Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie einen Augen-blick Platz .Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie allezu unserer ersten Sitzung nach der Weihnachtspause undbekräftige alle guten Wünsche, die wir für das neue Jahruntereinander ausgetauscht haben .Nun muss ich Sie gleich zu Beginn unserer Sitzungbitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen undHerren, verehrte Gäste, wenn wir heute Nachmittag imBundestag über die aktuelle Lage im Nahen und Mittle-ren Osten debattieren, dann tun wir das unter dem Ein-druck eines brutalen Selbstmordanschlags, bei dem einfanatischer Attentäter mindestens elf unschuldige Men-schen in den Tod gerissen hat, darunter neun Deutsche,die als Teil einer Reisegruppe den Nahen Osten, seineStädte und seine Kultur kennenlernen wollten .Wir trauern und fühlen mit den Angehörigen aller Op-fer . Wir denken an die vielen zum Teil schwer Verletzten,von denen einige um ihr Leben kämpfen . Wir vergewis-sern den Menschen und den Behörden in der Türkei un-sere Unterstützung bei der Aufklärung der Hintergründedieses feigen und brutalen Anschlags .Am Bosporus begegnen sich seit jeher Kulturen undReligionen . Das lebendige, weltoffene, bei Touristen ausaller Welt beliebte Istanbul zum Angriffsziel zu wählenund ein Attentat in unmittelbarer Nähe einer religiös wiekunstgeschichtlich bedeutenden Moschee zu verüben,folgt der Absicht, Angst in die Metropolen und Städte zutragen . Ihr werden wir uns nicht ausliefern – von wemauch immer diese Gefahr und Absicht ausgeht .Der Schmerz, den wir bei jeder terroristischen Atta-cke aufs Neue empfinden, eint uns – auch über mancheDifferenzen im Umgang mit großen Herausforderungenhinweg, zu denen der weltweite Terrorismus gehört . Ja,wir streiten in Europa über die richtigen Wege im Um-gang mit der Bedrohung durch den Terrorismus und mitden nicht zuletzt durch ihn ausgelösten Flüchtlingsbe-wegungen . Wir debattieren darüber auch in Deutschlandkontrovers . Wir werden das auch und gerade hier im Par-lament weiter tun – offen und ehrlich, sachlich und ver-antwortungsbewusst .Wir haben am Ende jeweils Entscheidungen zu tref-fen, die nicht jeden zufriedenstellen können und werden .Dass wir aber darüber streiten können, unterscheidet unsvon all den Fanatikern, die aus politischen Motiven oderim falschen Namen Gottes ihre vermeintlichen Wahrhei-ten anderen mordend aufzwingen wollen . Genau dieseFähigkeit und Bereitschaft zeichnet uns aus . Es ist keineSchwäche, sondern Ausdruck unseres Weges, mit den de-mokratischen Mitteln einer freien, pluralen Gesellschaftden uns aufgezwungenen Kampf für unsere Werte undÜberzeugungen entschlossen anzunehmen .Sie haben sich als Zeichen der Trauer und des Res-pekts für die Opfer und ihre Angehörigen von den Plät-zen erhoben . Ich danke Ihnen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt die interfrak-tionelle Vereinbarung, vor Tagesordnungspunkt 1 eineVereinbarte Debatte mit dem Titel „Konsequenzen ausden Ereignissen von Köln und anderen Großstädten inder Silvesternacht“ im Umfang von 60 Minuten aufzu-rufen . Die Dauer der nach der Regierungsbefragung fol-genden Fragestunde soll 90 Minuten betragen . Ich willmich vergewissern, ob Sie mit dieser Vereinbarung ein-verstanden sind . – Das ist offensichtlich der Fall . Dannkönnen wir so verfahren .Ich rufe Zusatzpunkt 1 unserer Tagesordnung auf:Vereinbarte DebatteKonsequenzen aus den Ereignissen von Kölnund anderen Großstädten in der Silvester-nachtWir haben uns gerade auf eine 60-minütige Debatteverständigt, die ich hiermit eröffne .Ich erteile das Wort zunächst dem ParlamentarischenStaatssekretär Ole Schröder .
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Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolle-ginnen und Kollegen! Ich will mit drei Blickwinkeln, diealle etwas mit den Ereignissen in der Silvesternacht inKöln zu tun haben, beginnen .Ich beginne mit der Aussage einer angegriffenen Frauin der Silvesternacht in Köln – ich zitiere –:Wir liefen dann durch diese Männergruppe . Es tatsich eine Gasse auf, durch die wir liefen . Plötzlichspürte ich eine Hand an meinem Po, dann an meinenBrüsten, schließlich wurde ich überall begrapscht .Es war der Horror . Obwohl wir schrien und um unsschlugen, hörten die Typen nicht auf . Ich war ver-zweifelt und glaube, dass ich rund 100 Mal auf denknapp 200 Metern angefasst wurde .Meine Damen und Herren, die Politik und die Poli-zeien des Bundes und der Länder müssen und werdengemeinsam alles dafür tun, dass sich so etwas in unseremLand nicht wiederholt .
Es wird keine rechtsfreien Räume in unserem Land ge-ben . Ich danke an dieser Stelle allen Polizeibeamtinnenund Polizeibeamten, die sich in dieser Nacht in ihremEinsatz schützend vor die Frauen gestellt haben, auchunter eigenem Opfer . Auch daran müssen wir denken .
Ein zweiter Blickwinkel zeigt sich in den Gescheh-nissen rund um die Facebook-Gruppe „Nett-Werk Köln“ .Etwa eine Woche nachdem dort die ersten Informationenzu den sexuellen Übergriffen vor dem Kölner Haupt-bahnhof gepostet wurden, musste die Seite vorüberge-hend geschlossen werden . Der Administrator schriebdazu am 7 . Januar auf der Seite – ich zitiere –:Das Nettwerk ist derzeit nahezu ein Kriegsschau-platz verbaler Gewalt, gegenseitiger Schuldzuwei-sungen, Aufrufe zur Lynchjustiz, Beleidigungen,Pöbel, Hetze und Rassismus .Auch das ist ein Teil der Geschichte . Auch das ist einTeil der Konsequenzen, die wir gemeinsam ziehen müs-sen: Niemand darf die furchtbaren Straftaten der Silves-ternacht mit Hass und Rassismus beantworten .
Den dritten Blickwinkel bilden die vielen Hundert-tausend Flüchtlinge in unserem Land, die sich nichts zu-schulden kommen lassen . In einem offenen Brief an dieBundeskanzlerin schreiben einige Flüchtlinge aus Syrienund Pakistan – ich zitiere –: . . . sind wir entsetzt über das, was sich in der Sil-vesternacht in Köln und anderen Städten zugetra-gen hat . Wir verabscheuen die sexuellen Übergriffeund Diebstahldelikte . . . und verurteilen sie auf dasSchärfste .Die Straftaten in Köln und anderswo betreffen unsalle, auch die Flüchtlinge, die sich anständig verhalten,und das ist die große Mehrheit .Meine Damen und Herren, die Ereignisse der Sil-vesternacht haben vor allem unser Land als Ganzes ge-troffen . Mich als Vater von zwei kleinen Töchtern ha-ben – das bekenne ich ganz offen – diese Taten wütendund fassungslos gemacht . Ich möchte nicht, dass meineTöchter in einem Land aufwachsen, in dem sie sich auföffentlichen Plätzen nicht sicher fühlen .Heute sprechen wir über die Konsequenzen, und jetztrichte ich meinen Blick auf die Täter . Ihnen, den Täternder Silvesternacht, sagen wir heute Folgendes: Wenn Sienach Deutschland kommen, vielleicht auch, um Schutzzu suchen, hier aber schwere Straftaten begehen, dannhaben Sie in unserem Land nichts zu suchen .
Wir haben nun die Aufgabe, die Täter schnell zu fin-den, sie vor ein Gericht zu bringen und sie zu bestrafen .Einige fordern, dass wir härtere Gesetze machen . Anderefordern einen besseren Vollzug der bestehenden Gesetze .Ich sage: Wir brauchen beides . Die Bevölkerung erwartetvon uns, dass wir schnell reagieren .Gestern haben sich Bundesinnenminister de Maizièreund Bundesjustizminister Maas darauf verständigt, dieAusweisung krimineller Ausländer zu erleichtern . Wirwollen die Hürden für die Ausweisung ausländischerStraftäter deutlich absenken . Das machen wir bei Strafta-ten gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrt-heit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen Ei-gentum und auch bei Angriffen auf Polizisten . Zukünftigliegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse dannvor, wenn ein Straftäter wegen dieser Delikte zu einerFreiheitsstrafe verurteilt wurde, unabhängig davon, obdiese Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist . Ein besondersschwerwiegendes Ausweisungsinteresse – das ist dienächsthöhere Stufe – liegt zukünftig bei einer Verurtei-lung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahrvor .Asylsuchenden, die Straftaten begehen, werden wirkünftig konsequenter die rechtliche Anerkennung alsFlüchtling versagen . Bei der Frage, ab wann jemandnicht mehr als Flüchtling anerkannt wird, haben wir unsdarauf verständigt, die Schwelle für die genannten Straf-taten von drei Jahren Freiheitsstrafe auf ein Jahr Frei-heitsstrafe zu senken .
Meine Damen und Herren, das ist eine harte Reaktiondes Staates gegenüber den Menschen, die zu uns kom-men und meinen, hier Straftaten begehen zu können,ohne dass das Auswirkungen auf ihre Anwesenheit inDeutschland hätte . Der Rechtsstaat muss und wird seineBürger schützen . Schutz des Rechtsstaates heißt härte-re Gesetze, wenn es nötig ist . Schutz des Rechtsstaatesheißt auch, dass wir Strafgesetze an neue Arten der Tat-begehung anpassen müssen . Schutz des Rechtsstaates
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bedeutet aber vor allem Vollzug unserer Gesetze . Für denBereich der Polizei heißt das mehr Personal und bessereAusrüstung . Wir haben in den Haushaltsverhandlungenfür dieses Jahr 3 000 zusätzliche Stellen für die Bundes-polizei erhalten . Ich gehe davon aus, dass auch die Län-der ihre Polizeien jetzt wieder verstärken werden .
Meine Damen und Herren, zu den Konsequenzen ausder Silvesternacht gehört auch, dass wir nicht verschwei-gen, aus welchen Ländern die Täter kamen, und darüberreden, dass auch kulturelle Hintergründe bei den Tateneine Rolle spielen . Die Silvesternacht macht deutlich,wie schwer es ist, gerade junge, alleinstehende Männermit arabischer Herkunft hier in unserem Land zu inte-grieren . Die Silvesternacht macht auch deutlich, dassjede Integrationskraft einer Gesellschaft endlich ist .Kein Generalverdacht, aber auch kein Verschweigenoder Relativieren von Tatsachen, Integration der zu unskommenden Menschen, aber keine Toleranz gegenüberStraftätern – das ist die Aufgabe, nicht nur in Köln, son-dern überall in unserem Land .Vielen Dank .
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping für
die Fraktion Die Linke .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In derSilvesternacht waren viele Frauen sexualisierter Gewaltausgesetzt . Das, was auf dem Bahnhofsvorplatz in Kölnpassierte, war ein übler männerbündischer Exzess . Esist ein Unding, dass die Polizei den Frauen nicht eherhelfen konnte . Ich möchte den betroffenen Frauen auchganz persönlich mein Mitgefühl aussprechen . SexuelleBelästigung ist keine Lappalie . Diese gilt es überall zubekämpfen .
Die Straftaten müssen umfassend aufgeklärt werden . DieTäter müssen nach den Regeln der Gesetze zur Rechen-schaft gezogen werden . Da darf es weder einen Bonusnoch einen Malus für die Herkunft geben .
Sexismus ist keine Importware aus dem Ausland, son-dern leider fester Bestandteil unserer Gesellschaft . DieHälfte aller Frauen in Europa wurde schon sexuell beläs-tigt, so die Agentur der Europäischen Union für Grund-rechte . Laut Kriminalstatistik werden hierzulande jedenTag 20 Vergewaltigungen angezeigt . 25 Prozent der inDeutschland lebenden Frauen haben bereits Gewalt durchfrühere oder aktuelle Partner erfahren, so eine Studie desFamilienministeriums. Ein großer Teil der Gewalt findetalso in den Familien statt . Es sind in der Regel eben nichtdie Fremden, sondern die Männer, die den Frauen ver-meintlich nahestehen, die an ihnen Gewalt verüben . Nunmag diese alltägliche häusliche Gewalt nicht so spekta-kulär sein wie die öffentliche in Köln, aber aus Sicht derBetroffenen ist sie gleichermaßen belastend . Deswegenmeine ich: Wir müssen sexualisierte Gewalt auch dannthematisieren und bekämpfen, wenn die Täter nicht dievermeintlich Fremden sind .
Wenn Sie, Herr Schröder, von einer Integrationspflichtreden, so finde ich, dass sie für alle Gewalttäter geltenmuss .
Auch die deutschen gewalttätigen Partner müssen offen-sichtlich integriert werden .
Denn Sexismus ist wahrlich nicht das Alleinstellungs-merkmal einer Religion oder einer bestimmten Kultur .Die Unterdrückung von Frauen ist fester Bestandteil allerKulturen, auch der westlichen . Hierzulande mussten dieFrauenrechte doch hart erkämpft werden, und zwar vonder Frauenbewegung . Sie hat diese oft gegen den erbitter-ten Widerstand des politischen Establishments erkämpft .Erinnert sei nur daran, dass noch 1997 große Teile derUnion dagegen waren, die Straffreiheit bei Vergewalti-gung in der Ehe aufzuheben – als ob ein Trauschein eineVergewaltigung weniger schlimm machen würde .Es ist schon erstaunlich, wer alles angesichts musli-mischer Geflüchteter nun auf einmal zur Instantfeminis-tin wird . Viele, die nun angeblich im Sinne des Schut-zes der Frauen vor sexualisierter Gewalt in „Ausländerraus“-Rhetorik verfallen, waren bis vor kurzem nochdafür, das Geld für Frauenschutzhäuser zu streichen .Insofern wird man den Eindruck nicht los, dass in derDebatte Frauenanliegen instrumentalisiert werden . VieleFeministinnen sagen deshalb zum Beispiel in dem Aufruf#ausnahmslos: Wir lassen uns nicht für rassistische Hetzemissbrauchen .
Auffällig an den Debatten nach Köln ist auch Fol-gendes: Bei fast allen lautet die Fragestellung: Wie kön-nen wir Ausländer schneller und effizienter abschieben?Wem es wirklich um die Frauen geht, der müsste die Fra-ge doch anders stellen: Wie können wir Frauen, Kinderund Männer generell besser vor sexualisierter Gewaltschützen?
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
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Ich möchte dazu drei konkrete Maßnahmen vorschla-gen:Erstens, gesetzliche Schutzlücken schließen . Es gibtin der Tat eine Schutzlücke für Opfer sexueller Gewalt .So kommt es nur bei jeder zehnten angezeigten Verge-waltigung überhaupt zu einer Verurteilung . Das heißt,neun von zehn Frauen, die den Mut aufbringen, eine Ver-gewaltigung anzuzeigen, müssen erleben, dass der Täterstraffrei davonkommt . Insofern gibt es aus gutem Grundschon viel länger eine Debatte dahin gehend, dass dasSexualstrafrecht überarbeitet werden muss, gemäß demMotto: Nein heißt nein! Hier gibt es Regelungsbedarf,um Opfern von sexualisierter Gewalt tatsächlich zu hel-fen . Also schließen Sie endlich diese Schutzlücke, anstattGeflüchtete unter Generalverdacht zu stellen!
Zweitens . In den vergangenen Tagen haben Politikerverschiedener Couleur immer wieder unterstrichen, wiewichtig der Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt ist .Hier werden wir Sie beim Wort nehmen, wenn es um dieFinanzierung der Frauenschutzhäuser geht .
Drittens . Dass die Situation vor Ort so eskalierenkonnte, liegt womöglich auch an einer fehlenden Sensi-bilität der Polizei für die Straftat sexuelle Belästigung .
Um so etwas in Zukunft zu vermeiden, bedarf es, wie ichfinde, noch einmal einer Schulungsoffensive, einer Bera-tung, wie man bei Polizei und Justiz mit dieser heiklenSituation umgeht . Unterhalten Sie sich doch einmal mitFrauen, die eine Vergewaltigung angezeigt haben . DieseFrauen hatten nicht immer das Gefühl, dass sie bei Po-lizei und Justiz mit ihrer spezifischen Problemlage gutaufgehoben waren .
An den Reaktionen auf die Straftaten in Köln wirdnoch etwas anderes deutlich: ein zunehmend aggressiver,ja pogromartiger Rassismus . Straftaten einer üblen Män-nergruppe werden missbraucht, um Stimmung gegen alleNichtdeutschen zu machen,
und während dieser Stimmungsmache explodiert die ras-sistische Gewalt . Wissen Sie, was mich wirklich scho-ckiert? Das ist die Hierarchie der Empörung, die sich hierbreitmacht . Vergegenwärtigen wir uns doch noch einmaldas Maß der Aufregung und der Berichterstattung, wennnichtdeutsche Täter auf üble Art und Weise Frauen an-greifen, und vergleichen wir das mit der deutlich gerin-geren Aufregung, wenn sich deutsche Rassisten zu einerMenschenjagd verabreden, wenn ein tunesisches Mäd-chen krankenhausreif geschlagen wird . Sollte uns nichtjedes Opfer gleichermaßen umtreiben und belasten?
Wir haben ein Problem in dieser Gesellschaft – daswurde auch in den Debatten über Köln deutlich –: Wirhaben eine Zunahme an Rassismus und rassistischer Ge-walt; im Zusammenspiel von Hooligans, Neonazis inNadelstreifen und Rechtspopulisten der Straße nimmt dierassistische Gewalt in diesem Land zu .
Sie kennen die Zahlen auch . Diese Gewalt strahlt bis weitin die Mitte der Gesellschaft .Ich finde es unverantwortlich, wenn Politik und Me-dien diesen Rassismus auch noch befeuern . SexuelleGewalt und Kriminalität gilt es zu bekämpfen . Aber werdiesen Kampf kulturalistisch auflädt, wer den Eindruckerweckt, dies sei das spezielle Problem einer bestimmtenKultur oder einer bestimmten Religion, der macht sicham Ende des Tages zum Helfershelfer der AfD und vonPegida .
Wenn diese Regierung eine Pegida-Forderung nachder anderen in Gesetzesform gießt,
dann leistet sie damit eine Aufbauhilfe für AfD undPegida .
Schauen Sie sich doch einmal den Forderungskatalog an,den Pegida vor einem Jahr erstellt hat! Die Hälfte derPunkte ist bereits ganz oder teilweise umgesetzt .
Wer glaubt, AfD und Pegida zu schwächen, indem manihnen nach dem Mund redet, der irrt gewaltig . Ganz imGegenteil: Man stärkt sie damit .
Im Kampf gegen Rassismus und Sexismus war und istOpportunismus kein guter Ratgeber . Die Ängste ernst zunehmen, darf nicht heißen, selber rassistisch zu werden .Es geht darum, die Ängste zu nehmen . Wer die Ängs-te, auf denen Rassismus gedeiht, nehmen will, der musskräftig in die Bereiche Soziales und Bildung investie-ren, der muss alle sanktionsfrei vor Armut schützen, dermuss bezahlbaren Wohnraum für alle sicherstellen, undder muss verbindlich Sozial- und Rentenkürzungen aus-Katja Kipping
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schließen . So trocknet man den Nährboden aus, auf demRassismus gedeiht .Vielen Dank .
Das Wort erhält nun der Bundesminister der Justiz,Heiko Maas .
Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-braucherschutz:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Mit Blick auf die Ereignisse in der Silvesternacht inKöln will ich Folgendes feststellen:Erstens . Niemand darf sich in Deutschland über Rechtund Gesetz stellen, und zwar völlig unabhängig davon,welchen Pass er hat oder ob er überhaupt einen Pass hat .Zweitens . Für sexuelle Übergriffe auf Frauen gibt eskeine Rechtfertigung und auch keine Entschuldigung .Auch ein möglicher kultureller Hintergrund entschuldigtnichts . Ganz im Gegenteil: Er ist noch nicht einmal alsErklärung akzeptabel .
Drittens . Kriminelle müssen für ihre Taten konsequentzur Rechenschaft gezogen werden . Bei kriminellen Aus-ländern ist auch die Ausweisung eine solche Konsequenz .
Ausländer, die sich in Deutschland strafbar machen,werden wir nach Umsetzung der Vorschläge, die Herr deMaizière und ich gestern unterbreitet haben, in Zukunftschneller ausweisen können . Sie werden auch schnellerihre Anerkennung als Flüchtling verlieren können . DieÄnderungen im Ausweisungsrecht, die wir vorgeschla-gen haben, sind nach meiner festen Überzeugung nichtnur angemessen, sondern sie sind auch notwendig .Wir befinden uns zurzeit in einer kritischen Phase, inder sich viele Bürgerinnen und Bürger Sorgen um dieHandlungsfähigkeit des Staates machen . Das dürfen wirnicht zulassen .
Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die sich in denletzten Wochen und Monaten sehr engagiert für Flücht-linge eingesetzt haben . Ja, das gilt auch für Flüchtlinge .Ich habe mit Flüchtlingen gesprochen, die mir gesagt ha-ben: Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen hart bestraftwerden, und schicken Sie sie dann weg . Denn wir wollenwegen diesen Kriminellen nicht in Verruf geraten .Es kommt auf zwei Dinge an: Ja, Recht ist nur so vielwert, wie es durchgesetzt wird . Wir müssen – unabhän-gig von den Abläufen in der Silvesternacht – die Behör-den mit ausreichend Personal ausstatten, damit sie dasRecht auch durchsetzen können .
Darüber wird überall in den Ländern längst diskutiert .Auch die Bundesregierung hat bereits gehandelt . Nichtumsonst haben wir 3 000 zusätzliche Stellen für Bundes-polizisten im Haushalt ausgewiesen .Wenn notwendig, müssen wir auch Gesetze ändern .Wenn wir die Gesetze, wenn es notwendig ist, schnelländern, hat das nichts mit einem Schnellschuss zu tun .Wir sind der Auffassung, dass für eine besondere Täter-gruppe – wir machen das nicht pauschal für alle, sondernfür diejenigen, die vorsätzlich Straftaten gegen Leib undLeben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen diesexuelle Selbstbestimmung, gegen Vollstreckungsbeam-te begehen, und auch für Serientäter bei Eigentumsde-likten – die Voraussetzungen abgesenkt werden sollten,um sie ausweisen zu können . Das wird dazu führen, dasses mehr Ausweisungen gibt . Das wird auch dazu füh-ren, dass es in Zukunft mehr Abschiebungen gibt . Dassind wir nicht nur den Opfern der Silvesternacht in Kölnschuldig, sondern das dient auch dem Schutz zukünftigerOpfer . Im Übrigen schützen wir damit Hunderttausendeunbescholtene Flüchtlinge in unserem Land, die es nichtverdient haben, mit Kriminellen in einen Topf geworfenzu werden .
Wir ändern das Recht auch an einer anderen Stelle . Ja,es gibt im Gesetz Schutzlücken bei der sexuellen Nöti-gung und auch bei der Vergewaltigung . Deshalb hat dieBundesregierung schon im Dezember des letzten Jahreseinen Gesetzentwurf in die Länder- und Verbändean-hörung eingebracht, mit dem wir diese Schutzlückenschließen wollen . Es ist bedauerlicherweise nun einmalso, dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit nichtwegen Vergewaltigung verurteilen konnte, wenn sich einOpfer nicht ausreichend zur Wehr gesetzt hat . Wir wis-sen aber, dass es Fälle gibt, in denen es dem Opfer durchein Überraschungsmoment gar nicht möglich ist, sich zuwehren . Der Kölner Fall ist ein solcher Fall . Wenn vieleMänner um Frauen herumstehen und die Frau gar nichtweiß, von wem sie angefasst wird, ist das nichts anderesals ein Überraschungsmoment . Die hier im Gesetz beste-hende Schutzlücke schließen wir .
Wir schließen auch eine andere Lücke . Wenn Frauenauf Widerstand verzichten, weil sie sich ansonsten nochgrößerer Gewaltanwendung ausgesetzt sehen, dann hatauch das in der Vergangenheit dazu geführt, dass nichtbestraft werden konnte, zumindest nicht im Rahmen des-sen, was nach § 177 Strafgesetzbuch möglich ist . Auchdiese Schutzlücke schließen wir . Das heißt, wir werden –das ist ein Thema, mit dem wir uns schon länger beschäf-tigen – mit dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierungauf den Weg gebracht hat, Frauen ganz massiv besser vorKatja Kipping
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sexueller Gewalt schützen . Es ist bitter notwendig, dasswir das jetzt zügig umsetzen .
Meine Damen und Herren, ich möchte aber noch et-was anderes feststellen: Ja, es stimmt, dass viele Täterin Köln Migranten waren . Aber das Triumphgeheul derPopulisten und der Rassisten sowie die pauschale Hetzegegen Flüchtlinge, die danach eingesetzt hat, sind wider-lich .
Die Krawalle von rechtsradikalen Hooligans am Montagin Leipzig sind genauso empörend wie die Vorfälle inKöln; auch diese verdienen eine Antwort .
Meine Damen und Herren, wir werden unsere Hilfefür Millionen Flüchtlinge in Not nicht dadurch infragestellen lassen, dass einige Hundert von ihnen kriminellsind . Eines sollten wir auf jeden Fall deutlich sagen: Wirwerden es nicht zulassen, dass Kriminelle den gesell-schaftlichen Frieden in unserem Land dauerhaft kaputt-machen, und zwar ganz gleich, ob es straffällige Auslän-der oder deutsche Rechtsradikale sind .Herzlichen Dank .
Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-gen! Wir haben Tag 13 nach Köln, und immer noch gibtes neue Informationen . Eben hat der Innenausschussgetagt . Wir sind bei der Aufklärung ein Stück weiter .Dennoch: Es gibt noch vieles zu klären . Jeder, dem dieFlüchtlinge besonders am Herzen liegen – das sage ichauch ganz persönlich –, will lückenlos wissen, was dapassiert ist, wer es war und wie die Sicherheit von Frauenim öffentlichen Raum geschützt werden kann .
Jede Frau muss sich frei und ohne Angst in der Öffent-lichkeit bewegen können . Das zu garantieren, ist Aufga-be des Staates . Wenn der Staat hier versagt, dann machtdas Angst .Sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum sind keinneues Problem . Sie waren schon ein Problem, bevorFlüchtlinge kamen . Aber neu ist diese Erscheinungs-form, die wir bisher nur aus patriarchal geprägten Gesell-schaften wie Indien oder Marokko kannten . Wir habensie jetzt hier . Das macht Frauen zusätzlich Angst – nichtmehr und nicht weniger als bei anderen Straftaten, abereben zusätzlich .Frauen, die überrumpelt wurden, deren Arglosigkeitfür sexuelle Übergriffe ausgenutzt wurde, waren schonimmer schutzlos . Frauen sind bei Übergriffen in vielenFällen bislang rechtlos . Deswegen, Herr Maas, hattemeine Fraktion schon im letzten Sommer vorgeschla-gen, diese Lücke zu schließen . Sie haben damals gesagt,man könne erst einmal alles beim Alten belassen . Die ge-samte Bundesregierung hat diese Gesetzesänderung ver-schleppt . Das Nein einer Frau muss ein Nein sein, meineDamen und Herren . Sie hätten dieses Gesetz schon habenkönnen . Ihr Versäumnis baden jetzt womöglich auch dieOpfer von Köln aus, weil die Täter nicht bestraft werdenkönnen; auch das gehört zur Wahrheit .
Es gehört sich in einem zivilisierten Land, dass maneinen Täter einen Täter und einen Flüchtling einenFlüchtling nennt .
Nicht aber gehört es sich – das sage ich all denjenigen,die diese Debatte missbrauchen –, dass, wenn ein Täter –oder seien es auch 10, 20 oder 100 – ein Flüchtling war,alle Flüchtlinge zu potenziellen Tätern gemacht werden,meine Damen und Herren .
Denn genau das unterscheidet einen Rechtsstaat, eine de-mokratische und offene Gesellschaft von allen anderen .Deshalb braucht es Aufklärung . Es braucht aber keineaufgeregte Debatte und keine Schnellschüsse .Dass Sie schon vor dem Abschluss der Sachverhalts-aufklärung einen fertigen Gesetzentwurf haben, meineDamen und Herren von der Großen Koalition, ist keineAntwort auf das, was in Köln passiert ist . Was fehlte dennin der Silvesternacht in Köln, und was fehlte anderswo?Herr Schröder, Sie haben das hier sehr deutlich gesagt .Die Handlungsfähigkeit ist aber noch längst nichthergestellt . Es fehlt schlicht und ergreifend an genügendPolizei .
Es waren dort nicht genügend Polizistinnen und Polizis-ten, die die widerwärtigen Taten hätten verhindern kön-nen .
Es waren nicht genügend Einsatzkräfte vor Ort, die diePersonalien der Täter hätten aufnehmen können .
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Angeblich war sogar nur eine einzige Polizistin auf demRevier, um dort Anzeigen aufzunehmen .Weil Sie fragen, wer in Nordrhein-Westfalen verant-wortlich war – ich weiß nicht, ob es Herr Scheuer oderwer auch immer war –, will ich Ihnen eines sagen: Werhat denn die meisten Polizeikräfte eingestellt? Das wa-ren die rot-grünen Landesregierungen . Vorher wurde diesversäumt . Das kann man leider nicht von einem Tag aufden anderen machen .
Ich rufe Sie zu einer sachlichen Debatte
und dazu auf, einen klaren Kopf zu bewahren . Herr Maasund Herr de Maizière haben gestern gesagt: Das Ent-scheidende ist und bleibt die Integration .Ihre Antwort auf diese Taten sind jetzt neue Gesetze,um Abschiebungen zu beschleunigen. Ja, ich finde, dassbei Straftaten auch ausländerrechtliche Konsequenzen zuziehen sind . Vor 14 Tagen haben Sie ein neues Gesetz inKraft gesetzt, das eine solche Verschärfung vorsieht . TunSie aber bitte nicht so, als wäre das die zentrale Antwort .Wohin wollen Sie denn die Flüchtlinge abschieben?Nach Syrien, nach Madaja oder Rakka? Sie wissen, dassdas nicht geht . Es gibt eben Probleme, die sich nicht ganzschnell mit dem Bundesgesetzblatt erschlagen lassen .Ja, es geht um Integration . Dazu gehört, dass alle, diehier leben, Frauen mit Respekt behandeln und akzeptie-ren müssen, dass ein Nein ein Nein ist und dass es darannichts zu deuten gibt .
Der Schlüssel ist Integration .Schauen wir uns jetzt doch bitte einmal die Marok-kaner an, die hierhergekommen sind und deren Asylver-fahren zwei Jahre dauern . Was machen sie eigentlich indieser Zeit? Absolvieren sie einen Integrationskurs undlernen Deutsch? Lernen sie etwas über das Frauenbildin unserem Land? Nein, denn einen Integrationskurs be-kommen sie nicht genehmigt, weil ihre Anerkennungs-quote nur bei 2 Prozent liegt .
Arbeiten können sie auch nicht, weil ihnen das verwehrtwird . Nein, das ist keine Entschuldigung für irgendeineStraftat und auch keine Relativierung, aber das gehört zurWahrheit dazu. Und ich finde, auch diese Wahrheit soll-ten Sie nicht verschweigen .
Schauen wir bitte einmal in ein anderes Land, indem ähnliche Taten geplant gewesen sind, nämlich nachFinnland . In Helsinki haben Integrationsbehörden sehrfrühzeitig darauf hingewiesen, dass es zu solchen Tatenkommen kann . Deswegen hat die Polizei dort sehr früh-zeitig dafür gesorgt, dass dies nicht geschehen ist . Wennwir uns Helsinki und Köln anschauen, dann wissen wir,woran es hier mangelt . Es mangelt an Integrationszent-ren . Die Kräfte vor Ort müssen gebündelt werden, unddie Leute müssen wissen, was geschehen kann . Dadurchkönnten solche Taten verhindert werden .Die Integration wird der Schlüssel sein . Die Problememüssen sehr frühzeitig erkannt und benannt werden, umdann auch handeln zu können und es nicht dem Zufall zuüberlassen .Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie und hateines der besten Rechtssysteme der Welt . Wir sehenaber mit zunehmender Sorge, dass sich junge Männerverabreden, um, wie es heißt, „big party“ zu machen .Wie furchtbar und widerlich ist es, wenn dazu sexuelleÜbergriffe gehören . Dem müssen wir uns entgegenstel-len – auch mit Ausweisungen, die unsere Gesetze bereitsermöglichen .Deutschland hat eine wehrhafte Demokratie . Wir se-hen aber mit Sorge, dass 250 Neonazis in Leipzig-Con-newitz gewalttätige Krawalle organisieren, Autos zerdep-pern, Häuser anzünden und Schaufenster einschmeißen .Auch darauf muss der Rechtsstaat mit Konsequenzenreagieren .
Wir haben eine wehrhafte Demokratie . Wenn Rockerund Türsteher in Köln auf Ausländerjagd gehen und ver-suchen, Selbstjustiz zu üben, dann ist klar: Das muss Kon-sequenzen haben . Wir haben eine wehrhafte Demokratie,und die Anschläge auf Asylbewerberheime reißen nichtab . Wir haben eine wehrhafte Demokratie, und mehrereHundert rechtsradikale Täter sind in Deutschland – wieuns die Bundesregierung gerade auf eine Anfrage hin ge-sagt hat – nach wie vor auf freiem Fuß . Wir haben einewehrhafte Demokratie, und wir sehen und erleben einevöllig enthemmte Hetze und Androhung von Gewalt imNetz, meine Damen und Herren .All das zu sehen, gehört dazu, wenn wir wollen, dassunser Staat wehrhaft und stark ist . Auch deswegen soll-ten wir eine klare und sachliche Debatte mit kühlemKopf führen . Und wenn es irgendetwas gibt, was mich anKöln zusätzlich ärgert, dann das, dass die rechten Hetzerjetzt neue Munition haben, meine Damen und Herren . Eskommt darauf an, dass wir klarmachen: Unser Staat isthandlungsfähig, und wir lassen das nicht zu .Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich: Sorgen Sie da-für, dass es mehr Einsatzkräfte bei der Polizei gibt .
Sorgen Sie dafür, dass niemand den Rassisten noch zu-sätzliche Munition gibt, meine Damen und Herren, undKatrin Göring-Eckardt
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tun wir es erst recht nicht, indem wir Flüchtlinge vorver-urteilen oder insgesamt beurteilen .Vielen Dank .
Thomas Strobl ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Die Silvesternacht beinhaltet einige bittere Wahrhei-
ten . Eine der bitteren Wahrheiten ist, dass sich die Ereig-
nisse mitten im Herzen einer Großstadt ereignet haben .
Es gab sie aber im Übrigen nicht nur in Köln . Auch in
Stuttgart, Frankfurt und Hamburg gab es ähnliche Ereig-
nisse .
Ich mache mir schon Sorgen über Verrohungstenden-
zen und mangelnden Respekt, über eine Brutalisierung in
der Sprache und in den Netzwerken und auch auf unseren
Straßen . Das ist ein gesellschaftliches Problem . Wir soll-
ten darüber eine Wertediskussion führen – nicht nur in
Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland .
Es hat mich beeindruckt, dass gestern ein junger
Mann, der offensichtlich aus einer Moschee kam und
der, auf der Straße vom Fernsehen befragt, was er zu
Köln meine, drei Worte sagte: Ich schäme mich . – Auch
ich schäme mich, wenn ich so manches in den sozialen
Netzwerken lese . Ich schäme mich, wenn Deutsche auf
Demonstrationen einen Galgen oder eine Guillotine vor
sich hertragen . Das ist nicht unser Deutschland, das ist
Vergangenheit und nicht Deutschland im Jahre 2016!
Zu dieser Wertediskussion gehört auch, dass es bei uns
Regeln und Gesetze gibt, an die sich alle halten müssen –
egal woher man kommt . Und es gehört auch dazu, dass
wir die Kraft in diesem Land entwickeln, unsere Rechts-
vorschriften von Anfang an konsequent durchzusetzen .
Die Kölner Domplatte ist doch nicht erst seit dem
31 . Dezember letzten Jahres ein Problem, sondern die
Zustände dort sind schon seit Monaten und Jahren be-
kannt . Hier in dieser Stadt, in der wir gerade die Diskus-
sion führen, gibt es seit Jahren Verhältnisse, die nicht in
Ordnung sind . Lassen Sie uns Köln auch als einen Weck-
ruf ansehen . Es darf in Deutschland keine No-go-Areas
geben . Es darf in Deutschland keine rechtsfreien Räume
geben . Es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass wir die Miss-
stände überall beseitigen, damit sich Frauen und Männer
in Deutschland Tag und Nacht überall frei bewegen kön-
nen . Dazu müssen wir handeln .
Unsere Polizei: Ja, wir tun etwas für unsere Bundes-
polizei . Es gibt mehr Mittel, mehr Personal und mehr
Möglichkeiten . In diesem Haushalt haben wir 3 000 zu-
sätzliche Stellen für unsere Bundespolizei geschaffen .
Das darf ein Vorbild auch für die Landespolizeien sein .
Rasches Handeln ist gefordert, wenn wir erkennen,
dass wir eine Verschärfung unserer Gesetze brauchen .
Ich bin dem Bundesjustizminister und dem Bundesin-
nenminister außerordentlich dankbar, dass wir uns in so
kurzer Zeit verständigen konnten . Diese Koalition redet
nicht nur, sondern sie handelt .
Das gilt für das Thema Ausweisung von straffälligen
Ausländern und von Asylbewerbern . Es ist unerklärlich,
wie man vor Gewalt, Vergewaltigung, Folter und Krieg
flüchtet, um hier dann Ähnliches zu tun. Es ist richtig,
solche Menschen aus dem Asylverfahren herauszuneh-
men . Selbstverständlich gibt es in Deutschland für das
„Antanzen“ – was für ein verharmlosender Begriff! – und
das hundertfache Begrapschen von Frauen die rote Karte .
Deswegen werden wir die Gesetze entsprechend ändern .
Mit Blick auf den Bericht des Bundespolizeipräsiden-
ten heute Morgen im Innenausschuss möchte ich einen
Punkt erwähnen, der hier noch nicht angesprochen wor-
den ist . Die Polizistinnen und Polizisten, die in dieser
Nacht ihren Kopf hingehalten haben, hatten keinen ein-
fachen Job . An dem Verhalten der Bundespolizei gibt es
jedenfalls nichts zu kritisieren . Ich danke allen Polizistin-
nen und Polizisten für ihre Arbeit vor Ort in dieser Nacht .
Sie verdienen unseren Respekt und unsere Dankbarkeit .
Ob Lageeinschätzung und Einsatzleitung der Landes-
polizei in Ordnung waren, ist nicht mein Thema . Das
mag der Landtag von Nordrhein-Westfalen untersuchen,
und das wird er tun . Nicht den Polizistinnen und Poli-
zisten in der Silvesternacht ist ein Vorwurf zu machen .
Aber, meine Damen und Herren, dem Polizisten, der am
1 . Januar in der warmen Amtsstube eine Pressemitteilung
geschrieben hat, in der von einem friedlichen Abend und
einer entspannten Einsatzlage die Rede war, ist wohl ein
Vorwurf zu machen .
Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit .
Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident . – DiesePressemitteilung ist nicht am 1 . Januar korrigiert wor-den, auch nicht am 2 . oder am 3 . Januar, sondern dieseMeldung ist tagelang im Raum stehen geblieben . DieserKatrin Göring-Eckardt
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Versuch des Vertuschens und des Täuschens der Öffent-lichkeit hat die Glaubwürdigkeit der staatlichen Organeund der Politik erschüttert und sie aufs Spiel gesetzt . Dasist der eigentliche politische Skandal in dieser Angele-genheit .
Wir werden in der Großen Koalition alles dafür tun,verlorengegangenes Vertrauen in unseren Rechtsstaatwiederherzustellen . Dafür arbeiten wir . Ich lade Sie ein,daran mitzuwirken .Herzlichen Dank .
Für die SPD-Fraktion erhält nun die Kollegin Eva
Högl das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Auf die Ereignisse auf der Domplatte in Kölnin der Silvesternacht, auf die erschreckenden Übergrif-fe, auf die unfassbaren Vorkommnisse gibt es keine ein-fachen Antworten . Ich möchte hier noch einmal ganzdeutlich sagen, dass diese fürchterlichen Ereignisse nichtstraffrei sind, damit hier kein falscher Eindruck entsteht .
Es geht jetzt in erster Linie darum – das sind wir nicht zu-letzt den Opfern schuldig –, diese Straftaten konsequentund lückenlos aufzuklären und die Täter zu ermitteln undumgehend zu bestrafen . Das ist die entscheidende Kon-sequenz aus den Ereignissen in Köln .
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auchfragen: Wer waren die Täter? Woher kamen sie? Auch dasgehört dazu . Da darf es keine Tabus geben, und da darfauch nichts verschwiegen werden. Ich finde es wichtig,auch das in dieser Debatte noch einmal zu betonen . Dasist für die Aufklärung ganz entscheidend . Die Tatsachendürfen auch nicht für rassistische Hetze genutzt werden .Denn die Herkunft der Täter darf nicht dazu führen, dassdie Verfolgung ins Gegenteil verkehrt wird .
Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wirzunächst einmal überhaupt kein Gesetz ändern, sondernwir müssen Handlungsfähigkeit demonstrieren, und dastun wir auch . Wir müssen die bestehenden Gesetze kon-sequent anwenden und vollziehen . Wir brauchen ausrei-chend Polizei – das ist schon gesagt worden; ich betonees noch einmal ausdrücklich –, eine effiziente Strafver-folgung und ausreichende Kapazitäten in der Justiz .Als Zweites – das ist für die Analyse wichtig – müssenwir uns fragen, wie es überhaupt dazu kommen konnteund wie es uns in der Zukunft gelingt, solche Straftatenwirksam zu vermeiden . Denn so etwas hat in unseremLand keinen Platz .
Deswegen fragen wir: Gab es genug Polizeikräfte?Hatte die Polizei in Köln die richtige Strategie? Und wasmüssen wir in Zukunft besser machen? Das A und O ist:Wir brauchen mehr Polizei . Das ist schon oft gesagt wor-den, und es kann nicht oft genug gesagt werden . Deswe-gen fordert die SPD: Nicht nur kleckern, sondern klot-zen! Wir sagen: Wir brauchen 12 000 Polizeibeamtinnenund -beamte mehr in Bund und Ländern .
Wofür brauchen wir sie, liebe Kolleginnen und Kolle-gen? Wir brauchen sie vor allen Dingen auf den öffentli-chen Plätzen, in Einrichtungen, Parks und in den Bahnen .Wir müssen die öffentlichen Plätze stärker sichern . Esdarf in Deutschland keine Angsträume geben . Wir wissenaber, dass es solche Angsträume gibt .
Wir müssen es schaffen, dass alle Bürgerinnen und Bür-ger sich überall sicher fühlen, ob Tag oder Nacht, ob inder Bahn oder auf einem Platz . Das ist unsere gemeinsa-me Aufgabe .Es darf nicht nur in Köln keine Angsträume geben,sondern auch in Leipzig, wo rechtsextreme Hooligansganze Straßen verwüstet haben, und in anderen Städten .Es darf auch keine Orte wie Jamel in Mecklenburg-Vor-pommern geben, wo Demokratinnen und Demokratennicht mehr sicher leben können, weil Rechtsextreme dasDorf beherrschen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Deutschen Bun-destag müssen wir uns fragen, ob wir gesetzgeberischenHandlungsbedarf haben . Ich möchte noch einmal beto-nen, dass es ganz wichtig ist, dass wir nicht auf jedenVorfall – und sei er noch so schlimm; Köln war einschlimmer Exzess und für die Opfer individuell beson-ders schrecklich – mit dem Ruf nach neuen Gesetzen re-agieren . Das ist nicht angemessen .
Aber dort, wo wir nach einer sachlichen und konzen-trierten Diskussion gemeinsam feststellen, dass es Lückengibt, müssen wir sie auch schnell und unaufgeregt schlie-ßen . Das tun wir gerade, und damit demonstrieren wirThomas Strobl
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Handlungsfähigkeit . Auch ich bin sehr dankbar – HeikoMaas hat es hier dargelegt –, dass wir schnell reagieren,indem wir sagen: Wir müssen unser Ausweisungsrechtnoch einmal verschärfen, auch wenn wir das bereits ge-tan haben . Kriminelle Ausländer haben in Deutschlandkeinen Platz . Das halte ich für die richtige Konsequenz .
Wir verschärfen unser Sexualstrafrecht nicht wegenKöln – der Vorschlag liegt schon lange vor –,
sondern wir verschärfen es – und schaffen damit hoffent-lich eine richtige Grundlage und ein gutes Strafrecht –,damit solche Vorfälle wie in Köln und anderswo in Zu-kunft konsequenter bestraft werden können . Wir wollen,dass alle Formen nichteinvernehmlichen Geschlechts-verkehrs bestraft werden .
Wir wollen sexuelle Belästigung bestrafen . Wir habeneine hervorragende Grundlage aus dem Justizministeri-um, über die wir weiter beraten werden . Diejenigen, diebisher diesen guten Gesetzentwurf blockiert haben, soll-ten sich fragen, ob das die angemessene Reaktion war .
Diese Nebenbemerkung sei mir erlaubt .Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wirim Weiteren eine ausreichende Grundlage für eine be-sonnene und konzentrierte Diskussion über den nötigenReformbedarf . Ich bin mir sehr sicher, dass wir im Deut-schen Bundestag aus den Vorfällen in Köln und anderenschrecklichen Vorkommnissen die richtigen Schlüsseziehen, damit wir sie in Zukunft konsequent verhindernkönnen .Herzlichen Dank .
Wolfgang Bosbach erhält nun das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Politik hat schnell und hart reagiert – nun auch mit
Maßnahmen der Bundesregierung –, zunächst einmal vor
allen Dingen rhetorisch . Die ganze Härte des Gesetzes
müsse die Straftäter treffen, heißt es. Was denn sonst?
Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Frau
Kraft, hat sich wie folgt eingelassen: „Straftäter sind
Straftäter, egal wo sie herkommen .“ In den Fällen, wo
die Voraussetzungen gegeben seien, müssten sie abge-
schoben werden. Was denn sonst? Das eigentlich Über-
raschende ist, dass man das sagen und betonen muss .
Warum muss man das eigentlich sagen? Weil es offen-
sichtlich in der Praxis nicht selbstverständlich ist . Weil
es eine große Diskrepanz zwischen dem geltenden Recht
und der Durchsetzung des Rechts gibt .
Alle gesetzlichen Regelungen, sowohl die bestehenden
als auch diejenigen, über die wir noch sprechen werden,
laufen ins Leere, wenn es an dem Willen fehlt, das gel-
tende Recht konsequent anzuwenden . Das ist die Bewäh-
rungsprobe, vor der wir stehen .
Frau Göring-Eckardt, es war interessant, zu erfahren,
dass die Grünen nun mehr Polizei fordern . Das war ein-
mal anders .
Ihre Forderung, die in der Sache richtig ist, wäre viel
glaubwürdiger, wenn Sie in der Regierungsverantwor-
tung vor allen Dingen in Berlin und in Nordrhein-West-
falen um das Jahr 2000 herum nicht für einen massiven
Abbau von Polizeistellen gesorgt hätten .
Wir können der Polizei nicht ständig neue Aufgaben
übertragen .
Wir sollten uns darauf verständigen, dass derjenige,
der das Wort hat, es auch nutzen kann .
Dass das wehtut, Herr Hofreiter, ist mir klar .
Sie sind doch so sehr für politische Korrektheit . Politischkorrekt ist die Wahrheit .
Deswegen müssen Sie sich das in Ruhe anhören .
Wir können der Polizei nicht ständig neue Verantwor-tung und neue Aufgaben übertragen, ohne sie personellangemessen auszustatten . Die Polizei braucht die richtigeDr. Eva Högl
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Personalausstattung, das richtige rechtliche Instrumenta-rium und auch die notwendige technische Ausstattung .
Lieber Kollege Bosbach, lassen Sie eine Zwischenfra-
ge des Kollegen von Notz zu?
Ja, selbstverständlich .
Bitte .
Geschätzter Herr Kollege Bosbach, vielen Dank für
das Zulassen meiner Zwischenfrage . – Es ist interessant,
dass Sie auf Berlin rekurrieren . Wir Grüne haben vor vie-
len Jahren einmal in Berlin regiert . Dass das für Sie eine
so prägende Erfahrung war, ist interessant .
Mich interessiert aber eine andere Frage viel mehr –
Sie waren schließlich lange Jahre Vorsitzender des In-
nenausschusses –: Wie ist es denn um die Verantwortung
der Union bestellt?
Seit über zehn Jahren tragen Sie Verantwortung für die
Innenpolitik auf Bundesebene . Sie wollen das offenbar
mit Ihrem Hinweis auf Berlin im Jahr 2000 vernebeln .
Wo ist die Kompetenzzuschreibung der Union? Sind die
nun bestehenden Missstände nicht durch die Innenpolitik
der Union in den letzten zehn Jahren verursacht worden?
Vielen Dank .
Ich bin Ihnen für diese Frage ausgesprochen dankbar;denn sie gibt mir die Gelegenheit, Ihnen die Kenntnissezu vermitteln, die Sie eigentlich schon hätten haben müs-sen, bevor Sie sich um ein Mandat im Deutschen Bun-destag beworben haben .
Wir haben die Verantwortung für das Bundesamt fürVerfassungsschutz . Wir haben die Verantwortung fürdie Bundespolizei . Wir haben die Verantwortung für dasBundeskriminalamt .
Den massiven Stellenabbau, den es in einigen Bundes-ländern in der Vergangenheit gegeben hat,
hat es im Verantwortungsbereich des Bundes nie gege-ben, und zwar völlig unabhängig in welcher Konstellati-on die Bundesregierung im Amt war . Im Gegenteil: Wirhaben sogar einen deutlichen Aufwuchs der Stellen imVerantwortungsbereich des Bundes zu verzeichnen .
Anders sieht es im Verantwortungsbereich der Länderaus . Viele Länder haben Stellen abgebaut .
Einige haben aber auch Stellen aufgebaut . Den größtenStellenabbau hat es um das Jahr 2000 herum gegeben .Fast die Hälfte des Stellenabbaus der damaligen Zeit ent-fällt auf zwei Bundesländer: auf das Land Berlin und dasLand Nordrhein-Westfalen . Das wollte ich Ihnen an die-ser Stelle nur einmal mitteilen .
Bei aller Kritik, die es in den letzten Tagen gegebenhat: Es besteht überhaupt keine Veranlassung, die Poli-zei, die in Köln im Einsatz war, so pauschal zu kritisie-ren . Es stimmt: Es hat eine Fehleinschätzung der Polizei-führung gegeben .
Aber wir sollten uns heute einmal ausdrücklich bei denenbedanken, die in dieser Silvesternacht in Köln und in an-deren Großstädten in dramatischer Unterzahl ihren Kopfhingehalten haben, um die bedrohten Menschen, insbe-sondere Frauen, zu schützen .
Was mir in den letzten Tagen viel zu kurz gekom-men ist, ist die politische Selbstkritik . Wir müssen unsschon als Parlamentarier, als Politiker selber fragen, obwir nicht auch durch Tun und Unterlassen einen Beitragdazu leisten, dass es überhaupt zu solchen dramatischenVorfällen kommen kann . Die Gewerkschaft der Polizeischreibt am 3 . Dezember – ich zitiere –: Eine Situation,in der die zuständige Grenzpolizei in HunderttausendenFällen nicht mehr erfährt und wegen politischer Abspra-chen nicht mehr erfahren kann, wer unter welchem Na-men und aus welchem Grunde in das Land einreist, istmit Blick auf die Gewährleistung der inneren Sicherheitstaatsgefährdend .Ein Polizist, der in Köln in dieser berühmten Silves-ternacht im Einsatz war, schreibt: Zahlreiche Bürgerin-nen wurden nicht vor diesen Männern geschützt, und dashat nicht nur mit polizeilicher Arbeit, sondern auch mitpolitischen Entscheidungen zu tun, die dazu führen, dasssich in einem bisher unbekannten Ausmaß Männer mitsolchem Verhaltensbild in derartiger Größenordnung zu-sammenrotten .Es ist richtig, dass unser Asylrecht keine Obergrenzenkennt .Wolfgang Bosbach
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Herr Kollege .
Unser Asylrecht kennt keine Quoten und kennt keine
Höchstgrenzen .
Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass wir eine
völlig unbegrenzte Aufnahmefähigkeit haben, eine völlig
unbegrenzte Integrationskraft . Das gilt weder für die Ge-
sellschaft noch für den Arbeitsmarkt .
Je besser und je rascher Integration gelingt, desto eher
ist die Möglichkeit gegeben, dass sich solche Ausschrei-
tungen nicht wiederholen . Wir stehen nicht nur vor einer
Herausforderung, –
Lieber Kollege Bosbach .
– wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes .
Deswegen brauchen wir eine politische Kurskorrektur .
Diesen Kontrollverlust, den wir seit Sommer vergange-
nen Jahres haben, müssen wir so rasch wie möglich be-
enden .
Nun hat die Frau Bundesministerin Schwesig dasWort .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren Abgeordnete! Jede Frau, die schon einen se-xuellen Übergriff erlebt hat, weiß, dass er sich verdammtschlimm anfühlt, und sie weiß, dass keine Beschreibungder Tat – auch nicht wirklich Gesetze – das aufhebenkann, was sie erlebt hat und was sie auch begleiten wird,vielleicht ein Leben lang . Dennoch müssen wir dafürSorge tragen, dass jede Frau in unserem Land weiß, dasssie den Übergriff ansprechen soll, dass sie ihn zur Anzei-ge bringen soll und dass wir mit aller Konsequenz sol-che Taten verfolgen, egal wer sie begangen hat, woherer kommt oder wohin er will . Jeder Übergriff gegen eineFrau ist ein Übergriff zu viel .
Wir sind das den Frauen schuldig, die in Köln und inanderen Orten in der Silvesternacht Schlimmes erlebthaben, in einer Form, die wir uns so bisher nicht vor-stellen konnten, und wir sind es auch den Frauen schul-dig, die Übergriffe im Alltag erleben und sich vielleichtmanchmal allein mit diesem Thema fühlen, weil es nichtangesprochen wird . Das betrifft den Arbeitsplatz, denBekanntenkreis, die U-Bahn oder auch das Zuhause . Wirsind es jeder einzelnen Frau schuldig .Ich liebe eigentlich eher lebendige parlamentarischeDebatten . Es gehört sicherlich dazu, dass man gegensei-tig Versäumnisse aufrechnet . Aber ich glaube, es gehtjetzt weniger darum, gegenseitig aufzurechnen, werwann wie viel Polizei zur Verfügung stellt, sondern mehrum einen Konsens aller demokratischen Fraktionen .
Diese müssen sagen: Wir wollen diese Vorfälle zumAnlass nehmen, um Frauen, die so etwas erleben, denRücken zu stärken, die Taten zur Anzeige zu bringen, da-mit sie konsequent verfolgt werden können .
Wenn wir das wollen, müssen wir über jede einzelneTat und auch über die Umstände offen sprechen können .Wenn wir wollen, dass die Rechtsextremen diese Tatenjetzt eben nicht so widerlich benutzen, wie sie es tun,dann müssen wir Demokraten den Mut haben, anzuspre-chen: Ja, in der Silvesternacht waren es viele Männer ausanderen Ländern, die eigentlich gesagt haben, sie wolltenSchutz bei uns; aber sie haben den Frauen hier Schutzgenommen . Das muss ausgesprochen werden . Alles an-dere ist Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremisten .Das nicht zuzulassen, sind wir den Frauen und allenFlüchtlingen, die hier anständig leben und leben wollen,gemeinsam schuldig .
Wir sollten aber gleichzeitig darüber sprechen – dashaben heute schon viele getan –, dass sexuelle Gewaltin ganz verschiedenen Formen im Alltag viele Frauenbetrifft . Wir müssen diese Diskussion jetzt zum Anlassnehmen, den Frauen besser zu helfen . Deshalb unterstüt-ze ich sehr die Vorschläge des Bundesjustizministers, dieLücken im Sexualstrafrecht zu schließen, und deshalbmüssen wir noch stärker als bisher in unserem Land aucheine Debatte darüber führen, wie wichtig uns gleicheRechte für Frauen und Männer sind .Es ist auch eine Chance, deutlich zu machen: Wirhaben eine ganz klare Trennlinie . Wir erwarten, dass je-der, der in diesem Land aufwächst, und jeder, der zu unskommt, die Rechte von Frauen achtet und unterstützt .Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt . Fürsexistische Gewalttäter ist in diesem Land genauso we-nig Platz wie für Rassisten, egal ob sie Deutsche sindoder Ausländer .
Wir müssen dieses Signal senden .
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Ich sage ganz klar: Wenn Menschen in anderen Län-dern, aus denen viele vor Gewalt und Krieg fliehen,mitbekommen, dass wir ein Land sind, das Schutz fürKinder, Frauen und Männer bietet – ein solches Landwollen wir weiterhin sein –, dann müssen sie auch mit-bekommen, dass wir eine Werteordnung haben, und die-se Werteordnung beinhaltet auch die Rechte der Frauen .Das heißt aber auch, dass wir hier, im eigenen Land, mitgutem Beispiel vorangehen müssen .
Wir haben jetzt gemeinsam die Chance, die Rechtevon Frauen viel stärker in den Mittelpunkt zu rückenund diese auch viel stärker als bisher zum Thema in Inte-grationskursen und auch in anderen Debatten zu machen .Wir haben es jetzt selber in der Hand, zu klären, ob dasJahr 2016 so schrecklich, wie es für viele Frauen begon-nen hat, bleibt oder ob wir es zu einem Jahr für Frauen,für mehr Rechte von Frauen, für mehr Respekt vor Frau-en machen . Das liegt in unserer Hand, und dafür werbeich .
Andreas Scheuer ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Frau Bundesministerin, ich glaube, wir sollten nichtKöln zum Anlass nehmen, diese Diskussion zu führen;vielmehr sollte es in unserer Gesellschaft eine Selbstver-ständlichkeit sein, dass alle gegen Übergriffe in Form se-xueller Gewalt ankämpfen, egal wer sie ausübt und egalwas gerade für eine politische Diskussion geführt wird .
Aber wir müssen natürlich auch darüber diskutierenund klarstellen, dass Deutschland ein Staat des Rechtsund der Sicherheit ist . Das ist auch der Grund dafür, dassDeutschland in der Welt so angesehen ist . Deutschlandhat in einzigartiger humanitärer Verantwortung Flücht-linge aufgenommen und viel geleistet . Aber unsere Ma-xime muss auch sein, dass Bürgerinnen und Bürger dieKlarheit und die Garantie haben, dass Deutschland sicherist und auch sicher bleibt . In dieser Verantwortung müs-sen wir die Diskussion führen . Niemand stellt Ausländerunter Generalverdacht . Wer das trotzdem tut, stellt diegesamte Bevölkerung unter Generalverdacht .Die Bürgerinnen und Bürger können die Wahrheitschon richtig einschätzen . Die Bürger können zwischengesetzestreuen Migranten und Kriminellen unterschei-den . Das sage ich auch, selbst wenn jetzt hier oft eine an-dere Diskussion geführt wird oder versucht wird, etwasanderes in die politische Diskussion zu bringen: Es gibtgewaltbereite und kriminelle Extremisten, aber nicht nurvon rechts, sondern auch von links, und das muss auchklargestellt sein .
Die Bürger aber dürfen nicht bevormundet werden,wenn es um den Anspruch auf Information, auf Wahrheitund auf Tatsachen geht . Das treibt viele Bürgerinnen undBürger in den Zuschriften an die Abgeordneten und andie Parteien um: dass wir eine gefährliche gesellschaft-liche Diskussion bekommen, wenn wir nicht offen auchdie Probleme und Sorgen der Bürgerinnen und Bürgeransprechen und wenn in verschiedenen Berichten sogarversucht wird, zu vertuschen, was vorgefallen ist . Es istunsere Aufgabe, das offen zu diskutieren .Deswegen geht es um Vertrauen – Vertrauen in die Po-litik, in unsere Demokratie . Die Bevölkerung wurde überdie Schande von Köln lange im Unklaren gelassen, unddeswegen müssen wir dafür sorgen – alle in unserer Ge-sellschaft haben da dieselbe Verantwortung –, dass diesesVertrauen in Medien, Politik, in Behörden hergestellt ist .Nur so kann die Herausforderung der Integration bei mil-lionenfacher Zuwanderung gelingen . Die Bevölkerung –da gebe ich Kollegen Bosbach absolut recht – muss wis-sen, wer zu uns kommt, wer bei uns lebt, wer sich bei unsaufhält . Deswegen müssen wir auch über die Behördenin den einzelnen Bundesländern dafür sorgen, dass die,die zu uns kommen, ordentlich registriert werden . Das istschon allein dem Anspruch auf Sicherheit, auf Recht undOrdnung geschuldet, den die einheimische Bevölkerunghat .
Köln war ein Ort des Versagens in der Silvesternacht –und ein Versagen der politischen und polizeilichen Füh-rung . Es ist schäbig und feige, sich mit Verweis auf ein-zelne Polizeibeamte herauszureden . Es geht darum, denPolizeibeamten die notwendige Klarheit in der Strategiezu geben . Und ich sage Ihnen: Das bayerische Konzept,wenn es solche Vorfälle gibt, ist „Deeskalation durchStärke, durch Stärke im Auftreten“ und nicht „Deeska-lation durch Rückzug und Schwäche“ . Das muss klar-gestellt werden, damit diese Gruppen auch sehen, dassder Staat sofort, in derselben Sekunde, handelt, wenn essolche Übergriffe gibt .
Deswegen bin ich dankbar für die jetzige Übereinkunftder zuständigen Fachminister zur Verschärfung . Aber ichsage auch: In den Bundesländern – wir haben in dieserDebatte schon viel über Personalabbau geredet – brau-chen wir mehr Uniformierte, mehr Videoüberwachungan den Brennpunkten, vor allem in den Großstädten, undwir brauchen mehr unangemeldete Personenkontrollenbei solchen Aufläufen.
Bundesministerin Manuela Schwesig
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Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen wirdselber im Landtag darüber diskutieren müssen, wie diepolitische Leistung des zuständigen Fachministers zubewerten ist . Aber ich sage Ihnen ganz bewusst, dass esnatürlich auch darum geht, ein zweites Köln, ein zweitesStuttgart, ein zweites Hamburg in Deutschland nicht pas-sieren zu lassen . Deswegen haben wir alle gemeinsameine Verantwortung .Wer als Asylbewerber hier unsere Gastfreundschaftmissachtet, muss sofort abgeschoben werden . Das ist dieklare Botschaft, und das müssen wir ohne Scheuklappenund große politische Unterschiede den Bürgerinnen undBürgern auch ganz klar sagen .Frau Göring-Eckardt, ganz zum Schluss: Ich habe ausIhren Bemerkungen herausgehört, dass Sie sehr an einergelingenden Integration interessiert sind . Ich sage aber:Die Verfahren für Angehörige bestimmter Staaten, dienachweislich rein als Wirtschaftsflüchtlinge hierherkom-men – Sie haben die Marokkaner angesprochen –, dauernzu lange. Warum? Weil die Ausdehnung der Gruppe dersicheren Herkunftsstaaten fehlt .
Wir müssen einen Schnellbescheid erwirken, damit dieseGruppen als Wirtschaftsflüchtlinge schnellstens wiederraus aus unserem Land kommen –
Herr Kollege .
– und wir uns auf die konzentrieren können, die wirklich
schutzbedürftig sind, nämlich die Unbescholtenen, die,
die vor Krieg und Krisen geflüchtet sind. Das ist unsere
gemeinsame Verantwortung .
Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie bei der Aus-
dehnung der Gruppe der sicheren Herkunftsstaaten mit-
machen würden .
Herzlichen Dank .
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
die Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichwill am Ende der Debatte den Fokus noch einmal auf dieFrauen lenken, die die Hauptopfer in Köln waren . Sil-vester in Köln: Das war ein bisher noch nie dagewese-ner Angriff auf die körperliche Integrität, aber vor allenDingen auf die Würde von Frauen und auf den Respektvor Frauen . Alle diese Frauen haben ausnahmslos meinMitgefühl .Zwei Anzeigen wegen Vergewaltigung; Frauen wur-den bedrängt, begrapscht und bestohlen – und die Polizeiwar nicht in der Lage, die Sicherheit zu gewährleisten .Damit wir uns richtig verstehen – es wurde hier schon ge-sagt –: Ich mache nicht einem einzelnen Polizisten einenVorwurf . Ich gehe davon aus, dass jeder in dieser Nachtan seinem Platz das Richtige, Notwendige und Möglichegetan hat . Die schiere Masse war es, die nicht zu bewäl-tigen war .Umso mehr muss von Köln das Signal ausgehen, dasswir eine solche Provokation des Rechtsstaats nicht mehrdulden; denn mit den Frauen trifft man die verletzlichsteSeite unseres Gemeinwesens, und das geht gar nicht .
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, mir als Frau sind übrigens die Nationalitätund der Status eines Angreifers zunächst egal . UnsereGesetze und die zugrundeliegenden Wertvorstellungenmüssen für alle gelten . Ich weiß, dass die überwiegendeMehrzahl der Migranten und Flüchtlinge diese Vorstel-lung teilt . Auch sie wollen ja ihre Töchter, ihre Ehefrauenund ihre Freundinnen vor sexuellen Angriffen geschütztsehen .Ich begrüße ganz ausdrücklich, dass die Reform desSexualstrafrechts endlich vorangeht und auch Grapschenstrafbar werden soll .Ich bin erleichtert, dass sich die Regierung darauf ver-ständigt hat, Personen, die Straftaten insbesondere auchgegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen, die recht-liche Anerkennung als Flüchtling konsequent zu versa-gen .Zu den ganz alltäglichen Selbstverständlichkeiten ge-hört aber auch, dass Frauen alleine oder in Begleitung je-derzeit im öffentlichen Raum sicher unterwegs sein kön-nen . Dieses Recht und diese Freiheit sehe ich gefährdet,und zwar nicht erst seit Köln . Viele Frauen haben heuteschon in der U-Bahn und auf öffentlichen Plätzen ein un-sicheres Gefühl . Das heißt, wir haben doch vor allem einProblem bei der Durchsetzung des Rechts .Polizeistellen in den Ländern – wir haben es gehört –wurden abgebaut . Ich will auch noch einmal den Fokusauf die Polizeiarbeit lenken . Wertvolle Arbeitszeit musszum Beispiel darauf verwendet werden, Bilder von Rot-lichtsündern abzugleichen . Diese Beamten fehlen dochauf der Straße .Wenn dann Straftäter gefasst werden, werden Perso-nalien festgestellt . Die Strafverfahren folgen nach Mo-naten – Verurteilung ungewiss . Auch die Justiz ist über-lastet .Dort müssen wir ansetzen . Jedenfalls müssen die Tä-ter aus Köln genau deshalb zeitnah strafrechtlich belangtwerden . Wir müssen beweisen, dass unser Rechtsstaathandlungsfähig und auch sichtbar ist .Jetzt komme ich noch einmal zu den Tätern . Die meis-ten kommen aus Marokko, Tunesien oder Algerien, hatman mir aus Köln berichtet . Offensichtlich liegen auchAndreas Scheuer
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Erkenntnisse vor, dass seit einigen Monaten verstärktPersonen aus dem nordafrikanischen Raum als Flücht-linge getarnt zu uns reisen . Dazu sage ich klipp und klar:Menschen, die das Gastrecht missbrauchen, müssen ge-hen .
Mir ist aber wichtig, dass wir differenzieren . Nachder Auswertung seitens der Kölner Polizei ist von denSchutzsuchenden aus Syrien nicht einmal ein halbes Pro-zent polizeilich aufgefallen . Wenn es um die Bleiberech-te dieser Schutzbedürftigen geht, bin ich nach wie vordavon überzeugt, dass Integration gut gelingen kann .An dieser Stelle geht es auch um kulturelle Bildung .Sie ist oft patriarchalischer Art und auch nicht zwangs-läufig ähnlich unserer. Das kann sich aber ändern. DerKriminologe Christian Pfeiffer hat in seinen Forschun-gen an jungen Migranten festgestellt, dass und wie sicheine Macho-Orientierung abschwächt und sich die Ge-schlechterrollen in den Familien verändern, wenn dieMenschen hier sind . Es sei so einfach: Arbeit, Bildungund deutsche Freunde .
Frau Kollegin .
Gerade gestern konnte ich mich mit meiner Gruppe
der Unionsfrauen und den Arbeitnehmern in der Unions-
fraktion davon überzeugen, dass die BA im Hinblick auf
die Flüchtlinge gut gerüstet ist .
Ich komme zum Schluss . Wir müssen uns noch stärker
für ein funktionierendes Gemeinwesen einsetzen . Das
gelingt nur, wenn sich niemand zurücklehnt und wir uns
nicht in eine beobachtende Haltung – ich spreche da vor
allen Dingen von den sozialen Netzwerken – zurückdrän-
gen lassen . Nein, das Beobachten reicht nicht . Wir müs-
sen uns – da spreche ich jetzt auch für die Bürgerinnen
und Bürger – für diesen Staat einsetzen . Wir müssen uns
für das Gemeinwesen verantwortlich fühlen . Für uns ist
das ein politischer Auftrag .
Herzlichen Dank .
Ich schließe die Aussprache und rufe nun unseren Ta-
gesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
serung der Registrierung und des Datenaus-
tausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen
Drucksache 18/7203
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss Digitale Agenda
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO
Eine Aussprache ist dazu heute nicht vorgesehen . Wir
kommen daher gleich zur Überweisung . Interfraktionell
wird vorgeschlagen, die Vorlage an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen .
Damit kommen wir nun zum Tagesordnungspunkt 2:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der Pflegeberufe.
Für Erläuterungen und Rückfragen stehen der Bun-
desminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, und die
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend, Frau Manuela Schwesig, zur Verfügung .
Ich will gleich zu Beginn darauf aufmerksam machen,
dass ich nicht die Absicht habe, in Zukunft zu gleichen
Themen mehrere Mitglieder der Bundesregierung vor-
tragen zu lassen . Aber wir haben hier eine geteilte und
gemeinsame Zuständigkeit, wie der Kollege Gröhe zu
Beginn vielleicht kurz erläutert, die die Ausnahme von
der sonstigen Regel rechtfertigt .
Damit gebe ich Herrn Minister Gröhe die Gelegenheit
zu seinen einführenden Bemerkungen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich greife gleich die Bemerkung des Präsidenten auf:Ich spreche natürlich lieber von einer gemeinsamen alsvon einer geteilten Federführung . Es ist so, dass dieVerantwortung für den Bereich der Kinderkranken- undKrankenpflege im Gesundheitsministerium und die Ver-antwortung für den Bereich der Altenpflege im Famili-enministerium liegt und zugleich die Finanzierung derzukünftigen Ausbildung wesentlich aus dem Rechtskreisder Kranken- und Pflegeversicherungen gestaltet wird.Daraus resultiert diese gemeinsame Federführung .Sie wissen: In dieser Legislaturperiode haben wir so-wohl mit der Krankenhausreform als auch mit den Pfle-gestärkungsgesetzen wichtige Schritte unternommen, umdie Pflege in diesem Land zu stärken. Jetzt geht es umeinen weiteren wichtigen Schritt: die Stärkung der Aus-bildung und damit die Steigerung der Attraktivität derPflegeberufe. Denn wir werden in den nächsten Jahrenangesichts der wachsenden Zahl pflegebedürftiger Men-schen mehr Pflegekräfte brauchen.Wir haben einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht,der die Stärkung der Berufsausbildung in der Pflege inForm der sogenannten Generalistik vorsieht . Dabei han-delt es sich um die Zusammenführung von Alten-, Kin-derkranken- und Krankenpflege. Das ist etwas, was überJahre in Modellprojekten erprobt worden ist und wieder-holt von den zuständigen Fachministerkonferenzen derLänder und vielen Verbänden gefordert wurde .Karin Maag
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Die Zusammenführung trägt den Berufsanforderun-gen besser Rechnung, weil sich die Gesellschaft zuneh-mend dahin gehend verändert, dass wir etwa im Bereichder Altenpflege aufgrund wachsender Zahlen chronischErkrankter krankenpflegerische Kenntnisse und im Be-reich der Krankenpflege aufgrund wachsender Zahlendemenziell erkrankter Patientinnen und Patienten alten-pflegerisches Know-how brauchen.Diese Zusammenlegung stärkt aber auch die Attrak-tivität der Pflegeberufe, weil weiter gehende Aufstiegs-und Weiterentwicklungsperspektiven in den einzel-nen Pflegeberufen existieren. Es gibt eine gemeinsameGrundausbildung, und es gibt einen sogenannten Vertie-fungseinsatz, etwa im Bereich der Kinderkrankenpflege,in dem dann der wesentliche Teil der praktischen Ausbil-dung erfolgt; auch dies ist wichtig .Wir waren uns mit den Ländern darin einig, dass wiebisher sowohl ein mittlerer Schulabschluss als auch einHauptschulabschluss mit einer besonderen Qualifikati-on, etwa der zehnjährigen Schulausbildung, im Rahmender entsprechenden EU-Vorgaben zum Zugang zu dieserAusbildung berechtigen sollen . Ergänzt – auch dies ist imModellvorhaben erprobt – wird die große Säule der ge-stärkten Berufsausbildung zukünftig durch die Möglich-keit der Länder, dies durch ein Angebot an akademischerPflegeausbildung zu ergänzen, um den Transfer der pfle-gewissenschaftlichen Erkenntnisse in die Pflegepraxis zustärken, aber auch, um für besondere Leitungsaufgabenund spezialisierte Aufgaben auszubilden .Das ist ein großer Schritt, der Fragen, aber auch man-che Sorgen auslöst . Wir werden – hier bin ich zuver-sichtlich – dies im parlamentarischen Verfahren intensivdiskutieren und gemeinsam zu guten Lösungen für alleTätigkeitsfelder in der Pflege kommen.
Frau Schwesig, schließen Sie sich gleich an? – Bitte.
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Gröhe hat es ge-
sagt: Wir wollen mit diesem Gesetz die Pflegeberufe at-
traktiver machen; denn wir brauchen in diesem Bereich
Nachwuchs. Wir wollen, dass jeder im Land, der Pflege
braucht, ob es ein kleines Kind oder die pflegebedürftige
Oma ist, gute Pflege bekommt. Dafür brauchen wir gute
Fachkräfte .
Wenn sich heute junge Menschen für einen Beruf ent-
scheiden, dann müssen sie die Perspektive haben, mit
ihrer Ausbildung in verschiedenen Bereichen, die sich
nahestehen, tätig sein zu können . Das schließt eine Spe-
zialisierung, die heutzutage ohnehin während des Berufs-
lebens gemacht werden muss, nicht aus . Deshalb ist es
schon lange in der Diskussion der Länder, des Bundes
und auch der Fachwelt, zu einer generalisierten Ausbil-
dung zu kommen . Alle Bundesländer haben schon vor
vielen Jahren beschlossen, diesen Weg zu gehen . Ich
freue mich sehr, dass es Herrn Gröhe und mir gemeinsam
gelungen ist, die Ergebnisse dieser langjährigen Diskus-
sion in einen Gesetzentwurf münden zu lassen .
Aus Sicht der Altenpflege, die ich als Ministerin zu
verantworten haben, möchte ich sagen: Dieser Gesetz-
entwurf wird die Altenpflege attraktiver machen. Die
einheitliche Berufsausbildung wird dazu führen, dass
Altenpflege besser anerkannt und wertgeschätzt wird,
dass Altenpflege damit besser bezahlt wird. Es wird Zeit,
dass wir hier zu einer Art dualen Ausbildung kommen,
wo Ausbildungsvergütung statt Schulgeld an der Tages-
ordnung ist .
Das ist aus Sicht der Frauen sehr wichtig . Heutzutage
machen diesen Job zu 80 Prozent Frauen . Die Lohnun-
gerechtigkeit beginnt oft schon am Anfang, indem man
Schulgeld mitbringt, anstatt eine Ausbildungsvergütung
zu erhalten . Insofern ist es auch ein wichtiger Schritt zur
Lohngerechtigkeit .
Herr Gröhe und ich wissen, dass es viele Fragen und
Sorgen gibt, die wir sehr ernst nehmen . Wir freuen uns
auf die parlamentarische Debatte, um hier gut beraten zu
können .
Vielen Dank für die Berichte . – Ich habe reichlich
Wortmeldungen, sodass sichergestellt ist, dass wir die
Zeit benötigen werden . Die erste Worterteilung geht an
den Kollegen Weinberg .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Im Vorfeld des Gesetz-
entwurfes hat es im Ministerium einige kontroverse Dis-
kussionen über die generalistische Ausbildung gegeben .
Das Bündnis für Altenpflege hat eine Folgenabschätzung
zu den Wirkungen der generalistischen Ausbildung er-
stellt und gefordert, dass es für die Ausbildungs- und Prü-
fungsverordnung zumindest Eckpunkte vor Abschluss
des Gesetzes geben sollte . Ist es zutreffend, dass die Bun-
desregierung die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
oder zumindest Eckpunkte bis zum Beginn des Verfah-
rens im Bundesrat oder gar früher vorlegen will? Wenn
nicht: Wann ist damit zu rechnen? Wie ist der weitere
Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens?
Mit den im Bündnis für Altenpflege zusammenge-schlossenen Gruppen finden regelmäßig Gespräche statt,so auch heute . Ja, es ist so: Das Gesetz benennt sehr vielklarer, als es manchmal in der Öffentlichkeit zum Aus-druck kommt, die Kompetenzen, die vermittelt werdenmüssen . Das steht in § 5 des Entwurfes . Aber es erfolgtdann eine Ausfächerung in eine Ausbildungsverordnung .Wir arbeiten hier unter Hochdruck an den Eckpunkten,die zum Zeitpunkt des ersten Durchlaufs durch den Bun-desrat – ich schätze, das ist Anfang März – vorliegen sol-len . Ich bitte um Verständnis . Wir arbeiten unter Hoch-druck, aber wir wollen bei den Eckpunkten auch mehrals Überschriften liefern, die dann neue Nachfragen aus-lösen würden . Insofern soll es sich um eine substanzielleBeteiligung handeln .Bundesminister Hermann Gröhe
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Uns ist daran gelegen, parallel zur Erarbeitung diesesGesetzentwurfes auch deutlich zu machen, in welcheRichtung die Verordnung geht, die Grundlage für späterecurriculare Entwicklungen ist . Den Zeitrahmen habe ichIhnen genannt .
Kollege Beermann .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Meine Frage geht da-
hin: Wie soll eigentlich die Zusammenführung von drei
Ausbildungen ohne Kompetenzverlust möglich sein?
Denkt man darüber nach, die Kinderkrankenpflege viel-
leicht doch herauszunehmen und stattdessen die Heil-
erziehungspflege in das Konstrukt des Gesetzesvorha-
bens mit aufzunehmen?
Kollege Beermann, soweit die Sorgen hinsichtlich
der Kinderkrankenpflege angesprochen wurden, erlaube
ich mir den Hinweis, dass es heute keine separate Kin-
derkrankenpflegeausbildung über drei Ausbildungsjahre
hinweg gibt, sondern diese Ausbildung in die ersten zwei
Jahre der Krankenpflegeausbildung integriert ist und im
dritten Ausbildungsjahr eine Differenzierung stattfindet.
Wenn zukünftig gilt, dass in dem gewählten Vertiefungs-
bereich über die Hälfte der praktischen Ausbildung statt-
findet, dann wird sich dort keine Verschlechterung erge-
ben .
Zweitens . Die Evaluierungsberichte zu den genannten
Projekten, die Sie übrigens bereits im Informationsange-
bot des Deutschen Bundestages finden, zeigen, dass un-
gefähr 70 Prozent der Ausbildungsinhalte identisch sind
oder sich weithin überschneiden . Auch das spricht dafür,
dass es leistbar ist .
Ich erlaube mir den Hinweis, dass sich der Berufs-
verband Kinderkrankenpflege Deutschland e. V. im Sep-
tember für eine Integration der Kinderkrankenpflege als
Spezialisierung in die generalistische Pflegeausbildung
ausgesprochen hat .
Frau Scharfenberg .
Vielen Dank . – Ich möchte bezüglich der Eckpunkte,
die genannt wurden, genauer nachfragen . Mein Kollege
Erwin Rüddel, der pflegepolitische Berichterstatter der
Union, hat sich dahin gehend geäußert, dass Eckpunkte
eigentlich nicht ausreichen, sondern wir die Verordnung
brauchen, um wirklich kompetent entscheiden zu kön-
nen, was die Auswirkungen des Gesetzes sein werden .
Deswegen möchte ich klar und deutlich nachfragen: Wa-
rum spricht man jetzt davon, Eckpunkte vorzulegen, und
nicht davon, die Verordnung vorzulegen? Letztendlich ist
die Verordnung das Herzstück des Gesetzes . Ich glaube,
um eine kompetente Entscheidung, die alle weitreichen-
den Folgen berücksichtigt, treffen zu können, müsste uns
die Verordnung vorgelegt werden . Sonst stimmen wir
hier über ein Überraschungsei ab .
Frau Kollegin, ich habe darauf hingewiesen, dass
der Gesetzentwurf natürlich bereits weit mehr als nur
irgendeine generalistische Berufs- oder Ausbildungs-
bezeichnung enthält . Er enthält – wie bei allen Berufs-
ausbildungsgesetzen üblich – eine konkrete Aufzählung
der Kompetenzfelder, die entwickelt werden müssen . Es
geht darum, die Dinge, die wir in der Vergangenheit im
Zusammengehen mit den unterschiedlichsten Verant-
wortlichen der Länder im Kultusbereich, im Hochschul-
bereich, im Arbeits- und Sozialbereich und im Gesund-
heitsbereich entwickelt haben, weiterzuentwickeln und
zu Beginn der Beratungen, also bevor es hier zur ersten
intensiveren Beratung kommt, substanziierte Eckpunkte
vorzulegen .
Ab dem heutigen Kabinettsbeschluss ist das Parlament
Herr des Verfahrens . Das heißt, wir werden fortlaufend
aus den Eckpunkten den konkreten Verordnungstext ent-
wickeln, und wir werden weitere Gespräche mit den un-
terschiedlichsten Verbänden führen, auch denen, die sich
jetzt kritisch eingelassen haben . Es liegt in Ihren Händen,
in den Händen des Parlamentes, der parlamentarischen
Mehrheit, über die Frage zu entscheiden, in welchem
Stadium der Text einen Grad an Konkretheit erreicht hat,
der es erlaubt, zu sagen: Ja, jetzt können wir in die zweite
und dritte Lesung gehen .
Herr Minister .
Wir werden alsbald substanziierte Eckpunkte vorle-
gen .
Frau Crone .
Das Gesetz ist schon lange in der Mache, auch schonin der letzten Legislaturperiode . Es wird sich viel verän-dern . Meine Frage geht dahin: Wie sind die Zugangsvor-aussetzungen für die Schülerinnen und Schüler? WelcheMöglichkeiten des Aufstiegs gibt es für die Ausgebil-deten? Welche Arbeitsmöglichkeiten ergeben sich fürAbsolventen der akademisierten Ausbildung, der Hoch-schulausbildung?Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank, Frau Abgeordnete . Ziel unseres Geset-zes ist es, verschiedenen Schülern, vom Hauptschülerbis zum Abiturienten, Zugang zum Berufsfeld zu ermög-lichen . Wir stellen mit dem Gesetzentwurf sicher, dassHauptschüler wie bisher in Kombination mit der Pflege-helferausbildung Zugang zu diesem Berufsfeld haben .Durch die Durchlässigkeit haben sie die Möglichkeit,sich weiterzuentwickeln .Bundesminister Hermann Gröhe
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Neu ist, dass wir einen bundeseinheitlichen akademi-schen Abschluss einführen . Das war uns wichtig . Uns istes wichtig, dass es einen bundeseinheitlichen Abschlussgibt, weil wir es in anderen Bereichen oft mit großenUnterschieden zu tun haben . Wir sagen aber auch ganzklar: Nein, unser Ziel ist nicht die vollständige Akade-misierung des Berufes, aber sie soll zum Teil angebotenwerden, um gerade in bestimmten Arbeitsbereichen, beidenen es um komplexe Pflegefälle, aber auch um Lei-tungsfunktion geht, attraktive Berufsmöglichkeiten an-zubieten . Das zeigt: Das Gesetz hat wirklich viel Potenzi-al, verschiedene Abschlüsse zu integrieren . Es bietet aberauch verschiedene Aufstiegsmöglichkeiten .
Frau Vogler .
Mir geht es um eher praktische Fragen, die sich in
Bezug auf den vorliegenden Gesetzentwurf schon jetzt
stellen . In § 7 legen Sie fest, dass Auszubildende in der
praktischen Ausbildung Pflichteinsätze im Bereich der
allgemeinen geronto-, kinder- und jugendpsychologi-
schen Versorgung zu absolvieren haben . Da stellt sich die
Frage: Wie wollen Sie gewährleisten, dass es genügend
solcher Ausbildungsplätze gibt? Es gibt im Moment nur
circa 1 100 Auszubildende zum Kinderkrankenpfleger
und zur -pflegerin, die ein Praktikum in einer Kinder-
klinik durchlaufen . Es gibt nur 50 Kinderkliniken, die
solche Praktika überhaupt anbieten . Sie wollen nun, dass
demnächst alle Pflegeschülerinnen und -schüler eine ent-
sprechende Ausbildung durchlaufen . Aber es gibt doch
große Zweifel, ob die Zahl der Ausbildungsstätten aus-
reicht. Wie wollen Sie ein solches Nadelöhr vermeiden?
Frau Kollegin Vogler, das ist in der Tat eine der Fra-
gen, die immer wieder gestellt werden . Wenn es um das
Ziel geht, später in diesem Berufsbild zu arbeiten, geht es
nicht nur um die Frage, ob für den Vertiefungseinsatz im
Bereich Kinderkrankenpflege ausreichend Ausbildungs-
kapazitäten zur Verfügung stehen . Es geht auch um die-
jenigen, die einen Vertiefungseinsatz in der Altenpflege
oder in der allgemeinen Krankenpflege wünschen. Für
diesen Teil sind im Rahmen der praktischen modularen
Ausbildung nicht alleine Einsätze in Kinderkliniken vor-
gesehen. Vielmehr sollen diese Pflichteinsätze zur Erler-
nung des richtigen Umganges mit Kindern, auch mit er-
krankten und behinderten Kindern, beispielsweise auch
in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe angeboten
werden . Auch in Ausbildungsorten jenseits der Kinder-
krankenpflege wird ein entsprechender Vertiefungsein-
satz angeboten .
Marcus Weinberg .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Im Zuge der Arbeit an
dem Gesetzentwurf gab es eine breite kritische Diskus-
sion; Sie haben das auch bestätigt. Es wird häufig da-
rauf hingewiesen, dass die Generalistik viele Perspekti-
ven bietet, aber möglicherweise auch Gefahren mit sich
bringt . Dann kommt man sehr schnell auf das Thema
Altenpflege. Ich würde gerne wissen, wie sichergestellt
werden kann, dass die Altenpflege innerhalb der Gene-
ralistik nicht an Bedeutung verliert . Ich frage das gerade
vor dem Hintergrund, dass wir in diesem Bereich künftig
einen Fachkräftemangel haben werden .
Frau Schwesig, Sie können die Frage gerne im Sitzen
beantworten .
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Danke schön, Herr Präsident, Sie haben diese Fürsorge
schon bei der letzten Regierungsbefragung walten lassen .
Allerdings ist der Umfang des Bauches so fortgeschrit-
ten, dass ich besser im Stehen reden kann . Deswegen
wechsele ich immer . Ansonsten drückt das Baby zu sehr
auf die Atmung . Oder Sie geben mir ein bisschen mehr
Redezeit . Aber noch einmal: Vielen herzlichen Dank .
Aus unserer Sicht ist es so, dass die geplanten Maß-
nahmen – sie sind politisch innerhalb der Länder sehr
früh diskutiert worden – eher dazu führen, dass der Be-
reich der Altenpflege attraktiver wird. Jetzt ist es weniger
so, dass wir junge Menschen finden, die sagen: Hurra,
Altenpflege! Die vielfältigen Möglichkeiten, im Bereich
Gesundheit und Pflege das Berufsfeld zu wechseln, die
sich durch den Abschluss ergeben, machen den Bereich
Altenpflege attraktiver.
Der einheitliche Berufsabschluss wird auch zu einer
Veränderung der massiven Lohnunterschiede führen,
die derzeit zwischen Altenpflege und Krankenpflege be-
stehen; in der Altenpflege wird weniger gezahlt. Das ist
übrigens ein Grund, warum einige gegen diesen Gesetz-
entwurf sind . Ich bin sehr dafür, dass der Bereich der Al-
tenpflege finanziell besser ausgestattet wird.
Außerdem sehe ich die große Chance, dass die Kennt-
nisse der Altenpfleger, die oft total unterschätzt werden,
in der Krankenpflege zukünftig eine größere Rolle spie-
len . Das ist wichtig, weil viele ältere Menschen in den
Krankenhäusern behandelt werden .
Mit Blick auf die Altenpflege sehe ich daher die Chan-
ce, dass wir durch diese Attraktivitätssteigerung mehr
Fachkräfte gewinnen .
Frau Schulz-Asche .
Herr Minister, ich habe eine Frage zu den Folgen desGesetzes für die Zahl der zur Verfügung stehenden Aus-bildungsplätze, und zwar sowohl hinsichtlich der Kostenals auch hinsichtlich der schulischen Ausbildungskapa-zitäten . Wir haben in diesem Bereich bereits heute einensehr großen Mangel an Lehrfachkräften, und wir wissen,dass mit diesem Gesetz die Anforderungen an die Lehr-Bundesministerin Manuela Schwesig
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kräfte auf jeden Fall steigen werden . Von daher meineFrage: Wo sehen Sie in diesem Bereich des Gesetzes dieGefahren, und wie wollen Sie ihnen entgegenwirken?
Frau Kollegin, ein Teil dieser Herausforderungen be-
steht unabhängig davon, ob wir die Systematik der Aus-
bildung ändern . Ohne Zweifel werden wir allein in der
Altenpflege in den nächsten 15 Jahren 1 Million mehr
Pflegebedürftige haben. Insofern werden wir einen Auf-
wuchs an Pflegekräften dringend benötigen und damit
verbunden auch entsprechende schulische Angebote .
Diese Herausforderung besteht unabhängig vom Ausbil-
dungsmodell .
Wir sind davon überzeugt, dass durch die Kombinati-
on die Attraktivität erhöht werden kann . Wir unterbreiten
ein akademisches Angebot, zum Beispiel für Lehrkräf-
te . Hinzu kommt das, was wir bereits entwickelt haben:
Stärkung der Betreuungsassistenz, der Pflegehelferberuf.
Jetzt kommt eine moderne Berufsausbildung im Bereich
Pflege hinzu. Damit steigern wir insgesamt die Attrakti-
vität .
Das wird zu Mehrkosten führen . Im Gesetzentwurf
ist von den Mehrkosten ja auch die Rede . Wir schlagen
eine Fondslösung vor, die dafür sorgt, dass diejenigen,
die jetzt in der Verantwortung stehen, in Verantwortung
bleiben . Bei einer steigenden Zahl der Schülerinnen und
Schüler – derzeit haben wir einen Ausbildungsrekord;
wir hoffen, dass das so weitergeht – haben sie die Kosten
entsprechend zu tragen .
Frau Yüksel .
Vielen Dank . – Da es in der Bevölkerung Ängste gibt,
die auch an uns herangetragen werden, würde ich gerne
nachfragen: Könnten Sie bitte noch einmal kurz erläu-
tern, was mit den bisherigen Ausbildungsabschlüssen in
der Altenpflege und Krankenpflege passiert? Werden sie
wertlos?
Auch wenn die Ausbildung verändert wird, wird die
bisherige Qualifikation für die Arbeit in diesem Tätig-
keitsfeld natürlich in keiner Weise entwertet . Diejenigen,
die in der Alten-, der Kranken-, der Kinderkrankenpfle-
ge mit den bisherigen Abschlüssen arbeiten, werden im
Rahmen ihrer Qualifikation – auf die Ausbildung folgen
ja häufig Weiterbildungen und Spezialisierungen – wei-
terhin arbeiten können .
Es wird eine Übergangszeit geben . Wenn wir dieses
Gesetz 2018 einführen, werden die dann bestehenden
Ausbildungsgänge selbstverständlich fortgesetzt, damit
all diejenigen, die unter den Bedingungen der heutigen
Rechtslage eine Ausbildung begonnen haben, sie bis zum
Ende fortsetzen können . Der Gesetzentwurf sieht die
Umstellung zum 1 . Januar 2018 vor . Letztlich wird aber
bis 2022 eine Vollendung der Ausbildung nach dem al-
ten Modell mit den entsprechenden Ausbildungsschwer-
punkten und Tätigkeitsfeldern möglich sein .
Frau Hein .
Frau Ministerin, mit meiner Frage möchte ich auf Ihr
Eingangsstatement reagieren . Sie haben zu Recht gesagt,
dass es wichtig ist, eine Ausbildungsvergütung zu erhal-
ten, dass das besser ist, als Schulgeld zahlen zu müssen .
Da stellt sich mir aber die folgende Frage: Wie werden
die derzeit bestehenden privaten Altenpflegeschulen und
privaten Krankenpflegeschulen, die Schulgeld verlangen
und die es massenhaft gibt – die Zahl dieser Schulen ist ja
sogar gestiegen –, künftig finanziert werden?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Das Gesetz wird regeln, dass zukünftig eine angemes-
sene Ausbildungsvergütung gezahlt wird . Das Gesetz
wird übrigens auch regeln, dass die Zeit der Ausbilder
zusätzlich anerkannt wird. Jetzt besteht häufig ein Pro-
blem darin, dass die Ausbildung nicht wirklich gut durch-
geführt wird, weil der Ausbilder oder die Ausbilderin oft
auch noch Verpflichtungen in der Pflege hat.
Beim Thema Schulgeldfreiheit stellt sich die Frage
nach den Kosten . Herr Gröhe hat unser Vorgehen eben
beschrieben . Wir richten einen gemeinsamen Fonds ein,
in den die Länder weiterhin einzahlen, in dem aber zum
Beispiel auch die Gelder der Arbeitgeber enthalten sind .
Da muss man ganz klar sagen: Das wird ein gerechte-
res System . Denn bisher haben nur die Arbeitgeber ge-
zahlt, die auch ausgebildet haben, und andere haben sich
zum Teil zurückgelehnt . Wir haben – dafür bin ich Herrn
Gröhe außerordentlich dankbar – auch die Möglichkeit,
einen Teil der Einnahmen durch die Beitragserhöhung
bei der Pflegeversicherung, der privaten und der gesetz-
lichen, in den Fonds zu geben, sodass die Finanzierung
insgesamt gut gesichert ist .
Kollege Henke .
Wir sind es ja aus der Medizin gewohnt, dass es aufder Basis einer einheitlichen Ausbildung – in dem Falldes Medizinstudiums – nachfolgend eine Spezialisierunggibt . Der Chirurg, der Psychiater, der Internist und derPathologe sind alle auf der Basis einer einheitlichen Aus-bildung Ärzte geworden und haben sich dann auf dieserBasis spezialisiert . Es sind keine unterschiedlichen Be-rufe . Es ist ein einheitlicher Beruf . Dass diese Konzep-tion auch für die Ausbildung in der Pflege attraktiv ist,erschließt sich ja. Das finde ich einfach.Wir haben aber natürlich bei, glaube ich, derzeit126 000 Auszubildenden in der Kranken- und in derAltenpflege und 6 300 Auszubildenden in der Kinder-krankenpflege – darauf sind wir eben schon einmal ein-gegangen – das Dilemma oder die Sorge, ob die PlätzeKordula Schulz-Asche
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ausreichen, um die Schwerpunktausbildung in der Kin-derkrankenpflege im Praktischen beizubehalten undgleichzeitig auch die pädiatrischen Pflichteinsätze füralle zu ermöglichen . Mich würde interessieren, ob das ander Praxis gemessen wird oder ob es gewissermaßen amWillen gemessen wird .
Herr Kollege Henke, bei der Kinderkrankenpflege, auf
deren zahlenmäßig kleineren Anteil an der Gesamtaus-
bildung Sie hingewiesen haben, ist heute schon entschei-
dend, dass zwei Drittel der Ausbildung voll integriert in
die Krankenpflege stattfinden. Das liegt an der großen
Schnittmenge des erforderlichen Grundwissens . Für die-
jenigen, die in Zukunft den Vertiefungseinsatz wählen,
ändert sich – einmal abgesehen von einer stärkeren Ori-
entierung der Ausbildung in Richtung der Beschäftigung
mit Kindergesundheit – insofern nichts . Wie ich gerade
ausgeführt habe, müssen diejenigen, die diesen Vertie-
fungseinsatz wählen, wie andere auch ihre Ausbildungs-
stelle finden. Insofern ist es für die entsprechenden Ein-
richtungen durchaus attraktiv, hier werben zu können,
um junge Menschen zu gewinnen .
Für diejenigen, die mit dem Vertiefungseinsatzziel
Altenpflege, Krankenpflege sozusagen eher im ergänzen-
den Bereich tätig werden, brauchen wir eine Ausweitung
der Praxisorte . Das geschieht durch die Hinzuziehung
der Orte der Kinder- und Jugendhilfe . In den stationären
Jugendhilfeeinrichtungen finden Sie eine Fülle von Er-
fahrungen, die gerade mit den gesundheitlichen Bedürf-
nissen von Kindern und Jugendlichen zusammenhängen .
Auch das sind geeignete Ausbildungsorte für diesen Teil
der Praxisausbildung .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Schlegel,
SPD-Fraktion .
Herzlichen Dank . – Meine Frage ist: Was geschieht
mit den heutigen Kranken- und Altenpflegeschulen und
deren Strukturen und natürlich auch mit den Schulleitun-
gen und den Lehrkräften?
Es hat dazu ja Untersuchungen gegeben, etwa zur
Mindestgröße und zu anderem mehr . Wir werden in dem
Prozess, den ich geschildert habe, eine Überführung
gerade jener Ausbildungsorte im schulischen Bereich
durchführen, die sich allein auf einen Ausbildungsgang
fixiert haben. Sie werden sich verändern; das Ziel ist hier
ein generalistisches Schulangebot . Gerade darüber sind
wir deswegen mit den Ländern, den für die schulischen
Angebote Zuständigen, aber auch mit den Anbietern ent-
sprechender schulischer Angebote im Gespräch . Natür-
lich führt die generalistische Ausbildung dazu, dass sich,
während die Vielfalt der Einsatzorte uneingeschränkt
bleibt, der Charakter der Schulen in der breiteren Ausbil-
dung weiterentwickelt .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Wöllert,
Fraktion Die Linke .
Danke schön . – Meine Frage bezieht sich auf die schu-
lische und die hochschulische Ausbildung . Beides dauert
drei Jahre . In § 5 des Gesetzentwurfes sind die gleichen
Kompetenzen auch für die hochschulische Ausbildung
vorgesehen . Darüber hinaus gibt es noch einen speziellen
Bereich . Für mich ist jetzt die Frage: Wie wird bei der
hochschulischen Ausbildung gesichert, dass die Praxis-
ausbildung die gleiche Qualität hat wie bei der schuli-
schen Ausbildung, und wie wirken sich unterschiedliche
Abschlüsse, Berufsausbildungsabschluss und Hoch-
schulabschluss, nachher im Ergebnis, in der praktischen
Tätigkeit, bei der Bezahlung vor Ort aus?
Frau Kollegin Wöllert, wie Kollegin Schwesig schon
ausgeführt hat, gehen wir davon aus, dass mit der Stär-
kung der Berufsausbildung in der Pflege deutlich wird:
Diese duale Berufsausbildung ist auch weiterhin das
zentrale Ausbildungsangebot für die Pflege. Die Länder
haben in akademischen Pilotprojekten ergänzend Pfle-
gestudien eingeführt . Hier gibt es jetzt die Verabredung,
den Ländern generell zu ermöglichen, diese anzubieten;
sie entscheiden dann über den Umfang . Es gibt einen
gemeinsamen Abschluss, der sicherstellen muss, dass es
eine gleiche Qualifizierung gibt, auch für die praktische
Arbeit in der Pflege. Diese sicherzustellen, wird Aufgabe
der Studiengestaltung mit praktischen Zeiten sein .
Das kennen wir ja auch aus anderen Fachberufen mit
akademischem Teil, auch in Gesundheitsberufen . Auch
bei Physiotherapeuten beispielsweise gibt es bereits heu-
te neben der Berufs- und der schulischen Ausbildung
eine fachhochschulspezifische Ausbildung. Diese wird
vor allen Dingen im Hinblick auf die Tätigkeiten angebo-
ten, bei denen es um den schnellen Transfer von pflege-
wissenschaftlichen Kenntnissen in die Pflegepraxis und
andere Bereiche, etwa die Leitungsverantwortung, geht .
Dann wird der Verantwortung entsprechend bezahlt .
Aber zunächst wird durch die Ausbildung sichergestellt,
dass die Einsatzfähigkeit in gleicher Weise unter glei-
chen Bedingungen in der normalen Pflege gegeben ist.
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Pahlmann,
CDU/CSU-Fraktion .
Viele Fragen sind schon beantwortet worden . Ichmöchte auf die Frage der Schulstandorte zu sprechenkommen . Wir haben ja momentan ein sehr breit gefä-chertes Angebot, auch und gerade im ländlichen Raum .Wie können Sie sicherstellen, dass der Zugang auch undgerade für Hauptschüler, die mir sehr am Herzen liegen,gewährleistet ist? Gerade den Bereich der Pflege brau-chen wir nach wie vor als Betätigungsfeld für Haupt-schüler . Sie sind aber in der Regel deutlich jünger undRudolf Henke
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nicht so mobil wie diejenigen, die das Abitur abgelegthaben . Wie wollen Sie sicherstellen, dass der Schulstand-ort im ländlichen Bereich auch von diesem Personenkreisnoch gut erreicht werden kann, sodass es nicht zu einerAusdünnung des Angebots, das wir momentan vorfinden,kommt?
Bitte schön .
Frau Kollegin Pahlmann, das ist – deswegen sind wir
ja in einem so engen Diskussionsprozess mit den Län-
dern – natürlich auch Aufgabe der Länder . Es ist, glaube
ich, nicht so, dass man sagen kann: Die kleineren Schu-
len sind alle im ländlichen Raum . – Zum Teil gibt es im
städtischen Raum mehr Anbieter entsprechender Leistun-
gen und damit möglicherweise auch stärker zersplitterte
Angebote an kleineren Schulen . Wir brauchen insgesamt
mehr Schulplätze . Deswegen ist, glaube ich, die Sorge,
dass da in großem Umfang Schulen gefährdet werden,
unbegründet . Aber im Hinblick auf die Stadt-Land-Ver-
teilung der schulischen Angebote sind in besonderer
Weise natürlich auch die Länder gefordert; das sage ich
sehr deutlich .
Es gibt heute eine Kombination von Betreuungsassis-
tenz und Pflegehelfern. Wir haben großartige Pflegefach-
kräfte, die nach der Hauptschule eine Pflegehelferaus-
bildung gemacht haben und dann unter Teilanerkennung
der Leistungen eine Fachausbildung absolvieren . All dies
wird weiterhin stattfinden. Ich bin davon überzeugt, dass
dieser Zugang, der von europäischer Seite immer wieder
in Frage gestellt wurde, sogar erleichtert und diese Re-
gelung deswegen auch entfristet werden kann, wenn wir
diese Ausbildung insgesamt stärken .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete
Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank . – Durch den Gesetzentwurf wird deut-
lich, dass eine Nachqualifizierung im Anschluss an die
Ausbildung notwendig ist, um spezifisches Fachwissen
für die einzelnen Einsatzbereiche zu erwerben . Die Aus-
bildung soll zukünftig kostenfrei sein, was schon einmal
ein Wert an sich ist. Eine Nachqualifizierung bedeutet
aber eigentlich eine Verlängerung der grundständigen
Ausbildung .
Deshalb stellen sich jetzt schon die Fragen: Wer wird
die Nachqualifizierungen finanzieren? Wo werden die
Nachqualifizierungen stattfinden? Wird es vom Arbeitge-
ber eine Freistellung für diese Zeit geben, oder werden
sie in der Freizeit stattfinden müssen?
Wir alle wissen, dass die Pflege weiblich ist. Wenn
Nachqualifizierungen außerhalb der Arbeitszeit stattfin-
den, also in der Freizeit – vielleicht am Wochenende, am
Abend oder im Urlaub –, dann wird es natürlich noch
einmal schwieriger, Beruf, Familie und eine wirklich
gute Ausbildung gemeinsam in den Griff zu bekommen .
Wie soll das geregelt werden?
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Scharfenberg . – Zu-
nächst einmal: Bereits heute findet nach der Grundaus-
bildung in vielen Fällen eine Weiterbildung statt, die
in der Verantwortung der Länder und der dafür zustän-
digen Selbstorganisationen liegt; das erwähnten Sie ja
auch selber . Daran wird sich nichts ändern . Schon heute
wird eine Krankenschwester – oder auch ein Kranken-
pfleger –, die sich nach ihrer Grundausbildung für den
intensivmedizinischen Einsatz, für den Einsatz im OP,
für Palliative Care oder für anderes weiterbilden will, ein
solches Weiterbildungsangebot wahrnehmen, und dabei
bleibt es auch .
Im Übrigen: Ich habe darauf hingewiesen, dass es in
den Projekten zu einer 70-prozentigen Überschneidung
der Inhalte kommt, und dass die überwiegende Ausbil-
dung im gewählten Vertiefungseinsatz stattfindet. Inso-
fern sind die Voraussetzungen dafür, in den unterschied-
lichen Tätigkeitsfeldern tätig zu werden, durchaus mit
denen von heute vergleichbar .
Zur Entwicklung neuer Perspektiven in der Funktions-
pflege oder anderswo wird sich daran in der Tat in vielen
Fällen eine Weiterbildung nach den bisherigen Regulari-
en anschließen .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Pantel,
CDU/CSU-Fraktion .
Weil schon sehr viel abgearbeitet ist, bitte ich noch
einmal um die ganz klare Erklärung, dass jemandem, der
bereits längere Zeit ohne qualifizierten Hauptschulab-
schluss in der Altenhilfe gearbeitet hat, der Zugang nicht
verwehrt wird . Ist es also richtig, dass man sich aufgrund
der praktischen Tätigkeit, die man vorher erbracht hat, in
dem neuen System weiterqualifizieren und dadurch einen
höherwertigen Abschluss bekommen kann, oder wird
dadurch, dass man keinen qualifizierten Hauptschulab-
schluss vorweisen kann, eine bestimmte Laufbahn ausge-
schlossen, obwohl man in der Altenhilfe gearbeitet hat?
Frau Kollegin Pantel, ich hoffe, dass ich Ihre Fragerichtig verstanden habe . – Wenn ich heute ohne einenqualifizierten Hauptschulabschluss in der Altenpflegearbeite, dann werde ich zukünftig nach dem jetzigenZugang in die Fachausbildung – so stelle ich mir IhrenFall vor – als Pflegehelfer tätig sein. Diese Pflegehelfer-tätigkeit ermöglicht es bereits heute, eine Weiterbildungzu durchlaufen, und daran ändert sich nichts . Diese Wei-Ingrid Pahlmann
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 201614592
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terentwicklungsperspektive aus dem Helferberuf in denFachkraftberuf wird es also auch weiterhin geben .
Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Crone,
SPD-Fraktion .
Herzlichen Dank . – Nach dem SGB III wird die Al-
tenpflegeumschulung derzeit für einen Zeitraum von drei
Jahren voll finanziert. Meine Frage lautet: Wird diese
Tatsache in dem Gesetzentwurf berücksichtigt? Wird es
also bei dieser vollfinanzierten Umschulungsmöglichkeit
bleiben?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Frau Abgeordnete . – Wir planen, dass es
weiter dabei bleibt, dass wir die volle Umschulung finan-
zieren . Es ist so, wie Sie sagen: Die Regelung zum dritten
Umschulungsjahr in der Altenpflege – es war ja bisher
eine Besonderheit, dass das auch finanziert wird – ist bis
zum 31 . März dieses Jahres befristet . Deshalb sind wir
sehr froh, dass wir uns gemeinsam – Herr Gröhe, Frau
Nahles und ich – darauf verständigt haben, das weiter –
zunächst befristet bis 2017 – fortzusetzen . Im weiteren
Verfahren wollen wir auch darüber sprechen, wie eine
langfristige Lösung aussehen kann .
Da wir das Pflegeberufegesetz nicht vor Auslaufen der
Frist am 31 . März verabschieden werden, wäre unsere
Empfehlung, dass wir uns ein Gesetz als Omnibusgesetz
suchen, in das wir diese Verbesserung bzw . Fortsetzung
der Finanzierung einfügen können . Es bietet sich das
neue Jugendschutzgesetz an . Das als Ankündigung: Wir
müssen das schnell durchziehen, damit es dann auch die
Verlängerung gibt .
Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Irlstorfer,
CDU/CSU-Fraktion .
Frau Ministerin, meine Frage geht in folgende Rich-
tung: Was halten Sie den Verantwortlichen aus der Al-
tenpflege entgegen, die große Sorgen haben, wenn die
generalistische Ausbildung kommt bzw. greift? Es gibt
bei ihnen die Sorge, dass all diejenigen, die eine sehr
gute Qualifizierung bzw. einen guten Notendurchschnitt
haben, aufgrund der Vergütungssituation in die Kran-
kenpflege gehen, weil sie dort deutlich mehr – zwischen
600 Euro und 700 Euro – verdienen, während die Alten-
pflege im Endeffekt ein Auffangbecken für diejenigen
wird, die schlechtere schulische Leistungen aufweisen .
Oder ist an eine sofortige Angleichung der Bezahlung
zwischen Alten- und Krankenpflege gedacht?
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . – Die Unterschiede
in der Bezahlung zwischen Krankenpflege und Alten-
pflege sind auch regional sehr unterschiedlich. In einigen
Bundesländern gibt es extrem große Unterschiede – sie
betragen dort zwischen 500 Euro und 1 000 Euro –, in
manchen ist der Unterschied geringer . Fakt ist, dass es
diese Unterschiede zwischen Alten- und Krankenpflege
gibt . Das hat damit zu tun, dass es sich um unterschied-
liche Berufsabschlüsse handelt . Es hat nichts damit zu
tun, dass in der Altenpflege die mit den schlechten Noten
arbeiten und in der Krankenpflege die mit den guten. Die
Ursache ist, dass Altenpflege in Bezug auf das, was dort
gefordert und geleistet wird, heute noch nicht so aner-
kannt wird wie Kranken- und Kinderkrankenpflege.
Deswegen sage ich ganz klar: Wenn wir zur Genera-
listik und zu einem einheitlichen Berufsabschluss kom-
men, wird das zu einer Anerkennung der Tätigkeit im
Bereich der Altenpflege führen. Dann wird es natürlich
zu Recht die Diskussion darüber geben, ob Altenpflege
nicht auch besser – in Richtung hin auf die Bezahlung in
der Krankenpflege – bezahlt werden muss.
Nur ein einheitlicher Berufsabschluss – davon bin ich
fest überzeugt; das ist übrigens auch meine Erfahrung als
ehemalige Gesundheitsministerin in einem ländlichen
Bundesland, wo es genau diese Probleme gibt – wird
dazu führen, dass sich die Bezahlung annähert .
Es gibt jetzt eine letzte Frage zu einem anderen Thema
von Corinna Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen .
Vielen Dank . – Ich hatte schon fast gar nicht mehr da-
mit gerechnet, jetzt noch dranzukommen .
Sehen Sie mal .
Wunderbar, dass es geklappt hat . – Das Kabinett hat
sich ja nicht nur mit dem einen Thema Pflege beschäftigt,
sondern unter anderem auch mit der Reform des Behin-
dertengleichstellungsgesetzes . Sie haben offensichtlich
grünes Licht gegeben, sodass sich das Parlament in den
nächsten Monaten mit dem Thema beschäftigen wird .
In diesem Entwurf wird auf die Bundesverwaltung
fokussiert . Auch dazu ließen sich Fragen bezüglich der
Fristen stellen . Da gibt es einiges, was ich als unverbind-
lich bezeichnen würde . Aber in diesem Zusammenhang
erscheint mir jetzt die Frage wesentlicher zu sein, warum
der Bereich der Privatwirtschaft vollständig herausgelas-
sen worden ist .
Wer antwortet?
Ich will in einer ersten Antwort zu dem heute ohneAussprache im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurfetwas sagen . Für weitere Nachfragen wäre dann dasBundesminister Hermann Gröhe
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BMAS – ich sehe aber gerade, dass es nicht vertretenist – zuständig .Ich gebe nur folgenden Hinweis: Es geht um eineModernisierung im Rahmen der bisherigen Zuständig-keiten des Behindertengleichstellungsgesetzes, das andie Sprache bzw. Begrifflichkeit der UN-Behinderten-rechtskonvention angepasst wird . Es geht ferner darum,dass die Barrierefreiheit in der Bundesverwaltung auchunter besonderer Stärkung des Aspekts der leichtenSprache verbessert wird . Vor allen Dingen geht es dar-um, dass entsprechende Fachstellen eingerichtet werden,um zu einer besseren Schlichtung zu kommen, wenn esAusei nandersetzungen gibt . Insofern wird die bisherigeRechtsmaterie durch neue Vorgaben weiterentwickelt .Daraus erklärt sich diese Fokussierung .
Gut, das war es dann . – Will sonst jemand von der Re-
gierung etwas sagen? – Nein. Dann sind wir am Ende der
Befragung der Bundesregierung . Ich beende den TOP 2 .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/7210
Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich
darauf verständigt, dass die Fragestunde bis 16 .20 Uhr
gehen und pünktlich um 16 .20 Uhr die Aktuelle Stunde
aufgerufen werden soll .
Wir kommen nun zu den mündlichen Fragen in der
üblichen Reihenfolge .
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amts . Zur Beantwortung steht bereit Staatsminister
Michael Roth .
Ich rufe Frage 1 der Abgeordneten Sevim Dağdelen,
Fraktion Die Linke, auf:
Welche Kenntnisse hat die
Bundesregierung, dass der Chef der nigerianischen Terrormi-
liz Boko Haram, Abubakar Shekau, dem „Islamischen Staat“
die Treue von Boko Haram zugesichert hat (www .bbc .
com/news/world-africa-31784538), sodass der Vorstoß der
Terrormiliz IS in Libyen auch nach Süden insofern beson-
ders gefährlich ist, weil hier ein Schulterschluss mit der Ter-
rorgruppe Boko Haram droht, was die Sicherheitslage in den
zieht die Bundesregierung daraus für den Einsatz der Bundes-
wehr in Mali?
Herr Staatsminister, bitte .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Frau Kollegin
Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nach
den Erkenntnissen, die der Bundesregierung vorliegen,
hat die – – Bei dieser Unruhe kann ich die Frage nicht
beantworten .
Es wäre nett, wenn die Kollegen, die nicht mehr zuhö-
ren wollen, ihre Gespräche draußen führen würden . Ich
bitte darum, sich auf der Regierungsbank solidarisch zu
verhalten und die Besprechungen nicht jetzt zu führen .
Bitte geben Sie dem Staatsminister Gelegenheit, seine
Ausführungen zu machen .
Ich tue das aus Respekt gegenüber dem Parlament und
nicht aus Lust und Laune .
Wir erwarten allerdings, Herr Staatsminister, dass Sie
dem Parlament mit Lust und Laune Rede und Antwort
stehen . Das ist schon eine andere Sache .
Herr Präsident, ich gebe trotz meiner leichten Er-
kältung das Beste, wie immer . – Frau Abgeordnete
Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage für die Bundesre-
gierung wie folgt: Nach Erkenntnissen, die der Bundes-
regierung vorliegen, hat die nigerianische Terrormiliz
Boko Haram der Terrororganisation „Islamischer Staat“,
IS, die Treue zugesichert .
Nun wissen Sie, dass es eine relativ große geografi-
sche und territoriale Distanz zwischen deren Operations-
gebieten gibt . Insofern konzentriert sich die bisherige
Kooperation vor allem auf die Bereiche Logistik, Finan-
zierung und Rekrutierung. Hier findet eine Zusammen-
arbeit zwischen Boko Haram und der Terrororganisation
„Islamischer Staat“ statt .
Boko Haram agiert hauptsächlich mit einer regio-
nalen Agenda und stellt insbesondere eine Bedrohung
in Nigeria und in den angrenzenden Ländern dar . Eine
erfolgreiche Stabilisierung Malis, über die wir in dieser
Woche debattieren werden, wird – das hoffen wir zumin-
dest – positive Auswirkungen auf die Lage im weiteren
Sahelraum, bei den Nachbarn und möglicherweise auch
in Libyen haben und mit dazu beitragen, eine verstärkte
länderübergreifende Ausbreitung terroristischer Vereini-
gungen zu verhindern . Genau in diesem Zusammenhang
möchte ich die Ausweitung des deutschen Engagements
in der VN-Mission MINUSMA verstanden wissen .
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr StaatsministerRoth, ich halte das für eine sehr gewagte These . Wennder UN-Sondergesandte für Libyen, Herr Kobler, ganzklar erklärt, dass durch diese Zusammenarbeit die Gefahreiner Destabilisierung und eine Gefahr für die Sicherheitder Länder Niger und Tschad besteht, und wenn manweiß, dass Mali ein Nachbarland Nigers ist, dann ist mei-ner Meinung nach die These sehr steil, die Gebiete seienso weit voneinander entfernt, dass dies den Einsatz derBundeswehr in Mali mit Sicherheit nicht tangieren wird .Bundesminister Hermann Gröhehttp://www.bbc.com/news/world-africa-31784538http://www.bbc.com/news/world-africa-31784538http://www.nzz.ch/international/zwischen-is-und-boko-haram-droht-ein-schulterschluss-1.18672875http://www.nzz.ch/international/zwischen-is-und-boko-haram-droht-ein-schulterschluss-1.18672875http://www.nzz.ch/international/zwischen-is-und-boko-haram-droht-ein-schulterschluss-1.18672875
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Mit welcher Sicherheit können Sie ausschließen, dassdie Ausbreitung des IS in der Region, auch mithilfe vonBoko Haram, in irgendeiner Weise den Einsatz der Bun-deswehr in Mali berühren wird? Inwieweit können Sieauch ausschließen, dass dies den Einsatz der Bundes-wehr im Rahmen von EUNAVFOR MED in der zweitenPhase dieses Einsatzes, der am 7 . Januar dieses Jahresim Rat der Europäischen Union beschlossen worden ist,tangiert?
Frau Abgeordnete Dağdelen, ich habe Ihnen die bis-
herigen Erkenntnisse der Bundesregierung geschildert .
Die müssen Sie nicht teilen . Das ist Ihr gutes Recht . Ich
habe darauf hingewiesen, dass es in einigen Bereichen
eine Kooperation zwischen der Terrororganisation „Isla-
mischer Staat“ und der Terrororganisation Boko Haram
gibt . Aber die Befürchtungen, die Sie eben abermals zum
Ausdruck gebracht haben, teilen wir derzeit nicht .
Mögen Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Frau
Dağdelen? – Bitte.
Ich habe die Antwort, die Sie vorgetragen haben, zur
Kenntnis genommen . Aber ich möchte nachfragen, weil
meine erste Frage insofern nicht beantwortet wurde, als
Sie auf Ihre ursprüngliche Antwort hingewiesen haben .
Welche Erkenntnisse liegen Ihnen vor, um das auszu-
schließen? Das würde ich gerne wissen. Vielleicht sind
es nachrichtendienstliche Erkenntnisse; dann können
Sie sie uns gerne zukommen lassen . Welche Erkenntnis-
se oder Informationen liegen Ihnen vor, um eine solche
Aussage zu tätigen, dass der Einsatz in Mali durch die
Ausbreitung des IS in Libyen und durch die Zusammen-
arbeit mit Boko Haram in der Region in keinster Weise
tangiert wird?
Frau Abgeordnete Dağdelen, ich habe Ihnen geschil-
dert, dass Boko Haram eine regionale Agenda verfolgt
und dass dies eine große Gefahr für die Sicherheitslage in
Nigeria und in den angrenzenden Ländern darstellt . Ich
habe den Status quo beschrieben . Ich habe Ihnen die Er-
kenntnisse präsentiert, die uns derzeit vorliegen .
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch . Ich kann ange-
sichts der derzeitigen Lage in der Region nicht irgendet-
was kategorisch, zu 100 Prozent, ausschließen . Ich bin
mir auch ziemlich sicher, dass mich die Kolleginnen und
Kollegen so auch nicht verstanden haben .
Nachfrage des Abgeordneten Beck, Bündnis 90/Die
Grünen, zu diesem Thema .
Dafür, dass Sie als Bundesregierung gerade bei der
unübersichtlichen Sicherheitslage in der Region etwas
nicht kategorisch ausschließen können, habe ich großes
Verständnis . Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob
Sie die Erkenntnisse der Bayerischen Staatsregierung,
dass es sich bei Mali um ein sicheres Herkunftsland han-
deln soll, bestätigen können und welche Auswirkungen
das gegebenenfalls auf unser militärisches Engagement
in Mali hat . Denn in sicheren Herkunftsstaaten sind wir
nicht gefragt .
Angesichts der derzeitigen Lage in Mali, die Ihnen si-
cherlich auch bekannt ist, Herr Abgeordneter Beck, geht
es gerade darum, diese Lage mit unserem konkreten En-
gagement zu verbessern . Die Stabilisierung Malis bleibt
nach wie vor ein Schwerpunkt unserer Politik . Wir sind
in den EU-Missionen EUTM Mali und EUCAP Sahel
Mali engagiert . Morgen steht noch einmal die VN-Missi-
on MINUSMA auf der Tagesordnung .
Wir engagieren uns seit Jahrzehnten im Rahmen der
militärischen Ausstattungshilfe . Das Auswärtige Amt un-
terstützt das Versöhnungsministerium und Projekte der
humanitären Hilfe mit Geldern in Höhe von 5,9 Milli-
onen US-Dollar . Wir sind im Kampf gegen Ebola und
in dem Programm zur Kontrolle von Kleinwaffen enga-
giert, und das Entwicklungshilfeministerium leistet Hil-
fe in den Bereichen Landwirtschaft, Beschäftigung und
Nahrungsmittelversorgung .
Insofern gibt es ein konkretes Engagement der Bun-
desregierung,
gerade weil die Lage in Mali so ist, wie sie ist . Ich werde
seitens der Bundesregierung nicht Überlegungen einer
Landesregierung bewerten . Ich kann Ihnen nur meine ei-
genen Bewertungen präsentieren .
Eine Nachfrage dazu von der Abgeordneten Lemke,
Bündnis 90/Die Grünen .
Dafür habe ich Verständnis, Herr Staatsminister . Ich
möchte mich nur noch einmal vergewissern: Die Bun-
desregierung ist also nicht der Auffassung, dass Mali ein
sicheres Herkunftsland ist?
Ich kann Ihnen nur die derzeitige Position der Bundes-regierung präsentieren . Derzeit hat die Bundesregierungnoch keinen Beschluss gefasst – und es ist auch derzeitkein Beschluss geplant –, dass Mali ein sicheres Her-kunftsland ist .
Sevim Dağdelen
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Wir kommen damit zur Frage 2, ebenfalls von der Ab-
geordneten Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke:
Sieht die Bundesregierung in der palästinensischen Ter-
rororganisation Hamas, die als Teil der Muslimbruderschaft
Kriegspartei in Syrien gegen den syrischen Präsidenten
Baschar al-Assad ist, einen gemäßigten bzw . moderaten Bünd-
nispartner vor dem Hintergrund, dass die Hamas beispielswei-
se mit dem „Islamischen Staat“ in Ägypten zusammenarbeitet
welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus,
dass es nicht zuletzt infolge der Unterstützung von Hamas auf
der einen und des IS auf der anderen Seite durch die Türkei,
Saudi-Arabien und Katar den Terror in dieser Größenordnung
gibt, für politische, militärische und finanzielle Unterstützung
durch Deutschland ?
Herr Staatsminister .
Ich bedanke mich, Herr Präsident . – Frau Kollegin
Dağdelen, Sie wissen, dass sowohl der politische als
auch der militärische Arm der Hamas von der Europä-
ischen Union als Terrororganisation eingestuft werden .
Wir verfolgen eine sogenannte „non-contact policy“,
die Hamas kommt für uns als Bündnispartner nicht in-
frage . Der Bundesregierung liegen auch keine Hinweise
auf eine staatliche Unterstützung der Terrororganisation
„Islamischer Staat“ durch Saudi-Arabien, Katar oder
die Türkei vor . Die Türkei, Katar und Saudi-Arabien
sind als Teil der sogenannten Anti-IS-Koalition im An-
titerrorkampf aktiv . Saudi-Arabien hat im August 2014
100 Millionen US-Dollar für das VN-Antiterrorzentrum
in New York gespendet .
Die Türkei tritt im Nahostfriedensprozess als Fürspre-
cher der Palästinenser auf . Die Hamas wird von Ankara
nicht als eine Terrororganisation betrachtet . Ihr politi-
scher Führer Chalid Maschal war wiederholt Gast der
derzeitigen AKP-Regierung in der Türkei .
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen .
Die Frage 3 des Kollegen Omid Nouripour, die Fra-
gen 4 und 5 der Kollegin Heike Hänsel und die Frage 6
der Abgeordneten Ulla Jelpke werden schriftlich beant-
wortet .
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern auf . Für die Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr . Ole Schröder bereit .
Die Frage 7 der Abgeordneten Ulla Jelpke wird
schriftlich beantwortet .
Wir kommen nun zur Frage 8 des Abgeordneten
Volker Beck:
Wie wird sich die Beendigung der Praxis, Asylanträge von
Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Eritrea im schriftlichen
Verfahren zu bearbeiten, und die damit einhergehende Rück-
kehr zur persönlichen Anhörung jedes Asylbewerbers aus
diesen Staaten auf die durchschnittliche Dauer der Asylver-
fahren insgesamt bzw . der Asylverfahren dieser Flüchtlinge
auswirken, und welche gesetzgeberischen, haushaltspoliti-
schen und sonstigen Maßnahmen wird die Bundesregierung
ergreifen, um die Mehrbelastung des Bundesamts für Migrati-
on und Flüchtlinge, der Verwaltungsgerichte und anderer mit
der Flüchtlingsaufnahme befasster Stellen abzuwenden bzw .
abzumildern?
Herr Staatssekretär, bitte .
D
Herr Abgeordneter Beck, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Nach derzeitiger Einschätzung des Bundesam-
tes für Migration und Flüchtlinge werden sich die jewei-
ligen Asylverfahren um die Dauer der Organisation und
Durchführung der Anhörung verlängern . Die Anhörun-
gen dauern im Mittel bei Fällen ohne Besonderheiten,
unabhängig vom Herkunftsland, 40 bis 120 Minuten,
je nach Sachvortrag . Die Auswirkungen auf die durch-
schnittliche Dauer der Asylverfahren insgesamt lassen
sich nicht quantifizieren, da die durchschnittliche Dauer
der Asylverfahren von zahlreichen Variablen abhängt .
Die Bundesregierung hat jedenfalls eine Reihe von Maß-
nahmen ergriffen, um die Asylverfahren insgesamt zu
beschleunigen und die bereits anhängigen Verfahren ab-
zubauen .
Im Bereich der Gesetzgebung ist das Asylpaket I zur
Beschleunigung der Asylverfahren bereits Ende Okto-
ber 2015 in Kraft getreten . Das Datenaustauschverbes-
serungsgesetz, bei dem die schnelle Registrierung der
Asylsuchenden im Vordergrund steht, wird voraussicht-
lich im Februar 2016 in Kraft treten . Mit dem Asylpa-
ket II, das voraussichtlich in wenigen Tagen in das Kabi-
nett kommt, werden die Verfahren für Asylbewerber mit
geringer Aussicht auf Anerkennung weiter beschleunigt .
Der Haushaltsgesetzgeber hat zahlreiche Maßnahmen
zur Bewältigung der Flüchtlingslage beschlossen . Im
Einzelplan 06 wurden hierfür zusätzliche Mittel in einem
Umfang von 900 Millionen Euro und knapp 4 000 Stel-
len für das Jahr 2016 beschlossen . Insgesamt wurden für
diesen Bereich weitere Leistungen des Bundes mit einem
Volumen von 4,2 Milliarden Euro im parlamentarischen
Verfahren zum Bundeshaushalt 2016 beschlossen . Das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde perso-
nell massiv aufgestockt . Der Personalkörper des BAMF
umfasst mit Stand 1 . Januar 2016 rund 3 300 Vollzeit-
äquivalente . Das BAMF hat außerdem eine Reihe organi-
satorischer Maßnahmen ergriffen, um die Asylverfahren
zu beschleunigen und die Zahl der anhängigen Verfahren
zu verringern, unter anderem die Einrichtung von vier
Entscheidungszentren, Einsatz mobiler Teams zur Regis-
trierung der Asylsuchenden, Cluster der Verfahren, Ein-
teilung in drei Kategorien zur effizienten Bearbeitung der
Verfahren . Das sind die wesentlichen Maßnahmen . Ich
könnte das noch näher ausführen, denke aber, dass dies
das Wesentliche ist .
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Beck .
Es wäre schön, wenn Sie nur die Fragen beantwor-ten würden, anstatt uns allgemein bekannte Tatsachenzu übermitteln . Was der Haushaltsgesetzgeber bzw . derhttp://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/view/hamas-and-the-islamic-state-growing-cooperation-in-the-sinaihttp://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/view/hamas-and-the-islamic-state-growing-cooperation-in-the-sinaihttp://www.heise.de/tp/artikel/46/46600/1.html
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Gesetzgeber beschlossen hat, weiß der Bundestag imWesentlichen, weil er an der Gesetzgebung nicht unmaß-geblich beteiligt ist .Die Frage ist schon: Welche Auswirkungen hat es,dass diese Fälle nicht mehr schriftlich, sondern im Rah-men eines mündlichen Anhörungsverfahrens bearbeitetwerden? Ich habe Ihrer Antwort entnommen, dass dasim Durchschnitt pro Fall bis zu 120 Minuten dauert . Dasheißt natürlich: Das dauert alles länger . Wenn wir da-von ausgehen, dass sich die Aufnahme von Flüchtlingennicht mit der Jahreswende erledigt hat, sondern dass derProzess noch weitergeht, kommen wir wieder zu langenVerfahrensdauern . Wir haben heute im Innenausschussgesagt, dass wir bei bestimmten Gruppen schnellere Ent-scheidungen brauchen, damit die Leute das Land wiederverlassen . Das verhindern Sie .Man hat den Eindruck, dass Sie mit der einen Maß-nahme einreißen, was Sie mit der anderen Maßnahme,der Personalaufstockung durch den Haushaltsgesetzge-ber, gerade zu reparieren versucht haben . Deshalb schonnoch einmal meine Frage: Können Sie dem Bundestagzumindest perspektivisch zusagen, monatlich zu berich-ten, wie sich die Verfahrensdauer verändert, damit wirals Gesetzgeber gegebenenfalls die Grundlage haben, umwieder einzugreifen?D
Herr Kollege Beck, Sie haben ausdrücklich nach or-
ganisatorischen und haushalterischen Maßnahmen ge-
fragt . Die habe ich vorgetragen . Ich habe nicht gesagt,
dass die Anhörungen immer 120 Minuten dauern, son-
dern sie dauern 40 bis 120 Minuten, je nach Komplexität
des Falls . Ich gehe nicht davon aus, dass die Bearbeitung
bei allen Fällen von syrischen Flüchtlingen 120 Minuten
dauern wird, sondern dass sie eher nicht so komplex sind
und deshalb schneller gehen .
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Beck?
Ja . – Wir wollen konstruktiv sein . Wir alle haben ein
Interesse, dass wir diese Aufgabe bewältigen . Wäre es
nicht sinnvoller, gerade bei Syrern und Irakern mit ei-
nem vereinfachten Verfahren, das die Identitäts- und Si-
cherheitsüberprüfung im Rahmen der Registrierung löst,
diese Aufgaben vorzuverlagern, damit man zu einer be-
schleunigten Bearbeitung bei den Fällen, die ohnehin zu
einer Anerkennung führen, kommt und Kapazitäten hat,
um die abzulehnenden Fälle ordentlich zu bearbeiten?
D
Diese Einzelfallprüfung ist erforderlich . Das haben
auch alle Landesinnenminister so gesehen . Wir setzen
das um, um auch genau entscheiden zu können, ob die
Asylbewerber lediglich subsidiären Schutz erhalten oder
den Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention .
Wir kommen zur Frage 9 des Abgeordneten Volker
Beck, Bündnis 90/Die Grünen:
Werden Dublin-Rückführungen nach Griechenland in
Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts, des Gerichtshofs der Europäischen Union und des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weiterhin
in jedem Fall ausgesetzt, und inwiefern ist es aus Sicht der
Bundesregierung menschenrechtlich verantwortbar, dass das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei sogenannten
Dublin-Fällen aus Ungarn und Bulgarien nicht generell von
Verwaltungsgerichte in solchen Fällen nicht selten einstweili-
lich verzögert werden?
Herr Staatssekretär, bitte .
D
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundesmi-nisterium des Innern hat das Bundesamt für Migrationund Flüchtlinge angewiesen, bis zum 30 . Juni 2016 anGriechenland keine Aufnahme- oder Wiederaufnahme-gesuche nach der Dublin-Verordnung wegen der dort be-stehenden systemischen Mängel zu richten, soweit nichteine andere Bewertungslage im Rahmen der Europäi-schen Union vorher eintritt .Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüftbei Dublin-Bezügen zu Ungarn jeden Fall als Einzelfalleinschließlich der Aspekte für einen Selbsteintritt . Nachden vorliegenden Angaben des Flüchtlingshilfswerks derVereinten Nationen, der Auslandsvertretungen und derMitgliedstaaten kann nicht davon ausgegangen werden,dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrensund der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtspre-chung des Europäischen Gerichtshofs vorliegen .Diese Beurteilung wird von verschiedenen deutschenVerwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichtenund auch durch Entscheidung des Europäischen Ge-richtshofs für Menschenrechte vom 3 . Juli 2014 bestä-tigt . Die Gerichte haben festgestellt, dass das ungarischeAsylsystem im Einklang mit den internationalen und eu-ropäischen Standards stehe und die wichtigsten Garan-tien enthalte .Diese Feststellungen umfassen sowohl das Asylver-fahren als auch die in Ungarn vorhandenen Aufnahme-bedingungen, insbesondere auch im Hinblick auf diedort bestehenden Möglichkeiten der Verhängung vonAsylhaft, wobei sich insbesondere der Europäische Ge-richtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidungvom 3 . Juli 2014 ausführlich mit der Kritik verschiedenerNichtregierungsorganisationen und des UNHCR kritischauseinandergesetzt und festgestellt hat, dass keine syste-mischen Mängel anzunehmen seien .Auch beim bulgarischen Asylsystem liegen keineGründe zur Annahme von systemischen Mängeln vor .Volker Beck
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(D)
Dies wird von vielen deutschen Verwaltungsgerichtenbestätigt . Zwar sprach sich der UNHCR in seinem Be-richt „Bulgaria as a Country of Asylum“ vom 2 . Januar2014 vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Flücht-lingszahlen dafür aus, zunächst von Überstellungen nachBulgarien abzusehen . Dies rechtfertige jedoch nicht dieAnnahme systemischer Mängel im Sinne der Rechtspre-chung des EuGH und des EGMR . Drei Monate später,am 15 . April 2014, ging der UNHCR in einem weiterenBericht aber davon aus, dass aufgrund der erzielten Fort-schritte und trotz des gestiegenen Flüchtlingszustromsdie Anforderungen des Gemeinsamen EuropäischenAsylsystems gewährleistet seien und Überstellungennach Bulgarien nicht grundsätzlich ausgesetzt werdenmüssten .
Zusatzfrage .
Wie Sie das schildern, dürfte es all die Urteile, die ich
in meiner Frage zitiert habe, nicht geben . Wie bewerten
Sie denn die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen,
die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen
sind, vom VG Aachen vom 5 . November 2015, vom VG
Bayreuth vom 12 . Oktober 2015, vom VG Potsdam vom
20 . Juli 2015, vom 3 . Juli 2015, vom 28 . Oktober 2014,
vom VG Berlin vom 17 . März 2015, vom 18 . Dezember
2014, vom VG Meiningen vom 5 . Januar 2015, vom VG
München vom 9. Juli 2014?
Was hier auffällt, ist, dass das nicht in irgendeinem be-
stimmten Bundesland so gesehen wird, sondern dass sich
das quer durch die Republik von München bis Potsdam
zieht . Vor diesem Hintergrund würde ich schon gerne
wissen: Welche Erkenntnisse haben Sie, die diesen ver-
waltungsgerichtlichen Entscheidungen widersprechen?
D
Diese Entscheidungen bestärken uns in der Ansicht,
dass wir selbst eine Einzelfallprüfung vornehmen müs-
sen . Das bezieht sich insbesondere auf besonders schutz-
bedürftige Personen, die beispielsweise nicht reisefähig
sind oder einer besonderen medizinischen Behandlung
bedürfen . Aber die gerichtlichen Entscheidungen, die Sie
zitiert haben, begründen nicht die Annahme, dass es sol-
che systemischen Mängel gibt, dass dorthin nicht über-
führt werden kann .
Noch eine Zusatzfrage .
Es ist schwer, in einem Einzelfall zu klären, ob die
Verfahren in einem anderen Land grundsätzlich nicht
rechtsstaatlich sind . Entweder sind sie es nicht, und man
weiß erst hinterher, wenn jemand das Verfahren durch-
laufen hat, ob er von dieser Nichtrechtsstaatlichkeit be-
troffen ist, oder sie sind es nicht . Ich weiß nicht, was die
Einzelfallbewertung da bringen soll . Trotzdem würde ich
Sie gerne einmal fragen: Wie viele verwaltungsgerichtli-
che Kapazitäten und BAMF-Kapazitäten kostet es uns,
dass wir hier von dem Selbsteintrittsrecht nicht Gebrauch
machen?
D
Natürlich hat das miteinander zu tun . Auf der einen
Seite geht es um die Frage von systemischen Mängeln .
Sie liegen nicht vor; so lautet jedenfalls die europäische
Rechtsprechung . Sie ist für uns maßgeblich . Dann ist die
Frage, ob im Einzelfall eine Überführung durchgeführt
werden kann .
– Die Kapazitäten sind in den Verwaltungsgerichten na-
türlich vorhanden . Jedem steht es in einem Rechtsstaat
frei – nach der Dublin-III-Verordnung ist es ja auch
festgeschrieben –, den Rechtsweg einzuschlagen . Daran
wollen wir nichts ändern und Sie sicherlich auch nicht .
Deshalb müssen diese Kapazitäten vorhanden sein .
Für uns ist klar: Wenn wir einen europäischen Vertei-
lungsmechanismus wollen, dann ist es für uns selbstver-
ständlich, dass wir gerade in die osteuropäischen Mit-
gliedstaaten überführen . Wir wollen diese Staaten daran
beteiligen, Flüchtlinge, die nach Europa gekommen sind,
aufzunehmen . Diese Staaten wollen wir eben gerade
nicht ausschließen .
Die Frage 10 der Abgeordneten Corinna Rüffer, dieFrage 11 des Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, dieFrage 12 der Abgeordneten Irene Mihalic und die Fra-ge 13 der Abgeordneten Katharina Dröge werden schrift-lich beantwortet .Wir kommen zur Frage 14 der Abgeordneten PetraPau, Fraktion Die Linke:Wann genau und aus welchem Anlass wurden die rechts-extremistische Gruppierung „Sturm 18 e . V .“ und besondersgewaltbereite Personen dieses Vereins im Gemeinsamen Ab-wehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus
bzw . Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzen-trum behandelt (bitte genau nach Datum und Anlassauflisten), dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass demUmfeld dieses rechtsextremen Vereins „fast 300 Straftaten“
Hausdurchsuchungen Waffen sichergestellt worden waren?Herr Staatssekretär, bitte .Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröderhttp://www.tagesspiegel.de/politik/nach-razzien-im-august-hessen-verbietet-rechtsextremistischenverein-sturm-18/12513592.htmlhttp://www.tagesspiegel.de/politik/nach-razzien-im-august-hessen-verbietet-rechtsextremistischenverein-sturm-18/12513592.htmlhttp://www.tagesspiegel.de/politik/nach-razzien-im-august-hessen-verbietet-rechtsextremistischenverein-sturm-18/12513592.html
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 201614598
(C)
(D)
D
Herr Präsident! Bei „Sturm 18 e . V .“ handelt es sich
um eine Gruppierung, die in die Zuständigkeit des Lan-
des Hessen fällt . Demzufolge liegt es in der Entschei-
dung des Landes Hessen, ob und wie dieser Vorgang im
Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehr-
zentrum behandelt wird und wie diese Informationen
weitergegeben werden dürfen .
Die aus Sicht der Bundesregierung weitergabefähigen
Informationen wurden bereits in der Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die
Linke auf Bundestagsdrucksache 18/7028 vom 14 . De-
zember 2015 mitgeteilt .
Zusatzfrage? – Bitte.
Vielleicht zur Erklärung für diejenigen, die uns hier
zuhören – sie wundern sich womöglich –: Herr Staats-
sekretär antwortete, dass in der Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion Die Linke vom 10 . Dezember 2015
die entsprechenden der Bundesregierung vorliegenden
Erkenntnisse mitgeteilt wurden . Ausgerechnet das ist
nicht der Fall: Die Bundesregierung hat uns nämlich in
der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Vereinsver-
bot dieser militanten, hochgefährlichen Neonaziorga-
nisation mitgeteilt, dass ihr keine eigenen Erkenntnisse
vorliegen, obwohl, wie Sie sich in dieser Antwort aus-
drücken, mehrfach ebendiese Gruppierung und die Vor-
gänge, die zum Vereinsverbot im Bundesland Hessen ge-
führt haben, Gegenstand der Beratungen im eigens nach
dem Auffliegen des NSU gegründeten Gemeinsamen
Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum waren .
Deshalb noch einmal meine Frage: Welche Erkenntnisse
wurden dort ausgetauscht, nicht mit Blick auf Hessen,
sondern mit Blick auf die allgemeine Gefährdung der
Demokratie sowie von Leib und Leben durch militante,
sich vernetzende Neonazis, die von diesem „Sturm 18“
ausgeht?
D
Sie haben das richtig beschrieben . Das sind keine Er-
kenntnisse der Bundesregierung, sondern Erkenntnisse
der Sicherheitsbehörden des Landes Hessen . Deshalb
sind die Sicherheitsbehörden des Landes Hessen auch
dafür verantwortlich, diese Informationen weiterzuge-
ben . Für die parlamentarische Kontrolle dieses Vorgangs
ist der Landtag in Hessen zuständig und nicht der Deut-
sche Bundestag . Genau so ist es .
Noch eine Frage? – Bitte.
Dann versuche ich noch einmal, Ihnen zu helfen, mein
Erkenntnisinteresse zu verstehen . Es gibt hier nicht nur
Fakten, die im Bundesland Hessen den Sicherheitsbehör-
den zum Verein „Sturm 18“ und den Mitgliedern vorla-
gen . Dieser Verein war beispielsweise auch Gegenstand
eines Verfassungsschutzberichts des Landes Niedersach-
sen . Da ging es um die „Kameradschaft Dreiländereck“,
deren Bestandteil der „Sturm 18“ war .
Nach meinem Verständnis wurde das Gemeinsame
Abwehrzentrum gerade deshalb geschaffen, um alle
verfügbaren Informationen, egal bei welcher Behörde
in welchem Bundesland oder bei welcher Bundesbehör-
de sie anfallen, zu vernetzen, um rechtzeitig Gefahren
nicht nur zu erkennen, sondern auch abzuwehren und
Schlussfolgerungen zu ziehen . Deshalb möchte ich wis-
sen: Welchen Erkenntnisgewinn hat denn die Bundesre-
gierung aus der mehrfachen Behandlung dieser Vorgänge
gezogen, und was haben Sie – jetzt komme ich zu Ihrer
Zuständigkeit – in den Behörden des Bundes veranlasst?
D
Beim Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismus-
abwehrzentrum handelt es sich um eine Kooperations-
plattform und keine eigene Behörde . Deshalb ist immer
die jeweilige eigene Behörde zuständig .
Selbstverständlich hat man sich dort ausgetauscht .
Das Land Hessen war bereits dabei, diese Organisati-
on zu verbieten . Deshalb ist das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz nicht weiter tätig geworden, auch um dieses
Verbotsverfahren nicht zu gefährden .
Bitte schön, Herr Kollege .
Da muss ich noch einmal nachhaken . Habe ich Sie
jetzt richtig verstanden, dass Ihnen keine Erkenntnisse
vorliegen? Obwohl durch die Medien gegangen ist, wie
der „Sturm 18 e . V .“ sich sowohl nach Südniedersach-
sen als auch nach Westthüringen vernetzt hat, das Gan-
ze im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2014
auftaucht, der Vereinsvorsitzende vom „Sturm 18 e . V .“
sich – ich weiß nicht, 2000 und irgendwann – in Kas-
sel mit Mundlos und Böhnhardt getroffen hat und nach
dem NSU, wozu wir auch im Bundestag einen Untersu-
chungsausschuss haben – und wir sagen: aus den Fehlern,
die seinerzeit gemacht wurden, haben wir jetzt gelernt –,
sagen Sie heute: Das ist Ländersache . Da gibt es kein ei-
genes Amt . Wir haben keine Erkenntnisse . – Obwohl so
eine Vernetzung schon durch die Medien ging, sagen Sie:
Da sind wir nicht zuständig . – Gehe ich recht in der An-
nahme, dass Sie aus dem NSU-Skandal – „Skandal“ ist
noch sehr beschönigt ausgedrückt – offensichtlich nichts
gelernt haben?
D
Ihre Unterstellungen sind falsch . Für das Bundesamtfür Verfassungsschutz und für die Bundesregierung warentscheidend, dass diese Organisation vom Land Hessenverboten wird . Das war die entscheidende Information .
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 2016 14599
(C)
(D)
Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Pau, Fraktion
Die Linke, auf:
Welche genauen Informationen wurden in diesem Zusam-
Schlussfolgerungen und Maßnahmen wurden daraus jeweils
Bitte, Herr Staatssekretär .
D
Zu dieser Frage verweise ich auf meine Antwort auf
die vorangegangene Frage sowie auf die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
Die Linke vom 14 . Dezember 2015, die schon erwähnt
wurde .
Zudem werden durch das Gemeinsame Extremis-
mus- und Terrorismusabwehrzentrum keine operativen
Maßnahmen beschlossen . Dies obliegt vielmehr den teil-
nehmenden Behörden im Rahmen ihrer jeweiligen Zu-
ständigkeiten .
Zusatzfrage? – Bitte schön.
Ich versuche es wieder, obwohl ich ahne, dass Sie
die Fakten nicht dabeihaben, obwohl Sie darauf hätten
vorbereitet sein können, dass wir nach der nichtssagen-
den Antwort auf die Kleine Anfrage nachfragen . – Ich
wüsste gern, ob zu irgendeinem Zeitpunkt aus Ihrer Sicht
das Bundeskriminalamt oder aber auch das Bundesamt
für Verfassungsschutz zuständig geworden wäre, um
Maßnahmen beispielsweise im Zuge der ja immer noch
laufenden NSU-Aufklärung auch gegenüber Mitglie-
dern – oder ehemaligen Mitgliedern, da der Verein jetzt
verboten ist – des Vereins „Sturm 18“ durchzuführen .
Ich verweise auf ein Gründungsmitglied oder auch den
Chef dieser Vereinigung in seiner Eigenschaft als Zeuge
sowohl vor dem Bundeskriminalamt als auch vor dem
Oberlandesgericht in München, aber auch auf die eige-
nen Aussagen, dass sie sich mit Böhnhardt und Mundlos
auf Konzerten getroffen haben . Spätestens da sollte dann
doch vielleicht der Bund zuständig werden .
Herr Staatssekretär .
D
In dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismus-
abwehrzentrum sind Informationen ausgetauscht wor-
den . Das heißt, dass man entsprechende Informationen
hatte . Dadurch werden diese Informationen aber nicht zu
Informationen des Bundesamtes . Vielmehr bleiben sie
Informationen des jeweiligen Landesamtes .
Entscheidend ist für die Bundesregierung, dass diese
Organisation verboten wurde . Man wollte das Verbots-
verfahren nicht dadurch gefährden, dass man dieses Ver-
fahren an sich zieht .
Selbstverständlich muss genau aufgeklärt werden,
welche Verstrickungen es hier gab . Die Staatsanwalt-
schaften führen entsprechende Ermittlungsverfahren . In-
sofern ist dies gewährleistet .
Noch eine Zusatzfrage? – Bitte schön.
Von mir eine letzte Nachfrage: Sind wir denn wenigs-
tens einer Meinung, dass die Bundesbehörden bei den
Ermittlungen zur Schaffung eines Gefängnisnetzwerkes,
also eines Netzwerkes unter verurteilten Straftätern aus
rechtextremen, gewaltbereiten, militanten Kreisen, zu-
ständig gewesen sind? Und haben Sie im Rahmen der
Ermittlungen zu diesem Gefängnisnetzwerk, welches
wiederum von einem Gründer des Vereins „Sturm 18“
aus dem Gefängnis heraus organisiert wurde, Maßnah-
men ergriffen, um Informationen, die Ihnen bei diesem
Informationsaustausch zugänglich geworden sind, zu
nutzen, um auf die Gefährdungen zu reagieren, die von
diesem Netzwerk ausgehen? Ich will daran erinnern, dass
der Gründer dieses Netzwerkes auch Kontakt zu Herrn
Wohlleben und Frau Zschäpe – zwei Angeklagte vor dem
Oberlandesgericht München – gesucht hat . Also: Haben
Sie sich zumindest damit befasst und diese Erkenntnisse
genutzt, um dieses Netzwerk aufzudecken und zu zer-
schlagen?
Herr Staatssekretär .
D
Es geht ja um die Fortführung des Vereins HNG, der
am 30 . August 2011 vom Bundesministerium des Innern
verboten wurde . Insofern haben wir uns selbstverständ-
lich mit der Materie beschäftigt . Wir haben dieses Netz-
werk sogar verboten .
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat auch
gegen diese Personen ermittelt und das Ermittlungsver-
fahren mit Verfügung vom 17 . April 2014 nach § 170 Ab-
satz 2 StPO, also aus Mangel an Beweisen, eingestellt .
Die Frage 16 des Abgeordneten Dr . André Hahn wirdschriftlich beantwortet .Ich rufe Frage 17 des Abgeordneten Andrej Hunkoauf:
gierung im Rahmen des EU-Internetforums mit Behörden derEU-Mitgliedstaaten, Internetanbietern, der Kommission, demAuswärtigen Dienst, Europol, dem EU-Antiterrorismuskoor-dinator und dem Gegendiskurs-Projekt SSCAT für das erste
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(D)
stimmend zu der Frage positioniert, dass ein von den Beteilig-ten verhandeltes Memorandum zur zukünftigen Zusammenar-beit bzw . zu entsprechenden Maßnahmen als Verschlusssacheeingestuft und daher nicht als offizielles Ratsdokument an dienationalen Parlamente verteilt werden muss, da nach Kenntnisdes Fragestellers sowohl Regierungen mancher Mitgliedstaa-ten als auch Internetfirmen hierzu äußerste Verschwiegenheit
Bitte, Herr Staatssekretär .D
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche
weiteren Aktivitäten die Europäische Kommission im
Rahmen des EU-Internetforums im ersten Halbjahr 2016
plant . Die Europäische Kommission hat lediglich ange-
kündigt, weitere Tagungen durchführen zu wollen . Ent-
sprechende Einladungen erfolgen in der Regel kurzfris-
tig .
Bei im Rahmen des EU-Internetforums erstellten Do-
kumenten handelt es sich nicht um Ratsdokumente, die
an die nationalen Parlamente zu verteilen wären, son-
dern um Dokumente der Europäischen Kommission . Die
Europäische Kommission entscheidet eigenständig über
Weitergabe oder Einstufung ihrer Dokumente . Eine Be-
teiligung der Mitgliedstaaten ist insoweit nicht vorgese-
hen . Daher hat sich die Bundesregierung nicht selbst zur
Frage der Weitergabe oder Einstufung des genannten Do-
kuments der Europäischen Kommission positioniert . Es
ist der Bundesregierung auch nicht bekannt, welche Mit-
gliedstaaten sich gegenüber der Europäischen Kommis-
sion möglicherweise zustimmend zu einer Nichtweiter-
gabe oder Einstufung des Dokuments positioniert haben .
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Abgeordneter?
Vielen Dank, Herr Staatssekretär . – Vergangene Wo-
che hat auch die US-Regierung einen sogenannten Dia-
log mit Internetanbietern begonnen . Laut dem Guardian
stand die terroristische Nutzung des Internets inklusive
Verschlüsselung ganz oben auf der Agenda . Was ist der
Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die beiden
Diskussionsforen mit den Internetdienstleistern in den
USA und in der Europäischen Union untereinander abge-
stimmt sind? Ich denke da zum Beispiel an die regelmä-
ßigen Ministertreffen, die es mit dem Heimatschutzmi-
nisterium in den USA gibt, oder an die Treffen im Format
„G 6 plus 1“ .
D
Ich selbst war im Dezember nicht auf der Sitzung und
kann Ihnen die Frage insofern jetzt nicht beantworten .
Ich würde Ihnen gerne schriftlich nachreichen, inwieweit
uns da eine Zusammenarbeit der Kommission mit den
amerikanischen Behörden bekannt ist .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? – Bitte.
Auf der Tagesordnung dieses Internetforums soll
auch die Frage stehen, wie die beteiligten Firmen den
Behörden den Zugang zu verschlüsselter Kommunika-
tion gewähren können . Möglich wäre etwa, teilweise
verschlüsselte Dienste von WhatsApp und Telegram zu
korrumpieren, indem die Betreiber aufgefordert werden,
die Verschlüsselung für einzelne Nutzer auszusetzen oder
abzuschwächen . Möglich wäre auch, unbemerkt Abon-
nentinnen und Abonnenten in bestimmte Gruppen und
Listen von WhatsApp und Telegram einzuschleusen . In-
wiefern werden solche Techniken von der Bundesregie-
rung selbst angewandt?
D
Soweit ich informiert bin, ist man nur zum ersten Ta-
gesordnungspunkt gekommen, und da ging es um die Er-
örterung der Frage, welche Instrumente zur Bekämpfung
terroristischer Propaganda im Internet und in den sozi-
alen Medien eingesetzt werden können, also inwieweit
die Provider selbst die Entfernung von Inhalten durch-
führen, die zu gewalttätigem Extremismus aufrufen oder
diesen verherrlichen . Dann ging es um sogenannte Coun-
ter Narratives, also darum, terroristische Propaganda
mittels Gegenerzählung zu entlarven und zu bekämpfen .
In einem dritten Tagesordnungspunkt ging es um Über-
legungen zum Umgang der Strafverfolgungsbehörden
mit Verschlüsselungstechnologien . Soweit ich informiert
bin, ist man in dieser Sitzung – und es gab nur diese eine
Sitzung – nur bis zum Tagesordnungspunkt 1 gekommen .
Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Pau .
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, auch den zweiten Teil
und eigentlich den Kern der Frage des Kollegen Hunko
zu beantworten . Er hatte nicht nach dem Sitzungsverlauf
gefragt, sondern danach, inwieweit die Bundesregierung
oder Bundesbehörden ein solches Vorgehen bzw . solche
Ermittlungsmethoden anstreben . Gibt es dazu Strategie-
debatten oder schon vorbereitete Beschlüsse, gesetzliche
Grundlagen oder was auch immer, oder schließt die Bun-
desregierung den Einsatz solcher Mittel aus?
D
Ich bitte, zu entschuldigen, wenn ich nicht richtig aufdie Frage von Herrn Hunko eingegangen bin . Ich dachte,er meinte das in Bezug auf diese Sitzung .Natürlich hat die Bundesregierung hierzu eine klareHaltung . Wir unterstützen den Einsatz von Verschlüsse-lung für die Bürger . Selbstverständlich ist aber auch, dassVizepräsident Peter Hintze
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(C)
(D)
der Staat die Möglichkeit haben muss, zur Verbrechens-bekämpfung mögliche Verschlüsselung zu überwinden .Das ist wie im analogen Bereich . Wir unterstützen dieBürger darin, ihr Haus entsprechend zu sichern . Aberwenn es für den Staat zur Verfolgung schwerster Straf-taten notwendig ist, beispielsweise eine Hausdurchsu-chung durchzuführen, dann muss es auch möglich sein,die Verschlüsselung in diesem Fall zu überwinden .
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen . Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Michael Meister
bereit .
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Andrej Hunko,
Fraktion Die Linke, auf:
Welche Position vertrat der Vertreter der Bundesregierung
im Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds
bei der Entscheidung über die Regeländerung, die es
dem IWF jetzt ermöglicht, neue Kredite auch an Länder zu
vergeben, die Zahlungsrückstände gegenüber staatlichen
Bundesregierung aufgrund dieser Entscheidung für die Rolle
des IWF in der Diskussion um einen Schuldenschnitt für Grie-
chenland?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
D
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Kollege Hunko,
der deutsche Exekutivdirektor hat der vom IWF-Stab
vorgeschlagenen Politikänderung zugestimmt . Die Än-
derung des Regelwerks ist eine Reaktion des Internati-
onalen Währungsfonds auf sich ändernde internationale
Rahmenbedingungen für die Kreditvergabepolitik des
IWF . Die Frage nach einem Schuldenschnitt für Grie-
chenland stellt sich aktuell nicht .
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hunko .
Ich will noch einmal den Vorgang deutlich machen:
Der IWF hat Regeln, nach denen er Kredite an Staaten,
die Kredite nicht bedient hatten, nicht vergeben darf .
Dass diese Regeln sehr hart umgesetzt werden, haben wir
zum Beispiel bei Griechenland gesehen . Im Dezember
hat es nun in Bezug auf die Ukraine eine Ausnahme von
dieser Regelung gegeben . Die Ukraine hat Kredite an
Russland nicht bedient . Daraufhin hat der IWF im Exe-
kutivrat die Regeln geändert . Offenbar hat die Bundesre-
gierung dieser Änderung zugestimmt .
Denken Sie nicht, dass in der internationalen Politik
mit zweierlei Maß gemessen wird und damit das Vertrau-
en in internationale Organisationen und auch den IWF
unterminiert wird, wenn in Bezug auf Griechenland ent-
sprechend hart durchgegriffen wird, aber in Bezug auf
die Ukraine die Regeln so geändert werden, dass ein
Staatsbankrott verhindert wird?
Herr Staatssekretär .
D
Vielen Dank . – Herr Kollege Hunko, die Bundesre-
gierung hat die Wahrnehmung, dass die Anpassung der
Kreditvergabepolitik keine Einzelfallentscheidung ist,
sondern eine generelle Veränderung der Regeln, die ab
Beschlussfassung künftig für alle IWF-Mitglieder glei-
chermaßen gilt .
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter
Hunko?
Ja, vielen Dank . – Es ging ja um einen Kredit in Höhe
von 3 Milliarden Dollar an Russland, den die Ukraine
nicht zurückgezahlt hat . Die russische Seite hatte als Re-
aktion angekündigt, gegen diese Nichtrückzahlung vor
internationalen Gerichten zu klagen . Ist Ihnen etwas über
den gegenwärtigen Stand bekannt? Ist eine solche Klage
eingereicht worden? Oder ist Ihnen dazu nichts bekannt?
D
Zu Klagebemühungen anderer Regierungen kann ich
Ihnen keine Auskunft erteilen, da mir das nicht bekannt
ist .
Nachfrage des Abgeordneten Ströbele, Bündnis 90/
Die Grünen .
Danke, Herr Präsident . – Ich habe hierzu eine Nach-
frage: Bedeutet die Änderung der Vorschrift, dass der
IWF selber beispielsweise an Griechenland neue Kredite
vergeben kann, wenn seine alten noch nicht voll bezahlt
worden sind, und, wenn nein, warum nicht?
D
Es geht bei dieser Entscheidung, wenn ich die Regel-
änderung richtig verstanden habe, nicht um die Frage, ob
Kredite gegenüber dem IWF bedient worden sind oder
nicht, sondern um die Frage, inwieweit Kredite, die ein
Schuldner bezogen auf einen anderen öffentlichen Gläu-
biger hat, bereits vollumfänglich und zeitgemäß bedient
wurden . Die Frage, die Sie stellen, Herr Kollege Ströbele,
ist nach meiner Wahrnehmung von dieser Regeländerung
nicht erfasst .
Die Frage 19 des Abgeordneten Christian Kühn wirdschriftlich beantwortet .Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröderhttp://www.tagesschau.de/wirtschaft/ukraine-russland-kredit-101.htmlhttp://www.tagesschau.de/wirtschaft/ukraine-russland-kredit-101.html
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(C)
(D)
Die Frage 20 des Abgeordneten Dr . Alexander S . Neusowie die Frage 21 der Abgeordneten Katrin Kunert zumGeschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidi-gung werden schriftlich beantwortet .Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . ZurBeantwortung steht der Parlamentarische StaatssekretärNorbert Barthle zur Verfügung .Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten MatthiasGastel, Bündnis 90/Die Grünen, auf:Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus derTatsache, dass in der von der Bundesregierung in Auftrag ge-gebenen Deutschland-Takt-Studie der Bau der sogenanntenWendlinger Kurve in zwei- statt nur in eingleisiger Weiseempfohlen wird und die Bewertung dieser Maßnahme für denBundesverkehrswegeplan noch nicht abgeschlossen wurde,der Bau der Wendlinger Kurve in eingleisiger Ausführungaber noch im Dezember 2015 von der Deutschen Bahn AG
vergeben wurde (vergleiche Nürtinger Zeitung vom
23 . Dezember 2015), und wie würde sich eine nachträglichePlanänderung auf zwei Gleise nach Einschätzung der Bundes-regierung zeit- und kostenmäßig auswirken?Herr Staatssekretär, bitte .N
Vielen Dank, Herr Präsident . – Herr Kollege Gastel,
die Kleine Wendlinger Kurve stellt die eingleisige Ver-
bindung zwischen der zu realisierenden Neubaustrecke
zwischen Stuttgart und Ulm und der Neckartalbahn her .
Nach Angaben des Vorhabenträgers wird diese Kurve
gemäß dem zu berücksichtigenden Betriebskonzept von
Teilen des Personenverkehrs von Stuttgart Hauptbahnhof
in Richtung Tübingen und zurück genutzt . Das hierfür
prognostizierte Verkehrsaufkommen kann demnach auch
unter Beachtung der Verkehre auf der Neubaustrecke und
der Neckartalbahn über eine eingleisige und niveauglei-
che Anbindung abgewickelt werden . Dies wurde im Rah-
men der Planfeststellung bestätigt .
Die in der Machbarkeitsstudie zum Deutschland-Takt
unter dem Punkt „Kleinere Maßnahmen mit regionaler
Bedeutung“ genannte Maßnahme eines Ausbaus – hier
als Abzweig Neckartal bezeichnet – dient nach bisheri-
gem Erkenntnisstand lediglich dem Schienenpersonen-
nahverkehr, den die Länder eigenverantwortlich gestal-
ten . Die Gutachter halten hier eine Einzelfallprüfung für
erforderlich . Wie alle Maßnahmen und Vorschläge der
Machbarkeitsstudie ist auch der Ausbau des angespro-
chenen Abzweigs Neckartal bei Wendlingen in das mehr-
stufige Bewertungsverfahren für den neuen Bundesver-
kehrswegeplan aufgenommen worden . Die Prüfung ist
noch nicht abgeschlossen .
Um einer eventuellen Nachfrage zuvorzukommen: Sie
haben sicherlich schon zur Kenntnis genommen, dass die
Bundesregierung in Absprache mit der Regierungskoa-
lition beschlossen hat, eine strategische Umweltprüfung
aller Maßnahmen dem Bundesverkehrswegeplan hinzu-
zufügen und der Bundesverkehrswegeplan voraussicht-
lich vor Ostern im Entwurf veröffentlicht wird .
Ihre Zusatzfrage, Herr Abgeordneter .
Herr Staatssekretär Barthle, an der Thematik, dass sich
aufgrund der erheblichen Verzögerung bei der Erstellung
des Entwurfs des neuen Bundesverkehrswegeplans be-
reits vollendete Tatsachen ergeben, die dem widerspre-
chen, was in Ihrer eigenen Machbarkeitsstudie empfoh-
len wurde, nämlich die Zweigleisigkeit, haben Sie jetzt
komplett vorbeigeredet . Was wird die Bundesregierung
aufgrund dessen machen, dass es eine Empfehlung für
den zweigleisigen Ausbau gibt, sich ihre Prüfung, ob
die Zweigleisigkeit unter dem Gesichtspunkt der Netz-
wirksamkeit tatsächlich für den Deutschland-Takt erfor-
derlich ist, endlos herauszögert und gleichzeitig bereits
eine Vergabe für die eingleisige Streckenführung getätigt
wurde? Das ist die Frage. Sie haben noch nicht zu Ende
geprüft; gleichzeitig wird etwas in einer kleineren Di-
mension gebaut, als von Ihrem eigenen Gutachter emp-
fohlen. Wie gehen Sie damit um? Welche Konsequenzen
ziehen Sie daraus?
Herr Staatssekretär .
N
Herr Kollege Gastel, ich sage nochmals, dass die
Maßnahme, die in der Machbarkeitsstudie vorgeschlagen
wird, hinsichtlich ihres Nutzens für den Personenfern-
und Güterverkehr von uns geprüft wird . Diese Prüfung
findet im Rahmen der Erstellung des Bundesverkehrs-
wegeplanes statt . Davon unabhängig ist der Verkehr auf
dieser Strecke, der lediglich im Schienenpersonennah-
verkehr stattfindet. Das muss man getrennt betrachten.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Ihre Antwort – das wird Sie nicht
wundern – kann nicht zufriedenstellen . Die Grundlage
meiner Frage ist das Thema Deutschland-Takt und die
Tatsache, dass die alte Bundesregierung eine Studie dazu
in Auftrag gegeben hat . Deswegen die Fragen zum The-
ma Deutschland-Takt und dazu, wie es damit weitergeht:
Wer koordiniert bei Ihnen das Thema Deutschland-Takt?
Wer bringt das Ganze in die Koordination mit denen
ein, die daran beteiligt sein müssen, also beispielsweise
mit den Infrastruktureigentümern? Wer bringt das The-
ma Deutschland-Takt voran? Wer koordiniert die unter-
schiedlichen Interessen, damit es beim Thema Deutsch-
land-Takt tatsächlich vorangeht?
N
Herr Kollege Gastel, das findet nach meinem Kennt-nisstand mit dem Vorhabenträger, also mit der Bahn, statt .Darüber hinaus kann ich momentan keine Auskunft geben .Vizepräsident Peter Hintze
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(C)
(D)
Ich rufe Frage 23 ebenfalls des Abgeordneten Gastel,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre Ablehnung ei-
ner Maut für Busse, während sie die Bemautung von Lkw ab
Herr Staatssekretär .
N
Danke, Herr Präsident . – Herr Kollege Gastel, der
Fernbusmarkt wurde 2013 liberalisiert und befindet sich
seither in einer zwar erfreulichen, aber dennoch frühen
Entwicklungsphase . Deshalb planen wir keine Maut für
den Fernbusmarkt .
Zusatzfrage?
Ja . Vielen Dank . – Ich möchte schon wissen, ob Sie
nicht den Eindruck haben, dass sich der Fernbusmarkt,
nachdem wir jetzt bei etwa 20 Millionen Fahrgästen
pro Jahr angekommen sind und seine Entwicklung viel
schneller und intensiver vorangegangen ist, als erwartet
wurde, in einer Situation befindet, in der man durchaus
über die Einführung einer Bemautung nachdenken könn-
te und aus unserer Sicht auch sollte? Welche konkreten
Befürchtungen haben Sie? Inwieweit könnte eine Maut
dem Fernbusmarkt schaden?
N
Herr Kollege Gastel, eine Maut für den Fernbusmarkt
würde das Kundenverhalten wahrscheinlich relativ we-
nig beeinflussen; denn umgerechnet auf den einzelnen
Fahrgast beträgt sie gerade einmal 0,2 Cent pro Kilome-
ter . Das ändert am Fahrpreis wenig .
Nebenbei bemerkt, ist die Forderung nach der Erhe-
bung einer Maut in jüngster Zeit vom Kollegen Ramelow
von der Linkspartei öffentlich vorgetragen worden .
Wenn ich die Veröffentlichungen in der Welt richtig in-
terpretiere, dann hat auch Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr
Hofreiter, das entsprechend abgelehnt . Insofern sehe ich
auch Zustimmung vonseiten der Grünen .
Das provoziert eine weitere Zusatzfrage, zu der Sie
auch das Recht haben, Herr Kollege Gastel . – Bitte .
Ministerpräsident Ramelow hatte behauptet, der Fern-
bus würde ökologisch keinen Sinn machen . Dem hat un-
ser Fraktionsvorsitzender Toni Hofreiter widersprochen .
Er hat nicht der Forderung nach der Maut widersprochen .
Dazu stehen wir als Fraktion . Deswegen die Nachfrage
an Sie: Ist es nicht eine Frage der Logik, dass, wenn man
Lkw, und zwar auch kleinere, leichtere Lkw, zunehmend
bemautet, man dann auch die Busse in die Bemautung
einbezieht? Sie nutzen die Infrastruktur doch in gleichem
Umfang ab wie etwa gleichschwere Lkw, und die werden
bemautet .
N
Herr Kollege Gastel, ich wiederhole meine Aussage,
dass der Fernbusmarkt erst vor kurzem liberalisiert wur-
de und sich in einer frühen Entwicklungsphase befindet.
Wir wollen diese Entwicklungsphase beobachten und
jetzt noch nicht eingreifen . Dafür ist der Zeitpunkt zu
früh .
Die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten OliverKrischer sowie die Fragen 26 und 27 des AbgeordnetenStephan Kühn werden schriftlich beantwortet .Die Frage 28 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhlzum Geschäftsbereich des Bundesministeriums fürUmwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wirdschriftlich beantwortet .Die Frage 29 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhlzum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung wird ebenfalls schriftlich beantwor-tet .Die Frage 30 des Abgeordneten Omid Nouripour zumGeschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung wird schriftlichbeantwortet .Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-lerin und des Bundeskanzleramtes . Zur Beantwortungder Fragen 31 und 32 steht Staatssekretär Klaus-DieterFritsche bereit, zur Beantwortung der Frage 33 Staatsmi-nisterin Monika Grütters .Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Hans-ChristianStröbele, Bündnis 90/Die Grünen, auf:Inwieweit trifft zu, dass das Bundeskanzleramt dem Bun-desnachrichtendienst ausdrücklich gestattete (so dieWelt vom 4 . Januar 2016: http://gruenlink .de/12sw), dessenkritische Analyse über Saudi-Arabiens „impulsive Interventi-
Widerworte des Auswärtigen Amts (vergleiche die Welt amangegebenen Ort) per Pressemitteilung mit Sperrfrist 2 . De-zember 2015 „unter 1“ zu veröffentlichen, also keineswegsJournalisten dies indiskretioniert hätten, wie aber BND-Vi-zepräsident Guido Müller im Auswärtigen Ausschuss des
wie erklärt die Bundesregierung demgegenüber, dass danachzwar zunächst das Bundeskanzleramt diese Veröffentlichungunglücklich nannte und das Auswärtige Amt die angebliche
weitere vertrauliche Analyse zulasten Saudi-Arabiens mediallancieren ließ, dessen jahrzehntelange Missionierung nämlich
Herr Staatssekretär, bitte .http://gruenlink.de/12swhttp://www.tagesschau.dehttp://www.tagesschau.dehttp://gruenlink.de/12svhttp://gruenlink.de/l2sx
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 201614604
(C)
(D)
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Herr Präsident . – Herr Abgeordneter Ströbele,
Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Am 1 . Dezem-
ber 2015 hat ein Pressehintergrundgespräch des BND zu
Saudi-Arabien stattgefunden . In diesem Rahmen wurde
das von Ihnen genannte Papier als zitierfähig verteilt .
Aufgabe des BND ist es, die Bundesregierung mit Er-
kenntnissen und Analysen zu versorgen . Der BND äu-
ßert sich in Einzelfällen auch öffentlich zu Themen von
außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung . Die dort
geäußerten Einschätzungen entsprechen nicht unbedingt
der Haltung der Bundesregierung .
Herr Abgeordneter, von dem am 1 . Dezember 2015
verteilten Papier zu unterscheiden ist die in der Süddeut-
schen Zeitung vom 7 . Januar 2016 zitierte BND-Analyse .
Dabei handelt es sich um eingestufte Berichterstattung
des BND zum sogenannten „Islamischen Staat“ für die
Bundesregierung, die nicht für die Medien bestimmt war .
Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, wie
diese Analyse an die Öffentlichkeit gelangt ist, und miss-
billigt dies ausdrücklich .
Vielen Dank . – Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben
bestimmt eine Zusatzfrage . – Bitte .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt ein Informationspapier vom Bundesnachrichten-
dienst, das mit Zustimmung des Kanzleramtes weiterge-
geben worden ist, und die Aussage des Außenministeri-
ums, in der es kritisiert, dass der BND überhaupt etwas
herausgegeben hat, bezieht sich auf ein ganz anderes
Papier?
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, noch einmal zur Verdeutlichung:
Ich habe von zwei Papieren gesprochen . Es gibt ein zi-
tierfähiges Papier, das bei dem Hintergrundgespräch des
BND verteilt worden ist, und es gibt eine indiskretionier-
te Unterlage zum „Islamischen Staat“, in der man sich
eben auch mit Saudi-Arabien beschäftigt hat, die ohne
Wissen und Wollen der Bundesregierung und auch des
BND nach draußen gegeben worden ist .
Die Kritik des Auswärtigen Amtes, das die Zentral-
stelle für die Bewertung der Außenpolitik in der Bundes-
regierung ist, bezieht sich nach meiner Kenntnis auf das
verteilte Papier .
Auf das verteilte Papier . – Ja, aber dann vertritt das
Auswärtige Amt in diesem Punkt eine andere Auffassung
als das Bundeskanzleramt; denn das Bundeskanzleramt
war damit einverstanden – das haben Sie ja gerade ge-
sagt –, dass dieses erste Papier – ich benenne das jetzt
einfach einmal mit Zahlen – herausgegeben worden ist .
Gibt es nicht irgendeine Vereinbarung oder eine Bespre-
chung? Stimmt man das untereinander nicht ab?
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein .
Wie kann es sein, dass die eine Stelle sagt: „Das könnt
ihr herausgeben“ – die tun das dann auch – und dann die
andere Stelle sagt: „Ungeheuerlich“?
Bitte schön .
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Frau Präsidentin . – Zentrale Schaltstelle
für die Bewertung der Außenpolitik der Bundesregie-
rung – das habe ich gerade erwähnt, Herr Abgeordneter
Ströbele – ist das Auswärtige Amt . Einer der Zulieferer –
mit einem Teil der Informationen und Bewertungen – für
diese Gesamtbeurteilung der Bundesregierung durch das
Auswärtige Amt ist der Bundesnachrichtendienst . Die
Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes ist nicht
gleichzeitig die politische Bewertung der Bundesregie-
rung, für die, wie ich bereits gesagt habe, das Auswärtige
Amt zuständig ist . Es ist unglücklich, dass sie in der öf-
fentlichen Diskussion als solche wahrgenommen worden
ist . Das ist allerdings unmittelbar danach richtiggestellt
worden .
Vielen Dank . – Ich rufe die Frage 32 des Abgeordne-
ten Hans-Christian Ströbele auf:
Inwieweit trifft zu, dass vor Juni 2013 der BND eine „nur
für deutsche Augen bestimmte“ Liste eigener Abhörziele ver-
sehentlich der NSA zeigte, auf der Rufnummern führender Re-
die unter Umständen mit den angeblich 2008 vom BND ver-
sehentlich offenbarten 300 Telefonnummern von US-Bürgern
macht die Bundesregierung über Zahl und Identität der Betrof-
fenen, Dauer der Überwachung sowie Gründe und Verantwort-
liche dieser Offenbarung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Herr AbgeordneterStröbele, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Arbeitsme-thoden und Vorgehensweise der Nachrichtendienste desBundes sind im Hinblick auf die künftige erfolgreicheAuftragserfüllung besonders schutzwürdig, da aus ihremBekanntwerden sowohl staatliche als auch nichtstaatlicheAkteure Rückschlüsse auf den Modus Operandi sowie dieFähigkeiten und die Methoden der Nachrichtendiensteziehen können . Dadurch wird die Aufgabenerfüllung derhttp://gruenlink.de/12suhttp://gruenlink.de/12t8
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Nachrichtendienste zum Schutz unserer Bürgerinnen undBürger erschwert . Im Ergebnis kann dies für die Funkti-onsfähigkeit der Nachrichtendienste und für die Interes-sen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein . Diekünftige Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste desBundes würde beeinträchtigt . Die Offenlegung der ent-sprechenden Information kann die Sicherheit der Bun-desrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessenschweren Schaden zufügen . Deswegen kann die Antwortnicht in öffentlicher Sitzung erfolgen . Ich habe deshalbdie Antwort auf Ihre Frage für Sie in der Geheimschutz-stelle des Deutschen Bundestages hinterlegen lassen .
Herr Kollege Ströbele .
Das ist natürlich wenig zufriedenstellend, weil es sich
ja hier – ich habe das auch zitiert – um eine Meldung
in der Washington Post handelt, also um eine Meldung
in einer sehr seriösen US-Zeitung . In dieser Meldung
ist das alles genau dargelegt worden . Ich denke, das ist
im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit den
Ergebnissen des 1 . Untersuchungsausschusses dieser Sit-
zungsperiode, also des NSA-Untersuchungsausschusses,
zu sehen, die in Deutschland öffentlich stattfindet. Dem-
nach sollen auch Ziele in den USA, auch Regierungs-
stellen in den USA, durch den Bundesnachrichtendienst
abgehört worden sein . Das sollen 300 gewesen sein . Man
soll diese Liste versehentlich sogar den US-Behörden ge-
zeigt haben . Über diesen Vorgang wird inzwischen auch
öffentlich diskutiert, auch in den USA . Warum darf man
hier nicht darüber diskutieren?
Das wird Ihnen der Herr Staatssekretär jetzt beantwor-
ten .
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, vielen Dank . – Herr Abgeordneter
Ströbele, das erinnert mich an Diskussionen, die ich mit
Ihnen in verschiedenen Gremien schon öfter geführt
habe: Dadurch, dass etwas, aus welchen Gründen auch
immer, in öffentlichen Medien dargestellt wird, sind der
Staatswohlgedanke und die grundsätzliche Geheimhal-
tung nicht außer Kraft gesetzt . Deswegen kann darüber
eben auch nicht öffentlich diskutiert werden . Sie haben
im Parlamentarischen Kontrollgremium, in dem Sie Mit-
glied sind, und im Untersuchungsausschuss, in dem Sie
Mitglied sind, die Erfahrung gemacht, dass in geheimer
Sitzung Fehler, die seitens der Behörden entstanden sind,
von den Parlamentariern gerügt werden können . Dann
können sie öffentlich gerügt werden, ohne auf die Metho-
dik der Dienste einzugehen, weil wir effektive Dienste
für die Zukunft brauchen .
Herr Kollege Ströbele, Sie sind noch nicht zufrieden .
Kann ich dem entnehmen, Herr Staatssekretär, dass,
um das öffentlich diskutieren zu können und eine öf-
fentliche Stellungnahme der Bundesregierung dazu zu
bekommen, man das erst einmal im Parlamentarischen
Kontrollgremium auf die Tagesordnung setzen und eine
Untersuchung durchführen muss, dass man notfalls einen
Untersuchungsausschuss einrichten muss, damit auch die
Öffentlichkeit, die sich mit dieser Meldung beschäftigt,
weiß, was Sache ist?
Herr Staatssekretär .
K
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, vielen Dank . – Herr Abgeordneter
Ströbele, das können Sie meinen Aussagen nicht entneh-
men . Ihnen ist das Verfahren bekannt, das die sogenannte
BND-eigene Erfassung, die BND-eigenen Selektoren,
angeht . Hier ist in dem Spannungsverhältnis zwischen
dem Informations- und Fragerecht des Deutschen Bun-
destags – dies ist verfassungsrechtlich abgesichert – und
dem Staatswohlgedanken, dem beide Gremien, der Deut-
sche Bundestag und die Bundesregierung, verpflichtet
sind, ein Verfahren hinsichtlich der BND-eigenen Selek-
toren gemeinsam mit dem PKGr entwickelt worden . Die
Selektoren liegen im Kanzleramt für die Mitglieder des
PKGr zur Einsichtnahme bereit . Ich denke, damit ist die-
sem Spannungsverhältnis und auch der Aufklärungsmög-
lichkeit der Abgeordneten Genüge getan .
Vielen Dank . – Ich sehe keine weiteren Nachfragen .
Dann bedanke ich mich bei Staatssekretär Fritsche für
die Beantwortung .
Ich rufe die Frage 33 der Abgeordneten Tabea Rößner
auf:
Inwiefern wird die Bundesregierung bei der Reform der
Ende Februar 2016 auslaufenden Richtlinie des Deutschen
Filmförderfonds sicherstellen, dass Dokumentarfilme sowie
kleinere Spielfilmproduktionen mit Herstellungskosten zwi-
schen 1 Million und 2 Millionen Euro bei dem automatischen
Fördermechanismus nicht schlechtergestellt werden als grö-
ßere Produktionen, und, falls sie dies nicht vorhat, empfiehlt
die Bundesregierung Produzenten dieser niedrig budgetierten
Produktionen, ihre Anträge für das Jahr 2016 noch alle vor
Ablauf der aktuellen Richtlinie zu stellen?
Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Grütters
bereit . Bitte schön .
M
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau KolleginRößner, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Seit dererfolgten Entfristung und Festschreibung des DeutschenFilmförderfonds auf 50 Millionen Euro und den Erfah-rungen im Jahr 2015 mit einer erstmaligen Überzeich-nung des DFFF wird in der Tat über eine Anhebungder Einstiegsschwellen sowohl im Beirat des DFFF alsParl. Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
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auch – das wissen Sie – in der Filmbranche diskutiert .Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zur Ge-staltung der voraussichtlich am 1 . März 2016 in Krafttretenden DFFF-Richtlinie ist bei uns bislang nicht ab-geschlossen .
Frau Kollegin Rößner .
Vielen Dank, Frau Staatsministerin . – Sie kennen si-
cherlich den Gender Report der Uni Rostock vom Febru-
ar 2015, der ja sehr deutlich macht, dass es Unterschiede
hinsichtlich der Größe der Produktionen und der Regis-
seurinnen und Regisseure gibt . Dieser Gender Report
zeigt, dass 74 Prozent der in Deutschland von Frauen
inszenierten Kinofilme ein Budget von unter 2 Millionen
Euro aufweisen . Können Sie daher ausschließen, dass
durch die Reform der DFFF-Richtlinie die Benachteili-
gung von Produktionen, die unter der Regie von Frauen
entstehen, noch stärker ausfällt, als es bereits der Fall ist?
M
Richtig ist, dass tatsächlich immer wieder über die
Höhe der Einstiegsschwelle diskutiert worden ist, und
zwar ganz unabhängig davon, welche Gründe und Mo-
tivationen – in diesem Fall nennen Sie die Produktionen
von Frauen – es dafür gab . Natürlich wissen wir beide
wie auch andere in der Branche, dass eine Anhebung der
Einstiegsschwelle eher größere Produktionen und ent-
sprechende Standorte begünstigen würde und andere da-
durch eher einen Nachteil hätten, nämlich die kleineren,
beispielsweise auch Dokumentarfilmer. Deshalb bin ich,
was solche Überlegungen angeht, vorsichtig und zurück-
haltend .
Frau Kollegin Rößner .
Vielen Dank . – Sie sind zurückhaltend . Heißt das, dass
Sie sich noch nicht entschieden haben, oder wollen Sie
vielleicht die Schwelle absenken, um die Benachteili-
gung von Frauen in dem Bereich der niedrigen Budgets
zu reduzieren?
M
Sie wissen, dass wir inzwischen fast 25 Millionen
Euro mehr für die Filmförderung zur Verfügung haben .
Über den DFFF hinaus gibt es ja jetzt 15 Millionen Euro
mehr für die kulturelle Filmförderung . Außerdem gibt es
beim BMWi noch einmal 10 Millionen Euro . Insofern
lohnt es sich in der Tat, über die Einstiegsschwellen noch
einmal nachzudenken . Durch die Tatsache, dass wir beim
DFFF 50 Millionen Euro haben, und zwar verstetigt, und
25 Millionen Euro mehr als vorher, kann man eine Ver-
änderung der Einstiegsschwellen sowohl nach unten wie
auch nach oben begründen . Aber damit wir tatsächlich
kleinere Produktionen nicht unnötig belasten und umge-
kehrt den DFFF dort entlasten, wo es nötig ist, müssen
wir alle Gründe gut abwägen . Dieser Prozess ist noch
nicht endgültig abgeschlossen .
Vielen Dank . – Ich sehe keine weiteren Zusatzfra-
gen . Dann bedanke ich mich bei Frau Staatsministerin
Grütters für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Energie .
Die Frage 34 des Abgeordneten Dr . Konstantin von
Notz, die Frage 35 der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden,
die Frage 36 der Abgeordneten Katrin Kunert, die Fra-
ge 37 der Abgeordneten Katharina Dröge sowie die Fra-
gen 38 und 39 der Abgeordneten Bärbel Höhn werden
schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde an-
gelangt .
Ich unterbreche die Sitzung bis zur Aktuellen Stunde
um 16 .20 Uhr .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrocheneSitzung wird fortgeführt .Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU undSPDAktuelle Lage im Nahen und Mittleren OstenDas Wort hat jetzt Herr Bundesminister Dr . Frank-Walter Steinmeier .
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ein Terroranschlag im Zentrum von Istanbul hat gesternzwölf Menschen in den Tod gerissen . Viele wurden ver-letzt . Wir wissen jetzt, dass zehn der Todesopfer deutscheStaatsbürger sind . Sie waren Reisende, neugierig auf dieWelt . Sie bestaunten einen der schönsten Plätze der Tür-kei, gerade zu dem Zeitpunkt, als die Bombe detonierte .Wir sind vereint mit den Angehörigen in der Trauerüber die Opfer, vereint auch in Wut und Abscheu ge-genüber dieser heimtückischen Tat . Klar ist für uns:Deutschland darf und wird sich von Mord und Gewaltnicht einschüchtern lassen . Ganz im Gegenteil, gemein-sam mit unseren Partnern werden wir dem Terror weiterentgegentreten: hier zu Hause mit den Mitteln von Poli-zei und Rechtsstaat, auch im Kampf um die Köpfe jungerMenschen, aber auch mit den Möglichkeiten, die Außen-politik hat, indem wir uns darum bemühen, EskalationenStaatsministerin Monika Grütters
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in unserer Nachbarschaft entgegenzuwirken, die nur neu-en Hass und neuen Terror schüren .Meine Damen und Herren, das gilt ganz besondersauch für den Mittleren Osten, eine Region, in der überviele Jahre hinweg die Gräben tiefer, die religiösen bzw .konfessionellen Spannungen erbitterter und die Konfliktebrutaler geworden sind . All das wird zunehmend überla-gert vom Ringen zwischen Sunni und Schia und derenSchutzmächten Saudi-Arabien und Iran .Am Beginn dieses Jahres ist die Spannung zwischenRiad und Teheran brandgefährlich eskaliert, nicht nurdeshalb, weil sich das bilaterale Verhältnis der beidenhart auf eine offene Konfrontation zubewegt hat, son-dern eben auch, weil diese Eskalation alles zu vernichtendrohte und droht, was wir im letzten Jahr auf den Weggebracht haben . Denn 2015 haben wir, wenn man sichzurückerinnert, gerade dort – im Krisenbogen zwischenLibyen und Irak – doch ein paar Fortschritte erzielt, diemanchmal einen kleinen Hoffnungsschimmer aufschei-nen ließen .Im Juli haben wir nach über zehn Jahren Verhandlun-gen das Nuklearabkommen mit dem Iran geschlossen,und jetzt gerade stehen wir kurz vor dem sogenanntenImplementation Day . In Libyen gelang es am Jahresende,einen wichtigen Schritt hin auf dem Weg zu einer Re-gierung der nationalen Einheit zu machen – auch dankder Vermittlungsbemühungen eines VN-Sondergesand-ten, eines deutschen Diplomaten. Im Syrien-Konflikt istes nach fünf viel zu langen Jahren des Blutvergießensgelungen, im sogenannten Wiener Prozess endlich alleAkteure an einen Tisch zu holen, die wir zur Entschär-fung, zur Lösung dieses Problems brauchen, auch Riadund Teheran .Dahin zu gelangen, liebe Kolleginnen und Kollegen,war schwierig und mühsam . Weil es so war, darf das ge-rade jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden . Deshalb er-warten wir von Teheran und von Riad, dass sie sich auchtatsächlich weiterhin auf diesen Verhandlungsweg ein-lassen und nicht versuchen, mit bilateralen Eskalationendas Erreichte wieder zu torpedieren .
Sie, die beiden – Iran und Saudi-Arabien –, haben denentscheidenden Einfluss in der Nachbarschaft. Das giltfür Jemen, aber es gilt auch für Syrien . Wir erwarten,dass sie von diesem Einfluss auch vernünftig und verant-wortlich Gebrauch machen . Wir – Deutschland, Europa,die E3+3 – können das politisch und diplomatisch un-terstützen; aber wir können Vernunft und Verantwortunganderer, wo sie fehlen, eben nicht komplett ersetzen . DasGrauen in Syrien muss ein Ende haben . Deshalb müssendie hart errungenen Wiener Gespräche fortgeführt wer-den, und zwar, meine Damen und Herren, mit Teheranund mit Riad . Anders wird es nicht gehen .
Die politischen Prozesse – darüber haben wir hier indiesem Saal verschiedene Male geredet – sind der Kernunserer Bemühungen im Mittleren Osten . Aber sie sindeben bei weitem nicht alles . Die Stichworte kennen Sie:der Kampf gegen den Terror des IS, die Stabilisierungder Krisenstaaten und vor allen Dingen natürlich die hu-manitäre Hilfe für die Betroffenen und Vertriebenen . Ichkann in den paar Minuten meiner Redezeit nicht alles er-wähnen . Sie haben hier im Hohen Hause zum Ende desvergangenen Jahres einen Haushalt verabschiedet, derin beispiellosem Umfang humanitäre Hilfe im MittlerenOsten ermöglicht . Ich kann Ihnen versprechen: Wir in derBundesregierung werden sie mit unseren Möglichkeitenumsetzen .Im Kampf gegen den IS steht morgen ein weiteresMandat zur Debatte . Auf Bitte der irakischen Regierungleistet die Bundeswehr seit einem knappen Jahr Unter-stützung im Nordirak . Wir haben Peschmerga und lo-kale Sicherheitskräfte ausgebildet und ausgerüstet . DasEngagement zeigt Wirkung: Der IS verliert an Boden .Wir wollen die Ausbildung weiter intensivieren und zu-sätzlich in den Schutz unserer Soldatinnen und Soldateninvestieren . Für dieses Mandat kann ich schon jetzt umUnterstützung bitten .Am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber wirktdiese harte Arbeit nur, wenn sie in politische Prozesseeingebettet ist . Dafür ist es nötig, dass wir eben auch mitschwierigen Partnern reden . Ich verstehe – glauben Siemir das – die Skepsis, wenn es um Saudi-Arabien geht .Natürlich dürfen wir nicht wegschauen, wenn es umMenschenrechte, erst recht um Hinrichtungen oder umExtremismus geht . Die Frage ist doch, welche Schluss-folgerungen wir daraus ziehen .Reisen absagen, dichtmachen und Belehrungen überdie heimischen Medien erteilen: Wer glaubt, dass soAußenpolitik funktioniert, der irrt meiner Ansicht nach .Außenpolitik funktioniert nicht aus der Sofaecke mit derFernbedienung in der Hand . Wenn wir überhaupt etwasbewirken wollen, meine Damen und Herren, dann müs-sen wir raus in die Welt, dann müssen wir hin zu denKonflikten. Wir müssen mit den Konfliktparteien reden,gerade auch mit den schwierigen . Andersherum gesagt:Wenn ich mit all den Vertretern der Länder nicht mehrsprechen würde, deren Politik wir nicht teilen, dann hät-te ich in der Tat mehr Zeit, unsere prima Beziehungenzu Luxemburg zu pflegen. Das würde ich gerne machen.Aber das ist deutlich weniger, als man weltweit von unserwartet .
Ich jedenfalls werde – das kann ich Ihnen voraussagen –im vor uns liegenden Jahr eher mehr und ganz gewissnicht weniger Reisen in den Mittleren Osten unterneh-men .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke spricht jetztder Kollege Wolfgang Gehrcke .
Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
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Danke sehr . – Frau Präsidentin! Ich glaube, es ist völ-
lig unumstritten, dass die Lage im Nahen und Mittleren
Osten mit jedem Tag dramatischer wird . Auf einige die-
ser dramatischen Entwicklungen hat der Außenminister
aufmerksam gemacht: der furchtbare Anschlag in Istan-
bul, der in der Lage ist, sehr viel von dem, was es an
vernünftigen Überlegungen gegeben hat, mit sich in den
Abgrund zu reißen, das fortgesetzte Morden und Töten
in Syrien, der Krieg im Jemen, die Auseinandersetzung
zwischen Saudi-Arabien und dem Iran .
Ich habe die große Sorge, dass dieser Mord an 47 ver-
urteilten Menschen, darunter dem schiitischen Geistli-
chen in Saudi-Arabien, gewollt oder ungewollt, zu einem
großen Konflikt in der ganzen Region führen kann. Ich
finde, die deutsche Außenpolitik ist gut beraten, alles zu
tun, um so etwas zu verhindern .
Angesichts einer solchen Situation bin ich, ehrlich
gesagt, Herr Außenminister, für eine Doppelstrategie .
Ich bin dafür, dass man mit den betroffenen Menschen
redet; da haben Sie völlig recht . Gesprächen auszuwei-
chen, bringt überhaupt nichts . Solche Gespräche sind
nicht immer angenehm . Das muss sich aber damit ver-
binden, dass man Klartext spricht und auch entsprechend
handelt, wenn es um die Kritik an einem solchen Verhal-
ten wie das Saudi-Arabiens geht . Ich muss Ihnen ehrlich
sagen: Saudi-Arabien ist für mich so etwas wie der Staat
des IS geworden . Vom IS unterscheidet Saudi-Arabien
nicht viel . Menschen werden enthauptet, geschlagen oder
totgepeitscht .
– Das kann ja sein . Das Eis ist immer dünn, Herr Kauder .
Das wissen Sie am besten .
Das ist der staatgewordene IS .
Ich möchte, dass jetzt endlich einmal einige Dinge
klargestellt werden. Ich finde, dass die deutsche Nahost-
politik sprunghaft, streckenweise prinzipienlos und op-
portunistisch ist . Ich nenne Ihnen vier Beispiele . Es gäbe
viel mehr .
Das erste Beispiel ist Saudi-Arabien . Nach der Hin-
richtung der 47 Menschen wäre es notwendig gewesen,
dem Staat Saudi-Arabien mitzuteilen: Es wird keine
deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien mehr ge-
ben .
Das wäre doch das Mindeste, was man hätte tun können .
Das ersetzt nicht die Gespräche . Zu den Gesprächen ge-
hört aber auch, seitens der Weltgemeinschaft deutlich zu
machen: So nicht! Das ist ausgeblieben . Gespräche sind
angekündigt worden, aber das Handeln ist ausgeblieben .
Ich glaube, dass man ähnlich nachdenken muss, wie
man mit der Türkei weiter umgeht . Das fällt mir jetzt
schwer vor dem Hintergrund des Anschlags in Istanbul .
Muss man der Türkei nicht viel deutlicher sagen: „Ja, es
ist vernünftig, wenn die Türkei ebenso wie Saudi-Arabi-
en und der Iran weiter an den Gesprächen in Wien teil-
nimmt, weil man dort zu einem Ergebnis kommen muss,
aber wir werden nicht akzeptieren, dass die Türkei nach
wie vor für den IS eine Nachschub- und Erholungsbasis
ist“? Auch das muss man in aller Deutlichkeit vermitteln.
Nehmen wir Syrien selber . Ich war sehr froh über die
Ergebnisse in Wien . Ich habe mich bei Ihnen, Herr Au-
ßenminister, für das, was dort verhandelt worden ist, auch
bedankt. Ich finde die neun Punkte sehr vernünftig. Das
ist ein Friedensplan für Syrien . Gehört dazu nicht auch,
zu sagen: „Wir achten und akzeptieren die Staatlichkeit
Syriens“? Eine deutsche Verletzung des Luftraums von
Syrien durch den Tornado-Einsatz ohne UN-Beschluss
und ohne Einladung der syrischen Regierung ist völlig
inakzeptabel . Das ist verfassungs- und völkerrechtswid-
rig . Das werden wir auch dem Verfassungsgericht so
vortragen . Es geht nicht, dass wir uns anmaßen, einfach
über andere Staaten deutsches Militär einzusetzen . Das
ist völlig inakzeptabel . Damit setzt man sich selber ins
Unrecht .
Ich möchte auch ein Thema ansprechen, das Sie nicht
angesprochen haben: Muss man nicht gerade in die-
ser Situation auf die israelische Regierung einwirken,
sich doch mehr zu bewegen, was die Zweistaatlichkeit
angeht? Vielleicht ist sie jetzt noch möglich. Ob sie in
einem Jahr noch möglich ist und was das für die ganze
Region bedeutet, weiß keiner . Auch hier würde ich mir
von der Bundesregierung wünschen – ich glaube ja nicht
daran, dass es dazu kommt –, dass man ein paar deutli-
che Worte an die israelische Regierung richtet, und zwar
nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern auch in
der Öffentlichkeit .
Ich fordere Sie auf, dass die Bundesregierung ihr Re-
den und Handeln in Übereinstimmung bringt . Sonntags-
reden über Werte, die man geachtet haben will, und ein
anderes Handeln: Eine solche Politik kann nie auf Dauer
vernünftig sein . Ich möchte gerne eine vernünftige deut-
sche Nahostpolitik . Die vermisse ich .
Danke sehr .
Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt der Kollege Dr . Franz Josef Jung .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich denke, dasSelbstmordattentat auf eine westliche Touristengruppe inIstanbul hat uns alle tief getroffen . Wir trauern um die
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Toten, darunter zehn Deutsche . Wir fühlen mit den Hin-terbliebenen . Wir sind in Gedanken bei den Verletzten,denen wir eine baldige Genesung wünschen .Aber wir werden uns von diesem menschenverachten-den Terrorismus nicht einschüchtern lassen, sondern wirwerden ihn entschieden weiter bekämpfen . Wir stehenan der Seite Europas . Wir stehen an der Seite unserer NATO-Partner . Wir werden im Interesse der Menschlich-keit, lieber Herr Gehrcke, gerade unseren Beitrag in derAnti-ISIS-Koalition fortsetzen; denn das ist notwendig,um den schlimmen Terrorismus, der von ISIS ausgeht,wirkungsvoll zu bekämpfen .
Ich halte es für abscheulich – das muss ich so deutlichsagen –, dass der eine oder andere versucht, aus diesemgrausamen Anschlag politisches Kapital zu schlagen .
Das neue Jahr hat leider im Nahen und Mittleren Ostenmit weiteren schlechten Nachrichten begonnen . Die Es-kalation zwischen Saudi-Arabien und Iran gibt zu RechtAnlass zur Sorge . Deshalb sind wir herausgefordert – derAußenminister hat das gerade deutlich gemacht –, alleAnstrengungen zu unternehmen, um zu einer Deeskala-tion beizutragen . Dies ist aus meiner Sicht im Interesseeiner friedlichen Entwicklung in der Region . Das ist dasGebot der Stunde . All diejenigen, die nun fordern, bei-spielsweise den Handel, die Beziehungen und den Dialogmit Saudi-Arabien abzubrechen, können keinen Beitragzu einer friedlichen Entwicklung mehr leisten . Wer Be-ziehungen abbricht, verliert an Einfluss. Dies wäre jetztdie falsche Politik, auch und gerade im Hinblick auf einefriedliche Perspektive in dieser Region .
Gerade im Hinblick auf die Stabilität in der Regionist Saudi-Arabien weiterhin ein wichtiger Partner . Des-halb ist es richtig – auch das hat der Außenministerdeutlich gemacht –, dass wir die Menschenrechtssitua-tion ansprechen und dass wir uns beispielsweise im FallBadawi einsetzen . Aber wir müssen unsere Beziehungenzu Saudi-Arabien und dem Iran nutzen, um gerade dieWiener Verhandlungen für ein Ende des Bürgerkriegs inSyrien voranzutreiben . Zu Recht hat gerade die Wochen-zeitung Die Zeit geschrieben: Der schlimmste Schadender saudi-iranischen Eskalation wäre das Scheitern derFriedensgespräche über Syrien . – Wer die grausamenBilder der hungernden Menschen in Syrien sieht und da-ran denkt, dass über 200 000 Tote in Syrien zu beklagensind, muss alles unternehmen, um diesem schrecklichenBürgerkrieg endlich ein Ende zu bereiten .
Die bisherigen Gespräche in Wien bieten vorsichti-ge Anhaltspunkte zur Hoffnung . Als nächster Schritt imWiener Prozess sollen am 25 . Januar erstmals die ge-sprächsbereiten Vertreter des Assad-Regimes und wich-tiger Oppositionsgruppen zusammenkommen und indirekte Verhandlungen eintreten . Das schließt selbstver-ständlich konstruktive Beiträge von Saudi-Arabien unddem Iran ein . Deshalb ist es richtig, darauf hinzuweisen,dass Saudi-Arabien weitere Hinrichtungen unterlassensollte . Der Iran gibt Anlass zu einem Hoffnungsschim-mer, dass es zu einer Deeskalation kommt . Nach den At-tacken gegen die saudische Botschaft in Teheran ist derzuständige Polizeichef im Iran abgesetzt worden . Fernerist eine Strafverfolgung der Personen, die die Sicherheitder Botschaft gefährdet haben, angelaufen . Das sind Si-gnale, die deutlich machen, dass es eine Perspektive füreine Deeskalation gibt . Deshalb sollten wir die Bundes-regierung in ihrem Bemühen unterstützen, zur Deeska-lation beizutragen . Nutzen wir diese Chance, um so einefriedliche Entwicklung in Syrien und in der Region vor-anzubringen .Besten Dank .
Vielen Dank . – Nächster Redner ist Omid Nouripour,
Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 10 Totebei Anschlag auf belebten Platz in der Innenstadt; min-destens 20 Tote bei Luftangriff auf ein Schwimmbad;etwa 400 Menschen, die fast zu Tode verhungert sind;die zeitweise Verhaftung einer prominenten Bloggerin;20 Tote bei Bombenangriff auf ein Café – das ist nur einAusschnitt der Meldungen, die uns alleine gestern ausdem Nahen Osten erreicht haben .Dabei wissen wir: Zehn Deutsche sind bei dem An-schlag in Istanbul gestorben, viele sind verletzt worden,einige sehr schwer . Ihren Angehörigen gilt unser Mitge-fühl genauso wie den anderen Opfern, die nicht in Istan-bul waren, sondern im Jemen, in Syrien, in Saudi-Arabi-en oder im Irak .Die wichtigsten Exportprodukte des Nahen Ostens,schreibt vor diesem Hintergrund gestern der großartigeSatiriker Karl Sharro, sind Öl und Schlagzeilen . – In die-ser Stimmung fragen sich natürlich sehr viele Menschen:Was kann man denn eigentlich tun? – Es gibt viele, dienach einem großen Plan rufen . Der letzte wirklich wirk-same große Plan für den Nahen Osten wird im Mai die-ses Jahres 100 Jahre alt . Es ist der Plan von Sykes undPicot, ein Gebilde, unter dessen Trümmern mittlerweileMillionen von Menschen begraben sind . Die Zeiten derMasterpläne für den Nahen Osten sind vorbei .Die Region ist dafür viel zu vielschichtig . Die meistenProbleme haben sehr individuelle und lokale Ursachen .Deshalb muss man da immer sehr genau hinschauen unddarf nicht das Gerede von den angeblich großen Liniennachplappern . Manchmal ist das wirklich kontraproduk-Dr. Franz Josef Jung
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tiv . Wenn man dieses Tremolo von Teheran und Riad,von Schia und Sunna immer nachplappert, dann befeuertman einen konfessionellen Krieg, obwohl es eigentlichnur um Machtverhältnisse geht . Das sollte man nicht tun .
Wir brauchen einen klaren Blick, wir brauchen Rück-grat und Standfestigkeit. Haben wir das denn? Ich will ei-nige Beispiele nennen . Irakisch-Kurdistan war sehr langeeine Oase der Stabilität im Norden des Irak . Wir habenden großen Widerstand gegen den Ansturm der Barba-ren des ISIS erlebt . Dieser Widerstand ist zu begrüßen,und den sollten wir auch weiterhin unterstützen . Nur, seitMonaten wird die Brüchigkeit dieser Stabilität im Nord-irak immer klarer . Würden wir genau hinschauen, dannwürden wir sehen, was da eigentlich gerade los ist .Es gibt eine massive Wirtschaftskrise, die so mancheSollbruchstellen, die älter sind als die durch den ISIS her-vorgerufenen, offenlegt . Wir erleben, dass die RegierungBarzani gewaltsam versucht, demokratische Debattenzu verhindern, Parlamentarier aussperrt und Journalis-ten verfolgt . Auch die sind aber unsere Partnerinnen undPartner, nicht nur Barzani . Ich frage mich, wo eigentlichder laute Protest unserer Ministerinnen und Minister inErbil geblieben ist . Ich habe nichts davon gehört .
Wenn wir von Prinzipien und Rückgrat sprechen,dann, so glaube ich, muss man auch über das Positivesprechen und Stärken stärken . Dazu wirklich nur einSatz: Es ist mehr als ein Wunder, dass der Libanon beiden Flüchtlingszahlen noch nicht zusammengebrochenist . Die Libanesen brauchen nicht nur unsere verbale So-lidarität, sondern sie brauchen politische Unterstützungund deutlich mehr materielle Hilfe . Ich wünschte mir,dass es deutlich mehr wäre als das, was wir jetzt tun . Ichfreue mich, dass die Hilfe schon angewachsen ist .
Im Falle von Syrien geht es nicht um die großen Frie-denslösungen . Die gibt es so nicht . Das ist uns bekannt .Auch wir freuen uns über die Verhandlungen in Wien .Die sind richtig, auch wenn wir nicht mit allem, wasdort aufgeschrieben worden ist, einverstanden sind, auchwenn wir nicht ganz so viel Dynamik wie der Außenmi-nister an mancher Stelle sehen .Es gibt vier Resolutionen, die den Zugang der Men-schen zu humanitärer Hilfe fordern, alle mit der StimmeRusslands im Sicherheitsrat verabschiedet . Wenn es nichtdie großen Lösungen gibt, dann ist es doch offenkundig,dass man das tut, was man tun kann, und das ist, Hilfs-lieferungen zu bringen . Es ist wirklich nicht leicht heut-zutage, den Syrern zu erklären, wie es denn sein kann,dass wir dort Flieger haben, aber keine Hilfslieferungenbringen können . Das ist für niemanden klar . Im Übrigenkönnte die Bundesregierung mit einer Initiative in dieseRichtung auch den Finger in die Wunde des russischenBeistands für Assad legen, der sich stets so pompös aufdie Vereinten Nationen bezieht .
Wir würden im Übrigen auch zeigen, auf wessen Seitewir stehen . In Syrien gibt es Millionen von Menschen,die unsere Partner sein können .Zu Saudi-Arabien . Herr Außenminister, lieber Frank,du weißt, ich schätze dich sehr . Aber was ich nicht verste-he, ist, wie du immer wieder bei Kritik einen Pappkame-raden rhetorisch aufbaust und damit die Kritik umgehst .Wir haben nicht gesagt, dass du nicht nach Saudi-Arabi-en fahren sollst . Wir haben nicht gesagt, dass man nichtmit den Saudis sprechen soll . Natürlich brauchen wir sie .Wir sind wirklich dankbar, dass du einen großen Beitraggeleistet hast, dass Iran und Saudi-Arabien in Wien wie-der zusammengekommen sind .Wir würden uns freuen, wenn du drei Tage vor diesemFestival oder drei Tage nach diesem Festival dahin fahrenwürdest, am besten verbunden mit einer Pendeldiploma-tie zwischen Riad und Teheran . Niemand sagt, dass derChefdiplomat Deutschlands mit den Schurken der Weltnicht reden soll . Das ist dein Job . Das wissen wir . Wirfreuen uns, wenn du das tust . Die Frage ist nur: Gehörtin diesen Zeiten ein Kulturfestival und die Normalität,die damit suggeriert wird, wirklich dazu? Wollen wir dasLand wirklich mit dem Besuch eines Kabinettsmitgliedsaufwerten?Ich kann nur sagen: Das Land Baden-Württemberg –auch dort beteiligt – hat sich weise verhalten . Es hatbeschlossen, genau diese Aufwertung nicht mitzuma-chen und keine Kabinettsmitglieder hinzuschicken . Ichwünschte mir, dass die deutsche Bundesregierung dasgenauso macht .
Das heißt nicht, dass man mit Saudi-Arabien nicht redensoll .Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Uni-on – letzter Satz –, ich freue mich sehr, dass es bei Ihnenein Umdenken in der Frage des Umgangs mit Saudi-Ara-bien gibt; das ist die letzten Tage spürbar gewesen . Aller-dings sind jetzt zwei Gesichtspunkte zu beachten .
Herr Kollege Nouripour, jetzt sagen Sie aber wirklich
den letzten Satz .
Erstens . Man sollte um Gottes willen nicht eine stra-tegische Partnerschaft mit Saudi-Arabien, die falsch ist,gegen eine falsche strategische Partnerschaft mit demIran austauschen .Zweitens . Der Tod von 47 Menschen, durch den soviele wachgerüttelt worden sind, ist wahrscheinlich lei-der nicht das Ende einer ganz langen Kette ähnlicherMenschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien .
– Und im Iran . – Ich frage mich, wohin Sie die letztenJahre geschaut haben .
Omid Nouripour
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 2016 14611
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Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der
Kollege Niels Annen .
Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-ten Damen und Herren! Auch wir sind natürlich heute indieser Stunde in Gedanken bei den Opfern des schreck-lichen Anschlags in der Türkei . Ich glaube, man kann andieser Stelle daran erinnern, dass auch die hier vielkri-tisierte Türkei – übrigens ist sie von dieser Stelle auchvon mir manchmal kritisiert worden – mehrfach Opfervon Terroranschlägen geworden ist. Deswegen, finde ich,sollten wir gerade in einer Zeit der Trauer etwas auf unse-re Rhetorik in dieser Situation achten .Ich jedenfalls bin der Meinung, dass wir uns doch un-abhängig davon, was sich noch an Erkenntnissen ergibt,darin bestätigt fühlen können, dass sich Deutschland anden internationalen Bemühungen zur Bekämpfung desTerrorismus beteiligt, als Teil der Anti-IS-Koalition –die militärische Beteiligung ist ein Teil dieser Bemü-hungen –, aber vor allem politisch . Das steht doch imMittelpunkt der Bemühungen und, ich hoffe, auch imMittelpunkt dieser Debatte . Der Anschlag zeigt, dass esnicht nur wichtig ist, dass wir die Kontakte zu unserenFreunden aufrechterhalten, sondern dass es auch wich-tig ist, dass wir die Gesprächsfähigkeit in einer solchenSituation bewahren und sogar verbessern, lieber KollegeNouripour .Ich möchte an dieser Stelle schon einmal klarstellen,was die Politik der Bundesregierung und des Außenmi-nisters in den letzten zwei Jahren gewesen ist . Es wareine mühevolle Arbeit, die Kontrahenten in Wien aneinen Tisch zu bekommen. Der Kernkonflikt in Syrienstrahlt aus bis hin zu uns in unsere Kommunen, in dieGemeinden, in die Wahlkreise . In der Diskussion überdie Situation der Flüchtlinge ist es zentral gewesen, dassnicht nur die USA und Russland – deren erneute hoch-rangige Gesprächsbereitschaft übrigens dazu beigetragenhat, dass wir in Wien vorangekommen sind – an einenTisch gekommen sind, sondern eben auch die beiden re-gionalen Antagonisten: der Iran und Saudi-Arabien .Wenn ich mir die Pressemeldungen der letzten Tageanschaue – ich will das hier nicht zu pauschal sagen –,dann stelle ich fest, dass es vor allem aus den Reihender Grünen, aber leider auch von einigen Kolleginnenund Kollegen der Union schon so etwas wie eine medialeschwarz-grüne Empörungskoalition gegeben hat . Das hatder deutschen Außenpolitik geschadet . Es hat der deut-schen Außenpolitik nicht wegen der Kritik an Saudi-Ara-bien geschadet; diese Kritik teile ich . Herr Nouripour,ich kann es Ihnen ja vorlesen . Sie haben gesagt, dass derAußenminister seine Reise zum Dschanadrija-Festivalabsagen soll . Dies geschah in einem Kontext, in dem na-türlich konkret unterstellt wurde, dass es quasi eine mo-ralisch verwerfliche Reise wäre, die dorthin unternom-men werden soll .Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall . Mit derTeilnahme an diesem Festival wird die Anerkennung derReformpolitik des verstorbenen Königs zum Ausdruckgebracht .
Es gab vorsichtige, langsame, ich würde sogar sagen: zulangsame Schritte, dieses Land in die Moderne zu führen .Es gibt keinerlei kulturelle Veranstaltungen in diesemLand außer diesem großen kulturellen Ereignis, und beidiesem Ereignis präsentiert sich unser Land mit einemPavillon . Ein Kernteil der dortigen Ausstellung drehtsich übrigens um die Arbeit in diesem Haus, um unseredemokratische Kultur . Die soll ein Außenminister nichtbesuchen dürfen? Ja, wo leben wir denn, meine Damenund Herren?
Ich finde, wir müssen doch in dieser Situation selbstbe-wusst für unsere eigenen Werte einstehen .Wir reden in dieser Situation ständig über Saudi-Ara-bien und zu Recht – ich wiederhole das – über die skan-dalösen Exekutionen und die politische Provokationder Hinrichtung eines schiitischen Predigers . Natürlichmusste die Führung in Saudi-Arabien genau wissen, wasdas auslöst . Deswegen ist es von uns auch gemeinsam –darüber bin ich froh – zu Recht kritisiert worden . Aberwir fahren doch nicht nach Saudi-Arabien, weil wir unsdenen so freundschaftlich verbunden fühlen,
sondern deshalb, weil wir sie in dieser katastrophalen Si-tuation als einen der regionalen Akteure brauchen,
ohne die der Konflikt nicht zu lösen ist.Das gilt übrigens auch für den Iran . Dort sind im letz-ten Jahr Hunderte von Menschen hingerichtet worden,ohne dass es dieselbe mediale Empörungslogik hier ge-geben hätte . Da muss man sich schon ein bisschen fra-gen: Ist das, was Sie hier gesagt haben, Herr Nouripour,eigentlich ein Beitrag dazu – ich freue mich darüber, dassSie die Arbeit unseres Außenministers unterstützen wol-len –, oder ist es eher ein Beitrag zur Selbstprofilierung?Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie sich den Mühen der Ebe-ne entziehen wollen, machen Sie das! Wir werden unsden Mühen der Ebene nicht entziehen . Deswegen, glaubeich, ist der Außenminister nicht nur mit seiner Politik aufdem richtigen Weg, sondern auch seine Reiseziele sindgut und wohlabgewogen ausgewählt .Herzlichen Dank .
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 201614612
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Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Heike Hänsel,
Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin, danke schön . – Das denke ich mir,Herr Kauder, dass Sie hier jetzt schon Fracksausen be-kommen .
Es geht natürlich auch um Rüstungsexporte, um Rüs-tungsgüter, die unter anderem aus Ihrem Wahlkreis inalle Welt geliefert werden . Da haben Sie bisher noch garnichts gemacht . „Das wäre ein großer Beitrag zur Terror-bekämpfung“, kann ich nur sagen .
Jetzt kommen wir zu den entscheidenden Punkten, diehier überhaupt nicht benannt werden .Auch wir haben tiefes Mitgefühl für die Opfer der An-schläge sowohl in der Türkei – es gab schon etliche blu-tige Attentate – als auch an vielen anderen Orten dieserWelt, aber auch Mitgefühl für die Opfer der Kriege, diedurch den Westen weltweit geführt werden . Hier darf eskeine Aufteilung geben . Jedes Opfer ist ein Opfer zu viel .
Ich muss schon sagen: Die Redebeiträge, die ich inden letzten Minuten gehört habe, haben sich wenig mitder Rolle der Türkei zum Beispiel beschäftigt . Hierzu hö-ren wir eigentlich nichts . Der Herr Jung sagt: Wir müssenden IS bekämpfen . – Das ist schön und gut . Aber seitwie vielen Jahren beklagen wir hier, dass es auch eineUnterstützung des IS durch den NATO-Partner Türkeigibt, und zwar nachweislich? Selbst der BND hat mitt-lerweile gemeldet, dass Waffen an den IS über den tür-kischen Geheimdienst geliefert werden . Hierzu hört manvon Ihnen gar nichts . Sie schauen diesem Treiben vonErdogan einfach zu . Im Gegenteil: Er bekommt 3 Milli-arden Euro von der Europäischen Union . Angela Merkelhat einen Wahlkampfbesuch für Erdogan gemacht, kurzvor den Wahlen . Es werden nach wie vor auch Waffen indiese Region geliefert . Wir halten diese Politik für heuch-lerisch . Sie trägt zu mehr Terror und nicht zu wenigerTerror bei .
Ich möchte es noch einmal sagen: Der IS hat sein Re-krutierungsgebiet auf türkischem Gebiet . Wie viele vonuns haben die Türkei besucht? Die Grenze nach Syrien istoffen . Gebetsmühlenartig warnen wir davor und fordern,dass hier eingeschritten werden muss, dass Druck auf dieTürkei ausgeübt werden muss . Aber hierzu kommt vonIhrer Seite gar nichts . Im Gegenteil: Die Unterstützungwird ausgebaut .Dasselbe gilt eigentlich auch für Saudi-Arabien – einLand, das die Region maßgeblich destabilisiert hat, daseine ungute Rolle in Syrien spielt und das massiv dazubeiträgt, dass islamistische Terrortruppen unterstützt,aufgerüstet und trainiert werden . Viel Unterstützung zumBeispiel für einen radikalen Salafismus kommt aus Sau-di-Arabien . Auch hierzu hört man von Ihnen sehr wenig .Im Gegenteil: Sie führen die militärische Kooperationfort . Es wird jetzt nachgedacht: Man muss die Waffenex-porte in die Region mal prüfen . – Aber es ist keine ernst-zunehmende Politik, die Sie hier gegenüber der blutigenDiktatur – wir haben es nach den massenhaften Hinrich-tungen in den letzten Wochen gesehen – betreiben .Es braucht eine ernsthafte Politik, die auch glaubwür-dig ist . Herr Steinmeier, insofern halten wir es für mehrals kontraproduktiv, zu einem solchen Kulturfestivalnach Riad zu fahren .Herr Annen, Sie haben das jetzt hier als ein einzigesDialogforum zur Reform Saudi-Arabiens dargestellt . Da-mit streuen Sie der Bevölkerung Sand in die Augen . ZumBeispiel ist der Pavillon von Baden-Württemberg vonzahlreichen Wirtschaftsunternehmen aus Baden-Würt-temberg gestaltet, die unter anderem teure Whirlpoolan-lagen anbieten und natürlich dort verkaufen wollen .Ich frage mich, was das eigentlich zu einer ernsthaftenFriedenspolitik in der Region beiträgt . Das ist wirklichHohn und kann absolut nicht akzeptiert werden .Deswegen fordern wir, dass sowohl der Besuch vonHerrn Steinmeier als auch dieser baden-württembergi-sche Pavillon vollständig abgesagt werden .
Wir müssen uns ja überlegen: Was macht die Bundes-regierung jetzt? Sie beteiligen sich auch noch an einemneuen großen Krieg gegen den Terror mit Tornados, derzu viel Leid und noch mehr Bomben in Syrien führt . Da-bei haben wir in dieser Region doch erlebt, dass geradeder letzte große Krieg gegen den Terror – begonnen 2001mit Afghanistan, mit Irak, mit Libyen – die Welt so unsi-cher gemacht hat wie noch nie zuvor . Wie viel Leid, wieviele Hunderttausende Tote, wie viele Millionen Flücht-linge hat dieser Krieg gegen den Terror gebracht! Undwas machen Sie jetzt? Sie beginnen mit einem neuenKrieg gegen den Terror; Sie beteiligen sich aktiv und tra-gen zu noch mehr Leid und noch mehr Flüchtlingen bei .Wir lehnen diese Politik ab . Wir fordern eine grund-sätzliche Wende in der Außenpolitik – für eine aktiveFriedenspolitik, die Kriegsbeteiligung ablehnt .Vielen Dank .
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 148 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 13 . Januar 2016 14613
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Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege
Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis eben warunsere Debatte von Besonnenheit und Weitsicht geprägt .Wir sollten auch angesichts der Anschläge, zuletzt ges-tern fürchterlich in Istanbul, unseren Weg der Beson-nenheit sowie der strategischen Geduld und Weitsichtbeharrlich fortsetzen .Ich möchte das hier ganz bewusst so deutlich an-sprechen . Unser Außenminister hat es klar gesagt; NielsAnnen und Franz Josef Jung haben es aufgegriffen . Dannist es bedauerlich, wenn eine Rednerin der Oppositionnicht einmal den Willen aufbringt, den Außenministeranzuhören, sondern später kommt . Sie hätten Ihre Redeumschreiben müssen, liebe Frau Kollegin .
Wenn wir angesichts dieser Anschläge zur Besonnen-heit mahnen, auch in unserem innenpolitischen Erleben,dann müssen wir uns Gedanken machen, wie die Ent-wicklungslinien über die letzten Jahrzehnte, aber auchüber die letzten Jahrhunderte zu diesen Verhärtungengeführt haben .Deswegen ist es gut, dass sich unsere Bundesregie-rung in den letzten Jahren zu einem ehrlichen Makler,zu einem Honest Broker im internationalen Umfeld ent-wickelt hat . Wir verhandeln und geben Anstöße . UnserAußenminister hat den Prozess in Wien vorangebracht .Ganz aktuell war der Innenminister heute in Istanbul .Diese Woche ist der Kanzleramtsminister in Ankara ak-tiv gewesen .Wir müssen den Dialog fortsetzen . Ich möchte dieBundesregierung ermutigen, diesen Weg der Diplomatiefortzusetzen und mit beiden Seiten in diesen Konfliktli-nien zu sprechen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind natürlich un-geheuer viele Vernetzungen und Herausforderungen . Wirbrauchen nur drei anzusprechen: die Bekämpfung desinternationalen Terrorismus, insbesondere des islamisti-schen Terrorismus, die Fluchtursachen, die nicht nur mitdem Terrorismus zu tun haben, sowie – zurzeit in denHintergrund geraten, aber dennoch alles überlagernd –das Existenzrecht Israels und die Auseinandersetzungmit den Palästinensern .Liebe Kolleginnen und Kollegen, die sehr ausführlichKritik hinsichtlich einer möglichen Reise unseres Außen-ministers äußern: Hätten wir die Bemühungen mit demIran hinsichtlich des Nuklearabkommens eingestellt,weil im Iran ein Mehrfaches an Hinrichtungen stattfindetwie in Saudi-Arabien, wären wir nicht zu dem Nuklear-abkommen gekommen .
Das dürfen wir nie vergessen . So schwer es akut fällt,auch aus der Reaktion heraus, jegliche Kontakte mit Sau-di-Arabien abzulehnen,
umso wichtiger ist es doch, den Saudis vor Augen zu füh-ren, dass wir an sie als Stabilitätsfaktor in der Regionandere Erwartungen haben .
Das können wir nicht vom grünen Tisch aus und nur inbegrenztem Maße vielleicht von diesem Pult aus tun .Niels Annen und Franz Josef Jung haben es angespro-chen: Entscheidend ist doch, dass wir Akzente setzen .Gerade das angesprochene Fest ist ein Erbe des verstor-benen Königs, der langsam versucht hat, dieses Land zuöffnen und Frauen Wahlen zu ermöglichen . Wenn wirdort Akzente setzen, setzen wir die richtigen Akzente .Zum Verhältnis innerhalb Syriens und des Iraks: Wirengagieren uns dort sehr stark . Wir dürfen aber nichtvergessen, dass hier – Omid Nouripour hat es angespro-chen – aus der Historie heraus religiöse Überlagerungenstattfinden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen,die drei Linien, die ich ansprach, zu verknüpfen . Wennder Iran versucht, aus dem Abkommen von Wien Kapitalzu schlagen – Rohani sagt, Israel glaube, 25 Jahre langRuhe zu haben, und in 25 Jahren werde Israel, so sinnge-mäß, nicht mehr existieren –, so müssen wir gerade des-halb deutlich darauf aufmerksam machen, dass für unsdas Existenzrecht Israels unabdingbar ist . Wir müssenden Iran in all seinem Handeln stets daran festmachen .Das dürfen wir nicht vergessen .
Das bedeutet also: nicht einseitig einzelne Staaten ver-urteilen, sondern unsere Interessen generell deutlich ma-chen .Das führt mich zu meinem letzten Punkt . Wenn ichvon Besonnenheit und strategischer Weitsicht spreche,meine ich, dass wir – das haben wir in den letzten zweiJahren massiv erlebt, und darauf müssen wir uns einstel-len – in der Gleichzeitigkeit von Krisen das Unerwartete,das Ungeplante, das Unwahrscheinliche stärker anneh-men müssen als bisher und versuchen müssen, es zu be-wältigen . Das geht vorrangig mit Mitteln der Diplomatie .Das bedeutet, dass wir Deutsche in Europa mit dazu bei-tragen müssen, dass die Europäische Union insgesamt alsPartner der Staaten im Nahen und Mittleren Osten wahr-genommen wird, nicht nur als Technologiepartner – dasunqualifizierte Beispiel von Whirlpools wurde vorhin an-gesprochen –, sondern als Partner in der Transformation,als Partner für den Aufbau zivilgesellschaftlicher, brei-terer Strukturen, aber auch als Technologiepartner undMahner in bestimmten Bereichen . Ich weiß, dass wir daden einen oder anderen Bereich überdenken müssen . Dashindert uns aber nicht daran, zu überlegen, wer, wenn wiruns aus der Region zurückzögen, dort aktiv würde . Ich
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glaube, wir haben kein Interesse daran, dass Russlandund China die wesentlichen Ansprechpartner dieser Re-gion werden . Wir müssen Ansprechpartner bleiben unddiese Position ausbauen . Deshalb jegliche Unterstützungin dieser Richtung für unsere Bundesregierung!Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Dr . Franziska
Brantner, Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Lieber Niels, ich habe mich gefreut, dass
du mit einer solchen Vehemenz Frank-Walter Steinmeier
verteidigt hast – stärker, als er sich selbst verteidigt hat .
Das war wirklich sehr ambitioniert .
Aber ich fand die Beschreibung des Festivals doch etwas
beschönigend . Ich würde ja hoffen, dass es so kommt,
und mich über die revolutionierenden Ergebnisse des
Festivals freuen . Ich fände es auch besser, wenn Ba-
den-Württemberg nur noch Whirlpools statt Rüstung ex-
portiert .
Das würde bestimmt mehr zum Frieden in der Region
beitragen als die Rüstungsexporte aus dem Ländle .
Aber, Herr Steinmeier, bei dem Thema des Festi-
vals geht es ja nicht darum, ob man mit Saudi-Arabien
redet oder nicht, sondern grundsätzlich geht es um die
Frage: Haben wir noch eine besondere Partnerschaft mit
Saudi-Arabien – dann geht man zu Festivals –, oder ist
Saudi-Arabien einer der Partner in der Region wie vie-
le andere auch und sowohl Teil des Problems als auch
Teil der Lösung wie viele andere in der Region auch?
Ich glaube, das ist der grundsätzliche Streitpunkt, den wir
in Deutschland haben: Was ist die Rolle Saudi-Arabiens
für Deutschland? Gibt es eine besondere Beziehung, eine
besondere Partnerschaft, oder gibt es die eben nicht? Wir
Grüne argumentieren schon seit langem – deswegen ist
das nicht Effekthascherei oder Ringen um Aufmerksam-
keit in der Öffentlichkeit –, dass es keine Begründung
mehr gibt für eine besondere Partnerschaft zu Saudi-Ara-
bien .
Wir wissen, dass der Wahhabismus in dieser Region, der
Teil des Problems von ISIS und der anderen radikal-is-
lamistischen Strömungen ist, aus Saudi-Arabien heraus
gestärkt wird .
Ja, Sie fahren nach Saudi-Arabien, Sie fahren nach Te-
heran, um beim Thema Syrien voranzukommen, um den
Wiener Prozess voranzubringen . Das ist ja auch richtig .
Aber wir wissen alle um die Verstrickungen, wissen, dass
Assad anfangs sehr gerne mit ISIS kooperiert hat, um die
Amerikaner im Irak zu ärgern, dann, um die Opposition
zu bekämpfen, dass Saudi-Arabien die Al-Nusra-Front
stützt, die ja auch nicht besonders schön auftritt, dass die
Türkei die Opposition unterstützt, aber auch gerne gegen
die Kurden agiert, dass Russland gegen die Opposition
antritt . Trotzdem bekämpfen alle zusammen irgendwie
ISIS . Deswegen, Herr Steinmeier, ist es nicht nur eine
Frage des Redens
– da gebe ich Ihnen absolut recht –, sondern auch des
Handelns . Aber welches Handeln, das über das Reden
hinausgeht, würde ich mir wünschen, Herr Steinmeier?
Sie haben richtigerweise gesagt: Wir müssen Teheran
und Riad am Tisch haben . – Aber wir brauchen auch die
syrische Opposition . Wir wissen, dass wir sie mittel- und
langfristig nur am Tisch behalten, wenn der Abwurf von
Fassbomben und das Aushungern durch Assad enden .
Da müssen wir dringend handeln . Wenn es um mehr als
Reden, also um Handeln geht, dann geht es darum, den
Abwurf von Fassbomben und das Aushungern zu been-
den . Ich würde mir wünschen, dass es ein stärkeres und
auch ein lauteres Engagement in diese Richtung gäbe .
Wir haben heute den ägyptischen Außenminister
Shoukry in Berlin zu Besuch . Auch Sie haben ihn getrof-
fen; mehrere von uns haben ihn getroffen . Er geriert sich
überall als Stabilitätsanker in der Region . Gleichzeitig
wird die Opposition in Ägypten gerade wirklich grausam,
bis zum Letzten, verfolgt und ins Gefängnis gesteckt . Ich
möchte nur den Fall von Ahmed Said erwähnen . Er lebt
mittlerweile seit Jahren in Deutschland, ist verlobt mit ei-
ner Deutschen . Er reiste, um die Heiratspapiere fertig zu
machen und sich um die Formalitäten zu kümmern, nach
Ägypten, nahm an einer Mahnwache teil und endete für
zwei Jahre in einem der grausamsten Foltergefängnisse
Ägyptens . Das ist die aktuelle Situation in Ägypten: ab-
solute Willkür, die nicht nachvollziehbar ist .
Natürlich müssen wir auch mit Ägypten über die Si-
tuation in der Region reden . Aber auch hier erwarte ich
klarere Worte der Kritik . Ich möchte sie von Ihnen hören;
denn nur dann können wir glaubwürdig mit allen in der
Region reden und auch in Zukunft glaubwürdig für De-
mokratie und Menschenrechte in dieser Region eintreten .
Ansonsten ist es nur Reden, etwas, was einem am Ende
keiner mehr glaubt . Dann wird es zu einem Festival, auf
dem man zusammen feiert . Aber das ist nicht die Außen-
politik, die wir uns wünschen .
Ich danke Ihnen .
Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt dieKollegin Michelle Müntefering .
Roderich Kiesewetter
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen
Sie mich auf die Rolle der beiden zentralen Akteure Iran
und Saudi-Arabien eingehen. Denn häufig wird es so
dargestellt, als würde zwischen Saudi-Arabien und Iran
ein Konflikt eskalieren, der bereits die Anfänge des Islam
geprägt hat und daher seit vielen Jahrhunderten schwelt,
nämlich die Spannungen zwischen Sunniten und Schii-
ten. Aber von einem Konflikt, wie wir ihn heute kennen,
kann man erst seit 1979 sprechen, seit der Revolution in
Iran, der Moscheebesetzung in Mekka und dem Afgha-
nistan-Krieg .
Beide Staaten versuchen zwar schon seit langer Zeit,
ihre Formen des politischen Islam zu exportieren; aber
viel wichtiger ist die politische Dimension . Beide Regi-
onalmächte versuchen, Machtvakuen zu nutzen, Loyali-
täten aufzubauen, den eigenen Einfluss zu stärken und
den Anspruch auf die Führungsrolle in der muslimischen
Welt geltend zu machen .
Nach dem Atomabkommen will Saudi-Arabien seine
starke Stellung in der Region erhalten . Genau deshalb ist
es wichtig, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen
und den Dialog aufrechtzuerhalten . Die Politik der neuen
Machthaber erscheint allerdings zumindest unzuverläs-
sig . Es besteht die Gefahr, dass die Instrumentalisierung
der Sunna und der Schia auch für diese Staaten außer
Kontrolle gerät .
Das verändert natürlich unseren Blick auf die Region .
Im internationalen Kampf gegen Daesh, den sogenann-
ten IS, steigen die Aufmerksamkeit und die Sensibilität
für die Unterstützung salafistischer Gruppen durch Sau-
di-Arabien . Die anhaltenden massiven Menschenrecht-
verletzungen in beiden Staaten sind für uns nicht hin-
nehmbar, und die jüngsten Hinrichtungen sind auch eine
klare Provokation gegen den Iran .
Wir machen klar, dass Menschenrechte ein strategi-
sches Interesse unseres Landes sind; sie müssen es sein .
Selbst wenn wir ganz pragmatisch sind: Es ist gut für uns,
wenn es anderen gut geht . Menschen müssen geschützt
sein vor Gewalt und Tod . Dennoch bleiben Iran und Sau-
di-Arabien zentrale Akteure im Kampf gegen den IS .
Ich erinnere mich an die letzte Reise von Frank-Walter
Steinmeier in diese Region: Iran, Saudi-Arabien, Jor-
danien . Hinter vorgehaltener Hand gab es auch damals
Kritik an der Reise . Man hat sich gefragt: Wohin mag das
führen? Ist diese Reiseroute nicht naiv? – Nein, sie war
es nicht; denn wenige Wochen später haben sich beide
Akteure am Verhandlungstisch in Wien wiedergefunden .
Unsere Überzeugung ist und bleibt: Ein Miteinander ist
die weitaus bessere Option als ein Gegeneinander .
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Franziska,
lassen Sie mich als Sprecherin der SPD für Kulturdiplo-
matie noch ein paar Worte sagen . Die Gesprächskanäle
offenzuhalten, das schaffen wir auch durch die Auswär-
tige Kultur- und Bildungspolitik . Sie ist neben der klas-
sischen Diplomatie und den Wirtschaftsbeziehungen die
dritte Säule; sie ist die sanfte Macht der Außenpolitik .
Sie erreicht die Menschen auch in schwierigen Zeiten .
So ist es seit vielen Jahren auch in Iran – durch studenti-
sche Beziehungen, die wir aufrechterhalten und gepflegt
haben .
In Saudi-Arabien wird auf dem Kulturfest ein deut-
scher Pavillon zu sehen sein . Die Besucher werden da-
rin – so ist die Planung – eine deutsche Stadt finden,
ein Straßencafé, eine Ausstellung von Literatur und die
Übersetzung wichtiger deutscher Grundgesetzartikel .
Die Themen sind „Frauen in der Wirtschaft“ und „Kom-
munale Selbstverwaltung als politische Mitbestimmung“ .
Ja, auch die deutsche Wirtschaft ist dabei, zum Beispiel
mit dem Thema Elektromobilität; ob da der Whirlpool
hineinpasst, kann ich nicht beurteilen . Die Veranstaltung
soll auch für Frauen geöffnet sein . Es sollen deutsche
Jazzmusikerinnen auftreten, liebe Kolleginnen und Kol-
legen . Das ist ein starkes Zeichen in einem Land, in dem
es nahezu kein öffentliches kulturelles Leben gibt .
Wir werden im Unterausschuss über die inhaltliche Pla-
nung noch einmal genauer diskutieren .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie genau hin-
sehen, dann können Sie den sanften Wandel durch die
Förderung der Kultur erkennen . Der zuständige Minister
des Königshauses, übrigens 35 Jahre alt, hat im Westen
studiert und in Deutschland gearbeitet . Er wurde noch
vom alten König Salman eingesetzt . Mittlerweile gibt es
auch einige Literaturclubs mit Frauen in den Vorständen,
eine Gesellschaft für Kunst und Kultur, Frauentheater-
gruppen und Medien, die Frauen unverschleiert gezeigt
haben . Für uns in Deutschland mag das furchtbar rück-
ständig erscheinen . Tatsächlich können wir uns so ein
Leben überhaupt nicht vorstellen . Aber diese Beispiele
zeigen die Kraft von Kunst und Kultur, und wir brauchen
sie, auch für unsere diplomatischen Bemühungen .
Für die Anstrengungen, die Konflikte im Nahen und
Mittleren Osten zu entschärfen, vielleicht sogar eines
Tages dabei zu helfen, sie zu befrieden, hat unser Au-
ßenminister die volle Unterstützung der SPD-Bundes-
tagsfraktion .
Vielen Dank .
Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht
jetzt der Kollege Dr . Norbert Röttgen .
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Terror und die vor dem Terror Flüchtenden kom-men gleichermaßen aus dem Mittleren und Nahen Os-ten nach Europa, nach Deutschland . Diese Situation istnicht vorübergehend, und auch ihre Auswirkungen aufDeutschland werden für Jahre zu spüren sein . Ich ma-
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che diese Anmerkung ganz ausdrücklich im Kontext derFlüchtlingsdebatte, die wir führen . Ich glaube, es ist ander Zeit, die Realität auszusprechen . Das müssen wirmehr tun .Wir werden durch die Auswirkungen des Krieges, desTerrors, des Todes und der Verzweiflung in dieser Regi-on in Deutschland und in Europa so gefordert sein wiewahrscheinlich nie zuvor, und zwar über Jahre hinweg .Darum finde ich es übrigens richtig, dass die Koalitions-fraktionen unter anderem diese Debatte beantragt haben .Wir brauchen mehr öffentliche Debatte . Manche sagen,das sei so kompliziert . Nein, besonders wegen der Kom-plexität müssen wir gerade außenpolitische Entscheidun-gen erklären, weil das für die Akzeptanz von politischenEntscheidungen, ja von Demokratie und für das Sicher-heitsbewusstsein unserer Bürgerinnen und Bürger ganzentscheidend ist . Wir brauchen mehr Debatte über dieAußenpolitik, weil die Themen so berührend, so existen-ziell für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind .
Ich will in der Kürze der Zeit in dieser Aktuellen Stun-de auf drei Punkte eingehen, die ich für wichtig halte:Erstens . Es geht bei der Situation im Nahen Osten imKern und immer mehr um unsere Sicherheit . Der An-schlag von gestern hat uns das erneut vor Augen geführt .Obwohl es um unsere Sicherheit und zum Beispiel nichtum die Sicherheit der Amerikaner geht, ist unser Ein-fluss in dieser Region relativ begrenzt. Gemessen an demMaß unserer Betroffenheit haben wir keinen sehr großenEinfluss. Weil wir hier oft darüber reden, was wir allesmachen, wollte ich diese Mahnung zur Bescheidenheiteinmal aussprechen .Wir haben deshalb nicht viel Einfluss, weil wir in ei-nem zentralen Punkt keine Funktion erfüllen: Europa undDeutschland sind nicht die Gewährleister von Sicherheit .Das sind wir im Wesentlichen nicht; doch das ist es, wasdiese Region braucht . Diese Tatsache hat zwei Konse-quenzen: Zum einen ist und bleibt die Partnerschaft mitden Vereinigten Staaten, auch wenn das manchen ausideologischen Gründen nicht gefällt, in dieser Regionunverzichtbar – bei allen Fehlern, die die amerikanischePolitik gemacht hat . Zum anderen müssen wir uns dieFrage stellen, ob wir bereit sind, unsere Sicherheitsar-chitektur, die immer noch sehr stark vom Kalten Krieggeprägt ist, umzustellen. Wenn wir unsere spezifischeeuropäische, also nicht die amerikanische, Erfahrungmit Kriegen, die wir in Jahrhunderten gesammelt haben,wenn wir diese leidvolle Erfahrung, die am Ende zumAusgleich zwischen rivalisierenden Staaten geführt hat,in dieser Region einbringen wollen, dann brauchen wirmehr europäische Ressourcen, mehr europäische Fähig-keiten und die Bereitschaft, europäische Ressourcen undFähigkeiten in der Region einzusetzen .
Zweitens . Unsere Priorität muss es sein, die Terror-organisation „Islamischer Staat“ politisch und militä-risch zu bekämpfen . Das ist die überragende Priorität .Daher müssen wir Dinge, die wir sehen, auch ausspre-chen . Wir sehen – wir haben vor wenigen Wochen einentsprechendes Mandat beschlossen –, dass sich der „Is-lamische Staat“ in Libyen ausbreitet, in einem Staat, dergar kein Staat ist, weil es dort keine staatliche Autorität,keine Ordnungsmacht gibt . Der „Islamische Staat“ gehtin dieses Vakuum hinein: Auf Hunderten Kilometernentlang der Küste wird Menschenhandel betrieben undwerden Angriffe gegen Ölfirmen mit schwerem Gerätverübt . Wir müssen dieser Gefahr auch dort entgegen-treten . Wir können uns nicht damit begnügen, den „Isla-mischen Staat“ im Irak und in Syrien zu bekämpfen . Wirmüssen den Kampf der internationalen Gemeinschaft aufLibyen ausweiten . Diese Bemühungen müssen beginnen .Das auszusprechen und darüber nachzudenken, wie dasgeschehen kann, ist der Bundesregierung übrigens nichtvorzuwerfen .Ferner müssen wir unsere Verbündeten, unsere Part-ner für unsere Priorität gewinnen . Die Priorität ist, den„Islamischen Staat“ zu bekämpfen . Ich will heute wegendes Anschlages gestern in Istanbul nicht auf die Türkeieingehen, sondern es dabei bewenden lassen, zu sagen,dass wir die Türkei für unsere Prioritätensetzung gewin-nen müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen . Das mussauch öffentlich ausgesprochen werden dürfen .Ich möchte abschließend in aller Kürze eine dritte An-merkung machen, und zwar zum Umgang mit unserenPartnern . Ich will diese Debatte etwas ablösen von derFrage des Festivals und über Saudi-Arabien sprechen .Worum geht es bei Saudi-Arabien? Erstens wissen wir:Wenn das System zusammenbrechen würde, wäre daseine Horrorvorstellung für die Region und für die Sicher-heit in Europa .
Zweitens müssen wir lernen, zu verstehen, dass Sau-di-Arabien sich von innen und von außen bedroht fühlt .Jetzt kommt das eigentliche Thema . Die eigentlicheFrage ist nicht, ob die Partnerschaft mit Saudi-Arabienaufgegeben werden muss . Die eigentliche Frage ist auchnicht, ob Herr Steinmeier reisen soll oder nicht reisensoll . Kein Mensch sagt, dass er nicht reisen oder nichtreden soll . Die eigentlichen Fragen lauten: Wie gehenwir mit schwerwiegenden Fehlern um, die die saudi-ara-bische Politik seit einem Jahr unter der neuen Führungmacht, die auch unsere Interessen berühren, indem näm-lich versucht wird, der inneren Gefährdung durch äußerePolarisierung zu begegnen? Wie gehen wir mit dem Ver-nichtungskrieg im Jemen um, den Saudi-Arabien nichtbegonnen hat, der aber nicht zu gewinnen ist, sondern zurZerstörung des Landes führt, der wirtschaftliche, finan-zielle und politische Kosten verursacht? Wie gehen wirdamit um, wenn Massenhinrichtungen, die stattgefundenhaben, die an sich schon ein fundamentaler Verstoß ge-gen unsere Vorstellung von Menschenwürde sind, als po-litisches Instrument eingesetzt werden?
Herr Kollege Röttgen .Dr. Norbert Röttgen
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Ich komme zum Schluss . – Angesichts dessen lautet
die Frage nicht, ob es richtig ist, zu reden, sondern die
Frage lautet, ob es richtig ist, zu schweigen .
Das dürfen wir nicht . Schweigen ist nicht deshalb nicht
richtig, weil wir dadurch mehr oder weniger Einfluss auf
Saudi-Arabien haben . Vielmehr bin ich – das ist meine
letzte Anmerkung – davon überzeugt, dass es, weil die
außenpolitischen Debatten so gravierend werden, für uns
innenpolitisch notwendig ist, dass unsere Bürgerinnen
und Bürger bei den schwierigen Entscheidungen, die wir
getroffen haben und treffen werden, unsere Politik nach-
vollziehen können . Dafür benötigt sie ein Mindestmaß an
Konsistenz, an Glaubwürdigkeit und Plausibilität sowie
eine Vermeidung von Doppelstandards .
Der IS setzt genau dieses Instrument ein . Das führt Sie
zur Diffamierung, dass der IS und Saudi-Arabien gleich-
zusetzen sind . Das ist eine Diffamierung . Diese Diffa-
mierung dürfen wir nicht zulassen .
Wir müssen ihr dadurch begegnen, dass wir auch offen
Kritik an unseren Partnern üben, ohne die Partnerschaft
selbst infrage zu stellen . Das ist meine Position zu die-
sem Thema .
Vielen Dank . – Ich darf vielleicht noch einmal da ran
erinnern, dass in der Aktuellen Stunde die Redezeit von
fünf Minuten nicht überschritten werden soll . Fünf ist
immer noch fünf, auch wenn dies eine emotionale Debat-
te ist und man für eine Überziehung der Redezeit sicher-
lich Verständnis hat .
Frau Kollegin Dr . Ute Finckh-Krämer für die
SPD-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Ichals Mathematikerin werde mein Bestes tun, um die Rede-zeit von fünf Minuten einzuhalten .Ich möchte über das reden, was in Bezug auf Men-schenrechte und humanitäre Hilfe in der Region Na-her und Mittlerer Osten notwendig ist . Ich möchte aufdiejenigen hinweisen, die heute noch gar nicht genanntwurden, nämlich die vielen Organisationen, die sich imBereich der Menschenrechte oder im Bereich der huma-nitären Hilfe als Kritiker in unserer Region, aber ebenauch in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen inden Ländern des Nahen und Mittleren Ostens engagieren .Dazu gehören im Bereich der humanitären Hilfe derKoordinierungsausschuss und die darin zusammenge-schlossenen Organisationen, unterstützt vom Auswärti-gen Amt . Im Menschenrechtsbereich haben wir Organi-sationen wie Amnesty International und Human RightsWatch . Amnesty International stand das letzte Mal amvergangenen Freitag vor der saudischen Botschaft undhat mit 100 Demonstrantinnen und Demonstranten gegendie Todesurteile und gegen die schweren Strafen für Re-gimegegner oder kritische Blogger wie Raif Badawi undWalid Abu al-Chair demonstriert . Das ist gut und wich-tig . Das ist auch Teil unserer Kultur, die wir gegenüberSaudi-Arabien oder auch gegenüber dem Iran darstellen .Ich möchte an dieser Stelle auch unserem Beauftrag-ten für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, ChristophSträsser, danken, der in seiner Doppelfunktion als Ab-geordneter und als Menschenrechtsbeauftragter im Aus-wärtigen Amt die schwierige Aufgabe hat, Menschen-rechtsverletzungen und Verletzungen des humanitärenVölkerrechts zu kritisieren, wohl wissend, dass er damitmanchmal andere Schwerpunkte setzen muss als der Au-ßenminister .Wir haben in beiden Bereichen das Gefühl, dass wirstatt einer Best Practice, die von Land zu Land weiter-gegeben wird, eher eine Worst Practice haben . Das giltin Bezug auf die Todesstrafe für politische Gegner unterdem Vorwand der Terrorismusbekämpfung . Das gilt auchda, wo die Verletzung religiöser Vorschriften mit drako-nischen Strafen bis hin zur Todesstrafe geahndet wird .Wir haben eine Weitergabe von Worst Practice zwischenLändern wie dem Iran, Pakistan und Saudi-Arabien auchda, wo es um Hinrichtungen von zur Tatzeit Minderjäh-rigen geht . Es ist manchmal eine schwere Aufgabe, dannMenschenrechtspolitik zu machen .Heike Hänsel, die Frage, ob man an die Türkei 3 Mil-liarden Euro für die dort lebenden 2 Millionen Flücht-linge gibt, sollten wir von der Frage des türkischen Re-gimes trennen . Solange wir sicherstellen können, dassdie humanitäre Hilfe dort nach den Prinzipien der Unab-hängigkeit, der Unparteilichkeit, der Menschlichkeit undder Neutralität vergeben wird, so lange kann und muss esegal sein, was im Augenblick mit dem Regime passiert .Das müssen wir in der Tat prüfen und kontrollieren . Ichglaube, das können wir auch .
– Die Frage, was in welche Regionen geht, ist eine derFragen, die man dann wieder in diplomatischen Gesprä-chen klären muss . Wir wissen zum Beispiel, dass in Sy-rien – auch hier kam von Ihrer Fraktion immer wiederder Vorwurf, dass nicht alle Regionen gleichermaßen be-dacht werden – über verschiedene Partnerorganisationentatsächlich verschiedene Regionen erreicht wurden . Ichdenke, das kann die EU auch in Bezug auf die Türkeischaffen .Ich möchte noch auf den Jemen hinweisen . HerrRöttgen sprach gerade – ich habe es nicht mehr genau inErinnerung – von einem Krieg, der nicht gewonnen wer-den kann . Im Jemen gibt es eine noch größere humanitäreKatastrophe als in Syrien . Wir nehmen sie aber nicht sosehr wahr, weil kaum Nachrichten nach außen dringen .
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Aber auch das ist etwas, was wir in Gesprächen anführenmüssen . Denn diese humanitäre Katastrophe – das ist dasAbsurde – trifft nicht nur die Minderheit, die diesen Bür-gerkrieg mit in Gang gesetzt hat, sondern auch die Be-völkerungsmehrheit, die angeblich von dem Präsidenten,der Saudi-Arabien zu Hilfe gerufen hat, vertreten werdensoll . Das ist ein weiterer Punkt, bei dem wir uns einsetzenmüssen .Danke .
Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Elisabeth
Motschmann, CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Gestern Istanbul, vorgestern Bagdad, Homs, Aleppo,Tikrit, die Hungerstadt Madaja – es gibt viele Orte, diewir inzwischen verbinden mit islamistischem Terror, mitTod und Schrecken, mit Menschenrechtsverletzungen,mit Flucht und Vertreibung, mit Köpfung, mit Verge-waltigung, mit unendlichem Leid . Diese Orte haben sichin unsere Erinnerung fast eingebrannt . Aber was ist mitden Menschen? Es sind zu viele; wir kennen ihre Namennicht . Aber wir denken an sie, heute natürlich ganz be-sonders an die Opfer gestern in Istanbul .Wenn wir von dramatischen Menschenrechtsverlet-zungen im Nahen und Mittleren Osten sprechen, gehörtSaudi-Arabien selbstverständlich dazu; das will ich hierausdrücklich sagen . Die Vorgänge, zu denen es dort kürz-lich gekommen ist, nämlich die Hinrichtung von 47 Men-schen, unter ihnen ein schiitischer Geistlicher, und – ganzaktuell – die gestrige Festnahme von Samar Badawi, derSchwester des Bloggers, der schon eine Strafe bekom-men hat, die überdimensional und durch nichts zu recht-fertigen ist, sind mit Blick auf die Stabilisierung und denFriedensprozess in dieser Region herbe Rückschläge; daswissen wir .Darüber hinaus wird die Region durch die unter-schiedlichsten Interessenlagen destabilisiert . Es gehtum territoriale Interessen, geostrategische Interessen derGroßmächte, religiöse Interessen der verschiedenen is-lamischen Strömungen, wirtschaftliche Interessen oderauch nur um den Machterhalt eines Königshauses . Wennwir zur Stabilisierung und Befriedung der Region beitra-gen wollen – und das muss ja das Ziel aller Politik sein –,dann müssen wir selbstverständlich alle Maßnahmen undAntworten, die wir geben, immer wieder von Neuemüberprüfen und uns fragen, ob sie richtig und angemes-sen sind .Die Bundesrepublik agiert im Rahmen der Völkerge-meinschaft auf drei Ebenen: erstens mit politischen Ver-handlungen, zweitens mit militärischen Interventionenund drittens mit humanitärer Hilfe . Alle drei Ebenen ge-hören zusammen .Die politischen Verhandlungen sind notwendig . Wirsetzen unsere Hoffnungen auf den Wiener Prozess, weildort alle, die an diesem schrecklichen Krieg beteiligtsind, an einem Tisch sitzen . Auch die Gespräche derBundeskanzlerin mit der Türkei und in der Türkei sindnatürlich wichtig und richtig, weil es um die Verbesse-rung der Situation der Flüchtlinge in den Lagern geht .Ohne die Türkei können wir nichts machen . Allerdingswissen wir alle, mit wem wir es da zu tun haben .Schließlich ist hier auch die Reise des Außenminis-ters zu einem Kulturfestival anzusprechen . Ich sage ganzausdrücklich: Natürlich ist diese Reise richtig . Ich warin Bremen viele Jahre Staatsrätin für Kultur, habe Aus-tauschprojekte und Festivals in unterschiedlichen Län-dern mitorganisiert und mitgestaltet und weiß, dass Kul-tur Türen öffnet und auch Brücken baut . Insofern mussman eine solche Gelegenheit natürlich nutzen .Herr Gehrcke, all dies zusammen ist vernünftige Au-ßenpolitik, und es ist eben auch ernsthafte Außenpolitik,Frau Hänsel; Sie haben das ja angemahnt .
Ich sage aber auch ausdrücklich: Die militärischenMaßnahmen sind leider auch notwendig . Wir unterstüt-zen diesen Prozess, indem wir die Peschmerga ausbilden,aufklären, die Luftbetankung in Syrien durchführen –Herr Gehrcke, das ist wichtig, auch wenn Sie es nichtverstehen –
und Schutz durch die Entsendung unserer Fregatte ge-währleisten . Das sind wichtige Punkte .Frau Wagenknecht ist jetzt nicht mehr hier . Sie hat ineinem dpa-Interview etwas Schlimmes gesagt, und ichwill das hier noch einmal wiederholen, damit uns das al-len deutlich wird . Sie hat gesagt:Natürlich ist es kein geringeres Verbrechen, un-schuldige Zivilisten in Syrien mit Bomben zu er-morden, als in Pariser Restaurants und Konzerthäu-sern um sich zu schießen . Das eine ist individueller,das andere staatlich verantworteter Terror .
Das ist eine unglaubliche Äußerung von FrauWagenknecht . Das, was unsere Soldaten tun, ist keinstaatlich verordneter Terror .
Wir schicken unsere Soldaten doch nicht in Terroreinsät-ze .
Wir setzen daher auf den angesprochenen Dreiklang unddiese unterschiedlichen Maßnahmen .Dr. Ute Finckh-Krämer
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Ich kann hier nur auch noch einmal die humanitäreHilfe als dritten Pfeiler unserer Politik benennen . Sie istnatürlich auch wichtig. Die Menschen fliehen, weil siekeine Existenzgrundlage mehr haben und weil es in denFlüchtlingslagern keine Überlebenschance und Perspek-tive gibt . Deshalb macht man sich auf die Flucht . Ichwürde es genauso tun .
Frau Kollegin .
Ich weiß, ich muss aufhören . Ich tue das aber sehr un-
gern, weil alle Männer sechs Minuten geredet haben .
Die haben Sie jetzt schon überschritten, Frau Kolle-
gin .
Okay . – Dann sage ich am Ende nur Folgendes: –
Sie können aber nicht noch weit ausholen . Kommen
Sie jetzt bitte zum letzten Satz .
– Wir werden nicht nur an dem gemessen, was wir tun,
sondern auch an dem, was wir versäumen . Darüber soll-
ten Sie, die Linken, bitte einmal nachdenken .
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
Zur Ehrenrettung der Männer muss ich einmal sagen,
dass die meisten Männer heute ihre Redezeit sogar unter-
schritten haben .
Der letzte Redner, der das jetzt vorbildlich machen
kann, ist der Kollege Alexander Radwan für die CDU/
CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Ich werde versuchen, dem nachzu-kommen . – Wir führen jetzt eine Debatte unter der Über-schrift „Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten“,und zumindest teilweise debattieren wir schwerpunktmä-ßig darüber, ob unser Außenminister zu einem Kulturfes-tival fahren soll oder nicht . Ich würde der Erste sein, derihn dazu auffordert, das nicht zu tun, wenn ich der festenÜberzeugung wäre, dass die Situation in dieser Regiondadurch besser würde .Meine Damen und Herren, indem wir Außenpolitikunter innenpolitischen Aspekten betreiben, tun wir hierteilweise das, was wir in diesen Ländern zutiefst verur-teilen und schlimm finden. Wir sollten Außenpolitik indiesem Hohen Hause so betreiben, dass wir versuchen,diese Region zu verstehen .Mit großer Euphorie sind wir dem Arabischen Früh-ling begegnet, Frau Brantner . Demokratie und Rechts-staatlichkeit sollten kommen .
Jetzt haben wir aber die Konflikte in der Türkei, in Sy-rien, im Irak, im Iran, in Libyen, im Jemen und in Sau-di-Arabien . In dieser Zeit ist die Region instabiler gewor-den, nicht stabiler .Heute hatten wir im Auswärtigen Ausschuss – dieje-nigen, die dabei waren, können sich sicher daran erin-nern – eine Diskussion über die Frage, ob Saudi-Arabienein Stabilitätsfaktor bzw . Stabilitätsanker ist . Es gab vie-le Wortmeldungen zur Frage: Ist Saudi-Arabien in dieserRegion ein strategischer Partner oder nicht?
Ich habe gerade Libyen, den Irak, den Iran und die Tür-kei erwähnt und frage mich, was denn passiert – HerrNouripour hat die innenpolitische Situation Saudi-Ara-biens und die fragile Situation des Königshauses ein-drucksvoll dargestellt –, wenn Saudi-Arabien jetzt weg-bricht . Glaubt denn irgendeiner in diesem Hohen Hause,dass dann die Welt dort unten besser bzw. stabiler wird?Oder werden dann die Probleme nicht noch größer?
Jetzt müssen wir schauen, dass wir mit dem dort Mög-lichen entsprechend Politik machen . Man kann immerwunderbar auf den anderen zeigen . Die Situation ist aberschwieriger geworden, was auch Folgen für Deutschlandund Europa haben wird .Es wurde erwähnt, dass der ägyptische Außenministerhier zu Gast ist . Ich habe ihn gestern Abend gefragt, wieer denn die Situation in Bezug auf Saudi-Arabien ein-schätzt . Ich habe vor einiger Zeit mit dem Botschafterder Vereinigten Arabischen Emirate gesprochen . Das istkeine bilaterale Angelegenheit zwischen Saudi-Arabienund Deutschland . Hier geht es um arabische Solidaritätin dieser Region .Wenn wir darüber nachdenken, was passiert ist odernicht passiert ist, komme ich nach allen Diskussionen zudem Ergebnis, dass das Atomabkommen mit dem Irannatürlich eine Herausforderung ist . Wir sollten es den-noch machen, weil es Chancen bietet . Mich überraschenaber diejenigen, die über das überrascht sind, was jetzt inden Golfstaaten passiert . Denn das hatte sich angekün-digt . Wir sind dabei, die arabischen Länder in diesemProzess zu verlieren .Elisabeth Motschmann
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Wir brauchen aber die Türkei, Saudi-Arabien und denIran, um überhaupt Lösungen zu finden. Es kann nichtsSchlimmeres passieren, als diese Länder in diesem Pro-zess zu verlieren . Jedem hier fällt etwas ein, was dort zukritisieren wäre . Wir sollten aber nicht argumentierennach dem Motto: Die einen sind für Menschenrechte unddie anderen nicht . Vielmehr stellt sich die Frage, wie wirdie Beteiligten erreichen und ein wenig mehr Stabilität indiese Region bringen können .
Frau Brantner, damit bin ich bei dem Thema, das Sieangesprochen haben . Richtig, der ägyptische Außenmi-nister ist hier in Berlin . Und ich bin froh, dass er hierist . Das ist wichtig, weil Ägypten noch ein Faktor wer-den könnte . Wenn wir über Saudi-Arabien nachdenken,müssen wir auch berücksichtigen, dass dieses Land zur-zeit den Libanon, Jordanien, Palästina und Ägypten fi-nanziert . Das alles wissen Sie . Wenn sich Saudi-Arabienzurückzieht, dann wird die Welt da unten nicht besser .Wir müssen alles unternehmen, damit die Menschenin dieser Region eine Perspektive bekommen und wie-der ein Stück weit hoffen können . Deshalb spreche ichmit dem ägyptischen Außenminister . Darum werde ichauch wieder nach Ägypten reisen und versuchen, denMenschen mit Hilfe aus Deutschland ein Stück weit einePerspektive zu geben .Wenn wir dort einen Schritt weiterkommen wollen,dann geht das nur mit Reiseaktivitäten und im Dia-log miteinander . Danach können wir über die nächstenSchritte reden . Es geht aber nicht durch Abbruch von Be-ziehungen, wie hier durch den „Außenminister der Lin-ken“ argumentiert wird . Und wenn Fischer so gehandelthätte, wie hier angemahnt wird, hätte er höchstens inner-halb Deutschlands reisen dürfen .Besten Dank für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Damit sind wir nicht nur am Ende der
Aktuellen Stunde angekommen, sondern auch unserer
heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 14 . Januar 2016,
9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen