Protokoll:
18160

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 160

  • date_rangeDatum: 16. März 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:33 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/160 Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 160. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 17./18. März 2016 in Brüssel Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 15745 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 15749 C Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 15751 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15752 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15754 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 15756 A Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15758 D Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15760 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15761 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15762 D Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15764 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15765 C Matern von Marschall (CDU/CSU) . . . . . . . . 15766 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 15767 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15768 D Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchset- zung des Anspruchs der Urheber und aus- übenden Künstler auf angemessene Vergü- tung; weitere Fragen Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15767 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15771 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15771 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 15772 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15772 A Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15772 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15772 C Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 15772 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15772 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15773 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15773 A Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15773 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15773 B Dr. Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15773 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15773 D Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15773 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15774 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15774 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15774 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 15774 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15774 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 15775 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15775 B Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15775 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15775 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15775 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016II Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15776 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15776 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15776 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15776 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15776 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15777 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15777 B Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15777 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15778 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15778 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 15778 C Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde Drucksache 18/7841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15778 D Mündliche Frage 1 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausweitung des Mutterschutzes auf Schüle- rinnen, Studentinnen und Praktikantinnen Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15779 A Zusatzfragen Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15779 B Mündliche Frage 5 Herbert Behrens (DIE LINKE) Forderung nach einer schnellen Entschei- dung des Europäischen Gerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Pkw-Maut Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15779 D Zusatzfragen Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15780 A Mündliche Frage 6 Herbert Behrens (DIE LINKE) Vorlage angeforderter Unterlagen durch die Bundesregierung im Rahmen des Ver- tragsverletzungsverfahrens zur Pkw-Maut Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15780 D Zusatzfragen Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15780 D Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15781 B Mündliche Frage 16 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einstufung von Produkten mit HBCD als Sondermüll Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15781 D Zusatzfragen Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15782 A Mündliche Frage 18 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Entsorgungsstrategie für gefährliche Bohr- schlämme Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15783 A Zusatzfragen Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15783 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 15784 A Mündliche Frage 21 Niema Movassat (DIE LINKE) Verbesserungen beim Beschwerdemecha- nismus der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15784 D Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15785 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15785 D Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15786 B Mündliche Frage 22 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Übernahme der Sanierungskosten durch die Erdgas- und Erdölindustrie Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 III Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15787 A Zusatzfragen Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15787 B Mündliche Frage 23 Niema Movassat (DIE LINKE) Zweckgebundenheit der zusätzlichen Haus- haltsmittel für den Themenkomplex „Flucht und Migration“ Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15788 C Zusatzfragen Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 15789 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15789 D Mündliche Frage 24 Heike Hänsel (DIE LINKE) Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit Honduras nach der Ermordung der Men- schenrechtsverteidigerin Berta Cáceres Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15790 C Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15791 A Mündliche Frage 25 Heike Hänsel (DIE LINKE) Verwendung von in Syrien gewonnenen Aufklärungsdaten durch die Türkei Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15792 B Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 15792 C Mündliche Frage 35 Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vernetzung im Bereich politisch rechts mo- tivierter Straftaten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15793 B Zusatzfragen Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15793 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15795 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 15797 A Anlage 2 Mündliche Frage 2 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Politische Konsequenzen aus den Ergeb- nissen der Studie „Coming-out – und dann …?!“ Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15797 D Anlage 3 Mündliche Frage 3 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Beeinträchtigungen der informationstech- nischen Systeme in der Gesundheitsbranche Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretä- rin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15798 A Anlage 4 Mündliche Frage 4 Andrej Hunko (DIE LINKE) Abschaltung der Aufklärungssensorik von amerikanischen Überwachungsdrohnen beim Flug durch den deutschen Luftraum Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15798 C Anlage 5 Mündliche Frage 7 Sabine Leidig (DIE LINKE) Beschleunigung von EU-Vertragsverlet- zungsverfahren Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15799 A Anlage 6 Mündliche Frage 8 Sabine Leidig (DIE LINKE) Zusätzliche Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der UN-Klimakonferenz in Paris im Verkehrssektor Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016IV Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15799 A Anlage 7 Mündliche Frage 9 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung des Anteils des Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15799 B Anlage 8 Mündliche Frage 10 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung der Funkgeräte auf entgan- gene Anrufe durch Lokführer nach der Durchfahrt von Funklöchern Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15799 C Anlage 9 Mündliche Frage 11 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veränderungen an der Software zum An- und Abschalten der Abgasreinigung bei in Deutschland zugelassenen VW-Fahrzeugen Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15799 D Anlage 10 Mündliche Frage 12 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung der Beschwerden und Kla- gen gegen den Betrieb der belgischen Atom- kraftwerke Tihange und Doel Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15800 A Anlage 11 Mündliche Frage 13 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ultraschallverfahren zur Feststellung von Materialproblemen bei Reaktordruckbe- hältern der französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15800 B Anlage 12 Mündliche Frage 14 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fristgerechte Einreichung der Entsor- gungsberichte bzw. -programme gemäß der Richtlinie 2011/70/Euratom Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15800 D Anlage 13 Mündliche Frage 15 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vorlage wissenschaftlicher Kriterien zur Definition endokriner Disruptoren im EU-Umweltrat Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 A Anlage 14 Mündliche Frage 17 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Errichtung von sozial-gebundenem und günstigem Wohnungsbau Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 B Anlage 15 Mündliche Frage 19 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Notwendigkeit eines Zustimmungsgesetzes für die Ratifikation der Wirtschaftsabkom- men mit SADC und CARIFORUM Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 V Anlage 16 Mündliche Frage 20 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzielle deutsche Beteiligung am Aufbau und Betrieb des Multifunktionszentrums in Agadez/Niger Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 D Anlage 17 Mündliche Frage 26 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Kenntnisse über Camps der Terrormiliz al-Nusra an der türkischen Grenze in Syri- en und deren Unterstützung durch die Tür- kei Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15802 A Anlage 18 Mündliche Frage 27 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Erfüllung der Kriterien der Visa-Roadmap zwischen der EU und der Türkei Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15802 B Anlage 19 Mündliche Frage 28 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unterstützung von Reisen tunesischer Dele- gationen nach Deutschland Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15802 C Anlage 20 Mündliche Frage 29 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz ausländischer Spezialeinheiten in Libyen und angrenzenden Staaten Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 15803 A Anlage 21 Mündliche Frage 30 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mögliche Beschäftigung von Journalisten durch Sicherheitsbehörden zur verdeckten investigativen Aufklärungstätigkeit im In- und Ausland Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15803 B Anlage 22 Mündliche Frage 31 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kooperation und Informationsaustausch der Nachrichtendienste der EU-Mitglied- staaten zur Terrorbekämpfung Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15803 C Anlage 23 Mündliche Frage 32 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Meldung von erstmalig registrierten Asyl- suchenden in den ihnen zugewiesenen Erst- aufnahmeeinrichtungen Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15803 D Anlage 24 Mündliche Frage 33 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Vereinbarkeit der Rücknahme von auf den griechischen Inseln ankommenden Flücht- lingen in die Türkei mit der Genfer Flücht- lingskonvention Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15804 C Anlage 25 Mündliche Frage 34 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Entschärfung der huma- nitären Situation in Idomeni an der grie- chisch-mazedonischen Grenze Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15805 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016VI Anlage 26 Mündliche Frage 36 Andrej Hunko (DIE LINKE) Teilnahme von Behörden bzw. Institutionen am European Union Police Services Trai- ning sowie an der Europäischen Gendarme- rietruppe Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15805 B Anlage 27 Mündliche Frage 37 Katrin Kunert (DIE LINKE) Kfz-Steuer-befreite selbstfahrende Futter- mischwagen in landwirtschaftlichen Betrie- ben Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15805 C Anlage 28 Mündliche Frage 38 Katrin Kunert (DIE LINKE) Unterscheidung von gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben bei Futter- mischwagen im Kraftfahrzeugsteuergesetz Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15805 D Anlage 29 Mündliche Frage 39 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bau von Wohnungen im unteren Preisseg- ment durch Sonderabschreibungen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15805 D Anlage 30 Mündliche Frage 40 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Zusätzliche Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit und beim Bundesamt für Migra- tion und Flüchtlinge zur Betreuung von Flüchtlingen Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15806 A Anlage 31 Mündliche Frage 41 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Wechsel von Mitarbeitern der Bundesagen- tur für Arbeit zum Bundesamt für Migrati- on und Flüchtlinge Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15806 B Anlage 32 Mündliche Frage 42 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der Leistungsberechtigten nach dem SGB II durch die Erweiterung der An- erkennung von Zeiten der Arbeitslosigkeit Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15806 C Anlage 33 Mündliche Frage 43 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zustimmung im Sonderausschuss Land- wirtschaft zur Prüfung und Durchführung von Maßnahmen zur Mengenregulierung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . 15807 A Anlage 34 Mündliche Frage 44 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Marktkonforme Maßnahmen zur Regulie- rung des Milchmarktes Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . 15807 C Anlage 35 Mündliche Frage 45 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erwartete Importzuwächse von Agrarpro- dukten bzw. Nahrungsmitteln bei einer Re- alisierung des EU-Zollsenkungsangebots an die USA Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . 15808 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 VII Anlage 36 Mündliche Frage 46 Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aufgaben der Bundeswehroffiziere bei der Mission Inherent Resolve im Combined Air Operations Centre in Katar Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15808 C Anlage 37 Mündliche Frage 47 Inge Höger (DIE LINKE) Auswahlentscheidung für die Drohne He- ron TP als Übergangslösung für die Bun- deswehr Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15809 A Anlage 38 Mündliche Frage 48 Inge Höger (DIE LINKE) Ausbildung von Bundeswehrsoldaten an der Drohne Heron TP Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15809 C Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15745 160. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Beginn: 13.01 Uhr
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    Vizepräsident Johannes Singhammer (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15797 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 16.03.2016 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2016 Bülow, Marco SPD 16.03.2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 16.03.2016 Gundelach, Dr. Herlind CDU/CSU 16.03.2016 Gunkel, Wolfgang SPD 16.03.2016 Held, Marcus SPD 16.03.2016 Hendricks, Dr. Barbara SPD 16.03.2016 Hüppe, Hubert CDU/CSU 16.03.2016 Jung, Dr. Franz Josef CDU/CSU 16.03.2016 Kipping, Katja DIE LINKE 16.03.2016 Klingbeil, Lars SPD 16.03.2016 Liebing, Ingbert CDU/CSU 16.03.2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 16.03.2016 Nahles, Andrea SPD 16.03.2016 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2016 Ryglewski, Sarah SPD 16.03.2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 16.03.2016 Schneider (Erfurt), Carsten SPD 16.03.2016 Schwartze, Stefan SPD 16.03.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Stracke, Stephan CDU/CSU 16.03.2016 Thissen, Dr. Karin SPD 16.03.2016 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2016 Veit, Rüdiger SPD 16.03.2016 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2016 Weiler, Albert CDU/CSU 16.03.2016 Wendt, Marian CDU/CSU 16.03.2016 Wicklein, Andrea SPD 16.03.2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 16.03.2016 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 2): Welche politischen Konsequenzen zieht die Bundesregie- rung aus den Ergebnissen der im November 2015 vorgestell- ten Studie des Deutschen Jugendinstituts „Coming-out – und dann ...?!“, und sind weitere Studien zum Thema „queere Ju- gendliche“ geplant (bitte begründen)? Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Studie ist eine notwendige Basis für die Identifizierung wirksamer und zielgenauer Handlungsbedarfe. Die Studienergebnisse werden in der Arbeit der Bun- desregierung zu allen Themenstellungen berücksichtigt, die unmittelbar oder mittelbar „sexuelle Orientierung“ oder „Geschlechtsidentität“ berühren. Darüber hinaus fördert die Bundesregierung eine Viel- zahl von Maßnahmen, um die Lebenssituation von Men- schen mit LSBTI*-Merkmalen nachhaltig zu verbessern. Auch hier gilt es, die Befragungsergebnisse einfließen zu lassen. Das Bundesministerium fördert im Anschluss an die Studie eine wissenschaftliche Buchpublikation, um das Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615798 (A) (C) (B) (D) große Fachinteresse zu bedienen und um fachspezifische Zielgruppen als auch Politik auf allen Ebenen und die breite Öffentlichkeit besser zu erreichen. Die Publikation wird neben einer Beleuchtung des Themas aus jugendso- ziologischer Perspektive und einem Überblick über den aktuellen Forschungsstand die Studienergebnisse über- sichtlich darstellen und diskutieren. Eine spezielle Studie zum Thema „queere Jugendli- che“ ist aktuell nicht geplant. Zunächst sind die vorlie- genden überaus komplexen Studienergebnisse detailliert in den Blick zu nehmen. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LIN- KE) (Drucksache 18/7841, Frage 3): Welche Beeinträchtigungen der informationstechnischen Systeme, Komponenten oder Prozesse wurden dem Bundes- amt für Sicherheit in der Informationstechnik durch Kran- kenhäuser oder andere Betreiber kritischer Infrastruktur der Gesundheitsbranche in den vergangenen sechs Monaten ge- meldet, und welche Krankenhäuser oder anderen Dienstleis- ter im Gesundheitswesen haben bereits den erforderlichen Nachweis der Angemessenheit organisatorischer und techni- scher Vorkehrungen zur Vermeidung von Störungen der Ver- fügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit ihrer informationstechnischen Systeme durch Sicherheitsaudits, Prüfungen oder Zertifizierungen erbracht? Die Zuständigkeit für die Gewährleistung der IT-Si- cherheit in den Krankenhäusern liegt grundsätzlich bei den Ländern. Insofern liegen dem Bundesministerium für Gesundheit keine Informationen zu dort erbrachten Nachweisen der IT-Sicherheit sowie zu den in der Frage- stellung genannten Dienstleistern vor. Die in der Frage angesprochenen Regelungen für Be- treiber kritischer Infrastrukturen hinsichtlich Meldungen an das Bundesamt für Sicherheit in der Informations- technik (BSI) und Maßnahmen für organisatorische und technische Vorkehrungen zum Schutz informationstech- nischer Systeme, Komponenten oder Prozesse sind Ge- genstand des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG). Bisher sind im BSI keine Meldungen aus dem Gesund- heitssektor nach § 8 b Absatz 4 BSIG eingegangen. Die Pflicht der Betreiber kritischer Infrastrukturen zur Mel- dung von erheblichen Störungen der IT-Sicherheit be- ginnt mit der Benennung einer Kontaktstelle nach § 8 b Absatz 3 BSIG durch die Betreiber. Hierfür haben die Betreiber nach der Ausweisung als kritische Infrastruktur durch die Rechtsverordnung nach § 10 Absatz 1 BSIG sechs Monate Zeit. In dieser Rechtsverordnung werden die wichtigsten Infrastrukturen aus den KRITIS-Sekto- ren (zum Beispiel Gesundheit) identifiziert. Angemes- sene organisatorische und technische Vorkehrungen und sonstige Maßnahmen zum Schutz der informationstech- nischen Systeme, Komponenten oder Prozesse haben die Betreiber kritischer Infrastrukturen nach § 8 a Absatz 1 BSIG binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Rechts- verordnung nach § 10 Absatz 1 BSIG zu treffen. Erst mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung steht demnach fest, welche der Krankenhäuser unter die Meldepflicht und unter die Pflicht zur Einhaltung eines Mindeststandards für IT-Sicherheit fallen und ab welchem Zeitpunkt die entsprechenden Pflichten zu erfüllen sind. Die derzeiti- gen Planungen sehen ein Inkrafttreten der Rechtsverord- nung zur Festlegung der betroffenen Einrichtungen im Gesundheitswesen zum Ende des Jahres vor. Unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung wur- den dem BSI auf freiwilliger Basis drei Vorfälle aus dem Gesundheitssektor gemeldet. Bei allen drei Vorfällen kam es zu einer Infektion mit Ransomware. Detaillierte Infor- mationen zu den betroffenen Systemen, Komponenten oder Prozessen wurden nicht gemeldet – hierzu besteht bei freiwilligen Meldungen auch keine Verpflichtung. Die Krankenhäuser sind für das Thema sensibilisiert und haben sich zum Ziel gesetzt, eine Verbesserung der IT-Sicherheit zu erreichen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Druck- sache 18/7841, Frage 4): Inwiefern nimmt die Bundesregierung Berichte über das in mindestens 20 Fällen erfolgte Ausspionieren der Bevöl- kerung in den Vereinigten Staaten von Amerika durch Droh- nen des eigenen Verteidigungsministeriums (USA Today vom 9. März 2016) zum Anlass, statt einer lediglich „schriftlich bestätigten“ Zusicherung zur Abschaltung der Aufklärungs- sensorik von US-Überwachungsdrohnen beim Flug durch deutsche Lufträume (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdruck- sache 18/6978 zu Frage 22) die versprochene Abschaltung durch eigene Maßnahmen zu überprüfen, und was ergab die „ressortübergreifende Abstimmung“ innerhalb der Bundesre- gierung, einem neuerlichen Antrag der US-Regierung zur Ver- längerung der erteilten Überfluggenehmigung für den Transit zur EU-Außengrenze mit Russland bis zum 1. Oktober 2016 zuzustimmen (Antwort der Bundesregierung auf die Klei- ne Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksa- che 18/7706 zu Frage 10)? Die USA sicherten die Abschaltung der Aufklärungs- sensorik während des Transits durch den deutschen Luftraum zu. Die Einhaltung dieser Auflage wurde schriftlich in einem Memorandum of Understanding be- stätigt. Aufgrund des klaren politischen Willens Deutsch- lands zur Unterstützung der USA und der östlichen Bündnispartner wie auch der Allianz insgesamt ist eine Verlängerung der bisher erteilten Überfluggenehmi- gung sowie des bestehenden Letter of Agreement unter Berücksichtigung aller bestehenden Auflagen bis zum 13. Oktober 2016 beabsichtigt. Darüber hinaus liegen dem Bundesministerium der Verteidigung keine Erkenntnisse im Sinne der Frage- stellung vor, die nicht bereits in den Bundestagdruck- sachen 18/6978 und 18/7706 erläutert sind. In Umsetzung des Ergebnisses der „ressortüber- greifenden Abstimmung“ zum neuerlichen Antrag der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15799 (A) (C) (B) (D) US-Regierung zur Verlängerung der erteilten Überflug- genehmigung durch den deutschen Luftraum werden die notwendigen luftraumseitigen Maßnahmen durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruk- tur veranlasst. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Sabine Leidig (DIE LINKE) (Druck- sache 18/7841, Frage 7): Welche Möglichkeiten zur Beschleunigung von EU-Ver- tragsverletzungsverfahren stehen den Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung offen (bitte unter Angabe der Rechtsgrundlage aufführen), und von welchen will sie im lau- fenden Verfahren zur Pkw-Maut Gebrauch machen? Die EU-Mitgliedstaaten haben rechtlich keine Mög- lichkeiten zur Beschleunigung von Vertragsverletzungs- verfahren. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 8): Mit welchen zusätzlichen Maßnahmen, die über das Akti- onsprogramm Klimaschutz 2020 hinausgehen, will die Bun- desregierung im Verkehrssektor dazu beitragen, die Ziele der UN-Klimakonferenz in Paris zu erreichen? Die Bundesregierung erarbeitet derzeit den Klima- schutzplan 2050. Im Rahmen seiner Erarbeitung wird auch für den Sektor Verkehr über verschiedene Maßnah- men diskutiert, die zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen können. Parallel wird derzeit die Weiterentwicklung der Mo- bilitäts- und Kraftstoffstrategie als ein zentrales Umset- zungsinstrument für die Energiewende im Verkehr vo- rangetrieben. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 9): Hält die Bundesregierung an dem in der nationalen Nach- haltigkeitsstrategie verankerten und ursprünglich bis 2015 zu erreichenden Ziel fest, den Anteil des Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung auf 25 Prozent zu erhöhen, und mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung dieses Ziel erreichen? Die Bundesregierung hält an dem Ziel der Verlage- rung des Güterverkehrs auf die Schiene fest, wie dies in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankert ist. Diesem Ziel diente unter anderem auch der Investitions- hochlauf in Bezug auf die Schieneninfrastruktur in den letzten Jahren. Auch im Rahmen der derzeit laufenden Weiterent- wicklung der Ziele und Indikatoren der nationalen Nach- haltigkeitsstrategie ist die Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger weiterhin ein wichtiger Aspekt, um die Energie- und Kli- maschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 10): Wie bewertet die Bundesregierung aus Sicherheitsaspekten die Tatsache, dass nach Auskunft des Eisenbahn-Bundesamtes Lokführer nach jeder Durchfahrt eines Funklochs das Funk- gerät auf entgangene Anrufe überprüfen und den Zug gegebe- nenfalls anhalten müssen (vergleiche www.welt.de/regionales/ baden-wuerttemberg/article153081508/Bahn-spricht-mit-Mo- bilfunkanbietern-wegen-Funkloechern.html), und wie häufig kam es seit Jahresanfang 2015 vor, dass Züge auf den Schie- nenwegen des Bundes wegen der Durchfahrt eines Funklochs anhalten mussten? Die dem Eisenbahn-Bundesamt unspezifisch zuge- schriebene Aussage ist sinnentstellend verkürzt darge- stellt. Nur in dem Ausnahmefall, dass ein ohnehin sel- tener Notruf gestört beim Triebfahrzeugführer eingeht, gelten besondere Regelungen. Wenn ein Triebfahrzeugführer eine durch Notruf ein- geleitete Meldung nicht eindeutig aufnehmen und verste- hen kann, muss er sofort die Geschwindigkeit des Zuges auf höchstens 40 km/h verringern und so lange auf Sicht weiterfahren, bis der Inhalt der verstümmelten Meldung geklärt ist. Bei einem Nothaltauftrag als besonders gravierendem Notruf gilt: Der Triebfahrzeugführer muss einen Nothal- tauftrag sofort ausführen, auch wenn er ihn unvollständig aufgenommen hat. In wie vielen Fällen von der Regelung Gebrauch ge- macht werden musste, ist der Bundesregierung nicht be- kannt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 11): Welche Informationen hat die Bundesregierung über Ver- änderungen an der Software zum Ab- und Anschalten der Ab- gasreinigung bei in Deutschland zugelassenen VW-Fahrzeu- gen seit Anfang des Jahres 2014 bis zum Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015, und welche Konsequen- zen für Deutschland zieht die Bundesregierung aus den jüngs- ten Enthüllungen über entsprechende Softwareveränderungen in dem genannten Zeitraum in den USA? http://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article153081508/Bahn-spricht-mit-Mobilfunkanbietern-wegen-Funkloechern.html http://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article153081508/Bahn-spricht-mit-Mobilfunkanbietern-wegen-Funkloechern.html http://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article153081508/Bahn-spricht-mit-Mobilfunkanbietern-wegen-Funkloechern.html Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615800 (A) (C) (B) (D) Im Zeitraum Anfang 2014 bis zum Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 lagen der Bun- desregierung keine Informationen über Veränderungen an der Software zum unzulässigen Ab- und Anschalten der Abgasreinigung bei in Deutschland zugelassenen VW-Fahrzeugen vor. Die aktuellen Meldungen über ent- sprechende Softwareänderungen betreffen nach heutiger Kenntnis ausschließlich US-Fahrzeuge. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 12): Ist die Bundesregierung bereit, die Beschwerde der Bun- desländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (www. umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2016-03-08-nord- rhein-westfalen-legt-beschwerde-gegen-belgische-atomkraft- werke-ein/) und/oder die Klagen der Städteregion Aachen und anderer Kommunen (www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/ klage-tihange-100.html) gegen den Betrieb der Atomkraftwer- ke Tihange und Doel in Belgien zu unterstützen oder ihnen beizutreten, und wenn nein, plant die Bundesregierung eigene Klagen oder Beschwerden gegen den Weiterbetrieb der belgi- schen Atomkraftwerke? Der Bundesregierung liegen jenseits der auch aus der Presse bekannten Informationen keine Details zu den in der Frage angesprochenen Klagen und Beschwerden vor. Die Bundesregierung plant derzeit vor dem Hinter- grund des jetzigen Kenntnisstandes keine Klagen ge- gen den Weiterbetrieb der belgischen Atomkraftwerke, sondern setzt auf die ihr zur Verfügung stehenden an- derweitigen Möglichkeiten. Gleichzeitig respektiert die Bundesregierung die im europäischen Primärrecht ver- ankerte Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bezüglich des nationalen Energiemix. Die Bundesregierung verleiht ihrer Besorgnis auf po- litischer und fachlicher Ebene Ausdruck und steht mit ihren Partnern in Belgien einschließlich der belgischen Atomaufsicht in intensivem Kontakt. So hat Bundesumweltministerin Dr. Hendricks, um die deutsch-belgische Zusammenarbeit in Fragen der Reaktorsicherheit zu verstärken und auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen, mit Vizepremier- und Innenminis- ter Jambon die Einrichtung einer deutsch-belgischen Ar- beitsgruppe zur nuklearen Sicherheit vereinbart. Parallel dazu wird ein Abkommen ausgehandelt. Die auf dieser Grundlage regelmäßig tagende Kommission bietet eine verlässliche Grundlage zur offenen und kritischen Dis- kussion zentraler nuklearer Sicherheitsfragen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 13): Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung, mit konkret welchen Ultraschallverfahren in den letzten Jahren untersucht wurde, ob die Reaktordruckbehälter der grenznahen französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim durch ein ähnlich gravierendes Materialproblem wie die Reaktordruckbehälter der Atomkraftwerke Beznau 1, Tihange 2 oder Doel 3 geschwächt sind oder nicht (vergleiche hierzu zuletzt die Antwort auf meine mündliche Frage 12, Ple- narprotokoll 18/157, Seite 15444; gegebenenfalls bitte mit An- gabe des jeweiligen Datums der Untersuchungen), und über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung, welche Re- aktordruckbehälterbereiche dabei jeweils im Detail untersucht wurden? Nach dem Bericht der WENRA, der Western Euro- pean Nuclear Regulators’ Association, vom 17. Dezem- ber 2014 sind die Schmiederinge aller Reaktordruck- behälter in den französischen Atomkraftwerken – dies schließt demnach auch die Standorte Fessenheim und Cattenom mit ein – zerstörungsfreien Prüfungen mit Ul- traschall unterzogen worden. Hierbei ist eine speziell für die Erkennung von Unterplattierungsrissen qualifizierte Ultraschalltechnik zum Einsatz gekommen. Durch diese Technik wurden im Jahr 2012 erstmals Anzeigen in dem belgischen Reaktorblock des Atomkraftwerkes Doel 3 aufgefunden, die auf Wasserstoffflocken schließen las- sen. Darüber hinaus sind laut dem Bericht der WENRA Ultraschallprüfungen durchgeführt worden, die zur Er- kennung von möglichen wasserstoffinduzierten Fehlern im Grundmaterial der Reaktordruckbehälter qualifiziert sind. Wie zuletzt in der Antwort der Bundesregierung auf die mündliche Frage 12 auf Bundestagsdrucksa- che 18/157, Seite 15 444, erwähnt, geht aus diesem Bericht hervor, dass sich aus diesen durchgeführten Prüfungen keine Hinweise auf entsprechende wasserstoffi nduzierte Fehler in den Reaktordruckbehältern wie in Doel 3 und Tihange 2 ergeben haben. Darüber hinausgehende Infor- mationen zu den an den französischen Reaktordruckbe- hältern unternommenen Ultraschallprüfungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 14): Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung zur fristgerechten Einreichung der Entsorgungsberichte bzw. -programme laut der Richtlinie 2011/70/Euratom an die Eu- ropäische Kommission von Österreich, Tschechien, Polen, Finnland, Schweden, Dänemark, Niederlande, Luxemburg, Belgien, Frankreich und Großbritannien, und aus welchen Be- richten gehen für die Bundesregierung Entsorgungsstrategien hervor, die zu einer Beeinträchtigung oder Gefährdung der deutschen Umwelt führen könnten und daher einer grenzüber- schreitenden Strategischen Umweltprüfung (SUP) unterliegen sollten (bitte erläutern, insbesondere wenn laut der Bundesre- gierung kein Gefährdungspotenzial vorliegt)? Der Bundesregierung liegt kein umfassender Bericht der Europäischen Kommission zur fristgerechten Ein- reichung der Entsorgungsprogramme anderer Staaten gemäß Richtlinie 2011/70/Euratom vor. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit ist damit beauftragt, öffentlich zugängliche Informationen auszuwerten und http://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2016-03-08-nordrhein-westfalen-legt-beschwerde-gegen-belgische-atomkraftwerke-ein/ http://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2016-03-08-nordrhein-westfalen-legt-beschwerde-gegen-belgische-atomkraftwerke-ein/ http://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2016-03-08-nordrhein-westfalen-legt-beschwerde-gegen-belgische-atomkraftwerke-ein/ http://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2016-03-08-nordrhein-westfalen-legt-beschwerde-gegen-belgische-atomkraftwerke-ein/ file:///T:/Produktion/2016/BD%2022/KW%2011/160/52_DTP_Setzen/Word/Anlagen/www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/klage-tihange-100.html file:///T:/Produktion/2016/BD%2022/KW%2011/160/52_DTP_Setzen/Word/Anlagen/www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/klage-tihange-100.html Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15801 (A) (C) (B) (D) Kontakt zu Fachbehörden anderer Staaten aufzunehmen, um deren Nationalen Entsorgungsprogramme zu erhal- ten. Zu Planungen in Nachbarstaaten für Einrichtungen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, von denen poten- ziell erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswir- kungen ausgehen können, wird die Bundesregierung eine grenzüberschreitende Beteiligung unabhängig von der Frage fordern, ob diese Planungen Teil eines Nationalen Entsorgungsprogramms sind. Für eine Einschätzung, in- wieweit ein grenzüberschreitendes Gefährdungspotenzi- al vorliegen könnte, sind bisher keine ausreichend kon- kreten Informationen zu den Planungen in den benannten Staaten bekannt. Gegenüber der Tschechischen Republik hat die Bun- desregierung bereits eine Beteiligung an der Strategi- schen Umweltprüfung zum tschechischen „Konzept der Behandlung radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brenn- elemente“ geltend gemacht. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 15): Welche Gründe hat die EU-Kommission auf der letzten Sitzung des Umweltrates (4. März 2016) für ihr Versäumnis, wissenschaftliche Kriterien zur Definition endokriner Disrup- toren vorzulegen, angeführt, und welchen Zeitplan hat sie den Mitgliedstaaten zur Vorlage ebendieser Kriterien präsentiert? Die Gründe der Kommission, um das Nichteinhalten der zeitlichen Vorgabe zum Erlass der wissenschaftlichen Kriterien zu rechtfertigen, waren Bestandteil der Rechts- sache T 521/14 Schweden/Kommission (Untätigkeits- klage gegen die Kommission) und wurden entsprechend vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprüft. Der EuGH erkannte die Gründe, die die Kommission zur Er- klärung des Zeitverzugs vorgebracht hatte, durchgehend nicht an. Auf der Sitzung des Umweltrats am 4. März 2016 hat die Kommission nicht zu ihren Gründen gesprochen. Die Kommission hatte insbesondere als Grund für ihr Ver- säumnis ausgeführt, dass sie das Erfordernis sehe, zu- nächst eine Folgenabschätzung der Auswirkungen der verschiedenen infrage kommenden Lösungen für die Ausgestaltung der Kriterien durchzuführen. Die Kommission stellte in Aussicht, dass die Kriteri- en noch vor dem Sommer (keine konkretere Zeitangabe) vorgelegt werden könnten. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage des Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 17): Was plant die Bundesregierung konkret nur für die Errich- tung von sozial-gebundenem und günstigem Wohnungsbau, und ist die Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau um 1 Milliarde Euro mit dem Bundesminister der Finanzen abgestimmt? Der Kabinettsbeschluss über die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2017 sowie für den Finanzplan des Bun- des 2016 bis 2020 ist für den 23. März 2016 vorgesehen. Vorab können keine weiteren Angaben gemacht werden. Auf die Antwort des Parlamentarischen Staatssekre- tärs beim Bundesminister der Finanzen, Herrn MdB Jens Spahn, vom 22. Februar 2016 auf die schriftliche Frage Nummer 93 wird verwiesen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 19): Welche Artikel bzw. Passagen (bitte für jedes Abkommen einzeln aufführen) in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit SADC (SADC: Southern African Development Commu- nity) und der Ländergruppe CARIFORUM lösen nach Ansicht der Bundesregierung die Notwendigkeit aus, dass die Legis- lative in Deutschland der Ratifikation der beiden gemischten Abkommen zustimmen muss (vergleiche Antwort der Bun- desregierung auf meine schriftliche Frage 68 auf Bundestags- drucksache 18/7794), und wann wird die Prüfung abgeschlos- sen sein? Ob für die Ratifikation der Wirtschaftspartnerschafts- abkommen (EPAs) mit erstens den SADC-WPA-Staaten und zweitens den CARIFORUM-Staaten ein Zustim- mungsgesetz erforderlich ist, wird für jedes Abkommen individuell geprüft. Die verfassungsrechtliche Prüfung des CARIFORUM- EPA hat ergeben, dass die Zustimmung des Bundestags und auch des Bundesrats erforderlich ist. Dies liegt ins- besondere an den Verpflichtungen zum Schutz des geisti- gen Eigentums, wie sie in Artikel 139 ff., 151 ff. nieder- gelegt sind. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dem Bun- destag in absehbarer Zeit auch das SADC-EPA zur Zu- stimmung vorgelegt wird. Das Zustimmungserfordernis wird hier im Wesentlichen durch die Verpflichtungen des Artikels 16 zum Schutz der Rechte des geistigen Ei- gentums, insbesondere diejenigen zur Durchsetzung der Schutzverpflichtungen, ausgelöst. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 20): In welcher Höhe (bitte nach Haushaltstiteln auflisten) flossen deutsche Mittel in den Aufbau und Betrieb des Mul- tifunktionszentrums in Agadez/Niger, und wie stellt die Bun- desregierung sicher, dass im Multifunktionszentrum bei der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615802 (A) (C) (B) (D) Versorgung der Flüchtlinge menschenrechtliche Standards eingehalten werden? Ein solches „Multifunktionszentrum“ in Agadez/Ni- ger ist derzeit noch nicht in Betrieb. Gegenwärtig wird dort von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ein Unterstützungszentrum für Migrantinnen und Migranten betrieben. In diesem Zentrum werden diese beherbergt, versorgt und erhalten Beratung und Hilfe zur freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer. Die IOM hat sich selbst zur Einhaltung hoher menschenrechtlicher Standards verpflichtet. Darüber wachen die jeweiligen Gremien der Organisation. Deutschland ist als Mitglied der IOM in diesen Gremien vertreten. Eine zweckgebundene Finanzierung aus Mitteln des Bundeshaushaltes für den Aufbau und Betrieb eines „Multifunktionszentrums“ in Agadez findet nicht statt. Das Unterstützungszentrum der IOM wird hingegen mit Mitteln aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika unter- stützt. Deutschland leistet außerdem einen Pflichtbeitrag an die IOM. Anlage 17 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Ab- geordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/7841, Frage 26): Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nach- richtendienstliche), dass die islamistische Terrormiliz al-Nus- ra im Norden Syriens unmittelbar an der Grenze zur Türkei Camps errichtet hat und dass die islamistische Terrormiliz al-Nusra im Norden Syriens über den Grenzpunkt Bab al-Sa- lama regelmäßig Unterstützung aus dem NATO-Mitgliedstaat Türkei erhält, wozu nach Beobachtungen der kurdisch-sy- rischen Volksverteidigungseinheiten YPG auch regelmäßig Waffenlieferungen gehören (www.rt.com/news/334483-tur- key-nusra-ypg-exclusive/)? Über türkische Waffenlieferungen an Jabhat al-Nusra liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Die weitere Beantwortung der Frage ist gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministe- riums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen als VS-Nur für den Dienst- gebrauch eingestuft und geht der Fragestellerin geson- dert zu. Anlage 18 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Ab- geordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/7841, Frage 27): Welche der 72 Kriterien der Visa-Roadmap zwischen der EU und der Türkei für die Einführung einer Visumfreiheit sind aktuell noch nicht erfüllt, und inwieweit wird Deutschland im Rahmen der EU darauf drängen, dass die Türkei insbesondere den geografischen Vorbehalt zur Genfer Flüchtlingskonventi- on aufheben muss, wie es die Roadmap vorsieht (Reuters vom 10. März 2016)? Von den 72 Kriterien der Visa-Roadmap zwischen der EU und der Türkei sind laut dem am 4. März veröf- fentlichten zweiten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission 19 Kriterien vollständig erfüllt und 17 Kri- terien fast erfüllt. Drei Kriterien sind nicht erfüllt, die übrigen in unterschiedlicher Ausprägung teilweise. Die drei nicht erfüllten Kriterien betreffen den nicht- diskriminierenden visumfreien Zugang der Staatsange- hörigen aller EU-Mitgliedstaaten zum Hoheitsgebiet der Türkei, den Abschluss einer Vereinbarung über opera- tive Zusammenarbeit mit Europol sowie die Annahme und Umsetzung von den EU-Standards entsprechenden Rechtsvorschriften für den Schutz personenbezogener Daten. Die „Annahme und wirksame Umsetzung von Rechts- vorschriften … im Einklang … mit den Standards der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 … ohne jede geographische Einschränkung“ ist eine der 72 Kriterien der Visa-Roadmap. In ihrem jüngsten Fortschrittsbericht bescheinigt die EU-Kommission der Türkei, dieses Kriterium teilweise erfüllt zu haben; die Aussichten auf eine vollständige Er- füllung seien gut. Anlage 19 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Ab- geordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 28): Welche Reisen von tunesischen Delegationen nach Deutschland hat das Auswärtige Amt in diesem Jahr bereits unterstützt, und für welche Reisen ist bisher noch Unterstüt- zung geplant? Der Besucheraustausch zwischen Tunesien und Deutschland bleibt rege – auch unabhängig von finan- zieller Unterstützung durch das Auswärtige Amt. So be- suchte der neue tunesische Außenminister Jhinaoui am 19. Januar 2016 Berlin, nur wenige Tage nach seinem Dienstantritt. Mit Unterstützung aus Haushaltsmitteln des Auswär- tigen Amts sind im Jahr 2016 unter anderem noch Rei- sen von Vertretern des tunesischen Verfassungsgerichts zum Bundesverfassungsgericht, von Politikern der Partei Nidaa Tounes zum Thema Parteiorganisation und poli- tische Kommunikation und von Teilnehmerinnen des deutsch-arabischen Frauennetzwerks nach Deutschland geplant. Weitere Reisen im Jahr 2016 sind möglich. Die Bundesregierung wird Tunesien weiterhin bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen insbe- sondere in den Bereichen wirtschaftliche Entwicklung und Sicherheit engagiert unterstützen. http://www.rt.com/news/334483-turkey-nusra-ypg-exclusive/ http://www.rt.com/news/334483-turkey-nusra-ypg-exclusive/ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15803 (A) (C) (B) (D) Anlage 20 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Ab- geordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 29): Welche Informationen hat die Bundesregierung über den bisherigen Einsatz US-amerikanischer, italienischer und französischer Spezialeinheiten zusammen mit solchen an- derer westlicher Staaten schon jetzt und seit 2014 in Libyen und angrenzenden Ländern angesichts der hohen Anzahl von Flüchtlingen aus Afrika in Lagern in Libyen und deren Unter- bringungssituation, und teilt die Bundesregierung die Befürch- tung, dass aus einer bevorstehenden offiziellen militärischen Intervention der US-Streitkräfte zusammen mit europäischen Partnern ehemaliger Kolonialmächte in Libyen ein Vielfron- tenkrieg und eine katastrophale Situation entstehen könnten, wie derzeit in Syrien mit Hunderttausenden verzweifelter Flüchtlinge, die nach Europa streben? Die Tätigkeit westlicher Spezialeinheiten in Libyen beschränkt sich nach der Bundesregierung vorliegenden Informationen auf Beratung und Aufklärung terroristi- scher Gefahren, auch in Anbetracht der weiteren Aus- breitung des IS in Libyen. Die Bundesregierung unterstützt die Vereinten Na- tionen und deren Sondergesandten Martin Kobler. Die Bildung einer Einheitsregierung ist vorrangiges Ziel und beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Terror und illegaler Migration. Derzeit befinden sich in Libyen geschätzt circa 1 bis 1,2 Millionen Flüchtlinge und Arbeitsmigranten vor al- lem aus Ägypten und Subsahara-Afrika. Nach VN-Anga- ben sind etwa 250 000 davon hilfsbedürftig. Circa 3 000 bis 5 000 Migranten befinden sich unter sehr schlechten Bedingungen in teilweise von Milizen unterhaltenen Ge- fängnissen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 30): Welche Auskünfte gibt die Bundesregierung über die Beschäftigung von Journalisten als verdeckte investigati- ve Aufklärungsgehilfen im In- und Ausland bzw. über die Nutzung von deren Erkenntnissen durch die einzelnen Si- cherheitsbehörden des Bundes seit 2010 (bitte aufschlüsseln nach Behörde, Jahr, Zahl und Medien), vor allem durch das Bundeskriminalamt bezüglich Islamisten (vergleiche etwa SZ vom 8. März 2016 „Der Fund“; vergleiche auch Kontext vom 18. Juni 2014, „Der ‚Hilfspolizist“, http://gruenlink.de/14k7), und welche rechtlichen sowie praktischen Grenzen beachten die Sicherheitsbehörden bei einer solchen Zusammenarbeit, um angesichts einschlägiger Presseratsrichtlinien (etwa die Nummern 5.2 und 6.1: Verbot von nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Doppelfunktionen) die Unabhängigkeit solcher Journalisten sowie der sie beschäftigenden Medien nicht zu kompromittieren? Innerhalb der zur Beantwortung einer mündlichen Frage vorgegebenen Frist ist der Bundesregierung eine vollumfassende Beantwortung für alle betroffenen Si- cherheitsbehörden nicht möglich. Sicherheitsbehörden im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern werben grundsätzlich keine Journalisten zur verdeckten Informationsgewinnung an. Die Berufsbe- zeichnung „Journalist“ ist allerdings nicht gesetzlich geschützt. Jeder kann sich Journalist nennen. Inwieweit sich Personen, die sich als Journalisten verstehen und entsprechend auftreten, den Richtlinien des Presserates unterwerfen, kann die Bundesregierung nicht beurteilen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 31): Gibt es bereits konkrete Schritte zur Umsetzung der Er- richtung einer Plattform, einer gemeinsamen Datenbank oder Ähnlichem von 30 Nachrichten- und Sicherheitsdiensten von EU-Mitgliedstaaten, die die Kooperation und den Informati- onsaustausch im Antiterrorkampf durch die Einrichtung ei- ner neuen Plattform in der sogenannten Counter-Terrorism Group (CTG) beschleunigen wollen (vergleiche „Europas Geheimdienste gründen Info-Plattform“, www.zeit.de/politik/ ausland/2016-02/geheimdienste-europa-kooperation-terroris- mus-islamismus), und ist die Bundesregierung der Meinung, dass die geplante Kooperation de lege lata oder auf der gesetz- lichen Grundlage des derzeit zwischen den Koalitionsfraktio- nen der CDU/CSU und SPD in Abstimmung befindlichen Re- formentwurfs eines BND-Gesetzes erfolgen kann bzw. soll? Die Counter-Terrorism Group (CTG) richtet im ers- ten Halbjahr 2016 eine sogenannte operative Plattform ein, die durch von den CTG-Diensten entsandte Ver- bindungsbeamte den Austausch operativer Erkenntnisse zum Phänomenbereich islamistischer Terrorismus ver- einfachen und beschleunigen soll. Daneben wird derzeit geprüft, wie dieser Erkenntnisaustausch informations- technisch unterstützt werden könnte. Innerhalb der CTG existiert bereits eine intensive und ergiebige Kooperati- on. Ziel der Plattform ist ein noch engerer und umfassen- derer Informationsaustausch auf multilateraler Basis. Die Plattform soll die bisherige Zusammenarbeit der europä- ischen Inlandsdienste ergänzen. Der Informationsaus- tausch erfolgt unter Beachtung der geltenden nationalen Übermittlungsvorschriften. Eine Teilnahme des BfV an der geplanten operativen Plattform der CTG wird auf der Grundlage des geltenden Rechts realisiert werden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/7841, Frage 32): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung seit der Einführung der Kerndatendatei im Ausländerzentralregis- ter (AZR) und des Ankunftsnachweises dazu vor, wie viele erstmalig registrierte Asylsuchende sich im Anschluss an die Registrierung in den ihnen zugewiesenen Erstaufnahmeein- richtungen melden (bitte mit konkreten Zahlen unterlegen), und wie ist der aktuelle Stand bei der praktischen Umsetzung des neuen Ankunftsnachweises und des Kerndatensystems im http://gruenlink.de/14k7 http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/geheimdienste-europa-kooperation-terrorismus-islamismus http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/geheimdienste-europa-kooperation-terrorismus-islamismus http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/geheimdienste-europa-kooperation-terrorismus-islamismus Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615804 (A) (C) (B) (D) AZR (bitte ausführen und konkrete Probleme bzw. Herausfor- derungen sowie aktuelle Zeitplanungen nennen)? Eine Zahl kann die Bundesregierung derzeit noch nicht nennen. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz (DAVG), mit dem unter anderem das Kerndatensystem und der Ankunftsnachweis für Asylsuchende eingeführt worden sind, ist am 5. Februar 2016 in Kraft getreten. Seit Mitte Februar wird das neue Verfahren zur Registrierung und Ausstellung des Ankunftsnachweises sukzessive im Bun- desgebiet ausgerollt und soll im Sommer dieses Jahres bundesweit flächendeckend zur Verfügung stehen. Daher wird sich erst ab dem Zeitpunkt, in dem eine flächen- deckende Ausstellung der Ankunftsnachweise gewähr- leistet ist, auch eine Aussage über die Zahl der Regis- trierten treffen lassen, die sich in die ihnen zugewiesenen Aufnahmeeinrichtungen begeben und dort einen An- kunftsnachweis erhalten haben. Bis zum 10. März 2016 sind im gesamten Bundesge- biet insgesamt 6 243 Ankunftsnachweise in Erstaufnah- meeinrichtungen ausgestellt worden. Zum aktuellen Stand bei der praktischen Umsetzung des neuen Ankunftsnachweises und des Kerndatensys- tems im Ausländerzentralregister (AZR) ist zu sagen: Das neue Verfahren für die Registrierung und Ausstel- lung des Ankunftsnachweises konnte von Mitte Januar bis Mitte Februar an fünf Standorten erfolgreich pilo- tiert werden: Berlin, Bielefeld, Herford, Heidelberg und Zirndorf. Dort wurden bereits über 1 800 Ankunftsnach- weise in der Pilotphase ausgestellt. Seit dem 15. Februar wird das Verfahren nun sukzessive in die Fläche ausge- rollt. Die Piloten sind in den Produktivbetrieb überge- gangen. In Berlin und im Saarland ist der Rollout bereits abgeschlossen. Anfang März hat der Rollout in Nord- rhein-Westfalen begonnen. Seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Bundesdru- ckerei erfolgen aktuell softwaretechnische Optimierun- gen am Erfassungssystem und an den Datenabrufschnitt- stellen. Seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) erfolgt die Erweiterung des Ausländerzentralregis- ters. Konkrete Probleme bzw. Herausforderungen: Derzeit wird die Pilotierung der Migration von Be- standsdaten mit dem Saarland vorbereitet. Der Pilot wird zeigen, welche Voraussetzungen und Rahmenbedingun- gen für eine erfolgreiche Datenmigration bestehen. Ein wichtiger Aspekt dabei werden die Fingerabdrücke sein. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass manuelle Nachregistrierungen erforderlich sind, wenn landesseitig keine Fingerabdrücke vorhanden sind. Die aktuelle Zeitplanung stellt sich wie folgt dar: Ab Mitte März folgt der Rollout in Baden-Würt- temberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Der flächendeckende Rollout soll im Sommer 2016 abge- schlossen werden. Die Umsetzung im AZR erfolgt in drei Ausbaustufen: Zum 30. März 2016 erfolgt die Er- weiterung der AZR-Auskunft und AZR-Meldung um die neuen Angaben, die auch auf dem Ankunftsnachweis aufgedruckt werden. Zum 29. Juni 2016 erfolgt die Er- weiterung um die restlichen mit dem Datenaustausch- verbesserungsgesetz ergänzten Angaben zu den Asylsu- chenden sowie zu den unerlaubt Eingereisten und den unerlaubt Aufhältigen. Zum November 2016 erfolgt die Erweiterung um Registerabgleiche. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/7841, Frage 33): Wie begründet die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Erklärung des Rates vom 8. März 2016, mit der der Vorschlag der Türkei, alle auf den griechischen Inseln ankommenden Schutzsuchenden wieder zurückzunehmen, begrüßt wird, vor dem Hintergrund, dass der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings, in einer E-Mail vom 2. November 2015 an mich erklärte, dass es für eine Einstufung der Türkei als sicherer Drittstaat „nach Ar- tikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU u. a. möglich sein muss, Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zu er- halten, was in der Türkei wegen des regionalen Vorbehalts zur GFK nur für europäische Flüchtlinge möglich ist“, und wie ist die Aussage des türkischen Premierministers Ahmet Davutoglu (AFP vom 9. März 2016), die Türkei würde die von Griechenland zurücküberstellten „Nicht-Syrer“ in die jeweiligen Heimatländer zurückschicken, mit dem Zurück- weisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar (bitte je- weils konkret mit Bezug auf die jeweilige internationale und EU-Rechtslage beantworten)? Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) haben in einer Erklärung im Anschluss an die Gipfelkonferenz der EU mit der Türkei am 7. März 2016 die von der Türkei vorgelegten zusätzlichen Vorschläge zur Bewältigung der Migrationsproblematik begrüßt. Ei- ner der Vorschläge betrifft die Rückkehr/Rückführung aller neuen irregulären Migranten, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen, auf Kosten der EU zurück in die Türkei. Der Präsident des Europäischen Rates wird die oben genannten Vorschläge weiter vo- ranbringen und vor der Tagung des Europäischen Rates am 18. und 19. März 2016 die Einzelheiten mit der tür- kischen Seite ausarbeiten. Dies wird unter Achtung des Unionsrechts und des Völkerrechts geschehen. Die Einstufung eines Staates als sicherer Drittstaat im Sinne von Artikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU setzt auch nach Auffassung der Europäischen Kommission (Mitteilung vom 10. Februar 2016, COM(2016) 85, Sei- te 21) nicht voraus, dass der betreffende Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention ohne Regionalvorbehalt ratifiziert hat (anders als die Einstufung als europäischer sicherer Drittstaat im Sinne von Artikel 39 der Richtli- nie). Die Türkei ist völkerrechtlich an die Europäische Menschenrechtskonvention, die Anti-Folter-Konventi- on der Vereinten Nationen und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die sich da- raus ergebenden Schutzgewährungen einschließlich des Verbots von (Ketten-)Abschiebungen gebunden. Sie hat Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15805 (A) (C) (B) (D) entsprechende Bestimmungen zu Schutz und Standards ebenso wie ein Abschiebeverbot bei im Zielstaat drohen- der politischer Verfolgung im Sinne der Genfer Flücht- lingskonvention durch Gesetz im nationalen Recht ver- ankert. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 34): Welche unilateralen Maßnahmen wie etwa die Aufnahme von Flüchtlingskontingenten zur Entschärfung der humani- tären Notsituation im Aufnahmelager Idomeni an der grie- chisch-mazedonischen Grenze erwägt die Bundesregierung für den Fall, dass die sogenannte Balkanroute weiterhin für einen Großteil der Geflüchteten faktisch geschlossen bleibt und zugleich im Rahmen des am 17. und 18. März 2016 statt- findenden Treffens der europäischen Staats- und Regierungs- chefs keine substanziellen Fortschritte auf dem Weg zu einer gesamteuropäischen Lösung der Flüchtlingskrise getroffen werden können, und wenn keine Maßnahmen geplant sind, wie möchte die Bundesregierung verhindern, dass sich die hu- manitäre Situation an der griechisch-mazedonischen Grenze weiter verschärft? Die Bundesregierung erwägt im Zusammenhang mit der aktuellen Situation keine unilateralen Maßnahmen, sondern setzt auf eine gemeinsame europäische Lösung. Es muss alles darangesetzt werden, Griechenland in der aktuellen Situation zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich auf eine gesamteu- ropäische Lösung verpflichtet. Nun müssen die Institu- tionen und alle Mitgliedstaaten zur Unterstützung desje- nigen Mitgliedstaats beitragen, der derzeit am stärksten belastet ist. Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen zur Umsetzung der Beschlüsse (EU) 2015/1523 und (EU) 2015/1601 des Rates zur Umsiedlung von eindeutig schutzbedürftigen Personen zugunsten von Griechenland und Italien. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Druck- sache 18/7841, Frage 36): Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Be- hörden bzw. sonstigen Institutionen an dem von der Europäi- schen Union verantworteten und finanzierten European Union Police Services Training (EUPST) mit internationalen Poli- zei- und Gendarmerietruppen sowie der EUROGENDFOR in Weeze/Nordrhein-Westfalen teilnehmen bzw. dieses beob- achten werden (Plenarprotokoll 18/132, Bundestagsdrucksa- chen 18/7282 und 18/7466; bitte nach Ländern aufschlüsseln), und auf welche Weise ist nicht nur das Bundesministerium des Innern, sondern auch das Bundesministerium der Verteidigung in die Vorbereitung des Trainings eingebunden, etwa durch den Kontakt oder Austausch mit dem für die Durchführung des EUPST II zuständigen niederländischen Verteidigungs- ministerium oder dem EU-Dienst für außenpolitische Instru- mente? Neben Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei nehmen Polizeivollzugsbeamte der Polizeien der Länder Niedersachsen, Brandenburg, Bremen und Hamburg an dem in Weeze geplanten European Union Police Services Training teil. Ein Polizeivollzugsbeamter des Landes Nordrhein-Westfalen wird voraussichtlich als Beobach- ter dieser Übung anwesend sein. Das Bundesministerium der Verteidigung ist in die Vorbereitung dieses Trainings nicht eingebunden. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/7841, Frage 37): Wie viele selbstfahrende Futtermischwagen landwirtschaft- licher Betriebe in Deutschland sind noch von der Kfz-Steuer nach § 3 Nummer 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes befreit, und für wie viele selbstfahrende Futtermischwagen wird die Kfz-Steuer erhoben? Steuerliche Bestandsdaten liegen zu diesen speziellen Fahrzeugen nicht vor. Im Übrigen handelt es sich bei zulassungspflichti- gen selbstfahrenden Futtermischwagen nach gefestigter Rechtsprechung und Verwaltungspraxis nicht um steu- erbefreite Sonderfahrzeuge im Sinne des § 3 Nummer 7 Kraftfahrzeugsteuergesetz. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/7841, Frage 38): Beabsichtigt die Bundesregierung eine Klarstellung im Kraftfahrzeugsteuergesetz, um zwischen gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben bei Futtermischwagen unter- scheiden zu können, und, wenn nein, warum nicht? Einer solchen Klarstellung bedarf es nicht. Dies ist weder speziell für die Besteuerung von Futtermischwa- gen noch allgemein erforderlich. Für die Bestimmung des Begriffs „landwirtschaft- licher Betrieb“ gelten die Grundsätze des Bewertungs- rechts. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Fra- ge der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 39): Wie will die Bundesregierung konkret sicherstellen, dass mit der Sonderabschreibung für den Wohnungsbau gemäß dem Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus Wohnungen im unteren Preissegment gebaut werden (bitte begründen)? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615806 (A) (C) (B) (D) Die Begrenzung der förderfähigen Bemessungsgrund- lage auf maximal 2 000 Euro je Quadratmeter Wohnflä- che (ohne Grundstück) setzt deutliche finanzielle An- reize für Investoren, die Baukosten möglichst auf diese Summe zu begrenzen, da höhere Baukosten nicht von der Sonderabschreibung profitieren. Die Begrenzung der Baukosten auf 3 000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche stellt sicher, dass die geförderten Wohnungen bezogen auf die Ausstattung nicht im Luxussegment liegen. Bei der Ermittlung der Baukostenobergrenze wurden pau- schalierend regionale Baukostenunterschiede und hö- here Anschaffungskosten von privaten Vermietern, die die größte Anbietergruppe auf dem Mietwohnungsmarkt darstellen, berücksichtigt. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Fra- ge der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/7841, Frage 40): Wie viele zusätzliche Stellen (absolut und relativ zum Personalbestand zuvor) sind in den vergangenen 24 Monaten bei der Bundesagentur für Arbeit sowie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (bitte getrennt angeben) zur Betreu- ung von Flüchtlingen und Asylsuchenden und zu ihrer Integra- tion in den Arbeitsmarkt zusätzlich geschaffen worden? Der Bundesagentur für Arbeit stehen aktuell 3 600 Be- schäftigungsmöglichkeiten, davon 2 000 Stellen und 800 Ermächtigungen im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sowie 600 Stellen und 200 Ermäch- tigungen im Bereich des Dritten Buches Sozialgesetz- buch, zusätzlich zur Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zur Verfügung. Diese Beschäftigungs- möglichkeiten wurden ausschließlich mit dem Haushalt für das Jahr 2016 ausgebracht. Insgesamt stehen der Bundesagentur für Arbeit im Haushaltsjahr 2016 somit 110 034 Stellen und Ermächtigungen zur Verfügung. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wur- den seit dem Jahr 2014 in Summe 5 650 Beschäftigungs- möglichkeiten zusätzlich zur Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zur Verfügung gestellt. Die Zuteilung erfolgte in den Haushaltsjahren wie folgt: – 2014: 300 Stellen, – 2015: 1 350 Stellen und – 2016: 4 000 Stellen. Insgesamt stehen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Haushaltsjahr 2016 somit rund 7 300 Stel- len und Ermächtigungen zur Verfügung. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Fra- ge der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/7841, Frage 41): Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundes- agentur für Arbeit sind in den vergangenen 24 Monaten zur Unterstützung der Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu diesem gewechselt, und für welchen Zeitraum ist diese Unterstützung des BAMF vorgesehen? Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen In- formationen. Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt seit September 2015 das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Bundesregierung hat die Bundesagentur für Arbeit um Auskunft zur personellen Unterstützung gebeten. Danach sind: – 18 Beschäftigte im gemeinsamen Rekrutierungscenter eingesetzt; – rund 300 Beschäftigte zum Abbau der Rückstände bei der Antragsbearbeitung eingesetzt, eine Aufstockung ist vorgesehen; – rund 70 Beschäftigte für organisatorische und kon- zeptionelle Aufgabenerledigungen in der Zentrale des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einge- setzt. In der Regel beträgt die Dauer der Abordnung der Be- schäftigten sechs Monate. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 42): Um wie viele Personen vergrößert sich die potenzielle för- derfähige Zielgruppe des ESF-Bundesprogramms (ESF: Eu- ropäischer Sozialfonds) zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz- buch durch die Erweiterung der Fälle von Unterbrechungen, die als Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen, in der neu gefassten Richtlinie vom 23. Februar 2016 (bitte in absoluten Zahlen vor und nach Bekanntmachung der neuen Richtlinie angeben), und aus welchem Grund hat sich die Bundesregierung dafür entschieden, dabei auch Zeiten zu berücksichtigen, die sonst als „schädliche Unterbrechung“ bei der Messung der Dauer der Arbeitslosigkeit gelten (vergleiche LZA-Neuigkeiten des Bundesverwaltungsamtes, Ausgabe 4/2016 vom 22. Febru- ar 2016)? Das Teilnehmerpotenzial für das ESF-Bundespro- gramm zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit wurde von den teilnehmenden Jobcentern eigenständig ermit- telt. Maßgeblich waren die Zielgruppenkriterien in der Förderrichtlinie einschließlich der individuellen Prog- nose zu den Eingliederungschancen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Beides ist statistisch nicht hinreichend auswertbar. Eine valide statistische Bestimmung des Zielgruppenpotenzials ist daher nicht möglich. Näherungsweise kann auf die Potenzialbestimmung im Rahmen der Antragstellung verwiesen werden. Die Jobcenter sind von einem Teilnehmerpotenzial von rund 211 000 Langzeitarbeitslosen ausgegangen. Für die Ziel- gruppenerweiterung durch die geänderte Förderrichtlinie und die Bestimmung des zusätzlichen Potenzials gilt ebenfalls, dass die Jobcenter das Potenzial eigenständig Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15807 (A) (C) (B) (D) anhand der nunmehr geltenden Zielgruppendefinition ge- gebenenfalls neu bestimmen müssen. Die Änderung berücksichtigt die bisherigen Praxis- erfahrungen, die gezeigt haben, dass die gegenwärtige Zielgruppendefinition nicht alle Langzeitarbeitslosen, die für eine Förderung in Betracht kommen sollen, auch umfasst. Eigentlich zu fördernde Personen galten nach der ursprünglichen Definition aufgrund von bestimmten Unterbrechungen ihrer Arbeitslosigkeit, zum Beispiel durch längere Krankheit, nicht mehr als langzeitarbeits- los und waren daher nicht förderfähig. Um diesen und weiteren Personengruppen eine Förde- rung im Rahmen des ESF-Bundesprogramms zu ermög- lichen, wurde die Förderrichtlinie entsprechend geändert und am 29. Februar 2016 veröffentlicht. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 43): Welche Mitgliedstaaten haben sich im Sonderausschuss Landwirtschaft am 7. März 2016 und im Rat (für Landwirt- schaft und Fischerei) am 14. März 2016 für die Prüfung oder Durchführung von Maßnahmen zur Mengenregulierung, sei es auf freiwilliger Basis oder mit zusätzlicher Unterstützung durch europäische Mittel oder Mittel der Mitgliedstaaten, aus- gesprochen, und hat sich die Bundesregierung selbst für die Prüfung oder Unterstützung von solchen Maßnahmen ausge- sprochen? In der Sitzung des Sonderausschusses Landwirtschaft am 7. März 2016 befürworteten viele Mitgliedstaaten die Prüfung freiwilliger Mengensteuerungsinstrumente auf der Grundlage von Artikel 221 und 222 der Gemeinsa- men Marktorganisation. Frankreich betonte, dass man alle Wirtschaftsbeteiligten ermutigen müsse, ihre Pro- duktion zu regulieren, indem man finanzielle Anreize biete und auch nur solchen Wirtschaftsteilnehmern Zu- gang zu Marktmaßnahmen gewähre, die ihren Beitrag zu einer Produktionsbeschränkung leisteten. Neben den Er- zeugerorganisationen sollten auch Erzeuger einbezogen werden; daher sei auch Artikel 221 neben Artikel 222 heranzuziehen. Finnland, Portugal, Spanien unterstütz- ten diese Vorschläge, wobei nicht immer eindeutig war, ob die Unterstützung sich auch auf die von Frankreich geforderte Prämie erstreckte. Eher zustimmend (auch zu den Prämien) äußerten sich auch Österreich, Belgien, Estland, Slowenien, Slowakei und Griechenland. Andere Mitgliedstaaten wie Tschechi- en, Lettland, Luxemburg und Litauen zeigten sich inter- essiert und bereit, die Vorschläge zu prüfen. Kritisch zu dem von Frankreich geforderten Mengen- regulierungsinstrument äußerte sich Polen. Großbritan- nien und Dänemark lehnten dieses ab. Schweden äußerte sich ebenfalls kritisch (Angebotsmanagement lehne man ab und wolle keine Maßnahmen, die zusätzliche Kosten verursachten). Die deutsche Delegation betonte, dass am Kurs der Marktorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie einem dynamischen und offenen Binnenmarkt festgehal- ten werden müsse. Dazu sei ein marktkonformes und ver- antwortungsvolles Handeln aller Marktteilnehmer erfor- derlich. Der Rat könne einen entsprechenden Appell an die Marktbeteiligten senden. Freiwillige Maßnahmen auf der Grundlage von Artikel 222 der Gemeinsamen Markt- organisation könnten geprüft werden. Zu einer Finanzie- rung solcher Maßnahmen aus dem EU-Budget äußerte sich Deutschland ablehnend. Hierfür wären nach Be- rechnungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erhebliche Haushaltsmittel erforderlich. Bei der Tagung des Agrarrates am 14. März 2016 hat die niederländische Ratspräsidentschaft im Anschluss an eine Aussprache über die gegenwärtig schwierige Situ- ation auf den Agrarmärkten und im Lichte der von den Mitgliedstaaten übermittelten Vorschläge Schlussfolge- rungen gezogen. Der Bundestag wird durch den Ergeb- nisvermerk zum Rat formell unterrichtet. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 44): Sieht es die Bundesregierung als marktkonforme Maßnah- me an, wenn Marktakteure, wie zum Beispiel Molkereien, auf ein zu hohes Angebot und schlechte Preise mit Maßnahmen zur Verringerung der Milchanlieferung reagieren und zu die- sem Zweck Bonuszahlungen zur Reduktion der Milcherzeu- gung als Regulierungsinstrument entwickeln, und warum hält es die Bundesregierung nicht für notwendig, solche Instru- mente von Marktakteuren in Zeiten der Krise zu unterstützen und dadurch das bessere Funktionieren der Märkte zu ermög- lichen? Unter den Bedingungen globalisierter Märkte und in- ternationaler Verflechtungen wäre eine erneute schwer- fällige staatliche Mengenregulierung kurzfristig nicht umsetzbar, faktisch nicht preiswirksam und würde die Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Unter Beachtung des geltenden gesetzlichen Rahmens sollen aus deutscher Sicht Landwirten und Milchwirt- schaft Instrumente an die Hand gegeben werden, um ihre Erzeugung freiwillig zu begrenzen oder zu verringern. Im Einklang mit dem EU-Vertrag und der Gemeinsa- men Marktorganisation (Artikel 221 und 222) sollte die Kommission zudem den landwirtschaftlichen Erzeuger- organisationen, Branchenverbänden und anderen Markt- beteiligten, zum Beispiel Genossenschaften oder Molke- reiunternehmen, befristet erlauben, Vereinbarungen über eine Begrenzung oder Verringerung der vermarkteten Mengen zu treffen. Eine Finanzierung solcher Instru- mente oder freiwilliger Maßnahmen aus dem EU-Budget lehnt die Bundesregierung aber ab. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 201615808 (A) (C) (B) (D) Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/7841, Frage 45): Für welche zehn Agrarprodukte bzw. Nahrungsmittel (nach der Klassifikation der Zolllinien) erwartet die Bundesregie- rung die größten Importzuwächse nach Deutschland im Fall einer Realisierung des vorliegenden EU-Zollsenkungsange- bots an die USA im Rahmen der TTIP-Verhandlungen (bitte mit Angabe der jeweiligen Steigerung der Importmenge in Tonnen), und welche Folgen hätte dies nach Auffassung der Bundesregierung bei den jeweiligen Produkten für die Erzeu- gung(smenge) in Deutschland bzw. für die bisherigen Impor- teure? Die Bundesregierung hat im Vorfeld der Verhandlun- gen das Thünen-Institut gebeten, eine ökonomische Mo- dellanalyse zu den Auswirkungen einer vollständigen Zollliberalisierung auf den Agrarhandel zu erstellen. Das Modell lässt nur die Auswertung nach bestimmten Produktgruppen zu. Es modelliert die Auswirkungen auf die Produktionsmenge und gibt die Änderungen in Prozent wieder. Außerdem werden die Effekte auf die Handelsbilanz in Millionen Euro angeben. Die Studie ist auf der Webseite des Thünen-Instituts abrufbar. Der Vorschlag der EU enthält nur Aussagen zu den Zolllinien, die vollständig liberalisiert werden sollen. Zu 3 Prozent der Zolllinien macht die EU noch kein An- gebot. Zu diesen Ausnahmen konnte die Analyse keine Annahmen machen. Die Frage ist daher nicht genau zu beantworten. Nach den Studienergebnissen würden die Auswir- kungen einer vollständigen Liberalisierung nur sehr gering sein: Eine Liberalisierung beträfe besonders Weizen und anderes Getreide mit einem Produktionsrückgang von 3,1 Prozent in Deutschland und 1,5 Prozent für die EU insgesamt. Die Produktion der Kategorie „andere Feld- früchte“ (mit Ausnahme von Ölsaaten und Zuckerrüben und Getreide) nähme um 1,1 Prozent ab. Bei allen ande- ren Produkten sind die Auswirkungen unter +/-0,5 Pro- zent. Sowohl in Deutschland (+0,8 Prozent) als auch in der EU (+0,6 Prozent) käme es zu einer Ausdehnung der Ölsaatenproduktion. Teilweise würde dieser Produkti- onsanstieg durch die Substitution mit dem Weizenanbau ermöglicht. Das heißt, dass der Produktionsrückgang von Weizen auch durch die zunehmenden Exportmög- lichkeiten für Ölsaaten zu erklären ist. Auffällig sind die Ergebnisse für die Produktions- änderungen bei Milch. Während in Deutschland die Milchproduktion leicht zurückgeht, verzeichnet die EU insgesamt Produktionszuwächse. Eine Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milchindustrie zeigt, dass die USA im internationalen Vergleich einen komparativen Wettbewerbsnachteil bei Milchprodukten haben (Tacken, 2009). Das Modell des Thünen-Instituts zeigt auf, dass Deutschland im Agrarbereich im Vergleich zu den an- deren europäischen Ländern überdurchschnittlich stark von einer Handelsliberalisierung mit den USA betroffen ist. Dies liegt vor allem an den positiven Veränderun- gen für den Industriesektor. Hier kommt es zu einem Produktionszuwachs, der Ressourcen (insbesondere Ar- beitskräfte) aus dem Agrarbereich in den Industriesek- tor verlagert und zu den entsprechenden Ergebnissen führt. Die Auswirkungen auf die EU-Handelsbilanz korres- pondieren mit den Produktionsmengenänderungen und veranschaulichen den insgesamt nur geringen Effekt ei- ner Liberalisierung auf den Agrarsektor: Hier gewänne die EU bei Milchprodukten 2,9 Millionen Euro, wäh- rend die USA 2,94 Millionen Euro verlören. Bei „an- deren Feldfrüchten“ gewännen die USA 2,3 Millionen Euro, während die EU 2,51 Millionen Euro verlöre. Bei Schwein und Geflügel verlöre die EU im Falle ei- ner vollständigen Liberalisierung 1,6 Millionen Euro, die USA würden 1,52 Millionen Euro gewinnen. Bei den übrigen Produktbereichen sind die Auswirkun- gen jeweils geringer als 1 Million Euro. Im Vergleich dazu betrug der Handelsbilanzüberschuss der EU mit den USA im Agrar- und Ernährungsbereich 2014 über 5 Milliarden Euro. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- ge der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/7841, Frage 46): Welche konkreten Aufgaben nehmen die Bundeswehrof- fiziere wahr, die im Rahmen der internationalen Mission In- herent Resolve im Combined Air Operations Centre in Katar vor Ort sind, wo die Planung, Durchführung und Auswer- tung der Lufteinsätze stattfinden, und welche Erklärung hat die Bundesregierung dafür, dass sie (laut der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe vom 3. März 2016 auf meine schriftliche Frage 47 auf Bundestags- drucksache 18/7794) trotz der Arbeit dieser Offiziere keinerlei Kenntnisse über Art und Umfang der Lufteinsätze hat? Im Combined Air Operations Centre – kurz CAOC – in al-Udeid sind fünf Bundeswehroffiziere eingesetzt, deren Aufgaben sich wie folgt darstellen: Der sogenannte Red Card Holder – gleichzeitig der „Senior National Representative“ – ist verantwortlich für die mandatskonforme Sicherstellung des deutschen Einsatzes im Rahmen der Operation Inherent Resolve. Ihm untersteht der Deutsche Anteil an CAOC al-Udeid. Sein Stellvertreter ist verantwortlich für die Überwa- chung und Koordinierung aller Maßnahmen der eige- nen Operationsführung und berät den Red Card Holder bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Zwei Verbindungsoffiziere mit entsprechender Waf- fensystemexpertise sind verantwortlich für die Über- wachung und Koordinierung aller Maßnahmen der Operationsführung der deutschen Recce-Tornados und der deutschen Airbus A310 MRTT in der Operation In- herent Resolve. Sie sind in den Planungsprozess direkt eingebunden und treffen nach den Vorgaben des Red Card Holders jeweils eine Vorauswahl aufzuklärender Ziele für die kommende Planungswoche. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2016 15809 (A) (C) (B) (D) Ein Offizier mit Expertise im militärischen Nachrich- tenwesen ist verantwortlich für die Erstellung des wö- chentlichen Katalogs von Aufklärungsaufträgen. Das im CAOC eingesetzte Personal erhält Einblick in die Operationsführung, um den Einsatz der eigenen deut- schen Kräfte im Rahmen des Mandates des Deutschen Bundestages auszuführen. Eigene Erkenntnisse zur An- zahl und Auswirkung aller weiteren Einsatzflüge der an- deren Koalitionspartner können nicht gewonnen werden; entsprechende eigene, umfängliche Statistiken werden nicht erstellt. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- ge der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck- sache 18/7841, Frage 47): Welchen Einfluss hatte der Einsatz der Drohne Heron TP im Rahmen der Angriffe der israelischen Armee auf Gaza in den vergangenen Jahren auf die Auswahlentscheidung für die Drohne Heron TP als Übergangslösung für die Bundeswehr? Für die Auswahl des unbemannten Luftfahrzeugs He- ron TP war allein die Eignung des Systems zur Schlie- ßung der Fähigkeitslücke maßgeblich. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- ge der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck- sache 18/7841, Frage 48): Wie wird die Ausbildung der Bundeswehrsoldaten an den als Übergangslösung zu beschaffenden waffenfähigen Droh- nen Heron TP ausgestaltet, und wie garantiert die Bundesre- gierung, dass eventuelle Übungsflüge nicht den Luftraum der besetzten palästinensischen Gebiete verletzen? Die auf der Basis der Auswahlentscheidung für das bewaffnungsfähige unbemannte Luftfahrzeug Heron TP initiierten Regierungsverhandlungen zwischen Israel und Deutschland haben erst kürzlich begonnen. Aussagen zur Ausgestaltung der Ausbildung der Bundeswehrsoldatin- nen und -soldaten können daher erst nach dem Abschluss der Regierungsverhandlungen belastbar getroffen werden. Für die Bundesregierung ist es selbstverständlich, dass in der Ausbildung die geltenden rechtlichen Re- gelungen zur Nutzung des Luftraums beachtet werden. Nach dem im Rahmen des Oslo-Prozesses abgeschlos- senen Gaza-Jericho-Abkommen vom 5. Mai 1994 übt Israel die Luftraumkontrolle über den palästinensischen Gebieten im Einklang mit den Regelungen in diesem Abkommen aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage einer Luftraumverletzung nicht. Gleichwohl wird die Bundesregierung in vorbereitenden Gesprächen mit der israelischen Seite vereinbaren, dass ein Überflug der palästinensischen Gebiete ausgeschlossen wird. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 160. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 17./18. März 2016 in Brüssel TOP 2 Befragung der Bundesregierung TOP 3 Fragestunde Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31 Anlage 32 Anlage 33 Anlage 34 Anlage 35 Anlage 36 Anlage 37 Anlage 38
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816000000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zu unserer Plenarsitzung und rufe gleich den Ta-
gesordnungspunkt 1 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zum Europäischen Rat am 17./18. März 2016
in Brüssel

Hierzu liegen drei Entschließungsanträge der Frak-
tion Die Linke und ein Entschließungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über einen Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke werden wir später
namentlich abstimmen. Ich möchte also schon jetzt da-
rauf aufmerksam machen, dass nach Ende der Ausspra-
che die Abstimmungen über diese Anträge, darunter eine
namentliche Abstimmung, stattfinden werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 96 Minuten vorgesehen. – Das ist offenkundig ein-
vernehmlich. Also können wir so verfahren.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1816000100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat im
März ist klassischerweise ein Wirtschaftsrat. Auch wenn
in Europa derzeit andere Themen im Vordergrund stehen,
ist es wichtig, die wirtschaftlichen Fundamente der Eu-
ropäischen Union weiter zu stärken. Denn nur wenn wir
wirtschaftlich gut dastehen, werden wir auch in Zukunft
in der Lage sein, die drängenden Herausforderungen un-
serer Zeit zu bewältigen.

Im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters
wird sich der morgen und übermorgen stattfindende Eu-
ropäische Rat mit der wirtschaftlichen Lage in der ge-
samten Europäischen Union befassen, und wir werden

darauf drängen, dass die Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union ihre Volkswirtschaften durch Strukturre-
formen und Investitionen stärken sowie eine verantwor-
tungsvolle Haushaltspolitik betreiben.

Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt des morgen
und übermorgen stattfindenden Europäischen Rates wird
aber erneut die Flüchtlingspolitik und dabei vor allem die
Zusammenarbeit mit der Türkei stehen. Für Deutschland
und für die Europäische Union als Ganze ist die Flücht-
lingsfrage die größte Herausforderung seit Jahrzehnten.
Konflikte, die uns früher sehr weit weg erschienen, be-
treffen uns heute direkt, und sie werden uns auch in Zu-
kunft immer wieder direkt betreffen. Das sehen wir an
Syrien, das sehen wir an Afghanistan, und das sehen wir
am Irak.

Wir erleben, dass es sich bei der Flüchtlingsfrage um
eine Aufgabe handelt, die uns allen sehr viel abverlangt,
die unsere ganze Kraft und auch unsere volle Aufmerk-
samkeit erfordert. Denn unser Umgang mit der Flücht-
lingsfrage wird Deutschland wie auch Europa auf lange
Zeit prägen, sowohl nach innen als auch nach außen. Und
umso mehr setze ich mich dafür ein, dass wir als reicher
Kontinent zeigen, dass wir in der Lage sind, eine solche
Herausforderung gemeinsam zu meistern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dabei dürfen wir nie vergessen: Auch Deutschland
geht es auf Dauer nur dann gut, wenn es auch Europa gut
geht, also Europa als Ganzes. Für mich bedeutet das, dass
wir weiterhin unverändert auf allen Ebenen an dauerhaf-
ten Lösungen arbeiten müssen: national, europäisch und
international. Wir müssen dabei von dem Ansatz ausge-
hen, dass wir die Ursachen bekämpfen, die die Menschen
dazu veranlassen, ihre Heimat zu verlassen. Mit diesem
Ansatz werden wir es auch schaffen, die Zahl der nach
Europa und Deutschland kommenden Flüchtlinge spür-
bar und dauerhaft zu reduzieren; denn so können die
Menschen vor Ort bzw. in der Nähe ihrer Heimat sicher
vor Krieg und Verfolgung wie auch mit einer Perspektive
für sich und ihre Familien leben. Denken wir an Themen
wie Gesundheit, Bildung, Arbeit, aber eben allzu oft auch






(A) (C)



(B) (D)


Ernährung. Und mit diesem Ansatz werden wir es auch
schaffen, in Zukunft wirklich denen zu helfen, die tat-
sächlich auf unseren Schutz angewiesen sind.

Ich glaube, dass wir beiden Zielen zuletzt ein gutes
Stück näher gekommen sind, sowohl in Europa als auch
bei uns zu Hause in Deutschland. Hier bei uns haben un-
sere ordnenden und steuernden Maßnahmen – von den
seit September geltenden Kontrollen an unserer nationa-
len Grenze bis zu den Asylpaketen I und II – begonnen
Wirkung zu entfalten, genauso wie die vielen Verände-
rungen zum Beispiel im Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge.

Ohne jeden Zweifel profitieren wir in Deutschland ge-
genwärtig auch davon, dass der Flüchtlingszuzug, aller-
dings durch einseitige Entscheidungen Österreichs und
der Staaten entlang der Westbalkanroute, zum Stillstand
gebracht wurde.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht Stillstand! Schlangenstand!)


Doch ich kann gar nicht oft genug davor warnen, uns
hiervon täuschen zu lassen; denn die momentane Erleich-
terung, die Deutschland und einige andere Mitgliedstaa-
ten jetzt spüren, ist das eine, die Lage in Griechenland ist
das andere; und diese muss jedem von uns große Sorge
bereiten, weil sie natürlich nicht ohne Folgen für uns alle
in Europa bleiben wird. Der Zustand dort kann und darf
nicht von Dauer sein, sonst kämen wir nach einer kurz-
fristigen Erleichterung bei uns vom Regen in die Traufe.

Deshalb lautet die alles entscheidende Frage unverän-
dert, wie es uns gelingen kann, die Zahl der Flüchtlinge
nicht nur für einige, sondern für uns alle zu reduzieren,
und zwar nachhaltig und dauerhaft und ohne dass we-
sentliche Errungenschaften unseres Lebens in Europa
geschwächt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Genau das sind die Ziele des gesamteuropäischen Ansat-
zes.

Erstens, weil gerade Deutschland als Land in der Mit-
te Europas wie kein zweites Land von der Reisefreiheit
in Europa profitiert. Das gilt eben auch für unsere Wirt-
schaft.

Zweitens, weil wir nur mit einer gesamteuropäischen
Lösung verhindern können, dass mit einer Schließung der
Binnengrenzen die Fluchtrouten verlagert würden; denn
wenn jetzt wieder neue, noch kompliziertere und gefähr-
lichere Routen entstünden, dann profitierten davon nur
die kriminellen Schlepper. Den höchsten Preis bezahlten
dann die Flüchtlinge, häufig mit ihrem Leben. Aber auch
wir Deutsche und Europäer zahlten einen hohen Preis,
weil ja offenkundig würde, dass bisherige Maßnahmen
nur Scheinlösungen gewesen wären, die lediglich an den
Symptomen der Krise ansetzten, nicht aber an den Ur-
sachen. In der Folge wäre die Enttäuschung der Bürger
noch um ein Vielfaches größer als manche Sorge heute.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und drittens können wir nur mit dem gesamteuropäi-
schen Ansatz Lösungen entwickeln, die den letzten Mit-
gliedstaat in der Reihe nicht alleine lassen, in diesem Fall
Griechenland. Noch einmal: Auch Deutschland geht es
auf Dauer nur dann gut, wenn es auch Europa gut geht,
also Europa als Ganzes. Deshalb ist es richtig und wich-
tig, dass die Europäische Union Griechenland jetzt hu-
manitäre Hilfe anbietet und dafür auch die erforderlichen
700 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt bereitgestellt
werden. Auch Deutschland hat Griechenland Hilfe ange-
boten. Ich bin dazu mit dem griechischen Ministerpräsi-
denten in engem Kontakt, der Bundesinnenminister ist es
mit seinem griechischen Kollegen, der Bundesaußenmi-
nister ebenfalls.

Genauso wichtig ist, dass Griechenland seinen eige-
nen Verpflichtungen nachkommt. Dazu gehören der volle
Betrieb der Hotspots und damit eine umfassende Re-
gistrierung der Flüchtlinge. Wir haben erhebliche Fort-
schritte bei der Registrierung und bei der Aufnahme in
die Eurodac-Datenbank zu verzeichnen. Das gilt auch für
die Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften, nachdem
es zuvor viel zu viele Verzögerungen gegeben hatte. Wir
brauchen nur daran zu erinnern, dass wir darüber seit
dem Herbst des letzten Jahres reden: Im Oktober hatten
wir eine Konferenz der Staaten des westlichen Balkans
und Griechenlands, und dort ist verabredet worden, dass
jedes dieser Länder ausreichend Unterbringungskapazi-
täten bereitstellt. Aber auch hier sind jetzt in Griechen-
land Fortschritte deutlich erkennbar.

Griechenland will gemeinsam mit den anderen
27 EU-Mitgliedstaaten und dem UN-Flüchtlingshilfs-
werk UNHCR die Krise humanitär vertretbar lösen, also
mit sicherer und menschenwürdiger Versorgung und Un-
terkunft. Wir helfen Griechenland dabei, sowohl finanzi-
ell als auch vor Ort mit konkreter Unterstützung. Genau
dieses Vorgehen unterscheidet die Situation heute von
der in und mit Ungarn im letzten Sommer.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


Sicherlich sind viele Flüchtlinge enttäuscht, wenn sie
nicht dorthin reisen können, wohin sie wollen, weil wir
uns in Europa einig sind, dass es kein Recht auf Asyl in
einem bestimmten Land gibt. Die Menschen haben aber
Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung. Ge-
nau dafür arbeiten wir gemeinsam mit Griechenland,
auch für die Menschen, die jetzt in Idomeni ausharren
und die der griechischen Regierung vertrauen sollten,
dass es ihnen in den neugeschaffenen Unterkünften in
Griechenland deutlich besser geht als jetzt in Idomeni.

Eine wirklich tragfähige Lösung jedoch haben wir
erst dann erreicht, wenn nicht nur nach Deutschland,
sondern in die gesamte Europäische Union dauerhaft
weniger Menschen illegal einreisen als bisher. Um das
zu erreichen, führen wir derzeit wichtige Gespräche mit
der Türkei. Die Türkei ist das mit Abstand wichtigste
Transitland, über das die Menschen – im Augenblick je-
denfalls – illegal nach Europa kommen. Die Seegrenze
zwischen Griechenland und der Türkei ist unsere euro-
päische Außengrenze. Sie muss geschützt werden. Dazu

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


gehört ein entschlossener Kampf gegen Schlepper und
Schleuser.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In Zusammenarbeit mit der Türkei haben wir ver-
schiedene Schritte eingeleitet. So setzen wir auch auf den
Aufklärungseinsatz der NATO in der Ägäis, für den sich
die Verteidigungsministerin unermüdlich eingesetzt hat
und der ich dafür ganz herzlich danken möchte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich will es auch hier ganz offen sagen: Auch dieser Ein-
satz kommt nur Schritt für Schritt in Gang. Wir haben
bis jetzt erste Überwachungsmöglichkeiten hinsichtlich
der Insel Lesbos. Wir brauchen weitere Zugänge in die
türkischen Territorialgewässer, damit alle Inseln über-
wacht werden können; denn es zeigt sich schon in den
letzten Tagen, dass jetzt, wo Lesbos sehr gut überwacht
ist, in Chios mehr Flüchtlinge ankommen. Und auch das
ist eben keine nachhaltige Lösung. Deshalb brauchen wir
Zugang zu allen Bereichen der türkischen Territorialge-
wässer.

Bislang war es für Europa ein großes Problem, dass
illegal eingereiste Menschen nicht wieder in die Türkei
zurückgeschickt werden konnten, selbst wenn sie keinen
Schutzanspruch in Europa hatten. Genau bei diesem Pro-
blem setzen jetzt die Vorschläge an, die der türkische Mi-
nisterpräsident Ahmet Davutoglu am 7. März beim Gip-
fel mit den europäischen Staats- und Regierungschefs in
Brüssel vorgelegt hat. Seine Grundidee ist, dass die Tür-
kei sich verpflichtet, alle Flüchtlinge zurückzunehmen,
die zuvor illegal über die Ägäis nach Europa gekommen
sind. Wann immer ein syrischer Flüchtling in die Türkei
zurückgebracht werde, dürfe – so der Vorschlag des tür-
kischen Ministerpräsidenten – im Gegenzug ein anderer
syrischer Flüchtling legal aus der Türkei nach Europa
reisen.

Es ist ganz offenkundig: Ziel einer solchen Rege-
lung ist es, den Flüchtlingen den Anreiz zu nehmen, in
ein Schlauchboot krimineller Schlepper zu steigen und
sich auf die lebensgefährliche Überfahrt nach Europa
zu begeben. Eine Umsetzung dieses Vorschlags könnte
also dazu führen, dass den kriminellen Schleppern in der
Ägäis die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Stattdes-
sen gäbe es eine legale Alternative, die für Flüchtlinge si-
cher und für Europa kontrollierbar wäre. Da es aber unser
Ziel ist, sehr schnell die Illegalität sozusagen zum Erlie-
gen zu bringen, wird dieser Vorschlag im Anschluss, also
später, ergänzt werden durch freiwillige Kontingente, die
europäische Mitgliedstaaten übernehmen, um dann auch
syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Damit würde das
grausame Sterben in der Ägäis endlich ein Ende finden.
Allein in diesem Jahr, 2016, sind über 350 Menschen
in der Ägäis ertrunken; im vergangenen Jahr waren es
800 Menschen.

Ohne Zweifel handelt es sich bei dem türkischen Vor-
schlag um sehr weitreichende Überlegungen. Es war des-
halb wichtig, eine endgültige Entscheidung nicht schon
am 7. März zu treffen, sondern uns die Zeit zu nehmen,

rechtliche und politische Fragen im Zusammenhang mit
diesem Vorschlag eingehend und sorgfältig zu prüfen.
Wir haben zum Beispiel auch den UNHCR konsultiert,
um seinen Sachverstand zu nutzen. Aber – und das hal-
te ich für sehr wichtig – aus dem türkischen Vorschlag
spricht auch – das war bereits bei der Zustimmung zur
NATO-Mission der Fall –, dass die Türkei mit Blick
auf das Flüchtlingsthema ein eigenes Interesse hat, den
Flüchtlingszuzug in das eigene Land zusammen mit Eu-
ropa zu ordnen und zu steuern, damit die Schleuserstruk-
turen nicht noch weiter um sich greifen, als sie das ohne-
hin, wie wir alle wissen, schon tun. Das ist nämlich ein
Zustand, der auch für die Türkei selbst auf Dauer nicht
tragbar ist. Das Ziel ist also eine faire Teilung der Lasten.

Dass die Türkei im Rahmen der Verhandlungen mit
der EU außerdem ihre Interessen im Zusammenhang
mit dem Beitrittsprozess zur EU artikuliert, das kann
und sollte eigentlich niemanden von uns verwundern.
Entscheidend ist auch hier, wie wir damit umgehen, ob
und wie wir also einen Ausgleich der Interessen schaffen
können, der unseren Werten entspricht.

Die Türkei ist seit vielen Jahren Beitrittskandidat zur
Europäischen Union. Für mich als Bundeskanzlerin und
für die Bundesregierung galt immer das Prinzip: Pacta
sunt servanda. Das hieß bislang und das heißt auch für
die Zukunft: Wenn wir im Falle einer vertieften Zusam-
menarbeit neue Verhandlungskapitel öffnen sollten, dann
ist und bleibt weiterhin unverändert entscheidend, dass
die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit
der Türkei ergebnisoffen geführt werden. Schon daraus
folgt, dass der Beitritt der Türkei zur Europäischen Uni-
on jetzt wirklich nicht auf der Tagesordnung steht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch bei den Verhandlungen über neue Kapitel kann
und wird es keine Abstriche bei unseren eigenen Prinzi-
pien geben. Dazu will ich zwei Bemerkungen machen:

Erstens. Die Eröffnung neuer Kapitel ist nicht wegen
uns so schwierig, sondern wegen der ungelösten Zy-
pern-Frage. Das heißt, wir haben bis zum morgigen Rat
noch Arbeit vor uns. Ich kann den Ausgang auch nicht
prognostizieren.

Zweitens bitte ich, gerade in der Eröffnung der Kapi-
tel 23 und 24, in denen es um Rechts- und Justizfragen
geht, vor allen Dingen auch die Chancen zu sehen, mit
der Türkei in einen wichtigen Dialog einzutreten, der
sehr drängend ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Intensiv beraten werden gegenwärtig die Themen
„Rückführung von Drittstaatsangehörigen aus der EU
in die Türkei“ und „Visumsfreiheit“. Hierzu haben die
Spitzen der Koalition am 5. November letzten Jahres in
einem Beschluss vereinbart, sich für die Beschleunigung
des Inkrafttretens der Rückführung von Drittstaatsange-
hörigen aus der EU in die Türkei und parallel dazu für die
Beschleunigung der Verhandlungen über die Visumsfrei-
heit einzusetzen. In der Folge habe ich für Deutschland
beim Europäischen Rat am 29. November letzten Jahres
gemeinsam mit den anderen 27 Mitgliedstaaten der Eu-

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


ropäischen Union in der EU-Türkei-Agenda vereinbart,
dass die Rückführung von Drittstaatsangehörigen im
Juni dieses Jahres und die Visumsfreiheit spätestens ab
Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Alle 28 Mitglied-
staaten der Europäischen Union hatten das einvernehm-
lich beschlossen.

Hinsichtlich der Visumsfreiheit möchte die Türkei
diesen Prozess nun noch einmal beschleunigen und ihn
statt im Oktober bereits Ende Juni dieses Jahres abschlie-
ßen. Im Gegenzug bietet die Türkei an, alle Flüchtlinge
wieder zurückzunehmen, auch die mit Bleiberecht – das
betrifft mehr als nur normale Drittstaatler –, und das alles
ab sofort. Dafür möchte sie die Visumsfreiheit ebenfalls
drei Monate vorher erreichen. Sie sagt zu – das ist ab-
solut unabdingbar für uns –, dafür alle Bedingungen zu
schaffen. Das alles gilt es im Zusammenhang zu beach-
ten. Entscheidend also ist, dass sich die Voraussetzungen
nicht ändern, die die Türkei für eine Visumsliberalisie-
rung erfüllen muss. Diese sind und bleiben unverändert.
Es ist im Übrigen noch vieles zu lösen. Wir werden si-
cherstellen, dass diese Bedingungen vollständig einge-
halten werden, und wir werden Sie alle zu all diesem
natürlich immer wieder konsultieren.

Nicht zuletzt bittet die Türkei um zusätzliche finan-
zielle Unterstützung bis Ende 2018, da nach ihrem Ver-
ständnis die bereits bewilligten 3 Milliarden Euro für
Flüchtlingsprojekte nur ein erster Schritt waren. Auch
für Europa ist entscheidend, dass Flüchtlinge, die wieder
in die Türkei zurückgeschickt werden, dort entsprechend
unseren humanitären Kriterien und denen des UNHCR
behandelt werden; denn wenn die Türkei den Menschen
eine sichere Versorgung, eine angemessene Lebenspers-
pektive im Einklang mit den internationalen Verpflich-
tungen bietet, dann nimmt das den Menschen einen wich-
tigen Grund mehr, sich auf die lebensgefährliche Flucht
mit Schleusern und Schleppern einzulassen.

Ich halte den türkischen Wunsch nach mehr finanziel-
ler Hilfe deshalb für völlig nachvollziehbar. Die Europä-
ische Union ist dazu auch bereit. Entscheidend ist, dass
diese Mittel tatsächlich in sinnvolle Projekte, und zwar in
die sinnvollsten, fließen – in Unterbringung, in Schulen
oder in medizinische Versorgung. Auch das werden wir
sicherstellen. Die Türkei bittet darum, dass dies mög-
lichst schnell geht. Um das zu erreichen, sind die Mecha-
nismen in der Europäischen Union aber manchmal etwas
schwierig.

Die ersten 95 Millionen Euro wurden bereits ausge-
zahlt. Sie helfen, 100 000 syrischen Flüchtlingskindern
den Schulbesuch zu ermöglichen, und zwar in arabischer
Sprache, und 700 000 Syrer in der Türkei mit Lebensmit-
teln zu versorgen.

Bei aller notwendigen Sorgfalt, mit der wir die Ge-
spräche mit der Türkei jetzt führen und zu führen haben,
sollten wir eines aber nicht übersehen: Das, was die Tür-
kei für weit über 2 Millionen Flüchtlinge, genau gesagt
für etwa 2,7 Millionen Flüchtlinge, in ihrem Land seit
Jahren leistet, kann gar nicht hoch genug gewürdigt wer-
den. Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union

von 28 Mitgliedstaaten mit 500 Millionen Bürgern bis-
lang so schwergetan zu haben, die Lasten zu teilen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Umso wichtiger ist es, dass wir nun dabei sind, doch we-
nigstens schrittweise voranzukommen.

Meine Damen und Herren, die weitreichenden Vor-
schläge des türkischen Ministerpräsidenten zeigen, dass
wir in den europäischen Verhandlungen zur Lösung der
Flüchtlingsfrage an einem entscheidenden Punkt ange-
kommen sind. Eine vertiefte Zusammenarbeit, wie wir
sie mit der Türkei anstreben, ist immer eine Angelegen-
heit des Gebens und des Nehmens, des Kompromisses
und des Ausgleichs von Interessen; und das gilt für bei-
de Seiten gleichermaßen. Es versteht sich deshalb von
selbst, dass wir gegenüber der Türkei unsere Überzeu-
gungen zum Beispiel zur Wahrung der Pressefreiheit
oder zum Umgang mit den Kurden entschieden einbrin-
gen, bei dem trotz allem notwendigem Kampf gegen den
Terror der PKK stets die Angemessenheit des Vorgehens
in Bezug auf alle Kurden zu beachten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Eine vertiefte Zusammenarbeit, wie wir sie jetzt an-
streben, zum Beispiel auch in der Diskussion über ge-
öffnete Kapitel, kann hierfür im Übrigen den richtigen
Rahmen bieten, wenn wir das auf der Grundlage der kla-
ren Kriterien und Voraussetzungen machen, von denen
ich eben gesprochen habe. Wir spüren, dass auf beiden
Seiten die ernsthafte Bereitschaft besteht, die Probleme
in der Flüchtlingspolitik gemeinsam zu lösen. Und das
erachte ich als einen großen Fortschritt.

Doch noch ist das Ergebnis nicht erzielt, noch sind au-
ßerordentlich schwierige rechtliche wie politische Fragen
zu klären, damit der Ausgleich der Interessen ein echter
Ausgleich wird. Die Kommission hat heute im Übrigen
zu den rechtlichen Fragen noch einmal eine Mitteilung
veröffentlicht. Gleichzeitig muss der Ausgleich der In-
teressen dem Ziel des europäisch-türkischen Ansatzes
dienen, die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft und nachhal-
tig für alle zu reduzieren sowie auch weiterhin den Men-
schen Schutz geben zu können, die diesen Schutz auch
wirklich brauchen. Beim Europäischen Rat morgen und
übermorgen geht es also darum, ob es gelingt, eine Eini-
gung zu erzielen, mit der wir zum ersten Mal eine echte
Chance auf eine dauerhafte und gesamteuropäische Lö-
sung in der Flüchtlingsfrage haben könnten.

Zu dieser gesamteuropäischen Lösung gehört im Üb-
rigen neben der Türkei auch die Partnerschaft mit un-
seren anderen Nachbarn, etwa in Nordafrika. Ich danke
Innenminister Thomas de Maizière, der auf seiner Reise
nach Marokko, Algerien und Tunesien weitreichende
Vereinbarungen getroffen hat. Genauso danke ich dem
Entwicklungsminister Gerd Müller, der dies in Fragen
der Entwicklungshilfe getan hat. Thomas de Maizière
hat vereinbart, dass zukünftig Rückführungen von nicht-

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


schutzbedürftigen Migranten in diese Länder erleichtert
werden.

Zu einer gesamteuropäischen Lösung gehört ganz
entscheidend, dass wir die Fluchtursachen gemeinsam
bekämpfen. Hier sind die Friedensgespräche für Syrien
von großer Bedeutung, bei denen ich dem Bundesau-
ßenminister allen Erfolg wünsche. Das ist ein langer, ein
schwieriger Weg; aber in den letzten Wochen haben wir
doch eine ganze Reihe von Ereignissen gesehen, die uns
zumindest mehr Hoffnung geben, als wir über lange, lan-
ge Zeit hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Natürlich gehört es auch zu unserer Agenda, dass wir
die Schlussfolgerungen des Valletta-Gipfels mit unseren
afrikanischen Nachbarn umsetzen, und zwar konsequent
umsetzen.

Zu einer gesamteuropäischen Lösung gehört außer-
dem, langfristig auch das Dublin-System zu reformieren.
Die EU-Kommission wird demnächst Vorschläge vor-
legen. Sie wollte das heute tun. Angesichts der intensi-
ven Debatten über die rechtlichen Grundlagen der Tür-
kei-Fragen hat sie das verschoben, aber sie wird das tun;
denn wir müssen wissen, wie wir das Dublin-System an
die veränderten Gegebenheiten anpassen und zukunfts-
fest machen können. Diese Vorschläge werden dann auch
Grundlage für die weiteren Überlegungen sein. Ich sage
ganz klar: Nur mit einer Reform von Dublin werden wir
Schengen langfristig aufrechterhalten können. Denn zu
einer gesamteuropäischen Lösung gehört nicht zuletzt
auch, dass wir schrittweise zu den offenen Binnengren-
zen zurückkehren können, von denen wir im Schen-
gen-Raum so sehr profitieren.

Neun Schengen-Staaten, unter anderem Deutschland,
sahen sich in den vergangenen Monaten gezwungen,
temporäre Binnengrenzkontrollen einzuführen. Ich be-
grüße daher, dass die Kommission einen sehr ehrgeizi-
gen Fahrplan vorgelegt hat, der das Ziel enthält, bis Ende
des Jahres alle temporären Kontrollen wieder aufzuhe-
ben. Aber auch dafür müssen natürlich die Bedingungen
erfüllt sein. Sonst können wir das nicht machen. Das
heißt, wir müssen bis dahin die Situation an den europä-
ischen Außengrenzen in den Griff bekommen, und alle
Mitgliedstaaten müssen wieder ihre Verpflichtungen aus
dem Schengener Grenzkodex einhalten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mei-
ne Damen und Herren, wenn sich all diese Bausteine zu
einer Gesamtstrategie zusammenfügen, dann können wir
eine dauerhaft tragfähige gesamteuropäische Lösung tat-
sächlich erreichen. So haben wir es als Staats- und Regie-
rungschefs bei unseren Treffen im Februar und Anfang
März gemeinsam vorgezeichnet. Und der morgen begin-
nende Europäische Rat ist hierfür eine weitere und, ich
würde auch sagen, durchaus entscheidende Wegmarke,
ohne dass ich schon voraussehen kann, wie die Entschei-
dungen genau aussehen.

Ich bin und bleibe überzeugt: Wir brauchen ein Eu-
ropa, in dem gemeinsame Herausforderungen durch eu-
ropäische Solidarität und durch gemeinsames Handeln
gemeistert werden. Das ist der einzige Weg, der Europa

langfristig Erfolg verspricht und der dazu führen wird,
dass Europa und damit alle seine Mitgliedstaaten auch
aus dieser Krise stärker hervorgehen werden, als sie in
sie hineingekommen sind.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816000200

Ich eröffne die Aussprache. Dietmar Bartsch ist der

erste Redner für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816000300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mehrfach in Ihrer Rede
davon gesprochen, dass die aktuelle Flüchtlingskrise nur
gelöst werden kann, wenn die Fluchtursachen beseitigt
werden. Ja, das ist richtig, aber das darf nicht zu einer
Phrase werden, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich will es noch einmal klar und deutlich sagen: Die
Flüchtlinge sind die Botschafter der Kriege und des
Elends dieser Welt. Deutschland und Europa müssen an
die Ursachen, an den Kern des Problems gehen, und der
liegt nun mal im Krieg und in der Zerstörung in Syri-
en, im Irak und in der ganzen Region. Das bedeutet aber
auch: Schluss mit Waffenlieferungen in Krisenregionen,
Schluss mit militärischer Logik in Krisenregionen


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und Nachdenken über eine andere Weltwirtschaftsord-
nung. Ich könnte jetzt noch einmal die Situation in Af-
ghanistan seit 2002 schildern. Da sehen wir die Ergebnis-
se der Politik. Das kann so nicht weitergehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben zu Beginn Ihrer Rede auf die Situation in
Griechenland Bezug genommen. Ich habe gestern ein
Video gesehen, das Norbert Blüm in Idomeni zeigt. In
diesem Video sagt er: Was ist das für ein Europa? Hier,
wenn ich die Bahngleise sehe, wenn es um Geschäft und
Waren geht: freie Bahn; wenn es um die Menschen geht:
dann nicht. Geldgeschäfte: global und grenzenlos. Wenn
es um die Menschen geht: eingesperrt. Was ist das für
eine Welt? Ist das Globalisierung? – Norbert Blüm hat
mit den Fragen und der Analyse völlig recht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist leider so: An vielen innereuropäischen Grenzen
und auch an seinen Außengrenzen hat Europa seine Hu-
manität, seine Menschlichkeit verloren. Der Tod – Sie ha-
ben die Zahlen genannt – ist zu einer alltäglichen Nach-
richt geworden, und es sind keine Lösungen in Sicht. Das
große Projekt Europa, das ein Projekt des Friedens, der
Kultur und der Solidarität ist, steht vor dem Scheitern. Es

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






(A) (C)



(B) (D)


geht Europa nicht gut, Frau Bundeskanzlerin. Um diese
Dimension geht es, um nicht mehr und auch nicht weni-
ger.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun sind in diesen Gipfel auch mit Blick auf die Land-
tagswahlen, die stattgefunden haben, viele Erwartungen
gesetzt worden. Natürlich ist unbestritten: Die Türkei ist
ein Schlüsselland in dieser Krise. Sie meinen, Lösun-
gen gefunden zu haben, indem Sie mit dem Despoten
Erdogan einen Schulterschluss suchen. Erdogan diktiert
Europa Bedingungen.

Frau Merkel, Sie haben eben von Angemessenheit ge-
sprochen. Sie hofieren einen Mann, der Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler entlässt, weil sie von ihrem
Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch machen
und sich für den Frieden in der Türkei einsetzen. Sie ho-
fieren einen Mann, der die Türkei zu einer Kriegspartei
in Syrien gemacht hat, der die Türkei über Jahre zu ei-
nem Transitland des Terrorismus gemacht hat. Sie hofie-
ren einen Mann, der Journalisten verhaften lässt, der die
Pressefreiheit abschafft und kritische Zeitungen staatlich
besetzen lässt. Sie hofieren einen Mann, der Krieg ge-
gen die eigene Bevölkerung, gegen die Kurden führt mit
Hunderten Toten, der sogar im Irak, also in einem ande-
ren Land, bombardieren lässt. Sie hofieren einen Mann,
der Frauen niederknüppeln lässt und der kurz vor dem
Internationalen Frauentag mit Gummigeschossen ge-
waltsam gegen eine friedliche Demonstration von Frau-
en vorgegangen ist. 103 ermordete Frauen im Jahr 2015!
Mit so einem Partner kann es keine Lösung für Europa
geben. Menschenrechte dürfen nirgendwo und niemals
auf dem Verhandlungstisch liegen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Russland! Russland!)


– Auch nicht in Russland, Herr Kauder. Da haben Sie
völlig recht. Ich habe „nirgendwo“ gesagt.

Ihre Vorvereinbarung auf dem letzten EU-Gipfel be-
sagt, dass Sie Flüchtlinge vor allen Dingen aus Griechen-
land wieder in die Türkei abschieben wollen. Sie haben
das eben noch einmal dargelegt. Für jeden abgeschobe-
nen Flüchtling sollen andere aus Syrien in die EU einrei-
sen dürfen. Darunter sind im Übrigen unter Umständen
auch Kurdinnen und Kurden. Stellen Sie sich vor, dass
von Griechenland Kurdinnen und Kurden in die Türkei
abgeschoben werden. Was ist denn das für eine Herange-
hensweise? Das kann doch nicht wahr sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Das alles ist ein scheinheiliger Deal. Sie schaffen damit
das fundamentale Recht in der Europäischen Union auf
ein individuelles Asylverfahren ab. Dieses Recht ist aber
nun einmal ein Grundrecht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt nicht!)


Während in Idomeni im Dreck und in Fäkalien Kin-
der geboren werden und leben müssen, machen Sie uns

vor, dass es eine europäische Lösung geben kann. Sie
haben völlig recht – auch Herr Blüm hat das gesagt –:
500 Millionen Europäer müssten in der Lage sein, dieses
Problem zu lösen. Ja, es muss eine europäische Lösung
unter Einbeziehung der Menschen geben. Doch das Pro-
blem ist: Europa folgt Ihnen nicht mehr. Sie haben eben
de facto kein Wort zu den problematischen europäischen
Partnern gesagt, weder zu Ungarn noch zu Polen oder
zu Frankreich. Beim Verteilungsschlüssel wollen die
EU-Staaten nicht mitmachen. Das ist doch die reale Lage.
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, al-Hussein,
bezeichnet die kollektive und willkürliche Ausweisung
von Flüchtlingen sogar als illegal. Das Europäische
Parlament ist gegen Ihren Vorschlag. Die Mehrzahl der
EU-Staaten will nicht mitmachen.

Es gibt dafür einen Grund: Frau Bundeskanzlerin, Sie
haben einen Beitrag dazu geleistet, dass Europa so ent-
zweit ist. Das hat auch mit Alleingängen und Drohun-
gen Richtung Athen vor anderthalb Jahren zu tun. Das ist
doch die Realität. Ist Ihnen aufgefallen, dass Nicht-EU-
Staaten die Grenzen zu uns dichtmachen? Mazedonien
baut Grenzanlagen gegen die EU. Früher wollten diese
Länder die Schlagbäume Richtung EU einreißen. Das al-
les ist auch das Ergebnis von zehn Jahren Ihrer Politik,
Frau Merkel. Das ist ein Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sind mitverantwortlich für die politische, humanitäre
und soziale Krise in Europa. Sie waren es doch, die sich
mit ihrem Finanzminister geweigert hat, die Verantwort-
lichen für die Wirtschafts- und Finanzkrise wirklich zur
Verantwortung zu ziehen.

Das, was Krise in Griechenland, Spanien und anderen
Ländern ist, ist im Übrigen auch Krise in unserem Land.
Auch da sage ich ganz klar: Was waren denn die Rezep-
te? Weiterhin die schwarze Null. Ein Ergebnis ist, dass
es in unserem Land auf der einen Seite immer mehr Kin-
der und immer mehr Rentnerinnen und Rentner in Armut
gibt und dass auf der anderen Seite wenige Menschen
extrem viel Geld besitzen, und zwar obszön viel Geld,
meine Damen und Herren.


(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Warum wird die ungerechte Verteilung von Einkommen
und Vermögen in Deutschland und Europa angesichts
dieser Krise nicht einmal thematisiert?


(Beifall bei der LINKEN)


Kurz vor den Landtagswahlen kam der Vizekanzler
mit der Forderung, in Deutschland müsse mehr in Sachen
„sozial“ getan werden. Das, lieber Herr Gabriel, kam
zwar spät und direkt vor den Wahlen – na ja –, aber es
ist völlig richtig. Auch wir sind dieser Auffassung. Aller-
dings sind wir der Auffassung, dass es für alle in diesem
Land ein Solidaritätspaket geben sollte. Ja, das sollten
wir machen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen gibt es unseren Entschließungsantrag. Wir
fordern mehr Investitionen unter anderem in den sozialen
Wohnungsbau, ins Gesundheitswesen, in Schulen und in

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


Bildung. „5 x 5“ haben wir vorgeschlagen, also fünfmal
5 Milliarden Euro für ein soziales Land, solide finanziert.
Das muss doch wirklich möglich sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, es wurde in diesem Land
bereits viel Vertrauen in die Politik zerstört. Was das be-
deutet, haben wir alle am letzten Sonntag sehen können.
Die Braunen im nationalkonservativen blauen Gewand
sind in drei Landtage zweistellig eingezogen, und sie fi-
schen ganz bewusst am ganz rechten Rand.


(Matern von Marschall [CDU/CSU]: Und am ganz linken!)


Die AfD ist aber nicht nur rechtspopulistisch und ras-
sistisch. Nein, sie würde das Land sogar noch unsozi-
aler machen. Die AfD spaltet die Gesellschaft. Sie will
Hartz IV absenken, den Mindestlohn abschaffen, die
Frauen zurück an den Herd schicken und fürs Vaterland
gebären lassen. Deshalb, meine Damen und Herren: Das
übliche Parteiengeplänkel ist keine Antwort auf die Fra-
gen der Zeit. Alle in diesem Haus haben am 13. März
verloren. Das muss man erst einmal anerkennen und ent-
sprechend handeln.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir als demokratische Sozialistinnen und Sozialis-
ten haben einen Vorteil. Wir sagen: Wir können niemals
glücklich sein, wenn andere unglücklich sind.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Oh! – Zurufe von der SPD: Na! – Wirklich?)


– Sie auch? Sehr schön. Nur mittun! Sie haben nachher
die Möglichkeit; denn dann findet eine wunderbare Ab-
stimmung statt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die alten Recken der Union haben das im Übrigen be-
griffen. Sie haben begriffen: Die Menschen in diesem
Land wollen wieder ernst genommen und gehört werden,
und sie wollen mehr soziale Gerechtigkeit. Wir haben
das verstanden. Ich hoffe, Sie auch. Kommen Sie mit den
entsprechenden Ergebnissen vom Gipfel zurück!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816000400

Für die SPD-Fraktion erhält nun Thomas Oppermann

das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1816000500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der

EU-Gipfel in den nächsten beiden Tagen wird einer der
wichtigsten der letzten Jahre sein. Denn nach wie vor be-
findet sich die Europäische Union in einer äußerst ange-
spannten Lage. Es geht um die Frage: Überwinden wir
die Flüchtlingskrise gemeinsam auf einem europäischen

Weg, oder zerfällt Europa in einzelne nationale Entschei-
dungen?

Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wohin na-
tionale Alleingänge führen: Das Schengen-System ist an
vielen Stellen außer Kraft, es gibt diplomatische Span-
nungen zwischen EU-Staaten, und Griechenland trägt
zurzeit die ganze Last der Probleme. Das ist keine dau-
erhafte Lösung, und das ist auch nicht der richtige Weg
für Europa.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb sind die Ergebnisse des EU-Türkei-Gipfels
der vergangenen Woche aus meiner Sicht ein gutes Zwi-
schenergebnis. Es war auf diesem Gipfel das erste Mal
seit längerer Zeit wieder spürbar, dass es ein gemeinsa-
mes Interesse an einer europäischen Lösung gibt. Des-
halb hoffe ich sehr, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie in
den nächsten beiden Tagen aus diesem Zwischenergeb-
nis einen tragbaren, dauerhaften Kompromiss entwickeln
können.

Dazu gehören für uns erstens ein Rücknahmeabkom-
men zwischen der EU und der Türkei, zweitens eine
Vereinbarung über Flüchtlingskontingente, mit denen
wir die Türkei entlasten und unsere eigenen humanitären
Verpflichtungen erfüllen können, drittens die europäische
Unterstützung von Griechenland und viertens ein klares
Signal, dass die EU entschlossen ist, die Fluchtursachen
entschieden zu bekämpfen. Mit einem solchen Ergebnis
können wir die Spaltung der Europäischen Union in der
Flüchtlingsfrage überwinden und die Flüchtlingsströme
reduzieren und wieder in geordnete Bahnen lenken.


(Beifall bei der SPD)


Vor allem aber ist es wichtig, dass alle Flüchtlinge
wissen: Wer mit Schleppern über die Ägäis kommt, der
muss damit rechnen, wieder zurückgeschickt zu werden.
Denn erst dann werden die Flüchtlinge aufhören, ihre Er-
sparnisse den Schleppern anzuvertrauen, und erst dann
werden wir in der Lage sein, den kriminellen Banden in
der Ägäis endlich das Handwerk zu legen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, ich weiß, dass diese Lö-
sung nicht jedem gefällt. Der UN-Menschenrechtskom-
missar hat die geplante Rückführung von Flüchtlingen
kritisiert.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er ja auch recht!)


Das ist ein gewichtiges Wort, das wir ernst nehmen müs-
sen. Ich bin mir sicher, dass der EU-Gipfel diese Kritik
aufnehmen und menschenwürdige und rechtskonforme
Lösungen finden wird, um die Zusammenarbeit mit der
Türkei zu ermöglichen. Das ist aus zwei Gründen wich-
tig:

Erstens. Die Sicherung der europäischen Außengren-
ze in der Ägäis ist ohne die Kooperation zwischen Grie-
chenland und der Türkei ausgesprochen schwierig. Wenn
uns hier keine Übereinkunft mit der Türkei gelingt, dann
wird es überall in Europa zu einer nationalen Grenz-

Dr. Dietmar Bartsch






(A) (C)



(B) (D)


schutzpolitik, zu einer Renationalisierung der Grenzen
und zu einer schweren Beeinträchtigung der Freizügig-
keit und der Reisefreiheit kommen.

Ich darf daran erinnern: In Deutschland hängt jeder
vierte Arbeitsplatz direkt von der Exportwirtschaft ab.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Der Export-Vizeweltmeister Deutschland als abgeschot-
teter Nationalstaat: Das wäre ein Treppenwitz der Ge-
schichte. Mit Grenzschließungen können wir unseren
Wohlstand nicht erhalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens. Trotz aller berechtigten Kritik an Präsident
Erdogan und seiner Politik gilt: Syrische Flüchtlinge sind
in der Türkei sicher. Die Türkei gibt mehr Syrern Schutz
und Sicherheit als alle anderen europäischen Länder zu-
sammen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Außer Kurden!)


Deshalb ist eine überhebliche und herablassende Haltung
gegenüber der Türkei in der Flüchtlingsfrage völlig un-
angebracht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Es gibt in diesem Land allerdings zwei gravierende
Mängel bei der Flüchtlingsunterbringung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816000600

Darf die Kollegin Hänsel eine Zwischenfrage stellen?


(Christine Lambrecht [SPD]: Oh nein!)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1816000700

Ja, bitte.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816000800

Danke schön, Herr Präsident und Herr Oppermann,

für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie
sagten, mit Grenzschließungen werde unser Wohlstand
nicht zu halten sein. Meine Frage ist: Werden wir mit
unserer derzeitigen Handelspolitik, durch die die Län-
der des Südens, die afrikanischen Länder, ausgebeutet
werden, unseren Wohlstand weiterhin halten können?
Brauchen wir hier nicht noch ganz andere grundsätzliche
politische Veränderungen? Ansonsten werden wir doch
nicht dazu beitragen, dass es weniger Menschen gibt, die
fliehen müssen.

Sie können sich doch nicht nur darauf konzentrieren,
zu sagen, dass wir unseren Wohlstand halten und versu-
chen müssen, unseren Binnenmarkt zu erhalten, sondern
wir brauchen hier doch eine andere Politik.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1816000900

Zum einen: Frau Kollegin Hänsel, dass Sie den Wohl-

stand erhalten wollen, hat der Kollege Bartsch, Ihr Frak-
tionsvorsitzender, hier eben noch einmal bekräftigt.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber nicht auf Kosten anderer!)


Er hat gesagt: Die Linken sind nicht glücklich, solange
nicht alle anderen glücklich sind. – Ohne wirtschaftli-
chen Wohlstand geht das nicht wirklich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum anderen: Natürlich müssen wir die Abhängig-
keitsverhältnisse in der Weltwirtschaft abbauen. Wir
versuchen das auch mit einer Politik der wirtschaftli-
chen Zusammenarbeit. Diese Bundesregierung hat aus
Haushaltsüberschüssen in der mittelfristigen Finanzpla-
nung 8 Milliarden Euro zusätzlich für wirtschaftliche
Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt. Ich glaube, wir
werden auch sehr stark gefordert sein, wenn es gelingt,
den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden; denn wenn die-
ser Bürgerkrieg zu Ende ist, muss das Land wieder auf-
gebaut werden. Der syrische Bürgerkrieg ist aber nicht
etwa aufgrund eines direkten Ausbeutungsverhältnisses
entstanden. Er hat völlig andere Ursachen. Deshalb muss
dieser Krieg erst einmal beendet werden, wenn wir in der
Region zu einer nachhaltigen Politik kommen wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Türkei hat 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenom-
men. Diese syrischen Flüchtlinge in der Türkei werden
dort auch akzeptiert. Die Menschen haben Verständnis
für die Fluchtgründe; aber es gibt zwei gravierende Pro-
bleme. Dabei geht es zum einen um den Zugang zu me-
dizinischer Versorgung und zum anderen um den Zugang
zu Bildungsmöglichkeiten für die Kinder. Genau diese
beiden Dinge aber können und werden wir ändern, indem
wir 3 Milliarden Euro Unterstützung aus der EU primär
genau für diese beiden Bereiche einsetzen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Flüchtlinge haben ein Recht auf Schutz, aber sie ha-
ben keinen Anspruch darauf, selber bestimmen zu kön-
nen, welches Land diesen Schutz gewähren muss. Wer in
ein bestimmtes Land einreisen möchte, der muss schon
die Einreise- und Einwanderungsbestimmungen dieses
Landes beachten. Die Flüchtlinge haben einen Anspruch
auf Schutz, aber keinen Anspruch auf freie Wahl des
Schutzlandes.

Meine Damen und Herren, die Türkei bietet syrischen
Flüchtlingen Sicherheit. Das heißt aber natürlich nicht,
dass auch sonst in der Türkei alles in Ordnung wäre. Im
Gegenteil: Erdogan verletzt Menschenrechte. Er geht
brutal gegen die kritische Opposition vor, lässt Proteste
niederknüppeln und bekämpft die Kurden mit rücksichts-
losen Militäreinsätzen. Die Presse in der Türkei wird
eingeschüchtert. Bei Bedarf werden regierungskritische
Zeitungen gestürmt und einer staatlichen Kontrolle un-
terworfen. Dazu sagen wir ganz klar: Dieser Umgang mit

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


Opposition und Meinungsfreiheit ist einer Demokratie
nicht würdig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber, meine Damen und Herren, die Türkei wünscht
sich eine Perspektive mit Blick auf die Europäische Uni-
on. Und wenn jetzt neue Verhandlungskapitel eröffnet
werden, dann ist das auch eine Chance, auf grundlegende
Veränderungen in der Türkei hinzuarbeiten und die Men-
schenrechtslage dort nachhaltig zu verbessern.

Meine Damen und Herren, die AfD-Ergebnisse bei den
Landtagswahlen am vergangenen Wochenende waren
zweifellos ein Warnsignal. Auch Deutschland ist nicht
immun gegen rechtspopulistische Parteien, die in unsere
Landtage einziehen. Aus anderen europäischen Ländern
wissen wir: Das wäre schleichendes Gift für eine weltof-
fene, liberale und gerechte Politik. Deshalb sage ich: Wir
müssen uns mit den Gründen für den Wahlerfolg dieser
Partei auseinandersetzen, und davon gibt es eine ganze
Reihe. Ein Teil der Wähler vermisst eine konservative
politische Heimat. Ein anderer Teil fühlt sich von dem
sogenannten politischen Establishment nicht mehr ver-
treten. Und manche wollen mit ihrer Wahl einfach ihren
Protest ausdrücken – ob gegen die Euro-Rettung oder die
Flüchtlingspolitik.

Mir zeigt der Erfolg der AfD aber vor allem eines: Die
Spaltung der Gesellschaft hat schon begonnen. Deshalb
sind die richtigen Aufgaben für die Politik jetzt folgende:

Wir müssen erstens den Riss, der in der Flüchtlingspo-
litik mitten durch unsere Gesellschaft geht, wieder kitten
und die Zahl der Flüchtlinge auf ein vernünftiges Maß re-
duzieren. Wir brauchen zweitens ein finanziell kraftvoll
ausgestattetes Integrationsgesetz mit klaren Regeln und
Angeboten für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive.


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen drittens ein Einwanderungsgesetz, mit dem
wir Deutschland als Einwanderungsland gestalten und
mit dem wir die Einwanderung von Fachkräften sinnvoll
steuern können.


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen viertens den Staat wieder zum unbestrittenen
Garanten für die öffentliche Sicherheit in diesem Lande
machen. Aber vor allem müssen wir fünftens die soziale
Spaltung der Gesellschaft stoppen.

Um zu wissen, was die Menschen in diesem Lande
umtreibt, lohnt sich übrigens ein Blick in unseren Ko-
alitionsvertrag. Über 1 Million Leiharbeiter und Werk-
vertragsnehmer warten auf eine anständige Regulierung
der Leiharbeit und darauf, dass wir den Missbrauch von
Werkverträgen stoppen.


(Beifall bei der SPD)


Die Lohnlücke bei der Bezahlung von Männern und
Frauen und die trotz jahrzehntelanger Arbeit drohende

Altersarmut bei Niedrigverdienern empfinden viele als
eine große Ungerechtigkeit.


(Beifall bei der SPD)


Unsere Kommunen warten auf die versprochenen Entlas-
tungen, die jetzt tatsächlich kommen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht es doch!)


Millionen von Menschen wünschen sich, dass die Politik
die antiquierte Eingliederungshilfe reformiert und Men-
schen mit Behinderungen die Möglichkeit gibt, ihr Leben
selbstständig und autonom zu gestalten.


(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht es doch!)


– Wir sind mittendrin.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr regiert doch!)


Meine Damen und Herren, keines dieser Probleme ist
durch die Flüchtlingskrise weniger wichtig geworden.
Deshalb müssen wir den Menschen jetzt zeigen: Wir
werden die Probleme anpacken und die Lösungen umset-
zen, so wie das vereinbart worden ist.


(Beifall bei der SPD)


Für mich hat der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz vor
allem eines gezeigt: dass den Menschen in Deutschland
der Zusammenhalt der Gesellschaft ganz besonders am
Herzen liegt. Dieser Wunsch hält viele Menschen davon
ab, in großer Zahl die AfD zu wählen – aber nur dann,
wenn wir tatsächlich in Integration und in sozialen Zu-
sammenhalt investieren. Gerade die Ärmsten, die Ar-
beitslosen und die Migranten, die hier schon leben – das
kann ich sagen, ohne irgendwelche Gruppen gegeneinan-
der auszuspielen –, sind doch die Ersten, die zu Flücht-
lingen in Konkurrenz geraten können oder zumindest das
Gefühl haben, dass das passieren könnte. Deshalb war es
absolut richtig, dass wir eine Ausnahme vom Mindest-
lohn für Flüchtlinge strikt zurückgewiesen haben, meine
Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb werden wir darauf bestehen und daran arbei-
ten, dass diese Dinge jetzt angepackt und umgesetzt wer-
den. Wir dürfen bei der Integration nicht an den falschen
Stellen sparen. Wir müssen Wohnungen schaffen, Erzie-
herinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer einstel-
len sowie Ausbildungsplätze und Kapazitäten an Berufs-
schulen bereitstellen. Wir müssen Eingliederungen für
den Arbeitsmarkt aktivieren. Wir müssen die Flüchtlinge
und die Langzeitarbeitslosen in Arbeit bringen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie das doch alles! Herr Oppermann, Sie regieren seit zwei Jahren!)


Dazu werden wir den Haushalt 2017 nutzen.

Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


Ich freue mich auf die konstruktiven Gespräche, die
wir dazu in der Koalition haben werden. Ich sage: Wir
haben viel zu tun. Lassen Sie uns das gemeinsam anpa-
cken!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816001000

Anton Hofreiter erhält nun das Wort für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816001100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, für Ihre
grundsätzliche Linie in der Flüchtlingspolitik der letzten
Monate haben Sie auch von meiner Partei viel Respekt
und Zustimmung erfahren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben der zum Teil hysterischen Stimmung in Ihren
eigenen Reihen nicht nachgegeben – auch nicht der bei
der CSU – und sich im Grundsatz an Humanität und Soli-
darität orientiert. Ja, Ihre Partei hat bei den Wahlen nicht
davon profitiert. Aber Ihre Haltung ist durch die Erfolge
von Malu Dreyer und Winfried Kretschmann inhaltlich
bestätigt worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die große Mehrheit in unserem Land hat Parteien
gewählt, die eine humane, eine realistische und eine eu-
ropäische Flüchtlingspolitik unterstützen. Die Mehrheit
unserer Bevölkerung bleibt gelassen und hält Kurs, liebe
Kolleginnen und Kollegen. Das sollte uns alle freuen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unser Ziel muss eine europäische Lösung bleiben, die
das individuelle Recht auf Asyl bewahrt, Geflüchteten
Schutz bietet und in der Tat auch unsere Außengrenzen
sichert.

Sie, liebe Frau Bundeskanzlerin, sagen, Sie wollen
Kurs halten. Aber zurzeit sprechen Ihre Taten leider eine
andere Sprache. Als sich vor einem halben Jahr die dra-
matischen Szenen in Budapest ereignet haben, haben Sie
geholfen. Heute ereignen sich ähnlich dramatische und
zum Teil noch dramatischere Szenen in Idomeni. Wo
bleibt da Ihre Hilfe? Wo bleibt da das Signal aus Deutsch-
land? Dieses Mal tun Sie nichts, und das ist beschämend
für die Bundesregierung und für unser Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Wir haben die Unterkünfte in Griechenland! Sie sind ja da! Die hatten wir eben in Ungarn nicht! Der große Unterschied! Das ist eine diametral andere Situation!)


Dabei wäre angesichts der Bedingungen, unter denen die
Menschen dort leben, humanitäre Soforthilfe nötig.

Im Rahmen des beschlossenen europäischen Verteil-
mechanismus müssten auch wir 28 000 Geflüchtete aus
Griechenland aufnehmen. Warum zaudern Sie? Warum
zaudert die Bundesregierung, die von Ihnen selbst hoch-
gehaltenen Beschlüsse umzusetzen? Ich spreche gar
nicht von den insgesamt 160 000 Geflüchteten. Der deut-
sche Anteil sind 28 000. Warum gehen wir nicht als gutes
Vorbild bei der Umsetzung voran, indem wir die 28 000
Geflüchteten aufnehmen? Damit wäre vielen Menschen
in Griechenland geholfen. Handeln Sie endlich! Es ist
Zeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch mit Blick auf den Deal, der beim EU-Gipfel
droht, habe ich sehr große Zweifel daran, dass Sie ge-
denken, Ihren Kurs beizubehalten. Denn es droht uns ein
schmutziger Deal. Wenn man die Unterlagen genau stu-
diert, dann stellt man fest, dass da Formulierungskünstler
am Werk sind, die den Anschein erwecken wollen, dass
alle Geflüchteten ein faires Verfahren erhalten würden.
Aber seien Sie doch ehrlich: Nur Syrer sollen noch nach
Europa kommen; alle anderen sollen in die Türkei zu-
rückgeschickt werden. Seien Sie ehrlich: Das ist de facto
nichts anderes als eine flexible Obergrenze. Deshalb fra-
ge ich mich – und das frage ich auch die lieben Kolle-
ginnen und Kollegen von der CSU –, warum sich Herr
Seehofer wieder wie Rumpelstilzchen aufführt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei dem Deal, der uns droht, sind Geflüchtete keine
Individuen mehr, deren Schutzbedürftigkeit im Einzelfall
entsprechend geprüft wird. Es sind nur noch Rechengrö-
ßen im Tauschhandel zwischen der Europäischen Union
und der Türkei, bei dem zum Beispiel Afghanen und Ira-
ker komplett unter den Tisch fallen. Das ist unmensch-
lich. Das ist Europas unwürdig, und es ist inakzeptabel.
Deshalb: Stoppen Sie das, Frau Merkel!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich gebe Ihnen völlig recht, Frau Merkel, dass es be-
schämend ist, dass dieses Europa – 28 Nationalstaaten
und 505 Millionen Einwohner allein in der Europäischen
Union – nicht in der Lage ist, einige Hunderttausend
Geflüchtete bei uns unterzubringen und immer nur auf
einzelnen nationalen Lösungen besteht. Ich mache Ihnen
nicht den Vorwurf, dass Sie alleine an dem vergifteten
Klima in Europa Schuld sind. Aber in den anderen euro-
päischen Ländern ist nicht vergessen worden, dass es erst
gut zwei Jahre her ist, dass Italien in großen Schwierig-
keiten war und um eine solidarische Lösung gebeten hat,
als viele Geflüchtete nach Lampedusa kamen. Damals
hat ein deutscher Innenminister gesagt: Das ist ein rein
nationales Problem; das ist allein das Problem von Itali-
en. – Insofern glaube ich: Wenn in Europa immer nur die-
jenigen für eine solidarische Lösung kämpfen, die gerade
in dem Moment Solidarität brauchen, dann wird Europa
nicht funktionieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Thomas Oppermann






(A) (C)



(B) (D)


Jetzt ist das alles vergossene Milch. Bei uns ist das
weitgehend vergessen. Aber ich sage Ihnen, Frau Merkel:
In den anderen europäischen Ländern ist das nicht ver-
gessen. Deshalb: Geben Sie sich einen Ruck, und hören
Sie nicht auf, weiter für eine solidarische Lösung zu
kämpfen. Geben Sie sich aber vor allem einen Ruck, und
sagen Sie: Es tut uns leid. In der Vergangenheit, als an-
dere auf Solidarität angewiesen waren, waren wir unso-
lidarisch. Wir haben jetzt verstanden, wie problematisch
das ist. – Ich glaube, wenn Sie das deutlich aussprechen
würden, wenn Sie sich bei Italien entschuldigen würden


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt aber!)


für die Haltung, die damals der deutsche Innenminister
innehatte, dann würde man sich viel leichter tun, zu einer
solidarischen Lösung und zu einer gemeinsamen Zusam-
menarbeit zu kommen. Wenn man bereit ist, die eigenen
Fehler und die eigene Unsolidarität zuzugeben, dann
werden die Verhandlungen leichter werden. Wenn man
hingegen immer nur mit dem Finger auf andere zeigt,
wird es problematisch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Türkei hat sehr viele Geflüchtete aufgenommen,
und zwar mehr als die gesamte Europäische Union. Das
sehen wir, und das muss man anerkennen. Aber man
muss auch sehen, dass es in der Türkei kein faires Verfah-
ren für Geflüchtete gibt. Schlimmer noch: Zum Teil ist in
Berichten zu lesen, dass die Türkei Geflüchtete zurück
in den Bürgerkrieg schickt. Wenn Sie nun, liebe Bun-
deskanzlerin, unsere humane Verantwortung, die Ver-
antwortung Europas zur Wahrung der Menschenrechte,
auf Erdogan abschieben, dann ist das nur noch grotesk.
Hören Sie damit auf! Beenden Sie das!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Türkei steht am Rande eines Bürgerkriegs. Die
schrecklichen Anschläge in der Türkei bedrücken uns
alle. Es muss uns wirklich besorgt machen, dass die Re-
gierung Erdogan das Land mehr spaltet als vereint sowie
massiv gegen die Menschen- und Bürgerrechte ihrer ei-
genen Bürgerinnen und Bürger verstößt.

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, Ihre Bemer-
kung, wir sollten uns nicht zum Schiedsrichter beim The-
ma Menschenrechte aufspielen, ist eine Unverschämtheit


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


gegenüber denen, die unter Erdogans Repressionen und
den Angriffen der türkischen Armee in den Kurdengebie-
ten leiden. Diese Bemerkung ist eine Unverschämtheit
gegenüber den Journalisten und Oppositionellen, die im
Gefängnis sitzen. Da darf Europa nicht wegschauen. Da
darf Europa nicht schweigen, und dazu darf auch die
Bundesregierung nicht schweigen. Hierzu muss man sich
ganz deutlich äußern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist richtig, die Türkei finanziell zu unterstützen.
Auch bei der Visafreiheit haben Sie unsere Unterstüt-
zung. Aber wir appellieren an Sie, Frau Merkel: Gehen

Sie nicht jeden Deal bei den bevorstehenden Verhand-
lungen ein! Lassen Sie sich nicht von den Seehofern, den
Orbans und den anderen Asylgegnern in Europa treiben!
Verraten Sie nicht die Werte Europas! Verraten Sie nicht
die Geflüchteten! Verraten Sie nicht die Menschen, die an
die Werte Europas glauben, beim nächsten Gipfel!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lassen Sie sich auch nicht von der AfD vorantreiben.
Die AfD, wie wir sie erlebt haben, verfolgt reaktionäre,
völkische und menschenverachtende Ziele. Wir müssen
mit ihr streiten und deutlich machen, dass Hass keine
Alternative für Deutschland ist. Das tun wir Grüne mit
unseren Argumenten und die SPD und die Union mit
ihren. Das wird nicht immer gleich klingen. Aber eines
sollte uns allen klar sein: Keiner von uns darf den rassis-
tischen Motiven hinterherlaufen. Das ist keiner der hier
im Hohen Hause vertretenen Parteien würdig. Es bringt
zudem keinen Erfolg; denn im Zweifel wählen die Men-
schen lieber das Original für rechte Sprüche, und das
Original für rechte Sprüche ist nun einmal die AfD. Las-
sen Sie uns streiten mit sachlichen Argumenten über die
Flüchtlingspolitik, über Verteilungspolitik und über die
Euro-Politik. Nichts ist alternativlos. Demokratische Par-
teien bieten Alternativen. Streit ist fruchtbar, wenn er auf
dem Boden des Grundgesetzes geführt wird. Weite Teile
der AfD und ihres Umfeldes tun das aber nicht. Der Hass
in den sozialen Netzwerken, auf den Pegida-Demons-
trationen und in den AfD-Wahlprogrammen verletzt den
politischen Grundkonsens unserer Republik. Deren Al-
ternativen sind keine Alternativen, sondern Angriffe auf
unsere Werte, und zwar auf unsere gemeinsamen Werte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Nicht nur der Streit in der Regierung und über den
Umgang mit den Geflüchteten spielt der AfD in die Kar-
ten. Was der AfD jenseits der harten Rechtsextremisten
unter ihren Wählern weiterhin in die Karten spielt, ist,
dass viele Menschen gefühlt Angst vor dem sozialen
Abstieg haben, unabhängig davon, ob sie wirklich da-
von bedroht sind oder nicht. Das liegt auch daran, dass
viele Menschen das Empfinden haben, dass die soziale
Herkunft stark die Bildungs- und Aufstiegschancen be-
stimmt. Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft
ist doch: Aufstieg aufgrund eigener Leistung ist möglich.
Dieses Versprechen löst unser Wirtschaftssystem zu häu-
fig nicht mehr ein. Dieses gebrochene Versprechen ist
brandgefährlich für den Zusammenhalt. Wer etwas ge-
gen die Menschenfeindlichkeit tun will, der muss auch
für eine gerechtere Gesellschaft arbeiten, für mehr Chan-
cen für alle.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816001200

Herr Kollege.


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816001300

Die SPD und Sigmar Gabriel haben dazu ein paar

richtige Vorschläge gemacht. Aber Herr Gabriel hat sein
Solidarpaket unter dem Motto verkauft: Jetzt sind auch

Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)


einmal die Deutschen dran. – So spielt man aber Men-
schen gegeneinander aus. So bestätigt man das Motiv
der AfD. Das ist keine konstruktive, das ist keine linke
Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Abgehängten und die sich abgehängt Fühlenden
anzusprechen, ohne Ressentiments zu bedienen, das
müsste die SPD doch schaffen. Deshalb: Achten wir
darauf, dass wir diesen Parolen nicht hinterherlaufen.
Weder durch Arroganz noch durch Hinterherlaufen oder
dumme Sprüche werden wir die AfD bekämpfen. Wir ha-
ben eine Verantwortung für die Demokratie. Werden wir
ihr gerecht – hier im Bundestag, in den Landtagen und
auf den europäischen Gipfeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816001400

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun Volker Kauder

das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1816001500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Wieder einmal, so könnte man fragen, ein neuer Gipfel,
und was wird das Ergebnis dieses Gipfels sein? Aber
wenn wir uns die letzten Gipfel anschauen, dann sehen
wir, dass wir immer vorangekommen sind. Wir haben
in Europa schon immer erlebt, dass es manchmal etwas
langsam und schwierig gegangen ist, dass wir aber dann
doch zu Ergebnissen gekommen sind. Ja, auch mir geht
es bei der Frage der europäischen Flüchtlingspolitik zu
langsam. Deshalb ist es aber doch richtig, dass wir dieje-
nige unterstützen und derjenigen Erfolg wünschen, der es
auch zu langsam geht, nämlich unserer Bundeskanzlerin.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Da darf der Beifall bei unserem Koalitionspartner ruhig
etwas größer sein;


(Zuruf des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD])


denn ich gehe davon aus, dass auch Sie den Erfolg wol-
len.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ja,
das Gesicht, das Europa im Augenblick in Griechenland
zeigt, ist nicht das Gesicht von Europa, das ich mir in der
ganzen Welt vorstelle.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das, was wir in Griechenland erleben, ist aber das Er-
gebnis davon, dass Europa nicht schnell genug gehandelt
hat, und das ist das Ergebnis ausschließlich nationaler
Maßnahmen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stimmt!)


Das zeigt, dass wir eine wirkliche Lösung nur hinbekom-
men, wenn wir europäisch handeln.

Jetzt, Herr Kollege Hofreiter: Wir müssen schon die
Wirklichkeit richtig darstellen. Ein Teil des Protestpoten-
zials, das sich auch – nicht nur, aber auch – in Stimmen
für die AfD zeigt, hängt auch damit zusammen, dass wir
die Dinge, wie sie wirklich sind, manchmal nicht so rich-
tig bezeichnen. Wenn Sie jetzt versuchen, die Situation in
Griechenland mit der damals in Ungarn zu vergleichen,
dann ist das eben nicht fair.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum? – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch!)


– Nein. In Ungarn gab es eben keine Möglichkeiten für
die Flüchtlinge, in entsprechende Einrichtungen zu ge-
hen.

Die Ungarn haben die Flüchtlinge auf die Straße ge-
schickt, damit sie woanders hingehen; aber in Griechen-
land gibt es Plätze, wohin die Flüchtlinge gehen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Insofern besteht ein Unterschied, und das sollten wir
auch sagen.

Richtig ist aber auch – das sieht man an diesem Bei-
spiel –, dass es mit europäischen Werten nichts zu tun
hat, wenn wir denjenigen im Stich lassen, der jetzt die
ganze Last tragen soll, nach dem Motto: Es interessiert
uns nicht, was die Griechen zu tun haben. – Das geht auf
gar keinen Fall. Es bringt Europa an den Rand des Zer-
falls, wenn so gedacht wird. Wir wären dann nicht mehr
füreinander da, und wir würden uns dann nicht mehr in
schwierigen Situationen helfen. Das wäre nicht das Eu-
ropa, wie ich es mir vorstelle. Dafür kämpft die Bundes-
kanzlerin auch auf dem bevorstehenden Gipfel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das haben Sie vor ein paar Jahren bei Lampedusa doch genauso gemacht!)


Ich wünsche ihr dabei viel Erfolg.

Es wird – auch dies ist klar – ohne den Beitrag der
Türkei nicht gehen. Deswegen ist es richtig, dass wir mit
der Türkei darüber sprechen, welchen Beitrag sie leisten
kann, und dass wir der Türkei auch klar sagen, wie es die
Bundeskanzlerin gesagt hat: Das, was ihr macht, ist nicht
nur etwas, was ihr für uns in Europa tut, sondern es ist
auch etwas, was die Türkei für sich selber tut. – Sie hat
also ein Eigeninteresse. Trotzdem ist klar, dass wir mit
der Türkei auch darüber reden müssen, welche Wünsche
und Vorstellungen sie hat.

Ich bin froh darüber, Herr Kollege Hofreiter, dass Sie
gesagt haben: Die finanziellen Leistungen an die Türkei
sind richtig, und sie sind auch notwendig, um dort mitzu-
helfen, zu stabilisieren und damit Fluchtursachen zu re-
duzieren. Jetzt hat die Türkei noch eine Reihe von ande-
ren Wünschen. Man muss mit der Türkei darüber reden,
was gehen kann und was nicht gehen kann.

Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)


Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht – ich wäre der
Letzte, der das bestreiten würde; schließlich habe ich es
bereits mehrfach gesagt –: Wir müssen mit der Türkei
reden – ich habe nie etwas anderes gesagt –, obwohl
sich mir dabei manche Fragen im Hinblick auf meinen
Einsatz für Religionsfreiheit und verfolgte Christen stel-
len. Wir, die Unionsfraktion, haben der Bundeskanzle-
rin immer gesagt: Wir wollen, dass das nächste Kapitel,
das bei den Verhandlungen mit der Türkei eröffnet wird,
Menschenrechte, Rechtsstaat und Religionsfreiheit und
kein anderes Thema betrifft. Wenn das jetzt geschieht,
dann werde ich mir die eine oder andere Diskussion in
der Türkei und mit der Türkei notwendigerweise leisten.
Auch das ist klar. Aber das heißt doch nicht, dass wir jetzt
überhaupt nicht mit der Türkei darüber sprechen, wie sie
uns helfen kann, bei diesem wichtigen Thema voranzu-
kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir müssen lernen, dass wir mit Ländern, bei denen
wir glauben, dass sich im Rechtsstaatsdialog mit ihnen
einiges verändern muss, reden, dass wir klare Kante zei-
gen, wenn es um unsere Positionen geht, dass wir sie aber
auch dort mitnehmen, wo sie Beiträge im gemeinsamen
Interesse leisten müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, dass
wir nicht von uns aus nach dem Motto vorgehen: Jetzt
steht der schnelle Beitritt der Türkei vor der Tür. Das ent-
spricht nicht der Wahrheit. Es trüge zur Verunsicherung
in der Bevölkerung bei und auch dazu, dass der eine oder
andere sagt: Dann suche ich mir ein Ventil in einer Par-
tei wie der AfD. Deswegen müssen wir alle miteinander
überlegen – auch in diesem Hohen Haus –, welchen Bei-
trag wir durch unsere Diskussionsbeiträge dazu leisten,
dass Menschen verunsichert werden und sich dann einen
anderen Weg suchen, statt bei den Parteien zu bleiben,
die für das Wohl dieses Landes mehr getan haben, als
Parteien wie die AfD jemals tun werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu trägt auch bei, dass wir, die wir in einer Koaliti-
on sind, das tun, was wir vereinbart haben, und nicht nur
ständig darüber reden, was wir tun wollen. Deswegen ist
es besser, zunächst einmal miteinander zu sprechen, be-
vor man ein neues Programm heraushustet.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Idee!)


Ich kann nur sagen: Peter Struck hat einmal zu mir
gesagt: Wenn du etwas heraushustest, ohne es vorher mit
mir besprochen zu haben, dann kannst du das gleich in
meine Pfeife stopfen.


(Thomas Oppermann [SPD]: Damit wäre alles besprochen!)


Deswegen kann ich nur raten, dass man sich als Koa-
lition nicht über das Wochenende in Wochenendmagazi-
nen mit neuen Vorschlägen überrascht, sondern vielleicht

vorher miteinander spricht. Mit mir hat man auf jeden
Fall nicht gesprochen – um das einmal klar zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Meinen Sie die CSU?)


Lieber Kollege Oppermann, das gilt natürlich wech-
selseitig auch für die andere Seite. Das sage ich in beide
Richtungen.


(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Frau Göring-Eckardt, wir können das nachher auch
bilateral klären. Jetzt lassen Sie erst einmal die Ba-
den-Württemberger ihre Gespräche führen, und dann re-
den wir miteinander.


(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Ich möchte darauf hinweisen, dass das deswegen
schwierig ist, weil wir einen Punkt – auch in den Reden,
die heute gehalten worden sind – völlig vernachlässigt
bzw. gar nicht angesprochen haben. Es geht doch jetzt
nicht in erster Linie darum, neue Pakete zu schnüren, als
ob wir bisher gar nichts getan hätten. Vielmehr hat diese
Koalition im sozialen Bereich doch sehr viel auf den Weg
gebracht. Bei dem einen waren wir nicht so fröhlich da-
bei, bei dem anderen aber schon.

Wir haben für 9 Millionen Mütter die Mütterrente
geschaffen. Wir haben die Rente mit 63 geschaffen. Au-
ßerdem haben wir den Mindestlohn eingeführt. Insofern
kann man doch nicht so tun, als ob man jetzt erst damit
anfangen müsste, in diesem Bereich etwas zu tun. Ma-
chen wir uns doch nicht selbst kleiner, als wir wirklich
sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt kommt mein Thema: Wir diskutieren immer wie-
der darüber, wie es mit der Rente weitergeht und ob das
Rentenniveau in Ordnung ist. Dazu muss man die ganze
Wahrheit sagen. Wir sind aktuell nicht bei einem Ren-
tenniveau von 42 Prozent angekommen, wie immer wie-
der behauptet wird. Wir werden bei diesem Niveau auch
niemals ankommen, wenn wir endlich einmal verstehen,
dass – –


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass wir Zuwanderung brauchen!)


– Das ist ganz falsch. Darüber reden wir gleich aber auch
noch.

Wir werden auf diesem Niveau gar nicht erst ankom-
men, wenn wir weiterhin wirtschaftlich stark bleiben.
Wirtschaftliche Stärke und Wachstum werden das Ren-
tenniveau nicht nach unten, sondern nach oben bringen.


(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Deswegen sage ich auch, dass wir in erster Linie einen
Pakt für Wachstum und Innovation in diesem Land brau-
chen, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gestern ist die CeBIT eröffnet worden. Wenn man
sieht, was dort passiert – darüber wird heute gar nicht

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


gesprochen –, kann ich nur sagen: Es ist richtig, dass wir
in Infrastruktur investieren.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sind Sie in der Regierungskoalition oder Oppositionsführer?)


– Ja, ja. – Ich will einmal Folgendes sagen: Wenn wir es
nicht zügig angehen, dieses Land von der Struktur her fit
zu machen für die neuen Herausforderungen, dann wer-
den wir kein einziges soziales Problem mehr lösen, liebe
Kolleginnen und Kollegen. Deswegen sind Innovation
und Wachstum die entscheidenden Punkte.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen die Menschen auch damit einmal konfrontie-
ren und ihnen sagen, dass wir das wollen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sagen Sie das mal Herrn Schäuble! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir besorgen das, was ihr verteilen wollt!)


Es ist mit Blick auf die Wahlergebnisse, die uns am
vergangenen Sonntag präsentiert worden sind, auch rich-
tig, dass die Flüchtlingsfrage wie ein Katalysator gewirkt
hat. Sie war nicht das Einzige, was Menschen dazu be-
wogen hat, nicht mehr uns oder die Parteien zu wählen,
die sie bisher gewählt haben, aber sie war ein Katalysa-
tor, durch den vieles aufgebrochen ist. Dabei geht es jetzt
gar nicht um die Benachteiligten.

Da sind vielmehr Menschen auf einmal sauer darü-
ber – sie haben das auch formuliert –, dass seit längerer
Zeit die Themen „Innere Sicherheit“ oder „Einbruchs-
kriminalität“ überhaupt nicht richtig behandelt werden.
Dazu kann ich nur sagen: Wir in der Koalition hätten
beim passiven Einbruchschutz auch mehr tun können;
vielleicht können wir das noch nachholen.


(Zustimmung des Abg. Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU])


Da glauben Menschen, dass die Bekämpfung von Kri-
minalität in bestimmten Regionen gar nicht mehr statt-
findet. Es ist doch dramatisch, wenn wir in Zeitungen am
Wochenende lesen müssen, dass es in Dortmund, in Ber-
lin und überall Viertel gibt, wo die Polizei schon längst
die Waffen gestreckt hat und nichts mehr passiert.


(Widerspruch bei der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie sich jemals in Berlin bewegt?)


Da kann ich nur sagen: Es wäre wirklich kurzsichtig
und würde kein einziges Problem lösen, wenn wir glau-
ben: Ausschließlich das Flüchtlingsthema hat die Men-
schen zur AfD gebracht. – Das belegt die Wahlanalyse
hundertprozentig nicht, meine sehr verehrten Kollegin-
nen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man Falsches wiederholt, wird es auch nicht besser!)


Wir sprechen ständig davon, Herr Hofreiter: Es muss
mehr für Bildung und, und, und getan werden.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


So stimmt das aber nicht. Wenn ich in mein Heimatland
schaue, dann muss ich sagen:


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theresia Bauer ist wieder beste Wissenschaftsministerin geworden!)


Es ist nicht das Thema, mehr für Bildung zu tun, sondern
es geht darum, das Falsche zu vermeiden und das Richti-
ge zu tun. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber darüber diskutieren wir nicht hier im Deutschen
Bundestag, sondern das muss in den Ländern stattfinden.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mitgekriegt, dass Theresia Bauer zum dritten Mal zur besten Wissenschaftsministerin von allen 16 gewählt worden ist? Zum dritten Mal! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Das sagt überhaupt nichts aus!)


Ich wehre mich ein bisschen dagegen, dass jedes Pro-
blem, das in den Ländern nicht richtig behandelt wird,
hier bei uns im Bund abgeladen werden soll. So funkti-
oniert Föderalismus auf gar keinen Fall. Wir werden uns
daran auf jeden Fall nicht beteiligen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, jetzt haben wir
auf dem Gipfel eine große Aufgabe vor uns. Ich glau-
be, dass mehr europäische Länder erkannt haben, dass
das, was sich im Augenblick in Griechenland abspielt, so
nicht gehen kann, so nicht funktionieren kann. Deswegen
wünsche ich der Bundeskanzlerin, dass sie mit ihrer Mis-
sion auf dem Gipfel Erfolg hat. Ich will, dass Europa ein
menschliches Gesicht zeigt und nicht das zeigt, was sich
jetzt gerade in Griechenland abspielt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816001600

Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Högl für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1816001700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Herr Kauder,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht jetzt die Therapiesitzung weiter?)


wenn Sie festgestellt haben, dass es in Berlin Viertel gibt,
in denen die Polizei nicht mehr präsent ist und Krimina-

Volker Kauder






(A) (C)



(B) (D)


lität nicht mehr bekämpft, dann empfehle ich, dass Sie
das dem Berliner Innensenator, Herrn Henkel, mitteilen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn Sie das nicht machen, übernehme ich das gern.

Ich muss Ihnen sagen: Ich als Berliner Bundestagsab-
geordnete habe das noch nicht feststellen können.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sagt gar nichts!)


Ich finde, wir sollten so etwas auch nicht herbeireden.
Unsere Polizei ist landauf, landab gut aufgestellt, auch
in Berlin.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lieber Herr Kauder, in der Koalition können wir
gleich morgen über mehr Geld für die Einbruchsicherung
und auch über mehr Unterstützung für die Polizei spre-
chen. Da haben Sie uns, die SPD-Bundestagsfraktion,
wirklich ganz an Ihrer Seite.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Sehr gut!)


Sie wissen auch, dass wir bei den Gesprächen immer
eher in diese Richtung gedrängelt haben, als dass wir da
blockiert haben.


(Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lenke unseren
Blick wieder zurück auf die Lage in Europa und auf den
bevorstehenden Gipfel. Ich möchte damit beginnen, dass
ich noch einmal hervorhebe, dass die Lage in Griechen-
land und die Bilder aus Idomeni uns jeden Tag vor Augen
führen – das sage ich jetzt sehr deutlich –, wie grausam
Grenzschließungen sind und welch gravierender Verstoß
gegen Menschenrechte und gegen internationales Asyl-
recht diese Grenzschließungen zwischen Mazedonien
und Griechenland sind und wie absurd, sinnlos und hilf-
los solche nationalen Alleingänge sind. Deshalb, Frau
Bundeskanzlerin, haben Sie uns, die SPD-Bundestags-
fraktion, selbstverständlich an Ihrer Seite, wenn es darum
geht, eine gemeinsame europäische Politik zu gestalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte eines noch einmal ganz deutlich sagen,
liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn Personen vor
Verfolgung, vor Folter, vor Vertreibung und vor Krieg
fliehen, dann hat jede einzelne dieser Personen das Recht
darauf, in Europa um Schutz zu bitten – jede einzelne
Person.


(Beifall bei der SPD)


Diese Personen handeln nicht illegal – auch nicht,
wenn sie von der Türkei nach Griechenland kommen –,
sondern sie haben einen Anspruch darauf, dass wir ihr
Anliegen prüfen. Sie haben einen Anspruch auf ein fai-
res Verfahren, und wenn sie schutzberechtigt sind, haben
sie auch einen Anspruch auf Schutz. Deswegen erübrigt
sich in dieser Debatte jede Diskussion über Obergrenzen,
über Tageskontingente oder über Grenzschließungen,

weil sie weder rechtlich zulässig noch, wie ich finde, mo-
ralisch vertretbar, sinnvoll oder wirksam sind.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine ein-
fachen Antworten, weil wir natürlich wissen, dass nicht
alle Menschen, die verfolgt sind, nach Europa kommen
können und auch nicht alle in Deutschland Zuflucht fin-
den können; das haben wir hier schon oft betont. Es gibt
nur schwierige Antworten, um die lange gerungen wer-
den muss. Eines will ich aber deutlich sagen – das haben
Sie herausgestrichen, Frau Bundeskanzlerin –: Die Ant-
wort liegt in einer gemeinsamen europäischen Politik.
Alle anderen Antworten sind unzureichend, und deswe-
gen müssen wir gemeinsam daran arbeiten.

Ich finde, wir müssen klarmachen, dass es etwas ge-
ben muss zwischen einer Festung Europa auf der einen
Seite – was wir nicht wollen, sind Stacheldraht und
Grenzpolizei – und einer unkontrollierten und unbe-
grenzten Einwanderung auf der anderen Seite; das wol-
len wir natürlich auch nicht. Was wir wollen und woran
wir gemeinsam in Europa arbeiten müssen, sind Recht
und Ordnung sowie faire Verfahren. Ich finde, es lohnt
sich, unsere gesamte politische Anstrengung genau da-
rauf zu lenken, dass wir in Europa diesen Weg weiter
beschreiten.


(Beifall bei der SPD)


Dies setzt voraus – das ist schon erwähnt worden; ich
möchte es aber noch einmal betonen –, dass wir Grie-
chenland unterstützen. Ja, es gehört zur Wahrheit, dass
wir – Deutschland – es waren, die die Mitgliedstaaten,
die eine EU-Außengrenze haben, insbesondere die Mit-
gliedstaaten am südlichen Rand der Europäischen Union,
in den vergangenen Jahren mit dem Thema Flüchtlings-
politik alleingelassen haben. Diese Politik müssen wir
jetzt ändern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist wichtig, dass wir das Dublin-System weiter-
entwickeln. Das Dublin-System ist von der Anlage gut
und richtig; es beinhaltet richtige Prinzipien. Aber wir
merken jetzt, dass es unter diesem enormen Druck nicht
funktioniert, und wir stellen auch fest, dass sich nicht alle
Mitgliedstaaten daran halten. Deswegen ist es wichtig,
dass wir das Dublin-System weiterentwickeln, und zwar
in die Richtung, wie es ursprünglich einmal angelegt
war: Wir müssen eine einheitliche Registrierung, einheit-
liche Standards und einheitliche Kriterien für die Über-
prüfung, ob eine Person Schutz bekommt, schaffen.

Ich würde das Dublin-System auch gerne in die Rich-
tung weiterentwickeln, dass wir einen einheitlichen
Flüchtlingsausweis für ganz Europa bekommen. Das ist
sicherlich noch Zukunftsmusik, aber ich glaube, dass es
sinnvoll und richtig wäre, wenn wir mit dem Dublin-Sys-
tem genau dahin kämen.


(Beifall bei der SPD)


Ein paar Sätze zur Türkei. Auch ich bin der Auffas-
sung – dieser Auffassung ist die gesamte SPD-Bundes-
tagsfraktion –, dass wir die Türkei als Gesprächspartner

Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


brauchen. Die Türkei ist das Nachbarland von Syrien.
Die meisten Flüchtlinge, die jetzt versuchen, über die
Balkanroute zu kommen, kommen von Syrien über die
Türkei. Die Türkei ist ein wichtiger und notwendiger
Partner, aber selbstverständlich – das ist heute schon ge-
sagt worden – nicht um jeden Preis. Das sagt auch nie-
mand, der für die Zusammenarbeit mit der Türkei wirbt.
Selbstverständlich nutzen wir die Gespräche auch, um
die Einhaltung der Menschenrechte und der Pressefrei-
heit sowie die Situation der Kurdinnen und Kurden anzu-
sprechen. Aber wenn die Zusammenarbeit mit der Türkei
unsere Möglichkeit ist, legale Wege nach Europa zu öff-
nen, den Schleppern das Handwerk zu legen und in Euro-
pa zu einer einheitlichen Politik zu kommen, dann ist das
alle Anstrengung wert, dann lohnen sich die Gespräche
mit der Türkei, und dann ist das sinnvoll und richtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Türkei möchte von uns gern Erleichterungen in
der Visapolitik und eine Visafreiheit haben. Ich wunde-
re mich ein bisschen – jetzt gucke ich ein wenig nach
rechts –, wer sich jetzt alles zu Wort meldet und sagt,
dass es nicht vereinbart und auf keinen Fall machbar sei,
mit der Türkei über Visaerleichterungen zu sprechen. Wir
haben das längst vereinbart. Die Gespräche laufen seit
2012. Das, was wir jetzt vereinbart haben, ist genau der
richtige Weg, nämlich diese Vereinbarung zu beschleu-
nigen und vorzuziehen. Wir haben übrigens auch in der
Koalition längst gemeinsam besprochen, dass wir Visaer-
leichterungen für die Türkei auf den Weg bringen wollen.

Natürlich wird es keine voraussetzungslose Visafrei-
heit geben; auch das ist längst vereinbart. Die Türkei muss
Voraussetzungen erfüllen, was die Sicherheit der Doku-
mente, den Austausch der Daten und natürlich auch ihre
eigene liberale Visapolitik angeht. Beispielsweise müsste
sie ihre Visafreiheit mit Ländern der Maghreb-Staaten
oder Pakistan einschränken, damit wir davon ausgehen
können, dass, wenn wir Visafreiheit gewährleisten, da-
durch keine weiteren Lücken und Schlupflöcher entste-
hen. Es wird noch schwierig genug, bis die Türkei diese
Voraussetzungen erfüllen kann, aber die Anstrengungen
lohnen sich auf jeden Fall.

Deshalb sage ich, wir haben ein klares Programm:
Fluchtursachen bekämpfen, gemeinsame Politik in Euro-
pa sowie hier in Deutschland die richtigen Voraussetzun-
gen dafür schaffen, dass Flüchtlinge aufgenommen und
integriert werden können.

Mit Blick auf den europäischen Gipfel, Frau Bundes-
kanzlerin, wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Kommen Sie
mit guten Ergebnissen zurück. Ich wünsche uns weiter-
hin gute Beratungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816001800

Sevim Dağdelen ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816001900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während

wir hier heute debattieren, treibt die Bundesregierung
noch mehr Menschen in die Flucht. Hubschrauber, Ge-
wehre, Pistolen für die Emirate, Saudi-Arabien und
Oman: Die Rüstungsindustrie hat neue Millionenge-
schäfte abgeschlossen. Genehmigt haben sie aber Frau
Bundeskanzlerin Merkel und Herr Wirtschaftsminister
Gabriel. Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis sich
die 5 Millionen Binnenflüchtlinge im Jemen aus der sau-
dischen Kopf-ab-Diktatur, die Sie, meine Damen und
Herren hochrüsten, auf den Weg nach Europa machen?
Wie lange wird es dauern, bis sich noch mehr Menschen
aus Syrien aufmachen werden, weil sie vor den islamis-
tischen Terrorbanden fliehen müssen, die Sie dadurch
unterstützen, dass Sie Saudi-Arabien und die Türkei be-
waffnen, meine Damen und Herren? Statt Fluchtursachen
zu bekämpfen, liefert die Bundesregierung kriegführen-
den Staaten weiterhin Waffen und trägt dazu bei, dass im-
mer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Ihre
Waffenlieferungen, Frau Merkel und Herr Gabriel, sind
ein Verbrechen gegen die Menschen in der Region.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt versuchen Sie erneut, mit dem Terrorpaten
Erdogan zu einem Vertragsabschluss zu kommen. Der
Türkei-Plan, der jetzt vorliegt, ist im Kanzleramt ge-
schrieben worden. Fast alle anderen europäischen Part-
ner haben Sie mit diesem Alleingang wieder einmal
brüskiert. Sie, Frau Merkel, versuchen, Ihre Politik mit
jemandem wie dem türkischen Präsidenten Erdogan
durchzusetzen, der Zeitungsredaktionen stürmen lässt
und die Presse- und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Die
Alleingänge der Bundesregierung, ihre Bereitschaft, je-
den Verstoß Erdogans gegen die Grundwerte unserer Zi-
vilisation zu decken, hat die Bundesregierung in Europa
isoliert wie noch nie zuvor. Bei Ihrer Achse Berlin–An-
kara will so gut wie niemand – nur Luxemburg – mitma-
chen. Wir sagen Ihnen: Europa hat Ihre Alleingänge satt.
Sie zerstören mehr und mehr all das, was an Vertrauen in
Europa nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen auch: Ihr Glaube, mit jemandem wie
Erdogan, der Krieg gegen die Kurden führt, dafür sorgen
zu wollen, dass weniger Menschen, weniger Flüchtlinge
nach Europa kommen, ist ungefähr so stimmig wie die
Hoffnung, dass ein Mafiaboss dafür sorgen würde, dass
es weniger Verbrechen gibt. Sie machen mit Erdogan
den Bock zum Gärtner. Mit dem, der Krieg führt, der die
Kurden massakriert, der Menschen zwingt, ihre Heimat
zu verlassen, wollen Sie Geschäfte machen, damit keiner
flieht. Aber ich frage mich: Wem wollen Sie eigentlich
diesen Bären aufbinden? Das ist doch ein Stück aus dem
Tollhaus, Herr Kauder. Das müssen Sie doch einmal ein-
sehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Preis, den Sie bereit sind für Ihre tödlichen Illusi-
onen zu bezahlen, ist sehr hoch.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das Tollhaus seid ihr! Ihr seid das Tollhaus!)


Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


Sie schweigen zu den Gewerkschaftern, Sie schweigen
zu den Journalisten in den Kerkern Erdogans, und Sie
schweigen zu den zerstörten Kirchen


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das stimmt alles nicht!)


und den in die Flucht getriebenen Christen aus Diyarba-
kir. Die UNO und der Europarat sagen Ihnen, dass dieser
Plan mit der Türkei gegen das Völkerrecht verstößt, weil
Erdogan dabei ist, die Flüchtlinge weiter in das Bürger-
kriegsland Syrien zurückzuschieben. Doch dadurch las-
sen Sie sich offensichtlich nicht aufhalten. Ich frage Sie:
Ist jetzt eigentlich Rechtsnihilismus die offizielle Politik
dieser Bundesregierung? Reicht es Ihnen nicht, durch
Ihre Unterstützung der Regime-Change-Politik und der
Ölkriege internationales Recht zu missachten? Ich finde,
der Preis, den Sie da zahlen, ist hoch –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Noch haben wir gar keinen gezahlt, gute Frau! Reden Sie nicht so einen Quatsch!)


obwohl die Türkei voll auf dem Weg in die Diktatur ist.
Herr Kauder, ich finde es wirklich unerträglich, dass Sie
jetzt auch noch versprechen, einer Diktatur den Weg in
die EU zu bahnen, und dabei sozusagen alle Perspektiven
für ein soziales und demokratisches Europa verspielen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816002000

Frau Kollegin.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816002100

Eine solche Perspektive bedeutet für Europa eine Be-

erdigung erster Klasse. Dagegen werden Sie auf jeden
Fall Widerstand erfahren. Wir werden dagegen Wider-
stand leisten.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Gerade ihr! Widerstand gegen Israel macht ihr! Was seid ihr für ein Haufen?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816002200

Das Wort erhält nun Gerda Hasselfeldt für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1816002300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wieder einmal beschäftigt sich ein europäischer Gipfel
im Schwerpunkt mit der Bewältigung der Flüchtlings-
problematik, und das ist auch gut so. Denn eines gilt: Mit
rein nationalen Maßnahmen wird dieses Problem nicht
zu lösen sein. Es gilt aber auch: Je weniger auf europä-
ischer Ebene gelöst wird, desto größer wird der Druck,
noch mehr nationale Maßnahmen zu ergreifen, und je
mehr auf europäischer Ebene gelöst wird, desto geringer
wird dieser Druck sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Ein kluger Satz!)


Worum geht es? Ich will ins Gedächtnis rufen, dass
es – zum Ersten – darum geht, mit den Menschen, die zu

uns kommen, aber auch mit den Menschen, die in Kri-
sengebieten unter schwierigen Umständen leben, human
umzugehen und unseren Beitrag dazu zu leisten. Ich sage
bewusst: mit denjenigen, die bei uns sind, aber auch mit
denjenigen – auch sie müssen wir im Blick haben –, die
in den Krisengebieten und Kriegsgebieten sind, dort un-
ter schwierigen Verhältnissen leben, in den Flüchtlings-
lagern sind oder auch in Staaten und Ländern leben, in
denen die Verhältnisse sehr schwierig sind.

Ich will bei der Gelegenheit deutlich machen: Das,
was in unserem Land an Nächstenhilfe, an humanitärer
Begleitung bei der Unterbringung, bei der Versorgung,
bei der Integration geleistet wird, ist beispielhaft und
kann nicht oft genug gewürdigt werden; dafür gilt unser
Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will auch sagen: Das, was zur Bekämpfung der
Fluchtursachen, zur Verbesserung der Situation der Men-
schen in den Krisengebieten, geleistet wird – mittlerwei-
le mehr und intensiver, als es in den vergangenen Mona-
ten zu spüren war –, darf nicht einfach negiert werden,
sondern muss erwähnt und auch weitergeführt werden.
Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie dies
heute angesprochen hat. Dazu gehört zum Beispiel die
Hilfe für Griechenland und andere Länder.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])


Es geht um ein Zweites: um die Integration derjeni-
gen, die eine Bleibeperspektive haben. Auch da wird
Enormes unternommen, wenn auch in den einzelnen
Ländern unterschiedlich viel. Aber die Integration ist kei-
ne Angelegenheit, die man nur mit Geld und noch so vie-
len Kursen lösen kann, sondern sie ist – liebe Kollegin-
nen und Kollegen, auch darauf will ich hinweisen – eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das, was heute schon
von unseren Vereinen – nicht nur von den Sportvereinen,
sondern auch von vielen anderen in unserem Land – ge-
leistet wird, ist beispielhaft und vorbildlich. Ich möchte
ausdrücklich dafür danken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es geht um ein Drittes, nämlich um die Begrenzung
der Zahlen. Das ist wichtig; denn die Integration von
und der humanitäre Umgang mit Flüchtlingen sind nur
zu leisten, wenn wir die Zahl der Flüchtlinge deutlich
und nachhaltig reduzieren. Die Integrationskraft unseres
Landes hat Grenzen, und diese Grenzen müssen wir be-
achten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun geht es darum: Wie machen wir das auf nationa-
ler, europäischer und internationaler Ebene? Auf natio-
naler Ebene haben wir in den vergangenen Monaten eine
ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet: Asylpaket II,
Asylpaket I. Wir haben die Westbalkanländer als siche-
re Herkunftsstaaten eingestuft. Nur als Randbemerkung:
Wenn die Grünen rechtzeitig bereit gewesen wären, eine
entsprechende Entscheidung zu fällen,


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt das wieder!)


Sevim Dağdelen






(A) (C)



(B) (D)


dann wären viele Hunderttausende von Flüchtlingen im
vergangenen Jahr nicht in unser Land gekommen. Auch
das gehört zur Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In den nächsten Wochen gilt es, weitere Vorhaben umzu-
setzen, zum Beispiel die Einstufung der Maghreb-Staa-
ten als sichere Herkunftsstaaten. Auch das gehört zu un-
serer nationalen Verantwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das machen die Grünen sowieso! Keine Sorge!)


Auf dem Europäischen Gipfel stehen die Verhand-
lungen mit der Türkei im Mittelpunkt. Wir alle wissen,
dass die Türkei ein Schlüsselland bei der Bewältigung
der Problematik ist. Das ist unbestritten. Trotz all dem,
was wir kritisieren, was uns besorgt durch die Bilder und
Berichte zur Menschenrechtssituation, zur Pressefreiheit
und zur Meinungsfreiheit, deren Einhaltung in der Türkei
sehr zu wünschen übrig lässt, gilt: Wir müssen mit der
Türkei reden, verhandeln und zu Lösungen kommen. Das
ist unbestritten.

Es gibt eine Reihe von Forderungen vonseiten der
Türkei. Ich habe Verständnis für die finanziellen For-
derungen. Ich habe auch für manche andere Forderung
Verständnis. Ich will für die Landesgruppe der CSU al-
lerdings deutlich machen: Wir haben in der Tat Bedenken
hinsichtlich der vollen Visumsfreiheit. Eines darf nicht
passieren: Die Überprüfung der Bedingungen, die die
Türkei zu erfüllen hat, darf nicht zu lasch gehandhabt
werden. Auf die Einhaltung der Bedingungen muss ge-
achtet werden. Ich bin dankbar, dass die Bundeskanzle-
rin heute klargestellt hat: Von der Verbindlichkeit dieser
Bedingungen wird kein Jota abgewichen. Das ist für uns
ganz wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will darüber hinaus zum Ausdruck bringen: Wir
wissen, dass im Laufe der Beitrittsverhandlungen immer
wieder Kapitel eröffnet werden. Die Eröffnung weiterer
Kapitel kann durchaus zu einer Modernisierung in der
Türkei führen. Aber ich will deutlich machen – nicht
dass man später einmal sagt: „Ihr hättet ja was sagen
können!“ –: Wir sehen im derzeitigen Stadium keine
Möglichkeit, dass die Türkei volles Mitglied der Europä-
ischen Union wird. Das will ich deutlich zum Ausdruck
bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Auch im späteren Stadium!)


Es ist meines Erachtens ein richtiger Ansatz, die
Rücknahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten zu ver-
einbaren. Es ist wichtig, dass die Türkei die Flüchtlin-
ge, die von der Türkei in die Europäische Union, nach
Griechenland kommen, wieder zurücknimmt. Das kann
zur Eindämmung der Arbeit der Schleuser- und Schlep-
perbanden führen. Ich hoffe sehr, dass es dazu kommt
und dass im Zuge dessen die syrischen Flüchtlinge in
Europa verteilt werden. Es muss allerdings auch sicher-
gestellt werden, dass die Last dieser Verteilung nicht

einseitig auf Deutschland liegt, vielmehr muss diese in
Europa gerecht verteilt werden; das gilt sowohl für die
160 000, deren Verteilung vereinbart wurde, als auch für
den Anteil, der darüber hinausgeht. Auch dies ist für uns
ein wichtiger Bestandteil der Vereinbarung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass bei jeder Gelegenheit in Gesprächen mit der Tür-
kei auf die Menschenrechte, auf die Bürgerrechte, auf die
Defizite bei der Pressefreiheit und bei der Meinungs-
freiheit hingewiesen wird, das versteht sich von selbst.
Das hoffe ich zumindest. Wir werden jede Gelegenheit
wahrnehmen, darauf hinzuweisen. Vielleicht sind die
Beitrittsverhandlungen und die weitere Öffnung der Ka-
pitel auch Anlass dazu, sich zu bewegen.

Meine Damen und Herren, dabei darf es aber nicht
bleiben. Wir haben noch eine ganze Reihe an zusätzli-
chen Aufgaben in Europa, nämlich die wirkliche Um-
gestaltung von Frontex in einen effektiven Grenz- und
Küstenschutz oder die Instandsetzung der Hotspots, der
Einrichtungen an den europäischen Außengrenzen, damit
sie so, wie es von Anfang an gedacht war, genutzt werden
können, nämlich zur Registrierung der Flüchtlinge, aber
auch zur Rückführung derer, die keine Bleibeperspektive
in Europa haben, und zur gerechten Verteilung in Europa.
So war die Arbeit der Hotspots tatsächlich vereinbart. Ich
weiß, dass da noch ein Stück Arbeit vor uns liegt, aber
wir dürfen da nicht einfach stehenbleiben, sondern wir
müssen dies auf den Weg bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, Europa hat in den vergangenen Jahren und
Jahrzehnten schon viele schwierige Zeiten erlebt. Viele
schwierige Entscheidungen waren zu treffen, viele wich-
tige Weichen wurden gestellt, und nicht immer war es
am Anfang gleich so, dass die Lösung auf dem Tisch lag.
Ähnlich ist es auch jetzt. Es ist eine objektiv schwierige
Situation, dieses weltweite Problem der Flüchtlingsströ-
me zu bewältigen, und es ist in einem Europa mit unter-
schiedlichen nationalen Interessen in dieser Frage ganz
besonders schwierig. Nicht zuletzt deshalb wünschen wir
Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, eine weiterhin glückliche
Hand und viel Erfolg bei diesen schwierigen Verhand-
lungen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816002400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Spinrath

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Norbert Spinrath (SPD):
Rede ID: ID1816002500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Traditionell soll sich
ja der Frühjahrsgipfel mit Wirtschaftsthemen beschäfti-
gen und gemeinsame Strategien zur Wirtschaftspolitik
entwickeln. Angesichts der aktuellen Herausforderun-

Gerda Hasselfeldt






(A) (C)



(B) (D)


gen in der Flüchtlingspolitik, aber auch zuletzt bei den
Verhandlungen mit Großbritannien sind die normalen
Themen aber immer wieder in den Hintergrund gedrängt
worden. Dabei gilt es aus meiner Sicht nicht nur bei der
Flüchtlingspolitik und nicht nur bei den großen Aufre-
gern Brexit oder Grexit in Brüssel belastbare Politik zu
machen; denn eine ständige Weiterentwicklung der Lö-
sungsmechanismen und der Strategien und eine ständige
Vertiefung der Europäischen Union – das sage ich ganz
bewusst und schiele dabei natürlich in Richtung Lon-
don – sind die Grundlage dafür, dass wir in Europa für
alle Menschen, auch für Neuankömmlinge, leistungsfä-
hig bleiben können.

Das Europäische Semester ist Teil der Koordinierung
der Wirtschaftspolitik. Ganz klar: Eine echte Verände-
rung der Währungsunion hin zu einer Vertiefung der
Wirtschaftsunion ist das noch nicht, aber es ist immerhin
ein Schritt in die richtige Richtung.

Nun stellt sich jedes Jahr, wenn wir die nationalen
Reformpläne und die länderspezifischen Empfehlungen
diskutieren, die Frage: Wie ernst nehmen dies eigentlich
die Mitgliedstaaten? Wie ernst nimmt es Deutschland mit
den Verpflichtungen, mit den länderspezifischen Emp-
fehlungen? Die Kommission sagt, die wirtschaftliche
Situation in Deutschland sei gut, dennoch würden seit
Jahren nötige öffentliche und private Investitionen nicht
vollzogen, auch nicht die in den letzten länderspezifi-
schen Empfehlungen von 2015 empfohlenen Investitio-
nen. Die Kommission sagt, dass in der Vergangenheit in
Deutschland Investitionen in Infrastruktur, Bildung und
Wohnen vernachlässigt wurden. Das führt zum Fazit,
dass wir sozialen Wohnungsbau brauchen, dass wir mehr
Investitionen in die soziale Stadtentwicklung brauchen
und Anreize für den Neubau bezahlbaren Wohnraums für
die Normalverdiener schaffen müssen.

Wir in der SPD haben das verstanden, und wir ha-
ben mit unserem Drängen die Bundesregierung dahin
bewegt, mit dem Umsteuern zu beginnen. Das wird für
uns in der SPD das Topthema der kommenden Monate
und Jahre bleiben. Wir brauchen eine Investition in die
Zukunft aller Menschen in Deutschland, sowohl in die
Zukunft derjenigen, die schon lange oder schon immer
hier leben, als auch in die Zukunft der Neuankömmlinge.
Wir brauchen ein Solidarprojekt für Deutschland.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa steht bei
diesem Gipfel und bezüglich der aktuellen Flüchtlings-
politik an einer Wegscheide. Die Erwartungen an die
politisch Handelnden sind derzeit enorm hoch. Von al-
len Partnern in Europa, natürlich auch von uns, werden
Kompromissbereitschaft und Flexibilität verlangt. Dabei
müssen wir aber immer auf der Grundlage der gemein-
samen Werte dieser Europäischen Union handeln. Ich
begrüße ausdrücklich die Lösungsvorschläge der Euro-
päischen Kommission und den umfassenden Ansatz, mit
dem der Rat in den nächsten zwei Tagen der Aufgabe der
Bewältigung der aktuellen Migrationsbewegungen be-
gegnen will. Man will beraten und wird hoffentlich zu
wichtigen und richtigen Entscheidungen kommen; denn
nur gemeinsames europäisches Handeln kann uns letzt-

endlich zu dauerhaften und zufriedenstellenden Lösun-
gen führen. Eine gemeinsame europäische Lösung in der
Flüchtlingsfrage ist aber sicherlich nicht in den nächsten
zwei Tagen zu erzielen. Sie braucht Zeit. Aber es braucht
in den nächsten Tagen zumindest gemeinsame Signale.

Es mag sein, dass wir als einer der 28 Partner zusam-
men mit einigen wenigen Willigen besondere Anstren-
gungen unternehmen und einseitig Vorleistungen erbrin-
gen müssen. Aber ich bleibe dabei: Wir sind 28 in der
Europäischen Union, und die 28 Mitgliedstaaten müssen
die Bewältigung der Flüchtlingssituation als gemeinsame
Aufgabe ansehen und auch zu gemeinsamen Lösungen
gelangen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn aber der Kreis der Willigen in der Realität der
nächsten Wochen und Monate tatsächlich beweisen kann,
dass die Kombination aus Verhinderung von Grenzüber-
tritt, Ausschaltung der Schlepper, Öffnung von legalen
Zugangswegen – ich glaube, das ist ein ganz wichtiger
Punkt –, Zugang zu den Asylverfahren und menschen-
würdiger Versorgung in allen Aufnahmeländern zu einem
signifikanten Nachlassen des Migrationsdrucks führt,
dann entsteht hoffentlich auch bei den jetzt noch Unwil-
ligen die Bereitschaft, sich doch noch auf eine gemein-
same Lösung einzulassen. Appelle alleine reichen nicht.
Jetzt muss gehandelt werden.

Die Sicherung der Außengrenzen wird immer als
Monstranz vorangetragen. In den letzten Wochen glaubte
man oft, alleine mit der Sicherung der Außengrenzen zu
einer signifikanten Verringerung der Zahlen zu kommen.
Die Sicherung der Außengrenzen ist richtig und wichtig,
sofern damit gemeint ist, an den Außengrenzen zu erfas-
sen, wer wo und unter welchen Umständen in die EU
einreist, wenn damit also ein kontrollierter Zugang für
diejenigen gemeint ist, die zu uns kommen. Wer mit dem
Schließen der Grenzen aber lediglich das Ziel verfolgt,
Schutzbedürftigen das Stellen eines Asylantrags zu er-
schweren, der verlagert die Missachtung unserer gemein-
samen Werte an die Grenzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen jetzt das Signal senden – ich hoffe, dass
das von diesem Gipfel ausgehen wird –, dass wir alle in
der gemeinsamen Verantwortung stehen, insbesondere
Griechenland angesichts der dort aktuell entstandenen
Lage zu helfen. Es gilt nun, die Mittel zur Verfügung zu
stellen, aber auch personelle und technische Hilfe zu leis-
ten. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass wir mit
der Türkei einen Partner gewinnen, der mit uns gemein-
sam ein Problem löst, das eben nicht seins ist.

Es ist richtig, dass wir in der Krise mit der Türkei zu-
sammenarbeiten. Hier ist der Dialog entscheidend. Ich
setze darauf, dass es über diesen Dialog gelingt, zu mehr
Rechtsstaatlichkeit und zur Einhaltung der Menschen-
rechte zu kommen. Ich will das im Sinne von Rechts-
staatlichkeit auch als Chance begreifen, einen Beitritts-
prozess zur EU zu ermöglichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816002600

Herr Kollege.

Norbert Spinrath






(A) (C)



(B) (D)



Norbert Spinrath (SPD):
Rede ID: ID1816002700

Die Türkei hat, nebenbei gesagt, in den letzten Jahren

bei der Aufnahme von mehr als 3 Millionen Flüchtlingen
Erstaunliches geleistet. Jetzt sollten wir die Bedingungen
für gemeinsame Lösungen schaffen.

Liebe Frau Bundeskanzlerin – sie ist gerade nicht an
ihrem Platz –, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816002800

Sie müssen zum Schluss kommen.


Norbert Spinrath (SPD):
Rede ID: ID1816002900

– ich möchte Ihnen viel Glück, viel Kraft und Erfolg

in Brüssel wünschen. Ich wünsche mir, dass Ihr viel zi-
tierter Satz der letzten Wochen und Monate auch für die
Verhandlungen in Brüssel gilt: Wir schaffen das, weil wir
es machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1816003000

Michael Stübgen erhält nun das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Stübgen (CDU):
Rede ID: ID1816003100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu:
Ein bisschen kam es mir schon wie in Tausendundeine
Nacht vor, als die türkische Regierung der Europäischen
Union wenige Stunden vor dem Europäischen Rat in der
letzten Woche einen sehr weitgehenden Vorschlag dazu
gemacht hat, was sie bereit wäre zur Lösung oder teilwei-
sen Lösung der Migrationsproblematik über ihr Land in
die Europäische Union zu tun. Es gibt in den deutschen
Medien wilde Spekulationen darüber, wie es denn zu die-
sem Vorschlag gekommen ist. Daran will ich mich nicht
beteiligen.

Ich will aber eines feststellen: Wir haben es mit einem
ernsthaften und sehr weitreichenden Vorschlag der türki-
schen Regierung an die Europäische Union zu tun. Nach
meiner eingehenden Analyse dieses Vorschlages und der
Vorbereitungspapiere, die unter Leitung von Ratspräsi-
dent Donald Tusk entstanden sind, muss ich Ihnen sagen,
dass es meine Überzeugung ist, dass dieser Vorschlag
das Potenzial hat, dass wir als Europäische Union es ge-
meinsam mit der Türkei schaffen, das Geschäftsmodell
Balkanroute zu beenden. Dieses Geschäftsmodell führt
seit Monaten dazu, dass skrupellose Schlepperbanden
auf dem Rücken von geschundenen Menschen, die flie-
hen, Milliardeneinnahmen machen. Diese Banden ha-
ben vorsätzlich in Kauf genommen, dass bisher mehr
als 1 000 Menschen auf der Balkanroute gestorben sind.
Wenn wir es schaffen sollten, wenn die Chance besteht,
dieses Geschäftsmodell zu beenden, ist es alle Anstren-
gungen wert, zu versuchen, bei den Verhandlungen mit

der Türkei morgen und übermorgen zu einem Erfolg zu
kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Für ein erfolgreiches Agreement mit der Türkei gibt
es nach meiner Einschätzung drei grundsätzliche Fragen,
die beantwortet werden müssen.

Die erste ist: Können wir davon ausgehen, können wir
glauben und voraussetzen, dass die Türkei dieses Mal
wirklich will, was sie ankündigt? Ich verstehe jeden, der
in dieser Frage Zweifel hat angesichts der Politik, auch
der Geopolitik der Türkei in den letzten zehn Jahren,
die vorsätzlich nicht darauf ausgerichtet war, sich der
Europäischen Union anzunähern, sondern eher ein ganz
anderes Ziel verfolgt hat und ganz andere geopolitische
Schwerpunkte hatte.

Ich kann auch angesichts der Tatsache, wie die türki-
sche Regierung in den vergangenen 15 Monaten mit der
Flüchtlingswelle umgegangen ist, Zweifel verstehen. Sie
hat diesen Prozess in ihrem Land geduldet, ohne ihn zu
reduzieren oder gar zu stoppen. Denn dies war in ihrem
eigenen Interesse: Wenn Flüchtlinge aus der Türkei in die
EU gehen, sind weniger in der Türkei. Genauso erkenn-
bar ist allerdings in den letzten Monaten, dass der Türkei
dieser Prozess mehr und mehr aus dem Ruder gelaufen
ist. Die Entwicklung, dass sich die Türkei zu einem in-
ternationalen Durchgangslager für Migranten bis hin aus
Indien und Bangladesch in die Europäische Union entwi-
ckelt hat inklusive der logistischen mafiösen Strukturen
ringsherum, ist mit Händen zu greifen.

Ich gehe davon aus, dass diese Frage mit Ja beant-
wortet werden kann. Ja, die türkische Regierung hat
verstanden: Sie muss an der jetzigen Situation etwas än-
dern. – Wir haben eine ausreichende Schnittmenge, auf
Augenhöhe zwischen EU und Türkei zu verhandeln, und
die Chance, zu einem richtigen Ergebnis zu kommen.

Die zweite wesentliche Frage ist: Haben wir denn eine
Garantie, dass ein mögliches Agreement mit der Türkei
auch funktioniert, dass es erfolgreich umgesetzt werden
kann? Diese Frage kann man einfach beantworten: Nein,
die haben wir nicht, und die werden wir auch nicht ha-
ben, wenn dieses Agreement morgen oder übermorgen
verabschiedet werden kann. Die nächste Frage, die sich
anschließt, lautet: Ist denn die Wahrscheinlichkeit des
Erfolges dieser Vereinbarung groß genug? Da ist meine
Überzeugung, gerade aufgrund meiner Ausführungen zur
ersten Frage, dass die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs
groß genug ist.

Ich komme zur dritten und entscheidenden Frage – wir
haben sie uns im Übrigen bei allen Rettungspaketen, bei
allen Rettungsprogrammen in den letzten fünf Jahren im
Rahmen der Euro-Krise immer wieder gestellt –: Haben
wir denn für den Prozess der Umsetzung solch einer Ver-
einbarung – in diesem Fall mit der Türkei – eine aus-
reichende Kontrolle, und haben wir, wenn es das Agree-
ment gibt, wenn es also verabschiedet ist, noch genügend
Möglichkeiten und Kraft, Fehlentwicklungen, die zufäl-
lig, durch Fehleinschätzungen, aber möglicherweise auch






(A) (C)



(B) (D)


vorsätzlich erzeugt werden, zu korrigieren? Die Antwort
auf diese Frage ist natürlich wesentlich schwieriger.

Ich will nur zwei Punkte kurz ansprechen:

Die Türkei wünscht sich, dass der Prozess mit der
Europäischen Union mit dem Ziel der Visafreiheit mas-
siv beschleunigt wird. Es gab schon eine Roadmap, die
das für das Jahr 2017/2018 vorsah. Im Herbst des letz-
ten Jahres wurde beschlossen, dass dies bis Oktober der
Fall sein soll. Jetzt sagt die Türkei: Wir schaffen das alles
bis Ende Juni dieses Jahres. – Dass bisher wenig passiert
ist, hat nichts mit der EU, sondern hat damit zu tun, dass
die Türkei selber die Voraussetzungen noch nicht ausrei-
chend umgesetzt hat. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich
habe Zweifel, dass die technischen und politischen Vo-
raussetzungen bis Ende Juni dieses Jahres von der Türkei
umgesetzt werden können. Aber ich glaube nicht, dass
ich das Recht habe, aufgrund dieser Zweifel der Türkei
gegenüber zu erklären: Ich glaube nicht, dass ihr das
schafft; also reden wir nicht darüber.


(Christine Lambrecht [SPD]: Richtig, genau!)


Wichtig ist, dass die notwendigen Voraussetzungen –
sie sind bis ins letzte Detail definiert – umgesetzt werden,
ohne politische Rabatte. Wichtig ist: Wir haben in diesem
Prozess als Deutscher Bundestag die vollständige Kon-
trolle über die Vorgänge. Ich glaube, wenn das erfolgreich
umgesetzt wird – von mir aus am besten Ende Juni –,
dann werden wir mit biometrischen türkischen Pässen
ohne Visa wahrscheinlich eine bessere Sicherheitsstruk-
tur haben als mit den bisherigen nicht fälschungssicheren
türkischen Pässen mit Visa. Wir können hier also zu ei-
nem Vorteil kommen.

Der letzte Punkt: die Beschleunigung der Beitrittsver-
handlungen. Es ist ganz eindeutig, dass die Türkei in den
letzten zehn Jahren nicht wirklich Interesse daran hatte,
sich anzunähern. Das Gegenteil war der Fall. Aber auch
hier können wir feststellen, dass die Türkei mit ihren
ehemaligen geostrategischen und geopolitischen Zielen
gescheitert ist; das ist sogar ein Desaster. Wenn es ein
Umdenken bei der türkischen Regierung in die Richtung
gibt, sich der Europäischen Union anzunähern und mehr
Rechtsstaatlichkeit im eigenen Land umzusetzen, dann
wird dies ein Vorteil für 80 Millionen Türken sein, und
es wird auch ein Sicherheitsvorteil für die Europäische
Union als Ganzes sein.

Ich glaube, dass die notwendigen Voraussetzungen
dafür, solch ein Agreement mit der Türkei zu erzielen,
erfüllt sind. Wir als Deutscher Bundestag werden sehr
genau darauf achten, dass die Voraussetzungen erfüllt
werden. In diesem Zusammenhang wünsche ich dem Eu-
ropäischen Rat einen erfolgreichen Abschluss und Bun-
deskanzlerin Merkel Erfolg bei den sehr, sehr komplexen
und sehr, sehr schwierigen Verhandlungen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003200

Vielen Dank, Herr Kollege Stübgen. – Darf ich die

Kolleginnen und Kollegen, die sich so angeregt unterhal-

ten, bitten, Platz zu nehmen? Die Debatte ist noch nicht
zu Ende, und es gehört sich, den beiden Kollegen, die
noch reden, zuzuhören.

Nächste Rednerin in der Debatte: Luise Amtsberg für
Bündnis 90/Die Grünen. – Und ich meine das mit dem
Hinsetzen ernst.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt hurra!)



Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In der letzten Regierungserklärung hat die Bun-
deskanzlerin betont, wie wichtig es ist, alle in Europa an
einen Tisch zu bringen, für eine gemeinsame europäische
Asylpolitik zu streiten und den nationalen Alleingängen
in Europa endlich ein Ende zu bereiten. Wir haben das
von Anfang an unterstützt, weil auch wir glauben, dass
eine gemeinsame Asylpolitik bedeutet, dass es die Be-
reitschaft aller in Europa zur Aufnahme von Flüchtlingen
gibt, und dass man die Staaten beim Aufbau von Asylsys-
temen unterschiedlich stark unterstützen muss. Dem liegt
natürlich die Erkenntnis zugrunde, dass Dublin geschei-
tert ist und Griechenland mit der Verantwortung nicht
länger alleingelassen werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wir haben Sie auf diesem Weg immer unterstützt,
wissend, dass nationale Alleingänge Europa schaden
und den Schengen-Raum gefährden, und weil so etwas
am Ende dazu führt, dass wir in Europa, wenn wir nicht
gemeinsam aufnehmen, weniger Flüchtlinge aufnehmen
werden, als wir es bisher tun. Mit dem EU-Türkei-Gipfel
allerdings konterkarieren Sie, Frau Bundeskanzlerin, die-
se Bestrebungen. Sie konterkarieren den Plan, Flüchtlin-
ge gemeinsam umzuverteilen. Davon liest man in diesen
Vereinbarungen nämlich gar nichts mehr, und das finden
wir nicht richtig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden
werden. Die Türkei ist Teil der Lösung. Sie kann auch
gar nicht nicht Teil der Lösung sein. Sie war von Anfang
an Teil der Lösung und Teil der Auseinandersetzung,
weil sie mit Beginn des Syrienkrieges Hauptaufnahme-
land von Flüchtlingen war. Jeder, der sagt, dass die Tür-
kei nicht Teil der Lösung ist, arbeitet an den Realitäten
vorbei.

Aber, Herr Oppermann, es geht nicht um „überheb-
lich“ oder „herablassend“, wenn wir es falsch finden, die
Türkei zum europäischen Türsteher zu machen, wohl
wissend, dass Erdogan diese Bedingungslosigkeit, mit
der wir auf ihn zugehen, nutzt, um uns zum Schweigen
zu bringen, wenn es um seine menschenverachtenden in-
nen- und außenpolitischen Aktionen geht. Und genau das
passiert jetzt gerade.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])


Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, wollen, dass die
Türkei Flüchtlinge versorgt und ihnen internationalen

Michael Stübgen






(A) (C)



(B) (D)


Schutz gibt, dann verstehe ich nicht, warum alle europä-
ischen Regierungen nahezu schweigen, wenn es um die
Zeitung Zaman, um die Einschränkung der Pressefreiheit
und um das Verhindern von Demonstrationsrechten geht.
Ich verstehe auch nicht, warum die Genfer Flüchtlings-
konvention nicht Bestandteil der Verhandlungen war und
es keinen bedingungslosen Anspruch an die Türkei zur
Aufnahme von Flüchtlingen gab. Warum haben Sie darü-
ber nicht gesprochen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Genfer Flüchtlingskonvention ist von der Türkei
nicht vollumfänglich ratifiziert worden. Wenn wir von
der Aufnahme von Flüchtlingen sprechen, dann reden
wir auch über Integration. Sie ist in der Türkei nicht
möglich, solange die Genfer Flüchtlingskonvention nicht
vollumfänglich umgesetzt wird.

Einige Worte noch zu dem, was hier das Ziel von uns
allen ist, nämlich zur Bekämpfung des Schlepperwesens:
Es ist Fakt, dass man ohne Schlepper nicht nach Euro-
pa kommen kann, weil es keinen Familiennachzug mehr
gibt, weil wir keine Kontingente haben, weil das Reset-
tlement-Programm lächerlich klein ist und weil wir in
diesem ganzen Szenarium auch keine Lösung für Iraker
und Afghanen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer glaubt, dass mit Ihrem Vorgehen die Schlepperei
bekämpft wird, der irrt sich, und der wird das auch er-
kennen.

Wir glauben, das Festhalten an der Umverteilung, an
einer gemeinsamen europäischen Lösung und die Stär-
kung der europäischen Institutionen sind der einzige
Weg, um hier wieder zusammenzukommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003400

Vielen Dank, Luise Amtsberg. – Ich darf jetzt vor al-

lem die CDU/CSU-Kollegen und -Kolleginnen, die sich
so angeregt unterhalten, noch einmal bitten, Ihrem Kol-
legen zuzuhören, weil der nächste Redner Matern von
Marschall ist, und es lohnt sich, ihm zuzuhören. Also
nehmen Sie bitte Platz.

Der letzte Redner in der Debatte: Matern von
Marschall. Bitte schön.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Matern von Marschall von Bieberstein (CDU):
Rede ID: ID1816003500

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für diese
Vorschusslorbeeren,


(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und ich will meinen Dank auch gerne gleich mit einem
Kompliment an die Kolleginnen und Kollegen der Grü-
nenfraktion verbinden. Dass Sie die Politik der Bundes-

kanzlerin heute so ausdrücklich unterstützen, ist natür-
lich erfreulich. Ich würde mir aber auch wünschen, dass
sich das auch in Ihrem Zustimmungsverhalten im Bun-
destag niederschlägt. Ich darf an das Asylpaket II erin-
nern. Damals haben Sie vollständig dagegen gestimmt.
Diese Diskrepanz werden wir hoffentlich vielleicht noch
ausgeräumt sehen.

Herr Bartsch, nachdem ich Ihren Entschließungs-
antrag gelesen hatte und Ihre Einlassungen heute zur
Kenntnis nehmen musste, habe ich erkannt, dass Sie mit
aller Vehemenz gegen eine europäische Lösung, gegen
eine Kooperation der Europäischen Union mit der Türkei
arbeiten.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das Gegenteil ist der Fall!)


Das allerdings, Herr Bartsch, wird in erster Linie dazu
beitragen, dass es verstärkt zu nationalen Lösungen
kommt. Und das wiederum – da können Sie ganz sicher
sein – wird noch mehr auch Ihrer Wähler in die Arme der
AfD treiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt möchte ich im Detail auf das Rückübernahme-
abkommen zu sprechen kommen, das zwischen Griechen-
land und der Türkei – genau darum geht es nämlich – ge-
troffen worden ist. In diesem Rückübernahme abkommen,
das übrigens schon länger besteht, geht es sehr wohl da-
rum, dass jeder Einzelne eine Anhörung bekommt und
dass auch jedem Einzelnen die Möglichkeit der Inan-
spruchnahme eines Rechtsbeistandes eröffnet wird. Inso-
fern geht es dabei nicht um eine pauschale unrechtmäßi-
ge Zurückweisung. Auch wird nicht etwa – was hier als
Kritik geäußert worden ist – möglicherweise verfolgten
türkischen Bürgern der Rechtsschutz verwehrt. Sie könn-
ten dann natürlich in der Europäischen Union um ein
Asylverfahren nachsuchen.

Im Zentrum dessen, was jetzt vereinbart werden könn-
te, ist ein ganz enormes Potenzial. Dabei geht es darum,
dass fast niemand mehr als illegaler bzw. irregulärer
Migrant über den gefährlichen Seeweg kommen muss.
Das ist natürlich bemerkenswert, weil damit Verbre-
chern, die sich als Schleuser betätigen und Menschen in
Lebensgefahr bringen, die Geschäftsgrundlage entzogen
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es richtig!)


Das ist eben ein humanitärer Ansatz und kein – so
haben Sie es in Ihrem Entschließungsantrag formuliert –
Menschenhandel. Auch wird die Türkei nicht – so ha-
ben Sie es gleichfalls dort formuliert – in ein Gefängnis
verwandelt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit dem
3-Milliarden-Euro-Paket, das bis 2018 aufgestockt wer-
den soll, wird – unter Einsatz des BMZ und gerade auch
unter Einsatz der GIZ – in der Provinz Gaziantep ein
wichtiger, ganz zentraler Schwerpunkt insofern gesetzt,
als die syrischen Flüchtlinge in den infragekommenden
türkischen Gemeinden angenommen werden, dass die
Kinder der Flüchtlinge in den Schulen dieser Gemeinden
Plätze finden, um zu lernen, auch um die türkische Spra-
che zu erlernen. Weiterhin soll den Flüchtlingsfamilien

Luise Amtsberg






(A) (C)



(B) (D)


die Möglichkeit geboten werden, in diesem Nachbarland
Syriens Fuß zu fassen. Sie können nach dem Ende des
Bürgerkrieges hoffentlich auch in ihre Heimat zurück-
kehren.

Selbstverständlich ist dieses Konzept in eine Kette
weiterer Maßnahmen eingebettet. Dabei geht es auch
um das Anliegen, dass die Türkei gegenüber Drittstaa-
ten Visaverpflichtungen geltend macht. Dabei geht es
nicht mehr etwa nur um den Irak und den Iran, bei de-
nen das schon geschehen ist, sondern eben auch um die
Maghreb-Staaten, damit die Menschen aus diesen Län-
dern die Türkei nicht als Transitland benutzen, um auf
diesem Wege zu uns zu kommen. Es handelt sich also um
ein umfangreiches Konzept, das im Zentrum auch huma-
nitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen beinhal-
tet, die den 500 000 schulpflichtigen Kindern syrischer
Flüchtlinge in der Türkei zugutekommen.

Ich will zum Abschluss noch einmal die Fragen stel-
len: Trauen wir uns eigentlich nach lediglich sechs Mo-
naten Arbeit – von September letzten Jahres bis jetzt – be-
reits jetzt nicht mehr zu, diese Krise europäisch zu lösen?
Wollen wir – angesichts vereinzelt unruhig werdender
Regionen in Deutschland, wenn wir auf die Wahlergeb-
nisse vom letzten Sonntag schauen – 70 Jahre Frieden in
Europa riskieren?

Meine Damen und Herren, jetzt gilt es doch, Rückgrat
zu zeigen. Jetzt gilt es doch für alle von uns, das, was Eu-
ropa starkgemacht hat, aufrechtzuerhalten, nämlich unse-
re Friedensgemeinschaft in Europa und Deutschland als
ein wesentliches und starkes Land im Herzen Europas zu
stützen. Ferner sollten wir auch unsere Bundeskanzlerin
bei ihren Verhandlungen stützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)


Meine Damen und Herren, es ist jetzt – angesichts
schlechter bzw. guter Wahlergebnisse für diejenigen, die
wir nicht im Parlament haben wollen – nicht die Zeit, das
Rückgrat zu verlieren und vielleicht – nur um kurzfristig
ein Mandat zu retten – diese Grundprinzipien der Euro-
päischen Union wegzugeben für ein Linsengericht.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003600

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich schließe damit die

Debatte.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge und beginnen mit dem Entschließungsan-
trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7884, zu
dem namentliche Abstimmung verlangt wurde.

Ich bitte nun die Schriftführer und Schriftführerinnen,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen und mir zu signa-
lisieren, wann die Urnen besetzt sind. – Sind die Urnen
besetzt? – Gut, die Plätze an den Urnen sind besetzt.
Dann eröffne ich die Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag auf Drucksache 18/7884.

Gibt es ein Mitglied dieses Hauses, das seine Stimme
noch nicht abgegeben hat? – Alle scheinen ihre Stimme
abgegeben zu haben. Dann schließe ich die Abstimmung
und bitte die Schriftführer und Schriftführerinnen, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen
später bekannt gegeben1).

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, die noch im
Saal sind, bitten, Platz zu nehmen, weil wir noch weitere
Abstimmungen vor uns haben.

Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 18/7883. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist abge-
lehnt. Zugestimmt hat die Linke, dagegengestimmt ha-
ben CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/7885. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Zuge-
stimmt hat die Linke, dagegengestimmt haben CDU/
CSU und SPD, enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grü-
nen.

Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/7886. Wer stimmt für die-
sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich je-
mand? – Nein. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Zugestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Lin-
ke. Dagegengestimmt haben CDU/CSU und SPD.

Dann rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-

binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urhe-
ber und ausübenden Künstler auf angemessene Ver-
gütung.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister der Justiz und für Verbraucher-
schutz, Herr Heiko Maas. – Herr Heiko Maas, Sie haben
das Wort.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Das Kabinett hat heute den Entwurf
einer Reform des Urhebervertragsgesetzes beschlossen.
Die letzte Reform des Urhebervertragsgesetzes datiert
aus dem Jahr 2002. Damals ist im Wesentlichen die Re-
gelung aufgenommen worden, dass Urhebern eine ange-
messene Vergütung zusteht, die in der Regel in gemein-
samen Vergütungsregeln zwischen den Verwertern und
den Urheberverbänden vereinbart werden soll.

In der Zeit bis heute sind viele Defizite dieses Verfah-
rens offengelegt worden. In der Realität ist es so, dass zu-
mindest in einigen Urheberbranchen nicht angemessene
Vergütungen gezahlt werden und die Urheber – seien es
freie Journalisten, Drehbuchautoren oder andere – auch

1) Ergebnis Seite 15768 D

Matern von Marschall






(A) (C)



(B) (D)


keinerlei praktische Möglichkeit haben, ihre Rechte
durchzusetzen, weil sie sonst von ihren Auftraggebern
sehr schnell damit konfrontiert werden, dass sie in Zu-
kunft keine weiteren Aufträge mehr erhalten. Das hat in
der Branche auch einen Fachbegriff bekommen: Das ist
das sogenannte Blacklisting.

Darüber hinaus ist durch die Digitalisierung und die
Vervielfältigung der Verwertungsmöglichkeiten eine Si-
tuation entstanden, in der viele Urheber gar nicht mehr
nachvollziehen können, wo und wie oft ihre Werke ge-
nutzt und verwertet werden. Deshalb ist es notwendig
geworden, in einer umfassenden Reform das Urheberver-
tragsgesetz weiterzuentwickeln, und das haben wir heute
im Kabinett beschlossen.

Ich will nur wenige – die wichtigsten – Punkte aus
der Reform vortragen. Zum einen haben wir im Gesetz-
entwurf erstmals einen gesetzlichen Auskunftsanspruch
geregelt, damit die Urheber von den Verwertern in Er-
fahrung bringen können, wie oft Werke genutzt worden
sind und wie viel Geld damit verdient worden ist. Dies
ermöglicht den Urhebern, möglicherweise Nachforde-
rungen zu stellen, wenn die Nutzung im Vergleich zu der
im ursprünglich abgeschlossenen Vertrag genannten in
einem Missverhältnis steht. Das ist für die Urheberseite
außerordentlich wichtig zur Rechtsdurchsetzung.

Wir haben dabei aber auch darauf Rücksicht genom-
men, dass keine überbordende Bürokratie entstehen soll,
indem wir diesen Auskunftsanspruch zumutbar einge-
schränkt haben: Dort, wo untergeordnete Beträge betrof-
fen sind, soll er in dem Umfang ausnahmsweise nicht
gelten, wenn dies zu einem unzumutbaren Aufwand bei
den Verwertern führen würde.

Im Gesetzentwurf ist auch der Grundsatz geregelt,
den wir so beschreiben, dass mehrfache Nutzung auch zu
mehrfacher Vergütung führen soll. Wir haben heute etwa
in der Filmbranche die Situation, dass sogenannte To-
tal-Buy-out-Verträge abgeschlossen werden. Das heißt,
es wird einmal vergütet, unabhängig davon, wie oft ein
Film gezeigt wird. Wir wollen das Ausnahme-Regel-Ver-
hältnis umkehren und sehen im Gesetzentwurf ausdrück-
lich vor, dass die Häufigkeit der Verwertung auch bei der
angemessenen Vergütung eine Rolle spielen soll, sodass
in Zukunft Total-Buy-out-Verträge zurückgedrängt wer-
den und Verträge, die zum Beispiel Wiederholungsho-
norare einbeziehen, in Zukunft wieder häufiger genutzt
werden können.

Wir haben eine Regel eingeführt, die einen ganz neuen
Anspruch definiert. Wir haben Urhebern ein Recht ein-
geräumt, nach der zehnjährigen Nutzung ihres Werkes
durch den Erstverwerter ein Zweitverwertungsrecht gel-

tend zu machen. Das heißt, bei Beibehaltung der Rechte
des Erstverwerters wird sich der Urheber, wenn er dies
will, nach zehn Jahren einen Zweitverwerter suchen kön-
nen, der das Werk weiter verlegt, ausstrahlt oder in wel-
cher Form auch immer verwertet. Das wird in der Praxis
aber häufig dazu führen, dass sich die Urheber dieses
Recht von ihren Erstverwertern abkaufen lassen werden.
Auch das wird die Rechtsstellung der Urheber deutlich
verbessern.

Wir haben des Weiteren die Regeln zur Aufstellung
der gemeinsamen Vergütungsregeln gestrafft, und zwar
sowohl im Verfahren als auch organisatorisch. Wir wol-
len damit erreichen, dass es schneller als bisher zu kol-
lektiven Absprachen kommt; dies halten wir für sinnvoll.
In der Vergangenheit haben vielfach jahrelange Vertrags-
verhandlungen stattgefunden, ohne dass man zu befriedi-
genden Ergebnissen gekommen ist.

Letztlich haben wir ein Verbandsklagerecht im Ge-
setzentwurf vorgesehen. Das heißt, dass Urheber, die
keine angemessene Vergütung erhalten, diese, vertreten
durch den entsprechenden Verband, im Rahmen einer
Verbandsklage geltend machen können. Wir halten das
für sinnvoll, weil sich in der Praxis diejenigen, die in
unterschiedlichen Branchen keine angemessene Vergü-
tung bekommen haben, nicht getraut haben, ihre Rech-
te durchzusetzen, weil sie davon ausgehen mussten,
anschließend von Vertragsvergaben ausgeschlossen zu
werden. Durch die Verbandsklage, also die Möglichkeit,
dass die Verbände der Urheber einen entsprechenden
Anspruch durchsetzen, verändert sich diese Situation.
Dabei gehe ich fest davon aus, dass das nicht unbedingt
zu vielen Klageverfahren führen wird. Vielmehr wird die
präventive Wirkung der Verbandsklage wesentlich dazu
beitragen, dass häufiger die angemessene Vergütung ge-
zahlt wird, die vereinbart wurde.

Herzlichen Dank.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003700

Vielen Dank, Herr Maas. – Bevor wir zur Fragerun-

de kommen – es haben sich schon einige gemeldet, die
Fragen stellen wollen; ich bitte, zuerst Fragen zu dem
Themenbereich zu stellen, den Minister Maas vorgestellt
hat –, möchte ich Ihnen das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentli-
chen Abstimmung über den Entschließungsantrag zur
Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundes-
kanzlerin – das ist die Drucksache 18/7884 – bekannt
geben: abgegebene Stimmen 557. Mit Ja haben gestimmt
53, mit Nein haben gestimmt 446, Enthaltungen 58. Der
Entschließungsantrag der Linken ist damit abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 557;

davon

ja: 53

nein: 446

enthalten: 58

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder

Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm

Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr. Alexander S. Neu
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Azize Tank
Frank Tempel
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann

Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsru he-Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer

Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr. Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann

(Dort mund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Uwe Lagosky

Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h.c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller

(Braun schweig)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)


Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Dr. Ole Schröder

(Wies baden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger

Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke

Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Matthias Ilgen

Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Birgit Kömpel
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse






(A) (C)



(B) (D)


Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler

Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese

(Wol mirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

Enthalten

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae

Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth

Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Dr. Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms

Dann kommen wir jetzt zu den Fragen. Eine Minute
Frage, eine Minute Antwort – Sie wissen, wie es geht.

Wir fangen an mit Renate Künast.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003800

Danke. – Herr Minister, wir alle haben über das Ur-

hebervertragsrecht als Bestandteil einer großen Urheber-
rechtsreform diskutiert. Dieser Bestandteil sollte dazu
dienen, den ursprünglichen Urhebern und nicht den Ver-
wertern mehr Rechte zu geben und sie zu stärken. Des-
halb frage ich Sie bezüglich zweier Punkte.

Meine erste Frage betrifft das pauschale Rückrufs-
recht, dessen Geltungsdauer Sie von fünf auf zehn Jahre
verlängert haben. Wie begründen Sie diese Verlänge-
rung? Dahinter stehen sicherlich detaillierte Überlegun-
gen. Ich möchte gerne wissen, wo das eigentlich wem
etwas bringt, zumal die Verwertungszyklen viel kürzer
sind.

Zweitens. Ich halte ein verbindliches Schiedsverfah-
ren für feste, verpflichtende und gemeinsame Vergü-
tungsregelungen für ein starkes Werkzeug und eine gute
Ergänzung des Verbandsklagerechts. Ich frage mich, wa-
rum Ihr Entwurf ein solches Verfahren nicht vorsieht. Ein
solches Verfahren macht den einzelnen Urheber zum Teil
einer Gruppe und stärkt ihn damit.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816003900

Herr Maas.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Die Tatsache, dass wir die Schiedssprüche nicht für
verbindlich erklärt haben, hat etwas damit zu tun, dass
wir uns für das Instrument der Verbandsklage zur Durch-
setzung von Ansprüchen auf eine angemessene Vergü-
tung ausgesprochen haben. Man kann durchaus auch zu
anderen Ergebnissen kommen. Wir haben uns nach der
Anhörung mit den Betroffenen, und zwar von beiden
Seiten, zum Schluss politisch für das Instrument der Ver-
bandsklage entschieden.

Zu Ihrer ersten Frage nach dem fünfjährigen Rück-
rufsrecht. Der Entwurf, den das Kabinett nun beschlos-
sen hat, beinhaltet ein Zweitverwertungsrecht nach zehn
Jahren. Es handelt sich also nicht mehr um ein Rückrufs-
recht. Wir haben das nach vielen Gesprächen mit unter-
schiedlichen Gruppen, für die das Urhebervertragsgesetz
gilt, verändert, weil uns von der Verlagsseite deutlich
gemacht wurde, und zwar insbesondere von kleinen und
mittleren Verlagen, dass sie viel in Autoren investieren,
deren Werke erst einmal keine hohen Auflagen erzielen.
Wenn diese Erfolg und nach fünf Jahren ein Rückrufs-
recht hätten, dann sei zu befürchten, dass von auf den
Markt drängenden Global Playern wie Amazon usw.






(A) (C)



(B) (D)


diese Autoren weggekauft würden und dies das Ende für
kleine und mittlere Verlage sei. Das habe ich für nach-
vollziehbar gehalten. Deshalb haben wir diese Bestim-
mung so verändert.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816004000

Danke schön. – Nächste Fragestellerin: Halina

Wawzyniak.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816004100

Die Änderungen, die in diesem Gesetzentwurf ent-

halten sind, sind, vorsichtig formuliert, wenig urheber-
freundlich. Ich würde gerne wissen, auf wessen Vorschlä-
ge die Änderungen bei der angemessenen Vergütung,
beim Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft, im Hin-
blick auf das vormalige Rückrufrecht und die Streichung
des Vorkaufsrechts und der Streichungsvorschlag bei der
Vergütung des ausübenden Künstlers für später bekannte
Nutzungsarten zurückzuführen sind. Von wem konkret
kamen die Vorschläge zur Änderung an diesen Stellen?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Von wem in der Anhörung – ich nehme an, dass Sie
das meinen – diese Vorschläge kamen, kann ich Ihnen
jetzt im Einzelnen nicht sagen. Das kann man aber, wenn
man sich mit der Anhörung und dem, was die Verbände
dazu geschrieben haben, noch einmal beschäftigt, sicher-
lich im Einzelnen nachvollziehen. Am Schluss haben wir
im Ministerium das entschieden.

Wir haben es, wie im Urhebervertragsrecht und im
gesamten Urheberrecht üblich, mit diametral entge-
gengesetzten Interessen zu tun. Deshalb haben wir an
bestimmten Stellen Veränderungen herbeigeführt. Am
substanziellsten ist sicherlich die Veränderung vom fünf-
jährigen Rückrufrecht in ein zehnjähriges Zweitverwer-
tungsrecht, was allerdings die Begründung hatte, die ich
Frau Künast gerade genannt habe. Auch an anderen Stel-
len – etwa beim Auskunftsrecht, bei dem wir Ausnahmen
für untergeordnete Beiträge eingeführt haben, oder bei
einem unzumutbaren Aufwand für die Verwerter – sind
aufgrund dessen, was uns geschildert wurde, sowohl von
der Urheberseite als auch von der Verwerterseite, diese
Änderungen in den Gesetzentwurf aufgenommen wor-
den.

An allen Stellen handelt es sich um einen Interessen-
ausgleich, der möglicherweise der einen Seite schon zu
weit geht, der anderen Seite aber nicht weit genug. Zu
glauben, dass man bei Rechtsmaterien im Urheberrecht
zu Ergebnissen kommt, die beide Seiten zufriedenstellen,
halte ich allerdings für leicht illusionär.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816004200

Vielen Dank. – Nächster Fragesteller: Dirk Wiese.


Dirk Wiese (SPD):
Rede ID: ID1816004300

Sehr geehrter Herr Minister, auch ich habe eine Fra-

ge. Ich habe mir das angeschaut und festgestellt, dass es
wirklich lange gedauert hat, bis sich die Bundesregierung
nach dem sogenannten Stärkungsgesetz – ich glaube, das

war im Jahr 2002 – wieder mit dem Urhebervertragsrecht
beschäftigt hat. Vielleicht könnten Sie den Grund anfüh-
ren, weshalb die Reform jetzt neu angestoßen worden ist.

Ich habe noch eine zweite Frage. Wenn ich es richtig
mitbekommen habe, gab und gibt es gerade in der Öf-
fentlichkeit eine heftige Diskussion über die Reform des
Urhebervertragsrechts. Man kann den Eindruck gewin-
nen, dass sich die Verwerter teilweise übergangen fühlen;
so scheint es manchmal. Vielleicht können Sie darstellen,
wie deren Interessen berücksichtigt worden sind.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Wir haben bei diesem Gesetzentwurf die üblichen
Anhörungen durchgeführt. Wir haben nach den schrift-
lichen Anhörungen auch mit den wesentlichen Gruppen,
insbesondere auf der Verwerterseite, gesprochen. Wir ha-
ben im Vorfeld der Anhörung Verwerter und Urheber in
kleineren Runden zusammengebracht, weil wir aus der
Historie wussten, wie schwierig es ist, eine Reform des
Urheberrechts auf den Weg zu bringen. Das hat sich auch
daran gezeigt – Sie haben darauf hingewiesen –, dass die
Vorgängerregierung dieses Gesetz nach 2002, obwohl
die Missstände offengelegen haben, nicht mehr ange-
packt hat, eben weil das eine politisch sehr umstrittene
Materie ist. Ich bin froh, dass wir das jetzt aufgegriffen
und einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der sicherlich
im parlamentarischen Verfahren noch zu intensiven Dis-
kussionen führen wird.

Wir haben im Übrigen nicht nur an der Stelle etwas
getan, sondern auch zu dem Recht der Verwertungsge-
sellschaften einen eigenen Gesetzentwurf im Rahmen der
Umsetzung der jeweiligen EU-Richtlinie eingebracht,
und wir wollen im Laufe dieses Jahres noch einen Ge-
setzentwurf einbringen, der die Bildungs- und Wissen-
schaftsschranke neu regelt, sodass wir das Ziel, das wir
haben, nämlich umfassende urheberrechtliche Reformen
innerhalb dieser Legislaturperiode nicht nur anzustoßen,
sondern auch abzuschließen, erreichen können.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816004400

Vielen Dank. – Johannes Fechner.


Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1816004500

Herr Minister, laut dem Gesetzentwurf soll das

Schlichtungsverfahren zur Aufstellung der gemeinsamen
Vergütungsregeln effektiver gestaltet werden. Könnten
Sie erläutern, welche Auswirkungen Sie in der Praxis er-
warten und wie das konkret erfolgen soll?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Wir haben aufgrund der Praxis in der Vergangenheit
festgestellt, dass das Schlichtungsverfahren an vielen
Stellen zu lange dauert, weil Gutachten erstellt werden
müssen. Es ist sehr exakt vorgegeben, wie diese Ver-
fahren ablaufen, wer an welcher Stelle beteiligt ist. Wir
haben die bisherigen Fristen angepasst und auch die
Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Verfahren
beschleunigt durchgeführt werden können. Wir stellen

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


nicht mehr so viele unbedingte Voraussetzungen dafür
auf, was alles – Informationen, Gutachten usw. – im Ver-
fahren erbracht werden muss. Wir haben die Zuständig-
keiten etwas klarer geregelt, als es im Gesetz bisher der
Fall ist. Wir gehen davon aus, dass das alles dazu beitra-
gen wird, dass die entsprechenden Verfahren in Zukunft
schneller vonstattengehen werden, als wir es aus der Ver-
gangenheit kennen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816004600

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Sigrid

Hupach.


Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816004700

Herr Minister Maas, Sie haben eben schon mehrfach

angeführt, dass Sie neben den gemeinsamen Vergütungs-
regeln auch durch das Verbandsklagerecht die Rechte der
Urheberinnen und Urheber stärken wollen. Mit dem vor-
liegenden Gesetzentwurf machen Sie aber eigentlich das
Gegenteil, indem den Verwertern die Möglichkeit ein-
geräumt wird, sich dem Verbandsklagerecht dadurch zu
entziehen, dass sie aus den Verwerterverbänden austreten
können. Warum regeln Sie das nicht genau umgekehrt,
sodass das Verhandlungsergebnis für die gesamte Bran-
che verbindlich gilt, also auch für die nicht organisierten
Verwerter? Warum regeln Sie das nicht so?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Weil das ein nicht unerheblicher Eingriff in die Ver-
tragsfreiheit wäre und weil wir die Erfahrung gemacht
haben, dass die Verwerter und vor allen Dingen die Ver-
wertungsgesellschaften in Deutschland bewährt sind; das
System funktioniert. Wir haben an dieser Stelle keine
weiteren strukturellen Änderungen vorgenommen, weil
wir nicht glauben, dass das System dadurch in irgendei-
ner Weise optimiert würde.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816004800

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Hakverdi.


Metin Hakverdi (SPD):
Rede ID: ID1816004900

Herr Minister, welche konkreten Auswirkungen hat

das neue Recht auf die Beteiligten, also Urheber, aus-
übende Künstler und Verwerter, in der täglichen Praxis,
und müssen die Konsumenten, also etwa Zeitungsabon-
nenten, Käufer von Büchern oder Kunden von Strea-
ming-Diensten, Nachteile befürchten?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Wie sich das auswirkt und ob Nachteile zu befürch-
ten sind, dazu kann ich natürlich nur sehr bedingt etwas
sagen. Ich kann aber an keiner Stelle dieses Gesetzent-
wurfs erkennen, dass wir irgendetwas beschlossen haben,
was an die Verbraucherinnen und Verbraucher in Form
von höheren Kosten weitergegeben wird. Wir haben ja
keine Regelung getroffen, wie eine angemessene Vergü-
tung aussieht, sondern nur die Rechtsdurchsetzung ver-
einfacht. Geklärt werden soll: Wie können Künstlerinnen

und Künstler ihr Recht auf angemessene Vergütung auch
durchsetzen? Dazu dienen die Einführung einer Ver-
bandsklage und die Einführung eines Auskunftsrechts.
So können sie überhaupt einmal erfahren, was von dem
Werk genutzt wurde, bei dem man die Rechte an einen
Verwerter abgetreten hat, und wie viel Geld derjenige da-
mit verdient hat. Insofern glaube ich, dass den Urhebern
nur das zukommen wird, was ihnen auch zusteht, und
dass lediglich verhindert wird, dass sie weniger als eine
angemessene Vergütung bekommen.

Daraus kann ich nicht ableiten, dass das in irgendei-
ner Form Folgen haben wird, etwa dass sich Preise für
Streaming-Dienste oder für sonstige kulturelle Werke
erhöhen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich für die
Verbraucherinnen und Verbraucher im Wesentlichen gar
nichts verändern wird.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005000

Vielen Dank. – Jetzt fragt Sie Dr. Stefan Heck.


Dr. Stefan Heck (CDU):
Rede ID: ID1816005100

Herr Minister, Sie haben schon erwähnt, dass im Ge-

setzentwurf ein Auskunftsanspruch der Urheber vorgese-
hen ist. Schon bislang gab es einen nicht kodifizierten
Auskunftsanspruch; er ist aufgrund der Rechtsprechung
entstanden. Inwieweit geht dieser Gesetzentwurf über
das hinaus, was wir bisher schon an Auskunftsansprü-
chen haben?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Der Auskunftsanspruch, den wir im Gesetzentwurf
vorgesehen haben, orientiert sich an der bisherigen
Rechtsprechung. Wir fassen damit die Grundlagen der
Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch zusammen, der
sich bisher entweder aus einer einzelvertraglichen Rege-
lung ergeben hat oder aus Treu und Glauben, also aus
dem Zivilrecht, abgeleitet wurde.

Wir wollten dies kodifizieren, weil es in der digitali-
sierten Welt mit neuen Verbreitungs- und Nutzungsmög-
lichkeiten für Urheber sehr schwer ist, zu überblicken,
wo und wie häufig ihr Werk genutzt worden ist, um
festzustellen, ob möglicherweise Nachzahlungen einge-
fordert werden können. Deshalb ist dieser Auskunftsan-
spruch ein direkteres Recht für den Urheber, das sich in
der Rechtsprechung sicher weiter herausbilden wird und
nicht mehr über Drittquellen abgeleitet werden muss.
Auch das halten wir im Ergebnis für eine Stärkung der
Rechte von Urheberinnen und Urhebern.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005200

Vielen Dank. – Christian Flisek ist dran.


Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1816005300

Herr Bundesminister Maas, Sie haben in Ihrem Ein-

gangsstatement angedeutet, dass sich das Urheberrecht
auf sehr viele Kreativbranchen bezieht, die ausdifferen-
ziert sind, die oft sehr eigene Geschäftsmodelle fahren.
Der Entwurf bezieht sich jedoch auf alle Branchen glei-
chermaßen im Sinne eines allgemeinen Urheberrechts.

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Meine Frage an Sie ist: Inwieweit glaubt die Bundesregie-
rung, dass die Stärkung gemeinsamer Vergütungsregeln
dazu beitragen kann, dass wir verstärkt branchenspezi-
fische Regelungen entwickeln, die bedarfsgerecht sind?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Das halten wir für absolut sinnvoll. Ein nicht unwe-
sentlicher Teil dieses Gesetzentwurfs hat genau zum
Inhalt, den Abschluss gemeinsamer Vergütungsregeln
zu stärken, indem wir die Rechte, die wir den Urhebern
zusätzlich einräumen, in diesen gemeinsamen Vergü-
tungsregeln für abdingbar erklären, die so etwas wie
Tarifverträge sind. Deshalb wird es in Zukunft für die
Verwerterseite noch interessanter werden, solche ge-
meinsamen Vergütungsregeln zu vereinbaren.

Das ist in der Vergangenheit nicht in allen Branchen
der Fall gewesen. Es besteht die Möglichkeit, mit den
Urheberverbänden diese Rechte auszuhandeln und
branchenspezifisch zu regeln. Schließlich ist das Urhe-
berrecht so komplex, weil die gleichen Regelungen für
völlig unterschiedliche Sachverhalte passen müssen, also
für Buchverlage, für die Filmindustrie, die Musikindus-
trie usw. Das ist die eigentliche Problematik. Mit ge-
meinsamen Vergütungsregeln wird es ermöglicht, dieses
Problem branchenspezifisch zu lösen. Wir wollen des-
halb mehr gemeinsame Vergütungsregeln und haben den
Druck, solche abzuschließen, mit diesem Gesetzentwurf
noch etwas erhöht.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005400


Vielen Dank. – Renate Künast stellt die nächste Frage.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005500


Bezüglich der vorherigen Antwort zur Verbindlich-
keit der Schiedsverfahren und zu den gemeinsamen Ver-
gütungsregeln muss ich ehrlich sagen, dass ich relativ
wenig Druck spüre. Ich spüre auch relativ wenig Druck
beim Thema Auskunftsanspruch; der Kollege Heck hat
bereits danach gefragt. Ich verstehe gar nicht, warum der
Anspruch ausgeschlossen werden soll, wenn der Urheber
einen „lediglich untergeordneten Beitrag zu einem Werk,
einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat“
oder aus anderen Gründen die Auskunft unverhältnismä-
ßig ist. Ich verstehe diese unbestimmten Rechtsbegriffe
nicht. Sie öffnen damit meiner Meinung nach Tür und
Tor dafür, eine Nichtauskunft zu geben, und Tür und Tor
für Gerichtsverfahren.

Ich verstehe den Aspekt „untergeordneter Beitrag“
nicht, wenn man doch die kleinen Urheberrechteinha-
ber unterstützen will. Diese sind auf kleine Beträge und
kleine Nutzungen und das Wissen darüber angewiesen.
Deshalb frage ich, warum Sie statt dieser Rechtsbegriffe
nicht gesagt haben, dass es Auskunftsansprüche immer
dann gibt, wenn es sich um direkt verbundene Vertrags-
partner handelt.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Das ist ganz einfach so, weil uns in den Anhörungen
Fallgestaltungen dargelegt worden sind, bei denen der
unmittelbare Gewinn für den Urheber und der daraus
resultierende Aufwand für den Verwerter zur Feststel-
lung der Verwertung und der Häufigkeit der Verwertung
in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander gestan-
den haben. Es gibt eine Rechtsprechung, wann ein Aus-
kunftsersuchen unverhältnismäßig ist.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir lösen das doch selber!)


Das haben wir in die Regelung aufgenommen, die wir
vorgeschlagen haben.

Es ist nun einmal so, dass wir mit dem Auskunfts-
anspruch einen konkreten Anspruch definieren, den es
zuvor im Gesetz so nicht gegeben hat, der aus anderen
Rechtsquellen abgeleitet werden musste. Dass es Fall-
konstellationen gibt, in denen die Wahrnehmung eines
Auskunftsanspruchs nicht mehr verhältnismäßig ist,
steht, glaube ich, außer Frage. Darauf weisen wir hin. Im
Übrigen wäre dies in der Praxis, auch bei einer anderen
Formulierung, von Gerichten möglicherweise ebenfalls
so festgestellt worden.

Also: Wir nehmen die Rechtsprechung auf, die es dazu
gibt. Dass in Ausnahmefällen bei unzumutbarem Auf-
wand auch von der Erfüllung eines Auskunftsanspruchs
abgesehen werden kann, halte ich für relativ realistisch.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005600

Halina Wawzyniak.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816005700

Ich würde gern noch einmal auf das ursprüngliche

Rückrufrecht zurückkommen; es geht um fünf Jahre oder
zehn Jahre. Sie haben versucht, zu erklären, warum Sie
den Zeitraum von fünf Jahren auf zehn Jahre ausgewei-
tet haben. Sie haben im neuen § 40 a des Urheberrechts-
gesetzes im Zusammenhang mit dem ausschließlichen
Nutzungsrecht noch eine Einschränkung vorgenommen,
nämlich: „gegen eine pauschale Vergütung“. Da würde
mich interessieren: Wie kommt es zu dieser Einschrän-
kung, die vorher nicht vorgesehen war, zumindest nicht
im Referentenentwurf?

Wenn wir schon beim neuen § 40 a sind, würde mich
noch interessieren, wie Sie auf die Idee gekommen sind,
dass ein zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht einge-
räumt werden kann, wenn das Werk nicht veröffentlicht
werden soll. Also: Welche Fälle gibt es, in denen jemand
ein zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht einräumt,
wenn das Werk nicht veröffentlicht werden soll?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Was die erste Frage angeht: Wir haben die pauscha-
lierten Verträge von der Zweitverwertungsregel ausge-
nommen, weil sie im Wesentlichen Fallgestaltungen im
Buchverlagswesen und in der Musikindustrie betreffen.
Dort werden in der Regel stückzahlabhängige Verträge

Christian Flisek






(A) (C)



(B) (D)


abgeschlossen. Das heißt, die Autoren werden nach Auf-
lage oder die Musiker nach dem Platten- oder CD-Ver-
kauf entlohnt. Wir haben aufgrund der Mechanismen und
der Mischkalkulation, die es in den Verlagen oder in Un-
ternehmen der Musikbranche gibt, nicht die Auffassung
gewonnen, dass es hier die größten Missstände gibt. Das
hat sich im Übrigen auch daran gezeigt, dass es eine nicht
unerhebliche Anzahl von Autoren großer, kleiner und
mittlerer Verlage gegeben hat, die darauf hingewiesen
haben, dass durch ein fünfjähriges Rückrufrecht neben
den zusätzlichen Rechten, die den Urhebern eingeräumt
werden, auch Gefahren drohen und insbesondere klei-
ne und mittlere Verlage dadurch Probleme bekommen
könnten. Wir haben uns deshalb entschlossen, von der
Regelung, so wie wir sie ursprünglich vorgesehen hatten,
abzusehen. Es bleibt immer noch ein Mehrwert, nämlich
das Zweitverwertungsrecht für Urheber nach zehn Jah-
ren, das es im jetzigen Gesetz so nicht gibt.

Die Antwort auf die zweite Frage werde ich nachlie-
fern, weil ich jetzt keine Zeit mehr habe.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816005800

Danke schön. – Dann noch Frau Hupach und Herr

Flisek.


Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816005900

Herr Minister Maas, ich komme noch einmal auf den

Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft zurück, und
zwar auf die sogenannte Kannregelung, die Sie jetzt vor-
schlagen, und darauf, dass der Anspruch zusätzlich auf
den Fall der entgeltlichen Nutzung beschränkt wird. Sie
haben eben gesagt, dass manchmal die Verhältnismäßig-
keit nicht gegeben ist. Wie würden Sie das definieren?
Könnten Sie einmal näher erläutern, nach welchen Krite-
rien die Verhältnismäßigkeit festgestellt werden soll und
warum es zu dieser Kannregelung kommt?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Es gibt ganz einfach Fälle, in denen Kosten und Nut-
zen außer Verhältnis stehen. Wenn jemand zu einem
Vertrag, bei dem es um 100 Euro geht, einen Auskunfts-
anspruch geltend macht, der einen Verlag oder einen
Sender über Monate beschäftigt, dann, glaube ich, ist
das unverhältnismäßig. Ehrlich gesagt glaube ich, dass in
einem solchen Fall zwischen den Vertragspartnern bzw.
ehemaligen Vertragspartnern auch eine gütliche Rege-
lung möglich sein müsste, weil es sich um nicht so große
Beträge handelt. Wenn es also darum geht, Kleinstbeträ-
ge zu erstreiten, und dafür ein großflächiges Auskunfts-
ersuchen geltend gemacht wird, sind wir der Auffassung,
dass es sinnvoller ist, das außerhalb eines Auskunftsersu-
chens einvernehmlich zu regeln. Auf jeden Fall glauben
wir, dass es eine Grenze gibt, die im Übrigen auch die
Rechtsprechung ableitet, nämlich dass die Geltendma-
chung des Auskunftsersuchens nicht unverhältnismäßig
sein darf. Ins Verhältnis gesetzt werden muss das, was
es möglicherweise an Nachzahlung gibt, und das, was
die Erfüllung des Auskunftsanspruchs beim Verwerter an
Kosten verursacht.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006000

Vielen Dank, Herr Maas. – Als Letzter zu diesem The-

ma hat Christian Flisek die Fragemöglichkeit.


Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1816006100

Herr Bundesminister Maas, Sie haben gesagt, im Ge-

setzentwurf sei eine Stärkung der gemeinsamen Vergü-
tungsregeln vorgesehen. Auf der anderen Seite steht die
Durchsetzung dieser gemeinsamen Vergütungsregeln in
Form einer Verbandsklage. Auf Verwerterseite finden
sich ausreichend mächtige Organisationen wieder, die
für eine solche Verbandsklage durchaus auf der Pas-
sivseite stehen könnten. Wie ist die Einschätzung der
Bundesregierung: Sind die Kreativen, die Urheber auch
ausreichend organisiert, um von diesem Verbandsklage-
instrument in der gewünschten Form Gebrauch machen
zu können?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Ich glaube, dass es bei den Kreativen grundsätzlich
keinen größeren Drang zur Organisation in Verbänden
gibt. Das hat etwas mit dem Selbstverständnis in den
unterschiedlichen Branchen zu tun. Wir würden uns
wünschen, dass sich mehr Kreative, also Urheber, in Ver-
bänden zusammenschließen, weil das die Schlagkraft der
Verbände und damit auch die Rechtsdurchsetzung der
Urheber verbessern würde. Letztlich ist das aber eine
Entscheidung, die jeder selber treffen muss. Wir glauben,
dass wir es ihnen mit den Rechten, die wir jetzt einge-
räumt haben, noch deutlich attraktiver gemacht haben,
einem Verband anzugehören. Mich würde nicht wun-
dern, wenn sich Kreative an der einen oder anderen Stelle
aufgrund der neuen Rechtslage entschließen, Verbänden
beizutreten. Ich persönlich würde das begrüßen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006200

Dann kommen wir zum Fragekomplex „Themen der

heutigen Kabinettssitzung“. – Katja Keul.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006300

Vielen Dank. – Ich habe eine Frage zu der Reform des

§ 179 StGB, also zum Sexualstrafrecht. Dies war heute
auch Gegenstand der Kabinettssitzung. Ich würde gerne
von Ihnen wissen, warum Sie sich auf den Tatbestand des
sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen beru-
fen, der zudem nach dem neuen Gesetzentwurf einen
niedrigeren Strafrahmen hat als die Vergewaltigung einer
gesunden Person. Das verstehe ich nicht. In der Begrün-
dung heißt es:

Der … niedrigere Strafrahmen rechtfertigt sich da-
raus, dass der Täter des § 177

– das ist die Vergewaltigung –

zusätzlich einen entgegenstehenden Willen
des Opfers durch Zwang beugen muss und
daher wegen Nötigung mit einer Mindestfrei-
heitsstrafe von einem Jahr rechnen muss.

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Demgegenüber muss der Täter, der einen Widerstandsun-
fähigen vergewaltigt, den Widerstand nicht überwinden
und wird deswegen milder bestraft.

Das ist doch eine Diskriminierung behinderter Perso-
nen. Das wurde schon immer am § 179 StGB kritisiert.
Sie behalten das aber ausdrücklich bei. Warum?

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Zunächst einmal will ich darauf hinweisen, dass mit
dem Gesetzentwurf überhaupt erst eine Rechtsgrundlage
dafür geschaffen wird, dass geistig behinderte Menschen
zukünftig durch das Strafgesetzbuch besser geschützt
werden können. Bisher ist es gar nicht möglich, geistig
behinderte Menschen zu „vergewaltigen“, weil sie nach
der Rechtsprechung und den Rechtsgrundlagen gar kei-
nen entgegenstehenden Willen bilden können. Das wird
in diesem Gesetzentwurf aufgehoben. Damit wird die
Rechtsgrundlage verändert, auf der entschieden wird.

Dass es einen unterschiedlichen Strafrahmen gibt, hat
etwas damit zu tun, dass die Widerstandshandlungen in
unterschiedlicher Intensität wahrgenommen werden, und
wird durch die Definition in der Begründung gerechtfer-
tigt.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006400

Vielen Dank. – Die nächste Frage hat Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006500

Herr Maas, es kann uns doch nicht zufriedenstellen,

wenn Sie sagen: „Bisher war es nicht strafbar; deshalb
machen wir das jetzt hier“, und das sollen wir gut finden.
Das bedeutet ja, dass Sie diese Regelung im Jahr 2016 so
anlegen, dass sie im Hinblick auf behinderte Menschen,
behinderte Frauen und Mädchen, nicht diskriminierungs-
frei ist.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Ich finde schon, dass das einen Unterschied macht,
da die Einordnung einer Handlung, deren Unwertgehalt
nach unserer Auffassung eindeutig zu bestrafen ist, in
der Vergangenheit von vielen Bundesregierungen unter-
schiedlicher Couleur nie geändert worden ist.

Wir ändern das jetzt. Es ist ein deutlicher rechtspo-
litischer Fortschritt, dass wir auch nach der Art der Wi-
derstandsleistung differenzieren und danach, dass be-
stimmte Personen gar keinen Widerstand leisten, weil sie
ihn nicht leisten können. Das ist der tiefere Gehalt die-
ses Gesetzes. Wir müssen auch bei Menschen, die nicht
behindert sind, differenzieren, ob sie überrascht werden
oder keinen Widerstand leisten, weil sie befürchten, dass
ihnen noch mehr Gewalt angetan wird, oder sich irgend-
wo befinden, wo keine Hilfe absehbar ist, oder ihnen mit
dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht wird. Das alles
sind Umstände, die unterschiedlich behandelt werden.
Deshalb haben wir auch unterschiedliche Strafrahmen.
Wenn ein durchgeführter Widerstand mit Gewalt inner-
halb einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung

überwunden wird, dann erhöht das den Unwertgehalt
der Tat noch einmal. Das rechtfertigt unserer Auffassung
nach unterschiedliche Strafrahmen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006600

Vielen Dank, Herr Minister. – Katja Keul, noch ein-

mal dazu? – Gut.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006700

Noch einmal zu demselben Gesetzentwurf, hier aber

eine andere Passage. Es geht darum, dass die Istan-
bul-Konvention des Europarates umgesetzt werden soll
und es nicht mehr auf eine Widerstandsleistung des Op-
fers ankommen soll. Jetzt behalten Sie in Ihrem Gesetz-
entwurf bei, dass es auf den Widerstand ankommt. Sie
schreiben sogar in der Begründung: Aufgrund der Ver-
knüpfung zwischen Übel und Widerstand mit den Wor-
ten „im Falle eines Widerstandes“ werden nur solche
Fälle erfasst, bei denen das Opfer die sexuelle Handlung
zwar eigentlich ablehnt, aber den Widerstand wegen der
Furcht vor dem empfindlichen Übel gleichwohl unter-
lässt. Gleichzeitig werden hierdurch Fälle ausgeschlos-
sen, in denen das Opfer lediglich ein Übel befürchtet, das
mit dem Widerstand in keinem Zusammenhang steht. –
Das verstehe ich nicht. In Zukunft muss das Opfer wieder
beweisen, dass das Übel mit dem Widerstand zusammen-
hängt und warum es keinen Widerstand geleistet hat. Das
sollte doch gerade geändert werden.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Nein, wir haben im Gesetzentwurf keine Beweislast-
umkehr vorgenommen, weil das unter keinem Gesichts-
punkt sinnvoll oder vertretbar gewesen ist, auch nicht bei
diesen Straftatbeständen, auch wenn die deutsche Recht-
sprechung in der Vergangenheit bezüglich Sexualdelikte
sehr restriktiv gewesen ist,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach der Beweislastumkehr hat sie gar nicht gefragt!)


weil es sich im Wesentlichen um Straftaten aus dem per-
sönlichen Nahbereich gehandelt hat. Deshalb haben wir
neben dem nichtvorhandenen Einverständnis – das ist
natürlich auch in dieser Regelung abgebildet – weiterhin
darauf abgestellt, dass Widerstandshandlungen vorge-
nommen werden könnten. Sie müssen aber nicht mehr
vorgenommen werden. Wir haben in einem langwierigen
Prozess mit allen Landesjustizverwaltungen in der Ge-
richtspraxis noch einmal überprüft, wo die Schutzlücken
bei der Vergewaltigung sind. Was führt dazu, dass nur
8 Prozent der angezeigten Vergewaltigungen wirklich ei-
ner Verurteilung zugeführt werden? Das hat etwas damit
zu tun, dass die Rechtsprechung grundsätzlich restriktiv
ist, weil es sich um Straftaten aus dem persönlichen Nah-
bereich handelt. Deshalb haben wir die Fallgestaltungen,
um die es geht, genau beschrieben. Um welche Fälle
es geht, zum Beispiel Überraschungsmomente, steht
im Tatbestand. Wir sind fest davon überzeugt, dass es
zu häufigeren In-dubio-pro-reo-Entscheidungen führen

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


wird, wenn man sich auf den subjektiven Tatbestand be-
schränkt.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)


Deshalb und weil mir niemand, der die reine Nein-heißt-
nein-Lösung propagiert, einen Fall genannt hat, der von
dem Tatbestand, wie wir ihn heute beschlossen haben,
nicht erfasst wird, glaube ich, dass das Ergebnis das glei-
che sein wird. In der Praxis und der Anwendung wird die
Verurteilungsquote durch das, was wir heute im Kabinett
beschlossen haben, deutlich besser angehoben


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht nur um die Verurteilungsquote!)


als durch andere Tatbestandsformulierungen, die rein
subjektiv sind.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006800

Britta Haßelmann, bitte.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816006900

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, wir

haben gar nicht von Beweislastumkehr gesprochen. Wir
haben Sie vielmehr gefragt, warum Sie an der Stelle ei-
gentlich den Nachweis der betroffenen Frauen und Mäd-
chen durch die Formulierung, die meine Kollegin Keul
vorgetragen hat, so belassen, wie es Status quo ist. Bei
uns spricht niemand von Beweislastumkehr. Drehen Sie
das Argument also nicht um.

Zudem hat mich Ihre Erläuterung im Hinblick auf die
behinderten Menschen in keiner Weise überzeugt. Ei-
gentlich müssten wir doch sagen: Behinderte Betroffene
sind besonders schutzbedürftig. – Die Logik, hier eine
andere Argumentation für ein möglicherweise geringeres
Strafmaß anzusetzen oder die Strafbarkeit überhaupt he-
rabzusetzen, kann ich nicht nachvollziehen.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Weil behinderte Menschen besonders schutzbedürftig
sind, haben wir sie überhaupt an dieser Stelle gesondert
in den Geltungsbereich des Strafrechtes aufgenommen.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber mit einem niedrigeren Strafmaß!)


Vorher ist das nicht getan worden. Wer es vorher hätte
tun wollen, hätte es zu bestimmten Regierungszeiten
auch tun können. Es ist aber nicht geschehen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da war Ihre Partei auch dabei! Dann fragen Sie sich mal, woran das lag!)


Deshalb finde ich, dass man durchaus darauf hinwei-
sen darf, dass wir eine verbesserte Rechtslage und mehr
Schutz für behinderte, insbesondere geistig behinderte
Menschen schaffen, die bisher beim Straftatbestand der
Vergewaltigung überhaupt nicht gesondert vom Straf-
recht erfasst worden sind.

Zur Frage der Beweisführung. Natürlich ändern wir
mit dem Gesetz auch maßgeblich die Regelungen zur
Beweiserbringung. Wir drehen nicht die Beweislast um –
das wollen sicherlich auch Sie nicht fordern –, aber wir
definieren genau die Fälle, in denen der Straftatbestand
erfüllt ist, ohne dass körperlicher Widerstand geleistet
wurde: bei einem Überraschungsmoment oder wenn
gedroht wurde oder wenn mit noch mehr Gewaltanwen-
dung gerechnet werden musste. Die Opfer können sich
darauf stützen; die Fälle sind im Gesetzentwurf in de-
taillierter Form zusammengefasst. Damit werden die Be-
weisbarkeit und die Beweisführung für die Opfer deut-
lich erleichtert.

Nach wie vor gilt: Die Länder, die die Lösung eines
rein subjektiven Tatbestands gewählt haben, in denen
man sich also auf eine reine Nein-heißt-nein-Lösung be-
schränkt hat – auch sie wird in der parlamentarischen De-
batte eine Rolle spielen –, können nicht darauf zurückbli-
cken, dass sich die Verurteilungsquoten damit wesentlich
verändert haben. Ich halte das Risiko für zu groß, dass
es in diesem Falle zu häufig In-dubio-pro-reo-Entschei-
dungen gibt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch egal!)


Deshalb halten wir es aus dem Blickwinkel, den Schutz
für Frauen vor sexueller Gewalt zu verbessern, für rich-
tig, den Tatbestand genauer zu beschreiben, die Beweis-
führung für die Opfer zu erleichtern und damit die Verur-
teilungsquote endlich zu erhöhen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007000

Vielen Dank, Herr Minister. – Wir haben damit den

Bereich der Fragen zur heutigen Kabinettssitzung been-
det.

Ich komme jetzt zu der Frage, ob es darüber hinaus
Fragen an die Bundesregierung gibt. – Kollegin Künast
hat sich gemeldet, der ich hiermit das Wort erteile.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816007100

Danke, Herr Präsident. – Gefühlt zehnmal, real wahr-

scheinlich erst fünfmal habe ich gelesen, dass morgen
ein großer Justizgipfel stattfindet, verbunden mit dem
Willen, der Welle von politisch motivierter Gewalt et-
was entgegenzusetzen. Meine Frage lautet nun: Welche
positiven Beschlüsse haben wir morgen zu erwarten?
Ich gehe einmal davon aus, dass allein ein besserer In-
formationsaustausch, eine bessere statistische Erfassung
und ein bisschen Richterfortbildung oder die Mitteilung,
was Sie in Bezug auf Hate Crime schon gemacht haben,
aber Facebook noch nicht umgesetzt hat, nicht das Er-
gebnis des morgigen großen Justizgipfels sein kann. Des-
halb frage ich Sie: Wird es seitens des Bundes morgen
die Ankündigung geben, im Bundesbereich eine bessere
Personalausstattung zu schaffen? Wird es morgen die
Ankündigung geben, mehr Sach- und Personalmittel für
ein flächendeckendes Programm gegen rechtsextreme
Gewalt zur Verfügung zu stellen? Sonst macht die ganze
Veranstaltung keinen Sinn.

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Ich will die Frage anschließen: Hat es eigentlich in-
tern Ärger dadurch gegeben, dass nunmehr spontan die
Innenminister dazukommen, aber nur Vertreterinnen und
Vertreter der Großen Koalition die morgige Pressekon-
ferenz bestreiten und dass das Schwesig-Ministerium
wiederum nicht beteiligt ist? Ich verstehe nicht, was da
gerade personell passiert.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007200

Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Ich weiß nicht, inwiefern Sie nicht verstehen, was da
personell passiert. Was der Justizgipfel morgen beschlie-
ßen wird, kann ich Ihnen im Voraus jetzt nicht sagen.

Ihre Frage war, ob der Bund beschließt, dass es mehr
Personal geben wird. Ich kann Ihnen sagen: Der Bund
braucht das gar nicht mehr zu beschließen, sondern der
Bund hat das bereits getan und wird es auch in den kom-
menden Haushaltsjahren tun. Wir haben das Personal bei
den Gerichten – beim BGH, im Übrigen auch bei den
Strafsenaten – aufgestockt, der Generalbundesanwalt hat
mehr Geld bekommen, ebenso die Bundespolizei. Der
Bund hat das also längst getan. Insofern brauchen wir das
gar nicht zu beschließen.

Ich werde Ihre Frage gerne zum Anlass nehmen, den
Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern mitzuteilen,
dass es im Bundestag als sinnvoll erachtet wird, die Jus-
tiz personell und auch organisatorisch besser auszustat-
ten. Da ist ja auch wirklich etwas dran.

Sie haben angesprochen, dass die Innenminister am
Gipfel teilnehmen, und gefragt, ob es irgendwelchen Är-
ger gegeben hat. Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Bei
mir hat sich keiner gemeldet. Ich habe darum gebeten,
dass die Innenminister sowie das BKA oder der General-
bundesanwalt vertreten sind und jeweils berichten, weil
auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz regel-
mäßig Maßnahmen gegen extremistische Gewalt oder
gegen islamistischen Terrorismus stehen. Wir wollen uns
im Rahmen der Konferenz besser mit den Kolleginnen
und Kollegen austauschen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007300

Frau Kollegin Künast, Sie haben dazu noch eine wei-

tere Frage.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816007400

Danke. – Herr Maas, veräppeln kann ich mich alleine.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Das weiß ich nicht.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816007500

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Landesminister

bis vor zwei Tagen nicht wussten, dass auch die Innen-
minister teilnehmen sollen. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass Sie das mit denen nicht absprechen. Eine gemein-

same Sitzung läuft doch wohl nicht so ab, dass Sie den
Landesministern durch Zufall zukommen lassen, wer
sonst noch alles an der Veranstaltung teilnimmt; das wäre
zumindest schwer unhöflich.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Man weiß es nicht!)


Wie gesagt: Veräppeln kann ich mich alleine. Sie
glauben doch nicht im Ernst, dass irgendjemand hier im
Raum glaubt, Sie würden morgen nicht vorbereitet in die
Sitzung gehen und würden den Ländern nicht schon ei-
nen Vorschlag für ein Abschlusspapier vorgelegt haben;
denn zur Pressekonferenz haben Sie ja schon eingeladen.
Kein Mensch glaubt, dass Sie das so freihändig tun. Des-
halb frage ich noch einmal: Werden Sie selber oder an-
dere Bundesvertreter morgen konkret vorschlagen, dass
die Bundesmittel für Präventionsprojekte im Bereich
rechtsextreme Gewalt oder für Aussteigerprogramme
ausgeweitet werden sollen? – Nach Richtern habe ich gar
nicht gefragt.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007600

Herr Bundesminister.

Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Vielleicht wäre es aber sinnvoll, auch nach den Rich-
tern zu fragen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ich noch eine Frage habe!)


Frau Künast, Sie können noch dreimal fragen: Ich
werde hier nicht präventiv erklären, was der Justizgipfel
morgen beschließen wird, und ich werde auch nicht er-
klären, was die Bundesregierung dort vorschlagen wird.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Es geht nicht um Beschlüsse, es geht um Positionen!)


Natürlich sind wir dabei, mit den Kolleginnen und
Kollegen aus den Ländern die Themen festzulegen, mög-
licherweise auch Themen, bei denen wir besondere Din-
ge beschließen. Das bleibt aber dem vorbehalten, was mit
den Kolleginnen und Kollegen morgen diskutiert und be-
schlossen wird. Vom Vorgehen her hielte ich es für mehr
oder weniger grenzwertig, wenn man sich am Tag vorher
vor den Bundestag stellte und erklärte, was die 16 Justiz-
minister der Länder gemeinsam mit dem Bundesjustiz-
minister zu beschließen haben.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Information für Parlamentarier!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007700

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann beende ich die

Befragung der Bundesregierung.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde

Drucksache 18/7841

Ich rufe die mündlichen Fragen in der üblichen Rei-
henfolge auf.

Renate Künast






(A) (C)



(B) (D)


Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Für die Beantwortung steht die Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Caren Marks zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Franziska
Brantner auf:

Mit welcher Begründung ist die Ausweitung des Anwen-
dungsbereiches in Artikel 1 § 1 des Referentenentwurfs zum
Gesetz der Neuregelung des Mutterschutzes nicht mehr für
Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen vorgesehen,
und unter welchen Voraussetzungen sieht das Bundesministe-
rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Absprache
mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die
Möglichkeit, Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen
erneut in den Anwendungsbereich des Artikels 1 § 1 des Refe-
rentenentwurfs zum Gesetz der Neuregelung des Mutterschut-
zes einzubeziehen?

Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.

C
Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1816007800


Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin
Dr. Brantner, vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne
beantworte. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des
Mutterschutzrechts befindet sich zurzeit in der Ressort-
abstimmung und wurde Anfang März, genauer gesagt,
am 3. März, an die Länder und Verbände zur Stellung-
nahme versandt. Vor dem Hintergrund der noch nicht
abgeschlossenen Abstimmungsprozesse ist es zu diesem
Zeitpunkt nicht möglich, nähere Auskünfte zur Einbezie-
hung von Studentinnen, Praktikantinnen und Schülerin-
nen zu geben.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816007900

Frau Kollegin Brantner, Sie haben eine Nachfrage.

Bitte sehr.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber Sie werden trotzdem nicht leugnen können,
dass in den ursprünglichen Entwürfen Studentinnen und
Schülerinnen Teil der Neuerung waren. In dem Entwurf,
den Sie jetzt versendet haben, sind diese Gruppen aber
offensichtlich nicht mehr dabei.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008000

Frau Staatssekretärin.

C
Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1816008100


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich
kann meine Antwort nur wiederholen: Der Entwurf ist an
die entsprechenden Verbände versandt. Er befindet sich
in der Ressortabstimmung. Genau wegen dieses Proze-
deres ist es nicht üblich, an dieser Stelle und zu diesem
Zeitpunkt nähere Auskünfte zu geben.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008200

Für eine weitere Nachfrage hat die Kollegin

Dr. Brantner das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Soweit wir vernehmen konnten, will Frau Ministerin
Wanka diese Gruppen ausnehmen, weil sie befürchtet,
dass aus dem Gesetz eine Mussregelung für Schülerinnen
und Studentinnen werden könnte. Wir haben extra unser
Justiziariat gefragt. Es wurde eindeutig gesagt: Das war
im ursprünglichen Entwurf niemals ein Muss, sondern
eine Option. Daher die Frage an Sie: Werden Sie sich
als Familienministerium weiterhin dafür einsetzen, dass
Schülerinnen und Studentinnen Teil dieses neuen Gesetz-
entwurfs sein werden?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008300


Frau Staatssekretärin.

C
Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1816008400


Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Kollegin, ich den-
ke, die Haltung des Ministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zu dieser Thematik ist – wie auch
Ihren Ausführungen zu entnehmen ist – bekannt. Wir
werden unsere Haltung zu dieser Thematik entsprechend
unterfüttern. Wie gesagt, alles Weitere wird die Ressort-
abstimmung zeigen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008500

Vielen Dank. – Die Frage 2 der Kollegin Walter-

Rosenheimer wird schriftlich beantwortet. Damit können
wir den Geschäftsbereich dieses Ministeriums verlassen.

Für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Gesundheit liegt eine Frage, die Frage 3 der Kolle-
gin Kathrin Vogler, vor. Diese wird ebenfalls schriftlich
beantwortet.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Für die Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Norbert Barthle zur Verfügung.

Die Frage 4 des Kollegen Andrej Hunko wird schrift-
lich beantwortet.

Damit kommen wir zur Frage 5 des Kollegen Herbert
Behrens:

Mit welcher Begründung hat der Bundesminister für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, von der
EU-Kommission gefordert, dass es „‚ohne eine weitere Ver-
zögerung‘ zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes

(Focus vom 5. März 2016, „Dobrindt greift die EU an“)

ren Forderungen wurden seitens des Bundesverkehrsministers
an die EU-Kommission erhoben?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816008600


Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege Behrens,
die Infrastrukturabgabe ist mit dem Europarecht verein-
bar. Die Kfz-Steuer fällt eindeutig in die Zuständigkeit
der Mitgliedstaaten und liegt damit außerhalb der Kom-
petenz der Europäischen Kommission.

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008700

Herr Kollege Behrens, möchten Sie eine Nachfrage

stellen?


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816008800

Herr Präsident, es handelt sich dabei nicht im eigent-

lichen Sinne um eine Nachfrage, sondern nur um die
Bitte, meine Frage zu beantworten. Ich habe danach ge-
fragt, was für Verzögerungen beispielsweise vonseiten
der Europäischen Union kamen, weil Verkehrsminister
Dobrindt – zumindest laut einer Pressemitteilung vom
5. März – gesagt hat, dass die Europäische Kommission
ohne weitere Verzögerung zu einer Entscheidung kom-
men solle. Meine Frage war auch, welche Forderungen
beispielsweise seitens des Bundesverkehrsministeriums
an die Kommission gestellt worden sind, um diese Ver-
zögerung aufzulösen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816008900

Herr Staatssekretär.

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816009000


Herr Kollege Behrens, wir haben auf das Aufforde-
rungsschreiben der Kommission vom Juni des vergange-
nen Jahres fristgerecht geantwortet und damit die Kom-
mission zur Einstellung des Verfahrens aufgefordert. Die
Kommission hat uns daraufhin erneut mit Schreiben vom
11. Dezember 2015 gebeten, unsere Argumentation mit
einem ergänzenden Aufforderungsschreiben zu erwei-
tern. Wir haben das fristgerecht getan mit Datum vom
2. Februar. Damit hat die Bundesregierung alle Mahn-
schreiben der Europäischen Kommission entsprechend
fristgerecht beantwortet, ist auf die Vorwürfe eingegan-
gen und hat die Kommission auch zum zügigen Fortgang
des Verfahrens und zur Einstellung des Verfahrens auf-
gefordert.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816009100

Herr Kollege Behrens, hat das Ihre Nachfrage beant-

wortet?


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816009200

Damit wäre die ursprüngliche Frage beantwortet.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816009300

Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Dann haben Sie

dazu das Wort.


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816009400

Herr Staatssekretär, wenn es diese Nachfragen oder

Nachforderungen seitens der EU-Kommission gegeben
hat, können Sie etwas zu den Inhalten dieser Nachfor-
derungen sagen? Welche Fragen hatten Sie in Ihren ers-
ten Unterlagen noch nicht beantwortet, bei denen die
EU-Kommission darauf gedrängt hat, doch bitte schön
eine Position zu beziehen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816009500

Herr Staatssekretär.

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816009600


Herr Kollege Behrens, die Einwendungen der
EU-Kommission bezogen sich insbesondere auf die Fra-
ge der Rechtskompatibilität mit Europarecht, weil hier
Diskriminierung zugrunde gelegt wurde. Wir sind an-
derer Rechtsauffassung. Ich wiederhole: Nach unserer
Rechtsauffassung ist die Zuständigkeit des Mitgliedstaa-
tes für die Kfz-Steuer gegeben. Dies fällt nicht in die
Zuständigkeit der Kommission. Weil wir zwei Gesetze
gemacht haben, ein Infrastrukturabgabegesetz und ein
Kfz-Steuergesetz, sind wir der Auffassung, dass unsere
Gesetze europarechtskompatibel sind. Das haben wir in
unserer Antwort an die Frau Kommissarin ausführlich so
dargelegt.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816009700

Wir kommen dann zur Frage 6 des Kollegen Behrens:

Ist die Bundesregierung bisher allen Aufforderungen der
EU-Kommission zur Vorlage weiterer Informationen im Kon-
text des Vertragsverletzungsverfahrens zur Pkw-Maut nach-

(bitte unter Angabe der Informationsbegehren der EU-Kommission begründen)

sich dieses Vertragsverletzungsverfahren aktuell?

Herr Staatssekretär Barthle, Sie haben das Wort.

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816009800


Da habe ich eine kurze Antwort: Ja, und das Vertrags-
verletzungsverfahren befindet sich in der ersten Stufe.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816009900

Herr Kollege Behrens, Sie haben vermutlich noch eine

Nachfrage. Deswegen haben Sie das Wort.


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816010000

Danke schön. – Ich möchte den Zeitraum abschätzen

können. Es geht ja auch darum, dass in den entspre-
chenden Haushalten, also nicht nur im Haushalt 2016,
sondern möglicherweise auch in weiteren Haushalten,
Pkw-Maut einnahmen berücksichtigt würden. Insofern
interessiert mich, zu welchem Zeitpunkt damit zu rech-
nen ist, dass die Stufe 1 abgeschlossen ist, also die Posi-
tion der Bundesregierung noch einmal erläutert wurde.
Dieser Stufe folgen möglicherweise weitere Stufen, wenn
die Antwort, die Sie an die EU-Kommission gerichtet ha-
ben, nicht ausreicht. Können Sie mir einen Zeitraum nen-
nen, in dem diese Verfahren üblicherweise abgeschlossen
werden, wann möglicherweise, bei einem unbefriedigen-
den Verlauf, die nächste Stufe gestartet wird?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816010100

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.






(A) (C)



(B) (D)


N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816010200


Herr Kollege Behrens, einen konkreten Zeitraum
kann ich Ihnen da leider nicht nennen; denn es ist so,
dass für die Kommission im Unionsrecht keine Fristen
für die einzelnen Schritte eines Vertragsverletzungsver-
fahrens vorgesehen sind. Das heißt, die Kommission
entscheidet eigenständig über den weiteren zeitlichen
Fortgang innerhalb eines Vertragsverletzungsverfahrens.
Sie entscheidet auch eigenständig – das liegt im Ermes-
sen der Kommission –, welche Fristvorgaben seitens der
Mitgliedstaaten einzuhalten sind. Das gilt auch für die
Entscheidung, ob die Europäische Kommission vor den
Europäischen Gerichtshof zieht.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816010300

Herr Kollege Behrens, haben Sie noch eine weitere

Frage? – Dann haben Sie dazu das Wort.


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816010400

Wir wissen, dass nach ursprünglicher Planung zum

1. Januar 2016 die Pkw-Maut „scharf gestellt“ werden
sollte; das war der Wortlaut des Bundesverkehrsminis-
ters. Jetzt meine Frage: Halten Sie es für realistisch, dass
Ihre Pkw-Maut, die wir als Ausländermaut bezeichnen,
zum 1. Januar 2017 „scharf gestellt“ werden kann?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816010500

Herr Staatssekretär.

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816010600


Herr Kollege Behrens, ich glaube, Sie wissen so gut
wie ich, dass wir alle rechtlichen Hürden überwunden
haben – der Deutsche Bundestag hat die Infrastrukturab-
gabe beschlossen, der Bundesrat hat sie beschlossen, der
Bundespräsident hat den Gesetzentwurf unterzeichnet –;
nur die technische Umsetzung ist noch nicht erfolgt, weil
wir die technische Umsetzung dann vornehmen, wenn
wir Rechtssicherheit haben bezüglich der Europäischen
Kommission, wenn also entweder das Vertragsverlet-
zungsverfahren eingestellt wird oder ein entsprechendes
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, das unse-
re Rechtsauffassung bestätigt.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816010700

Der Kollege Kühn hat eine Frage. – Sie haben das

Wort, Herr Kollege.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Danke, Herr Präsident. – Danke, Herr Staatssekretär,
für die Möglichkeit, hier eine Frage zu stellen. Wie lange
wird die technische Umsetzung, die Sie gerade angespro-
chen haben, nach Schätzungen des Ministeriums dauern?

N
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1816010800


Herr Kollege Kühn, wir sind dabei, die notwendigen
Vorarbeiten zu erledigen. Das heißt, man muss die Aus-

schreibung vorbereiten, man muss all das vorbereiten,
was zur technischen Umsetzung notwendig ist. Da sind
wir mittendrin. In dem Augenblick, in dem wir Rechts-
sicherheit haben, können wir relativ schnell, innerhalb
weniger Monate – eine genaue Frist kann ich Ihnen nicht
nennen –, die technische Umsetzung vornehmen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816010900

Ich sehe keine weiteren Nachfragen zur Frage 6.

Die Frage 7 der Kollegin Sabine Leidig wird schrift-
lich beantwortet, ebenso die Fragen 8 und 9 des Kolle-
gen Stephan Kühn, die Frage 10 des Kollegen Matthias
Gastel und die Frage 11 des Kollegen Oliver Krischer.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Herrn Staatsse-
kretär Barthle. Damit haben wir diesen Geschäftsbereich
verlassen.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung steht der Herr
Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold zur Ver-
fügung.

Die Frage 12 des Kollegen Oliver Krischer wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 13 und 14 der
Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 15 der Kolle-
gin Bärbel Höhn.

Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Christian Kühn
auf:

Werden Produkte wie Polystyrol, Textilien, Polstermöbel,
Kunststoffe mit HBCD zukünftig als Sondermüll eingestuft
bzw. klassifiziert, und, wenn ja, ab wann?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816011000


Kollege Kühn hat gefragt, ob Produkte wie Polystyrol,
Textilien, Polstermöbel und Kunststoffe mit HBCD – das
ist ein Stoff, der dazu dient, dass die Brandgefahr geringer
ist – als Sondermüll eingestuft bzw. klassifiziert werden,
und, wenn ja, ab wann. Nach § 3 Absatz 1 der Abfall-
verzeichnis-Verordnung sind die Abfallarten im Abfall-
verzeichnis, deren Abfallschlüssel mit einem Sternchen
versehen ist, gefährlich im Sinne des § 48 des Kreislauf-
wirtschaftsgesetzes. Für Textilien und für Möbel sind
keine Einträge bei Abfällen vorgesehen. Bei einigen Ab-
fällen, für die sowohl ein nichtgefährlicher als auch ein
gefährlicher Abfallschlüssel gelistet ist, kommt es darauf
an, ob ein bestimmter Grenzwert überschritten wird. Das
ist zum Beispiel bei polystyrolhaltigem Dämmmaterial
oder Kunststoffen je nach Herkunftsbereich der Fall.

Der Grenzwert für HBCD in Anhang IV der Verord-
nung der Europäischen Union 850/2004, mit dem das
Ziel verfolgt wird, HBCD aus dem Wertstoffkreislauf
auszuschließen, wird voraussichtlich ab Herbst 2016
rechtswirksam sein.






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816011100

Herr Kollege Kühn, haben Sie eine Nachfrage dazu?

Dann haben Sie das Wort.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Ja, habe ich, Herr Präsident. – Herr Pronold, HBCD
wird ja, wie Sie gerade dargestellt haben, in Deutsch-
land als Sondermüll eingestuft, und zwar dann, wenn es
in der Fassadendämmung genutzt wurde. Seit wann ist
der Bundesregierung bekannt, dass dieser Stoff HBCD
in die PBT-Stoffe einzusortieren ist, also die Stoffe, die
krebserregend sind, die als Sondermüll zu klassifizieren
sind? Warum wurde in der Vergangenheit die weitere
Verwendung dieser Stoffe empfohlen, zum Beispiel über
die KfW und andere, durch die die Verwendung gefördert
worden ist?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816011200

Herr Staatssekretär.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816011300


Der erste Punkt ist, dass wir es bei der Frage der Däm-
mung bisher immer den Bauherren überlassen haben,
welche Stoffe sie einsetzen, und dass wir das nicht be-
wertet haben.

Der zweite Punkt ist, dass nach jetzigem Kenntnis-
stand – auch nach intensiven Untersuchungen des Um-
weltbundesamtes – keine Gesundheitsgefährdung vom
Einsatz dieser Stoffe, zum Beispiel auch in Dämmplatten,
für die Bewohner von Wohnungen oder Häusern ausgeht.

Der dritte Punkt ist, dass wir EU-weit eine Verord-
nung haben, die, wie ich vorhin schon gesagt habe, das
Ziel verfolgt, dass wir diesen Stoff ab einer bestimmten
Konzentration aus dem Wertstoffkreislauf ausschließen
und als Sondermüll behandeln. Bisher war es so, dass
diese Dämmplatten recycelt worden sind, auch wenn
sie einen erhöhten Konzentrationswert hatten. Im Zuge
dieses Entscheidungsprozesses, der auf der EU-Ebene
begann, wurde diese Verordnung auf Wunsch des Bun-
desrates auch bei uns zügig umgesetzt; unsere nationale
Verordnung ist unterschrieben und tritt im Herbst 2016
in Kraft.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816011400

Herr Kollege Kühn, möchten Sie noch eine weitere

Frage stellen?

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Ja. – Es geht ja dann darum, wie man weiter sicher-
stellen kann, dass in Zukunft, wenn gedämmt wird, wenn
energetisch modernisiert wird, möglichst Stoffe einge-
setzt werden, die keine fatalen Folgewirkungen haben,
die recycelbar sind, die weiter im Wertstoffkreislauf sein
können, die wenig graue Energie haben, die möglichst
aus nachwachsenden Rohstoffen sind. Ich frage deswe-

gen, weil Sie ja im Bauministerium sind und es auch dort
die Frage gibt, wie man nachhaltiges Bauen schafft. Es
ist ja gleichzeitig das Umweltministerium. Plant die Bun-
desregierung aufgrund der Erfahrungen in der Vergan-
genheit mit dem Dämmen, in Zukunft Förderkriterien zu
schaffen oder Förderprogramme aufzulegen, die gezielt
auf nachwachsende Rohstoffe setzen und damit auch den
Einsatz nachwachsender Rohstoffe beim Bauen, Sanie-
ren und Dämmen fördern?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816011500


Meine Ministerin hat sich bereits vor über anderthalb
Jahren an die KfW gewandt, um auch in der Frage der
Förderkriterien auf diese Problematik, über die wir hier
diskutieren, aufmerksam zu machen. Es gibt – das sage
ich aus dem Gedächtnis heraus, nicht aus meiner Vorbe-
reitung – im Etat des Landwirtschaftsministeriums einen
Fördertatbestand für nachwachsende Rohstoffe in der
Dämmung. Auch wir unterstützen das in vielfältigen For-
schungsvorhaben. Ich bin mir relativ sicher – das zeigen
übrigens auch die ersten Reaktionen aus der Wohnungs-
wirtschaft –, dass die Klassifizierung von mit HBCD
behandelten Dämmplatten als Sondermüll dazu führen
wird, dass auch die Beteiligten in der Wirtschaft diese
Dinge nicht mehr in dem Umfang einsetzen werden, wie
sie das bisher machen, selbst wenn sie preislich ein Stück
weit günstiger sind.

Ich gebe Ihnen recht, dass es eine ganze Menge Alter-
nativen gibt. Das Problem ist, dass bisher alle preislich
etwas höher liegen als diese Materialien. Unser Ziel ist
es, auch insgesamt nachhaltig zu wirtschaften. Der Bund
geht, was den eigenen Gebäudebestand betrifft, positiv
damit um, indem er ein sehr umfassendes Zertifizie-
rungslabel anwendet, das insbesondere die nachhaltige
Verwendung von Baustoffen sehr deutlich ausweist und
zum Nachahmen anregt.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816011600

Damit kommen wir zur Frage 17 des Kollegen

Christian Kühn. Diese Frage wird nach Anlage 4 unserer
Geschäftsordnung – dort Nummer 2 Absatz 2 – ebenfalls
schriftlich beantwortet. Dahinter verbirgt sich, dass der
Inhalt dieser Frage einen Tagesordnungspunkt betrifft,
den wir diese Woche debattieren. Deshalb erfolgt eine
schriftliche Beantwortung.

Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Hubertus
Zdebel:

Wie sieht angesichts der jüngst bekanntgewordenen Vor-
gänge um die Ablagerung und den Transport von gefährlichen
Bohrschlämmen der niedersächsischen Erdöl- und Erdgas-

(vergleiche www.ndr.de/ nachrichten/niedersachsen/Bohrschlamm-Entsorgung-Niedersachsen,bohrschlamm140.html)

gungsstrategie der Bundesregierung aus, und welche Schritte
wird die Bundesregierung ergreifen, um die Probleme bei der
Beseitigung der Bohrschlämme zu lösen und den Giftmülltou-
rismus zu beenden?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Bohrschlamm-Entsorgung-Niedersachsen,bohrschlamm140.html
http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Bohrschlamm-Entsorgung-Niedersachsen,bohrschlamm140.html
http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Bohrschlamm-Entsorgung-Niedersachsen,bohrschlamm140.html





(A) (C)



(B) (D)


Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816011700


Die Antwort der Bundesregierung auf Ihre Frage lau-
tet, dass der Vollzug des Abfallrechts ausschließlich der
Länderkompetenz unterliegt. Das gilt auch für die hier in
Rede stehende Entsorgung von Bohrschlämmen.

Ebenso ist es die alleinige Aufgabe der Länder, im
Rahmen der Abfallwirtschaftsplanung für ausreichende
Entsorgungsanlagen zu sorgen, um eine gemeinwohlver-
trägliche Beseitigung zu gewährleisten. Die im länder-
übergreifenden Verbund stattfindende Entsorgung von
gefährlichen Abfällen – wie bei der Entsorgung von Bohr-
schlämmen – ist üblich. Sie ermöglicht eine ordnungsge-
mäße Entsorgung dieser Abfälle in dafür spezialisierten
Anlagen. Nach den Informationen der Bundesregierung
ist es so, dass sie im Einklang mit den abfallrechtlichen
Vorgaben steht.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816011800

Herr Kollege Zdebel, ich vermute, Sie haben eine wei-

tere Nachfrage. – Dann haben Sie das Wort.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816011900

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Pronold, das Pro-

blem mit den Bohrschlämmen aus der Erdöl- und Erdgas-
industrie in Niedersachsen ist natürlich dramatisch. Sie
wissen ja, dass Niedersachsen keine eigenen Deponien
mehr vorhalten kann und es deswegen auch zu einem
Export, sozusagen zu einem Giftmülltourismus quer
durch die Republik, gekommen ist, unter anderem nach
Nordrhein-Westfalen. Vor diesem Hintergrund würde ich
sagen: Es mag ja sein, dass das alles legal ist. Nichtsdes-
totrotz habe ich Sie nach einer bundesweiten Strategie
gefragt. Wenn es länderübergreifend quasi eine Art Gift-
mülltourismus gibt, ist es nicht ausreichend, darauf hin-
zuweisen, dass das eine Länderangelegenheit ist, sondern
ich glaube, dass dort auch die Bundespolitik gefordert ist.

Eine konkrete Nachfrage stellt sich trotz alledem, zu-
mindest für mich, und zwar zu den Sanierungsplänen.
Hat es bezüglich dieser Bohrschlammgruben Sanierungs-
pläne gemäß § 13 Absatz 1 des Bundes-Bodenschutzge-
setzes gegeben, sind also tatsächlich Sanierungspläne
erstellt worden, bzw. in welchen Fällen ist es möglicher-
weise zu Unterlassungen gekommen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816012000

Herr Staatssekretär.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816012100


Herr Zdebel, ich würde Ihnen auf diese Frage gerne
detailliert schriftlich antworten. Mir ist aus vergangener
Zeit – nicht aber aufgrund meiner Vorbereitung – nur im
Gedächtnis, dass natürlich bei verschiedensten Deponien
in unterschiedlichen Ländern Sanierungen stattgefunden
haben. Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist das übrigens
auch ein Grund dafür, dass es keine Möglichkeiten mehr
gibt, die Deponierung in Niedersachsen vorzunehmen.

Ich werde erfragen, ob wir Kenntnisse haben, wie das
in den einzelnen Bundesländern ist, und werde Ihnen die
Antwort schriftlich geben.

Darüber hinaus will ich darauf hinweisen, dass zumin-
dest nach unserem Kenntnisstand eine Verbringung von
Bohrschlamm aus Niedersachsen in zwei andere Bundes-
länder stattfindet, und zwar in dafür geeignete Deponien,
die auch werkseigen sind. Das heißt also, es findet eine
Verbringung in andere Bundesländer statt.

Wichtig ist aber, dass diese Abfälle sach- und fachge-
recht entsorgt bzw. deponiert werden. Sowohl den Trans-
port als auch die Deponierung müssen die Länder – so ist
es nun einmal – gewährleisten.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816012200

Herr Kollege Zdebel, genügt Ihnen diese Antwort?


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816012300

Ich habe noch eine weitere Nachfrage.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816012400

Jawohl. Dann haben Sie das Wort.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816012500

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Pronold, ich habe

noch eine weitere Nachfrage, weil das in der Öffentlich-
keit jetzt auch eine Rolle spielt.

Sie wissen, dass diese Bohrschlämme anfallen, wenn
nach Erdgas bzw. Erdöl gebohrt wird, und hier stellt sich
natürlich automatisch die Frage, was eigentlich mit Fra-
cking ist.

Wir alle wissen, dass die Bundesregierung hier in
erster Lesung den Entwurf eines – ich nenne es einmal
so – Fracking-Erlaubnisgesetzes eingebracht hat, das seit
einem Jahr quasi erst einmal auf Halde liegt und hier im
Plenum nicht weiter behandelt worden ist. Wenn jetzt
aber ein Fracking-Erlaubnisgesetz in Kraft treten sollte,
von dem circa zwei Drittel der Fläche der Bundesrepu-
blik betroffen wären: Mit welchen Mengen an Bohr-
schlämmen rechnen Sie dann, und wie stellt sich vor die-
sem Hintergrund die Entsorgungsproblematik dar?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816012600

Herr Staatssekretär.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816012700


Herr Zdebel, ich komme, wie Sie sich vorstellen kön-
nen, zu einer völlig anderen Bewertung als die, die Sie in
Ihre Frage eingekleidet haben.

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorge-
legt, der den bisherigen Rechtszustand beseitigt, wonach
beim Thema Fracking keine Umweltverträglichkeitsprü-
fung vorgesehen war und es auch keine anderen Handha-
bungen gab, wenn eine Fracking-Aufsuchungserlaubnis
beantragt worden ist. Dieser Gesetzentwurf, mit dem
zum Beispiel auch die Sorgen um den Schutz des Was-






(A) (C)



(B) (D)


sers oder die Gesundheit von Menschen ernst genommen
werden, wird im Bundestag demnächst sicher abschlie-
ßend beraten werden. Wir haben damit eine der härtesten
Regulierungen vorgelegt, die es in Europa dazu gibt.

Weil die wirtschaftliche Nutzung von Fracking darin
überhaupt nicht vorgesehen ist und es nur um Probe-
bohrungen zur wirtschaftlichen Erprobung dieser Dinge
geht, ist dort nicht von größeren Mengen Bohrschlamm
auszugehen. Bis zum heutigen Tage ist auch noch nicht
entschieden, in welchem Umfang es solche wissenschaft-
lichen Probebohrungen überhaupt geben wird.

Wir haben auch noch keinerlei Mutmaßungen darüber
angestellt, welche Mengen Bohrschlamm bei einer wirt-
schaftlichen Nutzung der Fracking-Technologie möglich
wären, weil es das Ziel unseres Gesetzentwurfes ist, dass
genau dies nicht stattfindet.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816012800

Herr Kollege Behrens, Sie haben eine weitere Nach-

frage.


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816012900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Kollege Pronold, Herr

Staatssekretär, ich komme aus Niedersachsen, und zwar
aus der Region Rotenburg und Verden, wo es die Zwi-
schenfälle mit Fracking gegeben hat. Die entsprechenden
Schlämme und die späteren Flüssigkeiten sind hier sehr
wichtig.

Eine der vielen Fragen, die auch in Ihrer Fraktion
ständig diskutiert werden, lautet: Gibt es Möglichkeiten,
diese Abfallprodukte zu behandeln und letztendlich so zu
entsorgen, dass sie für die Umwelt und für die Menschen
ungefährlich sind? Können Sie mir sagen, welche Maß-
nahmen es dafür schon gibt, inwieweit bundesweit ent-
sprechende Anlagen installiert sind und welche Mengen
dort vor- und nachbehandelt werden können?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816013000

Herr Staatssekretär.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1816013100


Bei aller Liebe zu Ihren Fragen, glaube ich, dass Sie
Ihr Fragerecht an dieser Stelle ein bisschen überdehnen,
weil Fracking nicht Gegenstand der Frage insgesamt ist.

Ich will trotzdem zunächst einmal darauf hinweisen,
dass in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung steht,
dass beim Fracking zukünftig allenfalls nur leicht was-
sergefährdende Stoffe eingesetzt werden dürfen. Dane-
ben reden wir über die Frage, was hier insgesamt heraus-
kommt und wie man das wieder entsorgen kann.

Theoretisch besteht zum Beispiel die Möglichkeit,
eine höhere Salzbelastung des dortigen Lagerstättenwas-
sers mit hohem Energieaufwand wieder zu beseitigen. Es
gibt aber niemanden – auch nicht vonseiten der Umwel-
texperten –, der eine solche Behandlung fordert. Dies gilt
vor allem dann, wenn das in sichere Regionen zurückge-

presst wird, in denen sich Wasser befindet, welches auch
eine höhere Salzbelastung aufweist. Deswegen ist nach
meinem Kenntnisstand beim Fracking bisher eine Rei-
nigung, die zum Beispiel den Salzgehalt verändert, nicht
verpflichtend vorgesehen. Sie wird so wohl nicht prakti-
ziert. Sehr wohl unterfällt das aber, wenn toxikologische
Belastungen von Bohrschlämmen vorhanden sind, nach
meinem Kenntnisstand den abfallrechtlichen Vorschrif-
ten und ist dann natürlich anders zu behandeln.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816013200

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Damit verlas-

sen wir diesen Geschäftsbereich. – Herr Staatssekretär
Pronold, vielen Dank.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Für die Beantwortung der diesbezüglichen
Fragen begrüße ich Herrn Parlamentarischen Staatsse-
kretär Hans-Joachim Fuchtel.

Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Uwe Kekeritz
werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Niema
Movassat auf:

Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Be-
richt „Glass Half Full: The State of Accountability in Develop-

(http://bankwatch.org/sites/default/files/glasshalf-full.pdf, Seiten 124, 125)

Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH) Verbesse-
rungen bei ihrem Beschwerdemechanismus hinsichtlich Legi-
timität (legitimacy), Zugang (accessibility), Vorhersehbarkeit

(predictability), gleichberechtigtem Zugang (equitability),

Transparenz (transparency), Übereinstimmung mit Menschen-
rechten (rights compatibility) sowie fortlaufende Anpassung
an gemachte Erfahrungen (lessons learned) empfiehlt (bitte
um Erläuterung, inwiefern die Bundesregierung die Notwen-
digkeit zur Verbesserung bei den einzelnen Punkten sieht und
vorantreiben wird), und wird sie sich dafür einsetzen, dass die
DEG sich ebenso wie die niederländische Entwicklungsbank
FMO, mit der die DEG den Beschwerdemechanismus einge-
richtet hat, dazu verpflichtet, die OECD Guidelines for Multi-
national Enterprises bei ihren Finanzierungen anzuwenden, in
denen Menschenrechtsstandards stärker verankert sind als bei
den IFC-Richtlinien?

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt die Möglichkeit,
die Frage des Kollegen Movassat zu beantworten.

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1816013300


Das BMZ sieht in Sachen Beschwerdemechanismus
die DEG – an die Zuschauer gewandt, sage ich, dass es
sich bei der DEG nicht um eine deutsche Eisenbahn-
gesellschaft, sondern um eine große Tochter der KfW
handelt, die den Privatsektor bearbeitet – und auch das
Institut, nach dem gefragt wurde, nämlich die holländi-
sche FMO, auf einem sehr guten Weg. Bis jetzt wurden
solche Beschwerdemechanismen ausschließlich bei mul-
tilateralen Banken zur Anwendung gebracht. Hier wird
nun erstmals auf der Welt – soweit wir das überhaupt re-
cherchieren konnten – dieser Beschwerdemechanismus
in bilateralen Funktionen bei Institutionen eingesetzt, die
im Zusammenhang mit Entwicklungszusammenarbeit
Finanzierungen vornehmen.

Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1816013400
//bankwatch.org/sites/default/files/glass-half-full.pdf
http://bankwatch.org/sites/default/files/glass-half-full.pdf





(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816013500

Herr Kollege Movassat, haben Sie eine weitere Frage?


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816013600

Ja, habe ich. Danke, Herr Präsident. – Herr Staats-

sekretär, ich erhalte von der Bundesregierung immer
wieder die Antwort, dass die DEG ganz tolle Umwelt-,
Sozial- und Menschenrechtsstandards hat. Das will ich
auch gerne glauben, Herr Staatssekretär. Das Problem
aber ist, dass alle Prüfberichte nicht öffentlich sind. Das
heißt, wir haben keinen Zugang, um herauszufinden, ob
das, was Sie sagen oder die DEG sagt, auch der Wahrheit
entspricht.

Sie wissen ja: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser,
Herr Staatssekretär. Daher lautet meine Frage, ob die
Bundesregierung auch angesichts der Tatsache, dass es
immer wieder in gehäuftem Maße Berichte darüber gibt,
dass DEG-Projekte fragwürdige Finanzierungen beinhal-
ten, gedenkt, die Prüfberichte öffentlich oder einer be-
stimmten eingeschränkten Öffentlichkeit zugänglich zu
machen. Das könnte zum Beispiel ein parlamentarischer
Beirat der DEG sein. Oder es könnte irgendeine andere
Art von Offenlegung der Umwelt- und Sozialrisikoprü-
fungen geben.

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1816013700


Lieber Kollege, wir sind da viel weiter, als Sie ver-
muten. Hier würde ein Blick ins Internet auch bei Ihnen
die Erkenntnis noch etwas erweitern. Es gab eine Petition
von FIAN und anderen. Hierzu hat der Deutsche Bundes-
tag höchst öffentlich und mit Mehrheit festgestellt, dass
die Maßnahmen der Transparenz in sehr guter Weise re-
alisiert wurden; denn genau das war Gegenstand dieser
Petition. Wenigstens Ihren Kollegen sollten Sie glauben,
wenn Sie uns schon nicht glauben.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816013800

Herr Kollege Movassat, sind die Fragen ausreichend

beantwortet? Oder haben Sie noch eine Nachfrage?


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816013900

Herr Präsident, ich habe noch eine Nachfrage. – Herr

Staatssekretär, das ändert ja nichts an der Problematik,
dass die Prüfberichte nicht zugänglich sind. Das ist ja das
Problem. Zum Beispiel gibt es immer wieder Berichte,
dass die DEG bei Finanzierungen involviert ist, bei de-
nen es zu Land Grabbing – zu sogenanntem Landraub –
gekommen ist. Was das anbelangt, so hat die Bundesre-
gierung auch die sogenannten freiwilligen Leitlinien zu
Landnutzungsrechten der FAO aus 2012 mit unterstützt.
Sie wurden verabschiedet. Das Problem besteht darin,
dass bis heute die KfW und auch die DEG nicht auf diese
freiwilligen Leitlinien verpflichtet sind, obwohl die Bun-
desregierung diese die ganze Zeit über gepusht bzw. nach
vorne gestellt hat.

Immer wenn ich danach frage – vielleicht werden Sie
mir auch dieses Mal wieder das Gleiche wie seit zwei
Jahren sagen –, höre ich die Antwort: Das Institut für

Menschenrechte soll schauen, wie man diese Leitlinien
in der KfW bzw. in der DEG umsetzen kann. – Ich finde,
zwei Jahre für eine Prüfung von Leitlinien, die Sie un-
terstützt haben, sind sehr lange. Deshalb ist meine ganz
konkrete Frage: Gibt es einen Zeitplan, wann Sie diese
Leitlinien endlich umsetzen?

Ich will Ihnen sagen: Es ist schwierig, private Unter-
nehmen dafür zu gewinnen, die freiwilligen Leitlinien
für Landnutzungsrechte umzusetzen, wenn sie noch nicht
einmal in den eigenen, hundertprozentig staatlichen Un-
ternehmen umgesetzt werden.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816014000

Herr Staatssekretär.

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1816014100


Wir haben mit diesem Beschwerdemechanismus ein
erstes Verfahren durchgeführt. Dabei ging es um die in-
digenen Völker in Panama und um die Berücksichtigung
von deren Interessen. Es hat sich gezeigt, dass deren In-
teressen gerechtfertigt sind. Es wurde im Rahmen der
Möglichkeiten untersucht. Das gesamte Verfahren wurde
höchst transparent durchgeführt. Solche Fragen werden
jetzt in dieser Petition an den Deutschen Bundestag be-
stätigt.

Was Sie aber wollen, ist etwas anderes. Sie möchten
gerne bei privaten Finanzierungen Transparenz, die so
weit gehen soll, dass bis unter die Haut geschaut wer-
den darf, was aber aufgrund des Bankgeheimnisses nicht
möglich ist.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Es geht um Menschenrechte, Herr Staatssekretär!)


Ich gebe zu bedenken, dass Sie vielleicht einer Partei an-
gehören, die darüber länger nachdenken muss als die Par-
tei, der ich angehöre. Aber das Bankgeheimnis gilt na-
türlich auch bei solchen Engagements und muss gewahrt
werden. Hier stößt auch Transparenz an ihre Grenzen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816014200

Frau Kollegin Hänsel, Sie haben das Wort für eine Zu-

satzfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816014300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich

glaube, dass das Bankgeheimnis – darin sind wir uns ei-
nig – natürlich nur vorgeschoben ist. Das haben wir auch
in der ganzen Diskussion um Steuerhinterziehung erlebt.
Aber irgendwann hat auch die CDU erkannt, dass sie ihre
Klientel nicht uneingeschränkt schützen kann.

Ich habe eine konkrete Nachfrage. Die Frage meines
Kollegen bezog sich auf einen Bericht über ein DEG-fi-
nanziertes Staudammprojekt in Panama, wo entgegen
verfassungsrechtlichen Bestimmungen die indigenen
Gemeinden vor dem Beginn der Planungen für dieses
Projekt eben nicht umfassend informiert, konsultiert und
einbezogen wurden, was ihr Recht ist. Mit diesem Pro-






(A) (C)



(B) (D)


jekt aber droht ihnen die Existenzgrundlage entzogen zu
werden.

Jetzt wurden die indigenen Gemeinden gefragt: Was
hat sich denn nun nach der Einführung des Beschwer-
deverfahrens bei der DEG geändert? Sie haben einhellig
geantwortet: Nichts hat sich geändert. – Von daher frage
ich: Wie effektiv ist ein Beschwerdeverfahren, wenn sich
für die Betroffenen nichts ändert? Was wollen Sie in dem
konkreten Fall unternehmen, damit dieses Staudamm-
projekt nicht mithilfe der DEG auf Kosten der indigenen
Gemeinden in Panama durchgesetzt wird, sondern dass
deren indigene Rechte geschützt werden und in Einklang
mit der Rechtslage stehen?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816014400

Herr Staatssekretär, jetzt bitte ich Sie, die Frage der

Kollegin Hänsel zu beantworten.

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1816014500


Sie haben die Frage suggestiv gestellt. Deswegen habe
ich zwei Möglichkeiten, Ihnen zu antworten. Zunächst
einmal erkläre ich das System. Wenn Sie mir dann eine
Zusatzfrage stellen, kann ich gerne auch etwas zu dem
ganz konkreten Fall sagen.

Wie also geht ein solches Verfahren vor sich? Zu-
nächst einmal wird durch ein unabhängiges Experten-
gremium geprüft, ob eine individuelle Betroffenheit des
Beschwerdeführers vorliegt. Dann wird der Sachverhalt
geprüft. Die Entscheidungen in Konsultation mit der
Beschwerdeführung und den geförderten Unternehmen
werden dann vorbereitet. Dazu gibt es zunächst einmal
eine Mediation, um eine einvernehmliche Lösung her-
zustellen, oder es wird geprüft, ob die Richtlinien, Vor-
gaben und Standards beachtet wurden, „Compliance Re-
view“ genannt. Am Ende erscheint ein Abschlussbericht
des Panels, der in die Jahresberichte zum Mechanismus
einfließt. Das ganze Verfahren ist öffentlich.

Ich weiß nicht, wo in diesem Verfahren Lücken sind.
Sie sollten dieses Verfahren in der Praxis anhand der
Mechanismen nachvollziehen. Sie sollten versuchen,
solche Finanzierungen nicht durch Überforderungen zu
behindern. Auf der Welt brauchen wir nämlich mehr sol-
cher Finanzierungen und nicht weniger. Derzeit kommen
weltweit 15 Prozent der Wertzuflüsse aus dem öffent-
lichen Sektor und 85 Prozent aus dem privaten Sektor.
Wenn wir diese alle ausschließen und alles so kompli-
ziert machen, dann werden wir die Entwicklungspolitik
schwächen, statt sie zu stärken. Wir brauchen aber ihre
Stärkung. Das zeigt sich jeden Tag beim Fernsehen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816014600

Herr Kollege Zdebel, Sie haben eine weitere Nachfra-

ge.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816014700

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

Sie haben eigentlich die Frage überhaupt nicht beant-

wortet. Es geht um die indigenen Gemeinden in Panama
und darum, wie es ihnen damit geht. Deswegen frage ich
noch einmal ganz konkret nach und bitte Sie darum, die
Frage, wie die Lage der indigenen Gemeinden in Panama
aussieht, ganz konkret zu beantworten.

Ha
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1816014800


Das tue ich gerne. Danke, dass Sie mir die Chance
dazu geben. Es ging um das Vorhaben Barro Blanco,
ein Wasserkraftwerk in Panama mit einer Kapazität von
29 Megawatt, das von einer Firma getragen und von der
DEG, der FMO und einer zentralamerikanischen Bank
gemeinsam finanziert wurde.

Man muss auch wissen, dass 2,6 Prozent der Stausee-
fläche sich in einem erweiterten indigenen Territorium
befunden haben. Die Indigenen kritisieren die Unwirk-
samkeit der Zustimmung zur Landnutzung gegenüber
der Regierung und fordern den Stopp des zu 98 Prozent
fertiggestellten Vorhabens. Sie haben sich dann bei FMO
und DEG beschwert und das Panel gebeten, zu prüfen,
ob die Darlehensgeber bei der Einstufung, Prüfung und
Überwachung des Vorhabens im Einklang mit den zum
Zeitpunkt der Finanzierung geltenden Umwelt- und So-
zialrichtlinien agieren.

Das Panel kommt zu dem Ergebnis, dass DEG und
FMO zum Zeitpunkt der Kreditentscheidung keine hin-
reichenden Informationen über die Umwelt- und Sozi-
alrisiken vorlagen und dass sie damit den Landkonflikt
nicht ausreichend erkennen konnten und seine Bedeu-
tung unterschätzt haben. Das Panel empfiehlt, Kreditent-
scheidungen zukünftig erst nach Vorliegen hinreichender
Informationen über die Umwelt- und Sozialrisiken zu
treffen und insbesondere rechtliche Aspekte sowie die
Partizipation betroffener Personen vorab zu prüfen. Ge-
nau so wird künftig verfahren. Das sind lernende Syste-
me, meine Damen und Herren.

Ich habe zu Beginn gesagt, dass es weltweit das erste
Mal ist, dass man sich – nach unserer Meinung zu Recht –
auf diesen Weg begibt. Es bedarf natürlich noch weiterer
Lernfähigkeit des Systems. Aber wir können nicht sagen,
dass zu 100 Prozent Territorium der Indigenen betroffen
sind. Ich habe die Prozentzahlen genannt.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Indigene! Die leben dort! Die wurden vertrieben, und die Gebiete werden überflutet! Das ist das Problem!)


– Die leben dort; das ist richtig. Aber es geht um eine
Wasserfläche von 2,6 Prozent, meine Damen und Herren.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816014900

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Fuchtel. – Damit

können wir diesen Geschäftsbereich verlassen.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Frau Kollegin Iris Gleicke zur Verfügung.

Heike Hänsel






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen zur Frage 22 des Kollegen Hubertus
Zdebel:

Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher er-
griffen und welche Schritte wird sie zukünftig ergreifen, um
sicherzustellen, dass die Erdgas- und Erdölindustrie voll und
ganz für die Sanierungskosten der von ihr verursachten Schä-
den aufkommt?

Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1816015000


Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Zdebel,
hinsichtlich der Ersatzpflicht für Sanierungskosten für
Schäden der Erdgas- und Erdölindustrie sind drei Aspek-
te zu beachten.

Erstens. Die juristische Pflicht zur Übernahme der Sa-
nierung bzw. der Sanierungskosten ergibt sich aus dem
geltenden Recht. Demnach ist die Erdgas- und Erdölin-
dustrie ebenso wie auch alle anderen Industriezweige
oder Verursacher sowohl nach dem öffentlichen Recht
als auch nach Zivilrecht für die Sanierung von ihr verur-
sachter Schäden bzw. die Erstattung der dadurch entstan-
denen Kosten verantwortlich.

Speziell für schädliche Bodenveränderungen und Alt-
lasten sieht das Bundes-Bodenschutzgesetz die Pflicht
des Verursachers und gegebenenfalls seines Gesamt-
rechtsnachfolgers vor, Sanierungen durchzuführen. Der
zur Durchführung der Sanierung Verpflichtete hat nach
§ 24 Absatz 1 Bundes-Bodenschutzgesetz die Sanie-
rungskosten zu tragen.

Zweitens. Die praktisch wichtige Frage ist darüber
hinaus, ob der jeweilige Schaden einem Unternehmen
nachgewiesen werden kann. Hierbei handelt es sich um
eine Beweisfrage. Falls aufgrund konkreter Anhalts-
punkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bo-
denveränderung oder einer Altlast besteht, kann die zu-
ständige Behörde nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz
anordnen, dass die verantwortlichen Personen die not-
wendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung
durchzuführen haben.

Drittens kann sich die Frage stellen, ob ein festge-
stellter Verursacher wirtschaftlich in der Lage ist, seine
Pflichten zur Erstattung der Sanierungskosten zu erfül-
len. Um dies zu gewährleisten, kann die Bergbehörde
präventiv eine Sicherheitsleistung nach § 56 Absatz 2 des
Bundesberggesetzes von dem Unternehmer verlangen.
Dadurch soll verhindert werden, dass im Fall mangelnder
Leistungsfähigkeit des Unternehmers die Allgemeinheit
die Kosten einer Ersatzvornahme zu tragen hat. Die Höhe
der Sicherheitsleistung kann die Behörde in Ausübung
ihres Ermessens festlegen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816015100

Kollege Zdebel, Sie haben das Wort zu Ihrer ersten

Nachfrage.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816015200

Danke schön, Herr Präsident. – Wir erleben im Mo-

ment, wie es um das Verursacherprinzip bzw. das Auf-

kommen für Schäden bestellt ist. Gerade im Atombereich
waren die Konzerne starke Hirsche, wenn es darum ging,
ihre Profite zu maximieren. Sie werden aber zu scheuen
Rehen, wenn es darum geht, für die Kosten der Entsor-
gung und der Endlagerung des Atommülls aufzukom-
men. Wahrscheinlich stellt sich genau dasselbe Problem
bei der Erdöl- und Erdgasindustrie. Es ist sicherlich kei-
ne falsche Vermutung, dass etliche dieser Unternehmen,
insbesondere die kleinen und vielleicht auch unterkapi-
talisierten Firmen, gar nicht mehr auf dem Markt sind.
Dann stellt sich die Frage, wie sich das Verursacherprin-
zip durchhalten lässt.

Vor diesem Hintergrund haben wir schon vor längerer
Zeit insbesondere in der Atompolitik die Forderung auf-
gestellt, einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu schaffen,
um über das, was Sie vertreten, und das Bergrecht hinaus
sicherzustellen, dass Unternehmen in gebührender Form
für die Sanierung der von ihnen verursachten Schäden
aufkommen. Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang
zu der Forderung nach Einrichtung eines öffentlich-recht-
lichen Fonds?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816015300

Frau Staatssekretärin.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1816015400


Die Bundesregierung hat, was die Atommüllentsor-
gung angeht, die notwendigen Vorkehrungen getroffen.
Im Rahmen dieser Fragestunde habe ich dazu nicht mehr
zu sagen.

Ich will Ihnen aber gerne noch ausführlicher Aus-
kunft geben, weil ich das Gefühl habe, dass hier etwas
durcheinandergeht. Sie haben als Hintergrund Ihrer Fra-
ge erläutert, dass es in Niedersachsen eine ganze Reihe
von Untersuchungen sogenannter Schlammgruben gibt.
Die niedersächsische Regierung hat gesagt: Wir müssen
das aufarbeiten. – Diese Schlammgruben sind zwischen
Mitte des 19. Jahrhunderts und den 1960er-Jahren ent-
standen. Das heißt, dass nicht mehr nach dem Bergrecht
verfahren werden kann. Wenn heutzutage beispielsweise
eine Genehmigung für Fracking erteilt wird, dann fällt
das in das Bergrecht. Dann werden die Maßnahmen nach
dem Bergrecht abgearbeitet, und zwar bis zum letzten
Betriebsplan. Bei den in Rede stehenden alten Verdachts-
fällen handelt es sich um Grabungs- und Bohrrückstände
aus der Erdgas- und Erdölförderung, die bei jeder Tief-
bohrung entstanden sind, wenn sie nicht sofort verwen-
det wurden. Seit den 60er-Jahren haben die Unternehmen
den Bohrschlamm von Bohrstellen in Zentraldeponien
entsorgt. Bereits seit einigen Jahren dürfen Bohrschläm-
me nicht mehr in Gruben neben Bohrstellen entsorgt
werden, sondern müssen nach dem Kreislaufwirtschafts-
recht außerhalb des Bergbaugebiets entsorgt werden. In
diesem Zusammenhang verweise ich auf die Antwort
des Kollegen Pronold betreffend des vorhin in Rede ste-
henden Sachverhalts. Insofern geht es nun darum, eine
Altlastensanierung und eine Risikoüberprüfung vorzu-
nehmen. Das macht die niedersächsische Landesregie-
rung zusammen mit dem Wirtschaftsverband Erdöl- und
Erdgasgewinnung, WEG. Wie Sie wissen, gibt es einen

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


entsprechenden Vertrag. Die Industrie trägt die Kosten zu
80 Prozent.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816015500

Herr Kollege Zdebel, haben Sie eine zweite Nachfra-

ge? – Bitte.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816015600

Danke schön, Herr Präsident. – Frau Parlamentarische

Staatssekretärin Gleicke, der Vorgang ist mir natürlich
bekannt. Ich weiß auch, dass es eine Vereinbarung mit
der WEG gibt, die Sie gerade angesprochen haben. Da
geht es um 5 Millionen Euro. Die dienen aber jetzt dazu,
um überhaupt diese Standorte ausfindig zu machen. Da
reden wir noch nicht über eine mögliche Sanierung, was
das Ganze angeht.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1816015700


Das stimmt.


Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816015800

Deswegen habe ich konkret die Nachfrage, ob Ih-

nen Zahlen vorliegen und wie Sie die Kosten pro Tonne
Bohrschlamm, die möglicherweise saniert werden muss,
einschätzen, damit man eine realistische Kosteneinschät-
zung bekommt, was auf die verursachende Industrie zu-
kommen könnte.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816015900

Frau Staatssekretärin.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1816016000


Die Bohrschlämme bestehen zu 60 bis 95 Prozent aus
Wasser und zu 5 bis 15 Prozent aus Bohrklein, also er-
bohrtem Gestein. Weiterhin können geringe Mengen an
Stärke, Schwerspat, Kreide, Ton, Bentonit, Natronlauge
und Polymeren enthalten sein. Einige Bohrspülungen
enthalten Salze und Anteile von Schmierstoffen. Auch
Rückstände von Quecksilber – das war in dem Artikel
benannt – sind nicht auszuschließen. Gleichwohl liegen
uns jetzt keine Kostenschätzungen vor.

Sie haben recht: Es ist so, dass das Land und die WEG
eine Vereinbarung geschlossen haben, dass die Untersu-
chung der Verdachtsfälle, die das Land Niedersachsen
verifiziert hat, jetzt vorgenommen wird. Die Industrie
trägt, wie gesagt, zu 80 Prozent die Kosten dieser Un-
tersuchung. Vor Abschluss der Untersuchung ist natür-
lich nicht geklärt, ob und in welchem Umfang von den
Bohrschlämmen überhaupt Gefahren ausgehen und Sa-
nierungsbedarfe bestehen. Es steht also nicht fest, inwie-
weit überhaupt Kosten anfallen. Erst wenn das feststeht,
stellt sich die Frage, welche Kosten auf die Erdöl- und
Erdgasunternehmen zukommen.

Für diese Untersuchung ist eine Zeitdauer von zwei
Jahren angesetzt. Erst dann wird man belastbare Zahlen
nennen können. Das Entscheidende ist, dass jetzt erst

einmal die Aufsuchung und die Gefährdungsabschätzung
stattfinden.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816016100

Damit haben wir auch diese Frage abgeschlossen,

und wir verlassen gleichzeitig den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. – Frau
Staatssekretärin Gleicke, vielen Dank.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amts. Für die Beantwortung steht Herr Staatsmi-
nister Michael Roth zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 23 des Kollegen Niema
Movassat:

Inwiefern besteht für die 400 Millionen Euro an zusätz-
lichen Haushaltsmitteln, die dem Auswärtigen Amt von der
Bundesregierung 2016 für den Themenkomplex „Flucht und
Migration“ zur Verfügung gestellt wurden, Zweckgebunden-
heit für die ausschließliche Verwendung in bestimmten Kri-
senregionen (Syrien), und inwiefern zieht die Bundesregie-
rung in Erwägung, einen Teil dieser Mittel zur Bekämpfung
der Folgen von El Niño zur Verfügung zu stellen?

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816016200

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter

Movassat, ich möchte Ihre Frage gerne zum Anlass neh-
men, mich ganz herzlich beim Deutschen Bundestag da-
für zu bedanken, dass er uns im parlamentarischen Ver-
fahren für das Haushaltsjahr 2016 400 Millionen Euro
zusätzlich zur Verfügung gestellt hat, insbesondere für
die Bekämpfung der Fluchtursachen und zur Stabilisie-
rung der Nachbarländer Syriens. Das ist ein ganz wich-
tiger Beitrag. Wir fühlen uns natürlich diesem klaren
Auftrag des Deutschen Bundestags verpflichtet. Deshalb
wird der Schwerpunkt des Mitteleinsatzes im Jahr 2016
in Syrien und in den Nachbarländern liegen.

Wir unterstützen darüber hinaus seit 2015 im Rahmen
unserer vorausschauenden humanitären Hilfe Projekte im
Kontext der Auswirkung des sogenannten El-Niño-Phä-
nomens. Dies erfolgt in bewährter Weise in einer ganz
engen Zusammenarbeit mit den Organisationen der Ver-
einten Nationen, aber auch mit Nichtregierungsorgani-
sationen. In Abhängigkeit von der Umsetzung anderer
geplanter Projekte können diese regulären Mittel selbst-
verständlich auch ergänzt werden.

Es geht dabei zum einen um von Hilfsorganisationen
eigens aufgelegte Projekte wie auch um bereits laufende
humanitäre Hilfsprojekte, die um Komponenten ergänzt
werden, um von El Niño verursachten Auswirkungen zu
begegnen. Dafür haben wir in diesem Haushaltsjahr be-
reits Mittel in Höhe von rund 11 Millionen Euro bereit-
gestellt. Davon sind rund 9,5 Millionen Euro nach Afrika
gegangen.

Darüber hinaus gehört das Auswärtige Amt zu den
wichtigsten Gebern des Zentralen Nothilfefonds der
Vereinten Nationen. Wir haben hierfür im Jahr 2015
40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Seit dem ver-
gangenen Jahr wurden aus diesem Fonds der Vereinten
Nationen rund 64 Millionen US-Dollar zur Bewältigung
der Folgen von El Niño bereitgestellt.

Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke






(A) (C)



(B) (D)


Außerdem hat das Auswärtige Amt ein umfassendes
Klimamaßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um die
humanitären Auswirkungen des Klimawandels zu lin-
dern, unter anderem durch Maßnahmen der Klimarisiko-
analyse sowie durch den Aufbau und die Verbesserung
entsprechender Frühwarnsysteme.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816016300

Vielen Dank. – Herr Kollege Movassat, haben Sie eine

Nachfrage? Wenn ja, haben Sie das Wort.


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816016400

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, es ist

ja so: Die UNO und auch andere Hilfsorganisationen
warnen seit mehreren Monaten vor den verheerenden
Folgen von El Niño für das östliche und südliche Afri-
ka. Es sind ungefähr 50 Millionen Menschen betroffen;
das ist eine ungeheuer große Zahl. Angesichts dessen,
dass die UN einen Finanzbedarf von 5 Milliarden Dollar
veranschlagt haben, bisher jedoch noch nicht einmal ein
minimaler Anteil dieses Geldes dort angekommen ist –
dafür ist nicht nur Deutschland verantwortlich, sondern
auch andere Länder geben sehr wenig Geld –, habe ich
das Gefühl, dass man sich die Situation vor Ort kaum
vergegenwärtigt. Wenn man die Zahlen nimmt, die Sie
gerade genannt haben, und in Relation zu den 50 Millio-
nen Betroffenen setzt, kommt man zu dem Ergebnis, dass
die Bundesregierung bisher vielleicht 1 bis 2 Euro pro
Betroffenem zur Verfügung gestellt hat.

Dabei hatte, wie ich gehört habe, die Kindernothilfe
dem Auswärtigen Amt angeboten, vor Ort mit einem
Projektpartner eine Maßnahme für die Schulspeisung
von 5 000 Kindern und für die Wasserversorgung von
20 000 Menschen durchzuführen. Der Antrag, dies zu
finanzieren, wurde vom Auswärtigen Amt abgelehnt.
Angesichts dessen, dass Sie die Finanzierung konkreter
Hilfsangebote ablehnen und wenig Mittel geben, frage
ich mich: Was muss denn eigentlich passieren, dass das
Auswärtige Amt den Ernst der Lage wirklich begreift
und mehr Mittel zur Verfügung stellt?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816016500

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816016600

Wenn Sie mir aufmerksam zugehört haben – das unter-

stelle ich Ihnen selbstverständlich, Herr Kollege –, dann
werden Sie festgestellt haben, dass die Bundesregierung,
insbesondere das Auswärtige Amt, auf ganz vielfältige
Weise dem El-Niño-Phänomen zu begegnen versucht.

Wir sind im Rahmen des Nothilfefonds der Verein-
ten Nationen einer der größten Geldgeber gewesen, und
wir stehen in einem ständigen Kontakt mit Nichtregie-
rungsorganisationen und selbstverständlich auch mit den
Vereinten Nationen, um unsere Bemühungen engagiert
fortzusetzen. Dabei sind wir für jede weitere Initiative
dankbar.

Ich habe aber auch darauf hinweisen wollen, dass mit
den 400 Millionen Euro, die uns der Deutsche Bundes-

tag zusätzlich zur Verfügung gestellt hat, die klare Er-
wartungshaltung verbunden war, dass diese Mittel für die
Fluchtursachenbekämpfung und für die Stabilisierung
Syriens und insbesondere der syrischen Nachbarschaft
verwendet werden. Ich möchte nicht, dass ein dringliches
Projekt – da sind wir ja völlig einer Meinung – gegen
ein anderes dringliches Projekt ausgespielt wird. Die ent-
sprechenden Mittel werden wir so verwenden, wie es uns
der Deutsche Bundestag aufgetragen hat.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816016700

Herr Kollege Movassat, Ihre zweite Zusatzfrage.


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816016800

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, Sie wis-

sen sicherlich auch – das ist aber, glaube ich, in der Öf-
fentlichkeit relativ wenig bekannt –, dass sieben der acht
größten Flüchtlingslager auf der Welt in Ostafrika sind;
das wird ja oft vergessen. Wenn man, wie Sie ja gerade
sagten, Fluchtursachen bekämpfen möchte, dann stellt
sich natürlich schon die Frage: Was tut man, um der Situ-
ation in diesen Lagern, die schon unter normalen Verhält-
nissen kaum erträglich ist, etwa weil kaum genug Nah-
rung vorhanden ist, jetzt Herr zu werden, wo auch noch
El Niño dazukommt. Daher meine konkrete Frage: Was
wird derzeit getan, um die Zustände in den Flüchtlingsla-
gern zu stabilisieren – von „verbessern“ rede ich erst gar
nicht? Die Zustände drohen ja jetzt durch El Niño in eine
völlige Katastrophe überzugehen.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816016900

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816017000

Ich habe Ihnen, Herr Kollege, einen wesentlichen

Schwerpunkt unseres Engagements benannt. Aber das
heißt nicht, dass es nicht über Syrien und über die syrische
Nachbarschaft hinaus weitere Aktivitäten im Rahmen der
humanitären Hilfe gibt. Dieser fühlt sich das Auswärtige
Amt natürlich in besonderer Weise verpflichtet.

Durch das, was ich eben mit dem Hinweis auf signi-
fikante Mittel, die wir in konkrete Projekte investieren,
zum Ausdruck gebracht habe, ist doch deutlich gewor-
den, dass wir auch hier unserer Verantwortung gerecht zu
werden versuchen.

Dem Deutschen Bundestag steht es selbstverständlich
frei, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, damit wir
unsere bisherigen Bemühungen noch engagierter fortset-
zen können.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816017100

Frau Kollegin Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816017200

Danke schön. – Herr Staatsminister, ich möchte auch

noch einmal nachfragen, weil ich finde, dass Ihre Ant-
wort wirklich unzureichend bzw. sogar widersprüchlich
ist. Wenn Sie erkennen, dass man viel früher aktiv wer-
den und die Fluchtursachen bekämpfen muss, um nicht

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)


schon jetzt die nächsten Flüchtlinge zu produzieren,
dann müssen Sie doch jetzt viel mehr Geld geben, um
die Auswirkungen von El Niño aktiv zu bekämpfen und
den Leuten etwas anbieten zu können. Ansonsten haben
wir in einem Jahr das Problem, dass ganz viele Äthio-
pierinnen und Äthiopier vor den Grenzen stehen oder gar
vorher im Mittelmeer ertrinken. Es kommen doch schon
jetzt viele Menschen aus Äthiopien nach Deutschland.
Das wissen Sie doch genau. Da kann man doch nicht sa-
gen: „Wir machen ja schon viel“, wenn Sie als konkrete
Hilfe für diese Region nur 10 Millionen Euro vorsehen
und ansonsten auf UN-Mittel sowie das Klimamaßnah-
menpaket verweisen. Schauen wir uns doch nur an, dass
Sie für den G-7-Gipfel im vergangenen Jahr in Bayern,
der drei Tage dauerte, 360 Millionen Euro ausgegeben
haben. 360 Millionen Euro in drei Tagen! Zugleich haben
Sie für diese Region mit 50 Millionen Menschen jedoch
nur 10 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das geht
doch so nicht. Sie machen genau dieselbe Politik wie bis-
her und wundern sich dann, dass die Bevölkerung völlig
unzufrieden ist, weil Sie nicht auf die Herausforderungen
reagieren.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816017300

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816017400

Frau Kollegin, auch Ihnen dürfte nicht entgangen sein,

dass wir noch niemals zuvor in der Geschichte der Bun-
desrepublik Deutschland so viel Geld für humanitäre Hil-
fe und für die Stabilisierung von Regionen zur Verfügung
gestellt haben, und das mit Ihrer Unterstützung.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber es reicht nicht!)


Ich habe darüber hinaus darauf hingewiesen, dass
dies nicht ausschließlich Projekte sind, die sich im Be-
reich Syriens oder der syrischen Nachbarschaft bewegen.
Vielmehr habe ich ebenso darauf hingewiesen, dass wir
ein vielfältiges Klimamaßnahmenpaket auf den Weg ge-
bracht haben, bei dem es insbesondere um Prävention
geht. Die humanitären Auswirkungen des Klimawandels
sollen gelindert werden unter anderem durch Maßnah-
men der Klimarisikoanalyse sowie durch den Aufbau
und die Verbesserung von Frühwarnsystemen. Das liegt
genau auf der Linie, die Sie zu Recht eingefordert haben.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja wenn Sie meinen!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816017500

Wir kommen jetzt zur Frage 24 der Kollegin Heike

Hänsel:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung im Rah-

men der politischen, finanziellen und entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit gegenüber der honduranischen Regierung
nach der Ermordung von Berta Cáceres, Menschenrechts-
verteidigerin und Mitbegründerin des indigenen Rates in

(http://business-humanrights.org/en/honduras-berta-cáceres-human-rights-defender-indigenous-leader-who-opposed-agua-zarca-dam-assassinated-0#c133928)

am 3. März 2016 ziehen, damit dieser Fall aufgeklärt und die
Verantwortlichen verurteilt werden und auch die Rolle von

dem am Bauvorhaben des Wasserkraftwerks Agua Zarca auf
indigenem Lenca-Gebiet beteiligten deutschen Unternehmen
Siemens-Voith Hydro untersucht wird, ob es seine selbster-

(https://amerika21.de/ files/a21/offener_brief_an_die_firma_voith.pdf)

Konflikt um Agua Zarca, angesichts der seit Jahren verzeich-
neten Menschenrechtsverletzungen, einhält?

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort zur Beant-
wortung.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816017600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Hänsel,

wir kommen jetzt zu einem tragischen Mordfall, der sich
in Honduras abgespielt hat. Sie wissen, dass die Bundes-
regierung in einem ständigen Dialog, sowohl bilateral als
auch im Rahmen der Europäischen Union, über die Situ-
ation der Menschenrechte in Honduras steht. Dieser Dia-
log wird selbstverständlich nicht nur mit der hondurani-
schen Regierung geführt, sondern bezieht natürlich auch
die honduranischen Menschenrechtsorganisationen glei-
chermaßen mit ein. Dies gilt insbesondere für COPINH,
den indigenen Rat in Honduras, den Frau Berta Cáceres
mitbegründet und geleitet hat.

Als Kennerin der Region wissen Sie vielleicht auch,
dass unsere Botschaft einen sehr engen und sehr intensi-
ven Kontakt mit Frau Cáceres gepflegt hat. Wir haben ge-
meinsam mit den anderen Botschaftern der EU-Staaten
vor Ort dieses furchtbare Verbrechen, diesen Mord ver-
urteilt und die honduranischen Behörden zur raschen und
vollständigen Aufklärung aufgefordert. Darüber hinaus
hat die Hohe Vertreterin der EU, Federica Mogherini, am
12. März gleichfalls dieses furchtbare Verbrechen verur-
teilt und eine rasche Aufklärung des Verbrechens gefor-
dert. Bislang liegen uns keinerlei Informationen zu den
Hintergründen und zu den Verantwortlichen vor.

Der Lateinamerikabeauftragte meines Hauses, der sich
kurz nach dieser abscheulichen Tat in Honduras befand,
hat dieses Thema in allen Gesprächen angesprochen, ins-
besondere in Gesprächen mit Präsident Hernández, dem
Außenminister, dem Justizminister und der Ministerin für
Menschenrechte – überall kam die Ermordung von Frau
Cáceres zur Sprache. Die honduranische Regierung hat
dieses Verbrechen noch am gleichen Tag verurteilt. Sie
hat den UNHCHR um Hilfe bei der Aufklärung gebeten.
Seit dem zweiten Tag nach der Tat sind VN-Experten vor
Ort an den entsprechenden Ermittlungsarbeiten beteiligt.

Uns gegenüber, Frau Kollegin Hänsel, hat die hon-
duranische Regierung in allen Gesprächen versichert,
dass sie sich ernsthaft darum bemühen werde, die Tat
vollständig aufzuklären und vor allem auch die Situation
der Menschenrechtsverteidiger in Honduras zu verbes-
sern. Insofern sieht die Bundesregierung derzeit keinen
Anlass, die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit
Honduras grundsätzlich infrage zu stellen.

Ich habe gehört, dass der Parlamentarische Staatsse-
kretär Fuchtel – er ist jetzt nicht mehr hier – Anfang April
Honduras besuchen wird. Selbstverständlich wird auch
dann der Mord Gegenstand der Gespräche mit den Re-
gierungsvertretern sein.

Heike Hänsel

https://amerika21.de/files/a21/offener_brief_an_die_firma_voith.pdf
https://amerika21.de/files/a21/offener_brief_an_die_firma_voith.pdf





(A) (C)



(B) (D)


Darüber hinaus haben Sie noch auf das Wasserkraft-
werk Agua Zarca hingewiesen. Dieses Wasserkraftwerk
wird ohne deutsche Finanzierung gebaut. Die Firma
Voith soll drei Turbinen zuliefern. Das Projekt hat ins-
gesamt ein Auftragsvolumen von 8 Millionen Euro. Das
Unternehmen hat die Ermordung in einer Stellungnahme
am 11. März ebenfalls verurteilt.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816017700

Frau Kollegin Hänsel, Sie haben die Möglichkeit einer

Nachfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816017800

Danke schön. – Herr Staatsminister, ich habe nicht die

Frage gestellt, ob Sie die Entwicklungszusammenarbeit
einstellen, sondern ob Sie sich im Rahmen der umfas-
senden politischen, finanziellen und entwicklungspoli-
tischen Zusammenarbeit mit Honduras gegenüber der
honduranischen Regierung für eine umfassende Aufklä-
rung einsetzen.

Jetzt muss man wissen: Es gibt ein enormes Maß an
Straflosigkeit in Honduras – wie in vielen anderen latein-
amerikanischen Ländern auch. Die schönen Absichtsbe-
kundungen, man wolle aufklären, bringen eigentlich so
gut wie gar nichts; in hundert anderen Fällen ist nämlich
nichts passiert.

Die Aktivistin Berta Cáceres von COPINH, die er-
mordet wurde, war sehr oft auch hier in Deutschland.
Viele Kollegen und Kolleginnen haben sie getroffen und
sie in ihren Aktivitäten im Zuge des Staudammprojekts
und in ihrem Einsatz für die Rechte Indigener unterstützt.

Wenn Sie, wie Sie sagen, Kontakt zur Familie und
zu COPINH haben, dann wissen Sie ganz genau, dass
COPINH, der indigene Rat, fordert, dass es eine unab-
hängige internationale Untersuchungskommission gibt,
weil eben nicht gewährleistet ist – wie in anderen Fäl-
len auch –, dass der honduranische Staat die Aufklärung
nachhaltig betreibt. Deshalb meine Frage an Sie: Setzt
sich die Bundesregierung gegenüber der honduranischen
Regierung für die Einsetzung einer unabhängigen Un-
tersuchungskommission des Interamerikanischen Men-
schenrechtsgerichtshofs ein? Dann würden nicht nur
irgendwelche Experten geschickt, sondern diese hätte
einen eigenen Auftrag, einen Vertrag mit der Regierung
und mit der Familie, dort unabhängig zu ermitteln.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816017900

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816018000

Ich habe Ihnen deutlich zu machen versucht, Frau Ab-

geordnete, dass wir in allen Gesprächen auf eine entspre-
chende Aufklärung dieser Tat drängen. Selbstverständ-
lich sind wir mit der derzeitigen Menschenrechtslage,
insbesondere auch mit der Lage der Menschenrechtsver-
teidiger, nicht zufrieden.

Ich habe schon eine Reihe von konkreten Projekten
benannt, die von der Bundesregierung und von der Eu-
ropäischen Union unterstützt werden. Ich kann da gerne

noch ein paar weitere hinzufügen: Deutschland beabsich-
tigt beispielsweise, die kürzlich ins Leben gerufene inter-
nationale Rechtsstaatsmission MACCIH finanziell und
personell zu unterstützen. Die Erfahrungen, die im Nach-
barland Guatemala gemacht worden sind, waren durch-
aus positiv. Wir wollen auf diesen Erfahrungen aufbauen.
So begrüßen wir, dass die honduranische Regierung sich
bereit erklärt hat, diese internationale Rechtsstaatsmis-
sion einzurichten. Positiv ist ebenso festzuhalten, dass
Honduras ein Abkommen mit Transparency International
abgeschlossen hat. Die Regierung hat sich zudem bereit
erklärt, dass in Tegucigalpa – Sie können das möglicher-
weise etwas besser aussprechen als ich, Frau Hänsel – ein
Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen für
Menschenrechte eröffnet wird. Das alles sind Beiträge,
die in die richtige Richtung weisen.

Ich kann Ihnen aber noch einmal versichern, dass
wir alles, was in unseren Möglichkeiten steht, tun wer-
den, um dazu beizutragen, dass dieser Fall aufgeklärt
wird – im Interesse der Familie, aber auch im Interesse
der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Hon-
duras. Das sage ich sicherlich nicht nur für die Bundes-
regierung, das ist auch das gemeinsame Bemühen der
Europäischen Union.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816018100


Frau Kollegin Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816018200


Danke schön, Herr Staatsminister. – Ich möchte aber
noch einmal darauf insistieren: Wir haben ein enorm ho-
hes Maß an Straflosigkeit in Honduras. Wir haben die
Erfahrung, dass Fälle nicht aufgeklärt werden. Erschwe-
rend kommt hinzu, dass gestern ein weiterer Kollege
von COPINH, des indigenen Rates, ermordet worden
ist: Nelson García. Aufgrund dieses weiteren Mordes in
kürzester Zeit an einem Mitglied des indigenen Rates,
dessen Mitglieder ja zum Beispiel involviert sind in die
Auseinandersetzung um indigene Rechte, auch bei Stau-
dammprojekten, an denen Siemens-Voith Hydro beteiligt
ist, hat zum Beispiel die holländische Entwicklungsbank
ihre Gelder zurückgezogen. Sie stoppt erst einmal alle
Finanzierungen für Projekte in Honduras, weil sie es als
so gravierend ansieht, wie dort mit Menschenrechten
umgegangen wird. Sie könne es einfach nicht mehr ver-
antworten, hier einfach weiterzumachen.

Deshalb noch einmal meine Nachfrage: Sind Sie be-
reit, sich gegenüber der honduranischen Regierung für
die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungs-
kommission des Interamerikanischen Menschenrechts-
gerichtshofes einzusetzen, so wie es sie zum Beispiel
in Mexiko gegeben hat? Die Arbeit dieser Kommission
in Mexiko hat sehr wichtige und positive Resultate ge-
bracht. Sie ist ja zum Beispiel im Fall Ayotzinapa tätig
geworden und kam im Vergleich zu den staatlichen Er-
mittlungen zu ganz anderen und weitreichenden Ergeb-
nissen. Setzen Sie sich also für die Einsetzung einer
unabhängigen Kommission ein, wenn Sie es ernst damit
meinen, der Straflosigkeit dort den Kampf anzusagen!

Staatsminister Michael Roth






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816018300

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816018400

Frau Kollegin Hänsel, ich habe Ihnen ja eingangs

schon deutlich zu machen versucht, was wir alles tun.
Wir werden sicherlich, auch in enger Abstimmung mit
unseren Partnerländern in der Europäischen Union, wei-
tere Schritte nicht ausschließen. Aber derzeit stimmt das,
was ich Ihnen eben als Teil meiner Antwort mit auf den
Weg gegeben habe, uns zumindest zuversichtlich, dass
die honduranische Regierung und die honduranischen
Behörden ihren Worten auch Taten folgen lassen. Das ist
eine ganz klare Erwartungshaltung der Bundesregierung
und der Europäischen Union.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816018500

Damit kommen wir zur Frage 25 der Kollegin Heike

Hänsel:
Kontrolliert die Bundesregierung in irgendeiner Art und

Weise die Verwendung der in Syrien gewonnenen deutschen
Aufklärungsprodukte mit dem Freigabevermerk „For An-

(siehe Antwort der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Dr. Maria Böhmer, auf meine mündliche Frage vom 24. Februar 2016)

te begründen), und kann die Bundesregierung dann eindeutig
ausschließen, dass die Türkei mit den deutschen Aufklärungs-
ergebnissen andere Ziele als Anti-Daesh-Ziele bombardiert?

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816018600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Das Thema hat ja

schon einmal unter etwas anderen Vorzeichen in der Fra-
gestunde eine Rolle gespielt. Deswegen beziehe ich mich
in Teilen auf Antworten, die Staatsministerin Böhmer
hier vorgetragen hat.

Die Bereitstellung von Aufklärungsergebnissen
im Rahmen der Operation Inherent Resolve der An-
ti-Daesh-Koalition erfolgt ausschließlich zu den Zielen
und innerhalb der Grenzen des Mandats des Deutschen
Bundestags, das heißt zur Aufklärung von IS-Zielen,
zu deren Bekämpfung und zum Schutz von ziviler In-
frastruktur. Um das zu garantieren, haben wir ein ent-
sprechendes dreistufiges Verfahren eingerichtet. Das ist
Ihnen, wie gesagt, schon in der schriftlichen Beantwor-
tung mitgeteilt worden. Ich will es hier zur Klarheit noch
einmal wiederholen.

Die erste Stufe: Ein deutscher Stabsoffizier im Haupt-
quartier in al-Udeid in Katar stellt bereits im Vorfeld, das
heißt bei der Planung der Flugeinsatzbefehle sowie auch
während der Einsatzflüge sicher, dass diese im Einklang
mit dem Auftrag des Bundestagsmandats erfolgen.

Die zweite Stufe: Ein weiterer deutscher Stabsoffizier
prüft die erflogenen und analysierten Aufklärungsergeb-
nisse nochmals auf die mandatskonforme Verwendungs-
möglichkeit.

Und die dritte Stufe: Die ausgewerteten deutschen
Aufklärungsprodukte – so heißt das offiziell – werden
mit dem Freigabevermerk „For Counter-DAESH Opera-

tion only“ versehen, um den politischen Willen, wie im
Mandat manifestiert, auszudrücken.

Die Bundesregierung hat keinen Anlass, davon auszu-
gehen, dass die von deutschen Kräften der Anti-IS-Koa-
lition zur Verfügung gestellten Aufklärungsergebnisse zu
einem anderen Zweck als der Bekämpfung von IS-Stel-
lungen verwendet werden.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816018700

Frau Kollegin Hänsel, Sie haben das Wort.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816018800

Danke schön. – Herr Staatsminister, ich habe bereits

auf die letzte mündliche Frage die Antwort erhalten,
dass die Aufklärungsprodukte geprüft werden und da-
nach sozusagen mit einem Stempel mit dem Text „Aus-
schließlich für IS-Bekämpfung zu verwenden“ versehen
werden. Dieser Stempel ist ja schön und gut. Aber kon-
trolliert denn dann die Bundesregierung in irgendeiner
Weise, ob die Aufklärungsprodukte nur dafür verwendet
werden, oder belässt sie es, zum Beispiel gegenüber dem
NATO-Partner Türkei, bei Treu und Glauben und geht
davon aus, dass die Aufklärungsprodukte schon nach
bestem Wissen und Gewissen verwendet werden? Meine
Frage: Kontrollieren Sie eigentlich, was mit den von Ih-
nen gesammelten Informationen konkret passiert?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816018900

Wenn wir dies nicht kontrollierten, würden wir sicher-

lich nicht dem entsprechenden Mandat des Deutschen
Bundestages gerecht. Das von mir vorgestellte dreistufi-
ge Verfahren dient ja gerade der Sicherung und Wahrung
dessen, wozu uns der Deutsche Bundestag verpflichtet
hat. Da mir und der Bundesregierung keine weiteren Er-
kenntnisse vorliegen, was Missbräuche betrifft, gehe ich
fest davon aus, dass es einen entsprechenden Mechanis-
mus regelmäßiger Kontrollen gibt. Einen wesentlichen
Teil dieses Kontrollmechanismus habe ich Ihnen geschil-
dert.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816019000

Frau Kollegin Hänsel, haben Sie noch eine weitere

Frage? – Dann haben Sie das Wort.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1816019100

Ich möchte in eine andere Richtung nachfragen. Sie

sprachen davon, dass Sie das Mandat mit der Aufklärung
von IS-Zielen, also des sogenannten „Islamischen Staa-
tes“, beauftragt. Nun wissen wir, dass die Konflikte in
der Region – je nach Frontverläufen – sehr miteinander
verwoben sind. Man kann ja nicht sagen: Hier ist aus-
schließlich der IS. – Vielmehr wissen wir, dass es gerade
in Nordsyrien, in Richtung der Grenze zur Türkei, nörd-
lich von Aleppo, kurdische Gebiete, vom IS dominierte
Gebiete und von verschiedenen anderen Rebellengrup-
pen dominierte Gebiete gibt. All das verschiebt sich ja
ständig, und es ist eine strategisch sehr wichtige Regi-
on. Wie können Sie denn ausschließen, dass die Türkei,
die ja nachweislich kurdische Stellungen in Nordsyrien
bombardiert und angreift, die an sie weitergegebenen In-






(A) (C)



(B) (D)


formationen benutzt, um kurdische Stellungen zu bom-
bardieren, und Sie somit indirekt dazu beitragen? Meine
Frage: Überfliegen die deutschen Tornados kurdische
Regionen in Nordsyrien, und betreiben sie dort Aufklä-
rung?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816019200

Herr Staatsminister.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1816019300

Frau Kollegin Hänsel, ich habe Ihnen doch deutlich

gemacht, dass wir uns in dem Rahmen bewegen, den uns
der Deutsche Bundestag gegeben hat. Dabei geht es aus-
schließlich um die Unterstützung bzw. Vorbereitung der
Bekämpfung von IS-Zielen.

Über die Art und Weise möglicher militärischer Auf-
klärung der Türkei im Norden Syriens haben wir keine
Erkenntnisse. Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Aus
Sicht der Bundesregierung eignen sich unsere Aufklä-
rungsprodukte nicht für die Bekämpfung anderer Kon-
fliktparteien. Es gibt hier einen klaren Auftrag, und den
erfüllen wir.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816019400

Die Fragen 26 und 27 der Kollegin Dağdelen, die Fra-

ge 28 der Kollegin Keul und die Frage 29 des Kollegen
Ströbele werden allesamt schriftlich beantwortet.

Insofern danke ich dem Herrn Staatsminister sehr
herzlich.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Ich freue mich, dass Herr Par-
lamentarischer Staatssekretär Dr. Günter Krings für die
Beantwortung zur Verfügung steht.

Die Frage 30 des Kollegen Ströbele, die Frage 31 des
Kollegen von Notz, die Fragen 32 und 33 der Kollegin
Jelpke und die Frage 34 der Kollegin Walter-Rosenheimer
werden schriftlich beantwortet.

Deshalb kommen wir jetzt zur Frage 35 der Kollegin
Irene Mihalic:

Welches Maß an Vernetzung sieht die Bundesregierung im
Bereich politisch rechts motivierter Straftaten mit Blick auf
die jüngsten Anschläge im brandenburgischen Nauen inzwi-
schen erreicht?

Herr Staatssekretär.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1816019500


Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Frau Mihalic, schön, dass Sie
es bei der mündlichen Beantwortung der Frage belassen
haben. Das ist sozusagen der Höhepunkt der Fragestun-
de.


(Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Aber das soll keine Kritik an den Kollegen sein, die vor
mir dran waren, im Gegenteil. – Einigen wir uns auf:
Schlusspunkt der Fragestunde.

Das Thema allerdings ist leider alles andere als posi-
tiv. Es geht um die Frage der Vernetzung bei Anschlä-
gen, insbesondere auf Asylbewerberheime, konkret auf
ein Asylbewerberheim in Brandenburg. Meine Antwort
lautet: Nach bisherigem Erkenntnisstand handelte es sich
bei den Straftaten gegen Asylunterkünfte im Bereich der
PMK-rechts – darüber haben wir schon mehrfach im In-
nenausschuss gesprochen – überwiegend um lokale Agi-
tationen, die bislang keinen Rückschluss auf eine bun-
desweit gesteuerte Strategie zulassen. Die Intensität und
die Quantität entsprechender Aktionen stehen in starker
Abhängigkeit von den organisatorischen Möglichkeiten
der jeweiligen lokalen Szenen, deshalb auch die unter-
schiedliche Ausprägung, die unterschiedliche Stärke und
Häufigkeit solcher Anschläge. Konkrete Hinweise auf or-
ganisationsgesteuerte Gewaltstraftaten in Form von an-
geordneter oder gezielt gelenkter Delinquenz durch rech-
te Parteien oder rechtsextremistische Strukturen gegen
Asylbewerber und Unterkünfte liegen bislang nicht vor.

Es wird unserer Einschätzung nach aber auch zukünf-
tig damit zu rechnen sein, dass ein nicht unerheblicher
Teil der Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte von
Personen mit Anbindung an rechte bzw. rechtsextremis-
tische Organisationsstrukturen begangen wird.

Im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Potsdam zu den Straftaten in Nau-
en bleibt das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.

Die Sicherheitsbehörden des Bundes verfolgen den
Fortgang der Ermittlungen des Landes Brandenburg mit
großer Aufmerksamkeit. Daraus gewonnene Erkenntnis-
se, auch im Hinblick auf Vernetzungen, werden somit
auch in die Bewertungen der Sicherheitsbehörden des
Bundes einfließen. Insbesondere der Generalbundesan-
walt – das wissen Sie – steht im Kontakt mit den Ermitt-
lungsbehörden vor Ort.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816019600

Frau Kollegin Mihalic, Sie haben das Wort.


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816019700

Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung

der Frage. Sie können sich vorstellen, dass mich Ihre
Antwort nicht vollumfänglich befriedigt, insbesondere
wenn es darum geht, uns darüber zu verständigen, wel-
cher Grad einer Vernetzung vorliegen muss, bis wir von
Rechtsterrorismus sprechen. Diese Frage spielt ja dabei
sozusagen eine wesentliche Rolle. In diesem Zusammen-
hang stellt sich auch die Frage, inwiefern Taten wie die in
Nauen oder beispielsweise der Rohrbombenanschlag auf
eine Flüchtlingsunterkunft in Eisenach als staatsgefähr-
dend eingestuft werden oder Staatsschutzrelevanz haben.
Mich interessiert deshalb die Antwort der Bundesregie-
rung auf die Frage: Welche Kriterien müssen denn vorlie-
gen, damit solche Ereignisse wie in Nauen oder wie der
eben von mir erwähnte Rohrbombenanschlag auf eine
Flüchtlingsunterkunft in Eisenach als staatsschutzrele-
vant oder staatsgefährdend eingestuft werden? Ab wann
wird also ein rechtsterroristischer Hintergrund angenom-
men?

Heike Hänsel






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816019800

Herr Staatssekretär.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1816019900


Vielen Dank, Herr Präsident. – Zunächst einmal zum
Thema Vernetzung. Gerade im Nauener Fall gibt es – ich
muss vorsichtig sein, wie ich antworte, weil es sich um
ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt – offenbar
Bezüge zu einer rechtsradikalen Partei. Lokale Vernet-
zungen der Urheber solcher Anschläge innerhalb rechts-
radikaler Strukturen sind offenbar vorhanden.

Zur Einschätzung, ob die von Ihnen genannten De-
likte in Betracht kommen: Es ist die Aufgabe des Ge-
neralbundesanwalts, das zu entscheiden. Er hat einen
Beobachtungsvorgang angelegt und steht, wie gesagt, in
engem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft Potsdam. Das
obliegt seiner Einschätzung; Sie hatten ja schon einmal
eine schriftliche Frage zu diesem Thema gestellt, deren
Beantwortung zuständigkeitshalber vom Bundesjustiz-
ministerium übernommen wurde.

Der Generalbundesanwalt beobachtet die Ermittlun-
gen intensiv. Nach meinem Kenntnisstand ist er bisher
nicht zu dem Schluss gekommen, dass die Grenze schon
überschritten ist. Aber dass sie relevant ist und dass wir
uns vielleicht kurz vor dieser Grenze befinden, das will
ich gar nicht in Abrede stellen. Dem Generalbundesan-
walt aber obliegt die Einschätzung, ab welcher Grenze
die von Ihnen genannten Delikte einschlägig sind und ab
wann es sich um mehr handelt als um das, was von der
Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wird.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816020000

Frau Kollegin Mihalic.


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1816020100

Ich will meine Nachfrage präzisieren und an einem

Beispiel veranschaulichen; denn es geht nicht nur um
die Einschätzung des Generalbundesanwalts, sondern
auch um die Einschätzung der ermittelnden bzw. der mit
diesen Fällen betrauten Sicherheitsbehörden. Lassen Sie
mich deswegen folgenden Vergleich anstellen.

Im hessischen Oberursel befand sich eine Rohrbombe
in einem Keller, mit der mutmaßlich ein Anschlag auf
ein Radrennen in Frankfurt verübt werden sollte, und alle
beteiligten Sicherheitsbehörden gingen sofort von ei-
nem terroristisch geplanten oder motivierten Anschlags-
szenario aus. Dem gegenübergestellt haben wir einen
vollendeten Rohrbombenanschlag auf eine Flüchtlings-
unterkunft in Eisenach oder die jetzigen schrecklichen
Geschehnisse in Nauen. Da wird aber kein terroristischer
Hintergrund angenommen, bzw. dieser ist – wenn ich mir
Ihre Antwort vergegenwärtige – noch nicht ganz klar. Er-
klären Sie mir den Unterschied.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1816020200


Wir sollten festhalten – das ist nicht so sehr an Sie ge-
richtet, sondern ich sage dies, um den Kontext klarzustel-

len –, dass es furchtbare Taten sind, unabhängig davon,
ob wir sie bereits als terroristische Taten einstufen oder
nicht. Wir gehen davon aus, dass alle Behörden vor Ort,
auch die Ermittlungsbehörden vor Ort, die Nachrichten-
dienste und der Verfassungsschutz sehr intensiv prüfen,
welche Qualität die Delikte haben. Dies gilt erst recht für
die Staatsanwaltschaften und die Polizeibehörden. Die
Frage, ob es terroristische Delikte sind, wird geprüft, und
es wird geschaut, ob diese Schwelle jeweils erreicht ist.

Ich kann das an dieser Stelle nicht Punkt für Punkt
kriminalistisch und strafrechtlich subsumieren. Aller-
dings dürften wir uns hoffentlich darin einig sein, dass
die geplante Art der Straftat – hier mit einer Rohrbom-
be – ein besonders schwerwiegendes Indiz ist. Gleich-
wohl muss die Verwendung des gleichen Mittels nicht
zwingend zum gleichen Schluss führen. Im Übrigen trug
der geplante Anschlag in Oberursel offenbar bereits ter-
roristische Züge. Der islamistische Terror in Deutschland
ist auf eine andere Weise vernetzt.

In dem von Ihnen genannten Fall prüfen wir erst. Wie
gesagt, bisher haben wir noch keine harten Anzeichen
dafür, dass es hier eine bundesweit vernetzte terroristi-
sche Struktur gibt. Aber wir haben aus den NSU-Fällen
gelernt, dass wir hier sehr wachsam sein müssen. Wir
dürfen nicht nur nach einer bestimmten Struktur suchen.
Es gibt Ausprägungen terroristischer Gruppen, die viel-
leicht anders sind, als wir das von anderen Phänomenen
und aus anderen Bereichen kennen. Insofern sind die Be-
hörden an dieser Stelle sehr wachsam.

Ich will an dieser Stelle noch ergänzen, was die Ar-
beit des Vertreters des Bundes in der länderoffenen Ar-
beitsgruppe betrifft. Wenn es um rechtsradikale Parteien
und rechtsextremistische Strukturen geht, wird geprüft,
ob etwas in den Kontext eines Verbotsverfahrens gerückt
werden kann und ob es hier Bezüge zu einer Partei gibt.
Auch das werden wir natürlich berücksichtigen. Das be-
zieht sich nicht nur auf die strafrechtliche Aufklärung.
Wir werden auch dafür sorgen, dass wir dann, wenn
etwa Bezüge zur NPD festgestellt werden sollten, diese
im Verbotsverfahren verwenden werden, das zurzeit in
Karls ruhe läuft.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1816020300

Damit ist auch diese Frage abschließend beantwortet.

Die Frage 36 des Kollegen Andrej Hunko wird schrift-
lich beantwortet.

Ich danke Herrn Staatssekretär Krings und allen an-
deren herzlich.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Finanzen. Die Fragen 37 und 38 der Kolle-
gin Katrin Kunert sowie die Frage 39 der Kollegin Britta
Haßelmann werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 40 und 41
der Kollegin Sabine Zimmermann sowie die Frage 42 der
Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beantwor-
tet.






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Fra-
gen 43 und 44 des Kollegen Friedrich Ostendorff sowie
die Frage 45 der Kollegin Bärbel Höhn werden schrift-
lich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Verteidigung. Die Frage 46 der Kollegin
Katja Keul sowie die Fragen 47 und 48 der Kollegin Inge
Höger werden schriftlich beantwortet.

Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes
und zugleich am Ende unserer Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 17. März 2016, 9 Uhr,
ein.

Kommen Sie alle morgen gesund wieder hierher. Die
Sitzung ist geschlossen.