorgesehen, dass Rundfunkanbieter und
Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, Warn-
meldungen des Deutschen Wetterdienstes – diese können
bei Starkregenereignissen nur kurz vorher bekannt gege-
ben werden – zu verbreiten, um Leben, Sachmittel und
Ähnliches zu schützen?
– Nein, das ist nicht der Fall . – Ist das im Gesetzentwurf
enthalten?
Herr Bundesminister .Bundesminister Alexander Dobrindt
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Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Ich glaube, dass Sie noch einmal deutlicher machenbzw . präzisieren müssten, was Sie im Zusammenhangmit dem Verbreitungsweg der Informationen eigentlichmöchten . Klar ist doch: Wenn der Wetterdienst Warnun-gen herausgibt, beispielsweise eine Warnung vor Starkre-genereignissen, dann werden diese – so ist es zumindestheute – nicht nur über die Homepage und die App desDeutschen Wetterdienstes verbreitet, sondern natürlichauch über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.Meine ganz persönliche Erfahrung ist übrigens, dass sichauch der private Rundfunk ganz stark dieser Aufgabewidmet . Ich sehe da jetzt keinen weiteren Handlungsbe-darf .
Vielen Dank, Herr Minister . – Wir verlassen jetzt den
Bereich Wetterdienst und kommen zu dem von Ihnen,
Herr Minister, auch schon angesprochenen Bereich der
Genehmigung von und des Umgangs mit Drohnen . Zu-
nächst hat das Wort der Kollege Stephan Kühn .
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Minister Dobrindt,
zur Drohnenverordnung habe ich folgende Frage: Um
Fragen der Haftung bei Unfällen oder Beinaheunfällen
und deren Aufklärung effektiv zu gestalten, würde sich
ein zentrales Drohnenregister, wie es das beispielsweise
in den USA gibt, eignen . Es hilft auch, einen Überblick
darüber zu haben, welche unbemannten Luftfahrtsyste-
me unterwegs sind . Sie haben in Ihrer Verordnung da-
rauf verzichtet . Mich würde interessieren: Warum ist in
der Verordnung, wie beispielsweise von der Deutschen
Flugsicherung gefordert, nicht vorgesehen, ein zentrales
Drohnenregister einzuführen?
Eine zweite Frage . Sie haben angesprochen, dass für
den Einsatz bestimmter Drohnen ein Kenntnisnachweis
erforderlich sein wird, also eine Art Drohnenführer-
schein . In der Verordnung steht, dass „anerkannte Stel-
len“ für diese Kenntnisnachweise zuständig sein sollen .
Mich würde interessieren: Wie soll das Verfahren eigent-
lich konkret aussehen? Also: Wer wird das sein? Wer sind
die anerkannten Stellen? Was wird dort inhaltlich abge-
fragt werden? Wie wird überprüft werden, ob die geeig-
neten Kenntnisse erworben wurden?
In dem Zusammenhang frage ich auch, warum man
sich dafür entschieden hat, diese Kenntnisnachweise erst
für Drohnen ab 2 Kilo und nicht für kleinere Drohnen
einzuführen .
Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Vielen Dank . – Richtig ist, dass wir einen Kenntnis-
nachweis ab einer Gewichtsklasse von 2 Kilo einführen
wollen . Es geht darum, dass wir Gewichtsunterschiede
zwischen Drohnen als Unterscheidungsmerkmal für ad-
äquat erachten . Wir wissen, dass der Schaden, den eine
Drohne im Zweifelsfall auslösen kann, sehr stark von ih-
rem Eigengewicht abhängig ist . 2 Kilo sind die Grenze –
darüber wird zurzeit auch international diskutiert –, ab
der man Unterschiede machen kann .
Uns ist wichtig, dass Führer solcher Drohnen – eine
2-Kilo-Drohne ist ein relativ schweres Gerät – eine ent-
sprechende Einweisung haben, wie man mit einer Droh-
ne umgeht, luftrechtliche Fragestellungen beantworten
können, letztlich also eine Eignung haben, sich mit der
Drohne im Luftraum zu bewegen . Die Details, die dafür
zu erarbeiten sind, werden zwischen den Luftfahrtbehör-
den der Länder und der Luftfahrtbehörde des Bundes ab-
gestimmt und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ver-
ordnung umgesetzt .
Zur zweiten Frage: zum zentralen Drohnenregister .
Wir haben in der Tat relativ lange darüber diskutiert, was
angemessen ist: ein zentrales Drohnenregister oder eine
Kennzeichnungspflicht. Wir haben uns aktuell für die
Kennzeichnungspflicht entschieden, weil wir glauben,
dass sie zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Lösung im
Hinblick auf private Drohnen ist . Man kann allerdings
nichts ausschließen; denn es handelt sich hier in der Tat
um eine Verordnung, die sich weiterentwickelt . Außer-
dem erwarten wir eine europäische Regelung, wissen
aber noch nicht, wann sie kommt . Ich gehe davon aus,
dass sie dieses Jahr nicht mehr kommt, möglicherwei-
se aber im nächsten Jahr . Auch daran arbeiten wir mit,
und man wird sehen, welche Vereinbarungen die euro-
päischen Länder in dieser Frage treffen. Das heißt, auch
in diesem Rahmen wird über ein mögliches zentrales
Drohnenregister gesprochen . Ob es sich umsetzen lässt,
kann man aus heutiger Sicht noch nicht sagen . Aber dies
ist zumindest perspektivisch ein Thema, über das immer
wieder diskutiert werden wird .
Vielen Dank . – Das Wort hat jetzt der Kollege Gustav
Herzog .
Herr Minister, vielen Dank für diese Verordnung . Ichhalte sie für einen sehr ausgewogenen Vorschlag, dertechnische und geschäftliche Entwicklungen auf der ei-nen Seite sowie Schutz und Sicherheit auf der anderenSeite vernünftig zusammenführt .Was die gewerbsmäßige Nutzung von Drohnen be-trifft, habe ich mir auf der Weinbautechnologiemesse inStuttgart den Einsatz von Drohnen im Steillagenweinbau,bei dem bislang Hubschrauber oder schweres Gerät zumEinsatz kommen, angeschaut . In diesem Bereich kannman mit Drohnen ganz viel machen, und das bedeutetenorme ökologische und ökonomische Vorteile . Sie ha-ben davon gesprochen, es gebe eine absolute Grenze von100 Metern . Diese Grenze würde in dem angesproche-nen Bereich sehr schnell dazu führen, dass der Einsatzvon Drohnen unmöglich wäre . Die Frage ist: Sind diese100 Meter eine absolute Grenze, oder gibt es nach Ihrer
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Verordnung die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungenzu bekommen?
Herr Bundesminister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Herzlichen Dank . – Es ist genau so, wie Sie es beschrei-
ben, Herr Kollege Herzog: dass ein vielfältiger Einsatz
von Drohnen zukünftig möglich sein wird . Dies gilt nicht
nur im Hinblick auf die Paketzustellung, sondern auch
für das Thema, das Sie angesprochen haben . Auch wenn
es darum geht, Schäden an hohen Gebäuden zu begut-
achten, kann ich mir gut vorstellen, dass dabei Drohnen
zum Einsatz kommen können . Auch Vermessungsarbei-
ten können schon heute sehr präzise von Drohnen durch-
geführt werden . All das sind Beispiele für einen Einsatz
von Drohnen, bei dem man möglicherweise deutlich
oberhalb der 100-Meter-Grenze agieren muss . Genau
deswegen haben wir in der Verordnung festgeschrieben,
dass all diese Geschäftsmodelle in Zukunft möglich sein
sollen und Genehmigungen für den Einsatz von Droh-
nen auch deutlich jenseits der 100-Meter-Grenze erteilt
werden sollen . Natürlich werden das Geschäftsmodell,
der Einsatzort und alles, was dazugehört, dann einer Er-
laubnispflicht unterliegen. Aber ich sage ausdrücklich:
Ja, die Erlaubnisse für die entsprechenden gewerblichen
Anwendungen sollen erteilt werden .
Vielen Dank . – Die Möglichkeit, eine weitere Frage zu
stellen, hat der Kollege Ralph Lenkert .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Minister, Sie
führten aus, dass Film- und Fotoaufnahmen über Wohn-
gebieten untersagt sind, außer es liegt eine ausdrückliche
Genehmigung des Eigentümers oder des Nutzers vor .
Die Frage, die sich uns stellt, ist: Wie soll dieses Verbot
durchgesetzt und überprüft werden, und welche Behör-
den sind für die Durchsetzung zuständig, also dafür, dass
dieses Verbot auch eingehalten wird?
Herr Bundesminister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Richtig ist, dass wir der Überzeugung sind, rechtzeitig
in einer Verordnung festhalten zu müssen, dass es einen
Schutz der Privatsphäre gibt . Dieser Schutz der Privat-
sphäre wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass man
über private Wohngrundstücke mit einer Drohne, die
Video- und Fotoaufnahmen machen kann, nicht fliegen
darf .
Zu der konkreten Nachfrage, was passiert, wenn das
trotzdem geschieht: Bei einem Fehlverhalten gilt es na-
türlich zuerst, dieses zur Anzeige zu bringen . Das gilt
hier genauso wie in allen anderen Fällen . Entsprechend
gibt es Strafmaßnahmen, die dann greifen .
Für uns steht allerdings an erster Stelle, dafür zu sor-
gen, dass das Verbot jedermann klar ist . Es gilt, um Klar-
heit im rechtlichen Sinne zu schaffen, auch diejenigen
zu informieren, die möglicherweise ohne bösen Willen
solche Drohnenflüge durchführen wollen. Falls es dann
doch durch bewusstes Fehlverhalten zu einem miss-
bräuchlichen Einsatz von Drohnen kommt, muss dies zur
Anzeige gebracht werden und wird dann entsprechend
geahndet .
Vielen Dank, Herr Minister . – Für eine weitere Frage
hat jetzt der Kollege Stephan Kühn das Wort .
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Minister Dobrindt,
ich knüpfe an das Thema Drohnen an, das mein Kolle-
ge Lenkert bereits angesprochen hat . Zunächst zur Ge-
wichtsbegrenzung . Erst ab einem Drohnengewicht von
2 Kilogramm wird ein Kenntnisnachweis des Drohnen-
führers gefordert . Ich glaube aber mit Blick auf einen
Punkt, den Sie selbst angesprochen haben, nämlich die
Einhaltung der Persönlichkeitsrechte, dass man mit ei-
ner sehr kleinen Drohne, die vielleicht gar nicht sofort
sichtbar ist, sehr viel mehr Schaden als mit einem grö-
ßeren Fluggerät anrichten kann . Insofern frage ich, ob es
richtig ist, mit Bezug auf das potenzielle Schadensmaß
eine Gewichtsbegrenzung einzuführen, gerade vor dem
Hintergrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte . Da
würde mich Ihre Abwägung interessieren .
Der zweite Punkt – Herr Lenkert hat es bereits an-
gesprochen –: Welche Strafmaßnahmen sollen bei Zu-
widerhandlungen, etwa bei einer Nichteinhaltung von
Überflugverboten, ergriffen werden, wenn eine Anzei-
ge erfolgt, und welche Behörden sind dafür zuständig?
Sind das die Landesluftfahrtbehörden? Und wie sehen
Sie generell den Bedarf an personeller Ausstattung –
sowohl bei den Landesluftfahrtbehörden als auch beim
Luftfahrt-Bundesamt –, die notwendig ist, um dafür zu
sorgen, dass die Einhaltung der Regelungen aus der Ver-
ordnung auch kontrolliert wird?
Herr Bundesminister .Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Vielen Dank . – Zu Ihrem ersten Punkt – Kenntnis-nachweis, Missbrauch und Gewichtsbeschränkung –: Inder Tat hat der mögliche Missbrauch mit dem Gewichterst einmal nicht so viel zu tun, der herbeigeführte Scha-den im Zweifelsfall allerdings schon . Denken Sie an dieZwischenfälle, die ich vorhin genannt habe, die von derDeutschen Flugsicherung gemeldet worden sind . Selbst-verständlich macht es im Falle einer Kollision einen gro-ßen Unterschied, ob man sich einem Hubschrauber mitGustav Herzog
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einer schweren oder mit einer sehr leichten Drohne nä-hert .Durch diese Verordnung soll sichergestellt werden,dass auch die Führer von leichten Drohnen Kenntnis da-rüber erlangen, was erlaubt ist und was nicht . Dazu ge-hört, dass das Überfliegen von privaten Wohngrundstü-cken mit jeglicher Art von Drohnen, die Filmaufnahmenermöglichen, nicht erlaubt ist .Wie kann man so etwas in das Ordnungswidrigkeiten-recht umsetzen? Wir reden ja hier von Ordnungswidrig-keiten und entsprechenden Bußgeldern . Vorgesehen ist,dass der übliche Bußgeldkatalog Anwendung findet; dasheißt, Bußgelder bis zu 50 000 Euro sind möglich . Manmuss aber klar nach der Schwere des Missbrauchs diffe-renzieren . Wir können uns diese hohen Bußgelder nur beisehr schweren Vergehen vorstellen .
Zu diesem Themenkomplex hat der Kollege Lenkert
noch eine Frage, dem ich dazu das Wort erteile .
Herr Minister, ich stimme Ihnen zu, dass die direkten
Schäden durch Drohnen vom Gewicht abhängen, wobei
sich mir hier noch die kleine Frage stellt, ob Sie bei den
2 Kilogramm vom Brutto- oder vom Nettogewicht aus-
gehen; denn Drohnen können teilweise deutlich schwe-
rere Lasten tragen .
Meine eigentliche Frage ist aber, wie es mit den in-
direkten Schäden aussieht . Wie soll ich als Geschädig-
ter etwas zur Anzeige bringen, wenn Drohnen von unter
250 Gramm nicht einmal eine Kennzeichnung haben
müssen? Gegen wen soll ich die Anzeige richten – gegen
unbekannt? Wie sollen die Ermittlungsbehörden den Eig-
ner der Drohne ermitteln, durch die mein Recht geschä-
digt wurde, wenn es kein Register und keine Kennzeich-
nungspflicht für Drohnen von unter 250 Gramm gibt?
Meine nächste Frage bezieht sich auf Drohnen von
über 250 Gramm . Wie soll ich vom Erdboden aus die
entsprechende Kennzeichnung erkennen können? Hier
gibt es beispielsweise einen Unterschied zu den Pkws,
deren Kennzeichen gut lesbar sind . Das heißt: Wie soll
ich mein Recht auf Sicherheit und Datenschutz gegen
missbräuchliche Anwendung durchsetzen können? Wie
soll das geklärt werden? Welche Behörden sind für die
Überwachung zuständig? Ich persönlich kann keine An-
zeige erstatten, weil mir gar nicht alle Informationen zur
Verfügung stehen, um überhaupt anzeigen zu können .
Herr Bundesminister Dobrindt, Sie haben das Wort .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Zu Ihrer ersten Frage: Wir reden natürlich vom Ge-
samtgewicht der Drohne . Heute gibt es auch Drohnen,
die modular aufgebaut sind . Das heißt, an diese Drohnen
können zum Beispiel Kameras oder auch andere techni-
sche Geräte gekoppelt werden . Es sind viele Drohnen auf
dem Markt, für die eine entsprechende Austauschtechnik
vorhanden ist . Wir reden auf jeden Fall über das Gesamt-
gewicht .
Zu der Frage, was mit Drohnen mit einem Gewicht
von unter 250 Gramm ist: Es gibt heute natürlich auch
schon sehr kleine Drohnen, und auch diese können mit
Kamerasystemen – diese sind dann aber nicht beson-
ders leistungsfähig – ausgestattet werden . Dass die Ge-
wichtsgrenze bei 250 Gramm liegt, erklärt sich daraus,
dass sich die Fachleute sicher sind, dass es bei einem
Absturz eines Flugobjekts mit einem Gewicht von mehr
als 250 Gramm zu schweren körperlichen Schäden kom-
men kann, wenn man davon getroffen wird. Wenn das
Gewicht darunter liegt, die Drohne also deutlich leichter
ist, wird ein Absturz nicht unweigerlich zu solchen Schä-
den führen, weswegen diese Flugobjekte als eine andere
Klasse zu betrachten sind .
Zur Frage nach der Durchsetzung Ihres Rechts: Sie
könnten diese Frage auch erweitern und fragen, was ist,
wenn jemand seine Drohne nicht registrieren lässt – ich
denke hier an das Zentralregister, das vom Kollegen
Kühn vorgeschlagen worden ist – und trotzdem damit
umherfliegt. Wir haben jetzt rechtliche Grundsätze ge-
schaffen, an die man sich natürlich auch halten muss, und
wenn man sich nicht daran hält, wird das entsprechend
geahndet .
Sie dürfen auch nicht vergessen, dass es dafür bis-
her gar keinen Rechtsrahmen gab . Es gibt natürlich eine
Reihe entsprechender Vorschriften, aber keinen Rechts-
rahmen . Einen solchen erhalten wir nun mit dieser Neu-
regelung . Durch die Verordnung erreichen wir also eine
deutliche Verbesserung gegenüber der aktuellen Situati-
on .
Vielen Dank . – Weitere Fragen zu dem Themenbe-
reich Drohne liegen mir nicht vor . Deshalb kommen wir
jetzt zum dritten Bereich, nämlich zu den sonstigen Fra-
gen . Dazu hat sich der Kollege Volker Beck gemeldet .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Ich habe eine Frage,die in den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtesoder des Bundesinnenministeriums fällt .Der Abgeordnete Höcke, Vorsitzender der AfD Thü-ringen, hat gestern in Dresden bei einer Veranstaltungder Jungen Alternative eine 180-Grad-Wende in der Ge-schichtspolitik verlangt . Dadurch würde aus dem „Niewieder“, für das wir alle gemeinsam einstehen, leicht ein„Vielleicht doch“ . Das Denkmal für die ermordeten Ju-den Europas hat er als Denkmal der Schande bezeichnet,und die einladende Organisation JA Dresden hat sich beiFacebook-Postings mehrmals bei der vom Verfassungs-schutz beobachteten Partei Der dritte Weg bedient .Vor diesem Hintergrund der gedanklichen Nähe derJungen Alternative und des Höcke-Flügels innerhalb derAfD zur NPD, zur Partei Der dritte Weg und zu anderenneonazistischen Parteien frage ich die Bundesregierung,ob sie es nicht für an der Zeit hält, eine Beobachtung desBundesminister Alexander Dobrindt
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Höcke-Flügels und der Jungen Alternative durch denVerfassungsschutz zu prüfen .
Die Bundesregierung kann entscheiden, wer die Frage
beantwortet . Ich sehe aber, dass der Herr Staatssekretär
Ole Schröder die Beantwortung übernehmen wird, der
hiermit das Wort erhält .
D
Vielen Dank . – Selbstverständlich sichtet das Bundes-
amt für Verfassungsschutz solche offenen Berichte. Aber
ob eine Organisation Beobachtungsobjekt des Bundes-
verfassungsschutzes wird oder nicht, ist keine Frage, die
politisch zu beantworten ist . Das kann die Bundesregie-
rung auch nicht anordnen .
Vielmehr ist dies eine Frage, die nach streng rechtlichen
Maßstäben von den jeweiligen Behörden entschieden
und dann auch gerichtlich überprüft wird .
Die nächste Frage wird der Kollege Matthias Gastel
stellen .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Ich nutze die Gelegen-
heit, dass Sie, Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt,
anwesend sind, um Ihnen eine Frage aus dem Themen-
bereich der Dieselgate-Affäre zu stellen.
Gestern hat das Landgericht Hildesheim ein Urteil
gefällt . Es geht darum, dass VW im Zuge des Diesel-
skandals wegen – so Zitat – „sittenwidriger vorsätzli-
cher Schädigung“ erstmals einen deutschen Autobesitzer
entschädigen muss . Ich möchte gerne von der Bundes-
regierung wissen, welche Konsequenzen sie aus diesem
Gerichtsurteil zieht .
Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Es gibt inzwischen eine Reihe von Urteilen im Zusam-
menhang mit Volkswagen und Diesel, die übrigens sehr
unterschiedlich ausfallen . Von daher gilt es abzuwarten,
wie die weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen an
dieser Stelle ausgehen . Klar ist aber, dass es noch wei-
tere Aufklärung in diesem Bereich gibt . Die Staatsan-
waltschaften ermitteln an dieser Stelle; das Ergebnis ist
abzuwarten .
Die nächste Frage stellt die Kollegin Sabine Leidig .
Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, Herrn
Dobrindt als Verkehrsminister zu befragen, und zwar zu
einer Entwicklung, die sich kurz vor Weihnachten ziem-
lich zugespitzt hat und die hier überhaupt noch nicht pro-
blematisiert, geschweige denn einer Lösung zugeführt
worden ist .
Es geht um die Tatsache, dass Bahnchef Grube ange-
kündigt und dazu auch ein Konzept entwickelt hat, im
Bereich des Schienengüterverkehrs drastische Einschnit-
te vorzunehmen . Er will nicht nur 2 000 Stellen abbauen,
sondern auch 173 Güterverladestationen schließen und
so auch die Infrastruktur einschränken . Darüber hinaus
sind massive Einsparungen im Bereich Wartung vorgese-
hen . Er will damit einen Gewinn von 700 Millionen Euro
pro Jahr erwirtschaften .
Wir haben heute Morgen beim Parlamentarischen
Frühstück der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft
auch von der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD
gehört, dass die Bundesregierung die Bahn unterstützt,
indem sie zusätzlich 2,4 Milliarden Euro für den Konzern
bereitstellt .
Ich frage Sie nun: Wie reagieren Sie darauf, dass ein
für die notwendige Verlagerung des Güterverkehrs von
der Straße auf die Schiene zentraler Bereich in dieser
Weise geschwächt werden soll? Und halten Sie es für
denkbar, dass die Milliarden, die Herr Grube auf diese
Weise aus dem Konzern herausholen will, gebraucht
werden, um die Löcher zu stopfen, die bei Stuttgart 21
offensichtlich geworden sind?
Herr Bundesminister, Sie haben das Wort .Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Ziel der Bundesregierung ist es, den Schienengüter-verkehr zu stärken .
Das machen wir auf vielfältige Weise, zum einen indemwir finanziell in die Schiene investieren. Wir haben hiervor kurzem den Bundesverkehrswegeplan beschlossen .Sie haben festgestellt, dass im Vergleich zu anderenBundesverkehrswegeplänen der Schiene große Prioritäteingeräumt worden ist und wir erheblich mehr als in derVergangenheit investieren .
– Es freut mich, dass Sie dem zustimmen .
Sie haben auch festgestellt, dass wir ein erheblichesInteresse haben, dass der größte Teil des Aufwuchses derVerkehre, den wir bis zum Jahr 2030 prognostiziert ha-Volker Beck
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ben, auf der Schiene landet . Wir gehen davon aus, dass eseinen Zuwachs des Schienengüterverkehrs von 43 Pro-zent gibt .
Das ist natürlich auch ein Auftrag für die Deutsche Bahn .Aber sie muss in der Lage sein, ihre Güterverkehre auchwirtschaftlich darzustellen, und deswegen auf Verände-rungen entsprechend reagieren . Dazu gehören Verän-derungen bei den Verladestationen; diese müssen auchverlegt werden können . Da, wo keine Güterverkehremehr stattfinden, braucht man auch keine Verladestatio-nen. Da, wo Güterverkehre neu stattfinden, müssen neueVerladestationen angesiedelt werden . Das ist der Auftrag,den die Deutsche Bahn hat . Einen Zusammenhang mitStuttgart 21 gibt es nicht .
Die nächste Frage stellt der Kollege Christian Kühn .
Christian Kühn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Danke, Herr Präsident, für die Möglichkeit, die Frage
zu stellen . – Herr Dobrindt, Sie sitzen da ja in Einigkeit
mit Jens Spahn . Aber die Einigkeit innerhalb der Bundes-
regierung ist ja gerade zwischen Ihren beiden Häusern
nicht immer gegeben . Gerade bei Ihrem Herzensprojekt,
der CSU-Pkw-Maut, hat man jetzt von der Presse gehört,
dass das Bundesfinanzministerium davon ausgeht, dass
die Mauteinnahmen im Jahr 2020 ins Minus rutschen
werden .
Deswegen frage ich Sie nun als Verkehrsminister:
Haben Sie sich mit dem Finanzministerium verständigt?
Wenn nicht, können Sie es ja hier auf der Regierungs-
bank machen . Die Frage, die dahintersteckt, ist natürlich:
Können Sie ausschließen, dass Ihr Haus eine Pkw-Maut
in Deutschland auf den Weg bringt, die in den nächsten
Jahren zu einem Minus und damit zu einer Belastung der
Steuerzahler führt?
Herr Bundesminister .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:
Als Erstes, Herr Kollege Kühn: Es ist natürlich hilf-
reich, sich vollumfänglich zu informieren und nicht nur
selektiv zu lesen .
– Sehr gut . – Hätten Sie weitergelesen, hätten Sie festge-
stellt, dass das BMF diese Meldung dementiert hat und
von daher klar Stellung dazu bezogen hat, dass es die
Sichtweise, die Sie angedeutet haben, so nicht teilt .
Zweite Frage: Ja, ich kann ausschließen, dass es zu
einer Belastung für den Steuerzahler kommt .
Vielen Dank, Herr Minister . – Nächster und abschlie-
ßender Fragesteller zu diesem Tagesordnungspunkt, des-
sen Wortmeldung mir vorliegt, ist der Kollege Volker
Beck .
Herr Schröder, ich wollte einfach noch einmal nach-
fragen . Ich hatte ja nicht danach gefragt, ob Sie die
Höcke-Truppe und JA aktuell beobachten, sondern ich
hatte gefragt, ob Sie es für angezeigt halten, zu prüfen,
ob Sie das beobachten, und das ist keine triviale Frage .
Wir haben bei der Reichsbürgergeschichte gesehen, dass
man viel zu lange gewartet hat, einmal anzustoßen, die
Situation zu prüfen, und deshalb viele in den Ländern
vorliegende Informationen beim Bund einfach nicht zu-
sammengeflossen sind. Deshalb frage ich: Wollen Sie
politisch anregen, dass man diese Leute in der AfD, die
eine gedankliche Nähe zu neonazistischen Parteien auf-
weisen, beobachtet? Wollen Sie die Prüfung einleiten?
Herr Staatssekretär .
D
Selbstverständlich müssen die Sicherheitsbehörden
wachsam sein, insbesondere das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz . Worum es mir nur geht, ist der Umstand,
dass es keine Frage der politischen Opportunität ist, ob
irgendjemand Objekt der Beobachtung durch den Verfas-
sungsschutz wird oder nicht .
Deshalb ist natürlich völlig klar, dass unsere Sicherheits-
behörden sehr wachsam sind, dass sie sich alles genau
angucken und dann bei Bedarf auch eine entsprechende
Prüfung vornehmen werden .
Weitere Fragen liegen nicht vor . Ich beende damit dieBefragung .Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:FragestundeDrucksache 18/10828Wir gehen in der üblichen Reihenfolge vor .Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-torsicherheit . Für die Beantwortung steht Frau Parlamen-Bundesminister Alexander Dobrindt
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tarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zurVerfügung .Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Christian Kühnwerden schriftlich beantwortet . Deshalb kommen wirgleich zur Frage 3 der Abgeordneten Lisa Paus:Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse derkürzlich erschienenen Publikation des Umweltbundesamtes„Umweltschädliche Subventionen in Deutschland 2016“, undwelche Maßnahmen wird sie als Konsequenz daraus in derlaufenden Wahlperiode ergreifen?Frau Staatssekretärin, ich darf Sie bitten .Ri
Sehr geehrte Frau Kollegin Paus, die Publikation ist
eine Fachbroschüre des Umweltbundesamtes, und die
Bundesregierung nimmt die Ergebnisse zur Kenntnis .
Frau Kollegin Paus, ich vermute, dass Sie eine Nach-
frage haben . Dazu haben Sie auch Gelegenheit .
Genau, Herr Präsident . – Das ist ja nicht der erste
Bericht . Den Bericht des Umweltbundesamtes zu um-
weltschädlichen Subventionen gibt es seit etlichen Jah-
ren . Leider haben die umweltschädlichen Subventionen
in der Bundesrepublik Deutschland nicht abgenommen,
sondern zugenommen . Insgesamt gewährt die Bundesre-
gierung im Moment – gesetzlich verankert – jedes Jahr
umweltschädliche Subventionen im Umfang von 52 Mil-
liarden Euro . Sie haben gerade gesagt, dass Sie den Be-
richt zur Kenntnis nehmen . Das heißt, Sie werden keine
Schlussfolgerungen daraus ziehen und keine Änderun-
gen vornehmen .
Deswegen frage ich Sie konkret: Es gibt ja auch ei-
nen Subventionsbericht der Bundesregierung, der neuer-
dings einen Nachhaltigkeitscheck vorsieht . Trotz dieses
Checks sehen Sie offenbar keine Notwendigkeit, etwas
zu verändern . Könnten Sie vielleicht etwas dazu sagen?
Das Umweltbundesamt gehört in Ihre Kompetenz; es
handelt sich um eine bundeseigene Behörde . Diese ver-
öffentlicht seit Jahren schlimme Zahlen zu den umwelt-
schädlichen Subventionen . Auf der anderen Seite gibt es
den Subventionsbericht . Es gibt aber keine Vereinbarung .
Ist zumindest das Bundesumweltministerium willig, ent-
sprechende Änderungen vorzunehmen oder wenigstens
Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium darüber zu
führen, dass hier etwas verändert werden muss?
Ri
Sehr geehrte Frau Kollegin, natürlich ist es grundsätz-
lich eine wichtige Aufgabe, zum Beispiel das deutsche
Steuersystem auf seine Klimaverträglichkeit zu prüfen .
Dazu hat sich die Bundesregierung bei der Erarbeitung
und der Verabschiedung des Klimaschutzplans 2050 be-
kannt . Wir beschäftigen uns also durchaus damit . Ich will
noch einmal darauf hinweisen, dass das Umweltbundes-
amt eine unabhängige Behörde ist .
Frau Kollegin Paus, wollen Sie eine weitere Nachfra-
ge stellen? Dann haben Sie jetzt dazu Gelegenheit .
Herzlichen Dank, Herr Präsident; ja, das möchte ich . –
Sie haben darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung
den Vertrag über die Klimaziele von Paris unterschrie-
ben hat und entsprechende Maßnahmen ergreifen will .
Können Sie mir noch einmal sagen, warum keine ein-
zige vom Umweltbundesamt aufgeführte Subvention
aus Ihrer Sicht überprüfungsbedürftig ist und verändert
werden muss, obwohl im Bericht des Umweltbundes-
amtes verzeichnet ist, dass zum Beispiel die Strompreis-
kompensation der Wirkungsweise des Emissionshandels
zuwiderläuft, dass der Spitzenausgleich die Anreize zum
energiesparenden Verhalten und zur energieeffizienten
Produktion in den begünstigten Betrieben sehr stark
schwächt und dass die Agrardieselvergütung eine Ver-
zerrung der Treibstoffpreise darstellt? Warum nehmen
Sie das nicht zur Kenntnis und sorgen für entsprechende
Änderungen?
Ri
Ich habe zu Beginn gesagt, Frau Kollegin, dass wir
das zur Kenntnis nehmen .
Die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 im
Kabinett verabschiedet . Wir überprüfen dort auch die
Steuersubventionen auf Klimaverträglichkeit . Insofern
hatten wir durchaus einen Anlass, etwas zu ändern .
Ich will aber darauf hinweisen, dass die von Ihnen an-
gesprochene Publikation auch in Ihrer Fraktion zu Kritik
geführt hat . Ich darf aus dem Tagesspiegel vom 5 . Januar
2017 zitieren . Da schreibt Anton Hofreiter:
Wir wollen ran an die Produktionsverhältnisse, statt
an der Steuerschraube zu drehen, sonst bekommt
die Debatte eine soziale Schieflage.
Dabei nahm er auch Bezug auf die besagte Publikation
des Umweltbundesamtes .
Vielen Dank . – Eine weitere Nachfrage dazu, FrauKollegin Paus, ist nicht mehr möglich, da Sie bereitszwei gestellt haben .Nach unserer Geschäftsordnung ist eine dritte Nachfragenicht möglich . – Einen Wunsch nach weiteren Nachfra-gen sehe ich nicht .Vizepräsident Johannes Singhammer
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Die Fragen 4 und 5 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten OliverKrischer sowie die Frage 8 des Abgeordneten Dr . AndréHahn werden schriftlich beantwortet . Damit verlassenwir diesen Geschäftsbereich .Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung . Die Frage 9 des Abgeordneten UweKekeritz wird schriftlich beantwortet .Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Energie . Die Frage 10des Abgeordneten Stephan Kühn wird schriftlich beant-wortet .Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-wärtigen Amts . Für die Beantwortung der Fragen stehtStaatsminister Roth zur Verfügung .Die Frage 11 des Abgeordneten Uwe Kekeritz sollebenfalls schriftlich beantwortet werden .Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Hänsel auf:Was tut die Bundesregierung, um die lebensgefährlicheSituation für Geflüchtete und Obdachlose in Griechenland zuentschärfen, und welche weiteren Möglichkeiten zur Unter-stützung gäbe es darüber hinaus?Herr Staatsminister, Sie haben das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Hänsel, liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich will Folgendes voranschi-
cken: Sie haben zwei ähnliche Fragen gestellt . Deswegen
fällt es mir ein bisschen schwer, die beiden Fragen vonei-
nander abzugrenzen . Dennoch werde ich mich bemühen,
sie bestmöglich zu beantworten .
Die Lage der Flüchtlinge in den Winterquartieren auf
den griechischen Inseln ist – daran gibt es nichts zu deu-
teln – sehr schlimm . Die griechische Regierung muss ih-
rer Verantwortung gerecht werden und die angemessene
Unterbringung sowie die angemessene Versorgung der
Flüchtlinge sicherstellen . Darauf hat die EU-Kommissi-
on auch hingewiesen .
Auch auf dem Festland sind nach Informationen des
UNHCR nicht alle Lager winterfest . Selbstverständlich –
das darf ich Ihnen allen versichern – ist die Bundesregie-
rung nach wie vor bemüht, ihren griechischen Partner in
dieser dramatischen Lage bestmöglich zu unterstützen .
Wie Sie wissen, unterstützen wir Griechenland in der
Flüchtlingspolitik bilateral schon seit 2015 . Darüber hi-
naus hat die Europäische Union umfangreiche finanzielle
Unterstützung geleistet, um die Situation für Geflüchtete,
aber auch für Obdachlose in Griechenland zu verbessern .
2016 wurden seitens der Bundesregierung bilateral
9 Millionen Euro als humanitäre Hilfe – zu einem gro-
ßen Teil für winterfeste Unterkünfte für Flüchtlinge und
Migranten – bereitgestellt . Griechenland hat in den ver-
gangenen Jahren – seit 2015 – sehr viele Finanzmittel
erhalten, insgesamt 352 Millionen Euro aus dem euro-
päischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und
dem Fonds für die innere Sicherheit – zusätzlich zu den
509 Millionen Euro, die bereits im mehrjährigen Fi-
nanzrahmen von 2014 bis 2020 dafür vorgesehen waren .
Griechenland ist damit der größte Empfänger von Mit-
teln aus diesen EU-Fonds .
Unter anderem hat die Europäische Kommission der
griechischen Regierung 80 Millionen Euro für Unter-
künfte für Umsiedlungskandidaten und Asylsuchen-
de bereitgestellt . Dank dieser Mittel kann der UNHCR
20 000 Unterkunftsplätze zur Verfügung stellen . Weitere
knapp 60 Millionen Euro wurden der griechischen Armee
für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen
überlassen . Darüber hinaus kann Griechenland zum Auf-
bau von entsprechenden Verwaltungskapazitäten auch
technische Unterstützung durch die EU erhalten . Dazu
gibt es verschiedene Angebote der EU-Kommission .
Die EU hat zudem im April 2016 ein neues Hilfsin-
strument für humanitäre Soforthilfe innerhalb der EU
geschaffen. Dabei geht es um einen Gesamtbetrag von
700 Millionen Euro für drei Jahre . Der Schwerpunkt die-
ses Mitteleinsatzes liegt auch in Griechenland . Darüber
hinaus erhält Griechenland – wieder in der Förderperiode
von 2014 bis 2020 – 280 Millionen Euro aus dem Euro-
päischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten
Personen . Dieses Geld soll entsprechend Obdachlosen in
Griechenland zugutekommen .
Frau Hänsel .
Danke schön, Herr Staatsminister . – Sie haben jetzt
erwähnt, dass es auch Hilfen für die griechische Regie-
rung zur Unterstützung der Flüchtlinge gibt . Ich möchte
erwähnen, dass die Situation in Griechenland prekär ist .
Wir haben dort eine enorm gestiegene Armutsrate und
eine gestiegene Arbeitslosigkeit, auch aufgrund des Aus-
teritätsprogramms der Europäischen Union . Das heißt,
dass wir dort eine Regierung haben, die mit sehr vielen
Schwierigkeiten zu kämpfen hat und Armut bekämpfen
muss, auch wegen der EU-Politik, und die im Moment
die Hauptlast der ankommenden Flüchtlinge trägt . Die
griechischen Inseln und die italienischen Inseln sind die
Hauptanlaufstellen von Flüchtlingen .
Das Hauptproblem besteht darin, dass aufgrund des
unmenschlichen Erdogan-Deals die Flüchtlinge auf den
griechischen Inseln festsitzen . Insofern haben die Euro-
päische Union und die Bundesregierung, die die Archi-
tektin dieses üblen Erdogan-Deals ist, eine enorme Mit-
verantwortung für die Situation vor Ort . Die Situation
ist eine Katastrophe . Wir haben jede Woche Meldungen,
dass 3 000 bis 4 000 Menschen außerhalb der Container
in einem EU-Hotspot frieren und teilweise lebensgefähr-
liche Krankheiten haben . Deswegen meine Nachfrage:
Was machen Sie aktuell, damit sich das ändert?
Herr Staatsminister .Vizepräsident Johannes Singhammer
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Frau Präsidentin! Frau Hänsel, ich will Ihnen noch ein-
mal versichern, dass Deutschland vollumfänglich seiner
besonderen Verantwortung auch bei der Unterstützung in
Griechenland gerecht zu werden versucht . Wenn Sie mit
Griechinnen und Griechen sprechen, dürften Sie wenige
Menschen finden, die diese Leistung, die Deutschland
aus innerer Überzeugung zu erbringen versucht, nicht
anerkennen . Sie dürften auch nur wenige Partner in der
EU finden, die sich in ähnlicher Weise durch ganz kon-
krete Unterstützungsangebote auf bilateraler Ebene an
Griechenland wenden .
Es gibt in Griechenland – ich sage das mit aller Zurück-
haltung – kein finanzielles Problem, kein Ressourcenpro-
blem; es gibt ein Umsetzungsproblem . Die Finanzmittel
stehen seit geraumer Zeit bereit . Es gibt inzwischen auch
in Griechenland eine sehr kontroverse Diskussion darü-
ber, was mit diesen Mitteln geschehen ist und ob man
nicht frühzeitiger und präventiver, also rechtzeitig vor
dem Wintereinbruch, etwas hätte tun müssen .
Aber es hilft nun überhaupt nicht, zu lamentieren .
Deswegen will ich noch einmal deutlich machen, dass
wir selbstverständlich versuchen, auch technische Hilfe
zu leisten . Der Bundesinnenminister hat beispielsweise
die Hilfe des THW angeboten . Es wird derzeit geprüft,
was genau zu tun ist . Das THW ist in der Lage, sehr
schnell Hilfe zu leisten . Inzwischen, nach einiger Zeit,
gibt es auch eine Bereitschaft der griechischen Partner,
diese Hilfe anzunehmen. Wir befinden uns derzeit in der
Phase der konkreten Überprüfung, was zu leisten ist .
Sie haben abermals die EU-Türkei-Erklärung zur
Migrationspolitik angesprochen . Ich will darauf hinwei-
sen, dass bestimmte Personengruppen, die wir als vul-
nerabel bezeichnen, also kranke Personen etc ., auch im
vollen Einklang mit der EU-Türkei-Erklärung auf das
Festland verlegt werden können . Dies ist im begründeten
Einzelfall selbstverständlich möglich . Ich will aber auch
darauf hinweisen, dass auch auf dem Festland nach Infor-
mationen des UNHCR nicht alle Lager winterfest sind .
Es geht also nicht nur um ein Problem auf den Inseln,
sondern leider auch um eines auf dem Festland .
Frau Hänsel .
Danke schön . – Sie haben immer noch keine Antwort
auf meine Feststellung gegeben, dass sich die Situation
nicht verbessert . Wir alle schauen zu . Jeden Tag war in
den Medien zu sehen, wie die Menschen frieren – das
findet in einem EU-Hotspot statt –, und dann wird auf
Gespräche usw . verwiesen .
Ich möchte gerne wissen, ob Sie daraus den Schluss
ziehen, dass der Erdogan-Deal gegen die Menschenwür-
de gerichtet ist und auf Kosten der unterdrückten Men-
schen in der Türkei, auf Kosten der Flüchtlinge sowie
der griechischen Bevölkerung geht . Sie zahlen den Preis
vor Ort . Die Menschen können diese Inseln nicht verlas-
sen . Sie sitzen dort fest . Es werden immer mehr, und die
Situation wird immer prekärer . Ziehen Sie daraus weiter
gehende Schlussfolgerungen, was das Erdogan-Abkom-
men angeht?
Der Schwerpunkt der EU-Türkei-Erklärung in der
Flüchtlingsfrage liegt vor allem darin, den Schlepperban-
den das Handwerk zu legen und die Lage der Flüchtlinge
in der Türkei, die die meisten Flüchtlinge aufgenommen
hat, konkret zu verbessern . Dafür stellt die EU – teilweise
aus eigenen Mitteln, teilweise aus nationalen Beiträgen –
insgesamt 3 Milliarden Euro zur Verfügung. Sie fließen
in Bildung, Qualifizierung und bessere Versorgung der
Geflüchteten, vor allem auch bessere Versorgung und
bessere Integration der Kinder . Das Ganze geht mit einer
Arbeitserlaubnis einher, die die türkischen Behörden in-
zwischen syrischen Flüchtlingen gewähren, die sich min-
destens sechs Monate in der Türkei aufhalten .
Ich sehe derzeit durchaus Defizite. Darauf haben
Sie auch hingewiesen . Das ist nun einmal die Lage der
Flüchtlinge in Griechenland. Deshalb befinden wir uns
nicht in abstrakten Gesprächen, sondern wir sind ganz
konkret dabei, unsere Hilfsangebote zu verstärken, zu
verbessern und auszubauen . Ich habe nur darauf hinge-
wiesen, dass das, was wir konkret leisten können – also
finanzielle Hilfe und technische Zusammenarbeit –, na-
türlich an Grenzen stößt, wenn vor Ort die Infrastruktur
nicht entsprechend vorgehalten wird . Da gibt es von uns
aber keine öffentlichen Belehrungen. Vielmehr sind wir
in einem ständigen Gespräch und fragen: Was können
wir konkret tun?
Darüber hinaus trägt Deutschland natürlich auch im
Rahmen der Relocation eine besondere Verantwortung .
Sowohl gegenüber Italien als auch gegenüber Grie-
chenland besteht das konkrete Angebot, monatlich je
500 Flüchtlinge aufzunehmen. Wir befinden uns derzeit
noch unter den Möglichkeiten, die wir sowohl den Grie-
chen als auch den Italienern gewährt haben . Dabei geht
es natürlich immer darum, die Lage von Menschen auf
der Flucht, die in Griechenland festsitzen und dort aus-
harren müssen, konkret zu verbessern .
Ich muss und möchte noch einmal auf die Uhr verwei-
sen: eine Minute .
Ich bitte um Nachsicht .
Mir liegen jetzt noch drei weitere Nachfragen zu die-
ser Frage vor . Als erste weitere Fragestellerin erhält Frau
Höger das Wort .
Vielen Dank für die Möglichkeit zur Nachfrage . –Herr Staatssekretär Roth, Sie haben gesagt, Bestand-teil des EU-Türkei-Deals sei insbesondere die Hilfe fürFlüchtlinge in der Türkei . Bestandteil ist aber auch, dassFlüchtlinge in Griechenland sofort zurückgeschickt wer-den sollen . Deshalb sind dort keine festen Behausungen
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eingerichtet worden, sodass sie jetzt in Zelten erfrierenund die gesundheitliche Situation eine Katastrophe ist .Das Deutsche Rote Kreuz hat aktuell gefordert, aufgrunddieses kalten Winters ganz schnell feste und beheizbareWohnungen und Behausungen für die Flüchtlinge bereit-zustellen .Die Situation ist nicht nur in Griechenland und aufden Inseln so katastrophal, sondern auf dem Balkan ins-gesamt, wo viele Geflüchtete festsitzen und nicht wei-terkommen . Dort gibt es auch keine festen Unterkünfte .Ich möchte schon einmal genau wissen, wie Sie auf dieseForderung des Deutschen Roten Kreuzes eingehen .
Frau Präsidentin! Frau Höger, ich habe eben schon ein
konkretes Beispiel genannt . Hier geht es selbstverständ-
lich um winterfeste Zelte . Dabei spielt das Technische
Hilfswerk eine ganz wichtige Rolle . Wir können aber
niemandem diese Hilfe aufdrängen .
Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass aus
unserer Sicht ausreichend Mittel für die Versorgung der
Flüchtlinge und Migranten in Griechenland bereitstehen .
Es scheint aber bei der konkreten Umsetzung und der Im-
plementierung der Hilfsmaßnahmen Probleme zu geben .
Da sind wir natürlich auf eine entsprechend gute Zusam-
menarbeit mit den griechischen Behörden angewiesen .
Sie haben völlig recht, Frau Höger – da stimmen wir
auch mit dem Deutschen Roten Kreuz, mit dem wir in
diesen Fragen sehr eng zusammenarbeiten, überein –:
Derzeit muss es darum gehen, die Flüchtlinge in win-
terfesten Quartieren ordentlich unterzubringen . Dabei
schließen wir nichts aus . Das geht so weit, dass natürlich
auch Hotels infrage kommen, um die Flüchtlinge besser
zu versorgen .
Ich möchte aber noch einmal auf Folgendes hinwei-
sen: In den Flüchtlingslagern gibt es weder auf den Inseln
noch auf dem Festland Geflüchtete, die erfroren sind.
Das schließe ich aus .
Herr Herzog, Sie haben als Nächster das Wort .
Herr Staatsminister, vielen Dank dafür, dass Sie dar-
gestellt haben, wie umfangreich die Hilfe ist, die die
Bundesrepublik Deutschland leistet, die wir anbieten und
die – so habe ich Sie verstanden – nicht immer in dem
Umfang abgerufen wird, wie es aus humanitären Grün-
den vielleicht notwendig wäre .
Mir liegt aus meinem Wahlkreis eine sehr konkrete
Anfrage von einer Initiative vor, die sich um Flüchtlinge
kümmert . Man hat mich konkret gefragt – man ist na-
türlich berührt von den Bildern aus Griechenland –, ob
man mit Decken und mit Winterkleidung helfen könne .
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wäre das im Mo-
ment weder angemessen noch praktikabel; vielmehr liegt
der Ball sozusagen im griechischen Spielfeld, und dort
müsste konkrete Hilfe geleistet werden .
Lieber Kollege, erst einmal: Richten Sie dieser Ini-
tiative unseren Dank aus . Das ist ein Zeichen gelebter
Solidarität und macht auch deutlich: Es gibt kein griechi-
sches Problem, es gibt ein gesamteuropäisches Problem,
und da müssen wir zusammenstehen .
Ich will mit meinen wenigen Worten nur deutlich ma-
chen, dass Deutschland im Rahmen seiner Möglichkeiten
einen konkreten Solidaritätsbeitrag zu leisten versucht,
und wir werden daran auch nichts ändern . Aber es bringt
nichts, Dinge zu tun, die erst einmal wenig Sinn ergeben .
Ich prüfe gerne nach, ob es beispielsweise einen Bedarf
an Decken gibt . Wir sind da in einem engen Austausch
mit den entsprechenden Hilfsorganisationen . Lassen Sie
uns einfach im Gespräch bleiben .
Vielen Dank . – Herr Wunderlich .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Staatsminister,
Sie sagten gerade – genau das ist der Kern des Ganzen –:
„Lassen Sie uns einfach im Gespräch bleiben .“ Die Frage
bezog sich ja auf konkrete Maßnahmen . Unter konkreten
Maßnahmen stelle ich mir vor: Es werden Winterdecken
geliefert . Es werden Heizgebläse geliefert, solange noch
keine winterfesten Unterkünfte da sind .
Sie sagen jetzt: Wir haben angeboten, das THW zu
schicken . – Wem ist das konkret angeboten worden? Wer
hat es abgelehnt, oder wer hat es angenommen? Was wird
sonst noch konkret in dieser Situation, wo die Menschen
noch nicht erfroren sind, von der Bundesrepublik geleis-
tet? Konkret, nicht abstrakt!
Herr Abgeordneter Wunderlich, ich habe die Konkre-
tisierung bei der Beantwortung dieser Frage erst einmal
ausgespart, weil es zu diesem Bereich noch eine zweite
Frage gibt . Die Beantwortung der Frage 13 nehme ich
aber mit Genehmigung der Präsidentin und der Fragestel-
lerin gerne vorweg .
Frau Hänsel sind Sie damit einverstanden?
Ja . Die beiden Fragen hängen sowieso eng zusammen .
Ich rufe daher die Frage 13 auf:Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung als Mit-glied der Europäischen Union, um die in Zelten lebendenFlüchtlinge vor dem Verhungern und/oder dem Kältetod zu
Inge Högerhttp://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-griechenland-101.htmlhttp://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-griechenland-101.html
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(D)
Die von Deutschland geförderten Hilfsorganisationen
versorgen derzeit die Menschen täglich – täglich! – mit
Nahrung, Kleidung, Decken, Hygieneartikeln . Aktuelle
Projekte von Hilfsorganisationen zur Winterhilfe wer-
den seit vergangenem Herbst kontinuierlich unterstützt .
Gleichzeitig setzen wir uns für eine gesamteuropäische
solidarische Lösung ein, nicht weil wir in unserer Hil-
fe nachlassen wollen, sondern weil wir deutlich machen
wollen: Da müssen alle mit anpacken; darum müssen
sich alle kümmern .
Ich will hier niemanden belehren – das braucht auch
niemand –; aber fragen Sie doch einmal konkret bei den
griechischen Behörden, bei Ihren Freunden, bei Ihren
parteipolitischen Mitstreitern nach, wer in dieser Zeit
Hilfe leistet . Dann werden Sie eine Antwort bekommen,
die vielleicht Ihre Frage und vielleicht auch meine Ant-
wort in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt .
Vielen Dank . – Frau Hänsel, Sie können Ihre erste
Nachfrage stellen .
Herr Roth, Sie haben jetzt gesagt: Es gibt Hilfe usw . –
Ich würde gerne von Ihnen, Herr Staatsminister, einfach
noch einmal erfahren, warum die Situation nach wie vor
so prekär ist .
Ich habe in meiner Antwort auf Ihre erste Frage, Frau
Hänsel, deutlich zu machen versucht, dass das Problem
nicht mangelnde finanzielle Ressourcen sind. Ich habe
aber auch deutlich zu machen versucht, dass es eine
Reihe von Hilfsorganisationen gibt, die sich dort täglich
auch mit unserer Unterstützung, mit großer Unterstüt-
zung durch die Europäische Union engagieren . Aber es
gibt nach wie vor ein Problem bei der Implementierung
der Hilfemaßnahmen . Das heißt, die konkrete Hilfe ist
etwas zu spät gekommen . Der Winter brach ein, und die
entsprechenden Voraussetzungen waren nicht gegeben .
Ich lamentiere hier aber nicht, sondern ich weise darauf
hin .
Gut . – Dann abschließend meine zweite Nachfrage .
Wie viele Flüchtlinge konnten im Rahmen dieses Deals
nach Deutschland kommen? Es wurde hier ein entspre-
chender Austausch geplant . Ist die Bundesregierung be-
reit, mehr Menschen von den Inseln und aus Griechen-
land aufzunehmen?
Wenn Sie mit dem Deal die EU-Türkei-Erklärung
meinen, Frau Hänsel, kann ich gerne versuchen, Ihnen
dies zu beantworten . Derzeit gibt es Umsiedlungen –
neudeutsch: Relocation – in einem Gesamtumfang von
7 448 Flüchtlingen aus Griechenland . Hinzu kommen
noch einmal 2 735 Flüchtlinge aus Italien . Deutschland
hat mit Stand 12 . Januar 2017 644 Flüchtlinge aus Grie-
chenland aufgenommen . Insgesamt hat Deutschland bis-
lang, Frau Abgeordnete Hänsel, 5 250 Plätze angeboten .
Monatlich werden es allein für Griechenland 500 Plätze
mehr . Aber derzeit sind erst 644 Flüchtlinge zu uns ge-
kommen . Das hat nicht nur etwas mit den griechischen
Behörden zu tun – das will ich deutlich sagen –, sondern
es hat auch damit etwas zu tun, dass wir die Verfahren
etwas verkomplizieren, weil wir vor allem im Rahmen
der Familienzusammenführung versuchen, bestimmte
Flüchtlinge nach Deutschland zu holen, das heißt – um
dieses Beispiel zu nennen – Flüchtlinge, deren Familien
sich zum Teil bereits in Deutschland befinden.
Vielen Dank . – Damit komme ich zur Frage 14 des
Abgeordneten Volker Beck:
Wie will die Bundesregierung Ziffer 6 des UN-Sicher-
heitsratsbeschlusses 2334 (www .un .org/webcast/pdfs/
SRES2334-2016 .pdf) insbesondere hinsichtlich der Zahlung
der Märtyrerrenten der PLO an Terroristen und ihre Angehö-
rigen und der palästinensischen Reaktionen auf den Terroran-
der alltägliche Terror gegen israelische Bürger für den Frie-
densprozess zwischen der israelischen und palästinensischen
Seite?
Herr Staatsminister, Sie haben das Wort .
Danke schön, Frau Präsidentin . – Herr AbgeordneterBeck, Bundesaußenminister Dr . Frank-Walter Steinmeierhat deutlich gemacht, dass der Sicherheitsratsbe-schluss 2334, auf den Sie sich in Ihrer schriftlichen Fragebeziehen, das bekräftigt, was schon lange die Positionder Bundesregierung ist:
Der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten behindertdie Möglichkeit eines Friedensprozesses und gefährdetdie Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung .Gleichzeitig – auch das ist Teil dieses Beschlus-ses – ruft der Sicherheitsrat zu Sofortmaßnahmen zurVerhütung aller Gewalthandlungen einschließlich derTerrorakte gegen Zivilpersonen und aller Akte der Provo-kation und der Zerstörung auf . Er fordert alle Seiten zurEinhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen auf.Laufende Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfungmüssen verstärkt werden .Die Bundesregierung spricht das Thema „Gewalt undAufhetzung zur Gewalt“ gegenüber der Palästinensi-schen Behörde regelmäßig an und sieht die Palästinen-sische Behörde in der Pflicht, effektiv gegen jede Formvon Terror und Gewalt vorzugehen und sie entsprechendzu verurteilen . Auch das Thema Hinterbliebenenrente –darüber haben wir schon mehrere Male gesprochen, HerrKollege Beck – verfolgen wir genau . Wir sind darübernach wie vor mit den palästinensischen Partnern im Ge-spräch .http://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdfhttp://www.un.org/webcast/pdfs/SRES2334-2016.pdfhttp://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Hamas-holds-rally-in-Gaza-to-celebrate-terrorist-ramming-that-killed-four-Israelis-477860
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Wir haben den Anschlag vom 8 . Januar in Jerusalem –auch das wissen Sie, Herr Abgeordneter Beck – auf dasSchärfste verurteilt . Für Mordanschläge darf es niemalseine Rechtfertigung geben . Wir sind extrem besorgt überdie erneute Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern .
Herr Beck .
Das, was Sie gesagt haben, kenne ich alles . Das war
aber auch nicht gefragt . Ich habe konkret danach ge-
fragt, was die Bundesregierung macht, die mit diesem
Beschluss aufgefordert wird, alle Akte von Terror zu
verhüten, also aktiv zu werden . Bezogen auf die Mär-
tyrerrenten ergibt sich die Frage: Wie stellt die Bundes-
regierung angesichts der Tatsache, dass Deutschland
direkt Finanzhilfe an die PA leistet und indirekt Hilfen
über die EU-Budgethilfe leistet, sicher, dass wir nicht
die PLO-Märtyrerrenten an die Hinterbliebenen von Ter-
roristen in den palästinensischen Gebieten finanzieren?
Das habe ich Sie schon mehrmals gefragt . Sie erzählen es
denen, aber Sie machen nichts . Dadurch ändert sich also
nichts . Die wissen, dass Sie ihnen das nur erzählen und
dann wieder gehen und dass Sie traurig sind, wenn Sie
nicht gehört haben, was Sie hören wollten . Das ist aber
keine Politik, Herr Staatsminister .
Ich erwarte von Ihnen eine Antwort auf die Frage: Was
tut die Bundesregierung, um zu verhindern, dass Terro-
risten in Palästina mit Renten belohnt werden, angesichts
der Tatsache, dass wir diese Organisation finanzieren?
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, Sie haben ja ein-
gangs schon darauf hingewiesen, dass Sie das alles wis-
sen . Trotzdem stellen Sie Fragen .
Ich befürchte, dass Sie auch das, was ich Ihnen jetzt sage,
schon wissen, weil ich es Ihnen schon mehrfach gesagt
habe . Ich kann es aber gerne wiederholen, damit hier
nicht ein falscher Eindruck entsteht .
Die Bundesregierung ist an den Zahlungen der PLO
nicht beteiligt. Wir finanzieren über Direktzahlungen –
das haben Sie schon erläutert – die Palästinensische
Behörde . Diese Mittel sind genauso wie die Mittel der
Europäischen Union zweckgebunden . Da geht es um die
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, da geht es um
Investitionen in die Wasserversorgung; viele Projekte,
beispielsweise auch in der Bildung, gehören dazu .
Die Mittel der deutschen Außenpolitik fokussieren
sich in erster Linie auf Diplomatie, und das wesentliche
Instrument der Diplomatie ist das Gespräch . Insofern
kann ich Ihnen nur noch einmal versichern, dass wir
selbstverständlich auch darüber in einem regelmäßigen
Gespräch mit der Palästinensischen Behörde sind, weil
es das wichtigste Mittel ist und weil wir natürlich deut-
lich machen wollen, dass es hier nicht über irgendwel-
che Umwege eine Finanzierung geben kann, die von uns
weder veranlasst, geschweige denn unterstützt wird . Wir
sind in einem regelmäßigen Gespräch darüber, und wir
äußern uns dazu auch öffentlich. Wir machen immer wie-
der deutlich: Jede Förderung terroristischer Aktivitäten
muss eingestellt werden .
Es gibt Haushaltshilfen der EU – das wird Ihre nächste
Frage sein, weil natürlich auch Deutschland indirekt an
den EU-Mitteln beteiligt ist –, aber auch diese Budgethil-
fen sind zweckgebunden . Die entsprechenden Haus-
haltsbehörden der Europäischen Union versichern, dass
bis zum Empfänger dieser Mittel nachvollzogen werden
kann, was mit diesem Geld der Europäischen Union pas-
siert .
Insofern kann man sich nicht hierhinstellen und sagen,
dass wir nichts tun . Im Gegenteil: Wir bleiben bei diesem
Thema am Ball, und wir überprüfen es ganz konkret .
Vielen Dank . – Herr Beck .
Ich finde, die Bundesregierung ist da schon in einem
moralischen Dilemma; denn der Vorsitzende der PA ist
Herr Abbas, und der Vorsitzende der PLO, die diese Ren-
ten zahlt, ist auch Herr Abbas . So zu tun, als ob das alles
miteinander nichts zu tun hat, ist zumindest eine kühne
These, die Ihnen sicher noch auf die Füße fallen wird .
Angesichts der Tatsache, dass gestern Hamas und Fa-
tah erklärt haben, erneut eine Einheitsregierung bilden
zu wollen, möchte ich wissen – das bezieht sich auf die
schon in der Ausgangsfrage angesprochene Tatsache –,
wie die Bundesregierung denn auf die Hamas-Jubelde-
monstrationen nach dem Attentat in Jerusalem reagiert
hat und ob die Bundesregierung Vorkehrungen trifft, da-
mit im Falle einer Einheitsregierung keine Gelder für die
Hamas und in den Aufbau von Terrorstrukturen im Ga-
zastreifen fließen.
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich bedauere,dass Sie die klassischen, normalerweise auch von IhrerFraktion unterstützten Mittel der Diplomatie offensicht-lich nicht wertschätzen – das sind nun mal die Gespräche .Selbstverständlich verurteilen wir alle Entwicklungenund alle Erscheinungen, die eine Solidarisierung mit Ter-ror beinhalten, auf das Schärfste . Unser Ansprechpartnerist die Palästinensische Behörde . Ich habe darauf hinge-wiesen, dass hier nicht einfach zweckungebunden Mittelzur Verfügung gestellt werden . Ich habe ebenso daraufhingewiesen, dass die Verwendung der von uns und vonder Europäischen Union zur Verfügung gestellten Mittelauch nachvollzogen werden kann . Es muss entsprechen-de Nachweise geben: Was passiert konkret mit diesemGeld?Ich finde die Schlussfolgerungen, die Sie da konstru-ieren, teilweise etwas gewagt . Ich will hier nun keineGleichsetzungen vornehmen, die mir nicht zustehen unddie vielleicht auch ein falsches Bild erzeugen; aber auchStaatsminister Michael Roth
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in der Bundesrepublik Deutschland gibt es Politiker, diesowohl Parteichefs als auch wesentliche Verantwortlichein einer Regierung sind . Daraus zu konstruieren, dass diePartei aus Staatsmitteln finanziert wird, halte ich für sehrweit hergeholt .Im Übrigen bleiben wir in diesen Fragen sehr wach-sam, und es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass dieBundesregierung selbstverständlich den Terrorismusnicht nur verurteilt, sondern im Rahmen ihrer Arbeit,ihrer Hilfe in den entsprechenden Staaten einen prä-ventiven, einen aufsuchenden Ansatz verfolgt, um denTerrorismus an der Wurzel zu bekämpfen und auch dieIdeologie, die diesem Terrorismus zugrunde liegt, zu be-kämpfen .
Vielen Dank .
Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen auf:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass
bei der angestrebten Zypern-Lösung durch einen föderalen
Staat mit zwei gleichberechtigten Bundesländern, die sich
weitgehend selbst verwalten, Entscheidungen, die beide Insel-
teile betreffen, nur gemeinsam getroffen werden können, da
beide Seiten ein Vetorecht besitzen, wodurch die türkischen
Zyprer wichtige Entscheidungen beim EU-Mitglied Zypern
mitbestimmen könnten, und inwieweit teilt die Bundesregie-
rung die Auffassung, dass damit der türkische Staatspräsident
Recep Tayyip Erdogan künftig einen Fuß in Brüssel hätte, was
erhebliche Folgen für die Entscheidungen der gesamten EU
hat, in denen – wie vor allem in außen- und finanzpolitischen
Herr Staatsminister, Sie haben wieder das Wort .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Kollegin
Dağdelen, die Bundesregierung unterstützt mit Nach-
druck den Prozess und die Verhandlungen über die Wie-
dervereinigung Zyperns . Das wäre nicht nur ein Erfolg
für die Menschen auf Zypern, die seit vielen Jahrzehnten
in einem geteilten Land leben, das wäre auch ein gro-
ßer Erfolg und ein großer Fortschritt für ganz Europa .
Das wäre selbstverständlich auch ein Fortschritt für die
Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der
Türkei und für die Stabilität in der östlichen Mittelmeer-
region .
Die Zypern-Verhandlungen haben in der vergangenen
Woche in Genf eine wichtige Zwischenetappe erreicht .
Erstmals geht es um die sensibelsten Fragen – das betrifft
die Garantie- und Sicherheitsbelange –, und die werden
nicht nur zwischen den beiden Seiten Zyperns verhan-
delt, sondern unter Einbeziehung der drei sogenannten
Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und Tür-
kei .
Konkrete Ergebnisse zu den verfassungsrechtlichen
Regelungen, insbesondere zur Ausgestaltung der Außen-
politik einschließlich der Europapolitik, liegen bisher
noch nicht vor . Aber wir gehen selbstverständlich davon
aus, dass in außen- und europapolitischen Fragen beide
Seiten – wenn es sich um ein föderales System handeln
sollte – an der Willensbildung beteiligt werden .
Ich selbst habe den Führer der türkischen Zyprer
Mustafa Akinci kennengelernt . Er ist im April 2015
mit großer Mehrheit zum Volksgruppenführer gewählt
worden . Sowohl Umfragen als auch die proeuropäische
Orientierung der türkisch-zyprischen Bevölkerung las-
sen erwarten, dass sich ein möglicher zukünftiger tür-
kisch-zyprischer Teilstaat sehr konstruktiv in Europa ein-
bringen wird . An darüber hinausgehenden Spekulationen
möchte ich mich nicht beteiligen, weil auch wir nur da-
rüber zu spekulieren vermögen, was der demokratische
Willensbildungsprozess am Ende mit Blick auf Wahler-
gebnisse konkret bedeutet .
Vielen Dank. – Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Staatsminister
Roth, Sie haben richtigerweise auf die Bestrebungen und
das Ziel der Vertreter des türkisch besetzten Teil Zyperns,
Herr Akinci und Co ., hingewiesen . Das ist ja auch richtig .
Aber in meiner Frage geht es um etwas anderes, nämlich
um die Komplexität der Situation, die daraus resultiert,
dass die Türkei Garantiemacht im nördlich besetzten Teil
Zyperns wäre . Deshalb würde ich angesichts der etwas
aktuelleren Berichtslage in Bezug auf die Einigung der
türkisch-zypriotischen Gemeinschaft gerne wissen: Wel-
chen Einfluss hätte die Türkei Erdogans – es geht ja in
schnellen Schritten in Richtung Ein-Mann-Diktatur/Prä-
sidialsystem – nach einer Einigung als Garantiemacht auf
die Politik der Europäischen Union? Darum geht es ja .
Ich habe, Frau Präsidentin, Frau AbgeordneteDağdelen, deutlich gemacht, dass ich mich an solchenSpekulationen nicht beteiligen möchte . Ich bitte darum,keine Signale auszusenden, die einen möglichen Zwei-fel daran aufkommen lassen, dass die BundesrepublikDeutschland ein allergrößtes Interesse an einem erfolg-reichen Abschluss der Verhandlungen über die Wieder-vereinigung Zyperns hat . Es ist eines der wichtigstenund bedeutsamsten Projekte, mit denen wir es derzeit inEuropa, weit über die Europäische Union hinaus, zu tunhaben . Ich bin mir ziemlich sicher, dass mit einem wie-dervereinigten Zypern vieles besser und nichts schlechterwird .Derzeit habe ich überhaupt keinen Anlass, daran zuzweifeln, dass ein wiedervereinigtes Zypern, was selbst-verständlich auch Mitspracherechte des türkisch-zypri-schen Teils in der Europapolitik mit sich bringt, diesesMitspracherecht sehr verantwortungsbewusst nutzenwird . Das haben mir meine bisherigen Gespräche ge-zeigt .Es geht ja jetzt, Frau Abgeordnete Dağdelen, vor al-lem darum: Wie werden die derzeitigen Aufgaben derdrei sogenannten Garantiemächte in eine völlig neueStruktur überführt? Das ist einer der heikelsten Punkte .Dabei geht es beispielsweise auch um die Militärpräsenz .Staatsminister Michael Rothhttp://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.htmlhttp://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.htmlhttp://www.welt.de/politik/ausland/article160986185/Die-Angst-Europas-vor-Erdogans-trojanischem-Pferd.html
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Am Ende des Tages muss ein Verhandlungsergebnisvorliegen, das sowohl den Sicherheitsinteressen des tür-kisch-zyprischen als auch des griechisch-zyprischen Be-völkerungsanteils angemessen Rechnung trägt . Wir ha-ben doch unsere eigenen bitteren Erfahrungen gemacht .Wenn am Ende ein Ergebnis auf dem Tisch liegt, dasin Referenden nicht von der Mehrheit der Bevölkerungauch als großer Fortschritt anerkannt wird, dann wird dasein großes Problem . Ohne Zustimmung wird dieses Pro-jekt abermals scheitern . Ich habe jedoch keinen Anlass,daran zu zweifeln, dass der türkisch-zyprische Teil in ei-nem vereinigten Zypern mit seinem Mitspracherecht sehrverantwortungsbewusst umgehen wird .
Vielen Dank. – Frau Dağdelen.
Es mag ja sein, dass der türkisch-zypriotische Teil
verantwortungsbewusst damit umgeht, Herr Staatsminis-
ter – Ihre Euphorie über die eventuelle Wiedervereini-
gung Zyperns in allen Ehren –, aber man sollte trotzdem
versuchen, eine vorausschauende und rationale Politik zu
machen .
Die Überlegung ist doch: Wie würde sich in einer
künftigen Verfassung des wiedervereinigten Zyperns der
garantierte Einfluss der Republik Türkei auswirken, auch
was die zyprische Haltung im Hinblick auf die Türkeipo-
litik der Europäischen Union angeht? Mir geht es darum,
herauszufinden – die Papiere liegen ja schon auf dem
Tisch –: Inwieweit ist der Einfluss Bestandteil der Ver-
fassung eines wiedervereinigten Zyperns? Das ist unab-
hängig von der türkisch-zypriotischen Vertretungsmacht,
vielmehr versucht die Garantiemacht Türkei, dort ihren
Einfluss zu sichern.
Ich wünsche mir, auch wenn Sie jetzt keine Antwort
darauf haben, dass die Bundesregierung auf diese Dinge
achtet; ich möchte nur das Stichwort „Wallonie“ nennen .
Danke .
Herr Staatsminister .
Frau Präsidentin, Frau Dağdelen, ich habe mich schon
einmal über eine Wiedervereinigung gefreut, und ich
werde mich auch über diese Wiedervereinigung freuen .
Das kann ich Ihnen versichern – nicht nur, weil ich es
toll finde, weil ich an einer Grenze groß geworden bin,
sondern weil ich sehe, was für ein unendlicher Gewinn
das für die Menschen auf der geteilten Insel ist, und auch,
wie wir von einem Stückchen mehr Sicherheit profitie-
ren .
Die Fragen, die Sie skizziert haben, sind ja sehr ernst
zu nehmen . Denn – ich will das noch einmal wiederho-
len – am Ende des Tages müssen sowohl die griechischen
Zyprer als auch die türkischen Zyprer den Eindruck ha-
ben, ihre Sicherheit, ihre Freiheit und ihre Demokratie
seien gesichert . Am Ende des Tages vermag ich mir kei-
nen Erfolg vorzustellen, der eine wie auch immer speku-
lierte Dominanz der Türkei beinhaltet . Das wird so nicht
kommen .
Der heikelste Aspekt ist ja gerade die Frage, welche
Rolle die Garantiemächte spielen . Dabei geht es auch um
den Rückzug von Militär . Aber Deutschland ist an diesen
Verhandlungen nicht aktiv beteiligt . Unter der Aufsicht
der Vereinten Nationen führen die beiden Seiten in eige-
ner Verantwortung und in einem engen Dialog mit den
drei Garantiemächten die Verhandlungen, die hoffentlich
in einem erfolgreichen Abschluss münden werden .
Es stimmt: Ich bleibe nach wie vor optimistisch, weil
ich am Ende nur Chancen sehe. Ich hoffe natürlich, dass
am Ende das Ergebnis für beide Seiten stimmt und ent-
sprechende Mehrheiten erzielt werden können .
Vielen Dank . – Die Frage 16 des Abgeordneten Andrej
Hunko wird schriftlich beantwortet .
Damit gehen wir über zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern .
Die Frage 17 des Abgeordneten Andrej Hunko wird
ebenfalls schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über einen
unter anderem vom früheren BKA-Vizepräsidenten Gerhard
Boeden 1985 initiierten sowie von Israel und den USA fi-
nanzierten „internationale Reserve“-Fonds für nachrichten-
dienstliche Geheimoperationen von Werner Mauss und andere
freiberufliche Agenten, wie am 9. Januar 2017 der ehemalige
Kanzleramtsminister und Koordinator der Bundesnachrichten-
dienste, Bernd Schmidbauer, wegen dieser Funktion als Zeuge
vor Gericht geladen, unter strafbewehrter Wahrheitspflicht be-
über etwaige Erstattungen an die Haupteinzahler, eigene di-
rekte Einzahlungen in den Fonds sowie hieraus finanzierte
Operationen je auf ihr Geheiß mit?
Antworten wird der Parlamentarische Staatssekretär
Dr . Ole Schröder . – Herr Schröder, Sie haben das Wort .
D
Sehr geehrter Herr Ströbele, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Durch ein Schreiben des Rechtsanwalts von
Herrn Werner Mauss vom 8 . September 2016 im Zusam-
menhang mit einem gegen Herrn Mauss beim Landge-
richt Bochum anhängigen Steuerstrafverfahren erlangte
das Bundeskriminalamt und in der Folge die Bundesre-
gierung erstmals Kenntnis über die angebliche Existenz
des in Rede stehenden „internationale Reserve“-Fonds .
Weiter gehende Erkenntnisse zu diesem Fonds liegen der
Bundesregierung nicht vor .
Herr Ströbele .Staatsminister Michael Roth
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 2017 21153
(C)
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Es geht ja hier um Herrn Mauss oder, wie er auch ge-nannt wird, „008“, der vor Gericht steht und behauptethat, dass dieser Fonds eingerichtet worden ist für Tätig-keiten, die er auch für deutsche Behörden durchgeführthat . Haben Sie mit dem ehemaligen Staatsminister imKanzleramt, Herrn Schmidbauer, der am 9 . Januar 2017als Zeuge aufgetreten ist, Kontakt gehabt? Haben Sie die-ses Verfahren verfolgt? Haben Sie oder hat Ihre Behördemit Herrn Schmidbauer Kontakt gehabt? Hat er von Ih-nen oder vom Kanzleramt eine Aussagegenehmigung be-kommen, und hat er Sie darüber informiert, was er dazuweiß und was er vor Gericht aussagen würde?
Herr Staatssekretär .
D
Was er dazu gesagt hat, ist ja der Presse zu entnehmen .
Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass der ehe-
malige Staatsminister Schmidbauer als „008“ bezeich-
net wird . Herr Schmidbauer hat ja gesagt, dass es seiner
Kenntnis nach einen solchen „Reserve“-Fonds gegeben
hätte, er aber keine Kenntnis davon hat, dass die Bundes-
republik Deutschland da in irgendeiner Weise involviert
war .
Herr Ströbele, Ihre zweite Nachfrage .
An sich ist der Bundesnachrichtendienst, der da vor
allen Dingen in Betracht kommt, gar nicht in Ihrem Res-
sort angesiedelt, sondern im Bundeskanzleramt . Haben
Sie selber oder hat das Bundeskanzleramt – die Fra-
ge richtet sich ja an die Bundesregierung und nicht nur
an das Innenministerium; wenn es zuständig ist, ist das
okay, aber wenn es nicht alles weiß, sollte es beim Kanz-
leramt nachfragen – nachgeforscht, ob es beim Bundes-
nachrichtendienst dazu eine Akte gibt?
Herr Staatssekretär .
D
Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob es dazu eine Akte
gibt . Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir jetzt das ers-
te Mal Kenntnis davon bekommen haben, dass es einen
solchen angeblichen „Reserve“-Fonds geben soll, und
dass die Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls nach
unserem Kenntnisstand, mit diesem angeblichen „Reser-
ve“-Fonds nichts zu tun hat .
Herr Beck zum gleichen Themenkomplex .
Ich möchte das Bundeskanzleramt fragen, welche
Kenntnisse es zu der Frage, die Herr Ströbele gerade ge-
stellt hat, hat .
D
Lieber Herr Kollege, das Bundeskanzleramt hat in
dieser Angelegenheit keine weiter gehenden Erkenntnis-
se als die, die eben der Kollege Schröder schon für die
Bundesregierung vorgetragen hat .
Frau Lemke, die nächste Frage wird auch an das Bun-
deskanzleramt gestellt? – Okay . Bitte schön .
Da das Innenministerium gar keine Antwort gegeben
hat, bitte ich Sie, auf die Frage zu antworten, ob Sie eine
Akte zu diesem Vorgang haben bzw . nachgeforscht ha-
ben, ob eine Akte existiert .
Herr Staatsminister .
D
Ich kann Ihnen darüber, ob es irgendwelche Akten
gibt, die diesen Gegenstand betreffen, nur sagen, dass
wir – soweit wir in der Lage waren, das nachzuvollzie-
hen – keinerlei Unterlagen haben, die einen Hinweis da-
rauf gegeben haben, dass wir Kenntnis von einem sol-
chen Fonds haben . Mehr kann man dazu im Augenblick
nicht sagen .
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme ichzum nächsten Fragekomplex: Spionage durch Imameoder Funktionäre der DITIB .Hierzu rufe ich die Frage 19 des Kollegen Volker Beckauf:Welche Erkenntnis hat die Bundesregierung über das Infor-mationssammeln durch Imame oder Funktionäre der DITIB –Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e . V . und
tionszuträger des Präsidiums für Religionsangelegenheiten
in Deutschland (insbesondere Identität, Aufenthalts-
ort etc .; vergleiche www .welt .de/politik/deutschland/ article160386720/Strafanzeige-gegen-Ditib- wegen-moeglicher-Agententaetigkeit .html, www .spiegel .de/politik/deutschland/volker-beck-zeigt-imame-der-ditib-wegen-spionage-verdacht-http://www.welt.de/politik/deutschland/article160386720/Strafanzeige-gegen-Ditib-wegen-moeglicher-Agententaetigkeit.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article160386720/Strafanzeige-gegen-Ditib-wegen-moeglicher-Agententaetigkeit.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article160386720/Strafanzeige-gegen-Ditib-wegen-moeglicher-Agententaetigkeit.htmlhttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/volker-beck-zeigt-imame-der-ditib-wegen-spionage-verdacht-an-a-1126240.htmlhttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/volker-beck-zeigt-imame-der-ditib-wegen-spionage-verdacht-an-a-1126240.html
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an-a-1126240 .html, www .n-tv .de/politik/Ditib- entschuldigt-sich-fuer-Spitzeleien-article19533171 .html)?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .D
Ich beantworte die Frage des Kollegen Volker Beck
wie folgt: Der Bundesregierung liegt ein mutmaßliches
Schreiben des Präsidiums für Religionsangelegenheiten,
DIB bzw . Diyanet, vom 20 . September 2016 vor, das an
alle Botschaften und Generalkonsulate der Türkei, Be-
ratungsstellen für religiöse Angelegenheiten, Attachés
sowie Koordinatoren für Religionsangelegenheiten ge-
richtet war . Diese werden darin ausdrücklich aufgefor-
dert, Gutachten über Einrichtungen und Organisationen
der Gülen-Bewegung sowie über deren Aktivitäten zu
erstellen und diese bis Ende September 2016 an Diya-
net zu übersenden . Zudem liegen der Bundesregierung
Informationen über drei Berichte der türkischen General-
konsulate in München, Düsseldorf und Köln vor, die dort
als Antwort auf die Berichtsanforderung der Religions-
behörde verfasst worden sein sollen . Aus den Unterlagen
gehen zum Teil auch die Namen der Imame hervor, die
diese Informationen an die Religionsattachés in den ge-
nannten Generalkonsulaten übermittelt haben sollen . Zu
konkreten Identitäten können aufgrund laufender Ermitt-
lungen keine Aussagen getroffen werden.
Herr Beck .
Seit heute ermittelt ja endlich der Generalbundes-
anwalt, wie wir vorhin gemeinsam im Innenausschuss
erfahren haben . Deshalb wollte ich fragen, ob die Bun-
desregierung, wenn sie hier jetzt auch keine Identitäten
oder Namen gegenüber dem Parlament und der Öffent-
lichkeit offenlegen kann – dafür habe ich Verständnis –,
darauf geachtet hat, dass potenzielle Tatverdächtige, die
diese Berichte erstellt haben, nicht in der Zwischenzeit
die Bundesrepublik verlassen haben, und ob sie gegebe-
nenfalls darauf achtet, dass diese sie auch nicht verlassen
können . Ich frage vor folgendem Hintergrund: Von der
Strafanzeige bis zur Aufnahme der Ermittlungen hat es
sehr lange gedauert . Es gibt auch Aussagen aus journa-
listischen Kreisen, dass man aus Gefälligkeit gegenüber
türkischen Stellen bewusst länger gewartet hat . Ist da was
dran?
Herr Staatssekretär .
D
Es ist insbesondere auch Aufgabe der ermittelnden
Staatsanwaltschaft, darauf zu achten, dass solche mögli-
chen Zeugenaussagen dann auch verwertet werden kön-
nen .
Selbstverständlich achten auch die Sicherheitsbehörden
der Bundesrepublik darauf . Das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz hat ja heute im Innenausschuss schon ent-
sprechend Auskunft gegeben .
Herr Beck .
Das war leider wieder keine Antwort in der Sache . –
Sie wissen ja auch, dass sich der DITIB-Generalsekretär
inzwischen letzte Woche geäußert hat und zumindest am
Morgen gegenüber der Rheinischen Post eingestanden
hat, dass es solche Berichte gegeben hat . Am Abend hat
er, wohl auf Weisung aus Ankara, seine Aussagen in ei-
ner Pressemitteilung wieder zurückgenommen . Vor die-
sem Hintergrund wollte ich fragen, ob die Bundesregie-
rung, die ja im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz
mit der DITIB zusammenarbeitet, das Gespräch mit der
DITIB gesucht hat, um sie aufzufordern, all ihre Infor-
mationen über Spionageaktivitäten von Funktionären
der DITIB den Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik
Deutschland zur Verfügung zu stellen .
Herr Staatssekretär .
D
Es handelt sich um ein laufendes strafrechtliches Er-
mittlungsverfahren, das jetzt von der Generalbundesan-
waltschaft geprüft wird . Die Staatsanwaltschaft hat jetzt
zu entscheiden, was mit entsprechenden Unterlagen ge-
schieht . Es ist den sonstigen Behörden nicht gestattet,
dieses Ermittlungsverfahren in irgendeiner Art und Wei-
se zu stören . Es ist selbstverständlich Aufgabe der ermit-
telnden Staatsanwaltschaften, genau das sicherzustellen .
Es liegen mir jetzt noch drei weitere Fragen zu dieser
Frage vor, zum einen der Kollegin Dağdelen.
Herr Staatssekretär, Sie haben natürlich recht . Heuteist, Gott sei Dank, ein Ermittlungsverfahren eingeleitetworden – diese ganzen Berichte standen schon seit De-zember im Raum –, und die Staatsanwaltschaften werdensich darum kümmern .Meine Frage richtet sich an die Bundesregierung . Beistaatlichen Konferenzen wie der Deutschen Islam Kon-ferenz oder dem Integrationsgipfel sitzen immer auchVizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahnhttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/volker-beck-zeigt-imame-der-ditib-wegen-spionage-verdacht-an-a-1126240.htmlhttp://www.n-tv.de/politik/Ditib-entschuldigt-sich-fuer-Spitzeleien-article19533171.htmlhttp://www.n-tv.de/politik/Ditib-entschuldigt-sich-fuer-Spitzeleien-article19533171.html
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(D)
Vertreterinnen und Vertreter der DITIB, dieser Moschee-gemeinde, mit am Tisch . Meine Frage ist – denn da kannauch die Politik handeln –: Inwiefern hält es die Bundes-regierung für angebracht, die Zusammenarbeit mit Ver-tretern der DITIB und ihrer Untergliederungen etc . pp .,was die Teilnahme an entsprechenden Konferenzen oderdie Kooperation bei Projekten betrifft, zu suspendieren,bis das ganze Ausmaß der Spitzeltätigkeit seitens der Ge-neralbundesanwaltschaft aufgeklärt ist? Oder halten Siean Ihrer Kooperation mit DITIB trotz der Ermittlungenweiterhin fest?
Herr Staatssekretär .
D
Wir werden das Ermittlungsverfahren der General-
bundesanwaltschaft genau beobachten und daraus unsere
Schlussfolgerungen ziehen .
Frau Hänsel, Sie haben als Nächste das Recht, zu fra-
gen .
Danke schön . – Herr Staatssekretär, auch ich habe
eine Nachfrage . Die am 19 . Juli 2016 von WikiLeaks
öffentlich gemachten E-Mails von AKP, AKP-nahen Or-
ganisationen und auch DITIB haben ja offenbart, dass es
regelmäßig Meldungen nach Ankara gab; für die Türkei
relevante Entwicklungen wurden gemeldet . Darüber hi-
naus wurden Organisationen, Vereine und Personen ge-
meldet und dann in Freund-und-Feind-Schemata einge-
ordnet . Es gab auch einige Mails von Imamen, die über
die Gemeinde und Gemeindemitglieder geschrieben und
diese eingestuft haben .
Nach dem Putsch kam es zu einer Verschärfung dieses
Meldesystems, nachdem Erdogan die Bürger dazu aufge-
rufen hat, ihrer patriotischen Pflicht nachzukommen und
den Sicherheitsdiensten jeden Verdächtigen zu melden .
Diese Meldung ging auch an die Auslandsvertretungen
der Türkei hier in Deutschland und an DITIB . Das alles
war öffentlich einzusehen und von Erdogan sehr deutlich
zu hören . Meine Frage ist: Welche Maßnahmen hat die
Bundesregierung getroffen, um diese Verfolgung von
Andersdenkenden in Deutschland zu unterbinden, und
welche Maßnahmen hat sie zum Schutz dieser Bürgerin-
nen und Bürger, die hier in Deutschland leben, ergriffen?
Bevor Sie antworten, Herr Staatssekretär, bitte ich
auch die Fragesteller, die Uhr im Auge zu behalten . „Rot“
heißt, dass man die Frage beenden muss . Dann hat man
noch 2 Sekunden Zeit und nicht 30 . – Herr Staatssekretär .
D
Die Sicherheitsbehörden sind ausgesprochen sensibel,
was den Sachverhalt, den Sie eben beschrieben haben,
angeht . Insbesondere das Bundesamt für Verfassungs-
schutz hat ja auch die Aufgabe, Spionageabwehr zu
betreiben . Auch hinsichtlich der Gefahren für die hier
lebenden Menschen sind unsere Sicherheitsbehörden na-
türlich ausgesprochen aufmerksam . Das haben wir sehr
genau im Blick .
Herr Wunderlich, Ihre Frage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Haben Sie Kennt-
nis davon, auf welcher rechtlichen Grundlage die
DITIB-Imame hier in Deutschland tätig sind oder waren,
und gab es dafür vielleicht sogar ein bilaterales Abkom-
men?
Herr Staatssekretär .
D
Die Imame aus dem Ausland, die hier tätig sind, brau-
chen selbstverständlich ein Visum . Dafür, ein solches
Visum nach den bestehenden Regelungen zu erteilen, ist
das Auswärtige Amt zuständig . In der Beschäftigungs-
verordnung ist beispielsweise geregelt, dass es hierfür
keiner Zustimmung der Arbeitsagentur bedarf . Von da-
her sind die Imame zurzeit in gewisser Weise noch pri-
vilegiert, wenn sie aus dem Ausland hierherkommen, um
religiösen Tätigkeiten nachzugehen . Auch das muss vor
dem Hintergrund dieses Vorgangs sicherlich genau über-
prüft werden .
Damit komme ich zu Frage 20 der AbgeordnetenSevim Dağdelen:
schriftlichen Anweisung der türkischen Religionsbehörde Diya-
inwieweit zeigt der Umstand, dass die DITIB, Mitglied derDeutschen Islam Konferenz und Gesprächspartner der Bun-desregierung, bzw . DITIB-Imame dieser Anweisung gefolgtsind, dass sie religiös nicht selbstbestimmt ist und schon al-lein deshalb nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen
Herr Staatssekretär, Sie haben wieder das Wort .Sevim Dağdelenhttp://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507http://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507http://www.deutschlandfunk.de/islamverband-ditib-entschuldigt-sich-wegen-bespitzelungen.447.de.html?drn:news_id=698507http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083http://www.deutschlandfunk.de/innenministerium-zum-islamverband-ditib.1773.de.html?dram:article_id=376083
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D
Frau Kollegin Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Wie bereits in der Antwort auf die Frage zu-
vor des Abgeordneten Beck ausgeführt, richtete sich das
Schreiben der Religionsbehörde nach den der Bundesre-
gierung vorliegenden Erkenntnissen an alle Botschaften
und Generalkonsulate, die Beratungsstellen für religiöse
Angelegenheiten, Attachés sowie Koordinatoren für Re-
ligionsangelegenheiten .
Es ist Sache der Länder, im Rahmen ihrer Zuständig-
keiten zu überprüfen, ob die Landesverbände der Tür-
kisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e . V .,
DITIB, unter den gegebenen Umständen die Vorausset-
zungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen . Diese Hal-
tung kommuniziert die Bundesregierung auch gegenüber
DITIB .
Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr Staatssekretär,
könnten Sie mir bitte beantworten, inwieweit sich andere
Verbände als die DITIB bereits mit ihren Sorgen an die
Bundesregierung – das BMI oder auch andere Behör-
den – gewandt und zum Ausdruck gebracht haben, mit
Vertretern einer Spitzelorganisation wie der DITIB nicht
mehr arbeiten oder nicht mehr kooperieren zu wollen,
beispielsweise bei staatlichen Konferenzen wie der Deut-
schen Islam Konferenz oder dem Integrationsgipfel?
Herr Staatssekretär .
D
Mir persönlich liegen keine Erkenntnisse vor, dass
sich andere Religionsgemeinschaften offiziell an die
Bundesregierung gewandt hätten . Sollte das anders sein
und die Religionsverbände nichts dagegen haben, werde
ich Ihnen das gern noch berichten .
Frau Dağdelen.
Das würde mich sehr freuen . – Meine zweite Nach-
frage lautet: Herr Schröder, wir haben seit dem geschei-
terten Militärputsch in der Türkei erlebt, dass die Ver-
folgung von Andersdenkenden an den Grenzen nicht
haltmacht, sondern auch in Deutschland viele Menschen
betrifft. Es gibt Berichte von Menschen, die in die Türkei
einreisen und dort verhaftet werden – egal, ob sie deut-
sche Staatsbürger oder türkische Staatsbürger mit einem
Aufenthaltstitel in Deutschland sind –, weil sie auf Face-
book oder auf Twitter irgendetwas Kritisches bezüglich
der Regierung in der Türkei geschrieben haben .
Wir haben auch den Fall, dass sich viele Menschen
nicht mehr trauen, beispielsweise bei Veranstaltun-
gen wie der Deutschen Islam Konferenz kritische The-
men anzusprechen. Unter ihnen befindet sich auch das
CDU-Mitglied Ali Ertan Toprak . Er ist Präsident der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in
Deutschland . Er wird denunziert, weil er auch mal kri-
tisch ist und immer wieder mal auf Titelseiten türkischer
Tageszeitungen erscheint, wie es bei vielen türkeistäm-
migen Bundestagsabgeordneten der Fall ist . Deshalb
meine Frage: Was tut die Bundesregierung, um Men-
schen vor der Verfolgung seitens der türkischen Orga-
nisationen, Verbände etc . und der türkischen Regierung
hier in Deutschland, auf deutschem Boden zu schützen?
Herr Staatssekretär .
D
Bis hin zum Personenschutz tut die Bundesregierung
und tun vor allen Dingen die zuständigen Länder alles,
um diese Personen zu schützen . Wir teilen Ihre Sorge,
dass Konflikte aus anderen Ländern nach Deutschland
getragen werden . Dieses Thema wird uns noch länger
beschäftigen, nicht nur in Bezug auf die türkische Com-
munity in Deutschland . Daraus gilt es die notwendigen
Schlüsse zu ziehen – auch sicherheitspolitisch mit Blick
auf die einzelnen Behörden .
Aber es ist selbstverständlich auch notwendig, sich in
Sachen Aufenthaltsrecht zu überlegen, ob es richtig ist,
dass Imame nur mit dem Hinweis, hier religiös tätig sein
zu wollen, einfach nach Deutschland einreisen dürfen .
Herr Beck .
Ich möchte auf Ihre Nonchalance von vorhin zurück-kommen, als Sie gesagt haben, Sie überließen das allesden Ermittlungsbehörden . Ich meine: Es ist eine Aufga-be von Verfassungsschutz und vom BKA, Bürgerinnenund Bürger im Rahmen der Spionageabwehr auch fürdie Zukunft davor zu schützen, dass sie durch die Ge-heimdienste ausspioniert werden und damit zu Zielenvon Mordkomplotten, Entführungen oder Verhaftungenwerden können, wenn sie in die Türkei einreisen . Ausmeiner Sicht haben Sie dafür auch im Rahmen der Ge-fahrenabwehr die Verantwortung . Sie können jetzt nichtdie Hände in den Schoß legen und warten, was der Gene-ralbundesanwalt in einem einzigen konkreten Fall straf-rechtlich ermittelt, sondern müssen weiter dieser Fragenachgehen . Deshalb ist doch relevant, was Sie zu diesenUmständen wissen .Wir haben vorhin im Innenausschuss über den Falleines MIT-Mitarbeiters diskutiert, der wohl den Auftraghatte, jemanden umzubringen . Das können die Konse-quenzen dieser Aufklärungsmaßnahmen sein . Deshalblässt mich das nicht in Ruhe . Was wollen Sie jetzt konkretunternehmen, um solche Spionagevorgänge abzustellen?
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Herr Staatssekretär .
D
Ich gebe Ihnen recht: Es ist Aufgabe der staatlichen
Behörden, diese Gefahrenabwehr sicherzustellen . Das
tun wir auch in jeder Hinsicht . Das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz ist zum Beispiel insbesondere dabei, die
notwendigen Informationen zu diesem Thema zu sam-
meln . Das gilt aber natürlich auch für die sonstigen Si-
cherheitsbehörden des Bundes und natürlich vor allen
Dingen auch für die Sicherheitsbehörden der Länder .
Ich habe vorhin auf die Frage, was mit den Beweis-
mitteln geschieht, ob beispielsweise die Erkenntnisse aus
dem Ermittlungsverfahren, das der Generalbundesanwalt
führt, automatisch der Bundesregierung und den Behör-
den des Bundes zur Verfügung gestellt werden können,
gesagt, dass es nicht Sache der Bundesregierung ist, das
zu entscheiden, sondern Sache der ermittelnden Behörde,
nämlich der Generalbundesanwaltschaft . Das war mein
einziger Punkt .
Herr Beck, jetzt hat die Kollegin Hänsel das Wort .
Danke . – Herr Staatssekretär, mal schauen, ob ich eine
Antwort bekomme .
Die türkische Religionsbehörde Diyanet hat weltweit
24 Religionsattachés . Über die Hälfte davon, nämlich 13,
sind in Deutschland . In jeder türkischen Vertretung hier –
Botschaft und Konsulat – ist ein Diyanet-Diplomat, der
die Religionsangelegenheiten der 824 Imame – das sind
ja allesamt türkische Beamte; sie sind weisungsgebunden
und werden vom Ministerpräsidentenamt bezahlt – regelt
und die Vorstände in den rund 900 DITIB-Moscheen
lenkt . Sie sind also dafür verantwortlich .
Wie bewerten Sie angesichts dieser Fakten die Aussa-
ge von Vertretern von DITIB, dass sie unabhängig von
Ankara seien? Ist das nicht genau so, als wenn der Bot-
schafter Erdmann sagen würde, er sei unabhängig von
der deutschen Bundesregierung?
Herr Staatssekretär .
D
Das bewerte ich ausgesprochen kritisch, und es ist
jetzt Aufgabe der Länder, zu prüfen, inwieweit DITIB
noch eine anerkannte unabhängige Religionsgemein-
schaft sein kann, wenn es ein solches Abhängigkeits-
verhältnis gibt und DITIB am Ende nicht mehr religiös
selbstbestimmt ist .
Herr Wunderlich .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Um diese religiöse
Selbstbestimmung und um das Recht, sich als Religions-
gemeinschaft anerkennen zu lassen, geht es .
Nach meinem Kenntnisstand sind im Bundesvorstand
von DITIB auch türkische Staatsbedienstete, und der
Präsident ist wohl regelmäßig auch Botschaftsrat in der
türkischen Botschaft . Haben Sie auch aufgrund dieses
engen staatlichen Zusammenhangs Kenntnis darüber,
wie viele DITIB-Bundesvorstandsmitglieder Diploma-
tenpässe haben?
Haben Sie daneben Kenntnis darüber – das klingt jetzt
vielleicht ein bisschen albern –, welche Farbe die Pässe
dieser Bundesvorstandsmitglieder haben? Ich frage das
deshalb, weil unsere Dienstpässe knallrot sind, während
die Pässe der türkischen Staatsbediensteten grün sind .
Durch die Farbe könnte man ein Indiz dafür haben, dass
es Staatsbedienstete und nicht Religionsvertreter sind .
Herr Staatssekretär .
D
Es gibt sicherlich Kenntnisse darüber, wie viele Vor-
standsmitglieder Staatsbedienstete sind . Ich persönlich
kann Ihnen die Zahl aber nicht nennen .
Zu überprüfen, ob es sich hierbei wirklich noch um
eine selbstbestimmte Religionsgemeinschaft handelt, ist
Sache der Länder und nicht Sache des Bundes .
Alle weiteren Fragen aus dem Geschäftsbereich desBundesministeriums des Innern, die Fragen 21 und 22des Abgeordneten Özcan Mutlu, die Frage 23 der Abge-ordneten Sabine Zimmermann, die Fragen 24 und 25 derAbgeordneten Petra Pau und die Fragen 26 und 27 derAbgeordneten Ulla Jelpke, werden schriftlich beantwor-tet .Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums der Justiz und für Verbraucherschutz über .Hier werden alle Fragen, die Fragen 28 und 29 desAbgeordneten Frank Tempel und die Frage 30 der Abge-ordneten Katrin Werner, schriftlich beantwortet .Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Finanzen .Auch hier werden alle Fragen, die Fragen 31 und 32der Abgeordneten Katrin Kunert, schriftlich beantwortet .Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales .
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Die Frage 33 der Abgeordneten Katrin Werner wirdschriftlich beantwortet .Damit komme ich jetzt zum Geschäftsbereich desBundesministeriums der Verteidigung . Beantworten wirddie Fragen der Parlamentarische Staatssekretär Dr . RalfBrauksiepe .Ich rufe jetzt Frage 34, die erste Frage dieses Ge-schäftsbereiches, des Abgeordneten Hans-ChristianStröbele auf:Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Anzahlder Gebiete in Syrien und Irak, von denen die sechs Tornadosder Bundeswehr im vergangenen Jahr Bilder gemacht hat-ten, bei denen anschließend Luftangriffe der Streitkräfte derOperation „Innere Entschlossenheit“ stattfanden, mit welchenFolgen für die Zivilbevölkerung, und wie stellt die Bundesre-gierung sicher, dass in Zukunft unter der US-PräsidentschaftDonald Trumps keine Einsätze auf Grundlage von Bildernstattfinden, die von der Bundeswehr geliefert werden, die Toteund Verletzte in der Zivilbevölkerung riskieren?Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort .D
Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, ich antworte
Ihnen wie folgt: Die deutschen Tornado-Luftfahrzeuge
leisten mit ihren Aufklärungsergebnissen einen Beitrag
zur Verdichtung des Gesamtlagebildes im Kampf gegen
die Terrororganisation des sogenannten „Islamischen
Staates“, kurz IS .
Im vergangenen Jahr lagen circa 40 Prozent der be-
auftragten Aufklärungsziele in Syrien und circa 60 Pro-
zent im Irak. Die entsprechenden Aufklärungsflüge dien-
ten insbesondere der Vorbereitung einer Rückeroberung
von durch den IS besetzten Gebieten in und um Mosul
und Rakka . Das deutsche Personal im Hauptquartier für
Luftoperationen, dem Combined Air Operations Centre
in al-Udeid in Katar, ist nicht an der Auswahl von zu be-
kämpfenden Zielen beteiligt .
Die Aufklärungsflüge der deutschen Tornado-Luft-
fahrzeuge im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koali-
tion tragen auch dazu bei, zivile Infrastruktur von militä-
rischen Objekten unterscheiden zu können . Damit sollen
zivile Opfer infolge der Lufteinsätze der Anti-IS-Koaliti-
on vermieden werden .
Die deutsche Beteiligung am Kampf gegen den IS
fußt auf dem Mandat des Deutschen Bundestages vom
20 . November 2016 . Dieses wurde unter anderem vor
dem Hintergrund der Resolutionen 2170 , 2199
und 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen zur Bedrohung des Weltfriedens und der in-
ternationalen Sicherheit durch die Terrororganisation IS
erteilt . Dieser gesetzte Handlungsrahmen des Einsatzes
deutscher Streitkräfte ist von Personalwechseln in Re-
gierungsämtern von an der Operation Inherent Resolve
beteiligten Nationen unabhängig .
Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, daran
zu zweifeln, dass auch weiterhin der hohe Standard zum
Schutz der Zivilbevölkerung, der bei der Auswahl und
Bekämpfung von Zielen angelegt wird, Bestand haben
wird .
Herr Ströbele .
Danke . – Den letzten Teil der Frage haben Sie noch
gar nicht beantwortet; darauf kommen wir aber gleich
noch . Es geht darum, ob sich unter der Regierung eines
Präsidenten Trump, der ja angekündigt hat, eine ganz an-
dere Syrien-Politik, auch militärisch, zu betreiben, an der
Haltung der Bundesregierung zu dem Einsatz deutscher
Flugzeuge etwas ändert .
Ich frage Sie jetzt noch einmal, obwohl das in der Fra-
ge schon steht: Haben Sie – der Amtsantritt ist ja nicht
mehr so lange hin; ab übermorgen soll das ja so sein –
eine Planung, irgendeine Vorstellung?
Herr Staatssekretär .
D
Herr Kollege Ströbele, Sie können die Frage wieder-
holen, und ich kann die Antwort wiederholen . Ich habe
diesen Teil Ihrer Frage beantwortet, indem ich darauf
hingewiesen habe, was der Handlungsrahmen ist und
was das Mandat unserer dort eingesetzten und manda-
tierten Soldatinnen und Soldaten ist . Das Mandat hat der
Deutsche Bundestag vor dem Hintergrund der entspre-
chenden UN-Resolutionen erteilt . Ich sage Ihnen noch
einmal: Dieses Mandat ist von Personalwechseln in Re-
gierungsämtern von an der Operation Inherent Resolve
beteiligten Nationen unabhängig .
Herr Ströbele .
Die zweite Frage bezieht sich auf den ersten Teil . Es
geht darum, dass Gebiete vor ihrer Rückeroberung erst
einmal aus der Luft bombardiert werden, und zwar ohne
alliierte Soldaten vor Ort . Es gibt immer wieder Mel-
dungen, dass bei solchen Luftangriffen – das ist wahr-
scheinlich schwer zu vermeiden – Zivilisten umkommen .
Es soll eine ganze Reihe von Fällen gegeben haben, in
denen dabei Dutzende oder auch Hunderte von Zivilisten
ums Leben gekommen sind .
Interessiert die Bundesregierung gar nicht, ob darun-
ter auch Gebiete sind, die auf der Grundlage der Fotos
und Bilder, die die Bundeswehr gemacht hat, bombar-
diert worden sind? Dann könnte ein Mitverschulden vor-
liegen .
Herr Staatssekretär .Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn
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D
Herr Kollege Ströbele, ich will nur sehr deutlich sa-
gen, was Sinn und Zweck der Aufklärung ist, die wir be-
treiben . Unabhängig davon, was Sie insinuieren mögen,
geht es genau darum, zivile von militärischen Zielen zu
unterscheiden . Das heißt, wir leisten Aufklärungsarbeit
durch die Aufklärungsprodukte, die wir produzieren, die
genau verhindern sollen, dass es zu einer irrtümlichen
Bekämpfung ziviler Ziele kommt . Das, was wir tun,
dient ausschließlich der Bekämpfung des sogenannten
„Islamischen Staats“ . Deswegen wird auch jedes Aufklä-
rungsprodukt, das wir liefern, mit einem entsprechenden
Vermerk „For Counter-Daesh Operation only“ versehen .
Das ist Sinn und Zweck des Einsatzes unserer Soldaten,
und dem dient die Aufklärungsarbeit, die unsere Tor-
nados leisten . Das schließt nicht aus, dass es in Einzel-
fällen auch zur irrtümlichen Bekämpfung ziviler Ziele
kommt .
Wo Menschen handeln, egal, in welchem Zusammen-
hang, machen Menschen auch Fehler . Aber die Arbeit,
die wir leisten, dient genau dem Zweck, diese zu verhin-
dern . Ich verwahre mich auch gegen jede indirekte oder
direkte anderweitige Unterstellung . Wir machen keine
Bilder, um die Bekämpfung von Zivilisten zu erleichtern,
sondern ganz im Gegenteil, um die irrtümliche Bekämp-
fung ziviler Ziele zu verhindern .
Vielen Dank . – Die Fragen 35 und 36 des Kollegen
Omid Nouripour zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung sollen schriftlich beantwor-
tet werden .
Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Gesundheit über . Die Frage 37 der Kol-
legin Sabine Zimmermann wird schriftlich beantwortet .
Damit leite ich zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr und digitale Infrastruktur über .
Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Tabea Rößner und die
Frage 40 des Kollegen Stephan Kühn werden schriftlich
beantwortet .
Damit rufe ich jetzt die Frage 41 des Kollegen Gastel
auf:
Welche rechtlichen Grundlagen müssen nach Kenntnis
der Bundesregierung geändert werden, damit der öffentliche
Personennahverkehr gemäß dem Aktionsplan des Bundes-
ministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander
Dobrindt, in allen deutschen Städten ab 2019 mit einer ein-
zigen elektronischen Chipkarte bzw . einem Handyticket ge-
gierung hierzu bereits vor?
Die Antworten auf die Fragen zu diesem Geschäfts-
bereich wird der Parlamentarische Staatssekretär Norbert
Barthle geben . Deshalb, Herr Staatssekretär, haben Sie
jetzt das Wort .
N
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Sehr geehrter Herr
Kollege Gastel, nach Auffassung der Bundesregierung
sind zur Herstellung eines digital vernetzten öffentlichen
Personennahverkehrs zunächst keine Änderungen von
Bundesgesetzen notwendig . Gleichwohl bedarf es unter
Umständen der Anpassung des rechtlichen Rahmens auf
der Ebene der für den öffentlichen Personennahverkehr
zuständigen Länder und Kommunen, um die Einführung
einer interoperablen Lösung für ganz Deutschland zu be-
schleunigen .
Herr Gastel .
Herr Staatssekretär, ich habe direkt zu Ihrer Antwort
eine Nachfrage und dann sicherlich auch noch eine zwei-
te Nachfrage. Wir haben im Moment im Bereich öffentli-
cher Nahverkehr, bei Bussen und Bahnen, das Problem,
dass da viel Kleinstaaterei betrieben wird, das heißt, Ver-
bundsysteme eigene Apps entwickeln usw ., was dann die
Mobilität über Verbundgrenzen hinweg extrem kompli-
ziert macht . Deswegen halten wir den Vorstoß des Minis-
ters im Grundsatz für einen guten Vorstoß . Wir als Grüne
arbeiten schon länger daran, eine Lösung zu finden, die
Mobilität über die Verbundgrenzen hinweg zu vereinfa-
chen .
Die Frage, die ich jetzt an Sie habe, ist: Damit ein sol-
ches System funktionieren kann, müssen oder sollen ja
alle Verbundsysteme, alle Verkehrsverbünde mitmachen,
ihre Daten einspeisen, aber sich auch darauf einlassen,
dass es eine Verrechnungsstelle gibt, die dann die ent-
sprechende Abrechnung von Fahrkarten ermöglicht . Ist
es auf der derzeitigen Rechtsgrundlage möglich, diese
Verkehrsverbünde sozusagen zu verpflichten, da mitzu-
machen, damit es dann wirklich eine reibungslose Mobi-
litätskette geben kann?
Herr Staatssekretär .
N
Vielen Dank . – Herr Gastel, Sie haben vollkommenrecht: Der Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs,der Kunde sozusagen, interessiert sich nicht dafür, woVerbundgrenzen bestehen, wo Grenzen der Zuständig-keiten bestehen, ob nun Kommunen, Kreise oder derBund zuständig sind, vielmehr ist der Nutzer an einemeinheitlichen Vorgehen interessiert .Damit Hemmnisse – das ist auch unser Interesse – ab-gebaut werden, was die Nutzung des öffentlichen Perso-nenverkehrs anbelangt, entwickeln wir jetzt einheitlicheStandards . Es gibt auch schon gute Anfänge . Der Ver-band Deutscher Verkehrsunternehmen hat uns mitgeteilt,dass es in 239 der insgesamt 402 Kreise und kreisfreienStädte in Deutschland bereits möglich ist, eTicketing mitChipkarte oder Mobiltelefon zu nutzen . Das sind immer-
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hin 60 Prozent oder, sofern man die Bevölkerungszahlzugrunde legt, sogar 72 Prozent . Damit ist sozusagen derGrundstein gelegt, und jetzt kommt es darauf an – dasist das, was Sie richtigerweise beschrieben haben –, dassdie Systeme miteinander vernetzt werden können . Dazubedarf es eines koordinierten Vorgehens; auch das istrichtig .Aus diesem Grund hat die Bundesregierung im ver-gangenen Jahr eine sogenannte Roadmap entwickelt, dienicht nur Visionen und Ziele beschreibt, sondern auchdie Maßnahmen benennt, die es nun umzusetzen gilt . Dawir keine Möglichkeit haben, die Umsetzung der ent-sprechenden Maßnahmen verpflichtend vorzuschreiben,schaffen wir Anreize. Die Bundesregierung hat für diekommenden zwei Jahre 16 Millionen Euro zur Förde-rung von Projekten zur Verfügung gestellt, die der Ver-netzung bereits bestehender Möglichkeiten dienen, unddie Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde aufge-fordert, sich als Leistungserbringer daran zu beteiligen .Die Betreffenden müssen sich aber auch daran beteiligenwollen .
Herr Kollege Gastel, Ihre zweite Zusatzfrage .
Die Deutsche Bahn ist Deutschlands größter Mobili-
tätsdienstleister und zugleich ein Unternehmen des Bun-
d
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mit welchen konkreten Erwartungen ist die
Bundesregierung an den bundeseigenen Konzern Deut-
sche Bahn herangetreten, um das Projekt bundeseinheit-
liches eTicketing voranzubringen?
Herr Staatssekretär .
N
Herr Kollege Gastel, wir haben selbstverständlich
auch in den jüngsten Gesprächen mit der Bahn, in denen
es insbesondere darum ging, die Mobilfunkqualität zu er-
höhen – WLAN für alle –, dieses Thema angesprochen .
DB Regio gehört zu den Institutionen, die ganz konkrete
Förderungen erhalten . Es gibt seit dem 1 . Januar 2017
unser Förderprogramm „eTicketing und digitale Ver-
netzung im Öffentlichen Personenverkehr“. Im Rahmen
dieses Programms fördern wir, wie gesagt, in den kom-
menden zwei Jahren mit insgesamt 45 Förderbescheiden
die verschiedensten Verkehrsverbünde, unter anderem
die DB Regio AG .
Vielen Dank . – Damit rufe ich Frage 42 des Kollegen
Gastel auf:
Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung bezüg-
lich des Verordnungsentwurfs zum Thema Schienenlärm,
den der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle in
der Antwort auf meine mündliche Frage 40, Plenarproto-
Verordnungsentwurf die im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und SPD angekündigten ordnungsrechtlichen Eingriffe
, falls
im Jahr 2016 nicht mindestens die Hälfte aller in Deutschland
verkehrenden Güterwagen „leise“ Bremsen hatte?
Herr Staatssekretär, Sie haben wieder das Wort .
N
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Auf diese Frage gebe
ich folgende Antwort: Derzeit wird ein Regelungsent-
wurf über ordnungsrechtliche Maßnahmen auf stark be-
fahrenen Güterstrecken für den Fall erarbeitet, dass das
angestrebte Ziel verfehlt werden sollte . Der Zeitpunkt
der möglichen Veröffentlichung hängt vom Abschluss
der Evaluierung ab .
Herr Gastel .
Das ist eine überraschend kurze und zu meinem Er-
schrecken unkonkrete Antwort . Angesichts der Tatsache,
dass das Jahr 2016 beendet ist, ist es seltsam, abzuwarten,
ob das Ziel im Jahr 2016 verfehlt wurde, um erst später
mögliche Maßnahmen zu ergreifen, ohne zu wissen, was
man tun wird, wenn das, was man sich vorgenommen
hat, nicht klappt . Aber okay!
Ich habe eine Frage bezüglich des Schienenlärms an
Sie . Nach dem, was wir wissen, wollen Sie nicht das
im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot durchsetzen,
sondern erwägen Maßnahmen, mit denen sich dieselbe
Lärmreduzierung erreichen lässt . Güterzügen, die zu laut
sind, wird nicht die Durchfahrt durch Deutschland verbo-
ten, sondern sie müssen ihre Geschwindigkeit drosseln .
Um 10 dB(A) Lärmreduzierung zu erreichen, muss ein
Güterzug seine Geschwindigkeit auf etwa 20 bis 30 Kilo-
meter pro Stunde reduzieren . Das bedeutet eine massive
Beschränkung der Kapazität des deutschen Schienennet-
zes, das ohnehin an seine Grenzen stößt . Ich möchte ger-
ne von Ihnen wissen, ob Sie diese Maßnahme für geeig-
net halten, um einerseits die Lärmschutzanforderungen
zu erfüllen und andererseits mehr Güter auf die Schiene
zu bringen .
Herr Staatssekretär .
N
Herr Kollege Gastel, wie Sie wissen, hat die DB AGzugesagt, dass die Hälfte der im Netz verkehrenden Gü-terwagen bis Ende 2016 leise unterwegs sein wird . Wirerarbeiten derzeit einen Regelungsentwurf, um festzu-legen, welche Maßnahmen wir ergreifen werden, wenndieses Ziel bis Ende 2016 nicht erreicht worden ist; daswird derzeit evaluiert . Minister Alexander Dobrindt hatbereits im vergangenen Jahr sämtliche EU-Mitgliedstaa-ten angeschrieben und darum gebeten, die Wagenhalterüber die entsprechenden Möglichkeiten zu informierenParl. Staatssekretär Norbert Barthle
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und zur Teilnahme aufzurufen . Wir werden schon in we-nigen Tagen die Wagenhalter nochmals über den Standder Evaluierung der Umrüstung informieren . Aber wiegesagt, der Regelungskatalog wird derzeit noch erarbei-tet . Deshalb kann ich Ihre Frage noch nicht präzise be-antworten .
Vielen Dank . – Herr Gastel, Sie haben das Wort zu
einer zweiten Nachfrage .
Wir reden ja jetzt über das Jahr 2020 und die Ziel-
setzung für dieses Jahr, die da, was den Schienenlärm
angeht, lautet: Halbierung bis zu diesem Zeitpunkt . Das
alles ist auch gut und richtig – abgesehen davon, dass Sie
bei den Maßnahmen nicht konsequent genug sind . Die
Ziele aber sind in Ordnung .
Meine Frage lautet jetzt: In welchem Zusammenhang
beschäftigen Sie sich im Bundesverkehrsministerium mit
der Zeit nach 2020? Denn es ist ja nicht so, dass, wenn
das Ziel der Halbierung der Lärmbelastung erreicht ist,
alles gut ist, sondern wir müssen dann – aus Gesundheits-
gründen, aber auch, um für den Schienengüterverkehr,
von dem wir ja alle mehr haben wollen, in der Gesell-
schaft eine Akzeptanz zu schaffen – weiter an der Redu-
zierung der Lärmbelastung arbeiten . Was tun Sie für die
Zeit nach 2020?
Herr Staatssekretär .
N
Vielen Dank, Herr Kollege Gastel . – Sie haben rich-
tigerweise das Ziel, die aus dem Schienenverkehr resul-
tierende Lärmbelastung im Vergleich zum Jahr 2008 bis
zum Jahr 2020 halbieren zu wollen, beschrieben . Die
Bevölkerung nimmt eine Reduzierung von 10 db(A) als
Halbierung der Lärmbelastung wahr . An diesem Ziel hal-
ten wir nach wie vor fest .
Was die langfristige Überlegung in Bezug auf den
Lärmschutz anbelangt, gehen wir nach einer Drei-Punk-
te-Strategie vor: einerseits fördern, andererseits ertüchti-
gen und zum Dritten regulieren . An Letzterem arbeiten
wir gerade noch . Förderung betreiben wir bereits . Was
Ertüchtigung anbelangt, unterstützen wir derzeit For-
schungsvorhaben, um den Lärm dort zu reduzieren, wo er
entsteht, also direkt am Material . Dabei geht es aber auch
um andere sekundäre Lärmschutzmöglichkeiten . Auch
da gibt es noch weitere Dinge, die wir derzeit erproben .
Wir denken also schon über das Jahr 2020 hinaus, weil
die Reduzierung der Lärmbelastung, insbesondere durch
Güterzüge, ein ganz zentrales Anliegen der Bundesregie-
rung ist .
Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Damit ist die Fragestunde beendet . Ich unterbreche die
Sitzung kurz . Die Aktuelle Stunde beginnt um 15 .35 Uhr .
Dann werden wir unsere Sitzung fortsetzen . Also seien
Sie bitte pünktlich um 15 .35 Uhr wieder hier im Plenum .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, IhrePlätze einzunehmen . Die 211 . Sitzung der 18 . Legisla-turperiode des Deutschen Bundestages wird fortgesetzt .Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU undSPDEntschieden gegen Gefährder vorgehen –Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Si-cherheitDie Debatte eröffnen wird der Bundesminister des In-nern, Dr . Thomas de Maizière . – Herr Minister, Sie habendas Wort .
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Einen Tag nach dem Anschlag habe ich mit ande-ren den Berliner Breitscheidplatz besucht . Es war nichtder erste Ort dieser Art, den ich gesehen und besuchthabe . Wir haben dort Blumen niedergelegt . Ich habe denSchock und die Trauer in den Gesichtern der Menschengesehen . Die Kirchen haben am Abend nach dem Tag desAnschlags einen wunderbaren Gottesdienst abgehalten .Alle diese Eindrücke bleiben bei mir und auch bei vielenvon Ihnen noch Wochen im Kopf und im Herzen .Jeder, den ich dort gesehen habe, hat seine eigeneWeise, Anteil an den schrecklichen Ereignissen zu neh-men . Jeder und jede in unserem Land darf und muss fürsich entscheiden, wie er oder sie mit dem Anschlag um-gehen möchte . Ein Staat wird die Art des Trauerns nichtvorschreiben . Ein Staat hat andere Wege der Anteilnah-me . Er leistet Unterstützung für die Hinterbliebenen, undwenn dort mehr zu tun ist, dann müssen wir mehr tun . Ersetzt Flaggen auf Halbmast . Er vereinbart einen Momentdes Schweigens . Er gedenkt morgen im Bundestag .All das ist wichtig, nicht nur für die Hinterbliebenen,auch für uns, die wir niemanden verloren haben, undauch für eine wehrhafte Demokratie . All das lässt uns ge-meinsam innehalten und zeigt, dass wir in diesen Tagenund Stunden und angesichts dieser Lage einander zuge-hörig sind – als Demokraten, oft im Streit, aber trotzdemin Freiheit miteinander verbunden .
Parl. Staatssekretär Norbert Barthle
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Meine Damen und Herren, all das verlangt – nach ei-ner Phase des Innehaltens – aber auch nach Aufklärungund Konsequenzen . In den letzten Wochen ist viel überden Begriff des Gefährders gesprochen worden. Ein Ge-fährder ist jemand, von dem die Sicherheitsbehörden dieBefürchtung haben, dass er etwas unternehmen wird, dasunser Land bedrohen könnte . Deswegen beobachten sieihn .Auch Anis Amri, der Attentäter vom Breitscheidplatz,gehörte zu dieser Personengruppe . Die Sicherheitsbehör-den hatten ihn im Visier . Sie haben ihn beobachtet . Siehaben Ermittlungsverfahren geführt . Auch die Auslän-derbehörden der Länder haben sich mit ihm beschäftigt .Wir mussten aber feststellen – das ist meine vorläufigeBewertung angesichts des bisherigen Kenntnisstandes –:Alle Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und der Aus-länderbehörden haben nicht vermocht und nicht ausge-reicht, ihn aufzuhalten und den Anschlag zu verhindern .Die Gefährlichkeit von Menschen einzuschätzen, ge-hört zu den schwierigsten Aufgaben der Sicherheitsbe-hörden und der Justiz . Das kennen wir auch aus anderenFällen, etwa der Sicherheitsverwahrung entlassener Se-xualstraftäter . In anderen ähnlichen Terrorgefährdungs-fällen haben die Sicherheitsbehörden auch in jüngsterZeit Anschläge verhindern können . Hier nicht; das istbitter .Ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Maas un-ter Beteiligung der betroffenen Bundesländer, allen voranBerlin und Nordrhein-Westfalen, eine Chronologie desBehördenhandelns vorgelegt . Das bietet jetzt die Grund-lage für weitere Aufklärung – die wir in jeder Weise un-terstützen –, die dieser Deutsche Bundestag unternimmt .Ich beteilige mich nicht an Schuldzuweisungen . Ich kon-zentriere mich auf die erforderlichen Konsequenzen .
Angesichts der Gefährdungslage haben wir keine Zeit zuverlieren; wir haben es heute im Ausschuss diskutiert .Erst volle Aufklärung zu verlangen und dann Maßnah-men und Konsequenzen zu diskutieren, halte ich jeden-falls dann für falsch, wenn wir von den Maßnahmen, diejetzt erforderlich sind, jetzt überzeugt sind . Dann solltenwir sie jetzt ergreifen, gegebenenfalls später andere . Aberwas wir jetzt für richtig halten, sollten wir jetzt umsetzenund nicht abwarten .
Ich habe folgende operative Maßnahmen veranlasst:Die Arbeitsgemeinschaft Statusrechtliche Begleitmaß-nahmen, die sogenannte AG Status, im GemeinsamenTerrorismusabwehrzentrum nimmt in mehreren Sonder-sitzungen – auch heute, während wir hier diskutieren –jeden ihr bekannten Gefährder noch mal unter die Lupeund prüft nochmals, ob Abschiebungen oder ähnlicheMaßnahmen erforderlich sind . Ich habe außerdem dasBundeskriminalamt beauftragt, die Risikobewertung vonGewaltstraftätern zu verbessern und Pläne zur Verein-heitlichung von Gefährderbewertungen voranzutreiben .Wir haben zwar eine – wenn Sie so wollen – sicher-heitsfachliche Definition von Gefährdern und relevantenPersonen in ihrem Umfeld, wir haben auch bundesweiteLeitlinien zum Umgang mit ihnen, aber die Bewertungvon Gefährdern und die taktischen Maßnahmen nimmtimmer noch jedes Bundesland zu sehr für sich alleine vor .Wir brauchen eine bundesweit standardisierte Gefähr-derbewertung . Ich will auch den Erkenntnisaustausch inEuropa weiter beschleunigen . Wir haben dort schon vielbeschlossen . Das muss jetzt beschleunigt werden .Neben diesen operativen Maßnahmen sind aber auchgesetzliche Maßnahmen erforderlich . Ich habe mich mitmeinem Kollegen Maas auf eine Reihe von gesetzgebe-rischen Maßnahmen verständigt . Das ist gut . Wir sinduns jetzt darüber einig, dass es dabei zentral um aufent-haltsrechtliche Maßnahmen gehen muss, darunter eini-ge Maßnahmen, die ich bereits im August vergangenenJahres vorgeschlagen habe und zu denen ich bereits imOktober entsprechende Gesetzentwürfe vorgeschlagenhabe . Ich muss das einmal leider so sagen .Was tun wir jetzt? Wir verschärfen die Möglichkeitender Abschiebehaft für Gefährder . Eine erhebliche Gefahrfür die Sicherheit muss ausreichen für eine Abschiebe-haft . Das gilt nicht nur für Terror, sondern auch für sons-tige schwere Kriminalität .
Gefährder sollen auch dann in U-Haft genommen wer-den, wenn eine Abschiebung absehbar nicht innerhalbvon drei Monaten stattfinden kann. Das werden wir auchumsetzen . Die Möglichkeit zum Ausreisegewahrsamwird von vier auf zehn Tage verlängert . Wir regeln schär-fere Überwachungsmöglichkeiten für ausreisepflich-tige Ausländer, die die öffentliche Sicherheit gefähr-den – dazu gehört auch die Fußfessel . Sehr wichtig ist:Für Asylbewerber und Ausreisepflichtige, die über ihreIdentität täuschen, soll der Aufenthalt auf den Bezirk derjeweiligen Ausländerbehörde beschränkt werden . Dannkann jemand wie Amri jedenfalls nicht folgenlos seinenAufenthalt mal hier und mal dort nehmen und durchsganze Land ziehen .Und: Wir werden bei den Verhandlungen mit den Her-kunftsländern über die Rücknahme eigener Staatsbürgerstärker auch andere Politikfelder mit einbeziehen, insbe-sondere auch die Außen-, die Wirtschafts- und die Ent-wicklungspolitik .
Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe für die ganze Bun-desregierung und jeden Minister .
Meine Damen und Herren, ich habe vor zwei Wochenweitgehende Vorschläge gemacht für einen starken Staatin schwierigen Zeiten . Sie sind auf ein großes Echo gesto-ßen . Ich will sie heute hier nicht wiederholen; wir werdensie heute auch nicht debattieren können – dafür ist nichtder Zeitpunkt, auch nicht der Rahmen . Hier und heutenur so viel: Für die Sicherheit unseres Landes sollten wirnicht nur über Befugnisse reden, sondern auch darüber,wie wir die Aufgaben am besten erledigen können .
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 2017 21163
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Beim Umgang mit Gefährdern im föderalen Staat sindalle gefordert . Ich möchte einheitliche Maßstäbe in Bundund Ländern . Es darf in Deutschland keine Zonen unter-schiedlicher Sicherheit geben .
Ich bin bereit, dass der Bund mehr Verantwortungübernimmt . Es kommt auf die Verwaltungen an und de-ren Zusammenarbeit . Es kommt auf den Gesetzesvollzugan . Es kommt auch auf die Justiz an, wie wir auch im FallAmri sehen .Ich will nicht hinnehmen, dass sich gewaltbereite Is-lamisten in unserem Land frei bewegen können . Ich willeinheitliche Sicherheitsstandards in Bund und Ländern .Ich will, dass Gefährder besser und intensiver beobachtetund schneller aus dem Verkehr gezogen werden können .Ich will, dass ausreisepflichtige Gefährder unser Landverlassen . Und ich werde alles in meiner VerantwortungMögliche tun, damit das auch passiert .
Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung hier im Deut-schen Bundestag und die der Bundesländer, möglichstgeschlossen, vor allem aber entschlossen .
Vielen Dank . – Dr . Dietmar Bartsch von der Fraktion
Die Linke hat als Nächster das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Durch einen feigen Anschlag sind zwölf Menschen ge-tötet worden, viele wurden verletzt . Ihrer Anteilnahme,Herr Minister, dem Anliegen der Unterstützung für dieOpfer, dem Gedenken schließe ich mich ausdrücklich an;das teilen wir . Ich möchte auch für die Fraktion Die Lin-ke den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten desAnschlages in Berlin mein Mitgefühl aussprechen . Ichmöchte, dass wir alle immer auch über die Opfer reden,dass das nicht unter dem Fall Amri subsumiert wird . Undich möchte auch, dass wir trotz dieses Anschlages unsereArt, zu leben, nicht kaputtmachen lassen, dass wir mehrMenschlichkeit, mehr Freiheit fordern und dabei bleibenund dass wir denen keine Siege gönnen, meine Damenund Herren .
Ja, es ist so, dass man nicht alle Fragen sofort beant-worten kann; es hat lange gedauert, bis erste Fragen be-antwortet wurden . Ich will Heiko Maas zitieren, der danngesagt hat:Es kann sich nach dem, was da geschehen ist, undnach dem, was man mittlerweile weiß, niemandhinsetzen und sagen, es sind keine Fehler gemachtworden .Ich will dem ausdrücklich zustimmen; bloß, ich möch-te natürlich auch wissen: Wer hat denn Fehler gemacht,welche Verantwortung gibt es da? Und da gibt es bishersehr, sehr wenige Antworten . Seit Montag liegt Ihrerbeider Bericht – Sie haben darauf hingewiesen – an dasPKGr vor, und trotzdem bleiben viele Fragen . Das Feh-len von Antworten auf diese Fragen – das ist das, was dieMenschen in unserem Land verunsichert, Herr Minister .Wie kann es sein, dass Amri diesen feigen Anschlagdurchführen konnte, obwohl er seit 2015 wöchentlichThema deutscher Behörden war? Wie kann es sein, dasstrotz Information eines V-Manns, dass ein „gewisserAnis“ Anschlagspläne hegt, hier Informationen nichtzusammengeführt worden sind? Woher hatte Amri seitFebruar 2016 die Information, dass die Behörden ihn aufdem Schirm hatten? Wie kann es sein, dass die Observie-rung Amris ab April 2016 nur noch lückenhaft durchge-führt worden ist? Wieso wurde die Beschattung, obwohler Thema im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrumwar, im September eingestellt, und das, meine Damenund Herren, zu einem Zeitpunkt, zu dem der marokka-nische Geheimdienst Informationen hierhergegeben hat,dass er eben ein Gefahrenpotenzial hat? Wie kann denndas sein? Wie kann es zu dieser Einschätzung kommen,dass er nicht gefährlich ist? Dafür gibt es keine Erklä-rung .Kurz danach wurde er übrigens in der Polizeidaten-bank INPOL europaweit als ausländischer Kämpferaufgeführt . Warum? Wie passt das zusammen, meineDamen und Herren? Warum sind alle Verfahren gegenAmri – alle –, wegen Drogen, Betrugs usw ., eingestelltworden, obwohl ihm Dutzende Straftaten vorgeworfenworden sind? Das alles, meine Damen und Herren, stinktgen Himmel . Das ist keine Schuldzuweisung; aber da istetwas nicht in Ordnung .
Ich will einfach wissen: Wer hat was warum irgendwiegedreht? Was ist da in Nordrhein-Westfalen konkret pas-siert? Von dort sehe ich nur einen Fingerzeig in RichtungBerlin . Es ist eine Aneinanderkettung von Fehlurteilender Sicherheitsbehörden . Geschah dies im Übrigen plan-mäßig, weil er vielleicht als Quelle genutzt werden sollte,oder ist es Versagen?Wir haben, wie Sie wissen, einen Untersuchungsaus-schuss gefordert . Interessanterweise hat sich Herr Kauderdem angeschlossen, offensichtlich – es ist ja Ihr Fraktion-schef – weil es offene Fragen gibt; denn einen Untersu-chungsausschuss macht man dann, wenn die Antwortenbisher nicht ausreichen .Meine Damen und Herren, die Voraussetzung für neueGesetze ist natürlich zuallererst Aufklärung . Und bei Ih-nen höre ich nur: Verschärfung, Verschärfung, Verschär-fung . – Ich sage ganz klar: Wir haben ausreichend Mittelund Gesetze, mit denen dieser Anschlag vielleicht hätteverhindert werden können, wenn sie nur vernünftig undkonsequent angewendet worden wären . Sie aber habenmeines Erachtens den Überblick über Ihre eigenen Be-hörden und über die Sicherheitsgesetze längst verloren .Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 201721164
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Über Ihre konkreten Vorschläge können wir alle nochreden, aber bisher wird vor allen Dingen über Verschär-fung geredet, und da haben wir eine ganze Menge durch:Zweimal das Asylrecht verschärft; das Gemeinsame Ter-rorabwehrzentrum ist gegründet worden . Aber die Arbeitscheint dort nicht zu funktionieren .Videoüberwachung . Wir haben auch nichts gegen ver-einzelte Videoüberwachung . Aber: Der Mann ist 14-malgefilmt worden. Festgehalten und zur Strecke gebrachthaben ihn dann zwei Polizisten bei einer normalen Kon-trolle . Deswegen sollten wir mehr über die Stärkung derPolizei nachdenken und nicht über flächendeckende Vi-deoüberwachung; ich hoffe, dass auch Sie das nicht wol-len .
Bevor Sie zu solchen Forderungen kommen, wollenwir, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen, und dabeigeht es nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, zu-künftig entsprechende Fehler zu verhindern . Das ist dochder entscheidende Punkt .
Zwei Dinge zum Abschluss . Wir sollten dafür sorgen,dass die Moscheen, die von Saudi-Arabien finanziertwerden – wo Herr Amri offensichtlich vorher war –, zu-gemacht werden, damit hier nicht in irgendeiner Art undWeise Terrorismus gefördert wird .Und zum Satz: Wir müssen die Fluchtursachen be-kämpfen . – Wir sollten darüber nachdenken, wie wirdem Terrorismus real den Boden entziehen können . Wirsollten keine Interventionskriege führen, keine Waffenexportieren und Ähnliches . Dann ergreifen wir die rich-tigen Maßnahmen, damit dem Terrorismus der Bodenentzogen wird .Herzlichen Dank .
Als nächster Redner hat der Bundesminister der Jus-tiz, Heiko Maas, das Wort .
Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-braucherschutz:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Der Mörder vom 19 . Dezember hat unsagba-res Leid über viele Familien gebracht, nicht nur bei unsin Deutschland – auch in Polen, in Italien und in Israel .Dass eine israelische Staatsbürgerin, eine Jüdin, einemislamistischen Terroranschlag gerade hier in Berlin zumOpfer fällt, ist wirklich nur schwer zu ertragen .Das Leid derer, die einen geliebten Menschen verlo-ren haben oder deren Angehörige in den Krankenhäusernnoch immer um ihr Leben kämpfen, kann von uns wahr-scheinlich niemand ermessen . Deshalb kann man demDeutschen Bundestag und seinem Präsidenten nur dafürdanken, dass morgen in diesem Hohen Haus der Opferund Verletzten vom Breitscheidplatz gedacht wird . Dasist richtig und angemessen .Aber mich hat noch etwas beeindruckt, nämlich dieReaktion der Berlinerinnen und Berliner .
Die Menschen in dieser Stadt haben ihr Leben weiterge-lebt . Nach dem 19 . Dezember hatte die Angst in dieserStadt keinen Platz . Und das ist nicht etwa pietätlos, son-dern das ist ein Zeichen, und zwar ein starkes Zeichendafür, dass die Angst nicht siegen wird und die Terro-risten ihr Ziel nicht erreichen werden . Wir werden unserLeben in einer freien Gesellschaft so fortsetzen, wie wires für richtig halten, weil wir an die Werte, die diese Ge-sellschaft prägen, nach dem 19 . Dezember genauso glau-ben wie zuvor .
Meine Damen und Herren, unsere Behörden habenseit dem Verbrechen alles getan, wie ich finde, um denBetroffenen schnell und unkompliziert zu helfen – undwir werden das auch weiter tun – und um die Tat aufzu-klären . Wir sind das den Opfern und ihren Angehörigenschuldig, aber nicht nur ihnen . Wir sind es allen Bürge-rinnen und Bürgern schuldig, alles dafür zu tun, dass sichein Fall Amri in Deutschland in dieser Form nicht wie-derholen kann .
Die beste Antwort auf die Taten und den Hass der Ter-roristen ist der wehrhafte Rechtsstaat . Wir werden unsererechtsstaatlichen Prinzipien nicht preisgeben, aber zumRechtsstaat gehört auch der Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit, und der besagt: Je größer eine Gefahr, destoentschlossener darf, ja muss der Staat seine Bürgerinnenund Bürger schützen .Deshalb haben sich Herr de Maizière und ich in Ab-stimmung mit vielen anderen zusammengesetzt und da-rüber beraten: Was muss zum jetzigen Zeitpunkt schonauf gesetzgeberischer Ebene geändert werden, um dieseErwartung auch zu erfüllen? Dabei darf es keine Auto-matismen geben, dass wir immer, wenn etwas geschieht,sogleich unsere Gesetze ändern wollen .
Erst müssen wir überprüfen, ob die Gesetze, die wir ha-ben, auch so vollzogen worden sind, wie wir uns das vor-stellen .
Das tun wir . All diesen Fragen stellen wir uns . All die-se Fragen werden wir auch beantworten . Das haben wirDr. Dietmar Bartsch
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heute sehr ausführlich im Innen- wie auch im Rechtsaus-schuss getan .
Es kann aber auch keinen Automatismus geben, dassman Gesetze nicht ändern darf .
Dem haben wir mit viel Augenmaß, aber auch mit derVerantwortung, die uns in dieser Situation zuteilwird,versucht gerecht zu werden . Wir haben insbesondere anzwei Stellen gesetzliche Veränderungen vorgeschlagen .Einmal geht es um die Frage, die wir auch den Bürge-rinnen und Bürgern beantworten müssen: Wieso konnteso etwas geschehen, obwohl derjenige schon zwei Tagein Haft gewesen ist? Tatsächlich setzt unser Recht fürdie Anordnung der Abschiebehaft, die bis zu 18 Monatemöglich ist, voraus, dass die Abschiebung bei einer Ent-scheidung des Haftrichters innerhalb der nächsten dreiMonate durchgeführt werden kann .
Wenn das nicht der Fall ist, dann wird die Abschiebe-haft auch nicht angeordnet . In dem Fall, um den es heutegeht, ist es genauso gewesen .
Deshalb wollen wir diese Voraussetzung im Gesetzstreichen . Dann kann sich zumindest an dieser Stellenicht wiederholen, was bei uns geschehen ist .
Ich sage Ihnen auch: Ja, wir müssen überlegen – Herrde Maizière hat das zu Recht angesprochen –, wie wirmit den Herkunftsstaaten, aus denen Gefährder kommen,die bei uns kein Aufenthaltsrecht haben, umgehen . Ichbin dafür, das mit allen sehr kooperativ zu besprechen .Aber ich mache mir auch keine Illusionen, unter wel-chem Druck diese Länder innenpolitisch stehen, wennich mir anschaue, dass die Menschen in Tunesien oder inMali auf die Straßen gehen und von ihren Regierungenerwarten, dass sie Terroristen nicht zurücknehmen .Wir müssen dort kooperativ auftreten, aber vielleichtauch etwas deutlicher, auf jeden Fall nicht als Bittsteller .Denn bei der Frage, ob die Herkunftsstaaten ihre Staats-bürger, die bei uns kein Aufenthaltsrecht haben, wiederzurücknehmen, geht es ganz einfach um die Durchset-zung von Völkerrecht . Deshalb werden wir diese Gesprä-che und Verhandlungen, die ja schon stattfinden, auch inZukunft mit aller Deutlichkeit führen und dafür sorgenmüssen, dass nichts anderes als Völkerrecht durchgesetztwird .
Die Bevölkerung muss die Gewissheit haben, dassKriminelle und gefährliche Extremisten, wenn sie zu unsgekommen sind und sich als Flüchtling getarnt haben,bestraft und abgeschoben werden . Nur so können wir diegroße Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland er-halten, die sie denjenigen gegenüber zeigen, die aus Notzu uns kommen, nicht mit Hass, sondern mit einem rei-nen Gewissen und einem reinen Herzen, die nichts ande-res wollen als Hilfe . Auch das steht auf dem Spiel . Auchdeshalb müssen wir handeln .
Es gibt niemanden, der davon ausgeht, dass wir dasalleine mit repressiven Mitteln leisten können . Es reichtnicht aus, Gefährder zu überwachen oder Täter zu bestra-fen . Aber das muss schon geschehen . Wir brauchen auchalle Anstrengungen bei der Prävention, weil wir verhin-dern müssen, dass sich Menschen, die hierhergekommensind, oder auch diejenigen, die von hier stammen – dennnicht alle Gefährder haben einen anderen Pass –, in un-serem Land radikalisieren und in den radikalen Islamis-mus abgleiten . Deshalb wollen wir neben den Mitteln, zudenen wir uns jetzt schon verabredet haben, auch mehrfür die Prävention tun . Und ja, wir wollen noch engerzusammenarbeiten mit rechtstreuen Moscheegemeindenund Migrantenverbänden . Sie müssen so etwas wie Inte-grationslotsen oder Kulturdolmetscher sein . Aber bei denMoscheegemeinden, in denen Radikalisierung stattfin-det, und zwar unabhängig davon, ob gezielt und bewusstoder auch nur geduldet, müssen wir die Möglichkeitenunseres Rechts ausschöpfen, und wir müssen keine Ge-setze ändern, um solche Moscheen im Zweifelsfall zuschließen
Meine Damen und Herren, schon einmal wurde unserLand vom Terror schwer erschüttert, vor 40 Jahren, durchdie Morde der RAF . Damals sagte der damalige Bundes-kanzler, Helmut Schmidt, etwas, was heute immer nochzutrifft. Er sagte:Die Mörder wollen ein Gefühl der Ohnmacht er-zeugen . Sie wollen die Organe des Grundgesetzesverleiten, sich von freiheitlichen und rechtsstaatli-chen Grundsätzen abzukehren. Sie hoffen, daß ihreGewalt eine bloß emotional gesteuerte, undifferen-zierte, unkontrollierte Gegengewalt hervorbringe . . .Diese Erwartungen werden sich nicht erfüllen . DerRechtsstaat bleibt unverwundbar, solange er in unslebt .Dem ist nichts hinzuzufügen .
Der Kollege Dr . Konstantin von Notz spricht alsNächster für Bündnis 90/Die Grünen .Bundesminister Heiko Maas
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mei-ne lieben Kolleginnen und Kollegen! Unsere Solidaritätund unser tiefes Mitgefühl gelten all den Verletzten undden Angehörigen der Opfer dieses entsetzlichen An-schlags am Breitscheidplatz . Aber gerade weil das so ist,können wir hier heute nicht nur über einen Zehn-Punkte-Plan, über Maßnahmen und Ankündigungen reden, son-dern wir müssen auch gucken, was im Zentrum steht . Da-rum, Herr de Maizière, muss ich zu Ihrer Haltung heuteim Innenausschuss – Schwamm drüber; Fehler haben nurdie anderen gemacht; jetzt heißt es, nach vorne zu schau-en; nach hinten schaut irgendeine Taskforce im Gehei-men – sagen: So geht es leider nicht, Herr de Maizière .
Sie laufen los, Herr Lischka, ohne zu wissen, wohin . Wirbrauchen jetzt aber rückhaltlose Aufklärung über alleHintergründe, Versäumnisse und Fehler, die gemachtworden sind .
Statt Defizite zu analysieren, fangen Sie schon jetzt an,zu operieren – ohne ordentliche Diagnose . Ich sage Ih-nen: Dieses Vorgehen kann selbst zu einem Sicherheits-problem werden .Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir Grüne sindimmer bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wo mannachjustieren kann, wo es Sicherheits- und Gesetzeslü-cken gibt . Wir waren in den letzten Monaten immer wie-der diejenigen, die Sie auf diese Sicherheitslücken hinge-wiesen haben, die bis heute bestehen .
– Dazu komme ich gleich . Alles gut . – Wenn es darumgeht, das Maß an Sicherheit zu erhöhen, sind wir immerdabei, wenn man rechtsstaatlich und effektiv agiert.
– Herr Kauder, Ihre Nervosität kann ich gut verstehen . –Eines aber können Sie hier nicht abschütteln: Sie tragenseit zwölf Jahren die Verantwortung für die Sicherheit indiesem Land .
Deswegen fallen die Diskussionen über all die Dinge, diewir nicht haben, direkt auf Sie zurück; denn Sie habendie Mehrheit in diesem Hause .
Ausgerechnet aus Ihren Reihen werden immer Gesetzes-verschärfungen gefordert . Wofür regieren Sie denn seitzwölf Jahren, wenn Sie all diese Dinge nicht umsetzenkönnen?
Sie können sich der Verantwortung durch Zehn-Punk-te-Pläne, durch Ablenkungsmanöver, durch Taskforcesoder das Verfassen von Gastbeiträgen nicht entziehen . Sogeht das nicht .
Wir erleben seit nunmehr vier Wochen ein Verbreitenvon Nebel und Unklarheiten .
Dieses Vorgehen ist angesichts des schwersten islamis-tischen Anschlages in Deutschland völlig inakzeptabel,Herr Lischka . Sie haben direkt nach dem Anschlag um-gehende und umfassende Aufklärung zugesagt . Sie ist bisheute nicht erfolgt . Wenn Sie das nicht glauben, lesen Siedie Zeitung .
Dabei werden Ihnen viele Fragen in den Sinn kommen .Ich nenne Ihnen gleich welche .Eine von uns geforderte Sondersitzung Anfang diesesJahres wurde abgelehnt. Die offenbar seit längerem vor-liegende Chronologie der Ereignisse und Vorkommnisseist voller Ungereimtheiten und Lücken . Sie wurde denAbgeordneten auf Nachfrage erst verweigert . Dann hatirgendjemand die Verschlusssache an die Medien durch-gestochen . Wir bekommen sie jetzt erst in veränderterund sozusagen täglich neu aufgesetzter Form . So kannman nicht mit dem Parlament umgehen .
Die Beantwortung unserer Kleinen Anfrage wollten Siein den Februar verschieben . Das alles zeigt: Eile scheinenSie nicht zu haben .Jeden Tag werden neue skandalöse Details bekannt .Man kann den Eindruck nicht loswerden: Hier wird be-wusst ausgebremst . – Das dürfen wir nicht zulassen . Dassind wir den Opferfamilien, der deutschen Öffentlichkeitund diesem Hohen Haus, das zu Recht Aufklärung vonIhnen verlangt, schuldig .
Ich nenne Ihnen einmal ein paar Fragen: Wurde Amrivom Bundesamt für Verfassungsschutz oder anderen Be-hörden bis zum Anschlag oder eventuell sogar darüberhinaus überwacht und, wenn ja, wann genau und mit wel-chen Maßnahmen, Mitteln und Erkenntnissen? Habendie Bundesbehörden, egal welche, Maßnahmen sondiertoder getroffen, um Amri selbst oder Personen aus seinemUmfeld als Vertrauenspersonen, Quellen oder Informan-ten zu führen? Hat Amri oder sein Umfeld von Sicher-heitsbehörden des Bundes jemals Geld, Sachleistungen
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oder sonst irgendwelche direkten oder indirekten Hilfenerhalten?
Wer hat wie genau auf die Hinweise des marokkanischenPartnerdienstes wenige Wochen vor dem Anschlag re-agiert? Warum wurde trotz all der bekannten StraftatenAmris kein Strafverfahren durchgezogen?
Warum wollte man Amri zwar nach Tunesien abschie-ben, hat dann aber, als er nach Tunesien ausreisen wollte,diese Ausreise verhindert? Woher hatte Amri bitte schöndie Schusswaffe, und warum ist diese Beschaffung nie-mandem aufgefallen? – Das sind nur einige der Fragen,die bis heute völlig ungeklärt sind . Ihre Beantwortungist essenziell, Herr Minister, um die offenen Defizite, diehier zutage treten, effektiv zu bekämpfen und für mehrSicherheit in diesem Land zu sorgen .
Wir brauchen – das mahnen wir seit Jahren an – eineinheitliches Vorgehen und einen zuverlässigen Infor-mationsaustausch über Gefährder in Deutschland und inEuropa . Wir brauchen eine verbesserte Bund-Länder-Ko-ordination .
Wir brauchen eine Umsetzung – Achtung, Herr Mayer,jetzt wird es für die CSU interessant –
der EU-Waffenrechtsrichtlinie,
vor allen Dingen im Hinblick auf Deko- und Salutwaffen.Das ist eine der Lehren aus dem Anschlag von Paris . IhrInnenminister Herrmann in Bayern erklärt, dass er einGegner der Umsetzung dieser Richtlinie ist . Er blockiertdie Sicherheit in diesem Bereich . Bekennen Sie sich ein-mal dazu!
Wir brauchen eine gut ausgestattete Polizei . Sie habendie Polizei jahrelang kaputtgespart .
Sie kann heute gar nicht so schnell wieder auf die Beinekommen, wie man sich das wünschen würde .
Herr Kollege von Notz, Sie denken an die vereinbarte
Redezeit?
Wir brauchen endlich mehr Prävention . Beenden Sie
die Salamitaktik! – Herr Präsident, ich danke Ihnen ganz
herzlich .
Vielen Dank .
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr . Stephan
Harbarth .
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Damen und Herren! Der Anschlag auf denBerliner Weihnachtsmarkt war einer der schwersten An-schläge in der Geschichte unseres Landes . Wir alle sindnoch sehr ergriffen und fühlen mit den Opfern und ihrenAngehörigen . Es war ein Blutbad, wie es diese Republikseit fast vier Jahrzehnten nicht erlebt hat . Nach dem, wasgeschehen ist, kann man nicht einfach zur Tagesordnungübergehen . Man kann nicht sagen, dass keine Fehler ge-macht worden sind und dass keine Schwachstellen in un-serer Sicherheitsarchitektur bestehen .
Deshalb – Herr Kollege von Notz, es zieht einem schondie Schuhe aus, wenn man sich hier Ihre Ausführungenanhört – hat unser Fraktionsvorsitzender die Bereitschaftder CDU/CSU erklärt, in diesem Haus einen Untersu-chungsausschuss einzusetzen .
Sie haben sich das nicht zu eigen gemacht, weil Ihre bis-herigen Untersuchungsausschüsse Rohrkrepierer warenund Sie an dieses Instrument nicht heranwollen .
Aber heute zu sagen, die Union stehe für eineSchwamm-drüber-Politik, ist verdreherisch und falsch .
Wir haben in dieser Legislaturperiode viele Gesetzebeschlossen .
Dr. Konstantin von Notz
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 201721168
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Jedes einzelne Gesetz haben Sie im Deutschen Bundes-tag abgelehnt, sobald es um die Verbesserung der innerenSicherheit ging .
Wir haben im Deutschen Bundestag, glaube ich, ein ho-hes Maß an Einigkeit, dass wir die Herausforderungen,die vor uns liegen, jedenfalls ohne mehr Polizei und ohnebessere Ausrüstung nicht bestehen können; sogar dieLinkspartei hat dies heute in der Rede anklingen lassen .Aber ich will Ihnen sagen: Allein damit ist es nicht ge-tan . Es geht auch um eine gewisse Haltung gegenüberder Polizei .
Was meine ich? Die Debatte über den Kölner Polizeiein-satz in der Silvesternacht hat gezeigt: Wenn die Polizei inDeutschland in einen schweren Einsatz geht, dann gibtes viele Unsicherheiten, was an diesem Abend, in dieserNacht auf sie zukommen mag . Aber es gibt eine Kon-stante . Es gibt eine Sicherheit, auf die sich die Polizei inDeutschland verlassen kann, nämlich die, dass die Ers-ten, die ihr öffentlich in den Rücken fallen und mit demFinger auf sie zeigen, Teile der Grünen sind . Lösen Sieendlich dieses Problem!
Nicht die Taktik der Polizei hätte im Mittelpunkt derDebatte stehen sollen, sondern die Frage, warum wir inDeutschland eigentlich an dem Punkt sind, dass wir Sil-vesterfeiern inzwischen mit einem Großaufgebot an Po-lizei sichern müssen . Wir in der Union wissen, was diePolizei für die Menschen in diesem Land leistet . Deshalbgebührt der Polizei nicht Misstrauen, sondern unsere Un-terstützung .
Die Maßnahmen, die wir ergreifen werden, sind janachgezeichnet worden . Der Bundesinnenminister hatmanches von dem schon vor Monaten vorgeschlagen . Erhat beispielsweise einen Gesetzentwurf zur verbessertenDurchsetzung der Ausreisepflicht auf den Tisch gelegt.Dieser Gesetzentwurf ist leider auch von unserem Koali-tionspartner zum damaligen Zeitpunkt in den Papierkorbgeworfen worden .
Wenn es etwas gegeben hätte, das in den Papierkorbgehört hätte, dann waren es nicht die Vorschläge vonThomas de Maizière, sondern der Berliner Koalitionsver-trag, in dem Rot-Rot-Grün erklärt hat, dass man grund-sätzlich gegen Abschiebehaft und Abschiebegewahrsamist
und sich für deren Abschaffung einsetzt, meine Damenund Herren .
Man kann ja zu einer unterschiedlichen Bewertung kom-men, wenn es darum geht, welche die größten Risiken fürdieses Land sind . Ich sage Ihnen: Das größte Sicherheits-risiko in Deutschland ist die rot-rot-grüne Landesregie-rung hier in Berlin .
Wenn Herr Bartsch heute ankündigt, man müsse imHinblick auf die Moscheen einschreiten, sage ich Ihnen:Da haben Sie ja recht . Das ist aber nicht Aufgabe desBundesinnenministers, sondern Aufgabe Ihres Senats .Ich schlage Ihnen vor: Wenn Ihr Senat, der nach sechsWochen den Eindruck vermittelt, als liege er schon aufder Intensivstation, hier etwas gemacht hat, dann berich-ten Sie dies diesem Haus in einigen Wochen .
Meine Damen und Herren, dieses Land hatte vor vierJahrzehnten eine schwere Phase zu durchleben, ange-griffen von der Roten-Armee-Fraktion, konfrontiert mitgroßen Herausforderungen . Dieses Land hat diese He-rausforderungen damals gemeistert . Wir als Union sindbereit, dies auch jetzt zu tun . Ich habe die große Bitte anuns alle, dass wir die Geschehnisse zum Anlass nehmen,mit der Polizei und über die Polizei in Deutschland künf-tig in einer anderen Tonlage zu sprechen, als wir es in denvergangenen Wochen erleben mussten .Vielen Dank .
Nächster Redner ist der Kollege Frank Tempel, Frak-tion Die Linke .
Dr. Stephan Harbarth
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 2017 21169
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Danke schön . – Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Herr Harbarth, es ist etwas peinlich, wennman in den Kalender schaut und weiß, dass zum Zeit-punkt der Tat die rechtliche Zuständigkeit sowohl im In-nen- als auch im Justizbereich in Berlin bei der CDU lag .
Die Regierungsverantwortung hatte gerade erst gewech-selt . Das sollte zumindest hier im Bundestag bekanntsein .Ein Terroranschlag mit Toten und Verletzten löstAngst aus . Wenn der Täter vorher monatelang im Fokusstaatlicher Behörden stand und der Anschlag trotzdemnicht verhindert wurde, sorgt das zusätzlich für Besorg-nis und Misstrauen . Das wird durch Streit nicht geradebeseitigt . War dieser Anschlag nicht doch zu verhindern?Kann das Risiko eines erneuten Anschlags für die Zu-kunft zumindest verringert werden? Mit diesen Fragensollten wir uns auseinandersetzen, statt Schuldzuweisun-gen zu betreiben .
Die erste Frage ist ein Blick zurück, der uns bei der Be-antwortung der zweiten Frage helfen sollte .Bei beiden Fragen werden wir mit dem Phänomendes Gefährders konfrontiert, also einer Person, bei derbestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass siepolitisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeu-tung begehen wird . Darum geht es . Es geht noch nichtum Strafmaßnahmen, sondern um die Abwehr einerkonkreten Gefahr . Wir müssen also wissen: In welchenBereichen – Islamismus, Rechtsextremismus – habenwir wie viele Gefährder? Wer ist für diese Gefährdereigentlich zuständig: Verfassungsschutz oder Polizei?Wann und wie wird ein Mensch zum Gefährder? Was istda passiert, und kann man dagegen etwas tun? Welchegesetzlichen Grundlagen greifen hier eigentlich? – DieseFragen müssen wir uns stellen .Liebe Kollegen von der Union, mit Blick auf die De-batte fällt mir auf, dass Sie sich diese Fragen gar nichtstellen . Aber Sie geben Antworten, und viele beschäfti-gen sich – das haben wir eben auch bei Herrn Harbarthgehört – intensiv mit den Fragen der Asylpolitik . Asylpo-litik und Sicherheitspolitik müssen aber getrennt vonei-nander diskutiert werden .
Warum? Gefährder, meine Damen und Herren, gibt esnicht nur im Islamismus . Der Bundestag beschäftigt sichnoch heute mit dem rechtsextremen NSU-Terrortrio .Auch der NSU-Untersuchungsausschuss ist kein Rohr-krepierer . Sie können darauf nicht mit Abschiebehaft re-agieren . Die meisten Rechtsterroristen können Sie nichtabschieben; sie sind Deutsche . Diese verlieren Sie in derjetzigen Debatte wieder einmal aus dem Blick . Es kannsein, dass irgendwann wieder ein NSU existiert und dasses wieder Tote gibt .Aber wir können bei der heutigen Debatte erst einmalbei Gefährdern mit islamistischem Hintergrund bleiben .Auch dabei handelt es sich nicht nur um Flüchtlinge .Viele von ihnen sind in Deutschland aufgewachsen undhaben einen deutschen Pass . Der Ansatz, beim Phäno-men der Gefährder über Abschiebung und Abschiebehaftzu reden, ist gefährlicher Unsinn; denn Sie beschäftigensich tatsächlich nur mit einem Teil der Gefährder .Wir müssen beim Thema „Sicherheit“, beim Thema„Gefährder“ über eine Gefahrenabwehr reden, die alleGefährder unabhängig von ihrer Herkunft betrifft. Fürdie Gefahrenabwehr, meine Damen und Herren, ist lautGesetz die Polizei zuständig . Diese Aufgabenzuweisungfinden wir in jedem Polizeiaufgabengesetz. Da ist sogarklar geregelt, dass Gefahrenabwehr vor Strafverfolgunggeht . Die Priorität der Geheimdienste dagegen ist die In-formationsbeschaffung und nicht die Gefahrenabwehr.Um Quellen zu schützen, werden allzu oft wichtige In-formationen nicht an Polizei und Justiz weitergegeben;auch das wissen wir durch Untersuchungsausschüsse .In der Doppelzuständigkeit bei der Terrorbekämpfungzwischen Polizei und Geheimdiensten entstehen immerwieder Informations- und Zeitverluste sowie Blockaden .Auch das, Herr Harbarth, wissen wir durch Untersu-chungsausschüsse . Das ist eine strukturelle Fehlerquelle .Die Zuständigkeit für Gefährder, für die Terrorabwehrgehört in eine Hand, in die der Polizei – und das in einemföderalen Verbund .
Das ist übrigens ein konkreter Vorschlag, Herr Minister,von den Linken .Die Problemlagen in München und Dresden könnennun einmal völlig unterschiedlich sein . Die Länder kön-nen sich darauf mit entsprechenden Schwerpunktlageneinstellen und können so darauf reagieren . Dem Bundkommt hier lediglich eine Koordinierungs- und Kom-munikationsfunktion zu . Das muss natürlich gut geregeltsein, also besser als bisher . Ich halte es für ein Sicher-heitsrisiko, Herr Minister, flexibles Agieren der Exekuti-ve durch die Aufgabe föderaler Strukturen einzuschrän-ken .Auf eine weitere Frage sollten wir achten: Was ist pas-siert, wenn ein Mensch zum Gefährder wurde? Wir wis-sen mittlerweile, dass sich viele dieser Menschen erst beiuns radikalisiert haben . Warum? Auch Amri hat sich erstin Europa radikalisiert, in einem italienischen Gefängnis .Das gehört zur ehrlichen Analyse dazu, wenn man Pro-bleme lösen will .
Zivilgesellschaftliche Organisationen, die genau da an-setzen, also bei der Familie, beim sozialen Umfeld undauch im Gefängnis, haben bei uns minimale Ressourcen .Wenn ein solcher Verein – zumindest gibt es solche Orga-nisationen bei uns – mit nur zweieinhalb Personalstellen235 Betreuungsfälle hat, aber mit Bürokratie überhäuft
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wird, sind die Prioritäten in Deutschland falsch gesetzt .Die SPD hat das in ihrem Papier zumindest angespro-chen; das haben wir registriert . Darüber würden wir ger-ne mit Ihnen debattieren .
Stattdessen diskutieren Sie lieber über Fußfesseln,flächendeckende Videoüberwachung mit Gesichtserken-nung und die Überwachung 14-Jähriger durch den Ge-heimdienst; auch solche Vorschläge gibt es aus der Uni-on . Wenn einer wie Amri untertauchen will, dann machter die Fußfessel einfach ab . Er ist dann weg, und wir ha-ben dann maximal einen Haftbefehl mehr – mehr aberauch nicht . Das alles sind also Maßnahmen, die völligüberschätzt werden, wenn es um mehr Sicherheit geht,und in der Diskussion keinen Platz haben . Herr Minister,die Linke ist zu einer Debatte über eine bessere Gefah-renabwehr bereit, aber nicht zu einer Debatte über alte,unnütze Hüte .Danke schön .
Die Kollegin Dr . Eva Högl spricht als Nächste für die
SPD .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am19 . Dezember 2016 ist der internationale Terror ganz nahan uns herangerückt . Schon die Anschläge in Paris, inIstanbul und in Brüssel fanden in unserer Nähe und anOrten statt, die wir alle kennen und wo wir uns oft auf-halten . Aber mitten in Berlin, auf dem Weihnachtsmarktam Breitscheidplatz, das war ganz nah . Und das sage ichnicht nur als Berlinerin .Unmittelbar nach dem Anschlag, als wir alle nochschockiert waren – wir sind es ja bis heute – und getrauerthaben, erreichten uns die ersten markigen Sprüche . Ab-surder konnten die Forderungen nicht sein . Viele wusstendirekt, was zu tun ist und woran es gelegen hat . Ich sagees hier ganz deutlich: Wir dürfen nicht zulassen, dass Po-pulisten und Scharfmacher an den Rändern unserer De-mokratie versuchen, diesen Anschlag vom 19 . Dezember2016 zu instrumentalisieren, um die rechtsstaatlichen Er-rungenschaften und unsere grundgesetzlich verankertendemokratischen Werte infrage zu stellen .
Ich finde es auch falsch und gefährlich, wenn den Bür-gerinnen und Bürgern ständig und nach jedem Anschlagoder Amoklauf – nach jedem noch so schrecklichen Er-eignis – signalisiert wird, unsere Sicherheitsgesetze seienunzureichend . Das stimmt nämlich nicht .
Zu den Fehlern kommen wir natürlich noch; aber ichmöchte heute auch sehr deutlich sagen: Bei aller Kritikim Detail – das werden wir sorgfältig analysieren – leis-ten unsere Behörden in den Bundesländern und im Bundeine ganz hervorragende Arbeit . Das gehört bei einer sol-chen Debatte heute auch in die Diskussion .
Herr Harbarth, genau in diesem Duktus wollte ich heu-te hier sprechen. Ich will Ihnen offen sagen, dass es mirschwerfällt, das so deutlich zu artikulieren; aber das, wasSie hier eben vorgetragen haben, war wirklich niveaulos .
Das gehört nicht in eine so wichtige Debatte . Herr deMaizière hat zu Recht gesagt: Schuldzuweisungen sindhier fehl am Platz .
Herr Harbarth, ich muss darauf reagieren und will einmaldaran erinnern, wer hier in Berlin fünf Jahre lang Verant-wortung für den Innen- und den Justizbereich getragenhat . Beide Ressorts wurden hier in Berlin fünf Jahre langvon der CDU verantwortet .
Wenn Sie sich die Chronologie angucken, die wir heutein einer aktualisierten Fassung auf den Tisch bekommenhaben, dann sehen Sie, dass es dort um Berlin geht: umdas Landeskriminalamt Berlin und um die Generalstaats-anwaltschaft Berlin . Ein Staatsanwalt in Berlin hat am21 . September 2016 die Maßnahmen eingestellt . – Ichwill so eigentlich nicht diskutieren;
ich lasse es dabei auch bewenden . Aber die Debatte inder Form zu führen, wie Sie es getan haben, führt nichtzu einem Ergebnis .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fall Amri istdeshalb so tragisch, weil die Behörden wohl selten soviel über einen Gefährder wussten, wie sie über Amrigewusst haben . Deswegen muss natürlich schonungslosanalysiert werden, wo, an welcher Stelle, Fehler gemachtworden sind . Das alles müssen wir schonungslos aufklä-ren . Für die SPD-Bundestagsfraktion sage ich: Wir wer-den uns mit jedem geeigneten Instrument an der Aufklä-Frank Tempel
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rung beteiligen. Das betrifft den Bund, die Bundesländerund alle Behörden .
Wir müssen ehrlicherweise sagen: Der Fall Amrizeigt, dass bereits bestehende Gesetze viel besser hättenangewandt werden müssen;
denn wir haben ein Instrumentarium in diesem Land . Wirhaben scharfe Gesetze . Viele haben wir in dieser Legisla-turperiode noch verschärft . Diese Gesetze hätten im FallAmri angewandt werden müssen . Dafür hätte es an dereinen oder anderen Stelle die Möglichkeit gegeben .
Aber auch wir als Gesetzgeber sind gefragt . DieSPD-Bundestagsfraktion unterstützt ganz ausdrück-lich, was Bundesminister Maas und Bundesminister deMaizière vereinbart haben und uns vorlegen werden .Wir werden das im parlamentarischen Verfahren beraten;denn wenn wir schon jetzt feststellen, dass wir Optimie-rungsbedarf haben – der Fall Amri gibt genügend Anlass,zu sagen: wir haben Optimierungsbedarf im Bereich derGefährder, bei der Zusammenarbeit der Behörden, imBereich Europa und auch im ausländerrechtlichen Be-reich –,
dann sind wir als Gesetzgeber hier und jetzt gefordert,Maßnahmen auf den Weg zu bringen .
Als letztes Stichwort dürfen wir die Prävention nichtvergessen . Auch da müssen wir noch eine Schippe drauf-legen . Wir müssen die 100 Millionen Euro, die wir zurVerfügung gestellt haben, gut einsetzen, damit wir einesolche Radikalisierung schon im Ansatz verhindern .Eine allerletzte, gute Nachricht – das ist ein Auftragan uns als Gesetzgeber –: Die letzte Umfrage hat gezeigt,dass sich rund 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürgersicher fühlen .
Das können gerne noch ein paar mehr werden; aber beidieser Zahl soll es auf jeden Fall bleiben . Daran arbeitenwir gemeinsam sehr konzentriert .Herzlichen Dank .
Nächster Redner ist der Kollege Hans-ChristianStröbele, Bündnis 90/Die Grünen .
Danke, Herr Präsident . – Richtig ist, dass die Opfervon uns Solidarität erwarten, und diese bekommen sie,glaube ich, von uns allen . Was sie aber auch erwarten inder schrecklichen Situation, in der sich heute noch vielebefinden, ist jede Art von Hilfe und Unterstützung. Diesemüssen wir ihnen zusichern .
Was uns hier alle mit den Opfern eint – da nehme ich ersteinmal gar keinen aus, auch die Minister nicht –, sind dieFragen: Wie konnte das mitten in Deutschland, mitten inBerlin, an diesem Platz geschehen? Wie ist das zu erklä-ren? Wie können wir verhindern, dass so etwas wiedergeschieht?Da muss man doch als Allererstes untersuchen: Wasist falsch gemacht worden? Herr de Maizière, Sie sindgleich danach mit Vorschlägen gekommen, welche Ge-setze man nun ändern solle, dass man überlegen solle,den Verfassungsschutz zusammenzulegen – alles, wasschon vor 20 Jahren gefordert worden ist . Aber zu derFrage: „Wie konnte das geschehen?“, ist der einzigeVorschlag, den ich von einem Minister der amtierendenBundesregierung gehört habe: Wir brauchen einen Un-tersuchungsausschuss des Parlaments . – Ist es nicht ersteinmal Ihre Aufgabe, in Ihrem Amt, in Ihrer Behörde, dieja eine maßgebliche Rolle gespielt hat, nachzuforschen,was bei uns schiefgelaufen ist? Das erwarten wir von Ih-nen .
Ich werde einmal ganz konkret . Die Bombe hat seitdem 19 . September 2016 getickt . Genau drei Monate vordem schrecklichen Anschlag gab es eine Meldung vommarokkanischen Geheimdienst, in einer Situation, in derdie Beobachtung von Amri eingestellt worden ist, weilman gesagt hat: Eine konkrete Gefahr gibt es nicht . –Wissen Sie, was in dieser Meldung – das steht auch inIhrer Zusammenstellung – stand? Darin stand erstens: Erist ein Gefährder . – Das wussten wir schon . Darin standaber zweitens – das war neu, das findet sich in all denanderen Meldungen früher nicht –: Er will nach Syrien,zum IS – was macht er da wohl? –, oder nach Libyen,zum IS . Was macht er da wohl? Allein dieses Bestrebenist inzwischen hier in Deutschland eine schwere Straftat .Darin stand als Drittes: Er hasst Deutschland, er ist derAuffassung, Deutschland ist das Land der Ungläubigen,und Deutschland erpresst seine Brüder . Zuletzt steht danoch, am 19 . September 2016: Herr Amri führt ein Pro-jekt aus, über das er nicht näher reden will .Dann kam im Oktober, am 10 . oder am 13 . Oktober,erneut diese Meldung aus Marokko, und dann hat sichdas GTAZ damit beschäftigt . Was haben sie gesagt? Siehaben das ernst genommen . Sie haben zwar gesagt: „Wirsehen immer noch keine Gefährdung“, aber sie haben anIhr Amt, an das Bundesamt für Verfassungsschutz, denAuftrag übergeben: Überprüft bei dem marokkanischenDr. Eva Högl
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Partnerdienst die übermittelten Erkenntnisse, und teilt sieuns mit .Was ist daraufhin geschehen? Bis heute offenbarnichts . Nichts, Herr Minister! Fragen Sie sie doch mal .Es ist nichts geschehen . Sie sind einfach Ihrer Aufgabenicht nachgekommen . Das war am 2 . November 2016,also gut sechs Wochen vor dem Anschlag . Sie hätten ge-nügend Zeit gehabt, nach Marokko zu fahren und das zuklären . Es ist nichts geschehen .Da sage ich Ihnen: Da gibt es ein Verschulden, da gibtes ein Verschulden Ihrer Behörde, und da gibt es auch einVerschulden der Aufsicht Ihrer Behörde .
Das nächste Beispiel ist vorhin schon angesprochenworden . Es wird immer wieder gesagt: Wir konnten ihnja nach Tunis nicht loswerden, die dort Zuständigen re-agieren ja nicht . – Das stimmt nicht . Am 24 . Oktober –das war fast zwei Monate vor dem Anschlag – kam ausTunesien die Mitteilung: „Wir haben anhand der Indizienfestgestellt, er ist tunesischer Staatsbürger“, und man hatsogar Passdaten übermittelt . Warum hat sich da nicht ei-ner von Ihrer Behörde
– von hoher Stelle in Tunis ist das gemeldet worden –
das Papier mit dieser Nachricht in die Tasche gesteckt,ist sofort zur Botschaft gefahren und hat gesagt: „Wirwollen jetzt in drei Stunden oder meinetwegen in dreiTagen die Papiere von ihm haben, damit wir ihn abschie-ben können“? Die Voraussetzung für eine Inhaftierunginnerhalb von drei Monaten lag mit Sicherheit zu diesemZeitpunkt vor . Sie haben es nicht gemacht .
Ich muss leider zum Ende kommen . Ich könnte nochweiter fortfahren; ich habe noch ein paar solche interes-santen Details, zum Beispiel die Strafverfahren . Gegenihn bestanden ein halbes Dutzend schwerer Strafvorwür-fe . Die Ermittlungsverfahren sind nicht geführt worden .Wir wissen bis heute noch nicht, unter welchen Alias-namen er wo überall Geld kassiert bzw . Sozialunter-stützung bekommen hat . Diese Frage ist bis heute nichtbeantwortet . Das haben Sie auch damals nicht versuchtherauszubekommen, sondern Sie haben ein halbes Dut-zend Ermittlungsverfahren eingestellt, obwohl die Mög-lichkeit bestanden hätte, Strafverfahren einzuleiten, ei-nen Haftbefehl zu beantragen .
Ich garantiere Ihnen, der Haftbefehl wäre ausgestelltworden, ein strafrechtlicher Haftbefehl wäre ausgestelltworden .
Herr Kollege Ströbele, Sie haben angekündigt, zum
Ende zu kommen . Aufgrund der Redezeit war diese An-
kündigung auch richtig .
Entschuldigung, letzter Satz . – Auch dies zu verfol-
gen, haben Sie versäumt . Ich sage: Herr Maaßen, der
Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und Herr
de Maizière müssen die Verantwortung übernehmen . Ich
fordere Sie auf, das zu tun, Herr Minister .
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Stephan
Mayer .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle-ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir sind noch immerschwer ergriffen von dem schrecklichen, ja unfassbarenAnschlag am Breitscheidplatz am 19 . Dezember letztenJahres . Unsere Gedanken sind nach wie vor in erster Li-nie bei den Opfern, deren Angehörigen und vor allem beiden Verletzten . Trotzdem geht es sehr schnell auch da-rum, diesen Anschlag rückhaltlos und schonungslos zuanalysieren . Es geht darum, Fehler bei allen Behördensowie Vollzugsdefizite und gesetzgeberische Defiziterückhaltlos und nachdrücklich aufzudecken .Ich bin schon etwas erstaunt, Herr Kollege von Notz,dass Sie in Ihrer Rede den Eindruck vermittelt haben,dass die Grünen die neue Law-and-order-Partei sind .
Mir ist in den letzten Jahren offenkundig entgangen, dassSie auf Sicherheitsdefizite hingewiesen haben.
Wie war denn die Realität? Sie haben in dieser Legis-laturperiode gegen alle Sicherheitsgesetze gestimmt, diewir vorgelegt haben, vom Entwurf eines Gesetzes zurVorratsdatenspeicherung bis hin zum Antiterrorpaketkurz vor der Sommerpause .
Hans-Christian Ströbele
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Es geht tatsächlich nicht um Schuldzuweisungen, son-dern darum, die richtigen Lehren zu ziehen . Die Opposi-tion hat immer wieder insinuiert, wir würden verschlei-ern, wir würden vertuschen, wir würden verzögern . DerVorwurf des Ausbremsens wurde erhoben . Zur Erinne-rung: Es war die CDU/CSU, die sehr schnell eine Son-dersitzung des Innenausschusses – am 21 . Dezember, nurzwei Tage nach dem Anschlag – beantragt hat .
Es war die CDU/CSU, die gemeinsam mit der SPD eineSondersitzung des Parlamentarischen KontrollgremiumsAnfang dieser Woche beantragt hat . Wir haben uns heuteim Innenausschuss intensiv mit dem Fall auseinander-gesetzt . Am vergangenen Montag wurde eine Taskforceeingerichtet, die, wenn alle guten Willens sind, schon inder kommenden Woche ihre Arbeit aufnehmen kann .
Die Taskforce wird – das wissen Sie, weil es bereits Prä-judizien im Hinblick auf frühere Fälle gibt – einen Be-richt als Bundestagsdrucksache veröffentlichen.
Der Vorwurf des Verschleierns und des Vertuschens istdaher vollkommen unzutreffend.
Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Wir sind auchoffen für einen Untersuchungsausschuss.
Wenn Sie einen Untersuchungsausschuss einrichten wol-len, dann werden Sie ihn bekommen . Sie werden auch soviele Sondersitzungen des Innenausschusses bekommen,wie Sie wollen . Ich möchte dies ausdrücklich im Namender CDU/CSU-Fraktion sagen .
Es geht jetzt aber vor allem darum, schnell die richti-gen Konsequenzen zu ziehen . Ich bin unserem Bundes-innenminister sehr dankbar, dass er zusammen mit demBundesjustizminister sehr schnell ein Zehn-Punkte-Pa-pier vorgelegt hat . Ich möchte dazu deutlich sagen: Keineinziger dieser Punkte ist neu . Kein einziger dieser Punk-te ist erst nach dem Anschlag vom 19 . Dezember auf dasTableau gekommen . Uns wird immer wieder vorgewor-fen, wir würden diesen Anschlag instrumentalisieren, wirwürden ihn für eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze,die Schaffung eines Überwachungsstaates missbrauchen.
Nein, das stimmt nicht . Alle zehn Punkte sind von derCDU/CSU seit vielen Monaten gefordert worden . Es gibtseit Oktober vergangenen Jahres sogar fertige Gesetzent-würfe .
Leider sind die Punkte teilweise nicht umgesetzt worden,weil sich unser Koalitionspartner dem nicht anschließenkonnte; auch das gehört zur Wahrheit, meine lieben Kol-leginnen und Kollegen von der SPD .
Wir haben schon frühzeitig einen eigenständigen Haft-grund für Gefährder gefordert . Sie haben sich dem wi-dersetzt . Wir haben eine Verlängerung der Dauer desAusreisegewahrsams gefordert . Sie haben sich demwidersetzt. Wir haben eine stärkere Differenzierung beiausreisepflichtigen Personen zwischen denen, die sichrenitent verhalten wie beispielsweise Amri, die ihreIdentität verschleiern und bei ihrer Identitätsfeststellungnicht mitwirken, und denen, die unser Land unverschul-det nicht verlassen können, gefordert . Auch bei diesemPunkt haben Sie sich widersetzt .
Ich bin froh, dass jetzt Einsicht bei Ihnen eingekehrt istund dass Sie sich unseren Vorschlägen gegenüber öffnen.Aus meiner Sicht geht es jetzt darum, unsere Vorschlägeschnell umzusetzen .
Es geht auch um eine Verbesserung der Zusammenar-beit zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa . Hierzeigt der Fall Amri – genauso wie unter einem Brenn-glas –, dass nach wie vor erhebliche Defizite bestehen.Die Italiener haben die deutschen Behörden nicht darü-ber informiert, dass Amri ein abgelehnter Asylbewerberwar . Sie haben die Fingerabdrücke nicht in Eurodac ge-speichert . Sie haben die deutschen Behörden nicht da-rüber informiert, dass Amri ein vorbestrafter Schwerst-krimineller war . Auch im europäischen Kontext bestehtdeutlicher Verbesserungsbedarf . Ich sage aber auch ganzoffen: Der Hauptschwerpunkt der Konsequenzen mussbei der Beantwortung der Frage liegen: Wie gehen wir inZukunft mit Gefährdern um?Es darf eben, wenn es darum geht, welche Maßnah-men in Bezug auf einen Gefährder ergriffen werden,nicht daran liegen, wo er gerade zufällig seinen Aufent-haltsort nimmt . Auch hier gilt es, noch einmal klar da-Stephan Mayer
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rauf hinzuweisen: Es gibt bisher beispielsweise wederin Nordrhein-Westfalen noch im Land Berlin eine aus-reichende Rechtsgrundlage dafür, Gefährder präventivzu überwachen, zum Beispiel eine Telefonüberwachunganzuordnen . Auch hier ist Handlungsbedarf gegeben .Hier geht es nicht um die Couleur der Regierung, die imjeweiligen Land gerade das Sagen hat .Aus meiner Sicht geht es ganz entscheidend darum,dass wir jetzt schnell die richtigen Lehren aus dem FallAmri ziehen – vor allem, um zu verhindern, dass sichein derart schwerwiegender Anschlag in Deutschlandwiederholt . Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgernin Deutschland schuldig, das sind wir der Sicherheit un-seres Landes schuldig .
Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Lischka für
die SPD .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habediese Debatte verfolgt und mir doch an der einen oder an-deren Stelle die Frage gestellt: Wie wirkt das eigentlichauf Zuschauer, die diese Debatte verfolgen?
– Ich werde auch niemanden namentlich benennen . Wirhaben hier aber, glaube ich, manches erlebt, was genauvon dem abweicht, was Sie, Herr de Maizière, in IhrerRede am Anfang in Bezug auf gegenseitige Schuldzu-weisung gesagt haben . Ob wir – ich glaube, das giltfür uns alle – nach diesem schrecklichen Anschlag am19 . Dezember gut beraten sind, hier eine Debatte zu füh-ren, bei der mancher das Gefühl bekommt, wir würdenhier in Klein-Klein machen und Hahnenkämpfe durch-führen? Ich halte das – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –für keinen guten Umgang .
Wir wissen alle: Terror kann man nicht gänzlich ver-hindern . Das ist eine schmerzhafte Erfahrung, die üb-rigens nicht nur aktuell gemacht wurde, sondern auchschon in den letzten Jahren bzw . Jahrzehnten . Auch istdiese Erfahrung nicht nur hier in Deutschland und Eu-ropa, sondern weltweit gemacht worden. Ich finde nur:Man kann schon aus Fehlern lernen . Und das müssen wirauch .Im Sommer des vergangenen Jahres attackierte in derRegionalbahn bei Würzburg ein 17-Jähriger ganz unver-mittelt mit einer Axt Fahrgäste . Das wird ein Staat nichtin jedem Fall verhindern können . Der entscheidendePunkt aber, über den wir, glaube ich, debattieren müssen,ist folgender: Wenn ein seit fast einem Jahr den Sicher-heitsbehörden bekannter Gefährder – damit quasi unterden Augen des Staates – ein Attentat wie das am Breit-scheidplatz hier in Berlin verübt, dann fragen sich – undzwar vollkommen zu Recht – viele Menschen: Was ist daeigentlich schiefgelaufen?
Ich sage es – das ist meine Wahrnehmung auch beiGesprächen mit vielen Menschen – noch drastischer:Dieser Verlust an Sicherheit, der sich da bei mancheneinstellt, geht bei einigen Menschen mit einem Prozessder Entfremdung von diesem Staat und von staatlichenInstitutionen einher. Ich finde, das ist eine sehr gefährli-che Entwicklung .
Meine Erfahrung ist: Diesem gefährlichen Gefühlkommen wir nicht mit einem Basar der Marktschreierbei . Auf diesem Basar werden wir – das geschah übrigensimmer bei solchen Attentaten, die wir in Europa erlebthaben – im Halbstundentakt mit neuen Vorschlägen kon-frontiert . In den letzten zwei Jahren habe ich die Erfah-rung gemacht: Je absurder ein Vorschlag ist, umso größerist – aber auch nur für 30 Minuten – das mediale Echo .Ich glaube, das kommt in der Bevölkerung nicht gut an .
Denn die Menschen haben, glaube ich, ein sehr gutes Ge-spür dafür, dass Lautstärke nicht immer Stärke ist .Ich sage einmal ganz offen: Ich glaube auch nicht,Herr de Maizière, dass man dem mit Strukturdebattenbeikommen kann . Jedenfalls könnte man einmal darüberdiskutieren, ob es um den richtigen Zeitraum bzw . denrichtigen Zeitrahmen geht . Es ist unsere Aufgabe, stän-dig darüber nachzudenken, wie wir unsere Sicherheits-behörden gerade in einem föderalen Staat gut aufstellenkönnen .Ich möchte aber doch einmal hinterfragen, ob manausgerechnet in Zeiten größter Terrorgefahr meint, Lan-desbehörden bzw . Landesämter für Verfassungsschutzauf der einen Seite auseinanderbauen zu können, umsie dann auf der anderen Seite wieder aufzubauen . Ichglaube nicht, dass sich im Augenblick von einer solchenBehördenbaustelle Terror effektiv bekämpfen lässt. Es istmeine feste Überzeugung, dass das nicht geht .
Ich warne in diesem ganzen Basar der Aufgeregthei-ten auch vor voreiligen Schlussfolgerungen . Ich glaubenicht, dass der stärker zentralisierte Staat auch immer derstärkere Staat ist .
Frankreich hat im Gegensatz zu uns einen Zentralstaat,ohne dass die Terrorgefahr dort geringer wäre . Ich glau-be, es ist eine Binsenweisheit, auch im Fall Anis Amri,dass es überall zu Fehlern und Fehleinschätzungenkommt, wo Menschen tätig sind, egal ob das Menschenin Landes- oder Bundesbehörden sind .Da wir jetzt schon über Fehler und Fehleinschätzun-gen sprechen: Es gibt sicherlich noch manches aufzuklä-Stephan Mayer
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ren, aber ich wage doch, eines zu sagen . Eine Annahmeist durch den Fall Anis Amri widerlegt worden, nämlichdass man Gefährder besonders gut dadurch kontrollierenkann, dass man sich zaghaft im Hintergrund hält, damitsich die Gefährder irgendwie in Sicherheit wiegen . Dasmag bis zu einer gewissen Grenze richtig sein, um straf-bares Handeln und Terroraktivitäten nachzuweisen undum an Netzwerke, Hintermänner und Kontaktpersonenheranzukommen . Aber eines ist uns doch hier klar ge-worden: Das ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem jedeFehleinschätzung tödlich sein kann . Deshalb kann eineLehre aus dem Fall nur sein, dass wir wirklich frühzeitigund konsequent die Handlungsspielräume von Gefähr-dern einschränken müssen . Das bedeutet für mich: Wennein Gefährder abgeschoben werden soll, dann gehört erin Abschiebehaft – Punkt .
Das bedeutet auch, dass wir den Gefährdern, bei de-nen sich die Frage der Abschiebung nicht stellt, weil siebeispielsweise einen deutschen Pass haben – das betrifftdie Hälfte dieser Gefährder –, 24 Stunden auf den Füßenstehen müssen, und zwar mit den Instrumenten, die wirhaben: mit Meldeauflagen, Aufenthaltsbeschränkungen,Näherungsverbot und vielem anderen mehr .Helmut Schmidt, der von Heiko Maas schon zitiertwurde, hat gesagt: Wir werden den Terror besiegen . – Daswar die klare Ansage an die Terroristen der 70er-Jahre .Das muss die konsequente Ansage auch gegenüber denTerroristen des 21 . Jahrhunderts sein .Danke .
Der Kollege Armin Schuster spricht jetzt für die CDU/
CSU .
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch ich binsonst bei solchen kontroversen Partys immer ganz vornemit dabei, aber heute sage ich ab . 12 Tote, 53 Verletzte,unzählige trauernde Angehörige – wenn wir von denenernst genommen werden wollen, dann müssen wir, mei-ne ich, eine Geschlossenheit zeigen, auf die ich noch zu-rückkommen möchte .Wir haben diese Geschlossenheit erlebt – ich war sehrintensiv bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes be-teiligt –, als eine Debatte, die mir sehr gut gefallen hat,über die Mordserie stattgefunden und das Haus hier zu-sammengehalten hat .
Ich finde, das ist eine Haltung, die uns jetzt gut täte,eben weil die 12 Toten einen so fassungslos machen .Ich glaube, dass wir jenseits von Partei- und Fraktions-grenzen konsequent sein und jetzt auch entschlossenund gemeinsam handeln müssen, weil 150 Amris oderPersonen einer ähnlichen Preisklasse noch dort draußenherumlaufen . Wir können nicht nur trauern, aber wir kön-nen versuchen, die 150 Sicherheitsrisiken, die draußennoch herumlaufen, mit einer gemeinsamen Haltung zubekämpfen .Ich bin optimistisch. Ich empfinde es als eine spür-bare politische Annäherung beim Thema „innere Sicher-heit“, wenn die Grünen – ich kann es nicht genau beider Bundestagsfraktion erkennen, aber bei vielen in denLändern – jetzt über Videoüberwachung sprechen, überdie Möglichkeit, nach Afghanistan abzuschieben, überdie Möglichkeit, die Überwachung von Gefährdern zuverbessern, die Abschiebehaft zu erweitern und die elek-tronische Fußfessel einzuführen .Das Ergebnis des Gespräches zwischen HerrnKretschmann und Herrn Strobl gestern in ihrem Koali-tionsausschuss hinsichtlich präventiver Telekommunika-tionsüberwachung bei Gefährdern, Onlinedurchsuchungund Vorratsdatenspeicherung empfinde ich als ein ermu-tigendes Zeichen . Auch die Grünen im Bund könnten dieGelegenheit vielleicht für eine andere Art der Diskussionmit uns nutzen . Ich weiß nicht, ob ich zu viel in das Ge-spräch hineininterpretiere, aber dass Sie Racial Profilingmorgen von der Tagesordnung genommen haben, emp-finde ich als gutes Zeichen.An die SPD gewandt: Auch ich schimpfe manch-mal, klar, das gehört dazu . Aber ich sage Ihnen: Ganzoft schimpft in mir nicht der CDU-Politiker, sondernder, der seit 37 Jahren in seinem Beruf nicht Geld zurMaxime gemacht hat . Ich wollte nie viel Geld verdienenoder Return on Investment in den Vordergrund stellen .Bei mir ging es immer um die Sicherheit der Menschen .Und wenn Sie sich dann nicht richtig entscheiden, danngehe ich mal ab .Das hat aber mit Partei ganz wenig zu tun . Sie könnensich vorstellen, dass man sich ärgern kann, wenn manIdeen schon hatte . Jetzt bin ich aber dankbar, dass wires zusammen tun. Die Residenzpflicht, die Veränderungder Abschiebehaft, der neue Haftgrund „Gefahr für dieöffentliche Sicherheit“, das Ausreisegewahrsam: MeineDamen und Herren, das ist ein gutes Momentum, dasSchwarz-Rot hat und das Grün im Bundesrat flankierenkönnte, wenn Sie dieselbe Haltung wie bei der Mordseriedes NSU haben .Deshalb habe ich einen Appell an beide Fraktionen . Erist wirklich sehr ernst gemeint . Meine Damen und Her-ren, geben Sie sich einen Ruck bei der Einstufung desMaghreb als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat . Wirhaben es mit Baden-Württemberg hinbekommen . Dasist ein grünes Land . Hessen ist auch nicht weit entfernt,glaube ich . Tun Sie das .Denken Sie außerdem – Herr Lischka, da bin ich Ihnensehr dankbar – bitte einmal ohne politischen Reflex überdie Idee von Transitzentren nach . Genau diese Methodewenden wir seit Jahrzehnten tagtäglich am FrankfurterBurkhard Lischka
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 211 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 18 . Januar 201721176
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Flughafen an . Dort gibt es keine Schießbefehle, keineMauern, keine Stacheldrahtsituation und kein Gefängnis .Aber es ist Ihre Art, immer so darüber zu reden .Sie haben mal als Einstiegsvorschlag die Idee ange-sprochen, bei den Leuten, die uns täuschen, die eine un-klare Identität haben, genauer hinzuschauen . Warum ent-scheiden wir das nicht schon an der Grenze und treffeneine Entscheidung früh, bevor sie einreisen?Tun Sie mir einen Gefallen: Denken Sie über das The-ma Transitzentren ernsthaft nach . Schauen Sie sich ein-mal Frankfurt/Main an . Dort werden Sie alles das nichtfinden, was Sie sonst kritisieren.
Wir sind nicht hektisch . Die Union ist völlig cool .Warum? Weil diese Vorschläge eben nicht neu sind . Sieliegen vor . Wir ziehen die Schublade auf und haben sie .Dass das so ist, müssen Sie akzeptieren . Wir sehen jetztgut aus . Das gebe ich zu . Aber wir haben auch gut gear-beitet .Im Übrigen ist der Innenminister kein harter Hund,wie ich in einer Zeitungsüberschrift gelesen habe . Ichhalte ihn für einen schlauen Hund – wenn überhaupt; dasWort „Hund“ ist ein bisschen despektierlich .Ich unterstütze seine Leitlinien, und zwar aus einemganz einfachen Grund: Ich glaube, es muss auch gesagtwerden – auch das ist nicht neu –: Otto Schily hat nach9/11 vergeblich dafür gekämpft . Schon Otto Schily hates nicht geschafft, sich gegen die Länder durchzusetzen.
Schade, dass so wenige Vertreter da sind .Die Werthebach-Kommission fand ich eine richtigeIdee. Auch da haben wir es nicht geschafft. Nach demNSU haben wir die entscheidende Frage nie geklärt: Gibtes Brennpunktlagen? Gibt es schwerwiegende Krisen, indenen einer führen muss? Meine Damen und Herren, dasmuss nicht der Bund sein; es kann auch ein Land sein .Jetzt sage ich Ihnen, was das gravierendste Problemam Fall Amri ist: Wir sind ausländerrechtlich nicht an dieGrenzen dessen gegangen, was geht .Wir haben zum Zweiten nie ein Sammelverfahreneiner Staatsanwaltschaft für die kleinkriminellen Dingeerwirkt .
Drittens darf im GTAZ – so ist der Bauplan – nichtgeführt werden . Dort dürfen nur Informationen ausge-tauscht werden . Das reicht mir nicht .
Die Vorschläge von Thomas de Maizière sind für denFöderalismus minimalinvasiv . Da passiert gar nichts .Aber wenn der Föderalismus gestärkt werden soll, dannmüssen wir für die Grenzbelastungen auch gute Lösun-gen haben .Das heißt für mich – mein ganzes Leben habe ichimmer erfahren, dass in Krisen geführt werden muss; indiesem Land darf das aber niemand –: Wir brauchen fürDeutschland 4 .0 auch Sicherheit 4 .0 .Deswegen verschärfen wir nicht, sondern wir moder-nisieren, meine Damen und Herren . Zwischen Moderni-sieren und Verschärfen besteht ein Riesenunterschied .Ich möchte eine vernetzte, geführte Sicherheitsstrukturvor allen Dingen in schweren Lagen . Darauf müssen wiruns vorbereiten .
Herr Kollege Schuster, denken Sie auch an die Rede-
zeit .
Ja . – Letzter Punkt: Ich wäre Ihnen allen sehr dank-
bar für ein entsprechendes Vorgehen . Wenn ich als Ba-
den-Württemberger das sage, ist es schon schlimm ge-
nug . Aber die Haltung von Winfried Kretschmann und
Thomas Strobl zu dem Leitlinienvorschlag fand ich her-
vorragend . Sie waren die Einzigen in der ganzen Repu-
blik – ich nehme auch meine eigenen Leute nicht aus –,
die gesagt haben: Das klingt nicht unplausibel; es enthält
viel Prüfenswertes; das sollten wir einmal debattieren .
Genau das könnten meines Erachtens mindestens drei
Fraktionen machen . Mit Herrn Tempel könnte ich mir das
auch vorstellen – mit Ihnen, Herr Bartsch, eher weniger .
Danke schön .
Der Kollege Uli Grötsch spricht jetzt für die SPD .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Na-türlich fragen wir uns alle einen Monat nach dem Terror-anschlag im Herzen Berlins immer noch, wie Anis Amrihätte aufgehalten werden können, ob der Anschlag vonden Sicherheitsbehörden hätte verhindert werden könnenund wer für den Anschlag die Verantwortung trägt . Ichbin froh, dass wir heute in der Debatte in dieser Aktu-ellen Stunde fast alle den Tonfall getroffen haben, derhier vorherrschte . Ich glaube, dass es der Beantwortungdieser Fragen und auch den Opfern und ihren Angehöri-gen gegenüber würdig ist, in diesem Tonfall und in dieserBesonnenheit über dieses Thema und über diese Fragenzu reden .Ich möchte eine Lanze für die Art und Weise brechen,wie wir nun mit der Aufklärung dieser Fragen umgehen .Ich halte es für eine sehr gute Entscheidung und in dieserSituation auch für das richtige Instrument, dass in dennächsten Wochen eine Taskforce des ParlamentarischenKontrollgremiums diesen Fragen nachgehen wird . Damitsetzen wir eine Arbeitsgruppe des Deutschen Bundesta-ges ein, die sich schnell und umfassend mit allen Aspek-ten des Terroranschlags vom 19 . Dezember 2016 befas-Armin Schuster
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sen wird – jenseits von langwierigen und über Monatehinweg arbeitenden Untersuchungsausschüssen . Dennwenn es Lücken gibt, was ja der Fall zu sein scheint,dann müssen wir diese Lücken schnell schließen . Dahingehend ist die Einsetzung der Taskforce mit Sicherheitdas richtige Instrument .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte aus-drücklich davor warnen, wider besseres Wissen unsereSicherheitsbehörden voreilig abzukanzeln, Schuldzuwei-sungen an die Behörden zu richten und voreilige Schlüs-se zu ziehen . Ich glaube, wer in einer solchen Debattedieses Vokabular benutzt, redet denen das Wort, denener ganz bestimmt nicht das Wort reden will, nämlich denParteien rechts von allen, die hier im Hohen Haus ver-treten sind .Unsere Sicherheitsarchitektur ist nämlich richtig gut .Unsere Landes- und Bundesbehörden arbeiten etwa imGemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum sehr gut zu-sammen . Sie vernetzen sich, sie tauschen sich mit denPartnerdiensten im Ausland aus, und sie verdienen esauch, dass wir konstruktiv an die Sache herangehen undnicht mit dem erhobenen Zeigefinger durch das Land lau-fen .
Wenn die Taskforce ihre Ergebnisse vorlegt, werden wirmehr wissen . Alles andere halte ich zum jetzigen Zeit-punkt für Spekulation .
Ich meine, dass es nicht zum Zeitgeist werden darf,in Situationen wie dieser mit immer neuen Vorschlägenins Kraut zu schießen, etwa bis hin zur Abschaffung vonVerfassungsschutzämtern, bis hin zur Umkrempelungunserer kompletten Sicherheitsarchitektur. Was reflexar-tige Vorschläge für schärfere Gesetze angeht, so ist dasMotto „Höher, schneller, weiter“ meiner Meinung nachdas falsche Signal . Ich glaube auch, dass es das falscheSignal ist in Zeiten wie diesen, noch einmal mit Vor-schlägen wie der Errichtung von Transitzonen oder dervielbesungenen Schaffung von Obergrenzen um die Eckezu kommen . Ich halte das für den Holzweg .
Gefordert ist vielmehr – ich glaube, dass das in dieserDebatte heute sehr deutlich wurde – ein besonnenes undvor allem ein gemeinsames Handeln, am besten aller po-litischen Akteure . Die jetzt zwischen Bundesjustizminis-ter Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maizièreabgestimmten Vorschläge halte ich dabei für maßvoll . InZeiten wie diesen mit dem Finger auf den jeweils ande-ren zu zeigen, ist gerade in einer Situation wie dieser au-ßerordentlich unangebracht .Ich bin mir sicher, dass wir unsere Gesetze so ändernwerden, dass konsequentes staatliches Handeln bei Ge-fährdern nicht an gesetzlichen Hürden scheitern kann .Ich bin auch dafür, dass wir schnell den Begriff „Gefähr-der“ im Gesetz definieren. Damit geben wir Landes- undBundesbehörden über die Definition des AK II der Innen-ministerkonferenz, die im Übrigen aus dem Jahr 2004stammt, hinaus eine einheitliche und rechtsverbindlicheDefinition an die Hand. Vor allem müssen wir schauen –auch das wurde hier deutlich; ich möchte das aber nocheinmal unterstreichen –, wo es Vollzugsdefizite gibt, umebendort schnell nachzusteuern .Ich glaube nicht, dass es in einem Land, das wohl übereine der besten Antiterrorgesetzgebungen der Welt ver-fügt, immer um schärfere Gesetze gehen muss . Ich glau-be jedoch, dass Sie, Herr Bundesinnenminister, gefordertsind, Ihren Ankündigungen jetzt Taten folgen zu lassen,indem Sie etwa die Maghreb-Staaten zu effektiven Rück-nahmeabkommen veranlassen .Wir werden, liebe Kolleginnen und Kollegen – damitkomme ich zum Schluss –, Sicherheitslücken schließen,aber keine Scheunentore; denn wir fangen bei weitemnicht bei null an . Wir dürfen den Menschen in diesemLand nicht das Gefühl geben, dass mit unseren Gesetzenetwas nicht stimmt . Wir sind bestens aufgestellt . Den-noch: Hundertprozentigen Schutz vor Terroranschlägenkönnen auch wir nicht herstellen . Das den Bürgerinnenund Bürgern vorzugaukeln, wäre mindestens fahrlässig .Vielen Dank .
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Clemens
Binninger .
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Rufen wir uns die Anschläge in Paris auf Charlie Hebdound während des Länderspiels sowie den Anschlag inNizza in Erinnerung: Bei diesen Anschlägen ist es uns,glaube ich, so ergangen, dass wir zwar einerseits gese-hen haben, wie ernst die Bedrohung durch den interna-tionalen Terrorismus ist und dass auch wir im Faden-kreuz sind, aber andererseits froh waren, dass sie nichtin Deutschland passiert sind . Wir waren stolz auf unsereSicherheitsbehörden und wussten: Ein bisschen Glückwar wahrscheinlich auch dabei .Dann war diese Zeit zu Ende: Es kam die Anschläge inWürzburg, Ansbach und dann der schreckliche Anschlagin Berlin. Die Bedrohung ist also, auch wenn wir hofften,dass das nicht der Fall sein wird, nicht kleiner geworden .Zugleich passieren diese drei Anschläge innerhalb vonsechs Monaten, nachdem es zuvor in Köln an Silvesterin hundertfacher Weise Übergriffe und in Freiburg einenSexualmord gab . All das zusammen löst bei der Bevöl-kerung große Unsicherheit aus und sät Zweifel, ob dieserStaat sie noch schützen kann . Wenn wir diese Zweifelernst nehmen – und wir müssen sie ernst nehmen; ichglaube, da sind wir gut beraten –, sollten wir möglichstim Schulterschluss alles tun, um Vertrauen zurückzuge-winnen und den Bürgern in unserem Land das Gefühl zuUli Grötsch
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vermitteln, dass hier in diesem Parlament, von unsererBundesregierung, aber auch von den 16 Landesregierun-gen alles getan wird, um die Sicherheit der Menschenin diesem Land zu gewährleisten . Wenn uns das nichtgelingt, werden wir eine ernste Krise bekommen, vonder am Ende Gruppierungen, Leute außerhalb des Par-lamentes profitieren. Das können wir alle nicht wirklichwollen .
Wenn wir aber Vertrauen zurückgewinnen wollen, istes unumgänglich – das gehört einfach dazu –, Fehler,die passiert sind, zu benennen . Das muss am Beginn ste-hen, wenn man Vertrauen zurückgewinnen will . Der FallAmri ist natürlich einer, bei dem die Menschen sagen:Wie kann es sein, dass ein illegal Eingereister mit derkriminellen Vorgeschichte – viele Straftaten –, als Ge-fährder erkannt, als Gefährder identifiziert, überwacht,am Ende weder in Haft kommt noch abgeschoben wird?Das versteht doch kein Mensch mehr . Deshalb muss mansich fragen: Woran liegt es?Wenn man sich einmal chronologisch ansieht, wieviele verschiedene Behörden und öffentliche Stellen inden letzten 18 Monaten mit dem Fall Amri befasst waren,dann wird es einem ein bisschen schummrig . Es handeltsich um mehr als 45 Behörden und Stellen in Deutsch-land: von Staatsanwaltschaften, mehreren Ausländerbe-hörden, vielen Polizeidienststellen, Nachrichtendiensten,vom BKA, von LKAs bis hin zum Generalstaatsanwaltin Berlin und dem Innenministerium in Nordrhein-West-falen . Daran wird, glaube ich, deutlich, dass wir im Be-reich der Gefährder noch Strukturen haben, die nichtmehr zeitgemäß sind .Es ist kein Angriff auf den Föderalismus, wenn mandarüber nachdenkt, ob eine Sicherheitsarchitektur, die inden 50er-Jahren entstanden ist, noch zur heutigen Bedro-hungslage passt . Es geht auch nicht darum, Landesver-fassungsschutzämter abzuschaffen oder aufzulösen. Aberwir können es uns doch nicht leisten, dass über 40 Behör-den für diese kleine Gruppe der amtsbekannten Gefähr-der von 500 bis 600 Islamisten zuständig sind .
Da brauchen wir eine zentrale Federführung, und zwarim Bereich der Polizei, im Bereich der Nachrichtendiens-te und auch hinsichtlich der Frage von Abschiebungen .Natürlich gehört zur Wahrheit auch dazu, zu sagen,dass die gesetzlichen Regelungen, die wir im Bereichder Abschiebehaft haben, bei Amri schon hätten genutztwerden können . Herr Minister Maas, ich bin in demPunkt allerdings anderer Rechtsauffassung als Sie. Eswird immer auf die Dreimonatsfrist verwiesen, verbun-den mit dem Hinweis, dass Abschiebehaft nicht zuläs-sig sei, wenn die Abschiebung nicht innerhalb von dreiMonaten vollzogen werden könne . Ich lese § 62 Auf-enthaltsgesetz anders . Da steht nämlich drin, dass die-se Dreimonatsfrist nur dann gilt, wenn sie aus Gründennicht eingehalten werden kann, „die der Ausländer nichtzu vertreten hat“ .
Aber Amri hatte das doch zu vertreten: Er hat getäuscht,er war kriminell, er hat sich der Abschiebung entzogen,er ist untergetaucht . Wenn er es nicht zu vertreten hat,wer denn dann?
Man hätte ihn in Abschiebehaft nehmen können, ja müs-sen!Ich will zum Schluss auf etwas hinweisen, wo ich auchSorge habe: Ich weiß nicht, ob wir uns schon bewusst da-rüber geworden sind, wie ernst die Bedrohung ist .An dieser Stelle, Kollege Ströbele, nur ein kleinerZwischensatz – wir sind ja in den gleichen Gremien, ichdarf nicht über alles berichten –: Dass Sie auch in diesemFall – das tun Sie ja auch sonst immer, egal, um wel-che Geschichte es geht – reflexartig einen Schlenker zumBundesamt für Verfassungsschutz machen, war wirklichnicht angebracht .
Es geht mir aber jetzt um die Frage – da unterstützeich die Auffassung des Innenministers voll und ganz –:Haben wir noch die Zeit für lange Debatten? Wie vieleGefährder in der Preisklasse Amris gibt es denn zurzeitnoch in diesem Land? Das wird derzeit von den Lan-desinnenministern erhoben . Und ich hätte mir wirklichgewünscht, dass heute wenigstens einer mal den Weghierher gefunden hätte, wenn wir solch eine Debatteführen . Es geht um unsere gemeinsame Verantwortung .Wir müssen nämlich alles daransetzen, dass bei den Per-sonen, die genauso gefährlich sind wie Amri, möglichsterreicht wird, dass sie schnell in Abschiebehaft kommenund schnell wieder unser Land verlassen, weil sie eineGefahr für die Sicherheit der Menschen in diesem Landesind .
Wir dürfen nicht zuschauen, während sie frei herum-laufen . Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, hier etwas zutun . Darauf sollten wir bei allem parteipolitischen Dis-sens, der wirklich nicht hierhergehört, setzen . Es sindgefordert: 16 Landesparlamente und 16 Landesregierun-gen, ein Bundestag, eine Bundesregierung . Es ist unseregemeinsame Aufgabe, hier für mehr Sicherheit zu sor-gen . Lassen Sie es uns gemeinsam angehen .Herzlichen Dank .
Clemens Binninger
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Zum Abschluss der Aktuellen Stunde spricht die Kol-
legin Nina Warken für die CDU/CSU .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn wir die heutige Debatte und die Diskussionen inden vergangenen Wochen betrachten, dann sehen wir,dass es die unterschiedlichsten Reaktionen und die ver-schiedensten Vorschläge gibt, was nun zu tun sei . DasBemerkenswerteste ist, dass nun selbst jene ParteienHandlungsbedarf erkennen, die sich bislang immer ge-gen ein Mehr an innerer Sicherheit gewehrt haben . An-scheinend ist bei manchen die Erkenntnis gereift, dassdie Realität manchmal eben doch anders aussieht alsin Parteitagspapieren . Der konkrete Grund dafür ist einentsetzlicher Anschlag, der das Leben von zwölf un-schuldigen Menschen und die Gesundheit vieler weite-rer gekostet hat .Wer von uns wurde in den vergangenen Wochen nichtgefragt, wie denn das sein könne: Ein bekannter Gefähr-der mit zig verschiedenen Identitäten ist unterwegs, vieleBehörden kennen ihn, er wird beobachtet – und trotzdempassiert dann so etwas Schreckliches . Insofern ist unsallen klar: Das muss aufgeklärt werden . Und vor allem:Das darf sich in dieser Form nicht wiederholen . Das sindwir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig .Wir sind es aber ebenso der Zukunft schuldig, Fehlerzu erkennen, Zuständigkeiten zu ordnen und Regelungenam Maßstab der Wirklichkeit zu prüfen . Wir müssen dieAnwendung, aber auch die praktische Anwendbarkeitdes Rechts vor Ort kritisch hinterfragen .Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auchwenn manche erst jetzt mit Vorschlägen um die Eckekommen: Es ist ja nicht so, dass wir in den vergangenenJahren nichts erreicht hätten . Ganz im Gegenteil: Wir ha-ben auch in dieser Legislaturperiode bereits eine Men-ge erreicht . So konnten wir etwa das Personal bei denSicherheitsbehörden aufstocken und deren Befugnisseerweitern . Dazu, dass wir uns jetzt in der Koalition einigsind, weitere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichenSicherheit auf den Weg zu bringen, muss man ergänzendfeststellen, dass der Bundesinnenminister bereits im ver-gangenen Oktober konkrete Vorschläge vorgelegt hat, dieuns geholfen hätten .Meine Damen und Herren, wir sind nun alle gemein-sam in der Pflicht. Die Behörden aus Ländern und Bundmüssen zur Aufklärung alles Erforderliche tun und infor-mieren. Aber auch wir als Parlament sind in der Pflicht,auf Grundlage dieser Informationen konkret etwas zu tunund über die Konsequenzen zu beraten . Die Vorschlägeder Union dazu liegen auf dem Tisch .Wenn ich jetzt höre, die vorgeschlagenen Maßnah-men hätten nichts mit dem aktuellen Fall zu tun oderseien Schnellschüsse, dann kann ich dazu nur sagen,dass ich diese Vorwürfe absurd finde. Der Fall führt unsdoch bereits jetzt glasklar vor Augen, wo Schwachstel-len vorhanden sind; und die wollen wir schnell besei-tigen: durch die Beseitigung der hohen Hürden bei derAbschiebehaft, durch die Einführung einer verschärftenResidenzpflicht bei Gefährdern und durch die Möglich-keit der Überwachung mittels elektronischer Fußfessel .Das alles wird den Behörden helfen, und das alles brau-chen wir; denn es befinden sich weitere Gefährder imLand .Es wurde hier viel über Verantwortung und Aufklä-rung gesprochen .Zum zweiten Punkt kann ich nur feststellen: Die Bun-desregierung gestaltet die Aufklärung so transparent wiemöglich: durch die Veröffentlichung der Chronologie,durch die Unterrichtung und Unterstützung des Parla-ments und der eingesetzten Taskforce . Die Unionsfrak-tion ist offen für Sondersitzungen des Innenausschusses,die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses undtreibt die Aufklärung in der Taskforce voran . Da verste-he ich auch Ihre Aufregung nicht, werte Kollegen derOpposition . Die Fragen, die etwa der Kollege von Notzgestellt hat, hätten gut schon heute Morgen in der Innen-ausschusssitzung gestellt werden können .
Zum Punkt Verantwortung . Der Bundesinnenminis-ter hatte bereits Anfang Januar gesagt, dass er bereit ist,dafür zu sorgen, dass der Bund in einigen Bereichen,zum Beispiel bei Abschiebungen, mehr Verantwortungübernimmt . Die Frage ist, ob andere bereit sind, Verant-wortung abzugeben . Die beiden Bundesminister habenbereits jetzt Änderungsvorschläge vorgelegt, die sichkonkret aus dem Fall ergeben und deren Umsetzungwir als Koalition unterstützen . Wir wollen in Zukunftweitere Verbesserungen umsetzen, etwa beim Informa-tionsaustausch auf europäischer Ebene und beim Abbauföderaler Hemmnisse . Und wo wir schon beim ThemaVerantwortung sind, Herr Kollege Tempel: Zum kon-kreten Tatzeitpunkt lag doch die Hauptverantwortungfür den Täter beim Land Nordrhein-Westfalen und beiInnenminister Jäger, und das war, Herr Ströbele, auchder Fall, als die Voraussetzungen für die Inhaftierunggegeben waren .Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wirals Union sind überzeugte Anhänger des Rechtsstaats undkämpfen hier mit ganzer Kraft dafür, dass unser Land undunsere Gesellschaft so frei bleiben, wie sie sind . Aber wirwissen eben auch, dass Rechtsstaat nicht bedeuten darf,dass der Staat sich von Verbrechern und Terroristen aufder Nase herumtanzen lässt, dass Rechtsstaat nicht hei-ßen darf, dass irgendwelche Leute bewaffnet und mit zigverschiedenen Identitäten frei durch unser Land reisenoder dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen nichtvollstreckt werden, nur weil das irgendeinem Parteitagnicht gefällt . Nein, wir als Union werden immer betonen,dass es in einem Rechtsstaat nicht nur Rechte gibt, son-
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dern auch das Recht . Und dafür werden wir uns auch inZukunft mit ganzer Kraft einsetzen .Vielen Dank .
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet .
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Ta-
gesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 19 . Januar 2017,
9 Uhr, ein . Kommen Sie morgen alle gesund wieder .
Die Sitzung ist geschlossen .