Protokoll:
18144

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 144

  • date_rangeDatum: 4. Dezember 2015

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:51 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/144 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 144. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. Dezember 2015 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14105 B Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 14106 B Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . . 14107 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14108 C Zusatztagesordnungspunkt 5: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz bewaffne- ter deutscher Streitkräfte zur Verhü- tung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisati- on IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Ver- bindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Ver- trages über die Europäische Union so- wie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksachen 18/6866, 18/6912 . . . . . . . . . 14110 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/6913 . . . . . . . . . . . . . . . . . 14110 B Dr . Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14110 B Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 14112 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14113 D Dr . Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 14115 C Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 14117 C Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14118 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14120 A Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . 14120 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14121 C Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 14123 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 14124 D Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 14126 B Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . . 14127 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14131 D, 14134 B Tagesordnungspunkt 24: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: zur UN-Klima- konferenz in Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14128 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14128 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 14137 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 14139 A Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14140 D Dr . Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 14142 A Dr . Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 14143 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 14145 A Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14146 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14147 B Matern von Marschall (CDU/CSU) . . . . . . . . 14148 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015II Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14149 C Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 14150 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14152 A Tagesordnungspunkt 26: a) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine lebendige Demokratie – Fairer Handel statt TTIP und CETA Drucksache 18/6818 . . . . . . . . . . . . . . . . . 14153 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Dr . Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Paralleljustiz für in- ternationale Konzerne durch Freihan- delsabkommen Drucksachen 18/5094, 18/6911 . . . . . . . . . 14153 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 14153 B Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 14154 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 14156 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14157 C Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14158 D Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 14160 A Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14161 D Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektroni- schen Zigaretten und elektronischen Shi- shas Drucksache 18/6858 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14162 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14163 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 14164 A Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 14165 B Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14166 D Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 14167 B Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14168 B Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des 2 . Un- tersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/6700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14169 A Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14169 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 14170 B Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14171 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14173 B Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14174 C Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 14175 D Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr . Gerhard Schick, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter, Jan van Aken, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter: Einset- zung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/6839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14177 B Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14177 C Matthias Hauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 14178 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 14180 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 14181 B Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14182 A Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) . . . . . . 14183 B Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 14184 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14185 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 14187 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michaela Noll und Alexander Radwan (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terroror- ganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatz- tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14187 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Uwe Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 III Beckmeier, Willi Brase, Martin Burkert, Petra Crone, Bernhard Daldrup, Elvira Drobinski- Weiß, Siegmund Ehrmann, Elke Ferner, Ulrich Freese, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Iris Gleicke, Angelika Glöckner, Ulrike Gottschalck, Gabriele Groneberg, Michael Hartmann, Dirk Heidenblut, Hubertus Heil, Gabriela Heinrich, Markus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler, Josip Juratovic, Oliver Kaczmarek, Gabriele Katzmarek, Ulrich Kelber, Arno Klare, Lars Klingbeil, Dr.  Bärbel  Kofler,  Dr.  Hans-Ulrich  Krüger,  Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Helga Kühn-Mengel, Caren Marks, Katja Mast, Dr . Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Michelle Müntefering, Dietmar Nietan, Ulli Nissen, Detlev Pilger, Stefan Rebmann, Dr . Carola Reimann, Petra Rode-Bosse, Bernd Rützel, Annette Sawade, Axel Schäfer, Marianne Schieder, Dr . Dorothee Schlegel,  Dagmar  Schmidt,  Elfi  Scho- Antwerpes, Frank Schwabe, Stefan Schwartze, Carsten Träger, Ute Vogt, Bernd Westphal, Brigitte Zypries (alle SPD) zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Un- terbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Ver- trages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nati- onen (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . 14187 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marco Bülow und Cansel Kiziltepe (bei- de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terroror- ganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatz- tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14189 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Rita Hagl-Kehl und Hilde Mattheis (bei- de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terroror- ganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatz- tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14190 D Anlage 6 Erklärung nach § 31 Absatz 2 GO des Abge- ordneten Dr . h . c . Gernot Erler (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz be- waffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nati- onen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . 14191 C Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Dr . Franziska Brantner und Cem Özdemir (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Un- terbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Ver- trages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nati- onen (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . 14191 C Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Dieter Janecek und Kerstin Anderae (alle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terroror- ganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015IV 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatz- tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14193 A Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Uwe Kekeritz, Sylivia Kotting-Uhl, Monika Lazar, Peter Meiwald, Beate Müller- Gemmeke, Tabea Rößner und Corinna Rüffer (alle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz be- waffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nati- onen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . 14193 D Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Keul, Maria Klein-Schmeink und Irene Mihalic (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Aus- schusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatztagesordnungs- punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14194 B Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, Kordula Schulz-Asche (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terroror- ganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatz- tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14196 A Anlage 12 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Un- terbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Ver- trages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nati- onen (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . 14197 B Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14197 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14198 D Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14199 D Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14201 B Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 14202 D Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 14203 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 14204 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 14205 A Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 14205 D Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 14207 B Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14208 A Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14209 C Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14210 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14212 C Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14213 A Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 14214 C Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14216 A Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 14216 D Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14218 D Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14220 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14221 D Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14222 C Ulrich Hampel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14224 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 14226 A Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 14226 D Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14228 B Angela Kermer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14230 A Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14232 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 14233 C Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . . 14234 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 V Dr . Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 14234 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 14234 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14235 B Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14235 D Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14237 A Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14238 C Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14240 A Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 14241 C Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14243 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14243 B Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14244 D Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 14246 A Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 14247 B Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 14248 A Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14248 D Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14249 D Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 14251 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 14252 B Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14252 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 14254 A Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14254 C Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14256 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14256 B Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14256 D Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14258 A Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14259 B Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14260 D Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14263 A Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 14264 C Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14264 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . . 14266 B Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14266 D Stefan Zierke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14268 A Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14270 A Anlage 13 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14271 B (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14105 144. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. Dezember 2015 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Dr. Jens Zimmermann (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14187 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Flisek, Christian SPD 04 .12 .2015 Grindel, Reinhard CDU/CSU 04 .12 .2015 Gunkel, Wolfgang SPD 04 .12 .2015 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04 .12 .2015 Jantz, Christina SPD 04 .12 .2015 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04 .12 .2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04 .12 .2015 Kömpel, Birgit SPD 04 .12 .2015 Lagosky, Uwe CDU/CSU 04 .12 .2015 Lamers, Dr . Karl A . CDU/CSU 04 .12 .2015 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 04 .12 .2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 04 .12 .2015 Nahles, Andrea SPD 04 .12 .2015 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04 .12 .2015 Schnieder, Patrick CDU/CSU 04 .12 .2015 Spinrath, Norbert SPD 04 .12 .2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 04 .12 .2015 Uhl, Dr . Hans-Peter CDU/CSU 04 .12 .2015 Wicklein, Andrea SPD 04 .12 .2015 Wilms, Dr . Valerie BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04 .12 .2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michaela Noll und Alexander Radwan (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Wir haben der Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung „Einsatz bewaffneter deutscher Streit- kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ zuge- stimmt, da dieser Einsatz ein Zeichen der Solidarität mit Frankreich ist und Frankreich nach den Anschlägen von Paris Deutschland ausdrücklich um Unterstützung im Kampf gegen den IS gebeten hat . Rechtsgrundlage des Einsatzes ist die UN-Resoluti- on 2249, die die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Terrors und Eindämmung des IS in Syrien und Irak auf- ruft . Zudem ist Deutschland bereits seit September 2014 Teil der internationalen Allianz im Kampf gegen den IS . Die Bundeswehr beteiligt sich bereits seit vergangenem Jahr mit der Ausrüstung und Ausbildung kurdischer Pe- schmerga in Nordirak . Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass der Kampf gegen den IS und den Terror nicht allein militä- risch zu gewinnen ist . Eine Einbettung in den politischen Prozess ist unerlässlich . Für den politischen Prozess wurde bereits bei der Wiener Konferenz ein erster wich- tiger Grundstein gelegt . Ziel der Verhandlungen ist ein Waffenstillstand, die Bildung einer Übergangsregierung und die Aussöhnung der politischen Gegner . Es ist eine Befriedung der gesamten Region notwendig . Aus unserer Sicht ist es unerlässlich, die muslimischen Länder und die arabischen Länder miteinzubeziehen, dabei ist es be- reits gelungen, Iran und Saudi-Arabien an einen Tisch zu bringen . Es ist entscheidend, dass die Nachbarländer Sy- riens ein ebenso großes Interesse an Frieden haben und gegen den IS kämpfen . Es darf nicht sein, dass sich die Probleme aus Syrien weiter in die Nachbarstaaten ver- lagern . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Uwe Beckmeier, Willi Brase, Martin Burkert, Petra Crone, Bernhard Daldrup, Elvira Drobinski- Weiß, Siegmund Ehrmann, Elke Ferner, Ulrich Freese, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Iris Gleicke, Angelika Glöckner, Ulrike Gottschalck, Gabriele Groneberg, Michael Hartmann, Dirk Heidenblut, Hubertus Heil, Gabriela Heinrich, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514188 (A) (C) (B) (D) Markus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler, Josip Juratovic, Oliver Kaczmarek, Gabriele Katzmarek, Ulrich Kelber, Arno Klare, Lars Klingbeil, Dr. Bärbel Kofler, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Helga Kühn-Mengel, Caren Marks, Katja Mast, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Michelle Müntefering, Dietmar Nietan, Ulli Nissen, Detlev Pilger, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Petra Rode-Bosse, Bernd Rützel, Annette Sawade, Axel Schäfer, Marianne Schieder, Dr. Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt, Elfi Scho-Antwerpes, Frank Schwabe, Stefan Schwartze, Carsten Träger, Ute Vogt, Bernd Westphal, Brigitte Zypries (alle SPD) zu der na- mentlichen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi- tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi- litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs- truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge- setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge- lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus- ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14189 (A) (C) (B) (D) Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – müssen mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An- strengungen zur Integration insbesondere junger Musli- me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste- henden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit- kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marco Bülow und Cansel Kiziltepe (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie- rung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Verein- ten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Die Anschläge in Paris waren abscheulich, und unser Mitgefühl und unsere Solidarität gehören den Angehöri- gen und denen, die diesen Terror erleben mussten . Nichts kann den Terror und die Gewaltakte rechtfertigen, mit de- nen der sogenannte „Islamische Staat“, Boko Haram und andere extremistische Gruppen in immer mehr Regionen der Welt Menschen in Angst und Schrecken versetzen . Genau diese Gruppen hätten wir schon längst viel ent- schlossener als bisher bekämpfen müssen . Auch militä- rische Mittel dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden . Frankreich ist unser wichtigster europäischer Partner . Wir müssen den Franzosen in diesem schweren Augen- blick helfen und sie unterstützen . Wir sind aber der Auf- fassung, dass die Unterstützung mit einem militärischen Kampfeinsatz ein falsches Zeichen der Solidarität ist . Guten Freunden muss man auch sagen können, dass man glaubt, dass ihre Pläne in die falsche Richtung gehen . Seit den Anschlägen in New York 2001 versuchen die USA und ihre Alliierten, den Terror vor allem mili- tärisch zu bekämpfen . Dieser Weg ist gescheitert . Der is- lamistische Terror ist stärker denn je . Es herrscht zudem eine Doppelmoral, weil gleichzeitig extreme Regime und menschenverachtende Staaten wie Saudi-Arabien unterstützt und weiterhin mit Waffen beliefert werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514190 (A) (C) (B) (D) Die westliche Welt hat durch ihr Vorgehen zur Destabi- lisierung und zur Radikalisierung beigetragen . Militär- interventionen haben die Zustände in einigen Regionen verschlimmert und viele Menschen in die Hände der Ex tremisten getrieben . Deshalb ist eine militärische Ant- wort auf die Terrorangriffe – vor allem aus der Luft – ge- nau das, was die Terroristen wollen . Wieder wollen wir konzeptlos und übereilt einen Ein- satz starten, dessen Ausmaß wir noch gar nicht abschät- zen können . Auch gibt es keine Exitstrategie . Wenn man sich dennoch dazu entscheidet, dann sollte man unsere Bevölkerung wenigstens nicht täuschen . Dieser Mili- täreinsatz ist ein Kriegseinsatz . Ein Einsatz, der wahr- scheinlich lange dauert, sehr viel Geld und Ressourcen verschlingen und vor allem viele Opfer fordern wird . Ein Rückzug ist dann kaum mehr verantwortbar . Und zur Wahrheit gehört auch: Er wird die Gefahr von Terroran- schlägen hierzulande erhöhen . Verhandeln kann man mit Terroristen nicht, und des- halb gibt es Gründe für den Einsatz, die nicht hauptsäch- lich mit der Solidarität zu Frankreich zu tun haben und auch offen genannt werden sollten . Für uns überwiegen aber eindeutig die Gegenargumente, die wir hier noch einmal auflisten möchten: Es besteht keine völkerrechtliche Grundlage für diesen Einsatz . Rechtlich gesehen ist ein militärisches Eingrei- fen, wie in Syrien, ein Verstoß gegen das Völkerrecht . Eine Legitimation kann nur der Sicherheitsrat der Verein- ten Nationen geben . Wer leichtfertig auf ein UN-Mandat verzichtet, der darf dann zukünftig andere Nationen nicht belehren, sich doch solch ein Mandat einzuholen . Es gibt kein abgestimmtes Konzept, ein Ziel oder eine Strategie . In diesem Krieg führen bereits 14 Staa- ten Krieg mit unterschiedlichen Zielen . Selbst der Vor- sitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat vor kurzem in einem Interview deutlich gemacht, dass die EU „immer noch keine glaubhafte Sy- rien-Strategie“ hat . Auch führende Militärs kritisieren die Vorgehenswei- se und auch die Sprache dieses Einsatzes . Denn diese mi- litärische Aktion ist ein Kriegseinsatz, der nach Exper- tenmeinungen lange andauern muss, wenn er die Chance haben soll, erfolgreich zu sein . Es wird verschwiegen, dass die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland dadurch steigt . Wir haben keine Lehren aus den vergangenen Terror- einsätzen gezogen . In Afghanistan und im Irak wird zum Beispiel seit vielen Jahren ein sogenannter Krieg gegen den Terror geführt mit dem Effekt, dass die Extremisten stärker sind als je zuvor . Terror kann man nicht genauso bekämpfen wie einen Diktator . Gerade bei Luftangriffen muss man mit vielen zivi- len Opfern rechnen . Die Familien und Freunde solcher Opfer treibt man förmlich in die Arme der Terroristen . Eine Spirale der Gewalt hilft selten, zu einer Lösung zu kommen . Eine Abwägung wurde bisher nicht getroffen . Bei solch einer wichtigen Frage, bei der es um Si- cherheit, Leben und Tod – auch unserer Soldaten – geht, brauchen wir eine intensive, differenzierte Diskussion . Eine solche Abstimmung im Parforceritt innerhalb von wenigen Tagen im Parlament durchzusetzen, schadet der Demokratie . Es ist nicht vorstellbar, dass irgendein Abgeordneter wirklich in der Lage ist, die Folgen seiner Abstimmung abzusehen . Wenn man wirklich entschlossen handeln will, dann müssten andere mutige Schritte eingeleitet werden, mit denen man dem „IS“ wirklich das Wasser abgraben kann . Dazu gehört es beispielsweise, ihre Finanzquellen auszu- trocknen und sie von neuen Waffenlieferungen und dem Nachschub an neuen Kämpfern abzuschneiden . Dafür ist es nötig, besonders die türkische Grenze besser zu kont- rollieren und für diesen Nachschub zu schließen . Zudem müssten endlich die Beziehungen zu Saudi-Arabien und anderen diktatorischen islamistischen Staaten überdacht werden . Alle Waffenlieferungen an solche Staaten müss- ten sofort unterbunden werden . Insgesamt müsste viel mehr Hilfe an die Länder in der Region fließen, die ver- suchen, ein demokratisches System aufzubauen, und in denen die verschiedenen Religionen noch friedlich zu- sammenleben – so wie dies beispielsweise in Äthiopien der Fall ist . Auch den Sunniten in der Region, die auf- grund von erfahrener Unterdrückung durch Schiiten und Perspektivlosigkeit den „IS“ teilweise unterstützen, muss eine Perspektive gegeben werden . Syrien braucht eine politische Lösung . Syrien braucht Maßnahmen, welche den Menschen eine lebenswerte Zukunft in Aussicht stellt . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rita Hagl-Kehl und Hilde Mattheis (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Auswär- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie- rung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Dieser Einsatz ist Folge der Terroranschläge von Paris am 13 . November 2015, zu dem sich der sogenannte „Is- lamische Staat“ (IS) bekannte . In Folge ersuchte Frank- reich die Unterstützung der Mitgliedstaaten der EU auf Grundlage des Artikels 42 EUV zu einem Militäreinsatz gegen den sogenannten IS in Syrien . Die Bundesregie- rung begründet die Unterstützung französischer Militär- einsätze mit der Notwendigkeit europäischer Solidarität . Begründet wird der Einsatz damit, dass es sich um eine asymmetrische Bedrohung handele, das heißt nicht Staaten sich kriegerisch bekämpfen, sondern einzelne Kämpfer gezielt versuchen, durch Anschläge in anderen Staaten Terror zu säen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14191 (A) (C) (B) (D) Ich verurteile diesen Terror aufs Schärfste und stehe solidarisch zu den Opfern und deren Angehörigen der Anschläge in Paris, Beirut und anderen Städten . Ich habe entschieden, dem Antrag der Bundesregie- rung nicht zuzustimmen . Folgende Gründe habe ich für meine Haltung: Es gibt kein robustes Mandat der Vereinten Nationen für einen Kampfeinsatz in Syrien . Es lässt sich im jetzigen Militäreinsatz der französi- schen Armee kein schlüssiges Gesamtkonzept erkennen . Es ist unklar, welches Ziel am Ende des Einsatzes steht . Es ist ebenfalls unklar, bis wann ein solches Ziel erreicht werden könnte . Somit erscheint der Einsatz übereilt und unüberlegt . Das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ermöglicht einen weiten Spielraum, wie dieser Einsatz sich zukünf- tig gestaltet: Obwohl die Bundeswehr nun für ein Jahr mandatiert werden soll, spricht die Verteidigungsminis- terin von der Leyen von einem Einsatz von mindestens zehn Jahren . Gleichzeitig meinen viele Experten, dass ein Krieg gegen den sogenannten IS ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen sei . Offen ist also, ob eine Ausweitung des Einsatzes daher bald folgen wird . Diese Fragen blei- ben ungeklärt . Die Attentäter von Paris stammten mutmaßlich aus Frankreich, Belgien oder anderen europäischen Staaten . Es wird mit dem Einsatz nicht in den Blick genommen, dass also offensichtlich überwiegend Menschen aus dem eigenen Land diesen Terror verursachen . Eine entschei- dende und überzeugende Antwort wäre also eine soziale und bildungsfördernde Initiative für junge Menschen in den jeweiligen Brennpunkten der europäischen Länder . Nur so kann durch Integration verhindert werden, dass sich Menschen Terrororganisationen zuwenden . Ebenso ist bis heute nicht geklärt, ob die Terroranschläge von Paris tatsächlich von Syrien aus geplant und koordiniert wurden . Entsprechende Beweise konnten nicht vorgelegt werden . Das Argument der Verteidigung Frankreichs nach einem Angriff ist nicht haltbar, da es sich beim so- genannten IS auch nicht um einen Staat handelt . Die Kriege in Afghanistan und im Irak, die ebenfalls mit dem Kampf gegen Terror begründet wurden, haben gezeigt, dass es mit einem militärischen Einsatz keine Perspektive für einen geordneten Friedensprozess gibt, sondern die Regionen durch das vorschnelle militärische Eingreifen Gefahr laufen, weiter destabilisiert zu werden . Die bislang praktizierten militärischen Einsätze tragen unserer Auffassung nach nicht zu einer Befriedung bei . In der unübersichtlichen Gemengelage zwischen den USA, Russland, der Türkei, der EU, Saudi-Arabien sowie dem Assad-Regime wird keine klare Strategie sichtbar, wie dem sogenannten IS wirksam begegnet werden kann . Die Konfliktursachen im Nahen Osten werden ebenso  wenig bearbeitet wie die Rekrutierungsmöglichkeiten für die menschenverachtende Ideologie, der unter anderem auch der sogenannte IS anhängt, in Europa . Auch hierfür fehlt es an einer schlüssigen Analyse und Strategie . Anlage 6 Erklärung nach § 31 Absatz 2 GO des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) An den  heute  stattfindenden  zwei  namentlichen Ab- stimmungen zum Zusatztagesordnungspunkt 5 – Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte und Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke – kann ich entsprechend § 31 Absatz 2 der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages leider nicht teilnehmen . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner und Cem Özdemir (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Erstens . Die Terroranschläge in Paris am 13 . No- vember 2015 waren ein Angriff auf unsere freiheitliche Ordnung in Europa . Ziel der Attacke waren unsere euro- päischen Grundwerte der Demokratie, der Achtung der Menschenwürde, der Wahrung der Menschenrechte und des pluralistischen Zusammenlebens in gegenseitigem Respekt . Die verheerenden Anschläge in Paris galten eben nicht allein Frankreich, sondern richten sich gegen das liberale Europa . Zweitens . Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, son- dern an die Solidarität der Europäischen Union appel- liert . Unsere grünen Freunde in Frankreich haben dem Einsatz in Syrien größtenteils zugestimmt . Wer jetzt Frankreich die erbetene militärische Unterstützung ver- weigert, läuft Gefahr, die gegenseitige Solidarität – den Kernbestand der europäischen Idee – noch weiter zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514192 (A) (C) (B) (D) unterhöhlen, als es ohnehin schon der Fall ist . Die EU sieht sich momentan Fliehkräften ausgesetzt, welche ein Zusammenrücken wichtiger denn je machen . Dazu zählen das Erstarken rechtspopulistischer Strömungen und Parteien, die Folgen der Finanzkrise in Griechen- land, die Diskussionen um Abspaltungen von der EU, das Wiedererstarken von Nationalismen und das Ringen um gemeinsame Antworten in der Flüchtlingspolitik . Die Solidarität mit Frankreich, unserem engsten Partner in Europa, steht daher für uns außer Frage . Eine deutsche Verweigerung gibt der französischen Rechten außerdem das Argument an die Hand, nicht die ungeliebte EU, son- dern das „partnerschaftliche“ Russland stehe der Nation bei . Die Propaganda des Kremls wird daraus einen Vor- teil zu ziehen wissen . Der Zusammenhalt innerhalb Eu- ropas ist daher der wichtige Grund, warum Paris uns jetzt an seiner Seite braucht . Daher halten wir es grundsätzlich für richtig, dem Gesuch unserer französischen Freunde nachzukommen und sie im Kampf gegen den sogenann- ten „Islamischen Staat“ bzw . Da'isch auch militärisch zu unterstützen . Drittens . Das Argument, man dürfe in Syrien kei- nen Krieg führen, verstellt den Blick auf eine unbeque- me Realität: Der Krieg ist in Syrien seit Jahren blutige Wirklichkeit . Der Krieg in Syrien ist ausgebrochen, weil Assad mit brutaler Gewalt gegen große Teile der Bevölkerung vorging, die sich gegen seine despotische Herrschaft  auflehnten.  Zehntausende  sind  verhaftet,  verschwunden oder gefoltert worden . Als es für dieses verbrecherische Regime immer enger wurde, kamen der Iran, die Hisbollah und die russische militärische Auf- rüstung Assad zu Hilfe . Der IS kämpfte sich in Gebiete vor, die die Freie Syrische Armee erobert hatte . Assads Armee bekämpfte nicht den IS, sondern überzog die ei- gene Bevölkerung mit chemischen Waffen und Fassbom- ben . Wir dürfen nicht ausblenden, dass vier Jahre später der  brutale Konflikt Assads  gegen die  eigene Bevölke- rung weiter tobt und der völkerrechtswidrige Einsatz von Fassbomben grausame Alltäglichkeit ist . Assad hat den weit überwiegenden Teil der mehr als 220 000 Toten zu verantworten . Er ist auch verantwortlich für den übergro- ßen Teil der syrischen Flüchtlinge . Viertens . Der Terror, die menschenverachtende Ideo- logie und die enorme Gewalt, die von Da'isch ausgeht, erfordern zweifelsfrei ein entschiedenes Vorgehen der Staatengemeinschaft . Ohne einen politischen Transfor- mationsprozess in Syrien und einer inklusiven irakischen Regierung wird man Da'isch nicht besiegen können . Wir müssen aber auch bereit sein, uns auch militärischen Mitteln nicht zu verschließen, um durch ein territoriales Zurückdrängen von Da'isch Raum für eine politische Lösung zu schaffen . Allein durch Einschränkung der ausländischen Finanzströme und des Ölhandels mit dem IS lässt sich der Terror nicht austrocknen . Die wichtigste (Finanz-)Ressource des IS ist die unter seiner Kontrol- le stehende Bevölkerung und seine Fähigkeit, Tausende Dschihadisten aus aller Welt anzuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken . Diese Ressourcen wird man nur einschränken können, wenn man dem IS wieder Territorium abringt . Fünftens. Zugleich wird  in  Syrien  ein Konflikt  zwi- schen benachbarten Mächten ausgetragen . Der Iran will Assad als Verbündeten an der Macht halten . Saudi-Ara- bien und Katar wollen eine Vormachtstellung des Iran in Syrien verhindern und unterstützen die Rebellen . Sie haben aus demselben Grund aber auch lange den IS ge- stützt . Die Türkei hat ihrerseits ein zumindest undurch- sichtiges Verhältnis zum IS und bekämpft die einzige erfolgreiche Kraft, die vermocht hat, den IS zurückzu- drängen – die kurdischen Kämpfer . Sechstens . Das erklärte Ziel Russlands ist es, Assad an der Macht zu halten . Bisher haben die russischen Luftan- griffe den Rebellen und kaum dem IS gegolten . Sie wa- ren und sind mit hohen Verlusten in der Zivilbevölkerung verbunden und haben die Flüchtlingskrise verschärft . Die Entscheidung von Präsident Putin, mit der Luftwaffe und Spezialeinheiten am Boden in den Krieg einzugreifen, hat das Assad-Regime aus der Defensive geholt . Gleichzei- tig hat die Stationierung hochmoderner russischer Flug- abwehrsysteme (S 300 und S 400) das Kräfteverhältnis massiv zugunsten russischer Konditionen verschoben . Siebtens . Daher: Die Ziele der militärischen Allianz gegen ISIS sind widersprüchlich . Die zweifelhafte Rolle Russlands im Syrien-Konflikt verstärkt die Befürchtung,  dass der Einsatz der Bundeswehr in Syrien zu einer mi- litärischen Kooperation mit der Armee Assads führen könnte . Weder das Mandat noch die Äußerungen der Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit Russland erfolgen soll . Es ist nicht klar, ob die Türkei und Russland sich mit den westlichen Alliierten darauf verständigt haben, ausschließlich gegen den IS und nicht gegen die Freie Syrische Armee und andere unabhängige Rebellengruppen vorzugehen . Insbesondere schließt das Mandat eine Kooperation mit der Regierung des syri- schen Staatspräsidenten Baschar al-Assad nicht aus . Die widersprüchlichen Aussagen der Bundesregierung dazu im Vorfeld der Abstimmung haben unsere dahingehenden Sorgen noch verstärkt . Sowohl der französische Außen- minister als auch die deutsche Verteidigungsministerin sprechen von der Assad-Armee als möglichem Partner im Kampf am Boden . Damit steigt die Wahrscheinlich- keit, dass diese Intervention ein bipolares Machtsystem herbeiführen wird: auf der einen Seite der IS und auf der anderen Seite ein gestärktes Assad- Regime . Die Freie Syrische Armee, so heterogen sie auch ist, droht zerrie- ben zu werden, wenn sie weiterhin das Ziel der Truppen Assads bleibt . Das wird große Teile der sunnitischen Milizen dem IS in die Arme treiben . Der IS würde da- mit faktisch gestärkt . Die Kurden drohen, zwischen die Mühlsteine zu geraten . Dabei muss aus unserer Sicht auch klar sein: Eine Kooperation mit Moskau darf nicht auf Kosten der Ukraine geschehen . Achtens . Alle diese offenen Fragen müssten vor einer Einsatzentscheidung geklärt sein . Sonst wird ein Einsatz beschlossen, bei dem die Teilnehmer der Koalition mög- licherweise entgegengesetzte Ziele verfolgen und in der Konsequenz den IS nicht zurückdrängen, sondern stär- ken . Bisher steht bei dieser Entscheidung demgemäß nur die Alternative zwischen schlecht und schlechter zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14193 (A) (C) (B) (D) Wahl . Leider hat die Bundesregierung auf diese gestell- ten Fragen keine Antwort gegeben, um zu einer sachge- rechten Entscheidung kommen zu können . So bleibt nur die Wahl zwischen Enthaltung und Nein . Eine Ableh- nung allerdings würde das dringend notwendige unver- brüchliche Bündnis zwischen Frankreich und Deutsch- land in Frage stellen . Eine Enthaltung – auch wenn sie angesichts des Gewichts der Entscheidung ungewöhn- lich sein mag – kann dem politischen Dilemma Ausdruck verleihen: „Ja“, weil der IS auch militärisch bekämpft werden muss und das deutsch-französische Bündnis der elementare Kern der europäischen Union bleiben muss . „Nein“, weil die politischen Rahmenbedingungen dieses Einsatzes in fundamentalen Fragen bisher ungeklärt ge- blieben sind . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Dieter Janecek und Kerstin Andreae (alle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Seit Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien . Das Assad-Regime hat mit einer gnadenlosen Kriegsführung gegen das eigene Volk Syrien ins Chaos gestürzt . Es hat damit den Boden bereitet für das Ausbreiten des Terror- netzwerkes des sogenannten „Islamischen Staates“ IS . Das Assad-Regime und der IS haben mit unvorstellba- rer Brutalität die eigene Bevölkerung zur massenhaften Flucht aus Syrien getrieben . Die Völkergemeinschaft hat dieser Entwicklung lange tatenlos zugesehen, einzelne Staaten haben aus sehr nationalen Gründen den Konflikt  weiter angeheizt, zum Beispiel mit Geldzuwendungen, Ankauf von Öl aus erbeuteten Ölquellen bis hin zur krie- gerischen Unterstützung einzelner Akteure . Die westli- che Staatengemeinschaft hat erst mit dem Fall von Ko- bane ein Bewusstsein entwickelt, in dem Konflikt selbst  Partei zu ergreifen . So hat der Deutsche Bundestag ent- schieden, Waffen an die Kurden zu liefern um damit den drohenden Genozid der Jesiden durch den IS abzuwen- den . Nur zögerlich wurden in diesem Zusammenhang auch diplomatische Bemühungen in Gang gesetzt mit dem Ziel, eine Befriedung der Region zu erreichen . Klar wurde schon bei dieser Entscheidung zur Verhinderung weiterer Gräueltaten, dass unbedingt ein umfassenderes Konzept entwickelt werden muss, um ein Ausbreiten des Konfliktes zu verhindern. Nachdem auf UN-Ebene eine  gemeinsame Haltung zumindest nicht kurzfristig erreich- bar ist – obwohl die Maßgabe „responsibility to protect“ das eigentlich erfordert – muss vor allem auf europäi- scher Ebene ein strategisches Konzept entwickelt wer- den . In dieser Situation haben die Anschläge von Paris in schrecklicher Weise aufgezeigt, dass die Sicherheit selbst in Europa gefährdet ist . Aber vor dem Hintergrund Tau- sender Toter in Syrien und von Millionen Flüchtlingen hat sich die Situation nicht grundlegend verändert . Viel- mehr ist mehr als deutlich geworden, dass nur ein auf langfristige Veränderung ausgelegtes Konzept die Hoff- nung auf eine Befriedung erlaubt . Kurzfristiges militäri- sches Eingreifen – in Afghanistan, im Irak, in Tunesien – haben uns in jüngster Vergangenheit vor Augen geführt, dass Militärschläge ohne eine Struktur im jeweiligen Land die Länder bzw . Regionen destabilisieren und das Gegenteil ihres Zieles bewirken . Ein Gegenbeispiel ist die Situation in Mali . Vor dem Hintergrund vorhandener staatlicher Strukturen scheint es dort zu gelingen, mit- hilfe des französischen militärischen Einsatzes eine Be- friedung zu erreichen . So ist es unabdingbar, zumindest eine Idee über die Strukturen in der Region zu haben, in der eine Befriedung und Stabilisierung erreicht werden soll . – Und Maßnahmen, diese Ideen auch umzusetzen . So sehr nach den menschenverachtenden Anschlä- gen von Paris auch die Reaktion und Bitte der franzö- sischen Regierung verständlich ist, die Aufnahme eines Luftkrieges zu unterstützen, umso mehr muss Deutsch- land die – sehr beschränkten – Möglichkeiten militäri- scher Aktionen abwägen . Dabei sind Ziele, Zeitraum und Verantwortung des heute vorgelegten Mandates nicht klar beschrieben und sind damit keine Option, die einen auch nur kleinen Schritt in Richtung einer Lösung des Konfliktes erkennen lassen. Der Einsatz deutscher Trup- pen – und da spielt es keine Rolle, welche Aufgabe diese haben – kann keinesfalls allein mit einem Freundschafts- dienst für die befreundete französische Nation begründet werden . Solidarität zeigt sich nicht darin, eine falsche Strategie zu unterstützen . Deshalb kann ich dem von der Bundes- regierung vorgeschlagenen Mandat zur Unterstützung des französischen Einsatzes in Syrien nicht zustimmen . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Sylivia Kotting- Uhl, Monika Lazar, Peter Meiwald, Beate Müller- Gemmeke, Tabea Rößner und Corinna Rüffer (alle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514194 (A) (C) (B) (D) 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Terror und Terroristen können mit Militäreinsätzen nicht besiegt werden . Das ist noch nie gelungen . Seit mehr als einem Jahr werden Luftangriffe gegen den IS geflogen,  und  er  konnte  dadurch  nicht  einmal  ansatz- weise gestoppt werden . Diese Bomben-Strategie weiter- zuverfolgen und sogar noch zu verstärken, ist nicht nur sinnlos, sondern auch höchst verantwortungslos . Denn sie birgt das unkalkulierbare Risiko, dass sich das Virus der Terrormiliz weiter verbreitet . Wer auf immer mehr Bomben gegen ISIS setzt, aber die brutale Gewalt des Assad-Regimes gegen die Zivilbevölkerung nicht unter- bindet, treibt dem ISIS immer neue Dschihadisten in die Arme . Deshalb wäre es nötig, sich mit aller Kraft dafür ein- zusetzen, die Luftangriffe sowie die Fassbombenangriffe des Assad-Regimes auf die Zivilbevölkerung zu stoppen und alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Ziel  muss es sein, dass die Menschen in Syrien wieder Hoff- nung auf eine friedliche Zukunft haben können . Eines ist dabei klar: Mit Assad wird es genauso wenig Frieden ge- ben wie mit ISIS . An einer friedlichen Lösung, die das Sterben beendet und es den Menschen wieder ermöglicht, in ihre Hei- mat zurückzukehren, arbeitet die Bundesregierung nicht ernsthaft . Diplomatische Mittel bleiben ungenutzt, und stattdessen werden Soldaten in einen Krieg mit unvorher- sehbaren Folgen geschickt . Die Luftangriffe des Westens werden auch dazu beitragen, die Zivilbevölkerung zu ter- rorisieren . Es werden noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen, die Region weiter destabilisiert und eine Friedenslösung in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich . Deshalb lehne ich das Bundeswehrmandat für Syrien ab und stimme mit „Nein“ . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Keul, Maria Klein- Schmeink und Irene Mihalic (alle BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Warum wir den bewaffneten Einsatz in Syrien ableh- nen müssen: Nachdem bereits beim Einsatz im Nordirak die vom Grundgesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen für einen Bundeswehreinsatz ignoriert worden sind, wird mit dem Einsatz in Syrien auch die weitere Hürde des Völkerrechts abgeräumt . Bislang hat sich die Bundesregierung immer von der amerikanischen Sichtweise eines „war on terror“, der zu einem weltweiten beliebigen Einsatz militärischer Mittel, also zum unbegrenzten Krieg, berechtige, distanziert . In- dem aber jetzt Artikel 51 der UN-Charta (Selbstverteidi- gung) herangezogen wird, um auf einen Terrorakt inner- halb Europas mit militärischen Mitteln zu reagieren, gibt die Bundesregierung diese Haltung auf und schwenkt auf einen Kurs ein, der nicht mehr als Auslegung, sondern nur noch als Bruch von Völkerrecht bezeichnet werden kann . In der Konsequenz würde jeder Staat künftig selbst entscheiden, wo und wann er einen kriminellen Akt für schlimm genug hält, um darauf mit kriegerischen Mitteln zu reagieren und das Gewaltmonopol der UNO außer Kraft zu setzen . Der Mainstream lautet nun: Eine Rechtsgrundlage wäre ganz schön, aber wenn es ernst wird, kann man sich nicht durch rechtliche Argumente hindern lassen . Das ist der Abschied vom Konsens der Völkergemeinschaft nach 1945, wonach Krieg nur durch die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen vermieden werden kann und muss . Manche glauben auch, auf eine Rechtsgrundlage kön- ne es nicht ankommen, wenn es wenigstens eine gemein- same Strategie gäbe . Sie verkennen, dass die fehlende Rechtsgrundlage nichts weiter ist als das dokumentierte Fehlen einer gemeinsamen Strategie . Gäbe es eine ge- meinsame Strategie, wäre sie im Sicherheitsrat beschlos- sen worden . Die Mütter und Väter der UN-Charta haben sich die Normen nicht einfach so ausgedacht, sondern aus der Er- fahrung verheerender Vernichtung heraus formuliert . Ge- sichtswahrung und missverstandene Solidarität standen schon zu oft am Beginn verheerender Kriege . Statt dieser Logik zu widerstehen und die UN-Charta zu verteidigen, gibt nun auch die Bundesregierung ihren Widerstand da- gegen auf . Wer aber die Verfassung und das Völkerrecht im An- gesicht großer Betroffenheit wie eine lästige juristische Formalie betrachtet, gibt der Spirale aus Gewalt und Gegengewalt einen Freiraum, den er selbst nicht mehr begrenzen kann . Zu den Rechtsgrundlagen im Einzelnen: UN-Charta: Die UN-Resolution 2249 vom 20 . No- vember 2015 fordert alle Staaten auf, im Rahmen des Völkerrechts alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um terroristische Handlungen zu verhüten und den siche- ren Zufluchtsort zu beseitigen, den der IS in erheblichen  Teilen Iraks und Syriens geschaffen habe . Dennoch fehlt die ausdrückliche Autorisierung von Gewaltanwendung und der dafür unverzichtbare Bezug auf Kapitel VII der UN-Charta . Der Verweis auf das Völkerrecht durch das Gremium, das im Rahmen seiner Zuständigkeit selber Völkerrecht setzen kann, macht zusätzlich deutlich: Der Sicherheits- rat hätte die Möglichkeit gehabt, Gewaltanwendung zu autorisieren, und hat es dennoch nicht getan . Russland hatte einen eigenen Vorschlag vorgelegt, wo- nach die Lufteinsätze mit Einverständnis der syrischen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14195 (A) (C) (B) (D) Regierung hätten erfolgen können . Auf dieser Grundlage agiert die russische Luftwaffe seit Ende September . Als man sich darauf nicht einigen konnte, hat die russische Seite ihren Entwurf zugunsten der französischen Vorlage zurückgezogen . Diese Kooperation macht deutlich, dass der Sicherheitsrat keinesfalls blockiert wäre, wie manche behaupten, sondern durchaus handlungsfähig ist . Die amerikanischen Lufteinsätze wurden seinerzeit von der syrischen Regierung ebenfalls begrüßt mit der Bedingung, dass diese mit ihr koordiniert würden . Diese Bedingung haben die Amerikaner zwar brüsk zurück ge- wiesen . Dennoch ist davon auszugehen, dass eine solche Koordinierung tatsächlich stattgefunden hat, da anderen- falls das Agieren im syrischen Luftraum schlicht nicht möglich gewesen wäre . Untragbar ist die Berufung auf Artikel 51 UN-Char- ta . Die Selbstverteidigung kann nur gegen den Angrei- fer gerichtet sein und einen gegenwärtigen Angriff ab- wehren . Wer die Angreifer von Paris gesteuert hat, ist im Einzelnen noch zu ermitteln . Sicherlich war es nicht der syrische Staat . Anders als nach 9/11 gibt es auch in der jetzigen Resolution 2249 keinerlei Bezug auf Arti- kel 51 – so auch Professor Reinhard Merkel in der FAZ vom 19 . November . Nichts ist gefährlicher für das System der kollekti- ven Sicherheit nach der UN-Charta und damit für den Weltfrieden als eine staatliche Befugnis zur militärischen Gewalt, die sich nicht mehr als Selbstverteidigung gegen akute Angriffe, sondern darüber hinaus als Gefahrenvor- sorge für die Zukunft versteht . Grundgesetz: Verstößt ein Militäreinsatz gegen das Völkerrecht, ist er automatisch immer auch verfassungs- widrig, weil das Grundgesetz eine strikte Bindung an das Völkerrecht vorsieht . Darüber hinaus schreibt Arti- kel 24 GG fest, dass die Bundeswehr im Ausland jenseits der Selbstverteidigung nur im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit tätig werden darf . Ohne UN-Man- dat ist dies nicht der Fall und der Militäreinsatz ist daher ebenso verfassungswidrig wie der Einsatz im Nordirak . Artikel 42 Lissabon-Vertrag: Die EU ist weder ein Militärbündnis, noch ein System kollektiver Sicherheit – so auch Röttgen in der FAZ vom 28 . November . Nach Artikel 42 Absatz 7 Lissabon-Vertrag sind die Mitglieder  verpflichtet,  sich  im  Fall  eines  bewaffneten  Angriffs gegenseitig alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zu leisten . Zunächst einmal sind die Attentate von Paris als ver- brecherische Akte krimineller Akteure einzuordnen und kein bewaffneter Angriff mit militärischen Mitteln, so- dass schon aus diesem Grund keine militärischen Maß- nahmen geschuldet sind . Darüber hinaus wären diese Angriffe nicht mehr ge- genwärtig . Das allerdings wäre weitere Voraussetzung, um das Selbstverteidigungsrecht angegriffener Staaten auszulösen . Das Selbstverteidigungsrecht zum Krieg außerhalb der Kontrolle und ohne Autorisierung durch den Si- cherheitsrat wird nur im engen Rahmen eines akut ge- genwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriffs gewährt . Darüber besteht im Völkerrecht Einigkeit . Die Bei stands pflicht des Artikel 42 Absatz 7 wird aber aus- drücklich „im Einklang mit Artikel 51 der UN-Charta“ gewährleistet . Die EU ist außerdem kein Militärbündnis, da sonst die neutralen Staaten wie beispielsweise Österreich gar nicht hätten Mitglied werden dürfen . Das war auch Konsens unter den Vertragschließenden . Es ist besonders verheerend, wenn ausgerechnet jetzt in Krisenzeiten den bislang unberechtigten Unterstellun- gen linker Gegner des Lissabon-Vertrages im Hinblick auf eine Militarisierung der EU Vorschub geleistet wird . Immerhin macht sich der Außenminister diese Ausle- gung auch nicht zu eigen . Nach seiner Aussage in der Sonderfraktionssitzung der grünen Bundestagsfraktion soll der Lissabon-Vertrag hier nicht als Grundlage für militärische Interventionen herangezogen werden . Sicherheitspolitische Argumente: Am Ende sind alle militärischen Einsätze, die jenseits einer abgestimmten Strategie der internationalen Gemeinschaft erfolgen, kontraproduktiv, weil sie sinnloser Gewalt weitere sinn- lose Gewalt entgegensetzen, um die eigene Hilflosigkeit  zu kaschieren . Jeder scheinbare Erfolg gegen den IS in Syrien führt nur zu einem Ausweichen in den libyschen Rückzugs- raum . Wer mit tunesischen Sicherheitspolitikern spricht, weiß, was das für deren Land bedeutet . Einem Angriff des IS aus Libyen könnte die tunesische Armee schlicht nicht standhalten . Libysche Beobachter berichten, dass der IS aus der Luft mit Waffen versorgt wird, und zwar mit modernstem amerikanischen Material, von dem die tunesischen Streitkräfte nur träumen können . Unkoordinierte Bombardierungen sind keine Strate- gie gegen den IS . Im Gegenteil: Bislang hat der IS jede Bombardierung zum Anlass genommen, beim jeweili- gen Akteur Anschläge zu begehen . Seit Ende September fliegt Russland Luftangriffe und Ende Oktober erfolgte  der Anschlag  auf  das  russische  Passagierflugzeug  über  dem Sinai . Die Franzosen bombardieren ebenfalls seit Septem- ber 2015 . Es wäre naiv zu glauben, dass sich die An- schlagsgefahr in Deutschland durch ein militärisches Eingreifen nicht substanziell erhöhen würde . Hinzuneh- men wäre dieses Risiko aber allenfalls dann, wenn es der Preis für irgendeine Aussicht auf Erfolg wäre . Nach der jetzigen Lage wäre der Preis schlicht umsonst gezahlt . Es führt kein Lösungsweg an einer Einigung im Si- cherheitsrat vorbei . Die deutsche Bundesregierung muss deutlich machen, dass sie dann und nur dann zu einer mi- litärischen Unterstützung bereit ist . Hier muss sie jetzt ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen . Wenn sie jetzt dem Druck für einen Kriegseinsatz nachgibt, gibt es niemanden mehr, der glaubwürdig Druck für eine Eini- gung im Sicherheitsrat aufbauen kann . Die Verhandlungen über die Resolution 2249 haben gezeigt, dass die Akteure durchaus kooperationsfähig Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514196 (A) (C) (B) (D) sind . Jetzt gäbe es eine große Chance, den Sicherheits- rat als Inhaber des globalen Gewaltmonopols zu stärken, anstatt über die illegitime Ausdehnung des Artikel 51 UN-Charta die Grundlagen des Völkerrechts insgesamt zu unterminieren . Die Bundesregierung muss darauf bestehen, dass eine Koordinierung der militärischen Aktionen, mithin eine gemeinsame Strategie der internationalen Gemeinschaft gefunden und im Sicherheitsrat beschlossen wird, bevor sie sich an militärischer Gewalt beteiligt . Welche gravierenden Folgen ein unabgestimmtes Agieren verschiedener Akteure im syrischen Luftraum haben kann, haben wir gerade erst beim Abschuss des russischen Flugzeuges durch die Türkei erlebt . Was den IS hingegen wirklich getroffen und verunsi- chert hat, ist die Willkommenskultur gegenüber den mus- limischen Flüchtlingen . Diese Verhaltensweise des ver- teufelten Westens stellt die eigene Existenzberechtigung des „Islamischen Staates“ in Frage und wirkt bedrohli- cher als jede Bombe . Eine gemeinsame Strategie sollte daher auch diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren . Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, Kordula Schulz-Asche (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Aus- schusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Nein, es ist keine einfache Entscheidung, dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz der Bundeswehr ge- gen den sogenannten „Islamischen Staat“ zuzustimmen . Viele Menschen in Deutschland haben Zweifel an der Beteiligung ihres Landes, und sie haben gute Gründe . Die Schnelligkeit, mit der der Bundestag jetzt entschei- den soll, ist nicht nachvollziehbar . Denn der nun unzurei- chende politische Diskurs ist diesem wichtigen Mandat nicht angemessen . Gleichzeitig halten wir das Mandat für völkerrecht- lich ausreichend legitimiert . Der VN-Sicherheitsrat hat mit seiner Resolution am 20 . November dafür die Basis geschaffen . Einer der Gründe für das Versagen der Staa- tengemeinschaft  im  Syrien-Konflikt  war  die  Blockade  des Sicherheitsrates durch Russland und China . Diese Blockade ist nun beendet; wir können und müssen in Sy- rien handeln . Deutschland sollte daran mitwirken, dass jetzt entschieden und planvoll gehandelt wird . Solche verheerenden Terroranschläge wie in Paris gel- ten nicht allein einem Land, sondern richten sich gegen das liberale Europa und eine pluralistische Lebensweise . Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, sondern an die So- lidarität der Europäischen Union appelliert . Frankreich vertritt in einer Koalition gegen den sogenannten „Isla- mischen Staat“ dadurch nicht mehr nur französische In- teressen, wenn es um eine politische Lösung des Kon- flikts  in  Syrien  geht,  sondern  versucht,  gestärkt  durch  eine gemeinsame europäische Position, eine internati- onale Lösung für den Konflikt zu schmieden. Dabei  ist  das Vorgehen Frankreichs noch nicht so, wie wir uns eine europäische Lösung vorstellen . Es ist noch stark bilateral geprägt und nutzt nicht alle Möglichkeiten der Gemein- samen Sicherheits- und Verteidigungspolitik . Dennoch ist es ein erster bemerkenswerter Schritt dahin, die eigene nationale Verteidigung künftig nicht mehr national, son- dern europäisch zu verstehen und zu organisieren . Frankreich hat Deutschland, seinen engsten Partner in Europa und der Welt, um Unterstützung gebeten . Wir dürfen jetzt Frankreich die erbetene militärische Unter- stützung nicht verweigern, da wir sonst Gefahr laufen, die gegenseitige Solidarität – den Kernbestand der euro- päischen Idee – noch weiter zu unterhöhlen, als es ohne- hin schon der Fall ist . Unsere grünen Freunde in Frank- reich haben dem Einsatz in Syrien zugestimmt . Viele Länder – auch Frankreich – engagieren sich bereits jetzt im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ – mit unterschiedlichen Motivationen und Strategien . Das Argument, man dürfe in Syrien keinen Krieg füh- ren, verstellt den Blick auf eine unbequeme Realität: Der Krieg ist in Syrien seit Jahren blutige Wirklichkeit . Zu- dem geschehen in den Gebieten, die der sogenannte „Is- lamische Staat“ erobert, die schrecklichsten Gräueltaten . Tausende Menschen werden grausam ermordet, misshan- delt und versklavt . Es geht also um die Frage, wie ein Krieg und das Schreckensregime des sogenannten „Isla- mischen Staates“ beendet werden können, damit Raum für eine politische Lösung geschaffen wird . Denn dass man  diesen  Konflikt  nicht  militärisch  gewinnen  kann,  weiß auch die Bundesregierung . Deshalb muss Deutsch- lands militärisches Engagement nun umso größeres Engagement auf der zivilen Seite zur Folge haben . Der Frieden muss jetzt vorbereitet werden . Dazu gehört die Stabilisierung des Iraks, die Reform des irakischen Si- cherheitssektors, die Verhandlungen zu Syrien in Wien, ein Waffenstillstand in Syrien . Mit diesem Mandat wird Deutschland Teil einer he- terogenen Koalition von Akteuren, die zum Teil unter- schiedliche Ziele verfolgen . Es ist bisher nicht geklärt, ob es eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen gegeben hat . Es ist nicht klar, ob die Türkei und Russland sich mit den westlichen Alliierten darauf verständigt haben, aus- schließlich gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ und nicht gegen die Freie Syrische Armee und andere unabhängige Rebellengruppen vorzugehen . Auch die Frage nach einem gemeinsamen Militärkommando mit Russland ist ungeklärt . Strebt die westliche Allianz ein solches Bündnis an – und wenn ja, mit welchen Zielen und zu welchen Bedingungen? Die Koalition muss sich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14197 (A) (C) (B) (D) auf eine politische Linie einigen – vor allem, um die Poli- tik nach dem Waffenstillstand vorzubereiten, wenn diese Koalition erst richtig nötig ist . Das ist auch unser Kritik- punkt an der VN-Resolution, die den Einsatz mandatiert: Sie gibt diese Linie nicht vor . Das muss nun innerhalb der Koalition geschehen . Diese offenen Fragen machen die Zustimmung zum jetzigen Zeitpunkt nicht leicht . Es stimmt, eine politisch konsistente Gesamtstrategie fehlt . Deutschland sollte seine Fähigkeiten nutzen, an ihrer Entwicklung mitzu- wirken . Eine Beteiligung Deutschlands stärkt die Ver- handlungsposition der Franzosen und damit Europas ge- genüber anderen Akteuren, die gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ kämpfen . Hier könnte auch endlich ein profunder Ansatz zur Bekämpfung von Fluchtursa- chen liegen, und das wäre zusätzlich eine maßgebliche Unterstützung der Nachbarländer, die ebenfalls mit die- ser Herausforderung konfrontiert sind . Dazu gehört auch verstärkte humanitäre Hilfe . Der Zugang zur notleidenden Bevölkerung ist den Hilfsor- ganisationen nach wie vor in vielen Teilen Syriens und des Iraks versperrt . Daran müssen wir arbeiten, das muss sich ändern . Die Bundesregierung muss letztendlich si- cherstellen, dass sie in der Ausführung dieses Mandats das humanitäre Völkerrecht strikt beachtet und dass die Zivilbevölkerung geschützt wird . Aber nicht nur Deutschland, auch die anderen Koali- tionspartner sind dazu verpflichtet. Die Bundesregierung  muss alles dafür tun, dass auch sie sich an die Regeln des humanitären Völkerrechts halten . Im Interesse der Menschenrechte muss Deutschland seine Stimme hörbar machen . Anlage 12 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver- einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab- satz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5) Heike Baehrens (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, veränderten sie vor ei- niger Zeit ihre Strategie . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu- nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass der zugrunde liegende Sy- rien-Konflikt  letztlich  nur  politisch  entschärft  werden  kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbeson- dere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amts- übernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, dass die Vereinten Nationen und ihr Sonderbeauftrag- ter, Staffan Domingo de Mistura, die führende Rolle in diesem Konflikt ausüben können. Eine erste Konferenz  zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wur- de auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns  mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder- gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits- gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne  ISIS –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden.  Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Exper- ten Professor Volker Perthes geleitet . Die Ergebnisse der vier Arbeitsgruppen können Grundlage einer Vereinba- rung zur politischen Konfliktregelung werden.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514198 (A) (C) (B) (D) ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten und Personal im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören  sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflug- zeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französi- schen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch und werde dies in der Zukunft auch weiter nach- drücklich einfordern, dass die Bundesregierung ihr En- gagement nicht auf das Militärische konzentriert . Das militärische Engagement im und über dem Operations- gebiet der Terrororganisation ISIS ist nur ein Teil des gesamten Engagements in der Region . Absolute Priorität muss weiterhin der politische Verhandlungsprozess ha- ben, wie er in Wien begonnen wurde . Hierdurch hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrie- ges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ih- ren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass ISIS erfolgreich ist in seinem perfiden Plan, Hass in unseren Gesellschaften  zu säen . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen oder gar Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert wer- den, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vor- zugehen . In Anbetracht der über 6 Millionen Binnenflüchtlinge  und über 4 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müssen wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 ha- ben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für hu- manitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen im Nahen Osten in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich  sein,  endlich  einen Weg  zu  finden,  den  bruta- len Bürgerkrieg in Syrien mit bisher schon mehr als 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be- waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Annalena Baerbock (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ich bin davon überzeugt, dass man einen militärischen Einsatz gegen den sogenannten „IS“ – im Folgenden ver- wende ich den Begriff Da'isch – durchaus auch braucht . Das vorgelegte Mandat halte ich aber für nicht zustim- mungsfähig . Die Terroranschläge in Paris galten nicht allein Frank- reich, sondern richten sich gegen das liberale Europa, unsere Werte und unsere säkulare, pluralistische Lebens- weise . Frankreichs Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, sondern an die Solidarität der Europäischen Union ap- pelliert . Wie immer man also entscheidet: Man muss re- flektieren, was diese Entscheidung für das deutsch-fran- zösische Verhältnis bedeutet . Es ist daher alles andere als leicht, diesem Mandat nicht zuzustimmen . Wir müssen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14199 (A) (C) (B) (D) und werden Frankreich unterstützen – zum Beispiel auch durch unseren Einsatz in Mali . Das steht für mich außer Frage . Der von der Koalition vorgelegte Mandatstext für Syrien enthält jedoch so viele offene Fragen und Unklar- heiten, dass ich darin nicht die Unterstützung sehe, auf die es jetzt ankäme . Zudem ist es mehr ein Vergeltungs- schlag als eine politische Antwort auf die Gräueltaten des Da'isch . Die unbequeme Realität ist leider: Der Krieg ist in Sy- rien seit fünf Jahren blutige Wirklichkeit . Deswegen geht es zuvorderst um die Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann, um Raum für eine politische Lösung her- beizuführen . Wichtig ist darüber hinaus die Einschrän- kung der ausländischen Finanzströme und des Ölhandels von Da'isch, aber allein damit lässt sich ihr Terror nicht austrocknen . Die bedeutendste Ressource des Da'isch ist die unter seiner Kontrolle stehende Bevölkerung und sei- ne Fähigkeit, tausende Dschihadisten aus aller Welt an- zuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken . Diese Ressourcen wird man nur einschränken können, wenn man Da'isch wieder Territorium abringt – wie es im übrigen zum Beispiel den Peschmerga-Kämpfern im Nordirak gelungen ist . Russland hat seit dem . 30 . September 2015 massiv zugunsten des Assad-Regimes in den Konflikt eingegrif- fen . Dabei trafen seine Angriffe bislang vorwiegend die syrischen Widerstandskämpfer und weniger Da'isch . Die Türkei geht gegen Stellungen der Kurden in Syrien vor, die wiederum verstärkt von den USA unterstützt werden . All dies macht deutlich, dass die Allianz der Willigen, die dort jetzt verstärkt eingreifen, kein gemeinsamer Wille eint, sondern sie widersprüchliche Ziele verfolgen . Auch fährt die Bundesverteidigungsministerin einen Zickzack- kurs in Bezug auf die Beteiligung der Regierungstruppen von Assad . Weder das Mandat noch die Äußerungen der Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit Russland – das Assads Armee unterstützt – erfolgen soll . Insbesondere offen ist: Wer sind die Kooperationspartner als Bodentruppen, wer wird dabei wie stabilisiert und un- terstützt? Wer schließt zum Beispiel das Vakuum am Bo- den, wenn Da'isch dort verdrängt wurde? Diese Fragen sind zu relevant und auch zu riskant, als dass ein Mandat sie offen lassen dürfte . Angesichts einer so komplexen Akteurskonstellation braucht es hier Klarheit, bevor die deutschen Truppen entsendet werden . Zudem ist die völkerrechtliche Grundlage für das Mandat enorm umstritten, auch deswegen stimme ich mit Nein . Auch die mittelfristigen Ziele und politischen Strate- gien dieser militärischen Intervention in Syrien sind un- klar . Wie soll der Übergang zu einer Post-Assad-Ära ge- staltet werden? Wie will die westliche Allianz den Schutz von Minderheiten und die Beteiligung aller relevanten Gruppen an einem politischen Prozess zur Zukunft des Landes sicherstellen? Wie könnte eine Nachkriegsord- nung für Syrien aussehen? Leider hat die Bundesregierung ein extrem verkürztes parlamentarisches Verfahren gewählt, sodass nicht ein- mal eine angemessene, parlamentarische Beratung über diese  Fragen  stattfinden  konnte.  So  sehr  rasches  Han- deln nötig ist und so sehr auch die Solidarität mit unse- ren französischen und insgesamt europäischen Partnern selbstverständlich ist – bevor der Startpunkt für einen womöglich jahrelangen Bundeswehreinsatz gesetzt wird, müssen die Rahmenbedingungen erörtert werden . Hierzu gehört: – die Akteure zu benennen, mit denen kooperiert und Informationen ausgetauscht werden und sich auch über diejenigen Akteure klarzuwerden, mit denen ein solcher Austausch nicht erfolgt – hierzu gehört für mich die klare Festlegung darauf, dass mit der Assad-Armee nicht zusammengearbeitet wird –, – eine planvolle, politische Strategie zu bedenken und darzulegen, was zum Beispiel mit erkämpften Gebieten geschieht und wie Arrangements für ei- nen Waffenstillstand vereinbart werden können . Insgesamt bleiben zu viele entscheidende Fragen offen, das Handeln besitzt keine klare Perspektive und scheint damit auch hilflos. Es braucht dagegen eine lang- fristige Strategie – in die auch durchaus militärische Ein- sätze einzubinden sind . Der Wiener Prozess gibt hierfür leichte Hoffnung . Dieser Einsatz ist so wenig planvoll, dass die Gefahr besteht, das Gegenteil zu bewirken von dem, was beabsichtigt ist . Daher kann ich dem Mandat in dieser Form nicht zu- stimmen, auch wenn es mich umtreibt, dass wir seit Jah- ren unserer Schutzverantwortung nicht nachkommen . Dr. Matthias Bartke (SPD): Die Lage in Syrien er- füllt mich mit großer Sorge . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514200 (A) (C) (B) (D) Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine beispiellose Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes- ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben  wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande- rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län- der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Die deutsche Bundesregierung unterstützt den politi- schen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbezie- hung der Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen  des  Konflikts  gegründet  wurden.  Eine  Arbeitsgruppe  wird vom deutschen Nahost- Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeits- gruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung ge- schaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung  näherzukommen . Dabei spielt auch die Stabilisierung befreiter Gebiete eine ganz wesentliche Rolle . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör- fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre  Heimat zurückzukehren . Dazu tragen auch unsere zivilen Stabilisierungsmaß- nahmen bei, zum Beispiel die Förderung von Maßnah- men zur Sicherung von Strom- und Wasserversorgung, aber auch Strukturen für die medizinische Grundversor- gung . Auf diese Weise wirken wir dem Staatszerfall in den Oppositionsgebieten entgegen, erhalten Infrastruktur aufrecht und schaffen Bleibeperspektiven . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mili- tärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach reiflicher Überlegung, intensiven Diskus- sionen und einem schwierigen Abwägungsprozess ent- schieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustim- men . Diese Zustimmung ist mir nur möglich, da gleichzei- tig alle diplomatischen Mittel für eine politische Lösung ausgeschöpft werden . Die Bundesregierung konzentriert ihr Engagement nicht auf die militärische Komponente, sondern betrachtet das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Re- gion . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nut- zen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . In Anbetracht der über  sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14201 (A) (C) (B) (D) Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Wir müssen unsere Anstrengun- gen zur Integration insbesondere junger Muslime stei- gern, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Des Weiteren muss die Prävention gegen islamistische Radikalisierung gestärkt werden . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge- hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei- sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver- fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung umzusetzen . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Diese Entscheidung fällt mir sehr schwer, da ich prin- zipiell  der Auffassung  bin,  dass  Konflikte  friedlich  zu  lösen sind . Ich selber habe drei Jahre meines Lebens am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicher- heitspolitik an der Universität Hamburg gearbeitet . Dort habe  ich  mich  immer  für  friedliche  Konfliktlösungen  stark gemacht, was bis heute Maxime meiner Entschei- dungen ist . Es fällt mir daher besonders schwer, zuzu- gestehen, dass ausschließlich friedliche Lösungsansätze hier nicht möglich sind . ISIS stellt sich mit seinem bewusst zur Schau gestell- ten Terror gegenüber Andersgläubigen und Andersden- kenden außerhalb jeglicher zivilisatorischer Werte . Ich bin daher zu der Überzeugung gelangt, dass hier nur eine Lösung möglich ist, die sowohl auf politische als auch auf militärische Maßnahmen setzt . Sören Bartol (SPD): Die Lage in Syrien ist furchtbar . Die Weltgemeinschaft hat viel zu lange weggeschaut . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi- tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi- litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs- truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge- setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge- lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus- ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,  in dem insbesondere die aus dem Irak stammende terro- ristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen und in den von ihr kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror, unter dem die syrische Bevölkerung tagtäg- lich leidet, vermehrt und konzentriert in die Nachbarlän- der und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514202 (A) (C) (B) (D) ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur Regelung  des  Syrien-Konfliktes  und  dem militärischen  Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch mit militärischen Mitteln am Kampf der internationalen Allianz gegen ISIS zu beteiligen . Nach intensiver Prü- fung hat die Bundesregierung Frankreich militärische Unterstützung angeboten . Hierzu gehören sowohl Auf- klärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fre- gatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz Skepsis gegenüber einem militärischen Engage- ment gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich ent- schieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustim- men . Es ist keine leichte Entscheidung . Terror kann man nicht allein militärisch besiegen; wir müssen seine Wur- zeln beseitigen – auf politischer und gesellschaftlicher Ebene . Das militärische Engagement der Bundesregie- rung ist Teil einer breit angelegten Politik, keinesfalls ihr Ersatz . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nut- zen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Veronika Bellmann (CDU/CSU): Deutschland be- findet sich hier in einem echten Dilemma. Auf der einen  Seite steht die Rückeroberung von Gebieten durch die Peschmerga gegen den barbarischen Da'isch, die auch mithilfe der Luftangriffe der Alliierten, der deutschen Waffen und der deutschen Ausbildungsmission erfolgt ist . Da stehen auch der notwendige entschiedene Kampf gegen den islamistischen Terror, die schnelle Eindäm- mung der militärischen Erfolge des IS und die europä- ische Solidarität zu Frankreich . Wobei uns die Erfah- rungen aus Afghanistan lehren, welche Folgen spontane Zusagen von „uneingeschränkter Solidarität“ haben kön- nen . Ausdrücklich betone ich, lieber im EU-Bündnisfall mit Frankreich im Wort zu stehen als in einem möglichen NATO-Bündnisfall mit der zweifelhaft agierenden Tür- kei . Auf der anderen Seite fehlt eine geschlossene inter- nationale Koalition, die mit einem klaren Auftrag, einem gemeinsamen Ziel und einer abgestimmten Gesamtkon- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14203 (A) (C) (B) (D) zeption auch für das Kriegsende und die Zeit danach ge- gen den sogenannten IS vorgeht . Stattdessen kämpft jeder gegen jeden . Die Türkei kämpft gegen Kurden, Russland und Diktator Assad . Russland kämpft mit Assad gegen gemäßigte Rebellen und die Türkei . Frankreich kämpft gegen IS und Assad und der IS gegen alle . Dazwischen fliegen  die  Briten  und Amerikaner Kampfeinsätze, mit  denen sie die Kurden unterstützen, damit die einzigen Bodentruppen gegen den IS einigermaßen erfolgreich sein können . Wo ist die Allianz gegen das Böse, und wer hat den Oberbefehl? In einen solchen Konflikt deutsche  Soldaten zu schicken, und sei es „nur“ in einer Unterstüt- zungsmission, ist keine einfache Entscheidung . Mir ist klar, dass die einzig realistische Lösung nur in einer systematischen, langfristigen und aggressiven Lösung der Eindämmung des Terrors besteht, zu der militärische Einsätze dazugehören, aber unbedingt auch das Unterbinden des Nachschubs von Waffen, Finanzen, Personal sowie der Öllieferungen, durch die sich Da'isch finanziert.  Dazu  gehören  aber  auch  Grundsatzdiskus- sionen über die Rolle Saudi-Arabiens, Katars oder der Türkei, über Wahhabismus und fundamentalistischen Is- lam . Genauso wichtig sind aber Diplomatie und Politik, mindestens ein europäisches Handlungsmandat, Unter- stützung der Nachbarstaaten, die von den Flüchtlings- strömen betroffen sind, aktive Konfliktprävention in den  Staaten, in die der IS zu expandieren versucht . Dafür sind im Wiener Prozess allenfalls Ansätze erkennbar . Zu guter Letzt rückt auch der Zustand der Bundeswehr wieder in den Fokus . Die vielfältigen Einsätze im In- und Ausland bedingen unbedingt  einen finanziellen,  techni- schen und personellen Aufwuchs und ein Ende der Aus- setzung der Wehrpflicht.  Insofern macht auch die Kürze der Zeit, in der über das Mandat der Bundeswehr entschieden werden soll, die Entscheidung nicht einfacher . Es gibt mehr Fragen als Antworten . Insofern ist mehr als eine Unterstützungs- mission nicht zu tolerieren . Das Parlament darf nicht nur das Mandat beschließen, sondern muss es auch dauernd begleiten und notfalls auch vor Ablauf der Mandatszeit ändern oder stoppen können . Nur unter dieser Bedingung stimme ich dem Antrag der Bundesregierung für einen Bundeswehreinsatz gegen die Terrororganisation IS/ Da'isch zu . Karin Binder (DIE LINKE): Ich stimme diesem Bun- deswehreinsatz nicht zu, weil ich diesen Militäreinsatz für unverantwortlich halte . Tornadoeinsätze und Bom- bardements treffen wieder einmal zu allererst die Zivilbe- völkerung . Sie bringen weitere Zerstörung und weiteres Leid über diese Bevölkerung und treiben aufgebrachte Menschen geradezu in die Arme der Terroristen . Zudem wurde bislang keine einzige erkennbare Maß- nahme ergriffen, die Handlungsmöglichkeiten des IS zu beschränken . Dabei hätten Deutschland und die EU viele Möglichkeiten mit politischem Handeln und wirtschaftli- chen Maßnahmen den IS zu bekämpfen und diesen terro- ristischen Sumpf auszutrocknen . Wohlwissend, dass der IS über Länder wie die Tür- kei oder Saudi-Arabien mit Waffen sowie finanziell und  personell unterstützt wird, werden bis heute auch von Deutschland Waffen in diese Krisenregion geliefert . Das ist eine Schande . Der erste Schritt im Kampf gegen den Terror müsste ein sofortiger Stopp der Waffenexporte sein . Stattdessen werden sogar ganze Waffenfabriken zum Beispiel nach Saudi-Arabien geliefert . Aber daran verdienen einige Rüstungsunternehmen viel Geld . Also wird der Rüs- tungsexport aus wirtschaftlichen Interessen von der gro- ßen Koalition aus CDU/CSU und SPD nicht gestoppt . Das ist eine Schande . Ein weiterer,  finanzpolitischer  Schritt wäre  das Ein- frieren der Finanzmittel des IS . Konten, die den IS bedie- nen, müssen gesperrt werden . Niemand kann mir weis- machen, dass diese Konten und Bankverbindungen nicht bekannt sind . Dass dieser Schritt nicht gegangen wird, ist ebenfalls eine Schande . In einem weiteren, wirtschaftspolitischen Schritt muss der Ölhandel des IS mit seinen Nachbarländern unterbun- den werden. Dieser Ölhandel finanziert den Terror gegen  die syrische und irakische Bevölkerung und finanziert die  Anschläge gegen die westlichen Industrienationen . Dazu müssen die Lieferwege dieses Öls unterbrochen und ge- schlossen werden . Dazu muss die EU und allen voran die deutsche Re- gierung ihre politische Zusammenarbeit insbesondere mit der Türkei und dem Regime Erdogan überdenken und ändern . Die Türkei müsste diese Öllieferungen un- terbinden und ihre Grenzen für diesen Handel schließen . Solange aber das Regime Erdogan diese Terroristen ma- teriell und personell unterstützt, dürften weder die EU noch die deutsche Regierung mit der Türkei einfach wie bisher weiter  zusammenarbeiten  oder  sie  gar  finanziell  unterstützen . Aber stattdessen erhält die Türkei zur Abschottung der EU gegen Flüchtlinge noch zusätzliches Geld . Ganz abgesehen von der Menschen verachtenden Politik der EU  gegen  die  geflüchteten Menschen,  die  wir  in  ihrer  Notlage einem undemokratischen und Menschenrechte verletzenden System wie der Türkei überlassen und aus- liefern, könnten wir dieses Geld dann auch gleich dem IS zukommen lassen . Auch das ist eine Schande . Nun wird der Lissabonvertrag und die sogenannte Beistandsklausel bemüht, um einen Kriegseinsatz zu rechtfertigen . Aber Terroristen sind Verbrecher und müssen als sol- che verfolgt und vor Gericht gestellt werden . Mit diesem Einsatz begibt sich Deutschland nach meiner Auffassung in einen neuen Krieg . Mit einem so- genannten „Krieg gegen den Terror“ wurde nach dem 9 . November 2001 bereits einmal ein ganzes Land zer- stört und seine Bevölkerung mit Zigtausenden Opfern ins Mittelalter zurückgebombt . Das alles soll jetzt noch einmal wiederholt werden? Obwohl klar ist, dass die Täter von Paris keine Syrer waren, sondern Europäer, erklärt auch Deutschland mit diesem Militäreinsatz den Syrerinnen und Syrern den Krieg . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514204 (A) (C) (B) (D) Nach wie vor ist die Bundeswehr nach unserer Ver- fassung eine Verteidigungsarmee . Nie wieder sollte von deutschem Boden ein Krieg ausgehen . Auch deshalb habe ich heute gegen diesen Militärein- satz der Bundeswehr gestimmt . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Ziel des Ter- rors ist es, Angst zu schüren, um so die Überlegenen zu unüberlegten Reaktionen zu verleiten . Daher auch der Name „Terrorist“ . Terroristen haben nicht die Macht, in eine offene Konfrontation zu treten . Der Gegner ist ih- nen militärisch haushoch überlegen . Ihre einzige Hoff- nung besteht darin, den Gegner so zu reizen, dass er sich unüberlegt in schwieriges, unübersichtliches Gelände begibt . Erst dann haben die Terroristen eine Chance, da im darauffolgenden Chaos die überlegenen Kräfte bzw . Mächte eigentlich nur verlieren können . Genau dies passiert gerade in Syrien . Der IS könnte keinen offenen Kampf gegen „den Westen“ führen . Er kann aber dafür sorgen, dass wir uns unüberlegt verhalten und keinen kühlen Kopf bewahren . Die Terroranschläge in Paris ha- ben Angst und Schrecken verbreitet und eine unüberlegte Reaktion hervorgerufen – die westlichen Kräfte werden immer stärker in den Bürgerkrieg hineingezogen . Dieser Logik möchte ich mich nicht unterwerfen . Bomben sind keine Lösung . Die Luftangriffe werden auch immer wieder viele unschuldige zivile Opfer for- dern, die den Hass auf „den Westen“ weiter schüren wer- den . Der IS ist doch erst als eine Reaktion auf die Invasi- on in den Irak, der wir uns erfolgreich widersetzt hatten, entstanden . Dank Gerhard Schröder . Die Invasionen in Irak und Afghanistan sollten damals schnell und sauber ablaufen . Diese Vorstellungen und Hoffnungen haben sich nicht erfüllt . Schon damals wurde als Reaktion auf einen Terrorakt unüberlegt in einen Krieg gezogen, der sich dann als nicht zu gewinnen herausgestellt hat . Was wird aus unserem Einsatz in Syrien folgen? Ist eine Befristung denn wirklich realistisch? Wer weiß denn, wie sich die Situation in einem Jahr verändert hat? Woran erkennen wir, ob unser Einsatz erfolgreich war? Ist der IS besiegt? Das sind Fragen, die niemand beant- worten kann . Deshalb und aus den weiteren folgenden Punkten wer- de ich im Bundestag gegen eine Beteiligung Deutsch- lands am Krieg in Syrien stimmen: – Es besteht keine völkerrechtliche Grundlage für diesen Einsatz . Rechtlich gesehen ist ein militäri- sches Eingreifen, wie in Syrien, ein Verstoß gegen das Völkerrecht . Eine Legitimation kann nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geben . Wer hier auf ein UN-Mandat verzichtet, der darf dann zukünftig andere Nationen nicht belehren, wenn sie ohne Mandat in einen Krieg eintreten . – Es gibt kein abgestimmtes Konzept oder eine klare Strategie . In diesem Krieg führen bereits 14 Staa- ten Krieg mit unterschiedlichen Zielen . Selbst der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat vor kurzem in einem Inter- view deutlich gemacht, dass die EU „immer noch keine glaubhafte Syrien-Strategie“ hat . – Auch führende Militärs kritisieren die Vorgehens- weise und auch die Sprache dieses Einsatzes . Denn diese militärische Aktion ist ein Kriegseinsatz, der nach Expertenmeinungen lange andauern muss, wenn er die Chance haben soll, erfolgreich zu sein . Es wird verschwiegen, dass die Gefahr eines Terror anschlags in Deutschland dadurch steigt . – Wir haben keine Lehren aus den vergangenen Mi- litäreinsätzen gegen den Terror gezogen . In Afgha- nistan und im Irak wird zum Beispiel seit vielen Jahren ein sogenannter Krieg gegen den Terror ge- führt mit dem Effekt, dass die Extremisten stärker sind als je zuvor . Terror kann man nicht genauso bekämpfen wie diktatorische Regime . – Gerade bei Luftangriffen muss man mit vielen zi- vilen Opfern rechnen . Die Familien und Freunde solcher Opfer treibt man so förmlich in die Arme der Terroristen . Eine Spirale der Gewalt entsteht . Eine Abwägung wurde bisher nicht getroffen . Krieg bleibt für mich, so wie Willy Brandt es einmal sagte, die „Ultima Irratio“ . Deswegen unterstütze ich alle diplomatischen Bemühungen Frank-Walter Steinmeiers, alle Parteien, mit Ausnahme des IS, an einen Tisch zu bringen . Nur so gibt es eine Hoffnung für Syrien . Ich verstehe auch jene, die heute mit Blick auf die Rede von Frank-Walter Steinmeier vor zwei Tagen zustimmen, weil seine Rede gezeigt hat, dass militärisches Engage- ment allein keine Lösung darstellt und viele weitere poli- tische, humanitäre und wirtschaftliche Aufgaben zu lösen sind . Ich denke aber, dass wir die militärischen Mittel zu eilfertig einsetzen – dies erklärt sich ein wenig mit Blick auf die Rede der Verteidigungsministerin am Mittwoch dieser Woche . Will man den IS wirklich bekämpfen, muss man mit Saudi-Arabien hart ins Gericht gehen, das den IS unter- stützt . Auch die Türkei – unser NATO Partner – gilt es an einer weiteren Unterstützung des IS zu hindern . Die Fi- nanzierungsquellen des IS sind klar; hier gilt es mit aller Härte gegen ihn vorzugehen . Ohne zivile Opfer, die nur weiter neuen Terror schaffen und seinen Zulauf verstär- ken werden . Doch wie entwickelt sich dadurch das Verhältnis zu unseren engsten Verbündeten Frankreich? Ich bin der Überzeugung, dass man einem guten Freund kein gu- ter Freund ist, wenn man ihn in etwas unterstützt, was ihm nicht helfen wird . Ich bin der Überzeugung, ein gu- ter Freund ist der, der einem klar sagt, wenn man falsch liegt . und trotzdem an seiner Seite steht . Für diese Bezie- hung gilt es zu kämpfen . Und das Wichtigste: Wir Europäer müssen unsere Ver- säumnisse eingestehen, die uns gedanklich auch zu den Ursachen führen, warum Flüchtlinge infolge von Krieg und Terror ihre Heimat verlassen . Als Indikator möge der langjährige Streit über ein Einwanderungsgesetz dienen – eine frühe Forderung der SPD, leider ohne Mehrheit . Außerdem hätten wir im Libanon, in der Türkei, in Griechenland, in Italien, auf Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14205 (A) (C) (B) (D) dem Mittelmeer, früher schon in Melilla, helfen können . Rechtzeitig, mit Geld . Auch durch eine bessere Unter- stützung des UNHCR – United Nations High Commissi- oner for Refugees – und die Anhebung der ODA-Quote wenigstens auf die versprochenen 0,7 Prozent des BIP . Aber uns waren Haushaltskennzahlen wichtiger . Im Gegensatz zu diesen Überlegungen hat der Bun- despräsident schon Anfang des Jahres auf der Münch- ner Sicherheitskonferenz gefordert: „Deutschland muss international mehr Verantwortung zeigen, auch militä- risch .“ Ob Freundschaft und Solidarität mit Frankreich nicht auch anders gezeigt und verwirklicht werden kann? Wir könnten auf vielfältige Weise unsere Solidarität leben ohne den nun vorgesehenen Waffengang! Das sind die wesentlichen Gründe, warum ich im Bun- destag gegen eine Beteiligung Deutschlands am Krieg in Syrien stimme . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage im Nahen Osten . Was mit fried- lichen Protesten begann, ist längst keine regionale Aus- einandersetzung mehr . Rebellen gegen den Staat, Assad gegen Revolutionäre und der ISIS gegen alle . Der syrische Bürgerkrieg ist eskaliert . Während es im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Gift- gaseinsatz Syriens den Vereinten Nationen gelungen ist, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernich- ten, hat die aus dem Irak stammende Terrorgruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewon- nen und in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet . ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in Nachbarländer und nach Europa . Die Anschläge im tunesischen Sousse, in Beirut, in Ankara, über der Sinai-Halbinsel und in Pa- ris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dessen . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit den Resolutionen 2170 vom 15 . August 2014, 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ist . Letztendlich wird jedoch der Syrien-Konflikt nur poli- tisch lösbar sein . Hierfür setzt sich die Bundesregierung, insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier, seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft ein . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauf- tragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle zu verschaffen . Der politische Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein- ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und ein Weg für  eine  politische  Konfliktregelung  vereinbart,  jedoch  ohne ISIS, der weder Verhandlungspartner sein wird noch sein darf . Nach den Terroranschlägen vom 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande Deutschland gebeten, sich neben dem politischen Engagement zur Regelung des  Syrien-Konfliktes,  dem  militärischen  Beitrag  zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch mit militä- rischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Diese Anschläge galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen uns, unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen und der Religionen“ wird . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selbst Musli- me . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instru- mentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengung zur Integration von Muslimen muss gesteigert werden . Sogenannte „ausländische Kämpfer“ müssen daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe und Verantwortung unseres Landes, dazu alle rechtsstaatlichen Mittel dage- gen einzusetzen . Deshalb stimme ich trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement, nach intensiven Dis- kussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess dem Mandat der Bundesregierung zu . Edelgard Bulmahn (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge- setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema- tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi- sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten Ge- bieten im Irak und in Syrien ein menschenverachtendes Terrorregime errichtet hat . Tausende von Menschen wur- den seitdem von ISIS-Mitgliedern ermordet, gefoltert, verschleppt und versklavt . Nachdem sich die terroristi- schen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514206 (A) (C) (B) (D) ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolu- tion 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festge- stellt, dass „der Terrorismus in allen seinen Arten und Erscheinungsformen eine der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar- stellt“ und dass wir entschlossen sind, „diese beispiellose Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Si- cherheit mit allen Mitteln zu bekämpfen .“ Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegen- den Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Die Vereinten Nationen und ihr Sonderbeauftragter, Staffan Domingo de Mistura, müssen eine führende Rolle bei den Verhandlungen spielen . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch- geführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Kon- fliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns mit  Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen je- weils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14207 (A) (C) (B) (D) werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir darüber hinaus auch weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haus- halt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorgani- sationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit- kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Dr. Daniela De Ridder (SPD): Die Akte des Terrors vorn 13 . November in Paris sowie die Anschläge in Tu- nesien, Beirut, Ankara und auf der Sinai-Halbinsel haben gezeigt, dass der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) sei- ne Aktivitäten längst nicht mehr auf die Kerngebiete im Irak und in Syrien beschränkt . Die Vereinten Nationen haben in mehreren Resolutionen immer wieder die Be- drohung für den Weltfrieden und die internationale Si- cherheit herausgestellt, die vom IS ausgeht . Mit dem Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Unterbindung und Verhütung terroristischer Ak- tivitäten des IS trifft der Deutsche Bundestag eine Ent- scheidung, die diesem offenkundigen Strategiewechsel Rechnung trägt . Die Bundesregierung zeigt damit, dass sie sich ihrer Verantwortung in der internationalen Politik bewusst ist und solidarisch an der Seite Frankreichs, sei- ner europäischen und internationalen Partner steht . Im Rahmen des Mandats wird Deutschland die inter- nationale Allianz bei der Aufklärung und Beobachtung des militärischen Einsatzes und durch den Schutz eines französischen Flugzeugträgers unterstützen . Ein Einsatz von Bodentruppen ist von der Bundesregierung nicht vorgesehen und für mich keinesfalls die logische Konse- quenz des jetzigen Beschlusses . Mit militärischen Mitteln wird man die Bedrohungs- lage, die vom IS ausgeht, jedoch nicht auflösen können.  Es darf nicht vergessen werden, dass die Saat des IS be- reits mit dem Irakkrieg zu Beginn des Jahrtausends aus- gebracht wurde  und  so  eine Ausdehnung  des  Einfluss- gebietes des IS während des syrischen Bürgerkrieges überhaupt erst ermöglicht wurde . Das Assad-Regime hat gezielt auf eine militärische Eskalation gegen die eigene Zivilgesellschaft gesetzt und damit die Destabilisierung des gesamten Staates mutwillig provoziert . Umso mehr unterstütze ich die Anstrengungen der Bundesregierung, und hier in erster Linie unseres Au- ßenministers Dr . Frank-Walter Steinmeier, politische Lö- sungen  des Syrien Konflikts  zu  erwirken. Es  ist meine  feste Überzeugung, dass Konflikte mit derart verhärteten  Fronten nur mit diplomatischen und politischen Mitteln gelöst werden können . Die Erklärungen der Wiener Kon- ferenzen sind erste Anzeichen von erfolgreichen Ver- handlungen, insbesondere da erstmals auch die wichtigen Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien miteinbezogen werden . Es ist jedoch weiterhin zwingend erforderlich, eine gemeinsame internationale Linie zu finden, um die  Erfolgsaussichten der Diplomatie weiter zu verbessern . Eine einheitliche Position in der Europäischen Union, die alle Partnerstaaten einbezieht und niemanden aus seiner Verantwortung entlässt, ist dabei unerlässlich . Gleichwohl muss bedacht werden, dass ein politi- scher Prozess unter Beteiligung des IS nicht stattfindet,  da dieser weder ein Verhandlungspartner sein kann noch sein will . Umso mehr kommt es jetzt darauf an, dieser Terrorgruppierung ihre Grundlage zu entziehen; nicht je- doch, indem man allein die Symptome mit Luftschlägen eindämmen will und dadurch unbeabsichtigt die Argu- mentation der Radikalen stärkt . Vielmehr muss es darum gehen, jene Ursachen klar zu benennen und zu bekämp- fen, die das Erstarken des Terrors in der gesamten Regi- on überhaupt erst ermöglichten . Zum einen kann hier die Friedens- und Konfliktforschung wertvolle Befunde lie- fern . Dabei gilt es aber dringend, diese Forschungsvorha- ben nicht nur punktuell, sondern langfristig finanziell so  auszustatten, dass sie wirksame Lösungsstrategien ent- wickeln können . Hierbei ist es von zentraler Bedeutung, die Ergebnisse mit großer Ernsthaftigkeit und Sorgfalt in  die  Entscheidungsprozesse  einzubeziehen.  Konflikte  entstehen nicht über Nacht; es gibt zumeist eindeutige Anzeichen, die präventiv behandelt werden müssen: Die gezielte Exklusion ganzer Bevölkerungsschichten von Entscheidungsprozessen, die bewusste Diskrimi- nierung ethnischer Gruppen, Armut und soziale Unge- rechtigkeiten sowie die flächendeckende Bildungsarmut  sind wesentliche Gründe, die Menschen für eine radikale Weltanschauung zugänglich machen . Es bedarf daher zum anderen erheblicher Anstrengungen im Bereich der Sozialpolitik, der Wirtschafts- und Bildungspolitik sowie in der Entwicklungszusammenarbeit . Gerade die- se Politikfelder gilt es, mit Vehemenz und Engagement zur Friedenssicherung in den Fokus weiterer politischer Entscheidungen zu stellen . Als Bildungspolitikerin ist es mir besonders wichtig, dass Aufklärung, Information und Qualifikation unsere primären Maxime sein müssen. Hier  dürfen wir nicht hasenfüßig sein, sondern müssen diese Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514208 (A) (C) (B) (D) Interessen zur Stabilisierung der Region mutig und kei- neswegs leise artikulieren . Alphabetisierung, Grundbildung, Ausbildung und akademisches Wissen sind Grundpfeiler, auf denen die Kohäsion der Gesellschaft aufgebaut wird . Deutschland hat die Kompetenz und die Mittel, um die Entwicklung dieser Fähigkeiten voranzutreiben – etwa durch eine ge- zielte Außenwissenschaftspolitik . Nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gem Abwägungsprozess stimme ich dem Mandat für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Ter- rororganisation IS zu . Jedoch betone ich ausdrücklich, dass damit nicht das Einfallstor für den fortwährenden Ausbau des Einsatzes geschaffen werden darf, der letzt- lich zum Einsatz von Bodentruppen führt . Vielmehr gilt es, die Chancen der Diplomatie zu nutzen und unmittel- bar die Ursachen für die Stärke der Terrororganisation zu bekämpfen . Deutschland hat eine starke Stimme in der internationalen Gemeinschaft, die gehört wird . Mehr Frieden zu wagen, dazu bedarf es des Mutes zu diplomatischen Lösungen oder wie Willy Brandt sagte: ,,Krieg ist nicht mehr die Ultima Ratio, sondern die Ul- tima Irratio .“ Dr. Karamba Diaby (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung – und insbesondere Außenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier (SPD) – mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in der Lösung  des  Konflikts  zu  verschaffen.  Eine  erste  Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich  Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Frankreichs Präsident, François Hollande, die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen En- gagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem  militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter- stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo- ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe- tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines  französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14209 (A) (C) (B) (D) Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht ausschließlich auf den militärischen Bereich konzen- triert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung deshalb ausdrück- lich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Ter- rorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An- strengungen zur Integration insbesondere junger Musli- me müssen gesteigert werden, um die Entstehung von „Pa rallelgesellschaften“ zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 hat die Bundesregierung hierzu über 1,1 Milli- arden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 ha- ben CDU, CSU und SPD dafür Sorge getragen, dass der Ansatz für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht wird . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Sabine Dittmar (SPD): Der syrische Bürgerkrieg hat sich mittlerweile zu einem regional und international be- einflussten Krieg ausgeweitet. Insbesondere die aus dem  Irak stammende terroristische Gruppe ISIS hat seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen und in  den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet . Nachdem sich die terroristi- schen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta- ler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten Staffan Domingo de Mistura eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat  sich die Bundesregierung mit Nachdruck für die Einbe- ziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien ein- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514210 (A) (C) (B) (D) gesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die kein Verhandlungspartner sein kann . Im letzten Jahr hat die Bundesregierung ent- schieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab- wehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwie- sen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebeten, sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter- stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo- ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetan- kungsflugzeuge als auch eine Fregatte zum Schutz eines  französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Die Frage nach der Solidarität aller Europäer darf daher durchaus gestellt werden . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Deshalb unterstütze ich die Bundesregierung da rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwi- ckelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS sel- ber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flücht- linge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegen- teil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallel- gesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Nur durch einen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 hat Deutschland hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprä- vention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu Martin Dörmann (SPD): Nach intensiven Diskussio- nen und einem schwierigen Abwägungsprozess habe ich mich entschieden, dem von der Bundesregierung vorge- legten Mandat zum Einsatz bewaffneter deutscher Streit- kräfte gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zuzustimmen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14211 (A) (C) (B) (D) Erstens . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat wiederholt festgestellt, dass vom IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Die kritische und komplexe Lage in Syrien, dem Irak und in der benachbarten Region erfordert nachhaltige politische Lösungen, die internationale Absprachen und Zeit erfordern . Es wäre falsch, einseitig auf militärische Mittel zu setzen . Allerdings werden politische Lösungen dadurch erleichtert oder sogar erst ermöglicht, dass die militärische Expansion des IS aufgehalten und dieser so weit wie möglich zurückgedrängt wird . Gleichzeitig be- droht der IS durch Terroranschläge das Leben der Men- schen in Europa und darüber hinaus . Er muss auch des- halb gestoppt werden . Es ist gerechtfertigt und politisch erforderlich, dass sich Deutschland an der internationalen Allianz gegen den IS aktiv beteiligt, und zwar auch durch einen an- gemessenen militärischen Beitrag . Nicht zuletzt erfor- dert es die europäische Solidarität, das diesbezügliche Unterstützungsersuchen Frankreichs nicht abzulehnen sondern positiv aufzugreifen . Der IS würde gestärkt statt geschwächt, wenn es ihm gelänge, Deutschland und Frankreich in dieser wichtigen Frage zu entzweien . Zweitens . Neben dieser grundsätzlichen Einschätzung und über die aus meiner Sicht zutreffende Mandatsbe- gründung der Bundesregierung hinaus sind für meine Zu- stimmung auch folgende Überlegungen von Bedeutung: Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi- tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi- litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs- truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge- setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge- lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus- ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe des IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu- nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation des IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich und vordringlich eine politische  Regelung geben muss . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des poli- tischen  Prozesses  zur  Konfliktregelung  –  Konferenzen  in Wien – hat sich Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi- en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder- gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits- gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne  IS –zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Eine  Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe des IS ein, der weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentral- regierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen den IS im Irak zu unter- stützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen begin- nen, in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit mili- tärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen den IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in- tensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514212 (A) (C) (B) (D) Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Meine Zustimmung zu einem Einsatz deutscher Streit- kräfte gegen die Terrorgruppe des IS fällt mir nicht leicht . Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage- ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Opera- tionsgebiet der Terrororganisation IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen IS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei- se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy- rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un- abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS selber Muslime . Die An- schläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien . Das Assad- Regime hat mit einer gnadenlosen Kriegsführung gegen das eigene Volk Syrien ins Chaos gestürzt . Es hat damit den Boden bereitet für das Ausbreiten des Terrornetz- werkes des sogenannten „Islamischen Staates“ IS . Das Assad-Regime und der IS haben mit unvorstellbarer Bru- talität die eigene Bevölkerung zur massenhaften Flucht aus Syrien getrieben . Die Völkergemeinschaft hat dieser Entwicklung lange tatenlos zugesehen, einzelne Staaten haben aus sehr nationalen Gründen den Konflikt weiter  angeheizt, beispielsweise mit Geldzuwendungen, An- kauf von Öl aus erbeuteten Ölquellen bis hin zur krie- gerischen Unterstützung einzelner Akteure . Dem Treiben dieser Terrororganisation muss Einhalt geboten werden . Dafür braucht es jedoch ein international abgestimmtes politisches und militärisches Vorgehen . Das durch die Bundesregierung vorgelegte Mandat erfüllt diese Voraus- setzungen jedoch nicht und lässt zu viele Fragen offen . Ich werde dem von der Bundesregierung vorgeschlage- nen Mandat zur Unterstützung des französischen Einsat- zes in Syrien daher nicht zustimmen . Die Solidarität mit Frankreich ist zweifelsfrei ein wichtiges und gewichtiges Argument und der europä- ische Zusammenhalt von großer Bedeutung . Dennoch muss bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr sorg- sam und gewissenhaft entschieden werden, welches En- gagement verantwortbar und sinnvoll ist . So sehr nach den menschenverachtenden Anschlägen von Paris auch die Reaktion und Bitte der französischen Regierung ver- ständlich  ist, so  ist es auch unsere Pflicht, den militäri- schen Einsatz der Bundeswehr nicht ohne ein schlüssiges politisches Gesamtkonzept zu beschließen . Das vorlie- gende Mandat macht für mich nicht deutlich genug klar, mit wem Deutschland gegen wen und für welches poli- tische Ziel kämpft . Die Bundesregierung hat keine ein- deutige Aussage getroffen, ob sie explizit oder implizit an der Seite Assads und Russlands gegen ISIS vorgehen will . Der Abschuss eines russischen Militärjets durch die Türkei in der jüngsten Vergangenheit hat gezeigt, wie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14213 (A) (C) (B) (D) unterschiedlich die Ziele und Interessen der handeln- den Akteure in der Region sind . Die Uneinigkeit in der Allianz gegen den IS und das unkonkrete vorliegende Mandat der Bundesregierung, in dem Ziele, Zeitraum und Verantwortung nicht klar beschrieben sind, stellen für mich keine Option dar, die einen auch nur kleinen Schritt in Richtung einer Lösung des Konfliktes erkennen  lässt . Dies und die hochproblematische völkerrechtliche Grundlage dieses Einsatzes lassen mich zu dem Schluss kommen, einem Einsatz der Bundeswehr in Syrien ge- genwärtig nicht zuzustimmen . Siegmund Ehrmann (SPD): Das Mandat verlangt einen extrem schwierigen Abwägungsprozess über Handlungsoptionen, die das Ziel haben, Konflikte zu be- heben, die in einer nahezu verfahrenen Situation, die in Nahost und auf der arabischen Halbinsel Leid und Zer- störung verursachen . Zugleich strahlen Hass und Gewalt auch auf andere Regionen aus, destabilisieren zum Bei- spiel afrikanische Staaten und säen Terror und Gewalt in die europäischen Länder . Auch wenn sich die Konturen einer dauerhaften Kon- fliktlösung  nur  schemenhaft  abzeichnen,  ist  die  von  Frank-Walter Steinmeier wesentlich mitgeprägte Vor- gehensweise der Weg . Es bedarf erstens politischer Ver- handlungen zur Konfliktlösung, zweitens der regionalen  Stabilisierung und – gerade wegen des ausufernden men- schenverachtenden terroristischen Gewaltakts – drittens militärischer Mittel Ich werde dem Einsatzmandat zustimmen; es steht in folgendem Kontext: Erstens . Die Lage in Syrien ist alarmierend . Seit Be- ginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgrup- pen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militäri- sche Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstrup- pen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Gift- gaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelun- gen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten Ge- bieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von IS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu- nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Zweitens . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolution 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wieder- holt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Si- cherheit ausgeht . Für  den  zugrunde  liegenden  Syrien-Konflikt  kann  es nur eine politische Lösung geben . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nati- onen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu ver- schaffen . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräf- te zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konfe- renzen in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi- en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne  IS –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen IS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör- fern  und  Städten  geflüchteten  Menschen  beginnen,  in  ihre Heimat zurückzukehren . Drittens . Nach den Terroranschlägen am 13 . Novem- ber 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesre- gierung gebeten, neben ihrem politischen Engagement zur  Regelung  des  Syrien-Konfliktes  und  dem  militäri- schen Beitrag zur Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreich, des Iraks und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen IS zu beteiligen . Die Bundesregie- rung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen IS angeboten . Hierzu ge- hören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514214 (A) (C) (B) (D) ge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sie galten uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Auch ist jetzt des- halb die Solidarität aller Europäer gefordert . Ich stimme dem Mandat in dem Wissen zu, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militäri- sche konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisati- on IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrie- ges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ih- ren Partnern nutzen will und muss . Die Bundesregierung unterstütze ich ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen IS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syri- en muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinder- te Finanzzufluss  an  IS – oftmals durch  staatliche  Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Zudem ist es unabdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Viertens . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „ Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von IS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu ins- trumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlin- ge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere jun- ger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelge- sellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge- hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei- sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver- fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen breiten politischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von IS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Unser Land handelt nicht allein; unsere Entscheidun- gen sind eingebettet in ein abgestimmtes Vorgehen der Staatengemeinschaft . In der Hoffnung, dass die Erfolge der Diplomatie das Morden stoppen und militärische Einsätze schnell ent- behrlich machen – auch wenn ich nicht frei von Zweifeln bin –, stimme ich dem vorgelegten Mandat zu . Michaela Engelmeier (SPD): Mit großer Sorge bli- cken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedli- chen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusam- menhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge- setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema- tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14215 (A) (C) (B) (D) Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes- ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben  wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande- rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län- der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Misrura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Permes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener-Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht allein auf das Militärische konzentriert, sondern das mili- tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres ge- samten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesre- gierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Meine Fraktion unterstützt die Bundesregierung aus- drücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internatio- nalen Terrorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be- schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An- werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben- so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah- men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals  durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi- siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da- rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514216 (A) (C) (B) (D) In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Saskia Esken (SPD): Im Deutschen Bundestag habe ich heute – Freitag, 4 . Dezember 2015 – eine Entschei- dung zu treffen, die sehr schwerfällt . Unter Abwägung aller mir zur Verfügung stehenden Informationen und nach  reiflicher Überlegung werde  ich  in  dieser Gewis- sensentscheidung für den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte in Syrien stimmen . Schon mit den Anschlägen vom Beginn des Jahres in Paris war der barbarische Terror des sogenannten „Isla- mischen Staates“ (IS) in Europa angekommen . Dieser Terror wütet schon seit langem in Syrien und in Irak, in Libyen und Tunesien . Es ist ein Terror gegen alle, die in Freiheit und Frieden leben wollen, in Syrien und den Nachbarländern und eben auch in Europa . Es sind brutale Taten verblendeter, unmenschlicher und kulturverachten- der Terroristen, die eine Religion zur Rechtfertigung ih- rer Terrorakte missbrauchen . Der seit Jahren herrschende Bürgerkrieg in Syrien ist mittlerweile zu einem regional und international beein- flussten Krieg eskaliert, in dem insbesondere der IS seit  2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen  und in dem von ihm kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Dieser Terror ist eine Bedrohung für die Staatenge- meinschaft als Ganzes, und deshalb halte ich es für wich- tig, dass wir gemeinsam mit den arabischen Staaten ge- gen den Terror kämpfen . Ebenso wie die Terrorabwehr und die politische Befriedung der Region wird auch die- ser militärische Einsatz nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn der Westen sich nicht etwa alleine, sondern in einer Allianz mit der arabischen Welt gegen den IS stellt . Denn nur gemeinsam können wir dem IS entgegenhalten: ,,Ihr seid nicht der Islam . Ihr seid nicht der Staat . Und ihr re- präsentiert nicht die arabische Welt .“ Der IS macht sich die Instabilität der arabischen Welt zunutze . Hier tobt zwischen unterschiedlichen nationalen und religiösen Kräften ein Machtkampf, der aus einem Vakuum heraus entstehen konnte, das der Rückzug der Weltmächte nach dem Ende des kalten Krieges hinter- lassen hat . Rein militärisch ist dieser Terror nicht zu besiegen, und doch muss mit militärischen Mitteln dafür gesorgt werden, dass der IS sich nicht noch weitere Teile Syri- ens zu eigen macht . Denn sonst bleibt von Syrien nichts übrig, was wir befrieden und in eine neue Zukunft über- führen können . Damit die arabische Welt auf friedlichem Weg wie- der zu einer stabilen Ordnung und zu einem guten und gerechten Miteinander der Völker und der Glaubens- richtungen finden kann, braucht es eine politisch-diplo- matische Verhandlungsstrategie, wie sie Frank-Walter Steinmeier und andere mit der Wiener Konferenz bereits angelegt haben . Solche Verhandlungen können sicher nur schrittweise und nur mit langem Atem und langem Mut mehr Frieden und mehr Stabilität bewirken . Zu einem gesamtpolitischen Ansatz gehören auch die bereits 2014 von den Vereinten Nationen beschlossenen Maßnahmen gegen IS, al-Qaida und mit ihnen verbün- dete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Un- terbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der unge- hinderte Finanzzufluss an den IS muss mit allen Mitteln  unterbunden werden . Im Bürgerkrieg in Syrien haben bisher über 250 000 Menschen ihr Leben verloren, andere sind durch den Terror des IS überall auf der Welt umgekommen, Abertausende Menschen haben ihre Heimat verloren und befinden  sich auf der Flucht. Frieden und Freiheit  sind  die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben . Diese echte und einzige Lebensperspektive liegt meiner Ent- scheidung in dieser schwierigen Abstimmung zugrunde . Karin Evers-Meyer (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14217 (A) (C) (B) (D) ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter- nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – ha- ben wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Seide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, USA und Russland . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha- ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden . die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge- gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro- päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa . Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS hab ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514218 (A) (C) (B) (D) Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime, müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin- nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver- sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei- gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern auszu- bilden; systematische Landnahme, Abschlachtung gan- zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein- zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die- ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt- schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit- wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri- sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver- abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be- kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen . Fluchtursachen bekämpfen bedeutet vielfältige, aufei- nander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaf- fen, die aber auch kurzfristig helfen können, Stabilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Pers- pektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zu- rückkehren wollen . Daran arbeiten wir . Liebe Genossinnen, liebe Genossen, nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorge- legten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Kerstin Griese (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die weltweite Lage, auf die Zunahme von Terror, Ge- walt und Unfreiheit, besonders in Syrien und im Nord- irak . Die Anschläge in Paris haben mich erschüttert, ebenso die Anschläge in Ägypten, Bamako, Sarajevo, Bagdad, Beirut und auch die nahezu täglichen Attacken, wie sie in Israel und in den palästinensischen Gebieten stattfinden. Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositi- onsgruppen 2011 hat das Assad-Regime die eigene Bevöl- kerung angegriffen und auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema- tisch zivile Ziele beschossen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,  in dem die aus dem Irak stammende terroristische Grup- pe Da'isch, die sich „Islamischer Staat“ (IS oder ISIS) nennt, seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14219 (A) (C) (B) (D) gewonnen und in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Sie ermorden alle, die sich nicht ihren Vorstellungen einer gewalttätigen und fundamentalistischen Auslegung des Islam unterwerfen, seien es Christen, Jesiden, Schiiten oder andersdenkende Sunniten . Aus den historischen Ursprungsgebieten des Christentums sind inzwischen fast alle aramäischen Christinnen und Christen vertrie- ben, ermordet und immer noch viele entführt . Die Ter- roristen vertreiben dort seit Jahrtausenden angesiedelte Volksgruppen, entführen, misshandeln, missbrauchen und ermorden massenhaft Mädchen und Frauen und wü- ten mit unvorstellbarer Grausamkeit . Nachdem sich ihre terroristischen und militärischen Aktivitäten zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe Da'isch/IS und ihr nahestehende Grup- pen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer, nach Nordafrika und bis nach Europa . Die Terroranschläge mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  eine  politische  Lösung  geben  muss  und  dass  zivile Konfliktlösungen  immer Vorrang  haben . Hierfür haben sich die Bundesregierung und ins- besondere unser Außenminister Frank Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe fand auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin statt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich  der Außenminister mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem des Iran und von Saudi Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg, deshalb muss mit ihnen trotz aller un- terschiedlicher Werte gesprochen werden . Wir unterstüt- zen den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne Da'isch/IS  –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Aus den  Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen kann die Grundlage für eine Vereinbarung entwickelt werden, um einer poli- tischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein- ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für  eine  politische  Konfliktregelung  vereinbart.  Dieser  wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe Da'isch/IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bundestag im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentral- regierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen die Terroristen im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von Da'isch/IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen  beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Francois Hollande die Bundesregie- rung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur Lösung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen  Beitrag zur Zurückdrängung von Da'isch/IS im Nordirak (Waffenlieferungen und Ausbildung der kurdischen Peschmerga) auch mit militärischen Mitteln zur Unter- stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz am Kampf gegen Da'isch/IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung militäri- sche Fähigkeiten in Form von Aufklärungs- und Luft- betankungsflugzeugen sowie einer Fregatte zum Schutz  eines französischen Flugzeugträgers angeboten . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art zu leben . Sie richten sich gegen die unteilbaren Menschenrechte . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Die An- schläge in Paris sind aus meiner Sicht zwar der Auslöser, aber nicht die Ursache der Notwendigkeit eines verstärk- ten deutschen Engagements . Deutschland ist schon seit langem Teil der internationalen Allianz gegen den Terror, damit ist Deutschland auch schon lange im Visier inter- national agierender Terroristen . Trotz meiner Skepsis gegenüber militärischen Einsätzen und den unbedingt zu diskutierenden Fragen nach langfristigen Strategien habe ich mich nach intensiven Diskussionen und in einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, diesem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Für mich ist entscheidend, dass zivile Krisenlösungen immer Vorrang haben und zivile Prozesse gestärkt wer- den müssen . Gewaltfreie Lösungen, der politische Weg und die Diplomatie müssen immer Vorrang haben . Der Einsatz militärischer Gewalt kann nur die äußerste Mög- lichkeit angesichts schwerster andauernder Menschen- rechtsverletzungen sein . Ich weiß, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mi- litärische Engagement im und über dem Operationsge- biet der Terrororganisation Da'isch/IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrien-Krieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen Da'isch/lS im Besonde- ren zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514220 (A) (C) (B) (D) Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbün- dete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Un- terbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der un- gehinderte Finanzzufluss an Da'isch/IS – oftmals durch  staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hi- naus ist es unabdingbar, dass Da'isch/IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Gleichzeitig muss es gelingen, Waffenlieferun- gen an Länder dieser Region zu reduzieren . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ oder gar einem Kampf der Religionen oder der Gläubigen gegen Nicht-Gläubige entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von Da'isch/IS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dür- fen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration des Islam in unsere Gesellschaft und insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden . Ebenso müssen jun- ge Menschen – sogenannte „Ausländische Kämpfer“ – daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur mit diesem gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grund- lage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien mit über  250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven- tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Michael Groß (SPD): Mir fällt eine Entscheidung für oder gegen das Mandat sehr schwer . Grundsätzlich ersetzen Kriegseinsätze keine politischen Lösungen . Deswegen habe ich unter anderem seit der Aufnahme meines Mandats gegen militärische Einsätze in Afgha- nistan gestimmt . In der heutigen Abstimmung gilt für mich jedoch der Grundsatz, Unschuldige vor Terroristen, Kriminellen und brutalen Mördern zu schützen . In Syrien tobt ein Krieg, der sich inzwischen massiv ausgeweitet hat . Unschuldige sterben, werden vor den Augen unserer friedliebenden, demokratischen und freiheitlichen Welt hingerichtet und brutal ermordet . Millionen Menschen sind auf der Flucht vor dem Terror des IS . Frank-Walter Steinmeier ist mit hohem politischem Engagement aller Akteure mit dem „Wiener Gespräch“ auf dem richtigen Weg . Die diplomatischen Bemühun- gen zur Beendigung des Krieges laufen verstärkt . Ich unterstütze Navid Kermani, Träger des Frie- denspreises des Deutschen Buchhandels, dass ein weit entschlosseneres diplomatisches und zivilgesellschaftli- ches Handeln erforderlich ist, möglicherweise auch mili- tärische Schritte notwendig sind . Am Anfang standen friedliche Proteste, denen mit unerbittlicher Härte begegnet wurde . Gespräche wurden abgelehnt, auf Eskalation durch das Regime von Baschar al-Assad gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen ha- ben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zu- sammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgasein- satz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die che- mischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Es gilt, diejenigen zu schützen, die weder der einen noch der anderen Gruppierung angehören . Es müssen si- chere Zonen geschaffen werden . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14221 (A) (C) (B) (D) den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt, mit denen ein kritischer Dialog gesucht werden muss, um die Situation vor Ort zu stabilisieren . Ebenso muss dafür gesorgt wer- den, dass die Geldquellen für IS ausgetrocknet werden . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert, denn Soli- darität ist keine Einbahnstraße . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin davon überzeugt, dass man einen militärischen Einsatz gegen den sogenannten IS – im Folgenden verwende ich den Begriff Da'isch – durchaus auch unter Beteiligung deutscher Truppen braucht . Das vorgelegte Mandat halte ich aber für nicht zustimmungsfähig . Die Terroranschläge in Paris galten nicht allein Frank- reich, sondern richten sich gegen das liberale Europa, unsere Werte und säkulare, pluralistische Lebensweise . Frankreichs Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, sondern an die Solidarität der Europäischen Union appelliert . Wie immer man also entscheidet: Man muss reflektieren, was  diese Entscheidung für das deutsch-französische Verhält- nis bedeutet . Es ist daher alles andere als leicht, diesem Mandat nicht zuzustimmen . Wir müssen und werden Frankreich unterstützen – zum Beispiel auch durch un- seren Einsatz in Mali . Das steht für mich außer Frage . Der von der Koalition vorgelegte Mandatstext für Syrien Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514222 (A) (C) (B) (D) enthält jedoch so viele offene Fragen und Unklarheiten, dass ich darin nicht die Unterstützung sehe, auf die es jetzt ankäme . Die unbequeme Realität ist leider: Der Krieg ist in Sy- rien seit fünf Jahren blutige Wirklichkeit . Deswegen geht es zuvorderst um die Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann, um Raum für eine politische Lösung her- beizuführen . Wichtig ist darüber hinaus die Einschrän- kung der ausländischen Finanzströme und des Ölhandels von Da'isch, aber allein damit lässt sich ihr Terror nicht austrocknen . Die bedeutendste Ressource des Da'isch ist die unter seiner Kontrolle stehende Bevölkerung und seine Fähigkeit, Tausende Dschihadisten aus aller Welt anzuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken . Diese Ressourcen wird man nur einschränken können, wenn man Da'isch wieder Territorium abringt – wie es im übrigen zum Beispiel den Peschmerga-Kämpfern im Nordirak gelungen ist . Ich habe die Waffenlieferungen an  sie  unterstützt  und finde,  dass  dies  eine notwendige  Maßnahme war und ist . Russland hat seit dem 30 . September 2015 massiv zugunsten des Assad-Regimes in den Konflikt eingegrif- fen . Dabei trafen seine Angriffe bislang vorwiegend die syrischen Widerstandskämpfer und weniger Da'isch . Die Türkei geht gegen Stellungen der Kurden in Syrien vor, die wiederum verstärkt von den USA unterstützt werden . All dies macht deutlich, dass die Allianz der Willigen, die dort jetzt verstärkt eingreifen, kein gemeinsamer Wille eint, sondern sie widersprüchliche Ziele verfolgen . Auch fährt die Bundesverteidigungsministerin einen Zickzack- kurs in Bezug auf die Beteiligung der Regierungstruppen von Assad . Weder das Mandat noch die Äußerungen der Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit Russland – das Assads Armee unterstützt – erfolgen soll . Insbesondere offen ist: Wer sind die Kooperationspartner als Bodentruppen, wer wird dabei wie stabilisiert und un- terstützt? Wer schließt zum Beispiel das Vakuum am Bo- den, wenn Da'isch dort verdrängt wurde? Diese Fragen sind zu relevant und auch zu riskant, als dass ein Mandat sie offen lassen dürfte . Angesichts einer so komplexen Akteurskonstellation braucht es hier Klarheit, bevor die deutschen Truppen entsendet werden . Ob die völkerrechtliche Grundlage für das Mandat vorhanden ist, ist zwar umstritten, eventuell aber doch gegeben; deswegen stellt dies nicht die Begründung für mein Nein dar . Auch die mittelfristigen Ziele und politischen Strate- gien dieser militärischen Intervention in Syrien sind un- klar . Wie soll der Übergang zu einer Post-Assad-Ära ge- staltet werden? Wie will die westliche Allianz den Schutz von Minderheiten und die Beteiligung aller relevanten Gruppen an einem politischen Prozess zur Zukunft des Landes sicherstellen? Wie könnte eine Nachkriegsord- nung für Syrien aussehen? Leider hat die Bundesregierung ein extrem verkürztes parlamentarisches Verfahren gewählt, sodass nicht ein- mal eine angemessene, parlamentarische Beratung über diese  Fragen  stattfinden  konnte.  So  sehr  rasches  Han- deln nötig ist und so sehr auch die Solidarität mit unse- ren französischen und insgesamt europäischen Partnern selbstverständlich ist – bevor der Startpunkt für einen womöglich jahrelangen Bundeswehreinsatz gesetzt wird, müssen die Rahmenbedingungen erörtert werden . Hierzu gehört – die Akteure zu benennen, mit denen kooperiert und Informationen ausgetauscht werden und sich auch über diejenigen Akteure klarzuwerden, mit denen ein solcher Austausch nicht erfolgt – hierzu gehört für mich die klare Festlegung darauf, dass mit der Assad-Armee nicht zusammengearbeitet wird –, – eine planvolle, politische Strategie zu bedenken und darzulegen, was zum Beispiel mit erkämpften Gebieten geschieht und wie Arrangements für ei- nen Waffenstillstand vereinbart werden können . Insgesamt bleiben zu viele entscheidende Fragen offen, das Handeln besitzt keine klare Perspektive und scheint damit auch hilflos. Es braucht dagegen eine lang- fristige Strategie, in die auch durchaus militärische Ein- sätze einzubinden sind . Dieser Einsatz ist so wenig plan- voll, dass die Gefahr besteht, das Gegenteil zu bewirken von dem, was beabsichtigt ist . Daher kann ich dem Man- dat in dieser Form nicht zustimmen . Metin Hakverdi (SPD): Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Zuletzt hat der Sicherheitsrat in seiner Resoluti- on 2249 nach den Pariser Terroranschlagen festgestellt: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14223 (A) (C) (B) (D) ,,Der IS ist eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit weltweit . Der Sicherheitsrat ruft daher die Staatenge- meinschaft dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen ge- gen diese Bedrohung zu ergreifen .“ Für mich steht fest, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Auf Initiative des UN-Sondergesandten de Mistura wurden vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Kon- flikts gegründet. Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen  Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher hat der Bundestag auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre- gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus- rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge- biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen  beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS stimme ich heute dem Mandat der Bundesregierung zu . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich bin je- doch überzeugt, dass die Bundesregierung ihr Engage- ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operati- onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514224 (A) (C) (B) (D) barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu . Ulrich Hampel (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro- teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das As- sad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar che- mische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbe- stände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die in- ternationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie- genden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi- schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in  Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie- hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, USA und Russland . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en  (ohne  ISIS)  zu Kernfragen  des Konflikts  gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha- ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14225 (A) (C) (B) (D) intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge- gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro- päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin- nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver- sklavung von Frauen für die Krieger des IS Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei- gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus- zubilden, systematische Landnahme Abschlachtung gan- zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein- zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die- ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Wir setzen uns in Berlin schon seit langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt- schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit- wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri- sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver- abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be- kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, beispielsweise Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitra- gen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514226 (A) (C) (B) (D) Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf- einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft- licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta- bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir . Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be- waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Sebastian Hartmann (SPD): Deutschland steht zu seinen  Bündnisverpflichtungen,  ganz  besonders  zu  un- serem engsten und treuesten Verbündeten – Frankreich . Auf die konkrete Aufforderung und Anfrage seitens un- serer französischen Freunde und Nachbarn, die sich auf die kollektive Bündnisstruktur in Europa beruft, kann und darf die Antwort Deutschlands nur Ja sein, natürlich nur im Einklang mit unserem Verfassungsrecht . Beistand und Solidarität sind geschuldet . Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt Frank- reich, Irak und die internationale Allianz, die aus mehr als 60 Partnern besteht, in ihrem Kampf gegen Da'isch auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstvertei- digung gemäß Artikel 51 UN-Charta . Nach den Angrif- fen auf Paris am 13 . November 2015 hat sich mit Frank- reich erstmals ein EU-Mitgliedstaat auf die in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union ver- ankerte sogenannte Beistandsklausel berufen . Auf dem Treffen des Rates der EU für Außenbeziehungen im For- mat der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17 . No- vember 2015 haben dann alle Mitgliedstaaten einhellig den französischen Antrag unterstützt und ihre Solidarität und ihren Beistand zugesichert . Die Entsendung der deut- schen Streitkräfte erfolgt im Rahmen und nach den Re- geln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes – und da- mit in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslands einsätze der Bundeswehr . Mit dem neuen Mandat führt Deutschland sein sicherheitspolitisches Engagement, das 2014 mit der Unterstützung der kurdischen Regionalregierung zum Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak begann, fort . Aber es geht nicht nur um Frankreich, nicht aus- schließlich um die konkrete Reaktion auf einen grausa- men Terroranschlag in Paris . Mit einer Terrororganisa- tion wie Da'isch kann es keine Friedensgespräche oder einen Mediationsprozess geben . Im Machtbereich des Da'isch leiden seit Jahren Millionen Menschen, werden gefoltert, versklavt, missbraucht, ermordet – im Nahen und Mittleren Osten, vor allem in Syrien und im Irak . Aber der Terror überzieht auch Afrika, vom Norden über Mali bis Nigeria . Und auch Asien ist bedroht . Die Menschen, die dort leben, bedürfen unseres Schut- zes . Ein politisches Konzept ist vonnöten . Wir brauchen auch eine internationale Lösung, die Deutschland ein- bezieht – ohne Assad . Der syrische Machthaber gehört vor Gericht gestellt . Das Recht steht über der Macht . An diejenigen, die wohl auch mit guten Gründen ablehnen, richte ich die Frage: Wenn Lufteinsätze nicht die erhoffte Wirkung erzielen, ist die Antwort dann die Entsendung von Bodentruppen? Oder erneut die Bewaffnung regio- naler Gruppen? Für Prävention, das Markenzeichen deutscher Außen- politik, ist es hier zu spät . Die Situation ist so, wie sie ist, und wir müssen in ihr entscheiden . Selbstverständ- lich müssen wir auch die Finanzquellen austrocknen und den politischen Prozess weiterverfolgen . Aber Da'isch müssen wir nicht irgendwann, sondern jetzt stoppen . Das geht nicht ohne Waffen, und wir dürfen es nicht anderen überlassen . Eine seit Jahren versprochene, aber uneinge- löste Perspektive in naher oder ferner Zukunft hilft den konkret Betroffenen wenig . Zumal ich auch einen Allein- gang von Präsident Putin unter Ausschluss westlicher Partner nicht für eine erstrebenswerte Lösung halte . Ich möchte nach der strittigen Entscheidung zur Bewaffnung regionaler Gruppen im Irak, wenn auch zur Selbstver- teidigung, nicht erneut die Verantwortung durch solche Entscheidungen und Delegation ablegen . Jetzt sind wir direkt gefordert . Wir wollen uns daran beteiligen, dass eine breite in- ternationale Mission den Terror in der Region beendet, auf der Grundlage des Völkerrechts und im Einklang mit der Wahrnehmung der Selbstverteidigungsrechte unserer französischen Freunde, denen wir beistehen . Dem ver- einzelt geäußerten Hinweis, wir riskierten dadurch eine erhöhte Terrorgefahr durch Racheakte, ist zu entgegnen: Unsere Lebensweise und unsere Gesellschaft stehen oh- nehin im Fokus der religionsmissbrauchenden Terroris- ten und Mörder des Da'isch . Doch Freiheit und Recht stehen immer vor Macht und Gewalt . Ich stimme der Entscheidung heute deshalb trotz aller offenen Fragen zu . Wolfgang Hellmich (SPD): Mit großer Sorge bli- cken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedli- chen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusam- menhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge- setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema- tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi- sche Gruppe Da'isch seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von Da'isch zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14227 (A) (C) (B) (D) Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe Da'isch und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti- on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation Da'isch eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich  bin  überzeugt,  dass  es  für  den  Syrien-Konflikt  letztlich eine politische Regelung geben muss . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außen- minister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein- gesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des poli- tischen  Prozesses  zur  Konfliktregelung  –  Konferenzen  in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbe- ziehung unter anderem des Iran und von Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg und bringen eigene Interessen konfliktverschärfend ein. Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien –  ohne Da'isch  –  zu Kernfragen  des Konflikts  gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, mit der wir  einer  politischen  Konfliktregelung  näherkommen  können . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe Da'isch ein, die weder Verhandlungspart- ner sein will noch sein kann, mit dieser Terrororganisa- tion lässt sich nicht verhandeln . Daher haben wir auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre- gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus- rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen Da'isch im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als richtig erwiesen . Mehrere von Da'isch besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von Da'isch im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf ge- gen Da'isch zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen Da'isch angeboten . Hierzu gehören so- wohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie  eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug- trägers und Satellitenkapazitäten und Unterstützung in der Stabsarbeit . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . So haben wir Frankreich für den Fall eines Großschadenereignis- ses sanitätsdienstliche Hilfe zugesagt . Nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess haben wir uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zur Anwendung auch mi- litärischer Mittel gegen die Terrorgruppe Da'isch zuzu- stimmen . Wir wissen, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mili- tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation Da'isch ein Teil ihres gesamten Engagements in der Region ist . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Sy- rienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen Da'isch im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen Da'isch, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei- se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy- rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss  an  ISIS  –  oftmals  durch  staatliche  Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unab- dingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Da'isch hat Europa den Krieg erklärt . Nach wie vor sind aber die meisten Opfer von Da'isch selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514228 (A) (C) (B) (D) Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe- sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin- dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp- fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu- gehen . Mit diesem umfassenden Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von Da'isch einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hi- naus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundla- ge wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien mit über  300 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Dr. Eva Högl (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die weltweite Lage, auf die Zunahme von Terror, Gewalt und Unfreiheit, besonders in Syrien und im Nordirak . Die Anschläge in Paris haben mich erschüttert, ebenso die Anschläge in Ägypten, Bamako, Sarajevo, Bagdad, Beirut und auch die nahezu täglichen Attacken, wie sie in Israel und in den palästinensischen Gebieten stattfinden.  Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppo- sitionsgruppen 2011 hat das Assad-Regime die eigene Bevölkerung angegriffen und auf eine militärische Es- kalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele beschossen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusam- menhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemi- schen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernich- ten . Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,  in dem die aus dem Irak stammende terroristische Grup- pe Da'isch, die sich ,,Islamischer Staat“ (IS oder ISIS) nennt, seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewonnen und in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Sie ermorden alle, die sich nicht ihren Vorstellungen einer gewalttätigen und fundamentalistischen Auslegung des Islam unterwerfen, seien es Christen, Jesiden, Schiiten oder andersdenkende Sunniten . Aus den historischen Ursprungsgebieten des Christentums sind inzwischen fast alle aramäischen Christinnen und Christen vertrie- ben, ermordet und immer noch viele entführt . Die Ter- roristen vertreiben dort seit Jahrtausenden angesiedelte Volksgruppen, entführen, misshandeln, missbrauchen und ermorden massenhaft Mädchen und Frauen und wü- ten mit unvorstellbarer Grausamkeit . Nachdem sich ihre terroristischen und militärischen Aktivitäten zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe Da'isch/IS und ihr nahestehende Grup- pen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer, nach Nordafrika und bis nach Europa . Die Terroranschläge mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  eine  politische  Lösung  geben  muss  und  dass  zivile Konfliktlösungen  immer Vorrang  haben . Hierfür haben sich die Bundesregierung und ins- besondere unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe fand auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin statt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich  der Außenminister mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem des Iran und von Saudi-Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg, deshalb muss mit ihnen trotz aller un- terschiedlicher Werte gesprochen werden . Wir unterstüt- zen den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien  –  ohne Da'isch/IS  –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Aus den  Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen kann die Grundlage für eine Vereinbarung entwickelt werden, um einer poli- tischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg  für  eine  politische  Konfliktregelung  vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Ter- rorgruppe Da'isch/IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bun- destag im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regio- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14229 (A) (C) (B) (D) nalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der iraki- schen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen die Terroristen im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von Da'isch/ IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurücker- obert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüch- teten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurückzukeh- ren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident François Hollande die Bundesregie- rung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur Lösung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen  Beitrag zur Zurückdrängung von Da'isch/IS im Nordirak (Waffenlieferungen und Ausbildung der kurdischen Peschmerga) auch mit militärischen Mitteln zur Unter- stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz am Kampf gegen Da'isch/IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung militäri- sche Fähigkeiten in Form von Aufklärungs- und Luft- betankungsflugzeugen sowie einer Fregatte zum Schutz  eines französischen Flugzeugträgers angeboten . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Sie richten sich gegen die unteilbaren Menschenrechte . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Die An- schläge in Paris sind aus meiner Sicht zwar der Auslöser, aber nicht die Ursache der Notwendigkeit eines verstärk- ten deutschen Engagements . Deutschland ist schon seit langem Teil der internationalen Allianz gegen den Terror, damit ist Deutschland auch schon lange im Visier inter- national agierender Terroristen . Trotz meiner Skepsis gegenüber militärischen Einsät- zen und den unbedingt zu diskutierenden Fragen nach langfristigen Strategien habe ich mich nach intensiven Diskussionen und in einem schwierigen Abwägungspro- zess entschieden, diesem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Für mich ist entscheidend, dass zivile Krisenlösungen immer Vorrang haben und zivile Prozesse gestärkt wer- den müssen . Gewaltfreie Lösungen, der politische Weg und die Diplomatie müssen immer Vorrang haben . Der Einsatz militärischer Gewalt kann nur die äußerste Mög- lichkeit angesichts schwerster andauernder Menschen- rechtsverletzungen sein . Ich weiß, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mi- litärische Engagement im und über dem Operationsge- biet der Terrororganisation Da'isch/IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen Da'isch/IS im Besonde- ren zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Si- cherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terror- gruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syri- en muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss  an  Da'isch/IS  –  oftmals  durch  staatliche  Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass Da'isch/IS-Kämpfern der unkontrol- lierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Gleichzeitig muss es gelingen, Waffenlieferungen an Länder dieser Region zu reduzieren . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ oder gar einem Kampf der Religionen oder der Gläubigen gegen Nicht-Gläubige entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von Da'isch/IS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dür- fen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration des Islam in unsere Gesellschaft und insbesondere jun- ger Muslime müssen gesteigert werden . Ebenso müssen junge Menschen (sogenannte „ausländische Kämpfer“) daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur mit diesem gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grund- lage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien mit über  250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514230 (A) (C) (B) (D) te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Angela Kermer (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro- teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das As- sad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar che- mische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbe- stände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter- nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie- genden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi- schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in  Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie- hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, USA und Russland . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha- ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14231 (A) (C) (B) (D) gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro- päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa . Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin- nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver- sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei- gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus- zubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung gan- zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein- zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die- ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven- tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämp- fung von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit Langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengun- gen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirtschaftliche  Verflechtung  an  dieser  großen Aufgabe  mitwirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnis- se weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri- sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver- abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be- kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen . Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf- einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft- licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta- bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514232 (A) (C) (B) (D) Liebe Genossinnen, liebe Genossen, nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorge- legten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation ,,Islamischer Staat“ zu . Daniela Kolbe (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen Im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat  sich Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in die- sem Krieg . Deutschland unterstützt den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpar- teien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegrün- det wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bun- destag auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS be- setzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten  Menschen beginnen in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über den Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14233 (A) (C) (B) (D) verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 hat die Koalition den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen- prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürfti- gen in der Region in Abstimmung mit unseren internati- onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich sage Nein zum Ein- satz der Bundeswehr in Syrien . Es bewegt mich sehr, und ich bin entsetzt, dass Deutschland demnächst Kriegspartei in Syrien sein wird . Ich finde, dass Solidarität mit den Opfern von Terror und  Gewalt anders aussehen muss . Krieg war und ist auch heute die falsche Antwort auf den Terror . Es gibt viele Gründe für dieses Nein zum Krieg: Der wichtigste ist, dass Unschuldige dabei getötet werden . Bei den Bombardierungen, die künftig mithilfe deutscher Militärs stattfinden sollen, sterben heute schon  Männer, Frauen und Kinder, die das Unglück haben, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein . Man kann nicht Blut mit Blut wegwaschen . Das Zweite ist, dass genau damit den terroristischen Gruppen wie dem IS neue Kämpfer zugetrieben wer- den, weil sie den Hass gegen „den Westen“ schüren . Der 14-jährige „Krieg gegen den Terror“, der im Irak und in Afghanistan geführt wurde, hat den Terrorismus nicht vermindert – im Gegenteil . Weil das viele Geld anders eingesetzt den Menschen nützen könnte, wieder stabile Strukturen aufzubauen; alleine Deutschland, als relativ kleiner Partner, hat fast 9 Milliarden Euro für den militärischen Einsatz in Afgha- nistan ausgegeben – wie viele Schulen, landwirtschaftli- che Genossenschaften oder Krankenstationen hätte man in diesem bitterarmen Land für diese Summe aufbauen können? Und dieser Kriegseinsatz schwächt das Völkerrecht . Die EU-Beistandsklausel wird genutzt und die NATO eingesetzt, ohne UN-Mandat und ohne dass die UN-Re- solutionen zuvor umgesetzt wurden . Nichts tun ist nicht die Alternative . Im Gegenteil – es wird schon zu lange zu wenig getan, um das Morden dort in Syrien und im Irak zu stoppen . Unverzüglich müssen die UN-Resolutionen umgesetzt werden, um die Nachschubströme für den IS zu unterbre- chen . Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar aus dem Handel mit Öl, Kunstgegenständen, Frauen – mit denen der IS seine Gefolgsleute und Schergen bezahlt . Handelspartner sitzen in der Türkei und in Saudi-Arabi- en . Die EU und Deutschland müssen entschlossen dafür eintreten, dass diese Geschäfte beendet werden . Über die Grenze zur Türkei kommt auch der Zustrom von Kämp- fern – die Türkei muss endlich ihre offene und verdeckte Unterstützung des IS stoppen und die Grenze an dieser Stelle dichtmachen . Deutschland müsste die Zonen der „Demokratischen Autonomie“ – Stichwort: Rojava – und die kurdische Selbstverwaltung in Syrien unterstützen . In dieser Re- gion ist so viel demokratische Selbstbestimmung, Ge- schlechtergerechtigkeit und multiethnisches Zusam- menleben entwickelt worden, dass sie als Modell dienen kann . Und: Von den Kurdinnen und Kurden kommt der bisher einzig wirksame Widerstand gegen den IS . Schließlich: keine Waffenlieferungen mehr in den Na- hen und Mittleren Osten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514234 (A) (C) (B) (D) Wir müssen die eigene Verstrickung erkennen und die sozialen Verhältnisse nicht ausblenden Dazu zitiere ich aus dem Kommentar von Johannes Angermüller, Kurato- riumssprecher des Instituts Solidarische Moderne aus Pa- ris: „… Doch der islamistische Terror ist kein kulturelles oder religiöses Problem, das gleichsam von außen in den Westen hineinschwappt, gehen die seit 9/11 in westlichen Metropolen begangenen Terrorakte doch ganz überwie- gend auf das Konto von Leuten, die in den westlichen Metropolen geboren und aufgewachsen sind und mit der westlichen  Kultur  mehr  als  nur  oberflächlich  vertraut  sind: Der Terror gegen den Westen ist eine Frucht, die im Westen selbst gewachsen ist . Gerade die Anschläge in Paris erinnern an die sozi- ale Situation, in der Jugendliche und junge Erwachse- ne ideologisch motivierte Gewalt ausüben: Sozial hoch stigmatisierte Immigranten-Kinder der x-ten Generation aus den nordöstlichen Pariser Vororten (wie etwa Drancy, Saint Denis) brauen sich eine apokalyptische Ideologie zusammen und bekommen in Syrien oder Afghanistan eine militärische Ausbildung, um unvorstellbare Verbre- chen dort und dann im Westen zu begehen . . . Nicht zu- letzt werden mit solchen Aktionen gesellschaftliche Vi- sionen kommuniziert: ein reaktionärer und patriarchaler Gottesstaat gegen die urban-linksliberale Postmoderne . Die Kreise, in denen dieser Konflikt ausgetragen wird,  beschränken sich nicht auf New York und London, Ma- drid und Paris . Diese sozialen und politischen Kämpfe haben sich mit religiösen und kulturellen Kodes zu ei- nem globalisierten Guerillakrieg verquickt, der in den 1990er-Jahren mit internationalen Terrortouristen in Al- gerien  und Russland  anfing  und  inzwischen  von  allem  in Syrien Tausende aus den Vororten der westlichen Me- tropolen und aus reichen arabischen Ländern wie Sau- di-Arabien angezogen hat . In jedem Fall gilt: Will man den globalisierten Terro- rismus dauerhaft bekämpfen, darf man die sozialen Ver- hältnisse nicht ausblenden, aus denen sich dieser immer wieder speist . Zäune, Bomben und Ausgrenzung sind nicht die Lösung, sondern eine seiner Ursachen . Unsere Antwort muss in einer Politik der internationalen Solida- rität, der Offenheit und der Toleranz liegen .“ Steffen-Claudio Lemme (SPD): In der Kürze der Zeit, die uns Abgeordneten für unsere Entscheidung zur Verfügung stand, sehe ich mich außerstande, dem Mili- täreinsatz der Bundeswehr zuzustimmen . Immerhin han- delt es sich um einen der auch personell umfangreichsten Einsätze, über die ich bisher jemals zu entscheiden hatte . Auch ich bin davon überzeugt, dass Deutschland in der Verantwortung steht, für eine Beendigung des IS-Ter- rors einzutreten . Jedoch fehlt es gegenwärtig an einem UN-Mandat für den Einsatz . Es ist für mich nicht erkennbar, auf welche Art und Weise die Terroristen gezielt bekämpft werden sollen, ohne die Zivilbevölkerung und letztendlich auch unsere eigenen Soldaten in große Gefahr zu bringen . Die Vergangenheit, insbesondere auch die Erfahrung im Einsatz in Afghanistan, hat gezeigt, dass militärische Interventionen eher zu einer Eskalation der Gewalt und zur Radikalisierung von Bevölkerungsgruppen beitragen statt die Probleme zu lösen . Die Irritationen in den letzten Tagen über den politischen Umgang mit dem syrischen Staatschef Assad haben zu meiner Entscheidung beige- tragen . So groß mein Vertrauen in Außenminister Steinmeier auch ist: bei dieser Entscheidung bin ich alle in meinem Gewissen unterworfen . Militärische Kampfeinsätze sind immer mit Opfern unter Zivilisten und ungewissem Aus- gang verbunden . Sie können nur letztes Mittel sein, wenn alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind . Die- sen Zeitpunkt sehe ich, gerade im Zusammenhang mit dem Wiener Prozess, lange nicht gekommen . Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Ich bin nicht kate- gorisch gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien . Manchmal sind militärische Mittel notwendig, um eine Perspektive für Veränderungen zu schaffen . Es liegt jedoch diesem Einsatz aus meiner Sicht kein hinreichendes Ziel zugrunde . Das bloße Zurückdrängen des sogenannten IS kann im Sinne einer Gesamtkonzep- tion nur ein Lösungsansatz sein . Der sehr begrüßenswerte Wiener Prozess sollte aus meiner Sicht genau dazu dienen, um dann die mitunter militärischen Maßnahmen zu ermitteln, die für eine mög- lichst gemeinsame Bekämpfung des sogenannten IS not- wendig sind . Des Weiteren ist nicht klar, wie mit der syrischen Ar- mee verfahren wird . Ein solcher Schritt erfordert meiner Ansicht nach auch jetzt schon eine Abschätzung, welche weiteren Schritte sich dadurch unter Umständen ergeben . Eine entspre- chende Abschätzung sollte deshalb auch schon zum jet- zigen Zeitpunkt erfolgen . Ich sehe natürlich die internationalen Bündnisver- pflichtungen; dies sollte uns aber nicht davon abhalten,  zunächst die offenen Fragen zu klären . Andrea Lindholz (CDU/CSU): Meine Entscheidung für den Bundeswehreinsatz zur Bekämpfung des IS habe ich nicht leichtfertig getroffen und möchte sie daher be- gründen . Deutschland setzt sich wie kaum ein anderes Land für Syrien, für die syrischen Flüchtlinge und für den politi- schen Friedensprozess in der Region ein . Um die Glaub- würdigkeit der Bundesregierung und ihr umfassendes Engagement zu unterstützen, trage ich das Mandat für eine aktive Bekämpfung der IS-Terrororganisation mit . Der Vormarsch des IS muss gestoppt, und den Terroristen müssen die Rückzugsräume genommen werden . Das Ziel des Einsatzes ist die Stabilisierung Syriens . Die Erfolge der von der Bundeswehr unterstützten Pesch- merga-Kämpfer zeigen, dass es Perspektiven gibt . Der Militäreinsatz muss aber Teil einer Gesamtstrategie wer- den . Ein humanitärer und wirtschaftlicher Prozess, um den 12 Millionen syrischen Flüchtlingen eine Lebensper- spektive in der Region zu geben und den Wiederaufbau Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14235 (A) (C) (B) (D) zu unterstützen, ist unverzichtbar . Vor allem braucht es einen politischen Friedensprozess, damit der IS nicht länger  vom  Bürgerkrieg  profitieren  kann.  Die  Wiener  Friedensverhandlungen sind fragil, aber ein wichtiger Fortschritt . Trotz der Unsicherheit müssen wir jetzt ent- schlossen handeln . Wenn der IS nicht gestoppt wird, gibt es in Syrien nichts mehr zu stabilisieren . Ein Übergreifen des IS auf den Libanon oder Jordanien wäre fatal . Deutschlands Solidarität darf keine leere Floskel sein . Der Terror von Paris richtete sich nicht nur gegen Frank- reich, sondern gegen ganz Europa . Das zeigt der Versuch, das deutsch-französische Freundschaftsspiel in ein Blut- bad zu verwandeln . Frankreich und Deutschland bilden den Motor der EU, die mit der Flüchtlingskrise, dem Ter- ror und der Wirtschaftskrise im Euro-Raum vor gewalti- gen Herausforderungen steht . Die deutsch-französische Freundschaft bleibt für Europa unverzichtbar . Wir sind längst im Fadenkreuz der Islamisten . Deutschland muss auch aus nationalem Interesse handeln . Bundeswehrsoldaten stellen sich bereits in Afghanistan, in Mali und im Irak den Islamisten in den Weg . Dieser Einsatz ist ein weiterer Beitrag Deutschlands im globalen Kampf gegen den Terror . Als führende Wirtschaftsmacht dürfen wir diese gefährliche Aufgabe nicht nur anderen überlassen . Rechtlich abgesichert ist der Einsatz durch drei UN-Resolutionen und Artikel 51 der UN-Charta in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag . Natür- lich müssen wir der steinzeitlichen Ideologie der Islamis- ten auch bei uns in Europa den Nährboden entziehen . Ich wünsche allen Bundeswehrsoldaten, die ihre kör- perliche und seelische Gesundheit für unsere Sicherheit riskieren, eine unversehrte Rückkehr . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme gegen den Antrag der Bundesregierung . Dies ist eine Gewissensentscheidung . In Syrien und im Irak sind in den vergangenen vier Jahren Hunderttausende unschuldige Menschen den Fol- gen eines schrecklichen Krieges und dem Handeln der Terrororganisation Da'isch, die sich selbst als „Islami- scher Staat“ bezeichnet, zum Opfer gefallen . Wir stehen in der Verantwortung, dieses Morden zu beenden . Dazu braucht es sowohl einen zivilen, politischen Ansatz als auch in letzter Konsequenz militärische Mittel gegen Da'isch . Meine Überzeugung, dass zu befürchten ist, Da'isch nicht vollkommen ohne militärische Mittel bekämpfen zu können, kann jedoch nicht heißen, dass jedwede mi- litärische Aktion auch sinnvoll ist . Die Bundesregierung beabsichtigt mit dem vorgelegten Mandat, den derzeit größten Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in die Wege zu leiten, und geht nach eigener Einschätzung selbst davon aus, dass dieser Einsatz möglicherweise über Jahre andauern kann . Vom Verfahren her ist es in dieser Situation vollkommen unangebracht, das vorge- legte Mandat binnen vier Tagen parlamentarisch zu einer abschließenden Beschlussfassung zu bringen, zumal es weder politische noch materielle Gründe für diesen Zeit- druck gibt . Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Bitte Frank- reichs um unsere Unterstützung . Es steht außer Frage, dass wir unseren europäischen Partnern gegenüber soli- darisch sein wollen und werden . Dies heißt jedoch kei- neswegs, dass wir uns überhastet in einen Auslandsein- satz begeben müssen . Die materiell tragenden Gründe für mein Abstim- mungsverhalten sind vor allem zwei Schwächen, die das Vorgehen der Bundesregierung aufweist: Ein militärisches Vorgehen gegen Da'isch wird nur dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn es von einer breiten internationalen Koalition gegen den Ter- rorismus getragen ist . Die Russische Föderation und die Republik Türkei müssen gemeinsam mit dem Rest der Koalition Da'isch bekämpfen und nicht eigene kontra- produktive Ziele verfolgen . Hierzu bedarf es eines ge- meinsam abgestimmten Vorgehens unter dem Dach der Vereinten Nationen . Dies ist mit dem vorgelegten Man- dat nicht der Fall . Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass das Vor- gehen gegen Da'isch in letzter Konsequenz wohl nicht ohne Militär erfolgreich sein wird, so kann der Konflikt  in Syrien und im Irak am Ende nur politisch gelöst wer- den . Die Frage bleibt unbeantwortet, wie die übrigen Konfliktparteien  der Region  zu  einem  friedlichen Aus- gleich  finden  sollen.  Es  braucht  zumindest  Grundzüge  eines Lösungsansatzes, wenn der Einsatz von Militär gegen Da'isch wirklich zu einer Befriedung der Region beitragen soll . Burkhard Lischka (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errich- tet hat . Nachdem sich die terroristische und militärische Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514236 (A) (C) (B) (D) Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung – und insbesondere Außenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier (SPD) – mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in der Lösung  des  Konflikts  zu  verschaffen.  Eine  erste  Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich  Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Frankreichs Präsident, François Hollande, die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen En- gagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem  militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter- stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo- ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe- tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines  französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht ausschließlich auf den militärischen Bereich konzen- triert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung deshalb ausdrück- lich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Ter- rorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An- strengungen zur Integration insbesondere junger Musli- me müssen gesteigert werden, um die Entstehung von „Pa rallelgesellschaften“ zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorzugehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14237 (A) (C) (B) (D) Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 hat die Bundesregierung hierzu über 1,1 Milli- arden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 ha- ben CDU, CSU und SPD dafür Sorge getragen, dass der Ansatz für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht wird . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Hiltrud Lotze (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro- teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011, hat das Assad-Regimes auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von .deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Meine Fraktion und ich sind überzeugt, dass es für den  zugrunde  liegenden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine politische Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nati- onen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu ver- schaffen . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräf- te zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konfe- renzen in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi- en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör- fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre  Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514238 (A) (C) (B) (D) unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir uns nach intensiven Diskussionen und einem schwie- rigen Abwägungsprozess entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns und mir nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage- ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operati- onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Meine Fraktion unterstützt die Bundesregierung aus- drücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internatio- nalen Terrorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be- schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An- werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben- so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah- men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals  durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi- siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da- rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen und wollen wir weiter- hin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen- prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürfti- gen in der Region in Abstimmung mit unseren internati- onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Aydan Özoğuz (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit eine geographische Ausweitung vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelperso- nen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroran- schläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Anka- ra, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hun- derten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses extremistischen Machtkampfes . Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass unterschiedliche Kon- fliktparteien involviert sind. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14239 (A) (C) (B) (D) lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir uns nach intensiven Diskussionen und einem schwie- rigen Abwägungsprozess entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS-Terror uns spal- tet und Religionsgemeinschaften unter terroristischen Generalverdacht stellt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzu- lande gegen Flüchtlinge zu hetzen oder Muslime auszu- grenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Inte- gration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen wie in Frankreich zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514240 (A) (C) (B) (D) nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit- kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation ,,Islamischer Staat“ zu . Dieses Mandat gilt längstens bis zum 31 . Dezember 2016 . Markus Paschke (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in andere arabi- sche Länder, Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi- schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in  Wien – hat sich die SPD mit Nachdruck für die Einbezie- hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen  Konfliktregelung  näherzukommen. Mit  den  Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Vereinten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine po- litische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige po- litische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher wurde im vergangenen Jahr entschieden, die kur- dische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung, mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten  Menschen beginnen in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident François Hollande die Bundesregie- rung gebeten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung  des  Syrien-Konfliktes  und  dem militärischen  Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak, sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frank- reichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fä- higkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu ge- hören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeu- ge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich – sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Mir ist bewusst, dass die Bundesregierung ihr Engage- ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operati- onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14241 (A) (C) (B) (D) Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Ich möchte nicht, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von IS selber Mus- lime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instru- mentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Die Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Mus- lime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaf- ten und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- oder auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch die- sen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von IS einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wir- kungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich  sein,  endlich  einen Weg zu finden,  den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über 250 000 To- ten zu beenden und eine politische Regelung zu ermög- lichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa muss Deutschland auch weiter- hin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 wurden bereits mehr als 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der Ansatz für die humanitäre Hilfe und für die zivile Krisen- prävention um mehr als 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und die Hilfs- bedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu ver- stärken . Ich bin zutiefst überzeugt, dass Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln zu besiegen ist . Andererseits bin ich aber auch davon überzeugt, dass wir die Ausbreitung des IS im Irak, in Syrien und in anderen Ländern verhindern müssen . Für mich ist die Ausgangssituation eine andere wie in Afghanistan. Der IS hat nicht nur Zuflucht unter  dem Regime eines Staates gefunden, sondern mit barba- rischen Mitteln weite Teile von Syrien und Irak besetzt . Auch in der deutschen Geschichte hat ein Terrorregime das ganze Land besetzt . Damals haben sich viele Län- der auch mit militärischen Mitteln an unserer Befreiung beteiligt . Die Entscheidung für oder gegen das Mandat emp- finde ich als äußerst schwer und problematisch. Ich sehe  zurzeit nur zwei Möglichkeiten: erstens unsere Freunde und Verbündeten auch mit mi- litärischen Mitteln zu unterstützen, um die Ausweitung von IS zu verhindern, zweitens die Menschen in Syrien und dem Irak sowie in weiteren Ländern dem barbarischen Terror von IS zu überlassen . Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut . In Abwägung aller von mir beschriebenen Umstände werde ich dem Mandat zustimmen . Ich erwarte jedoch von der Bundesregierung und allen beteiligten Regierun- gen, dass sie mit noch stärkerem Nachdruck die finanzi- elle Basis des IS austrocknet sowie die humanitäre Hilfe für die Menschen vor Ort verstärkt und alle diplomati- schen Möglichkeiten ausschöpft, damit die Menschen im Nahen Osten, in Asien und Afrika friedlich zusammen- leben können . Wirtschaftliche Interessen dürfen hierbei keine Rolle spielen . Sabine Poschmann (SPD): Der syrische Bürger- krieg eskalierte zu einem regional und international be- einflussten Krieg, in dem insbesondere die aus dem Irak  stammende terroristische Gruppe IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und in den von ihr  kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terror- regime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten vom IS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat  sich die SPD mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514242 (A) (C) (B) (D) Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder- gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits- gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne  den IS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden.  Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahostexperten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen  der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . No- vember 2015 wurde den Vereinten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Kon- fliktregelung vereinbart.  Daher wurde im vergangenen Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstim- mung mit der irakischen Zentralregierung mit militä- rischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehr- kampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwie- sen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten  geflüchteten  Menschen  beginnen  zum  Teil,  in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit mili- tärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen den IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in- tensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Mir ist jedoch bewusst, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, son- dern das militärische Engagement im und über dem Ope- rationsgebiet der Terrororganisation IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen den IS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei- se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy- rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un- abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer vom IS selber Muslime . Die An- schläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Die Anstrengun- gen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghet- tobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa muss Deutschland weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen- prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit den internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Ich bin zutiefst überzeugt, dass Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln zu besiegen ist . Andererseits bin ich aber auch davon überzeugt, dass wir die Ausbreitung des IS im Irak, in Syrien und in anderen Ländern verhindern müssen . Für mich ist die Ausgangssituation eine andere wie in Afghanistan. Der IS hat nicht nur Zuflucht unter  dem Regime eines Staates gefunden, sondern mit barba- rischen Mitteln weite Teile von Syrien und Irak besetzt . Auch in der deutschen Geschichte hat ein Terrorregime das ganze Land besetzt . Damals haben sich viele Län- der auch mit militärischen Mitteln an unserer Befreiung beteiligt . Die Entscheidung für oder gegen das Mandat emp- finde ich als äußerst schwer und problematisch. Ich sehe  zurzeit nur zwei Möglichkeiten: erstens unsere Freun- de und Verbündeten auch mit militärischen Mitteln zu unterstützen, um die Ausweitung des IS zu verhindern, zweitens die Menschen in Syrien und dem Irak sowie in weiteren Ländern dem barbarischen Terror des IS zu überlassen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14243 (A) (C) (B) (D) Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut . In Abwägung aller von mir beschriebenen Umstände werde ich dem Mandat zustimmen . Ich erwarte jedoch von der Bundesregierung und allen beteiligten Regierun- gen, dass sie mit noch stärkerem Nachdruck die finanzi- elle Basis des IS austrocknen sowie die humanitäre Hilfe für die Menschen vor Ort verstärken und alle diplomati- schen Möglichkeiten ausschöpfen, damit die Menschen im Nahen Osten, in Asien und Afrika friedlich zusam- menleben können . Wirtschaftliche Interessen dürfen hierbei keine Rolle spielen . Dr. Simone Raatz (SPD): Für mich ist es eine sehr schwere Entscheidung, ob wir auf die Terroranschläge des IS auch mit Waffengewalt reagieren sollen . Ja, der Terror ist eine klare Kampfansage an unsere demokrati- schen Grundwerte und unsere Gesellschaftsordnung . Es geht um die Solidarität mit den Menschen in Frankreich und das Zusammenstehen Europas . Es geht um einen Beitrag Deutschlands, in einer Koalition von 64 Staaten im Einklang mit dem Recht der Vereinten Nationen, und es geht um ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und Ter- ror . Doch dafür braucht es dringend eine Gesamtstrate- gie . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztendlich nur  eine politische Lösung  geben kann . Insbesondere der Prozess in Wien muss dazu führen, dass es eine politische Einigung über die Zukunft Syriens gibt . Unsere bisherige „Scheckbuchdiplomatie“ gerät hier endgültig an ihre Grenzen . Jedes Handeln muss dazu führen, Europa und unsere Bevölkerung zu schützen und gleichzeitig den Menschen in Syrien die Perspekti- ve eines friedlichen Lebens zu schaffen . Zu lang haben wir hier bereits zugesehen und zu wenig die USA in die Pflicht genommen. Klar ist, alleine mit Diplomatie werden wir die Terro- risten des IS nicht in die Schranken weisen können . Aber auch eine militärische Lösung wird die Terrororganisati- on IS so schnell nicht bezwingen . Hier gehört sehr viel mehr dazu . Daher werde ich mich der Stimme enthalten . Mechthild Rawert (SPD): Nach Abwägung nachfol- gender Umstände stimme ich nach bestem Wissen und Gewissen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit beim vorgelegten Mandat mit Enthaltung: Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien und auf die ganze Region . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) sprach im Zusammenhang mit dem zur Abstimmung stehenden Mandat nun aber von einem möglichen „politischem Zweckbündnis auf Zeit“ mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad – eine politische Vorstellung, der ich meine Stimme nicht geben will . Einschätzung der rechtlichen Grundlage: In mitt- lerweile drei Resolutionen – die Resolution 2170 vom 15 . August 2014, die unter Kapitel VII der UN-Charta Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen ver- bündete Terrorgruppen beschlossen hat, die Resolution 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie die Resolution 2249 vom 20 . November 2015 – hat der Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen festgestellt, dass von dieser Terrororga- nisation weltweit eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ausgeht . Nach den barbari- schen Terroranschlägen in Paris hat sich Frankreich als erster Mitgliedstaat der EU auf die Beistandsklausel in Artikel 42 Absatz 7 des Lissabon-Vertrages berufen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen Da'isch ange- boten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe- tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines  französischen Flugzeugträgers . Zusätzlich zum Aufruf des Sicherheitsrates an die Staatengemeinschaft, alle notwendigen Maßnahmen gegen den barbarischen Terror zu ergreifen, erfolgen Deutschlands militärische Beiträ- ge, soweit die kollektive Selbstverteidigung zugunsten von Frankreich geleistet wird, auch in Erfüllung dieser EU-Beistandsklausel . Ich bin davon überzeugt, dass da- mit zusammengenommen eine ausreichend legitimierte rechtliche Grundlage für einen militärischen Einsatz ge- geben ist . Fördert ein militärischer Beitrag Deutschlands die Terrorgefahr? – Längst ist der nun fünfjährige syrische Bürgerkrieg zu einem regional und international beein- flussten Krieg eskaliert.  Insbesondere die aus dem Irak  stammende terroristische Gruppe, die sich selbst fälschli- cher- und überheblicherweise „Islamischer Staat“ nennt, hat seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss ge- wonnen . In den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien hat der Da'isch ein Terrorregime errichtet . Nach den anfänglich ausschließlich auf den Irak und Sy- rien konzentrierten terroristischen Aktivitäten haben der Da'isch und ihm nahestehende Gruppen und Einzelper- sonen einen Strategiewechsel vollzogen . Sie tragen den brutalen Terror mit Hunderten von Toten und Verletzten nun in zahlreiche Gesellschaften: Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, in Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris zeugen davon . Der Da'isch richtet sich gegen unsere „westlichen“ Werte von Offenheit und Pluralität und die dadurch möglichen vielfältigen Lebensformen . Deutschland steht im Fokus des Da'isch, Terroranschläge sind möglich – dieses aber nicht erst aufgrund dieses militärischen Beitrags . Unklarheiten hinsichtlich Dauer und möglicher Aus- weitung des militärischen Beitrags: Selbstverständlich ist die Überlegung unseres Bundesaußenministers Frank- Walter Steinmeier bedenkenswert: „Wenn wir nicht ver- hindern, dass sich der IS noch weitere Teile Syriens unter den Nagel reißt, dann wird in Syrien nichts übrig bleiben, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514244 (A) (C) (B) (D) was wir befrieden und durch einen politischen Prozess in eine andere, hoffentlich bessere, Zukunft überführen können .“ . Ob die daraus von der Bundesregierung voll- zogene Eile auch im Hinblick auf das parlamentarische Verfahren wirklich notwendig war, ziehe ich in Zweifel . Jede Parlamentarierin, jeder Parlamentarier weiß, dass es keine militärische Lösung geben wird . Expertinnen und Experten äußern, dass dieser Einsatz wohl zehn Jahre andauern werde und dass ein Krieg gegen den Da'isch ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen ist . Wer aber führt in dieser Zeitspanne den Kampf am Boden? Der Deutsche Bundestag hat im letzten Jahr mehrheitlich ent- schieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab- wehrkampf gegen Da'isch im Irak zu unterstützen . Seit- dem sind zwar mehrere besetzte Gebiete im Norden Iraks von den kurdischen Peschmerga zurückerobert worden . Diese alleine reichen als Bodentruppen aber nicht aus . Wer werden die anderen sein? Gibt es bei diesem mili- tärischen Einsatz eine Perspektive für einen geordneten Friedensprozess? Oder laufen die Regionen durch ein möglicherweise vorschnelles militärisches Eingreifen Gefahr, weiter destabilisiert zu werden? Eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt wird  angestrebt: Ich anerkenne die großen Anstrengungen ins- besondere von Außenminister Frank-Walter Steinmeier für eine politische Lösung . Im November 2014 wurde auf seine Initiative in Berlin eine erste Konferenz zur Bün- delung der Kräfte zur humanitären Hilfe durchgeführt . In Wien haben die diplomatischen Anstrengungen für ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien – unter anderem unter Einbeziehung auch des Iran und von Saudi-Arabi- en – begonnen . Das Ziel von Frank-Walter Steinmeier war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem politischen Prozess zur Konflikt- regelung – Konferenzen in Wien – zu verschaffen . Der UN-Sondergesandte hat bereits vier Arbeitsgruppen un- ter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne Da'isch  –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet. Aus den Ergeb- nissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politi- schen Konfliktregelung näherzukommen.  Die Arbeitsgruppe für Militär, Sicherheit und Ter- rorabwehr wird vom deutschen Nahost-Experten Profes- sor Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), in Berlin geleitet . An diesem die Bun- desregierung häufig beratenden Institut ist auch Markus  Kaim, Senior Fellow der Arbeitsgruppe Sicherheitspo- litik, tätig . In einem Zeit-Online-Interview verweist er auf Fragen, die auch mich sehr bewegen: Was passiert wann – unter anderem bei einem schnellen Sieg – über- haupt mit den zurückeroberten Gebieten und den Regio- nen, aus denen der Da'isch verdrängt wird? Fallen diese an das syrische Regime zurück? Bilden sie den Keim für einen Kurdenstaat? Werden sie einem internationalen Protektorat zum Schutz der Zivilbevölkerung unterstellt? Der Konsens der „Militär-Partner“ ist die gemeinsame Absicht, gegen den Da'isch vorzugehen . Was wird aus ih- nen als „Friedens-Partner“? Mir macht sehr große Sorge, dass die beim Militärschlag vereinten Partner untereinan- der so viele verschiedene und teilweise so gegensätzliche Interessen verfolgen . So würde ich mir beispielsweise die Beziehung Russland–Türkei fast gerne als „eisig“ vorstellen, bin aber eher von sehr „heiß“ überzeugt . In der unübersichtlichen Gemengelage zwischen den USA, Russland, der Türkei, der EU, Saudi-Arabien sowie dem Assad-Regime wird mir aber keine andauernd klare Stra- tegie erkennbar . Meiner Meinung nach muss im Hinblick auf eine nachhaltige politische Friedensaufbauperspektive auch die Rolle Saudi-Arabiens, Irans und Katars debattiert werden . Diese Diskussion fehlt mir in diesem Zusam- menhang . Den Militäreinsatz übergreifende politische Maßnah- men sind erforderlich . Wir alle sind uns einig, dass die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristi- schen Kämpfern und Kämpferinnen nach Syrien unter- bunden werden muss . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzu- fluss an die Terrormiliz Da'isch – oftmals durch staatli- che Institutionen geduldet oder gar organisiert – ist mit allen Mitteln zu unterbinden . Darüber hinaus ist es unab- dingbar, dass Da'isch-Kämpferinnen und -Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Wie wird dieses sichergestellt? International und national dürfen wir nicht zulas- sen, dass sich der Da'isch-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Da'isch-Opfer selber Muslime . Hetze gegen Flüchtlin- ge und die Ausgrenzung von Menschen muslimischen Glaubens muss unterbunden werden . Im Gegenteil: Un- sere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime und Muslima müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin- dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp- fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe unseres Rechtsstaates als auch unserer Zivilgesellschaft, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Wir brauchen ei- nen gesamtpolitischen Ansatz . Über einen militärischen Einsatz hätte ich gerne ausführlicher im Deutschen Bun- destag debattiert . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dennis Rohde (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro- teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14245 (A) (C) (B) (D) mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat sich der Konflikt mittlerweile zu einem regional und international  beeinflussten Krieg entwickelt, in dem insbesondere die  aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und  in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Sy- rien ein Terrorregime errichtet hat Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Bereits im letzten Jahr haben wir entschieden, die kur- dische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf ge- gen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu- rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück- zukehren . In meiner politischen Arbeit habe ich die damalige Si- tuation aktiv begleitet . In Oldenburg, der größten Stadt meines Wahlkreises, ist der Zentralrat der Jesiden in Deutschland ansässig . Jesiden sind eine religiöse Min- derheit mit mehreren hunderttausend Angehörigen, die ursprünglich im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei beheimatet sind . Die Jesiden werden vom IS in außerordentlich brutaler und men- schenverachtender Weise verfolgt, ermordet und gefol- tert, jesidische Frauen durch sie vergewaltigt und als Sklavinnen gehalten . Im August 2014 rückten IS-Terror- brigaden in das Sindschar-Gebirge im Nordwestirak vor und kesselten mehrere zehntausend Jesiden ein . Darauf- hin wandte sich der Vorstand der Jesidischen Gemeinde Deutschlands hilfesuchend an mich . Mein Büroteam und ich haben daraufhin den gesamten August teilweise bis zum späten Abend und in die Nacht hinein in zahllosen Telefonaten mit dem Auswärtigen Amt auf die drohende menschlichen Katastrophe hingewiesen und auf eine Lö- sung gedrängt . Auch deutsche Staatsbürger waren unten den eingeschlossenen, von Hunger, Durst, Hitze und dem Beschuss der IS-Milizen akut bedrohten Menschen . Erst durch Luftschläge der USA war es den kurdischen Pesch- merga-Kämpfern möglich, einen schmalen Korridor zu öffnen, der den Eingeschlossenen die Flucht ermöglichte . Diese Tage im August 2014, die grenzenlos brutalen Vi- deos der Gräueltaten des IS, die Telefonate mit dem Jesi- dischen Forum und die vielen Augenzeugenberichte habe ich nicht vergessen, und sie haben mir dabei geholfen, heute die Notwendigkeit dieses Mandates zu akzeptieren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Das militärische Engagement ist und kann nur Teil ei- ner breit angelegten Politik sein – aber nicht ihr Ersatz . So notwendig der militärische Kampf ist, so beharrlich arbeiten Frankreich und Deutschland, allen voran der Bundesaußenminister, auf politischer Ebene an einer Lö- sung . Er arbeitet jeden Tag daran, dass – gerade nach dem Vorfall an der türkisch-syrischen Grenze – die wichtigen internationalen Partner Russland und die USA wie auch die regionalen Akteure Türkei, Iran und Saudi-Arabien am Tisch bleiben . An die Stelle von Chaos und Anarchie, die eine Ausbreitung von ISIS erst möglich gemacht ha- ben, muss eine regionale Ordnung treten . Das wird nur mit einer gemeinsamen Strategie gelingen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016, den ich als Mit- glied des Haushaltsausschusses mitgestalte, haben wir den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen- prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region muss in Abstimmung mit unseren internati- onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortgesetzt und wo möglich und nötig verstärkt werden . Nach genauer Abwägung dieser Argumente und inten- siven Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis habe ich diesem Einsatz der Bundeswehr in Syrien zugestimmt . Wir dürfen bei allem nötigen, auch militärischen Engagement nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um die Rekrutierung dieser Menschen durch Terrorgruppen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge- hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514246 (A) (C) (B) (D) sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver- fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird hoffentlich ein Beitrag dazu geleistet werden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dr. Martin Rosemann (SPD): Der syrische Bürger- krieg, der im März 2011 mit Protesten einiger syrische Oppositionsgruppen im Zuge des Arabischen Frühlings gegen den Präsidenten Assad begann, ist mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg es- kaliert. In den ersten Jahren des Konflikts waren die Re- gierungstruppen für Zehntausende zivile Opfer, darunter viele Kinder, verantwortlich . Der völkerrechtswidrige Einsatz von Giftgas durch syrische Regierungstruppen bildete den vorläufigen Höhepunkt  eines menschenver- achtenden Umgangs mit der eigenen Bevölkerung durch das herrschende Assad-Regime . Zum Glück ist es damals den Vereinten Nationen gelungen, aufgrund eines Sicher- heitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Sy- riens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Seit 2014 gewinnt in der Region die aus dem Irak stammende Terrororganisation IS immer mehr an Macht und  Einfluss. Aufgrund  der  instabilen  politischen  Ver- hältnisse im Irak und in Syrien hat es der IS innerhalb kürzester Zeit geschafft, ein weite Teile der Region um- fassendes Terrorregime im Nordwesten des Iraks und im Osten Syriens zu errichten . In den vom IS kontrollierten Gebieten werden Terroristen ausgebildet und Anschläge vorbereitet . Nachdem sich die terroristischen und mili- tärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, ist die Terrororgani- sation vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Terroran- schläge nach und nach geografisch auszuweiten, wie die  Anschläge in im Badeort Sousse in Tunesien, in Beirut, Ankara, der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris zeigen . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2246 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht, die mit allen Mitteln bekämpft werden muss . Klar ist, dass der IS nur mit einem Gesamtpaket unter- schiedlicher Maßnahmen erfolgreich bekämpft werden kann . Zu den bisher beschlossenen Maßnahmen gehö- ren die Unterbindung der Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien und vor allem die konsequente Unterbindung der Finanzie- rung des Terrorismus . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- fluss  an den  IS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Doch auch wenn alle Staaten diese Maßnahmen kon- sequent umsetzen würden, würde das nicht reichen, die Ausbreitung des IS zu stoppen . Ohne militärisches Ein- greifen wird der IS sein brutales Terrorregime in der Re- gion weiter ausbreiten . Daher war auch die Entscheidung richtig, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit mi- litärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehr- kampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Die Rück- eroberung der Stadt Sinjar durch kurdische Peschmerga vor wenigen Wochen war ein wichtiger Schlag gegen den IS. Die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Men- schen beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren . Dieser militärische Erfolg der Peschmerga wäre aber ohne die unterstützenden Luftangriffe der Amerikaner nicht mög- lich gewesen . Infolge der Terroranschläge vom 13 . November in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung ge- beten, sich auch mit Soldaten und weiterem technischen Gerät zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen den IS zu beteiligen . Aus Solidarität zu unserem Nachbarland und wichtigsten Verbündeten in Europa kommen wir mit der Erteilung des Mandats dieser Bitte nach . Wichtig ist mir, dass die Anschläge von Paris und die Bitte Hollandes der Anlass, nicht aber der Grund für ein weitergehendes mi- litärisches Engagement Deutschlands sind . Wenn richtig ist, dass es auch militärischer Mittel bedarf, um den IS zu besiegen, dann kann sich Deutschland dabei nicht ein- fach raushalten . Konkret unterstützt die Bundeswehr im Rahmen des Mandats Frankreich, den Irak und weitere Mitglieder der internationalen Allianz gegen den IS wie Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien und die USA durch Luftbetankung, See- und Luftraumüberwa- chung, Aufklärung, Begleitschutz und Beitrag zur Si- cherung des Marineverbandes sowie Wahrnehmung von Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gegenüber Hauptquartieren der multinationalen Partner . Insgesamt können bis zu 1 200 Soldaten dafür eingesetzt werden . Kurzfristiges Ziel des Einsatzes ist es, ein weiteres Vorrücken des IS in der Region zu verhindern und den IS zurückzudrängen, um somit die Chancen auf eine politi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14247 (A) (C) (B) (D) sche Lösung des Syrien-Konflikts zu erhöhen. langfristig  geht es um die Bildung einer noch breiteren Allianz mit dem Ziel, dass die sunnitischen Kräfte den IS auch am Boden besiegen und dem IS gleichzeitig der politische und finanzielle Boden entzogen wird. Die beschriebene Gesamtstrategie zur Bekämpfung des IS ist in einen politischen Prozess zur Stabilisie- rung Syriens und zur Linderung der humanitären Kata- strophe eingebettet . Unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier arbeitet seit seinem Amtsantritt intensiv an einer politischen Lösung . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch- geführt . Deutschland hat sich zudem mit Nachdruck da- für eingesetzt, dass der Iran und Saudi-Arabien bei den aktuell laufenden Verhandlungen in Wien über eine Lö- sung des Konflikts mit am Tisch sitzen. Die Bemühun- gen um eine politische Lösung werden ununterbrochen weitergehen . Und auch die humanitäre Hilfe wird weiter ausgebaut . Im Haushalt 2016 haben wir den Betrag für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Mir ist völlig klar, dass man mit militärischen Mitteln allein Terrorismus im Allgemeinen und den IS im Beson- deren nicht besiegen kann . Aber mit einer Gesamtstrate- gie aus politischen Bemühungen, humanitärer Hilfe und eben auch militärischem Einsatz haben wir wenigstens die Chance, endlich einen Weg zu finden, die Menschen  im Irak und Syrien vor dieser brutalen Terrororganisation zu schützen und ihnen Leben in ihrer Heimat zu ermög- lichen . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Meine Zustim- mung zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat begründet sich nach gründlicher Überlegung und Abwägung darin, dass ich dieses Mandat und die daraus abgeleitete Umsetzung als in sich sinnvolle und tragfä- hige Maßnahmen beurteile, die der Situation und den überschaubaren Konsequenzen gegenüber angemessen sind und die sich einordnen in eine umfassende mehr- dimensionale Handlungsstrategie mit kalkulierbaren Zielen . Ich weiß, dass es für das Gesamtproblem keine einfache durchschlagende Lösung gibt und dass sich alle Beteiligte auch noch erst schrittweise und in mühseliger Abstimmung auf ein umfassendes Gesamtziel und eine entsprechende Gesamtstrategie werden einigen müssen . Aber wer nur abwartet und jetzt nichts tun will, muss sich nach seiner Verantwortung und den Konsequenzen seines Abwartens und Nichtstuns genauso fragen lassen wie der, der sich jetzt für konkrete begrenzte Maßnah- men entscheidet . Für mich setzt sich meine Zustimmung aus drei wich- tigen Punkten zusammen: Erstens . Die deutsche und die europäische Solidarität mit Frankreich . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Ich stehe zu dieser So- lidarität mit unserem engsten Nachbarn und Freund . Zweitens . Die ISIS als terroristischer Teilstaat und die Bedrohung von Weltfrieden und Menschenrechten . Der syrische Bürgerkrieg ist seit 2011 mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg es- kaliert, in dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen und  in den von  ihr kon- trollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorre- gime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließ- lich auf den Irak und Syrien konzentriert hatte, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terror- gruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzel- personen tragen ihren Terror jetzt vermehrt und konzen- triert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta- ler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin deshalb dafür, in diesem Sinne aktiv geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die ich mit der Zustimmung zu dem Mandat ermöglichen möchte . Ich unterstütze das Ziel, die ISIS und ihren terroristischen Teilstaat zu schwächen und zurückzudrängen und damit auch einen Beitrag zu einer notwendigen politischen Regelung zu leisten . Drittens . Die politische Initiative und die Unterstüt- zung für die Vereinten Nationen . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Hierauf konnte aufgebaut werden . So wurde mit den Erklärungen der Wiener Konferen- zen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 den Ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514248 (A) (C) (B) (D) einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Für  diesen politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura wurden auf dessen Initiative hin vier Arbeits- gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne  ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet. Aus den  Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Ich erhoffe mir von diesem Wiener Prozess ein im- mer stärkeres Zusammengehen aller Beteiligten, die sich in der großen Gemeinschaft von 64 Staaten im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS zusammengefunden haben und von denen ein Teil sich sehr konkret auch in militärischen Maßnahmen auf syrischem Gebiet enga- giert . Das Ziel dieses Prozesses muss am Ende die Ent- wicklung und Durchsetzung einer Gesamtstrategie sein, mit einer Befriedung des Konfliktes in Syrien, einer Be- seitigung und Auflösung von ISIS und einem Aufbau ei- ner Nachbürgerkriegsordnung und einem Wiederaufbau in Syrien . Dieser Wiener Prozess ist für mich auch eine Voraussetzung dafür, dass es zu einer noch mehr Nach- druck und Legitimation gebenden Resolution des UN-Si- cherheitsrates nach Kapitel VII kommt . Mit dem Mandat, das die Bundesregierung ins Parla- ment eingebracht hat, wird dieser politische Wiener Pro- zess flankiert und abgesichert. Auch deshalb stimme ich  dem Mandat zu . Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Trotz gro- ßer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach inten- siven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungs- prozess entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage- ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operati- onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen  Binnenflüchtlinge  und  über  vier  Millionen  Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müs- sen wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haus- halt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit den internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu ver- stärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Dr. Nina Scheer (SPD):Terrorismus und die Ausbrei- tung von Terrorismus stellen ohne Zweifel eine Bedro- hung von Frieden, für Kulturen, für Zivilgesellschaften und auch Rechtsstaatlichkeit dar . Terrorismus, wie er mit den Anschlägen von Paris für eine unfassbare Dimension menschenverachtender Grausamkeit steht, muss insofern schnellstmöglich bekämpft werden, auch aus Solidarität mit den Opfern von Terrorismus und ihren Angehörigen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14249 (A) (C) (B) (D) sowie zu unserem eigenen Schutz und zum Schutz von Kultur und Rechtsstaatlichkeit . Terrorismus zielführend und wirksam zu bekämpfen setzt unweigerlich voraus, die Wurzeln für Terrorismus zu erkennen und an ihnen anzusetzen . Wir wissen, dass der Nährboden von Terrorismus in Armut, Verelen- dung, Zerstörung und Perspektivlosigkeit, auch infolge von Kriegen liegt . So hat der vergangene Irakkrieg und mit ihm einhergehende Zerstörung das Aufkeimen der Terror organisation IS und deren Ausbreitung begünstigt . Luftschläge bergen das erhöhte Risiko, unschuldige Zivilisten zu treffen, Städte und Infrastruktur, Versor- gungszentren zu zerstören . Wenn zugleich staatliche Strukturen versagen oder Rechtsstaatlichkeit fehlt, folgt Not, Flucht und Armut – die Gefahr von Extremismus und die Verführbarkeit von Menschen mit Perspektivlo- sigkeit steigt, zumal in kulturell bereits zuvor fragilen oder gar zerrütteten Regionen . Der nun geplante Bundeswehreinsatz stützt sich auch auf die Solidarität mit Frankreich . Angesichts der weit- reichenden Auswirkungen von Militäreinsätzen erachte ich die Solidarität mit einem anderen Staat grundsätzlich als keine opportune Motivation für einen Militäreinsatz . Ein Militäreinsatz muss auf den Grundlagen des Völker- rechts vielmehr von der gründlich abgewogenen Über- zeugung getragen sein, dass er zur Friedenserlangung ein unverzichtbares Mittel ist . Das umkämpfte Syrien ist gekennzeichnet von Zer- störung, Not, Armut, Zersplitterung, kulturell-religiösen Konflikten  und  geopolitischen  Interessensgegensätzen.  Nach meinem Verständnis gibt der mit dem vorliegenden Antrag geplante Bundeswehreinsatz keinen Aufschluss darüber, wie sich Deutschland gegenüber den vorherr- schenden Interessensgegensätzen, insbesondere dem Staat Syrien und dessen Regierungstruppen und damit auch gegenüber Russland, verhält . Eine inkongruente Antwort etwa im Verhältnis zu Russland kann in einen unkalkulierbaren Konflikt münden. Einen Militäreinsatz  ohne ein diesen explizit benennendes UN-Mandat, das den  gegebenen  Interessenskonflikten  Rechnung  trägt,  halte ich vor diesem Hintergrund für nicht verantwortbar . Die Solidarität mit Frankreich darf nicht zu Entschei- dungen verleiten, deren sachliche Bewertung sich uns verschließt . Die mit dem Bundeswehreinsatz vorgesehe- nen Unterstützungshandlungen bewirken eine gemeinsa- me Verantwortung für die von Frankreich ausgehenden Einsätze, ohne dass deren Art und Ausmaß von Deutsch- land beeinflussbar wäre. Solidarität mit Frankreich ist von uns nach unseren Möglichkeiten, aber notwendiger Weise auch mit Blick auf die gemeinsam zu verfolgenden Ziele zu leisten . Dies setzt voraus, dass die Bekämpfung des für die Anschläge von Paris maßgeblichen Terrorismus mit Militäreinsät- zen in Syrien erreicht werden kann . Die Anschläge von Paris am 13 . November haben of- fenbart, dass die Bedrohung europäischer Staaten durch den IS auch in Europa besteht . Der IS ist kein Staat, er ist ein terroristisches Netzwerk, das weder auf den Irak, Syrien, noch angrenzende Staaten begrenzt ist . Die At- tentäter von Paris, wie auch zuvor Attentäter von An- schlägen in London, kamen aus Europa bzw . ihrer Hei- mat . Verstärkt werden hierbei Jugendliche aus Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit von extremistischen Gruppie- rungen, so auch Terrororganisationen, angesprochen und verführt . Die heutige terroristische Bedrohung ist somit auch Kennzeichen eines Versagens der westlichen Welt, Ursa- chen von Terrorismus frühzeitig zu begegnen . Dies muss etwa durch konsequente Bekämpfung von Jugendarbeits- losigkeit und Perspektivlosigkeit innerhalb Europas so- wie im Zuge internationaler Zusammenarbeit und Ent- wicklungshilfe erfolgen . Terrororganisationen, die zwar ihre Wurzeln häufig in Kriegsgebieten haben, etablieren  ihre Strukturen zunehmend außerhalb dieser Gebiete, auch mit Hilfe von Medien und sozialen Netzwerken, Finanzierungsquellen und Waffen, die sie in westlichen, industrialisierten Staaten vorfinden bzw. aus denen jene  stammen . Solidarität verlangt nach einer gründlichen Auseinan- dersetzung mit zielführenden Lösungen . Dem IS kann offenkundig nur mit gewaltsamen Maßnahmen begegnet werden, die aber ihrerseits sowohl völkerrechtsgemäß als auch auf Stabilisierung der betreffenden Regionen ausge- richtet sein müssen . Dies setzt ein UN-Mandat sowie ein gemeinsames Vorgehen der Beteiligten bzw . involvierten Staaten voraus . Für den geplanten Bundeswehreinsatz trifft dies nicht zu . Wir müssen uns verstärkt für das Austrocknen von Finanzierungsquellen des IS einsetzen und gegen Waf- fenlieferungen in Krisengebiete . Armutsrisiken muss entgegengewirkt werden, auch im Umgang mit Ressour- cen, Lebensgrundlagen und in Anbetracht der Wirkungs- weisen globalisierter Weltwirtschaft . Auch wenn solche Ziele und die mit ihnen zu bekämpfenden Verelendungs- ursachen nur langfristig erreichbar sind, sind sie nicht minder wirksam, Terrorismus vorzubeugen und dessen weitere Ausbreitung zu bekämpfen – in Solidarität mit unseren Mitmenschen . Der betreffende Bundeswehreinsatz erfüllt nach mei- ner Überzeugung weder die für ein Mandat benötigten völkerrechtlichen Voraussetzungen noch ist er geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, ohne in einer nicht abseh- baren Dimension weitere Risiken, auch eine Ausbreitung von Terrorismus, einzugehen . Insofern werde ich bei der Abstimmung über die Er- teilung des Bundeswehrmandats mit Nein stimmen . Udo Schiefner (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514250 (A) (C) (B) (D) bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errich- tet hat . Nachdem sich die terroristischen und militäri- schen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelperso- nen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter- nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . In der SPD-Bundestagsfraktion sind wir überzeugt, dass  es  für  den  zugrunde  liegenden  Syrien-Konflikt  letztlich nur eine politische Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsüber- nahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in die- sem Konflikt  zu  verschaffen. Eine  erste Konferenz  zur  Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch- geführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Kon- fliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns mit  Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen je- weils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett der ISIS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung der Terrorgruppe ISIS im Irak und Syrien hätte ihre Ausbreitung in Nachbarstaaten zur Fol- ge . Dies ist ihre erklärte Strategie . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung der Terrorgruppe ISIS in Syri- en und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist die Solidarität aller Europäer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flücht- linge in Europa Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14251 (A) (C) (B) (D) rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maß- nahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von aus- ländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Reso- lution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals  durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi- siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da- rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der ISIS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin- nern, was die ISIS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Versklavung von Frauen für die Krieger, Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich der Terrorgruppe ver- weigern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern auszubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung ganzer Dörfer – in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen . Nur durch einen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein- zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die- ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit Langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt- schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit- wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri- sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver- abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be- kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit kaum in Syrien und angrenzenden Ländern niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisie- rung beitragen . Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf- einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft- licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta- bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir . Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be- waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Tankred Schipanski (CDU/CSU): Dem Antrag der Bundesregierung stimme ich zu . Angesichts der klaren Bedrohungslage durch den sogenannten „IS“ (Da'isch) ist eine geschlossene Haltung der EU von eminenter Be- deutung . Die Bundesrepublik steht richtigerweise fest und solidarisch an der Seite Frankreichs – dies galt vor den Anschlägen in Paris am 13 . November – und gilt selbstverständlich auch weiterhin . Der Antrag der Bundesregierung sieht die militärische Unterstützung Frankreichs, des Iraks und der internatio- nalen Allianz gegen Da'isch vor . Dabei soll die Bundes- wehr in den Bereichen Führung und Führungsunterstüt- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514252 (A) (C) (B) (D) zung, Aufklärung, Sanitätsdienst, Logistik und Sicherung und Rettung von Einsatzkräften eingesetzt werden . Die Entsendung von Bodentruppen in Kriegsgebiete ist damit nicht verbunden . Auch wenn ich diesen Beitrag der Bundeswehr im Kampf gegen Da'isch im Grundsatz befürworte, so be- reitet mir die Eile der parlamentarischen Entscheidungs- findung  gleichwohl  ernsthafte  Sorge.  Dem  Parlament  blieben letztlich nur wenige Tage zur Beratung zwischen Zuleitung des Antrags und Beschluss in dritter Lesung des Bundestags am 4 . Dezember . Bedauerlicherweise kann ich nicht erkennen, dass die internationale Alli- anz bislang in der Lage war, eine langfristig angelegte Strategie und eine klare Zielvorstellung hinsichtlich der Bekämpfung von Da'isch zu entwickeln . Eine solche Strategie und eine zwischen den Partnern der Allianz abgestimmte Zielvorstellung sollte aber üblicherweise grundlegende Voraussetzung eines jeden Kampfeinsatzes sein und ist absolut zwingende Voraussetzung für einen nachhaltig erfolgreichen internationalen Militäreinsatz . Es ist daher unabdingbar, dass die Bundesregierung nun unverzüglich und mit Nachdruck auf die Entwick- lung einer solchen Strategie hinarbeitet, dazu eine Ver- ständigung mit den Partnern innerhalb und außerhalb der NATO herbeiführt und so zu einer belastbaren Koalition gegen den Da'isch beiträgt . Sollte dies bis zum Ende des Mandats am 31 . Dezember 2016 nicht gelingen, ist eine Verlängerung des Mandats meines Erachtens nicht zu rechtfertigen . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Die Entscheidung, dem Antrag der Bundesregierung nicht zuzustimmen, ist die schwerste in meiner bisherigen Zeit als Mitglied des Deutschen Bundestages . Es gibt zahlreiche gewichtige Argumente, den Einsatz zu befürworten . Dem stehen je- doch ebenso gute Argumente entgegen . Die Gewichtung der Argumente nimmt jeder Abgeordnete individuell und unterschiedlich vor . Ich verstehe, besonders nach den terroristischen An- schlägen von Paris, den französischen Ruf nach europä- ischer Solidarität . Die gewünschte militärische Beteili- gung Deutschlands bedeutet einen gefährlichen Einsatz und die geforderte Beteiligung deutscher Soldatinnen und Soldaten an diesem Mandat stellt eine Zäsur dar . Hinzu kommt, dass Europa nach mehreren Rück- schlägen in den vergangenen Monaten ohnehin wenig geschlossen auftritt . Mir ist bewusst, dass durch meine Nein-Stimme das deutsch-französische Verhältnis – mit- hin der Kern von Europa – auf eine schwere Belastungs- probe gestellt wird . Ich beabsichtige mit meiner Entscheidung weder dem deutsch-französischen Verhältnis noch der europäischen Idee Schaden zuzufügen . Jedoch konnte mir bisher nie- mand schlüssig darlegen, dass Luftschläge dem soge- nannten „Islamischen Staat“ (IS) bisher in der Substanz geschadet hätten, obwohl die Operation bereits über ein Jahr läuft und mehr als 16 000 Ziele angegriffen wurden . Zahlreiche Militärexperten teilen meine Zweifel . Meine Vorbehalte werden auch dadurch genährt, dass multilate- rale Militäreinsätze weder in Afghanistan noch im Irak militärische Erfolge zeitigten . Zugleich beobachte ich eine zunehmende Radikalisierung der entsprechenden Jugendlichen, beispielsweise in Frankreich . Ich sehe kei- ne militärischen Vorteile dieses Mandats, jedoch erhebli- che politische Nachteile . Wer sich gleichwohl mit dem Status quo nicht abfin- den möchte, muss Alternativen benennen . Auch die Be- fürworter der Luftschläge sehen diese niemals als einzige Handlungsoption . Mit vielen Kolleginnen und Kollegen befürworte ich die in Wien laufenden Verhandlungen mit den  Konfliktbeteiligten,  die  sich  mühsam  voranbewe- gen . Dass momentan ausgerechnet die zukünftige Rol- le Assads im Mittelpunkt des medialen Interesses steht, zeigt die Verhandlungsprobleme in ungeschminkter Form . Ich setze sehr auf die Verhandlungen in Wien und hoffe, dass es in jedem Fall gelingt, den IS finanziell aus- zutrocknen, indem zunächst seine Ölverkäufe boykottiert werden . Ich kann 1 200 deutschen Soldatinnen und Soldaten nur in einen gefährlichen Auslandseinsatz entsenden, wenn ich von der Richtigkeit meiner Entscheidung über- zeugt bin . Dies ist bei mir nicht der Fall . Darum kann ich diesen Zweifel für mich nur auflösen, indem ich dem An- trag der Bundesregierung meine Zustimmung versage . Ursula Schulte (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi- sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Gebie- ten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Akti- vitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Stra- tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta- ler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14253 (A) (C) (B) (D) den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie würden dauerhaft zu Flüchtlingen . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher wurde auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit mi- litärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf ge- gen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in- tensiver Prüfung Frankreich militärische Unterstützung im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS hat sich die SPD-Bundestagsfraktion nach intensiven Diskussio- nen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschie- den, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir persönlich nicht leicht . Mir ist jedoch bewusst, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als ei- nen Teil ihres gesamten Engagements in der Region be- trachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere muss die Anwerbung und Aus- reise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss  an  ISIS  –  oftmals  durch  staatliche  Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unab- dingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer der ISIS Menschen mit muslimi- schem Glauben . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe- sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin- dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp- fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514254 (A) (C) (B) (D) allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu- gehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 wurden hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig, zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Swen Schulz (Spandau) (SPD): Diese Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS ist für mich eine der schwersten Entscheidungen in meiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter . Ich sehe starke Argumente für den Einsatz, weil letzt- lich militärische Mittel notwendig sind und weil der tätigen Solidarität mit Frankreich und den Opfern des islamistischen Terrors weltweit sehr große Bedeutung zukommt . Gleichwohl kann ich nach sorgfältiger Ab- wägung nicht zustimmen . Die hauptsächlichen Gründe dafür sind: Es liegt kein zweifelsfreies UN-Mandat vor . Das ist zum einen ein völkerrechtliches Problem . Zum anderen macht das aber auch deutlich, dass es keine gemeinsame Position der Weltgemeinschaft gibt . Die jedoch ist zwin- gende Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg einer Intervention . Es ist weder ein militärisches noch ein politisches Kon- zept erkennbar, das Vorgehen, Zielstellung sowie Been- digungsoptionen beinhaltet . Die Tatsache, dass noch vor kurzem von der Bundesregierung die Bombardements in Syrien als Belastung für den politisch-diplomatischen Prozess betrachtet und unter anderem Frankreich dafür kritisiert wurde, dass sich die Koalitionsfraktionen nicht auf eine begleitende Entschließung haben einigen kön- nen, und dass in den letzten Tagen Irritationen über den Umgang mit Assad und seinen Unterstützergruppen auf- getreten sind, zeigt das deutlich . Erfahrungen zeigen, dass militärische Interventionen und im Besonderen Luftschläge ohne sorgfältige Einbet- tung in ein politisches Konzept tendenziell zu einer Es- kalation der Gewalt und zur Radikalisierung von Bevöl- kerungsgruppen beitragen, anstatt das Problem zu lösen . Es steht außer Frage, dass der IS auch militärisch bekämpft werden muss . Ich halte eine Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention, auch mit Bodentruppen, nicht für ausgeschlossen . Doch die Voraussetzungen müssen durch ein entsprechendes UN-Mandat und die politische Einigkeit der Weltge- meinschaft im Vorgehen und in der Zielstellung geschaf- fen werden . Solidarität mit Frankreich und den Opfern des isla- mistischen Terrors kann nicht nur mit der Beteiligung an den Bombardements in Syrien gezeigt werden . Soli- darität darf sich nicht in zwar menschlich und politisch verständlichen, letztlich aber kontraproduktiven quasi Schock-Reaktionen zeigen . Vielmehr sollte Deutschland fortfahren mit der effektiven humanitären Hilfe, weiter- hin als Motor für politisch-diplomatische Fortschritte wirken und gegebenenfalls bei Vorliegen der beschrie- benen Voraussetzungen auch einen militärischen Beitrag leisten . Svenja Stadler (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regimes auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14255 (A) (C) (B) (D) Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör- fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre  Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über den Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514256 (A) (C) (B) (D) um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Sonja Steffen (SPD): In der Kürze der Zeit, die uns Abgeordneten für unsere Entscheidung zur Verfügung stand, sehe ich mich außerstande, dem Militäreinsatz der Bundeswehr zuzustimmen . Immerhin handelt es sich um einen der auch personell umfangreichsten Einsätze, über die ich bisher jemals zu entscheiden hatte . Auch ich bin davon überzeugt, dass Deutschland in der Verantwortung steht, für eine Beendigung des IS-Ter- rors einzutreten . Jedoch fehlt es gegenwärtig an einem UN-Mandat für den Einsatz . Es ist für mich nicht erkennbar, auf welche Art und Weise die Terroristen gezielt bekämpft werden sollen, ohne die Zivilbevölkerung und letztendlich auch unsere eigenen Soldaten in große Gefahr zu bringen . Die Vergangenheit, insbesondere auch die Erfahrung im Einsatz in Afghanistan, hat gezeigt, dass militärische Interventionen eher zu einer Eskalation der Gewalt und zur Radikalisierung von Bevölkerungsgruppen beitra- gen, statt die Probleme zu lösen . Die Irritationen in den letzten Tagen über den politischen Umgang mit dem sy- rischen Staatschef Assad haben zu meiner Entscheidung beigetragen . So groß mein Vertrauen in Außenminister Steinmeier auch ist: Bei dieser Entscheidung bin ich allein meinem Gewissen unterworfen . Militärische Kampfeinsätze sind immer mit Opfern unter Zivilisten und ungewissem Aus- gang verbunden . Sie können nur letztes Mittel sein, wenn alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind . Die- sen Zeitpunkt sehe ich, gerade im Zusammenhang mit dem Wiener Prozess, noch nicht gekommen . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich lehne die Beteiligung der deutschen Bundes- wehr am Einsatz gegen den IS in Syrien und im Nordirak ab . Dieser Einsatz ist politisch und militärisch falsch und kontraproduktiv . Dadurch, dass immer mehr zivile Opfer getroffen werden, wird auch der Hass, die Wut geschürt, die dem IS neue Anhänger in die Arme treibt . Der Einsatz wird die Zahl der IS-Kämpfer nicht verringern, sondern erhöhen und das nicht nur in Syrien und den Nachbar- ländern, sondern auch bei uns in Europa . Das zeigen die Erfahrungen des Krieges in Afghanistan und im Irak . Der US-Krieg im Irak hat ISIS überhaupt erst möglich ge- macht . Auszuschließen ist zudem, dass der IS mit bloßen Luftangriffen besiegt werden kann . Dafür ist ISIS schon zu groß und verbreitet . Die Vertreibung von ISIS aus Sy- rien und Irak würde nur zum Ausweichen in die Nachbar- staaten wie Jordanien, Libanon, Tunesien oder Algerien führen . Diese Ausweitung wird die Bekämpfung schwie- riger machen und den IS stärken . Der bevorstehende Einsatz soll eine Reaktion auf die Terroranschläge in Paris und Zeichen der Solidarität mit Frankreich sein . Dabei wird jedoch nicht berücksich- tigt, dass die Täter der Anschläge zuvor in Frankreich und Belgien gelebt haben und von dort aus die Anschlä- ge koordiniert und verübt haben, nicht von Syrien oder vom Nordirak aus. Auch ich finde, Solidarität mit Frank- reich ist nach den grauenhaften Anschlägen richtig, doch das heißt nicht, dass man allein aus Solidarität einen Kriegseinsatz beginnen muss . Es gibt kein UN-Mandat, der Einsatz ist nicht ausreichend geplant, es fehlen ein klares Ziel und eine Exitstrategie, Dauer und Umfang des Einsatzes sind nicht abzuschätzen . Der Krieg in Syrien ist komplex, es gibt mehrere Fronten und mehrere Partei- en mit unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Interessen . Eine Schwächung des IS ist nicht gleichzu- setzen mit einer Befriedung der Region und wird auch Terroranschläge in Europa nicht verhindern . Eher im Ge- genteil wird sich die Gefahr auch in Deutschland drama- tisch erhöhen . Zu dem Kriegseinsatz gibt es Alternativen: Man hät- te längst die Ölausfuhr effektiv stoppen müssen . Ebenso müssen die Finanzzuwendungen, die aus den Golfstaa- ten kommen, konsequent unterbunden werden . So wür- de dem IS die Finanzierung insbesondere des Soldes der IS-Kämpfer abgeschnitten, der Rückhalt des IS in den eigenen Reihen würde schwinden . Solidarität mit Frankreich ja, aber nicht mit dem Ein- tritt in den Bombenkrieg . Kerstin Tack (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro- teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14257 (A) (C) (B) (D) von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti- on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An- strengungen zur Integration insbesondere junger Musli- me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste- henden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514258 (A) (C) (B) (D) Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Michael Thews (SPD): Der syrische Bürgerkrieg es- kalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten  Krieg,  in  dem  insbesondere  die  aus  dem  Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr  und mehr  an Macht  und Einfluss  gewann  und  in  den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroris- tischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes- ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben  wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande- rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län- der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vorn deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr . Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14259 (A) (C) (B) (D) solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An- strengungen zur Integration insbesondere junger Musli- me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste- henden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und, wo möglich und nötig, zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Dr. Karin Thissen (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskaliert zu einem regional und international beeinflussten Krieg,  in dem insbeson- dere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) oder Da'isch seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewinnt und in den von ihr  kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terror- regime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließ- lich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terror- gruppe und ihr nahestehende Gruppen sowie Einzelper- sonen tragen ihren Terror zunehmend und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Ter- roranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind Ausdruck die- ser menschenverachtenden Philosophie . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Si- cherheit ausgeht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrundeliegenden Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit aller Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in dieser Krise zu verschaffen . Eine erste Konfe- renz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpar- teien – ohne den „Islamischen Staat“ – zu Kernfragen des  Konflikts  gegründet  wurden.  Eine  Arbeitsgruppe  wird vom deutschen Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeits- gruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung ge- schaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung  näherzukommen . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober 2015 und 14 . November 2015 wurde den Vereinten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktlösung vereinbart.  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514260 (A) (C) (B) (D) Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen den sogenannten „Islami- schen Staat“ im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu- rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück- zukehren . Nach den Terroranschlägen vom 13 . November 2015 in Paris hat der französische Präsident François Hollande die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen Engagement  zur  Regelung  des  Syrien-Konfliktes  und  dem militärischen Beitrag zur Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Un- terstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen die Terrorgruppe zu betei- ligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung unserem Nachbarn Frankreich militärische Unterstüt- zung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ angebo- ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetan- kungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte  zum  Schutz  eines  französischen Flugzeugträgers . Die Anschläge vom 13 . November 2015 gelten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einer militä- rischen Intervention habe ich nach intensiven Diskussi- onen und einem schwierigen Abwägungsprozess mich entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzu- stimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf vorrangig militärisches Engagement konzentriert, sondern dieses im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS nur als ein Teil eines gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen den „Islamischen Staat“ im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor·allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be- schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An- werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben- so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah- men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals  durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi- siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da- rüber hinaus ist es unabdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer des sogenannten „Islamischen Staates“ selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Musli- me auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghet- tobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven- tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Franz Thönnes (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14261 (A) (C) (B) (D) nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite durch den Einsatz von Bundeswehreinheiten und Experten zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten Ge- bieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara; über der Sinai-Halb- insel mit der Sprengung des russischen Urlauber-Jets und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti- on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter- nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegen- den Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung  geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit der Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son- derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh- rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste  Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien am  30 . Oktober 2015 und 14 . November 2015 – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Be- sonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess bislang eher gegnerische Parteien an einen Tisch gesetzt haben . So sind nun in der International Syria Support Group (ISSG) die Arabische Liga, China, Ägypten, die EU, Deutschland, Iran, Irak, Italien, Jordanien, Libanon, Oman, Katar, Russland, Saudi-Arabien, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien, die Vereinten Nationen und die USA vertreten . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne  IS –  zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung des IS im Irak und in Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha- ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein- ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Man un- terstützte einen landesweiten Waffenstillstand und kam ebenso darin überein, dass die syrische Regierung und die Opposition ab Anfang 2016 über ein Ende des Konfliktes  verhandeln sollen . Innerhalb von sechs Monaten soll eine glaubwürdige und inklusive Übergangsregierung stehen, und vor dem Hintergrund einer neuen Verfassung sollen binnen 18 Monaten Neuwahlen stattfinden. Das Pariser  IS-Attentat vom 13 . November 2015, also am Vorabend der zweiten Verhandlungsrunde, war damit auch zentral gegen diesen friedlichen, internationalen, politischen Prozess gerichtet . Dieser wichtige Prozess bezieht nicht die Terrorgrup- pe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher wurde auch im letzten Jahr entschie- den, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab- wehrkampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Dies hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu- rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück- zukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Frankreichs Präsident Hollande gemäß Art . 42 (7) des EU-Vertrages die anderen EU-Mitglied- staaten um Beistand und Deutschland um militärische Unterstützung gebeten . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören so- wohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie  eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug- trägers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere freiheitlichen Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fuß- ballspiel-Länderspiel gegen die stabile europäische Ach- se Frankreich/Deutschland . Deshalb steht für mich auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514262 (A) (C) (B) (D) die Solidarität aller Europäer außer Frage . Die europä- ische Solidarität galt für mich nicht nur für die Finanz- und Griechenland-Krise, sondern sie gilt im Übrigen auch für die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Eu- ropäischen Union . Trotz grundsätzlicher Zurückhaltung gegenüber jed- wedem militärischen Engagement, habe ich nach in- tensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung gegen die Terrorgruppe IS zuzustim- men . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen den IS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei- se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy- rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti- tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un- abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Meiner Einschätzung nach darf nicht zugelassen wer- den, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kul- turen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS selbst Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande ge- gen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration, insbesondere junger Muslime müssen gesteigert wer- den, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vor- zugehen . An dieser Stelle erinnere ich eindringlich daran, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Versklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung und Er- mordung von Männern, die sich dem IS verweigern, Ent- führung von Kindern, um sie zu Kriegern auszubilden, systematische Landnahme; Abschlachtung ganzer Dör- fer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Geno- zid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte . Nur durch den beschriebenen gesamtpolitischen An- satz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Re- gion und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 hat die Bundesrepublik Deutschland hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flücht- linge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partneror- ganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassen- des Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Be- reits seit längerem unterstütze ich die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher und entwicklungspolitischer Beziehungen . Meiner Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabili- sierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirtschaftli- che Verflechtung  an  dieser  großen Aufgabe mitwirken.  Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitest- gehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmerisches En- gagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem EU-Valletta-Gipfel verabschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Bekämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen . Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf- einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft- licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14263 (A) (C) (B) (D) bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zurückkehren wollen . Daran gilt es weiter zu arbeiten . Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be- waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Gabi Weber (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Protes- te syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi- sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Gebie- ten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Akti- vitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Stra- tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror jetzt vermehrt und konzentriert in die Nachbarlän- der und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra- tegiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti- on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Lösung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Der durch Deutschland maßgeblich unterstützte poli- tische Prozess muss mit intensiven diplomatischen Maß- nahmen in Bezug auf einen wesentlichen Ursprungsherd der Terrorgruppe ISIS flankiert werden. Nachweislich ist  die Exklusion der Sunniten im Irak eine der Triebfedern für das Erstarken und erfolgreiche Bestehen von ISIS, auch bis nach Syrien hinein . Ohne nationale Versöhnung und Integration zwischen Minderheit (Sunniten) und Mehrheit (Schiiten) im Irak wird ISIS von den sunniti- schen Stämmen weiterhin Unterstützung erfahren und Rückzugsorte finden. Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur Lösung  des  Syrien-Konfliktes  und  dem  militärischen  Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz meiner Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514264 (A) (C) (B) (D) Abwägungsprozess dafür entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich stelle jedoch fest, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mili- tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres ge- samten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Lösung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregie- rung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze deshalb die Bundesregierung dar- in, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen, terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln verhindert werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü- ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in Kriegsgebiete ein- und aus ihnen auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste- henden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen umfassenden politischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Re- gion und darüber hinaus wirkungsvoller zu verhindern . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Lösung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich des- halb dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristi- scher Handlungen durch die Terrororganisation „Islami- scher Staat“ zu . Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich werde den mili- tärischen Eintritt Deutschlands in den Krieg in Syrien ab- lehnen . Der Hauptgrund dafür ist: Nach 14 Jahren Krieg gegen den Terror haben wir eine verheerende Bilanz . Fast 1 Million Tote, Zerstörung mehrerer Staaten, Verheerung weiter Landstriche, Entwurzelung ganzer Völker, enorme Fluchtbewegungen, eine Internationalisierung des Terro- rismus sowie das Entstehen des IS . Zudem schafft der Krieg gegen den Terror internationale Krisen, wie die, die durch den Abschuss des russischen Bombers durch türkische  Kampfflugzeuge  ausgelöst  wurde,  wodurch  auch die NATO an diesem Konflikt beteiligt wurde.  Wir taumeln aus falscher Solidarität mit Frankreich in  einen  internationalen militärischen Konflikt,  der  die  oben skizzierte Spirale nur weiter beschleunigen wird . Wir müssen aber raus aus dieser Spirale der Gewalt . Aus Solidarität das Falsche zu tun, bleibt falsch . Stattdessen müssen die Waffen-, Öl- und Geldströme des IS trocken- gelegt werden. Und die politische Konfliktlösung, die mit  der Wiener Konferenz begonnen wurde, muss fortgesetzt werden . Deshalb ist dieser Beschluss der falsche Weg und ich werde dagegenstimmen . Dirk Wiese (SPD): Die Lage in Syrien bietet Grund für große Sorge . Seit Beginn der friedlichen Proteste sy- rischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele ange- griffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waf- fen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechts- widrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheits- ratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14265 (A) (C) (B) (D) und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung ge- ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins- besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe- auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon- ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber- lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir  uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher hat Deutschland auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre- gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus- rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge- biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen  beginnen in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiver Diskussion und einem schwierigen Abwä- gungsprozess entschieden, dem Mandat der Bundesre- gierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je- doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über den Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da- rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris- mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Die SPD-Bundestagsfraktion darf nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ ent- wickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe- sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin- dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514266 (A) (C) (B) (D) fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu- gehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Ich verurteile den Terror der IS aufs Schärfste und stehe solidarisch zu den Opfern und deren Angehörigen der Anschläge in Pa- ris, Beirut und anderen Städten . Ein militärischer Einsatz wird aber die Ursachen und damit die Existenz des Ter- rors nicht beseitigen: – Es gibt kein robustes Mandat der Vereinten Natio- nen für einen Kampfeinsatz in Syrien . – Es lässt sich im jetzigen Militäreinsatz der fran- zösischen Armee kein schlüssiges Gesamtkonzept erkennen . Es ist unklar, welches Ziel am Ende des Einsatzes steht . Es ist ebenfalls unklar, bis wann ein solches Ziel erreicht werden könnte . Somit er- scheint der Einsatz übereilt und unüberlegt . – Das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ermög- licht einen weiten Spielraum, wie dieser Einsatz sich zukünftig gestaltet: Obwohl die Bundeswehr nun für ein Jahr mandatiert werden soll, spricht die Verteidigungsministerin von der Leyen von einem Einsatz von mindestens zehn Jahren . Gleichzei- tig meinen viele Experten, dass ein Krieg gegen den sogenannten IS ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen sei . Offen ist also, ob eine Ausweitung des Einsatzes daher bald folgen wird . Diese Fragen bleiben ungeklärt . – Die Attentäter von Paris stammten mutmaßlich aus Frankreich, Belgien oder anderen europäischen Staaten . Es wird mit dem Einsatz nicht in den Blick genommen, dass also offensichtlich überwiegend Menschen aus dem eigenen Land diesen Terror verursachen . Eine entscheidende und überzeugen- de Antwort wäre also eine soziale und bildungs- fördernde Initiative für junge Menschen in den jeweiligen Brennpunkten der europäischen Länder . Nur so kann durch Integration verhindert werden, dass sich Menschen Terror-Organisationen zuwen- den . Ebenso ist bis heute nicht geklärt, ob die Ter- roranschläge von Paris tatsächlich von Syrien aus geplant und koordiniert wurden . Entsprechende Beweise konnten nicht vorgelegt werden . Das Ar- gument der Verteidigung Frankreichs nach einem Angriff ist nicht haltbar, da es sich beim sogenann- ten IS auch nicht um einen Staat handelt . – Die Kriege in Afghanistan und im Irak, die eben- falls mit dem Kampf gegen Terror begründet wur- den, haben gezeigt, dass es mit einem militärischen Einsatz keine Perspektive für einen geordneten Friedensprozess gibt, sondern die Regionen durch das vorschnelle militärische Eingreifen Gefahr lau- fen, weiter destabilisiert zu werden . – Die bislang praktizierten militärischen Einsätze tragen meiner Auffassung nach nicht zu einer Be- friedung bei . In der unübersichtlichen Gemengela- ge zwischen den USA, Russland, der Türkei, der EU, Saudi-Arabien sowie dem Assad-Regime wird keine klare Strategie sichtbar, wie dem sogenann- ten IS wirksam begegnet werden kann . –  Die  Konfliktursachen  im  Nahen  Osten  werden  ebenso wenig bearbeitet wie die Rekrutierungs- möglichkeiten für die menschenverachtende Ideo- logie, der unter anderen auch der sogenannte IS anhängt, in Europa . Auch hierfür fehlt es an einer schlüssigen Analyse und Strategie . Gülistan Yüksel (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien, in dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr  an Macht und Einfluss gewinnt und  in  den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroris- tischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Eu- ropa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sous- se, in Beirut, in Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti- on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie- genden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14267 (A) (C) (B) (D) Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi- schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in  Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie- hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge- setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura , auf dessen Initi- ative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Kon- fliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts  gegründet wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deut- schen Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä- rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri- gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu- dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei- nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg  in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin humani- täre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hil- fe und die zivile Krisenprävention erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu- setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514268 (A) (C) (B) (D) Ich habe viele gute Argumente für, aber auch gute Ar- gumente gegen den Militäreinsatz gehört und mir eine Entscheidung nicht leicht gemacht . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Ter- rororganisation „Islamischer Staat“ zu . Stefan Zierke (SPD): Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei- nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen- bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli- cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in  dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris- tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss  gewann  und  in  den  von  ihr  kontrollierten  Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar- länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den „Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter- nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf . Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie- genden  Syrien-Konflikt  letztlich  nur  eine  politische  Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre- gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge- setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine  führende Rolle  in diesem Konflikt zu verschaffen.  Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu- manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem- ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi- schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in  Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie- hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge- setzt . Seide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, USA und Russland . Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son- dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar- beitsgruppen  unter  Einbeziehung  der  Konfliktpartei- en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet  wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah- ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund- lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.  Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge- sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra- gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men- schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh- ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen . Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha- ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten . Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz- ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre- gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor- den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in  ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs-  und  Luftbetankungsflugzeuge  sowie  eine  Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ- gers . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14269 (A) (C) (B) (D) Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge- gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro- päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa . Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä- gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri- sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege- lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss . Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro- rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah- men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter- rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re- solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz- zufluss  an  ISIS – oftmals durch  staatliche  Institutionen  geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande- ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus- bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek- trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren- gungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge- nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga- be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin- nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver- sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei- gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus- zubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung gan- zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte . Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein- zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die- ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien  mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht- linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach- barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma- nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An- satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En- gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part- nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt- schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit- wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri- sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen . Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver- abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be- kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen . Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf- einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft- licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta- bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514270 (A) (C) (B) (D) zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir . Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be- waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Brigitte Zypries (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen- hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi- vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Nach dem völkerrechts- widrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheits- ratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und sie – unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite – zu vernichten . Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einer re- gional und international beeinflussten militärischen Aus- einandersetzung eskaliert . Insbesondere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS hat seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen. Sie hat  in  den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet und vor einiger Zeit einen Stra- tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer Syriens und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu- tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti- on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus- geht . Ich  bin  überzeugt,  dass  es  für  den  Syrien-Konflikt  nur eine politische Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenmi- nister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Die Vereinten Nationen und ihr Sonderbeauftragter, Staffan Domingo de Mistura, sollen eine führende Rolle in diesem Konflikt haben. Eine ers- te Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro- zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat  sich Bundesaußenminister Steinmeier mit Nachdruck für die Einbeziehung auch von Iran und Saudi Arabien ein- gesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Mit den Erklärungen der Wiener-Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver- einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.  Den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Kon- flikts zu gründen, halte ich für richtig. Wir brauchen das  kontinuierliche Gespräch, damit aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden kann, die eine politische Konfliktre- gelung hoffentlich ermöglicht . Die Terrorgruppe ISIS kann weder Verhandlungspart- ner sein, noch will sie es sein . Daher hat die Bundesregie- rung letztes Jahr entschieden, die kurdische Regionalre- gierung im Nordirak – in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung – mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge- biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen  beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren . Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe- ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur  Zurückdrängung von ISIS im Nordirak, Frankreich und die internationale Allianz mit militärischen Mitteln in ihrem Kampf gegen ISIS zu unterstützen . Die Bundes- regierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich ange- boten, Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie  eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug- trägers zur Verfügung zu stellen . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi- litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man- dat der Bundesregierung zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement jetzt nicht auf das Militärische begrenzt, sondern sich weiter im politischen Friedensprozess engagiert . Die mit dem Wiener-Prozess erlangte Chance für eine politische Re- gelung des Syrienkrieges wird die Bundesregierung zu- sammen mit ihren Partnern nutzen . Wichtig ist auch, dass die Bundesregierung ihre Akti- vitäten gegen den internationalen Terrorismus im Allge- meinen und gegen ISIS im Besonderen verstärkt . Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsrats- resolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbe- sondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführ- ten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewen- det werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen  sowie  der  ungehinderte  Finanzzufluss  an  Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14271 (A) (C) (B) (D) ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbun- den werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu . Mit der Bundesregierung halte auch ich die Rechts- grundlage für den Einsatz für gegeben . Der Wissen- schaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat ein umfassendes Gutachten dazu vorgelegt und kommt zu folgenden Ergebnis: Artikel 24 Absatz 2 GG (in Ver- bindung mit Artikel 42 Absatz 7 EUV und der VN-Re- solution 2249) bildet eine vertretbare Rechtsgrundlage, wenn man für Artikel 24 Absatz 2 GG neben der Ein- bindung in kollektive Sicherheitsstrukturen auch die Ein- bindung in kollektive Verteidigungsstrukturen zulässt . Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, das für Artikel 24 Absatz 2 GG eine glaubwürdige kollektive Einbindung von Bundeswehreinsätzen in überstaatliche multilaterale Strukturen fordert und in diesem Zusam- menhang Systeme kollektiver Sicherheit und Systeme kollektiver Verteidigung als gleichwertig ansieht . Wir dürfen in Deutschland nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwi- ckelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS sel- ber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flücht- linge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegen- teil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallel- gesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Das ist eine der großen politischen Aufgabe in den nächsten Jahren . Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf- te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu . Anlage 13 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 939 . Sitzung am 27 . No- vember 2015 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Zweites Gesetz zur Änderung agrarmarktrechtli- cher Bestimmungen – Gesetz zur Neuorganisation der Zollverwaltung – Gesetz zur Reform der Strukturen der Kranken- hausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) – Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativ- versorgung in Deutschland (Hospiz- und Palliativ- gesetz – HPG) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass der Geset- zesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 5 . No- vember 2015 zu der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland wesentliche Inhalte der Stellungnahme des Bundesrates vom 12 . Juni 2015, vgl . BR-Druck- sache 195/15 (Beschluss), unberücksichtigt lässt . Das von der Bundesregierung eingebrachte und nun im Wesentlichen unveränderte Gesetz berücksichtigt bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der Palliativ- versorgung  in Deutschland den Bereich der pflegeri- schen Versorgung nicht in ausreichendem Umfang . Die Länder hatten in ihrer umfassenden Stellung- nahme Lösungsvorschläge zu einer bedarfsgerechten Berücksichtigung des palliativen und hospizlichen Leistungsangebotes  in  vollstationären  pflegerischen  Einrichtungen  und  deren  Gegenfinanzierung  unter- breitet, die nun nicht zum Tragen kommen . 2 . Das Gesetz berücksichtigt nicht, dass eine Ergänzung des Leistungskatalogs des § 28 SGB XI und der Rah- menverträge nach § 75 SGB XI um Maßnahmen der Sterbebegleitung über eine reine gesetzgeberische Klarstellung hinausgeht . Mit dem Ziel, die Bedürfnis- se sterbender Menschen nach einer umfassenden me- dizinischen, pflegerischen, psychosozialen und spiritu- ellen Betreuung und Begleitung, die der individuellen Lebenssituation und dem hospizlich-palliativen Ver- sorgungsbedarf Rechnung trägt, bei der Erbringung von Pflegeleistungen zu berücksichtigen (vgl. Begrün- dung zu § 28 SGB XI), ist eine erhöhte Leistungser- wartung verbunden . 3 . Da eine ergänzte Leistungserwartung die Frage von Mehrkosten  und  ihrer  Gegenfinanzierung  aufwirft,  fordert der Bundesrat, hierzu eine Regelung zu treffen . Eine weitere finanzielle Belastung der Pflegebedürfti- gen und der Träger der Sozialhilfe gilt es hierbei vor dem Hintergrund des bestehenden Teilleistungssys- tems der Pflegeversicherung zu vermeiden.  4 . In diesem Zusammenhang ist auch die Finanzierung der besonderen medizinischen Behandlungspflege für  Patientinnen und Patienten in der letzten Lebensphase in Pflegeheimen zu überprüfen.  5 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zeit- nah die vom Bundesrat eingeforderten Verbesserungen in der hospizlichen und palliativen Versorgung im Be- reich der pflegerischen Versorgung durch entsprechen- de weitere Initiativen umzusetzen . – Gesetz zur Verlängerung der Befristung von Vor- schriften nach den Terrorismusbekämpfungsgeset- zen – Siebtes Besoldungsänderungsgesetz (7. BesÄndG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen För- derung der Selbsttötung – Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2016 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2016) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514272 (A) (C) (B) (D) – Gesetz zur Auswahl und zum Anschluss von Tele- kommunikationsendgeräten – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. Juni 2015 zur Gründung der Asiatischen Infrastruktur-In- vestitionsbank – Gesetz zur Änderung vom 10. Dezember 2014 des Übereinkommens vom 27. Juni 1980 zur Gründung des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe – Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Antrag In die Zukunft investie- ren – Asylsuchende auf ihrem Weg in Arbeit und Ausbildung unterstützen auf Drucksache 18/5095 zu- rückzieht . Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung 17. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Drucksache 18/579 – Unterrichtung durch die Bundesregierung 18. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Drucksache 18/5057 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht nach § 3 des Energieleitungsausbaugeset- zes Drucksachen 18/6270, 18/6410 Nr. 3 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zur Tätigkeit der Verkehrsinfrastrukturfi- nanzierungsgesellschaft im Jahr 2014 Drucksachen 18/5700, 18/5976 Nr. 1.7 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/6607 Nr . A .1 EuB-BReg 50/2015 Drucksache 18/6607 Nr . A .2 EuB-BReg 55/2015 Drucksache 18/6607 Nr . A .3 EuB-BReg 56/2015 Drucksache 18/6607 Nr . A .4 EuB-BReg 57/2015 Drucksache 18/6607 Nr . A .5 EU-Dok 393/2015 Drucksache 18/6607 Nr . A .6 EP P8_TA-PROV(2015)0342 Drucksache 18/6711 Nr . A .1 EU-Dok 400/2015 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/5982 Nr . A .29 Ratsdokument 10807/15 Drucksache 18/6146 Nr . A .10 Ratsdokument 11885/15 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksache 18/6146 Nr . A .11 Ratsdokument 11065/15 Drucksache 18/6607 Nr . A .22 EP P8_TA-PROV(2015)0359 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 18/5286 Nr . A .19 EP P8_TA-PROV(2015)0179 Drucksache 18/6417 Nr . A .25 EP P8_TA-PROV(2015)0293 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 144. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 5 Bundeswehreinsatz gegenTerrororganisation IS TOP 24 Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris TOP 26 Handelsabkommen mit den USA und Kanada TOP 27 Elektronische Zigaretten und Shishas TOP 28 Bericht des 2. Untersuchungsausschusses TOP 29 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814400000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle .

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass
wir vor Eintritt in unsere Tagesordnung noch einen Ge-
schäftsordnungsantrag behandeln müssen . Die Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD haben fristgerecht beantragt,
die heutige Tagesordnung um die Beschlussempfehlung
des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesre-
gierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte
zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation IS zu erweitern und
heute Morgen als ersten Tagesordnungspunkt mit einer
Debattenzeit von 77 Minuten zu beraten .

Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Kollegin
Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1814400100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Präsident hat ausgeführt, worum es bei dieser Aufset-
zungsbitte geht . Wir möchten, dass heute in zweiter und
dritter Lesung über das Bundeswehrmandat zum Einsatz
in Syrien beraten und dann auch darüber abgestimmt
wird . Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch!)


Wenn zwischen den Fraktionen Einvernehmen besteht,
dann geschieht das in der Regel bei solchen Ansinnen
ohne Geschäftsordnungsdebatte . Heute haben wir dieses
Einvernehmen nicht erzielt . Deswegen müssen wir diese
Debatte führen und später darüber abstimmen .

Aber warum haben wir diesen Antrag überhaupt ein-
gebracht? Wir haben ihn eingebracht, weil wir die Ent-
scheidung über dieses Thema für abstimmungsreif hal-
ten. Es gibt ein klar definiertes Mandat. Das ist bekannt, 
seit Frankreich die Bitte an uns gestellt hat, konkrete Un-
terstützung zu leisten . Es gab dann eine Sondersitzung
des Kabinetts, in der dieses Mandat konkretisiert wurde,

und es gab Zeit, in den Fraktionen und in den Ausschüs-
sen darüber zu beraten . In der Befragung der Bundesre-
gierung am Mittwoch standen der Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier und die Bundesverteidigungs-
ministerin Frau von der Leyen zur Verfügung . Es gab
dann die Möglichkeit, bei der Einbringung des Antrags
in der ersten Lesung Fragen zu stellen und alle Bedenken
zu äußern . Deswegen glauben wir, dass alle notwendigen
Informationen gegeben wurden .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


Es mag sein, dass trotz dieser Informationen Kollegin-
nen und Kollegen diese Entscheidung heute nicht mittra-
gen und den Antrag ablehnen werden . Die gibt es auch in
den Reihen der SPD-Fraktion . Es sind aber grundsätzli-
che Erwägungen, die diese Entscheidung leiten, und sie
werden sich auch nicht dadurch verändern, dass wir eine
weitere Woche darüber diskutieren . Denn wenn man eine
solche grundsätzliche Einstellung zu militärischen Ein-
sätzen hat, dann wird einen auch weitere Beratungszeit
nicht davon abbringen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die die
Rechtsgrundlage infrage stellen . Sie teilen diese Rechts-
auffassung nicht . Auch das ist zu respektieren . Aber auch
da würde eine weitere Beratung nicht helfen, weil dieses
Mandat nicht verändert werden würde .


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch schon verändert! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierung ist Argumenten nicht zugänglich, heißt das!)


Deswegen würde sich die Entscheidung auch in zwei Wo-
chen nicht auf andere Rechtsgrundlagen stützen . Deswe-
gen sind wir der Meinung, eine weitere Beratung würde
die Entscheidung in all diesen Fragen nicht beeinflussen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Ta-
gen war das Wort „Schweinsgalopp“ zu hören . Als Kritik
wurde geäußert, das sei alles im Hauruckverfahren erfolgt
und man müsse noch ausführlich darüber debattieren .

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514106


(A) (C)



(B) (D)


Es ist kein ungewöhnlicher Vorgang, wie wir in dieser
Woche verfahren haben . Er sollte nicht zur Regel wer-
den, aber es ist wahrlich kein ungewöhnlicher Vorgang .

Ich bin seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages
und habe schon die eine oder andere Frage mitentschie-
den, die noch in ganz anderen Zeitabläufen beraten wur-
de . Ich denke dabei insbesondere an meine Anfangszeit,
als es mich auch sehr beeindruckt hat, in welcher Ge-
schwindigkeit über manches abgestimmt wird .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist nicht lobenswert!)


Ich kann mich noch an Mandate zum Einsatz im Koso-
vo, in Albanien, in Osttimor erinnern . Aber besonders in
Erinnerung ist mir der Afghanistan-Einsatz 2001 . Dafür
gab es am 21 . Dezember einen Kabinettsbeschluss . Er
wurde am 21 . Dezember dem Bundestag zugeleitet . Am
22 . Dezember gab es die erste Lesung im Bundestag .
Es gab die Ausschussberatung am 22 . Dezember . Am
22 . Dezember, also innerhalb von zwei Tagen, gab es
dann auch die zweite und dritte Lesung .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Am besten wir reden gar nicht mehr!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist 2001, wie
man unschwer erkennen kann, unter Rot-Grün gesche-
hen . Das zeigt: Es gibt besondere Situationen, die solche
Zeitabläufe notwendig machen . Bei Afghanistan war das
so . Wir meinen, es ist auch heute so, um Solidarität zu
zeigen mit Frankreich, mit den Bürgerinnen und Bür-
gern, mit dem Ansinnen, das die französische Regierung
an uns gerichtet hat .

Die Fragen, die gestellt wurden, sind beantwortet .
Ich glaube, es ist Zeit, dass wir heute in dieser Debatte
die Hintergründe für die jeweilige Entscheidung austau-
schen – dafür ist Zeit; das sollten wir tun – und dann auch
abstimmen, und zwar heute .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814400200

Die Kollegin Sitte hat nun das Wort für die Fraktion

Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814400300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Lambrecht, es ist kein normaler Vorgang; es ist ein unge-
wöhnliches Verfahren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass Sie ausgerechnet Afghanistan als Beispiel an-
führen! Das ist genau das Beispiel, das uns lehren sollte:
Macht es anders! Lasst euch mehr Zeit! Überlegt mehr!


(Beifall bei der LINKEN – Christine Lambrecht [SPD]: Das ändert nichts an der Grundlage! Das hat nichts mit dem Zeitablauf zu tun!)


Wir wissen ja nach 14 Jahren Afghanistan, wie die Er-
gebnisse sind .

Heute geht es um nichts Geringeres als einen Be-
schluss über den bislang größten Kampfeinsatz der Bun-
deswehr . Wir haben derzeit 3 040 Soldaten im Ausland
im Kampfeinsatz, und heute sollen 1 200 dazukommen .
Das alles soll das Parlament innerhalb von drei Tagen
entscheiden . Das heißt, wir entscheiden hier innerhalb
von drei Tagen, ob Deutschland wieder in den Krieg
zieht oder nicht . Wir wollen uns als Opposition nicht im
Tornado-Tempo in diese Debatte und in diesen Krieg hi-
neinziehen lassen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben schon vor diesen Debatten im Bundestag,
also in der letzten Woche, versucht, Einzelheiten über
den Kampfeinsatz zu erfahren . Es gab verschiedene In-
formationen und von uns immer wieder Nachfragen: Wie
sollen die Einzelheiten dieses Kampfeinsatzes aussehen?
Da haben wir die Information bekommen: Nein; ist noch
nicht bekannt; dazu können wir noch gar nichts sagen . –
So weit, so gut; so weit, so unglaubwürdig,


(Beifall bei der LINKEN)


weil nämlich am letzten Sonntag in den überregionalen
Medien genau diese Informationen gekommen sind .


(Christine Lambrecht [SPD]: Na also!)


Die Journalisten haben gesagt: Uns liegt die Vorlage vor,
die an den Bundestag geht . – Das ist ein unglaublicher
Vorgang, den Sie hier organisiert haben .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christine Lambrecht [SPD]: Das hat mit der Zeit, der dritten Lesung und der Abstimmung nichts zu tun!)


Nicht genug damit, dass uns diese Informationen nicht
schon am Sonntag oder Montag zugegangen sind – sie
sind erst am Dienstag in die Fraktionen gekommen . Erst
am Mittwochmorgen haben reguläre parlamentarische
Beratungen begonnen . Im Zuge der Selbstbefassungs-
rechte der Ausschüsse ist in den normalen Ausschuss-
sitzungen über dieses Mandat geredet worden . Erst am
Nachmittag hat es die erste Lesung zu diesem Mandat im
Plenum gegeben .


(Henning Otte [CDU/CSU]: Ganz übliches Verfahren!)


Das heißt, erst da hatten wir als Parlament eine Grund-
lage, um den gesamten parlamentarischen Verlauf zum
Abschluss zu bringen .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie brauchen doch gar keine Grundlage! Wir könnten ein halbes Jahr diskutieren – Sie wären dagegen!)


Erst am Nachmittag haben Sie dann in Sondersitzun-
gen Ihre mit Mehrheit gefassten Beschlüsse durchge-
bracht . Insgesamt haben die Ausschüsse im Schnitt zwei
Stunden damit verbracht, über dieses heikle Mandat zu

Christine Lambrecht

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14107


(A) (C)



(B) (D)


reden . Viele Fragen sind vollkommen unbeantwortet ge-
blieben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rainer Arnold [SPD]: Welche?)


Was ist in diesen Ausschusssitzungen strittig gewe-
sen? Ich bringe mal eine kleine Auswahl, um auf Frau
Lambrecht zu erwidern und zu zeigen, dass die Fragen
nicht beantwortet worden sind .

Es ist strittig, wie Ihre Strategie im Umgang mit Sy-
rien aussieht .


(Christine Lambrecht [SPD]: Das ist mehrfach von Frau von der Leyen und Herrn Steinmeier erklärt worden! Wer zugehört hat, konnte Informationen bekommen!)


Demzufolge ist strittig, welches Ziel mit diesem Einsatz
verfolgt werden soll .


(Rainer Arnold [SPD]: Reden Sie zur Geschäftsordnung!)


Es ist strittig, warum Deutschland einen Beitrag leisten
soll, mit dem ein Beitrag verstärkt werden soll, den ande-
re schon leisten und der bekanntermaßen nur mit mäßi-
gem oder gar keinem Erfolg geleistet wird .


(Beifall bei der LINKEN – Christine Lambrecht [SPD]: Die inhaltliche Debatte können wir doch gleich führen!)


Es gibt also kein klares Ziel . Demzufolge gibt es auch
keine klaren Kriterien für eine Exit-Strategie .

Strittig ist weiter, warum es keines weiteren UN-Man-
dats bedarf .


(Christine Lambrecht [SPD]: Darüber können wir doch jetzt in der Debatte sprechen!)


Sie verweisen auf eine UN-Resolution und haben zu-
gleich in den Beratungen am Mittwoch hier gesagt, dass
in den vorausgegangenen UN-Resolutionen immer das
Kapitel VII Grundlage gewesen sei .


(Christine Lambrecht [SPD]: Was hat das mit der Aufsetzung zu tun? Das ist eine Geschäftsordnungsdebatte!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814400400

Frau Kollegin, Sie denken bitte daran, dass wir die

Sachdebatte anschließend führen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814400500

Selbstverständlich . – Ausgerechnet in der UN-Resolu-

tion, auf die Sie sich beziehen, taucht das nicht auf . Also
ist es strittig, ob wir eine saubere völkerrechtliche Grund-
lage für den Einsatz haben, den wir heute beschließen
sollen .

Meine Damen und Herren, schließlich ist strittig, wie
das Verfahren zu dem Beistandsfall aussehen muss . Es
gibt kein Beispiel dafür . Das ist das erste Mal in Euro-

pa . Bei NATO-Bündnisfällen muss ein Beschluss gefasst
werden .


(Christine Lambrecht [SPD]: Das ist kein Gegenstand der Geschäftsordnung! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Zur Geschäftsordnung!)


Hier soll eine mündliche Einlassung des französischen
Präsidenten reichen?


(Christine Lambrecht [SPD]: Auch das ist kein Gegenstand der Geschäftsordnung!)


Das ist ein unglaublicher Vorgang . Das müssen wir hier
viel ausführlicher und sauber klären .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist nur eine Auswahl unbeantworteter Fragen . Für
viel problematischer halte ich es, dass Sie sich dieser
Diskussion und einer weiteren Debatte verweigern .


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich halte ich es für unverantwortlich, dass sich
das Parlament in ein Abenteuer stürzt, nicht wissend, ob
die Entscheidung, die es hier und heute fällt, tatsächlich
eine falsche Entscheidung sein könnte . Ich halte es für
unverantwortlich, dass Sie das nicht durch eine weitere
und tiefer gehende Diskussion vorbereiten .

Ich kann Ihnen nur sagen – und damit gebe ich die
Worte eines Kollegen wieder –: Wer aus Solidarität das
Falsche tut, tut dennoch das Falsche .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814400600

Michael Grosse-Brömer hat für die CDU/CSU-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1814400700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Opposition will mit dieser Geschäftsord-
nungsdebatte die notwendige Mandatierung der Bundes-
wehr für einen Einsatz in Syrien für den Kampf gegen
den IS verschieben .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nicht aufsetzen!)


– Nicht durchführen .

Ich halte das für falsch und für wenig verantwortungs-
voll .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will Ihnen das auch gerne erklären . Frau Sitte, wir ha-
ben hier Ihre Ausführungen gehört, aber ich habe keinen
nachvollziehbaren Grund von Ihnen gehört .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Nicht verstanden! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)


Dr. Petra Sitte

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514108


(A) (C)



(B) (D)


Ein erster Grund ist rechtlicher Natur . Wir haben eine
Geschäftsordnung, die unsere Abläufe regelt . Ich sage
Ihnen: Weder haben Sie einen Grund genannt, noch gibt
es einen solchen Grund . Wir haben alle Bestimmungen
des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und der Geschäfts-
ordnung eingehalten . Das ist zunächst einmal die Ar-
beitsgrundlage .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ein zweiter Grund ist inhaltlicher Natur . Man kann in
der Sache unterschiedlicher Auffassung sein .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!)


Es geht aber nicht nur um die inhaltliche Frage, sondern
auch darum, wann man debattiert .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!)


Hier aber zu behaupten, Sie hätten gar keine Möglich-
keit, das Mandat überzeugend zu bewerten, das grenzt ja
nun wirklich an Heuchelei .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben das zwei Mal im Ausschuss beraten . Es gab
eine Regierungsbefragung dazu . Wir haben ausführlich
darüber debattiert . Wir können ja auch in der nächsten
oder übernächsten Woche abstimmen . Vielleicht kann
sich jetzt einmal der Kollege von den Linken melden, der
in der nächsten Woche eine völlig andere Auffassung zu
diesem Mandat haben wird und der völlig anders abstim-
men wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Einer!)


Ich will noch etwas zu der Frage sagen, ob man den
Inhalt überzeugend bewerten kann oder nicht überzeu-
gend bewerten kann .


(Zurufe von der LINKEN)


Ich danke Frau Kollegin Göring-Eckardt, die in der
ersten Debatte Folgendes gesagt hat – ich zitiere –:

Während andere schon am Wochenende mit einem
einfachen Nein

– damit könnten Sie eventuell gemeint sein –


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein!)


oder einem bedingungslosen Ja entschieden haben,
haben wir

– also die Grünen –

das vorliegende Mandat sehr bewusst ausgiebig ge-
prüft und debattiert . Ich kann nur sagen: Sie haben
uns nicht überzeugt .

Letzteres  finde  ich  schade,  aber  Ersteres  dokumen-
tiert, dass Sie umfangreich informiert worden sind und
umfangreich debattiert haben . Sie müssen heute nur noch
entscheiden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deswegen will ich Ihnen eines sagen: Es sind weder
rechtliche Gründe noch inhaltliche Gründe, es sind poli-

tische Gründe für die Opposition, heute diese GO-Debat-
te zu machen . Das kann ich Ihnen ganz einfach erklären:
Sie sind entscheidungsfähig, aber Sie wollen nicht ent-
scheiden . Sie wollen vertagen, verschieben, verschlep-
pen, und wir als Koalition wollen unserer Verpflichtung, 
Deutschlands Rolle in der Welt gerecht werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen den Soldaten zeigen: Wir sind entscheidungs-
fähig . Wir wollen Frankreich zeigen: Wir versprechen
nicht nur Solidarität, wir sind auch in der Lage, sie um-
zusetzen . Letztlich wollen wir Deutschlands Rolle beim
Kampf gegen den internationalen Terrorismus auch ver-
nünftig mandatieren,


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie wollen Völkerrecht brechen!)


und zwar zügig, überzeugend, rechtlich einwandfrei .
Und wenn Sie klug sind, machen Sie da noch mit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814400800

Britta Haßelmann hat das Wort für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814400900

Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine Damen und

Herren auf den Besuchertribünen! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Inhaltliche Gründe, warum Sie diesen
Tagesordnungspunkt heute aufsetzen wollen und warum
Sie heute über das Mandat entscheiden wollen, haben
weder Frau Lambrecht noch Herr Grosse-Brömer gelie-
fert . Meine Damen und Herren, das muss man doch mal
festhalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Christine Lambrecht [SPD]: Das ist entscheidungsreif!)


Ich meine, Ihre Erklärung, Frau Lambrecht, die wäre mir
peinlich gewesen, abgrundtief peinlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage nur etwas zum Beratungsverfahren . Meine
Damen und Herren Zuhörende, es ist nicht üblich, dass
man ein Bundeswehrmandat von einer solchen Tragweite
innerhalb von einer Woche berät und durch das Parla-
ment bringt . Deshalb müssen heute auch Union und SPD
um Aufsetzung bitten; denn bisher war gar nicht vorge-
sehen, dass wir darüber diskutieren . Also: Kein normaler
Vorgang, sondern eine besondere Situation, und die ist
aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Christine Lambrecht [SPD]: Nach der Geschäftsordnung!)


Michael Grosse-Brömer

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14109


(A) (C)



(B) (D)


Denn wir haben noch weitere Sitzungen in diesem Jahr in
der übernächsten Woche .


(Thomas Oppermann [SPD]: Im nächsten Jahr haben wir auch noch ein paar!)


Deshalb könnten in aller Sorgfalt und in aller Ausführ-
lichkeit in den Fachausschüssen auch in der nächsten Sit-
zungswoche noch offene Fragen diskutiert und beraten
werden .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Alles geschehen! – Christine Lambrecht [SPD]: Alles geschehen!)


– Alle, die dazwischenbrüllen, das sei geschehen, sind
anscheinend ein bisschen aufgeregt ob der Tatsache, dass
sich vielleicht noch mehr Widersprüche im Mandat ent-
wickeln könnten, wenn die Beratungszeit sich verlängert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht zur Sache
reden – das machen gleich andere –, aber die Beratungen
im Auswärtigen Ausschuss haben das doch gezeigt im
Hinblick auf die Rolle der Türkei und die Frage „Liefert
man Bilder, ja oder nein?“ . Da ist das Mandat inzwischen
verändert worden – innerhalb von drei Tagen, in denen es
uns vorliegt .

Zur Chronologie . Ich will Ihnen erklären, warum wir
heute nicht dafür sind und warum wir finden, dass man 
mit mehr Sorgfalt und Ausführlichkeit beraten muss . Uni-
on und SPD befinden sich doch hier im Kosmos dieses 
Parlamentes . Außerhalb dieses Parlamentes haben wahn-
sinnig viele Leute Verständnis dafür, dass in Sorgfalt und
Ruhe über einen so weitgehenden Einsatz beraten wird .
Das findet hier statt . Die Selbstversicherung „Wir sind
bereit, wir sind die Große Koalition“ ist der Sache nicht
angemessen, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir wurden am Donnerstag letzter Woche 30 Minu-
ten lang vom Außenminister über Gespräche zwischen
Frankreich und Deutschland informiert . Wir haben eine
Regierungsbefragung zum Mandat durchgeführt . Die hat
30 Minuten gedauert .


(Christine Lambrecht [SPD]: Haben wir doch so vereinbart!)


Wir haben 77 Minuten im deutschen Parlament über die-
sen Einsatz diskutiert . Ich will nur mal auf die Briten ver-
weisen . Die haben zehn Stunden im Parlament über das
Für und Wider eines Syrien-Einsatzes debattiert


(Niels Annen [SPD]: Und sofort entschieden!)


und nicht 77 Minuten oder am Ende dieses Tages zweimal
77 Minuten, meine Damen und Herren . Völlig falsch!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Wir haben fünf Stunden Verteidigungsausschuss gehabt! – Christine Lambrecht [SPD]: Es kommt doch auf die Qualität und nicht auf die Quantität an!)


Am Sonntag hat uns der Generalinspekteur der Bun-
deswehr schon mal via Bild am Sonntag die Details zum
Mandat präsentiert . Wir als Parlamentarier kannten sie
nicht . Am Montagmorgen berichteten Tagesschau, Der
Spiegel, dpa ausführlich über das Mandat . Es lag allen
drei Medien vor, im Gegensatz zum Parlament . Am
Dienstag bekamen wir dann auch den Mandatstext ge-
liefert . Am Mittwoch fand die erste und gleichzeitig auch
abschließende Ausschussberatung statt . So viel zum The-
ma „Sorgfalt der Beratungen“ . Heute debattieren wir in
abschließender Lesung . Es kann doch nicht sein, dass
man weder die Bundeswehr noch das Mandat noch das
Parlament ernst nimmt, meine Damen und Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es gibt dafür keinen sachlichen Grund . Es gibt ihn nicht .
Sie beide haben ihn nicht geliefert . Ich glaube, dass der
Grund der ist, dass die SPD Bundesparteitag hat und dass
dann unbequeme Fragen gestellt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Heute Morgen sagte Thomas Oppermann im Morgen-
magazin: Parlamentsarmee heißt nicht, dass wir wochen-
lang diskutieren müssen . – Das verlangt auch niemand .


(Christine Lambrecht [SPD]: Doch!)


Aber es muss eine anständige und sorgfältige Diskussion
geben und kein Schnellverfahren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die gibt es doch gleich!)


Euch steht doch das Wasser bis zum Hals angesichts eu-
res Parteitages . Das ist doch das Problem .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das wird nichts mit Rot-Grün!)


Meine Damen und Herren, es gibt viele offene Fra-
gen . Es gibt keine Auskünfte zu den Einsatzregeln und
-beschränkungen .

Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen: Sie neh-
men doch den einzelnen Abgeordneten nicht ernst, ob
aus unserer Fraktion oder aus ihren Fraktionen . Deshalb
überrascht es mich so, dass Sie alle das als Abgeordnete
mitmachen . Wir sind doch selbstbewusste Abgeordnete .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814401000


Frau Kollegin .

Britta Haßelmann

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514110


(A) (C)



(B) (D)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814401100

Wir wollen doch sagen können: Wir haben das zu ver-

antworten und deshalb sorgfältig geprüft . – Wo bleibt ei-
gentlich Ihr Standing, verdammt noch mal?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/ CSU: Oh!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814401200

Wir kommen zur Abstimmung . Wer für den Aufset-

zungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Aufsetzungsantrag angenommen .

Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 5 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Auswärtigen Ausschusses

(3 . Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesre-

gierung

Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte
zur Verhütung und Unterbindung terroris-
tischer Handlungen durch die Terrororga-
nisation IS auf Grundlage von Artikel 51
der Satzung der Vereinten Nationen in Ver-
bindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertra-
ges über die Europäische Union sowie den
Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249

(2015) des Sicherheitsrates der Vereinten

Nationen

Drucksachen 18/6866, 18/6912


(8 . Ausschuss)


Drucksache 18/6913

Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Frakti-
on Die Linke vor . Über die Beschlussempfehlung sowie
über einen Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke
werden wir später namentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Das ist offen-
kundig einvernehmlich . Dann verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1814401300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Anschläge von Paris werden sich ins europäische
Gedächtnis einbrennen . Ebenso müssen wir an andere
Gewaltorte erinnern – Sindschar, Aleppo, Beirut, Bag-
dad, Bamako und viele andere Orte –, in denen der IS so
brutal und grenzenlos zugeschlagen hat . Meine Fraktion
ist überzeugt: Es gibt keine isolierte militärische Lösung
gegen diesen gewaltsamen Extremismus . Aber der „Isla-
mische Staat“ muss eingedämmt werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, anders als mancher glaubt,
scheint es im Bundestag dazu eine gemeinsame Auffas-
sung zu geben, zumindest gewinnt man den Eindruck,
wenn man sich einige Einträge im Netz anschaut . Mit Er-
laubnis des Präsidenten würde ich gerne zitieren:

Ich fahre jetzt zur türkisch-syrischen Grenze . Soli-
darität mit den tapferen kurdischen Kämpferinnen!
Halte Stand, Kobane .

Annette Groth, Fraktion Die Linke, 5 . Oktober 2014 .


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Kobane befreit vom Joch der ISIS . . . Es lebe der Wi-
derstand in Kobane .

Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke. 

. . . eine wichtige Erfolgsmeldung: . . . die Stadt . . .

(Sindschar) . . . vom IS zu befreien . . . . Möglich wur-

de die Befreiung . . . durch eine breite Allianz kurdi-
scher Gruppierungen, . . . bis hin zu den Peschmerga
der irakisch-kurdischen Regionalregierung .

Ulla Jelpke, Die Linke, 19 . November 2015 .


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben eines
übersehen – offensichtlich haben Sie sich gescheut, es
aufzuschreiben –: Es waren auch die Angriffe aus der
Luft und die Unterstützung vonseiten Deutschlands bei
der Ausbildung der Peschmerga, die genau dazu geführt
haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Die Kurden haben Sindschar befreit!)


Ich werfe Ihnen das nicht vor – man kann das ja mal über-
sehen –, nur, ich bitte um Redlichkeit . Vielleicht stellen
Sie sich auch mal hier in den Deutschen Bundestag und
sagen: Ja, vielleicht bin ich auch zerrissen .

Ich sage: Ich bin stolz, Mitglied einer sozialdemo-
kratischen Bundestagsfraktion zu sein, die diese Zerris-
senheit und eine lange Debatte in der Fraktion zulässt;
möglicherweise ringt der eine oder andere Kollege hier
noch mit sich.  Ich finde, das  ist Parlamentarismus, und 
das müssen Sie zeigen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Man-
dat stellt Deutschland militärische Technik und mili-
tärisches Gerät zur Verfügung, die andere Nationen so
nicht bieten . Wir glauben, das ist angemessen und poli-
tisch vertretbar.  Insbesondere  ist  festzuhalten: Es findet 
nicht alleine statt . Damit folgen wir der grundsätzlichen
Festlegung, die wir hier im Deutschen Bundestag, in der
Bundesregierung, aber auch in Europa getroffen haben .
Wir agieren immer gemeinsam mit europäischen Part-
nern und bieten das an, was wir politisch verantworten
können . Das ist, glaube ich, die Essenz der Diskussion
hier im Deutschen Bundestag .

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14111


(A) (C)



(B) (D)


Es gibt in der Mandatsbegründung überzeugende
rechtliche Herleitungen . Die Resolutionen sind ange-
sprochen worden . Insbesondere die UN-Sicherheits-
ratsresolution 2249 hat in den Beratungen eine wichtige
Rolle gespielt . Ich möchte die Resolution 2249 zitieren,
die mit allen Stimmen des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen beschlossen worden ist . Da wird von „einer der
schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der inter-
nationalen Sicherheit“ gesprochen; das ist der Bezug zur
Charta der Vereinten Nationen . Die Staatengemeinschaft
wird aufgefordert, die Bedrohung „mit allen Mitteln zu
bekämpfen“ . Es wird in der Sicherheitsratsresolution da-
rauf hingewiesen, dass auch die irakische Regierung um
den Einsatz gebeten hat, weil eine Bedrohung des iraki-
schen Gebiets von außen, durch  ISIS,  stattfindet. –  Ich 
finde, das sind drei Bemerkungen, drei Festlegungen des 
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die so deutlich
sind, dass diese Aufforderung auch trägt . – Das ist die
eine Sache .

Die zweite Sache . Die Bundesregierung war genauso
klug beraten, als sie sich entschied, den Lissabon-Vertrag
in der Mandatsbegründung anzuführen, im Hinblick auf
die Solidarität zu Frankreich, aber auch zu vielen anderen
Nationen, die in den vergangenen Jahren von islamisti-
schem Terror betroffen waren . Artikel 42 (7) EUV trägt
als Grundlage einer europäischen Politik . Was wollen Sie
eigentlich gegen eine solche europäische Politik einwen-
den? Da bekennt sich Deutschland letztlich doch zu dem,
was diese Gemeinschaft wertvoll gemacht hat, nämlich
europäische Solidarität zu üben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der letzte Punkt – ihn hat der Justizminister einge-
bracht –: der Bezug des Mandats auf das System kollekti-
ver Sicherheit, also auf das, was das Bundesverfassungs-
gericht von uns verlangt .

In der Tat: Kapitel VII der UN-Charta ist in der Man-
datsbegründung nicht ausdrücklich erwähnt . Aber das
hat leider auch etwas mit der internationalen Situation zu
tun, mit der Erfahrung aus Libyen – gar keine Frage –,
aber auch damit, dass es keine Einigkeit über die Zukunft
von Assad gibt . Genau deswegen führen wir doch die Ge-
spräche in Wien: damit wir ein gemeinsames politisches
Konzept für Syrien erreichen . In der Sicherheitsratsreso-
lution 2249 wird ausdrücklich gewürdigt – das wollen
Sie nicht wahrhaben –, dass sich dieses Mandat inner-
halb des politischen Rahmens der Konferenz von Wien
befindet, die die Bundesregierung und viele andere euro-
päische Regierungen erst möglich gemacht haben . – Ich
finde, das ist auch unter Berücksichtigung der rechtlichen 
Fragen, die gestellt sind, eine gute Herleitung .

Meine Damen und Herren, ich finde, dass gerade das, 
was die Bundesregierung in den letzten Wochen im Rah-
men der Debatte immer wieder gefordert hat, nämlich die
Stärkung der Vereinten Nationen, eines der wichtigsten
Argumente für die Solidarität ist, die Deutschland üben
sollte. Der Einsatz findet in einem System kollektiver Si-
cherheit statt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Welches System denn? Welches?)


Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
stand die Charta der Vereinten Nationen im Mittelpunkt;
es war uns wichtig, die Instrumentarien, die die Vereinten
Nationen vorhalten, zu nutzen . Es war der deutsche Au-
ßenminister, der de Mistura, den Beauftragten des Gene-
ralsekretärs der Vereinten Nationen, endlich in Wien an
den Tisch gebracht hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dort wurden der Zeitplan und letztlich auch die Ziele
verabredet, die da lauten: lokale Waffenruhen, Über-
gangsregierung und Wahlen .

Heute Morgen war zu lesen, dass Ban Ki-moon, der
Generalsekretär der Vereinten Nationen, gesagt hat, dass
er hofft und mit der internationalen Staatengemeinschaft
dafür arbeitet, dass es gelingt, zu dieser Waffenruhe zu
kommen . Es wäre schon ein Fortschritt, lokale Waffen-
ruhen zu vereinbaren . Wir Sozialdemokraten wollen
gleichzeitig – auch das ist Bestandteil der Verabredungen
von Wien – endlich das Finanzsystem austrocknen,


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Endlich!)


das dem IS diese Möglichkeiten erlaubt, und auch die
Hintermänner dingfest machen . Genau das wird auch in
der Resolution 2170 des Sicherheitsrates gefordert .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen sagen wir sehr selbstbewusst, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen: Es lohnt sich, innerhalb des Sys-
tems der Vereinten Nationen an der Verwirklichung des
Ziels – das wir alle im Deutschen Bundestag haben –,
in Syrien, aber auch in anderen Gebieten so schnell wie
möglich zum Frieden zu kommen, zu arbeiten . Das ha-
ben wir in den vergangenen Jahren im Rahmen einer
politischen Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten
immer wieder versucht .

Ich kann mich an die eine oder andere kritische Be-
merkung von Ihnen erinnern . Sie haben gesagt: Eine Ei-
nigung mit dem Iran wird nie gelingen, Sie brauchen sich
nicht auf den Pfad der Vereinten Nationen zu begeben . –
Wir stimmen heute auch darüber ab, dass das ein gutes
Mittel ist . Das Ziel Deutschlands bleibt es, Frieden für
die Menschen in Syrien zu erreichen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dennoch will ich darauf hinweisen – auch wenn es
eine entsprechende Verabredung im Rahmen der Ver-
einten Nationen in Wien gegeben hat –, dass für meine
Fraktion feststeht: Die Vereinbarung von Wien darf nicht
die Verfolgung schlimmster Verbrechen in Syrien verhin-
dern . Deswegen bin ich der Bundesregierung dankbar,
dass unter der deutschen Präsidentschaft im Menschen-
rechtsrat Dossiers über schwerste Menschenrechtsver-
letzungen erstellt wurden . Die internationale Strafjustiz
muss in den nächsten Jahren über die dafür Verantwort-
lichen entscheiden . Genau dahin wird die Entwicklung
gehen . Das ist auch ein Teil des Systems der Vereinten
Nationen . Ich wäre dankbar, wenn Sie zumindest diese

Dr. Rolf Mützenich

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514112


(A) (C)



(B) (D)


Möglichkeit weiterhin ins Auge fassen und uns bei dieser
wichtigen Arbeit unterstützen würden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen . Meine
Fraktion hätte heute gerne einen gemeinsamen Entschlie-
ßungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Ich fin-
de es schade, Herr Kollege Kauder, dass es dazu nicht
gekommen ist .


(Beifall bei der SPD)


Es gibt viele Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord-
nung . Gerade weil es auch um den politischen Rahmen
dieser Frage geht, hätte eine selbstbewusste Koalition
hier und heute einen Entschließungsantrag vorlegen kön-
nen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch an die Bundesregierung habe ich eine Bitte . Ich
weiß, wie wichtig der Partner Saudi-Arabien gerade im
Zusammenhang mit der Zusammenführung von Opposi-
tionsparteien ist, die wichtig sind, um die in Wien verein-
barte Lösung umzusetzen. Aber ich finde dennoch, dass 
öffentlich auch angesprochen werden muss: Die Staats-
ideologie Saudi-Arabiens ist ein Teil des Nährbodens für
den „Islamischen Staat“; das gehört nach meinem Dafür-
halten zu einer ehrlichen Debatte dazu .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe es eben angesprochen: Meine Fraktion hat
sich wirklich Zeit genommen, um über das Mandat zu
beraten . Einige meiner Kolleginnen und Kollegen haben
die Befürchtung geäußert, das Mandat könnte das Risi-
ko von Anschlägen in Deutschland erhöhen . Ich kann
das persönlich nicht ausschließen . Aber ich will deutlich
sagen: Deutschland ist längst im Fokus des internatio-
nalen Terrorismus . Es ist dem Zufall, dem Glück, aber
auch der Aufklärungsarbeit zu verdanken, dass das eine
oder andere verhindert wurde . Ich glaube, die Terroristen
in Paris haben ganz bewusst das Fußballspiel Deutsch-
land gegen Frankreich als Ziel gewählt; denn dann wä-
ren noch mehr deutsche Terroropfer unter den Verletzten
oder Toten gewesen . Der entscheidende Punkt wird sein,
ob auch die Gesellschaft in Deutschland es versteht, mit
dieser Herausforderung umzugehen .

Ich erinnere mich: Vor zweieinhalb, drei Jahren habe
ich in einer Schule mit, glaube ich, 150 Schülerinnen und
Schülern diskutiert . Dort musste ich eine Diskussion mit
einem Jungen, der 17 oder 18 Jahre alt war, führen, der
der Meinung war: Eigentlich ist das Kalifat besser als
die Demokratie . Ich war entsetzt . Ich habe mich dieser
Diskussion gestellt, aber ich war entsetzt, wie teilnahms-
los Schülerinnen und Schüler und Lehrer dieser Debat-
te gefolgt sind . Ich habe mir schon damals gewünscht,
dass eine Auseinandersetzung stattfinden würde. Sie  ist 
dringend notwendig . Diese Auseinandersetzung müssen
wir jetzt führen, weil es letztlich eine Angelegenheit der
gesamten Gesellschaft ist, dagegen vorzugehen . Deswe-
gen appelliere ich auch von dieser Stelle: Das ist eine

Aufgabe des gesellschaftspolitischen Dialogs – in allen
Institutionen, nicht nur in diesem Parlament, sondern in
der gesamten Gesellschaft .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen: Wir müssen festhalten an sozialer Demokra-
tie, an Freiheit und an Respekt; denn das sind die besten
Mittel im Kampf gegen einen gewaltsamen Extremis-
mus .

Vielen Dank .


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814401400

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Sahra

Wagenknecht das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814401500

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Bundeskanzlerin! Bei der bewegenden Trauerfeier
vor einer Woche in Paris zum Gedenken an die Opfer
der Terroranschläge wurde das Lied Quand on n’a que
l’amour des großen Chansonniers und Pazifisten Jacques 
Brel gesungen, das in krassem Kontrast zur Kriegsrheto-
rik des französischen Präsidenten stand .

Quand on n’a que l’amour
Pour parler aux canons . . .

Wenn man nur die Liebe hat, um zu den Kanonen zu spre-
chen . – Das ganze Lied ist eine Hommage an die Liebe
und an den Frieden und eine klare Absage an Gewalt und
Krieg . Die Zeremonie wurde auch hier in Deutschland
übertragen . Ich wünschte, Sie alle, die heute zustimmen
wollen, hätten dieses Lied gehört und seine Botschaft
verstanden .


(Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Die Franzosen haben es auch gehört und verstanden!)


Vor genau drei Wochen sind in Paris 130 Menschen
einem barbarischen Terrorakt zum Opfer gefallen . Die
Täter waren nahezu ausschließlich französische und bel-
gische Staatsbürger, aufgewachsen in den verwilderten
Vorstädten von Brüssel und Paris . Und jetzt stellen Sie
sich hin und sagen, dass wir den IS dadurch schwächen
und bekämpfen, dass wir ebenso unschuldige Menschen,
Frauen und Kinder in Rakka und anderen syrischen Städ-
ten, bombardieren und dadurch töten . Was ist denn das
für ein Wahnsinn? Ich frage Sie: In welchem Jahrhundert
leben wir eigentlich?


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie hier sagen, Sie haben sich das gar nicht
leicht gemacht und darüber nachgedacht und wir, die wir
Nein sagen, hätten keinen Plan, wie man das anders ma-
chen kann, dann sage ich: Doch, es gibt einen anderen
Plan . Es gibt nur einen anderen Plan . Krieg macht al-

Dr. Rolf Mützenich

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14113


(A) (C)



(B) (D)


les nur noch schlimmer . Sie bekämpfen den IS dadurch
nicht . Sie werden ihn stärken mit diesem Einsatz .


(Beifall bei der LINKEN)


Rakka ist eine Stadt mit 200 000 Einwohnern . Bei
den letzten Bombardements wurden Krankenhäuser und
Schulen getroffen. Es gibt keine offiziellen Zahlen über 
die Opfer, aber man kann fest davon ausgehen, dass al-
lein der Bombenkrieg der letzten drei Wochen in Syrien
mehr Zivilisten getötet hat als die barbarischen Anschlä-
ge in Paris . Und auch die Mütter von Rakka weinen um
ihre Kinder . Auch Bombenkrieg ist Terror .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wollen die kriegführenden Staaten wirklich in einen
Wettstreit mit dem IS treten, wer sich aufs Morden besser
versteht? Wer das tut, der hat doch schon verloren .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Eine unerhörte Argumentation! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Mord ist Mord!)


Der französische Wirtschaftsminister Macron hat nach
den Anschlägen gesagt, die französische Gesellschaft sei
„für den Nährboden“ verantwortlich, auf dem der Terror
gedeihen kann .


(Marcus Held [SPD]: Jetzt geht es aber los!)


Gegen das „Gleichheitsversprechen“ – alles Zitat
Macron – der französischen Republik werde tagtäglich
verstoßen . „Wir haben die sozialen Aufstiegsmöglichkei-
ten beendet“, sagte er . – Sie behaupten, Sie wollen mit
Frankreich solidarisch sein . Ich frage Sie: Mit welchem
Frankreich? Mit dem der politischen Klasse, das auch
schon in der Vergangenheit schlimmste Kriege verant-
wortet hat – ich erinnere nur an den in Algerien –, oder
mit der französischen Bevölkerung, die vor allem in Frie-
den und Sicherheit leben will?


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg . Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ich sage Ihnen: Wenn Sie echte Freundschaft und
echte Solidarität mit Frankreich wollen, dann sollten Sie
beispielsweise aufhören, diesem Land über Brüssel eine
Austeritätspolitik aufzuzwingen, die immer mehr junge
Menschen ihrer Zukunft beraubt . Das wäre echte Solida-
rität . Da könnten Sie mal einen Schritt vorangehen .


(Beifall bei der LINKEN – Marcus Held [SPD]: Unglaublich!)


Deshalb noch einmal: Es ist eine schlichte Lüge, dass
dieser Kriegseinsatz den IS schwächen wird . Das ist auch
der Unterschied zum Kampf der kurdischen Verbände
vor Ort .


(Beifall des Abg . Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE])


Vielleicht konnte man vor 14 Jahren noch glauben, dass
sich das Problem des Terrorismus durch Bombenkrie-
ge lösen lässt, aber heute doch nicht mehr, nach all den
Erfahrungen, die gemacht wurden . 2001 haben Sie ent-
schieden, die Bundeswehr nach Afghanistan zu schicken .
Seit 14 Jahren wird dort ein Krieg geführt, dem Tausende

Zivilisten und auch über 50 Bundeswehrsoldaten zum
Opfer gefallen sind . Und was ist das Ergebnis? Heute
haben die Taliban in Afghanistan mehr Rückhalt in der
Bevölkerung als je zuvor . Dieser ganze Krieg war ein
einziger großer Fehlschlag . Sie könnten das ruhig selbst
mal zugeben .


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


2003 ist Bush mit seiner „Koalition der Willigen“ in
den Irak einmarschiert . Saddam Hussein wurde gestürzt .
Sechs Monate später gründete sich der „Islamische
Staat“, und heute beherrscht er den halben Irak . 2011
wurde Libyen bombardiert. Gaddafi wurde gestürzt. Seit-
her herrscht Chaos, und der „Islamische Staat“ hat sich
auch in Libyen etabliert . Und das Gleiche in Syrien . Das
Pentagon hat doch vor kurzem selbst zugegeben, dass di-
verse islamistische Terrorgruppen und anfänglich sogar
der IS von den USA unterstützt wurden, um Assad zu
schwächen . Das ist doch die traurige Wahrheit: Es war
der Westen, und es waren vor allem die Vereinigten Staa-
ten, die das Monster geschaffen haben,


(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)


das uns alle heute in Angst und Schrecken versetzt . Das
ist die Wahrheit; die wollen Sie nicht hören . Aber es ist
das Produkt unserer Kriege, der westlichen Kriege in die-
ser Welt .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814401600

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Janecek

zu?


Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814401700

Bitte schön .


Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814401800

Vielen Dank, Frau Kollegin Wagenknecht, dass Sie

diese Zwischenfrage zulassen . – Auch ich werde wie Sie
gegen diesen Einsatz stimmen . Aber ich frage mich doch
sehr, ob Sie in Ihrer Argumentation nicht etwas einseitig
agieren .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Sie beklagen zu Recht die zivilen Opfer bei den Luft-
schlägen in Rakka . Was ist aber mit den Luftschlägen der
russischen Seite, zum Beispiel in der Region von Homs?
Ich kenne einen syrischen Flüchtling, der genau in dieser
Region seine Familie hat und darüber klagt, dass die rus-
sischen Bomber seit Mitte September hier massive Ein-
sätze mit vielen Opfern fliegen. Dazu kommt kein Wort 
von Ihnen,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Sahra Wagenknecht

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514114


(A) (C)



(B) (D)


kein Wort auch von Herrn Bartsch in der Debatte letzten
Mittwoch .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gerne! Gerne! Überhaupt kein Problem!)


Sind Sie da auf einem Auge blind, dass Sie den Westen
für alles verantwortlich machen, aber die verheerenden
Einsätze der Russen nicht in diesen Kontext stellen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der  SPD  –  Sevim  Dağdelen  [DIE  LINKE]:  Wer lesen kann, ist im Vorteil!)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814401900

Ich finde es  ja wirklich beeindruckend, dass Sie alle 

klatschen, wenn jemand die zivilen Opfer der russischen
Bomben anspricht .


(Zurufe von der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Selbstverständlich sind diese Opfer genauso tragisch
wie die Opfer der Bomben der Franzosen, wie die Opfer
der Bomben der Amerikaner, wie die Opfer aller ande-
ren Bomben . Dieser Bombenkrieg ist das falsche Mittel .
Bomben schaffen keinen Frieden, egal ob sie von Russ-
land, egal ob sie von den USA, egal ob sie von Frank-
reich abgeworfen werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Das haben wir überall so gesagt . Ich habe gestern auf ei-
ner Demonstration hier vor dem Reichstag gesprochen,
zu der wir mit eingeladen hatten . Ich habe dort genau das
Gleiche gesagt .

Es ist doch unehrlich: Sie klatschen und sagen, dass
diese Opfer falsch sind – das ist auch in die Presse ge-
kommen –,


(Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


aber Sie stimmen heute einem Militäreinsatz zu, der ganz
viele weitere Opfer mit sich bringen wird .


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist doch einfach verlogen . Wenn Sie gegen Bomben
sind und wenn Sie die russischen Bomben verurteilen,
dann reichen Sie, bitte schön, nicht mit Ihren Tornados
die Hand dafür, dass dort andere Bomben fallen und Zi-
vilsten töten . Das wäre konsistent, das wäre konsequent .


(Beifall bei der LINKEN)


Dann hätte ich auch Respekt vor Ihnen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir wollen keinen Respekt von Ihnen!)


Natürlich: Ich weiß sehr gut, dass Assad ein Diktator
ist, der sein Land brutal unterdrückt . Aber ich weiß ge-
nauso gut, dass es in Washington noch nie um Demo-
kratie und Menschenrechte ging, wenn in selbstherrlicher
Arroganz darüber entschieden wurde, welche Diktatoren
dieser Welt gestützt und hochgerüstet und welche Dikta-
toren destabilisiert und gestürzt werden sollen . Es ging

doch bei all diesen Kriegen nie um etwas anderes als um
Gas,  um Öl  und  um Einflusssphären.  Für  solche  Ziele 
haben mittlerweile 1,3 Millionen Menschen mit ihrem
Leben bezahlt .


(Henning Otte [CDU/CSU]: Alles Klischees!)


– Klischees? 1,3 Millionen Menschenleben, und Sie re-
den von Klischees? Dieser Zwischenruf kann doch wohl
nicht Ihr Ernst sein! Ich finde das wirklich ungeheuerlich.


(Beifall bei der LINKEN – Matthias Ilgen [SPD]: Sie sind ungeheuerlich!)


Es waren diese Kriege, die den Nahen und Mittleren
Osten in einen Brandherd verwandelt haben, aus dem
heute Millionen Menschen um ihres nackten Überlebens
willen  fliehen.  Es  ist  ein  großes Versagen  der  europäi-
schen Politik, den USA bei ihren Kriegen viel zu lange
die Hand gereicht und den Rücken freigehalten zu haben .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


2001, als der sogenannte Krieg gegen den Terror begann,
gab es weltweit einige 100 international gefährliche Ter-
roristen . Heute, nach 14 Jahren des sogenannten Antiter-
rorkrieges, sind es Hunderttausende . Wollen Sie, dass es
Millionen werden? Dann müssen Sie genau so weiterma-
chen und die Spirale aus Krieg und Gewalt immer weiter
antreiben .


(Thomas Hitschler [SPD]: Wann kommt denn Ihr Plan? – Marcus Held [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge?)


Im Jahr 2000 kamen weltweit 3 000 Menschen bei Ter-
roranschlägen ums Leben . Im letzten Jahr waren es schon
30 000 . Sie wissen ganz genau, dass Sie mit der heuti-
gen Entscheidung natürlich auch die Anschlagsgefahr in
Deutschland erhöhen . Nein, ich sage Ihnen: Wer den IS
wirklich schwächen will, der muss ihn von Waffen, Fi-
nanzen und Nachschub an neuen Kämpfern abschneiden .


(Beifall bei der LINKEN)


Das heißt, er muss die Courage haben, den Terrorpaten
unter Ihren vermeintlichen Verbündeten, also der Türkei
und den Saudis, endlich das Handwerk zu legen .


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist doch ungeheuerlich, dass der Ölschmuggel über
die türkische Grenze bis heute nicht unterbunden ist und
jede Nacht 100 neue Dschihadisten – zurzeit sind es noch
mehr – diese Grenze überqueren, die den Nachschub des
IS bilden. Ich finde, statt Syrien zu bombardieren, soll-
ten Sie lieber mal Erdogan dazu bringen, endlich sein
falsches Spiel zu beenden . Es ist übrigens auch dieser
Erdogan, der die kurdischen Gruppen, die dort wirklich
tapfer kämpfen, bombardiert, nicht zuletzt auch mit deut-
schen Waffen . Das ist doch der Skandal . Das ist die ganze
Verlogenheit dieser Politik .


(Beifall bei der LINKEN)


Hören Sie auf, Waffen an Saudi-Arabien und Katar zu
liefern! Wir legen heute einen Entschließungsantrag zum
sofortigen Stopp der Waffenexporte an Saudi-Arabien,
Katar, die Türkei und die Kriegsregion vor . Wer diesem
Entschließungsantrag seine Stimme verweigert, der soll

Dieter Janecek

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14115


(A) (C)



(B) (D)


bitte nie wieder von sich behaupten, er wolle den islamis-
tischen Terror schwächen .


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Das ist dann nämlich wirklich pure Heuchelei .


(Beifall bei der LINKEN)


Wer heute zustimmt, der führt Deutschland in einen
Krieg mit völlig unkalkulierbaren Eskalationsgefahren,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Es reicht jetzt! – Gegenruf der Abg . Katja Kipping [DIE LINKE]: Nein, es reicht noch lange nicht! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das müssen Sie sich schon anhören, Herr Kauder!)


in einen Krieg, für den es kein Mandat der Vereinten
Nationen gibt, der völkerrechtswidrig ist und klar dem
Grundgesetz widerspricht; denn weder Frankreich noch
Deutschland werden in Rakka und Aleppo verteidigt .
Wer heute zustimmt, der schickt unsere Soldaten in ei-
nen Krieg, in dem bereits 14 andere Staaten kämpfen:
nebeneinander, miteinander, gegeneinander . Es gibt kei-
ne gemeinsamen Ziele, und es gibt keine gemeinsame
Strategie, noch nicht mal innerhalb der NATO-Staaten,
geschweige denn darüber hinaus .

Die Wiener Friedensgespräche – noch vor einer Wo-
che hatten wir das Gefühl, dass Herr Steinmeier wirklich
ehrlich an deren Erfolg arbeitet –


(Matthias Ilgen [SPD]: Das tut er! – Ulli Nissen [SPD]: Was ist los? Was soll das denn heißen?)


werden durch die Eskalation des Krieges natürlich noch
viel mehr erschwert und nicht etwa erleichtert . Das ist
doch alles verantwortungslos!


(Matthias Ilgen [SPD]: Sie sind verantwortungslos!)


Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, was die soge-
nannten Antiterrorkriege wirklich gebracht haben . Krieg
ist Terror, der neuen Terror hervorbringt .


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sind die zehn Minuten immer noch nicht um?)


Ich sage Ihnen: Das ist so, als wollten Sie Papst
Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert ge-
sagt hat – –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch schon länger als zehn Minuten!)


– Ich bin gleich am Ende .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo! – Na endlich!)


– Sie wollen das nicht hören, aber Sie werden es noch
öfter hören müssen, weil dieser Krieg leider lange dau-
ern wird . – Es ist, wie gesagt, so, als wollten Sie Papst
Julius III . bestätigen, der schon im 16 . Jahrhundert ge-
sagt hat:

Wenn Ihr wüsstet, mit wie wenig Aufwand von
Verstand die Welt regiert wird, so würdet Ihr Euch
wundern .

Aber eine hochgerüstete Welt mit Atomwaffen kann es
sich nicht leisten, ohne Verstand regiert zu werden; denn
das ist einfach zu gefährlich . Deshalb wird die Linke
heute geschlossen gegen diesen Kriegseinsatz stimmen .


(Beifall bei der LINKEN – Matthias Ilgen [SPD]: Sie haben es einfach nicht verstanden! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das war eine Katastrophe! Wirklich beschämend!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814402000

Norbert Röttgen ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1814402100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

verdient Respekt, wenn Mitglieder dieses Hauses am
Ende gegen diesen Einsatz stimmen . Wer aber – wie Sie,
Frau Wagenknecht, durchgehend in Ihrer Rede – die Ver-
teidigung gegen den Terror auf eine Stufe mit dem Terror
stellt, der offenbart nicht nur ein Maß an ideologischer
Verwirrung, sondern auch an Infamie, das dem Ernst die-
ser Debatte nicht gerecht wird .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahrzehnten ha-
ben wir Europäer die Region des Mittleren Ostens prak-
tisch allein den USA überlassen; seit Jahren haben wir
diese Region sich selber überlassen . ISIS-Terror, Assad,
Fassbomben auf die eigene Bevölkerung, jetzt auch eine
russische Militärintervention und Hunderttausende von
Toten sind die Folgen .

Die Anschläge von Paris haben uns in Europa ge-
zwungen, zu erkennen, dass die Region des Mittleren
Ostens nicht im Süden von Amerika liegt, sondern unse-
re Nachbarregion ist und dass Terror und Krieg in dieser
Region – in Syrien und im Irak – eine Frage von Sicher-
heit in Europa, in Deutschland und Frankreich ist . Das ist
es, was wir erkennen müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es wird zu Recht viel über das Verhältnis von Politik
und Militär bei diesem Einsatz gesprochen . Meine Über-
zeugung ist, dass die weitreichendste politische Dimen-
sion des militärischen Einsatzes, über den wir heute ab-
stimmen, genau darin liegt, dass wir Europäer endlich die
politische Verantwortung für diese Region, auch im Na-
men und Interesse unserer eigenen nationalen Sicherheit,
annehmen . Darum geht es, und das steht auf dem Spiel .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Sahra Wagenknecht

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514116


(A) (C)



(B) (D)


Nichthandeln und Zusehen hat es lange genug gege-
ben . Die Verantwortung liegt nun darin, zu handeln .

Das Handeln wirft politische, militärische, rechtliche
und auch menschliche Fragen auf, zu denen ich jeweils
kurz etwas sagen möchte .

Zu den politischen Fragen . Ich glaube, alle haben aus
den schweren Fehlern gelernt, die gemacht worden sind .
Alle haben gelernt: Ohne ein politisches Konzept sind
militärische Mittel zum Scheitern verurteilt .

Es fehlt uns nicht an den politischen Vorstellungen .
Wir wissen, was zu tun ist: Wir wissen, dass wir auf den
Irak einwirken müssen, dass es endlich zu einer wirkli-
chen Beteiligung von Sunniten und Kurden an der Macht
kommt, damit die Sunniten am Ende nicht doch ISIS
mehr vertrauen als der Regierung in Bagdad;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


wir wissen, dass wir mit der Türkei reden müssen, dass
sie sich der Priorität, ISIS zu bekämpfen, anschließt und
nicht an erster Stelle das Kurden-Problem sieht; wir wis-
sen, dass wir mit Russland kooperieren müssen, weil
Russland dort ein Machtfaktor ist, und so weiter . Wir
wissen das alles .

Worum es geht, ist, dass wir das endlich tun . Es geht
darum, Konsequenzen zu ziehen; es geht um das Tun .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es geht auch darum, zu beantworten: Wer ist „wir“?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


Ich möchte darauf eine Antwort geben und gleichzeitig
auch eine Aufforderung an die Bundesregierung richten:
Ich glaube nicht, dass „wir“ Deutschland ist oder dass
„wir“ Frankreich ist . Meine Aufforderung an die Bun-
desregierung ist, dass wir, wie in anderen Fällen – den
Nuklearverhandlungen, dem Normandie-Format oder
dem Weimarer Dreieck –, auch gegenüber der Region
des Mittleren Ostens ein europäisches Handlungsformat
entwickeln . Das gibt es noch nicht . Das brauchen wir,
und wir müssen es jetzt entwickeln .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die schwersten externen Herausforderungen für Euro-
pa kommen zu einer Zeit, in der Europa in der schlech-
testen Verfassung seit seinem Bestehen ist .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt leider!)


Dieses Zusammentreffen ist ein Teil der historischen Si-
tuation,  in  der wir  uns  befinden. Wir müssen  in  dieser 
Krise die Chance nutzen, zu zeigen, dass Europa etwas
kann und dass Europa eine Notwendigkeit ist . Darum
müssen wir Europa in dieser Situation einsetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum militärischen Aspekt . Noch einmal –
da stimmen alle zu –: Ohne Politik macht Militär keinen
Sinn . Ich stelle hier aber auch einen zweiten Satz in den
Raum, nämlich dass wir die Umkehrung dieses Satzes als
Teil der Realität im Mittleren Osten akzeptieren müssen:
Ohne militärische Präsenz des Westens in Syrien, im Irak
und im Mittleren Osten wird die Diplomatie keine Chan-
ce haben, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist Realität: Wenn wir die Region ISIS, Assad und
Putin überlassen, dann wird es keine diplomatischen Lö-
sungen geben; denn für diese Machthaber, für den rus-
sischen Präsidenten ist Diplomatie nicht das Regulativ,
sondern die Resultante von Macht, vor allen Dingen von
militärischer Macht . Darum bedarf es auch der militäri-
schen Präsenz des Westens in dieser Region .

Ich komme zu den rechtlichen Fragestellungen . Man-
che  empfinden  die  Rechtsfragen  immer  als  eine  För-
melei . Ich glaube, man kann und darf an dieser Stelle da-
rauf hinweisen, dass spätestens seit der Schrift Immanuel
Kants Zum ewigen Frieden


(Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Oh! Gelesen?)


die Idee des Rechts als Instrument des Friedens Eingang
nicht nur in die europäische Aufklärung, sondern auch
in die Begründung und Entwicklung des internationalen
Rechts, des Völkerrechts gefunden hat . Darum spiegelt
sich im Recht die Legitimation zum Einsatz des äußers-
ten Mittels, nämlich militärischer, staatlicher Gewalt .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oh, oh, oh!)


Hier stellen sich auch neue Herausforderungen . Das
Recht, das Völkerrecht, das Verfassungsrecht sind auf
Staatenhandeln, auf Kriege zwischen Staaten orientiert .
Wir haben es aber nicht mit einem Staat zu tun, sondern
wir haben es mit einem nichtstaatlichen, vielleicht quasi-
staatlichen Akteur zu tun, der von dem Territorium eines
Staates seinen Terror auf uns richtet .

Manche auch hier im Hause vertreten die Auffassung,
dass genau deswegen, weil dieser Terror von einem an-
deren Staat ausgeht, aber nicht der Staat selber handelt,
sondern die Terrortruppe, die staatliche Souveränität aus-
schließt, dass wir uns gegen diesen Terror wehren . Wenn
wir uns dieser Auffassung anschließen würden, meine
Damen und Herren, die das Völkerrecht als Schutz für
Terror ansieht, dann würde sich das Völkerrecht von ei-
ner Schutzordnung gegen Gewalt zu einer Schutzmacht
für die ungestörte Ausübung terroristischer Gewalt ver-
wandeln . Diese Perversion von Recht dürfen wir nicht
zulassen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814402200

Herr Kollege Röttgen, darf Ihnen der Kollege Neu

eine Zwischenfrage stellen?

Dr. Norbert Röttgen

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14117


(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1814402300

Nein, das möchte ich nicht . – Darum glaube ich, dass

die völkerrechtliche Grundlage, das Selbstverteidigungs-
recht, vorliegt . Es ist legitim und legal, sich gegen diese
Angriffe zu wehren .

Meine Auffassung ist, dass das auch der verfassungs-
rechtliche Gedanke ist, wie der Kollege Mützenich aus-
geführt hat . IS erklärt: Auch ihr seid in unserem Faden-
kreuz . IS erklärt sich zum Urheber des Terrors . Darum,
glaube ich, handeln wir mit diesem Einsatz zur Verteidi-
gung Deutschlands, wie es in Artikel 87 a des Grundge-
setzes vorgesehen ist, meine Damen und Herren .


(Zuruf der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


Die Bundesregierung hat sich nicht dazu durchgerun-
gen, dieses Neuland zu betreten . Sie hat sich auf Arti-
kel 24 des Grundgesetzes berufen . Es liegt in der Ver-
antwortung der Bundesregierung, das zu entscheiden .
Politisch ist für mich entscheidend, dass es eine verfas-
sungsrechtliche Grundlage gibt . Auf dieser Grundlage ist
die Zustimmung möglich .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen . Poli-
tisch: Ja, es gibt viel zu tun . Aber wir können und müs-
sen anfangen, etwas zu tun . Das ist kein Gegenargument .
Militärisch: Ja, es gibt einen Mangel an Bodentruppen .
Durch die Anschläge hat sich die sicherheitspolitische
und militärische Lage erst einmal nicht grundsätzlich ge-
ändert . Aber es gab auch bislang schon militärische Er-
folge, und wir werden die militärische Ausstattung ver-
bessern . Rechtlich: Ja, da müssen wir vielleicht Neuland
betreten . Aber wir haben es eben auch mit neuartigen Be-
drohungen unserer Sicherheit zu tun . Darauf muss auch
das Recht eine Antwort finden.

Wen das alles nicht überzeugt, dem möchte ich ein
letztes Argument entgegenhalten – ich richte mich an
diejenigen, die für Überzeugungsbildung offen sind –: Es
geht darum – das macht es klar und eindeutig –, sich in
die Opfer des Terrors hineinzuversetzen, sich als Mutter
oder Vater oder Großeltern nur in ein Mädchen zu verset-
zen, das verkauft wird, damit der Terror finanziert werden 
kann, das verkauft wird und dann schrecklich behandelt
und misshandelt wird . Es geht darum, sich das Gesicht
nur eines Mädchens vorzustellen . Wenn wir uns verge-
genwärtigen, dass diese Brutalität und Menschenverach-
tung absoluter Alltag sind, dann kann ich denjenigen, die
erwägen, heute mit Nein zu stimmen, eine Anmerkung
nicht ersparen, und ich möchte sie Ihnen mitgeben: Ich
finde, es braucht schon verdammt gute Argumente, wenn 
man angesichts dieser Menschenverachtung und Brutali-
tät mit Nein stimmt, für eine Fortsetzung des Nichthan-
delns .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Gute Argumente für ein Nichthandeln gibt es nicht . Es ist
Zeit, zu handeln, am allermeisten für die Opfer, die wir
beschützen wollen .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814402400

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Neu das

Wort .


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814402500

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mützenich hat

gerade davon gesprochen, dass ein Vorgehen nach Kapi-
tel VII der UN-Resolution nicht möglich sei, da man sich
im UN-Sicherheitsrat nicht darüber hat einigen können .
Das ist richtig, weil es unterschiedliche politische Kon-
zeptionen für Syrien gibt . Moskau hat dem wohl nicht
zugestimmt, weil Sie auf einen Regimewechsel von au-
ßen setzen; das ist der Punkt . Weil man jetzt der Auffas-
sung ist, dass eine gemeinsame Resolution des Sicher-
heitsrates nach Kapitel VII nicht erreicht wird, möchte
man Lufttruppen entsenden und sich beteiligen, um vor
Ort eine Lösung gegen Russland zu erzwingen . Das war
im Übrigen auch der Tenor des Kollegen Röttgen . Mir
wurde während seines Vortrags nicht klar, wer in seinen
Augen der größere Gegner ist, die russische Regierung
oder der IS . Das wurde nicht deutlich . Ich hatte eher den
Eindruck, dass es die Russen sind .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ihnen fehlen die Voraussetzungen eines Vorgehens
nach Kapitel VII . Das sind keine Peanuts . Ich meine, wir
kennen das aus dem Kosovo; da war es genauso . Im Irak-
krieg haben wir damals nicht so richtig mitgemacht . Aber
letztlich gehen wir den Schritt weiter und machen ohne
eine Kapitel-VII-Mandatierung mit .

Zweitens . Sie trauen Ihrer Selbstverteidigungsklau-
sel selber nicht . Ich habe mir den Antrag noch einmal
genau angeschaut . Sie verweisen auf Paris, das ist okay .
Dann aber verwenden Sie ein seltsames Hilfskonstrukt .
Sie verweisen auf den Irak und sagen, der IS habe von
Syrien aus den Irak angegriffen und der Irak müsse sich
selbst verteidigen, auch kollektiv . Besser kann man die
Geschichte kaum verdrehen . Der IS ist ein Produkt der
Vorgänge im Irak und hat seine Übergriffe auf Syrien
ausgeweitet, nicht umgekehrt . Sie erstellen ein interes-
santes Hilfskonstrukt und sagen: Weil der Irak und die
syrische Regierung sich nicht selbst verteidigen können,
gehen Sie dazu über, die amerikanische Doktrin von
„unable and unwilling“ zu übernehmen, und zwar wort-
wörtlich in diesem Antrag . Sie versuchen, rechtliches
Neuland zu betreten . Sie versuchen, eine neue Interventi-
onsdoktrin von „unable and unwilling“ hier zu praktizie-
ren und völkerrechtskonform zu machen . Das wird Ihnen
nicht gelingen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814402600

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen .


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814402700

Wenn ein Land das Selbstverteidigungsrecht für sich

in Anspruch nehmen kann, dann ist das die syrische Re-
gierung, die immer noch legitim ist, ob einem das gefällt
oder nicht . Es gibt ein Schreiben der syrischen Regierung
an den UN-Sicherheitsrat vom 17 . September, in dem die
syrische Regierung den Westen via Sicherheitsrat auffor-

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514118


(A) (C)



(B) (D)


dert, sich aus dem syrischen Territorium zurückzuziehen .
Aber das interessiert Sie nicht . Wenn ein Land das Recht
auf Selbstverteidigung hätte, dann wäre das die syrische
Regierung, ungeachtet der Frage, ob die Regierung gut
ist oder nicht gut ist .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814402800

Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814402900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Kollegin Wagenknecht, auch ich habe große
Zweifel, ob dieser Einsatz sinnvoll ist . Aber Sie können
doch nicht wirklich ernsthaft den Versuch des Kampfes
gegen den IS gleichsetzen mit dem Einsatz Russlands auf
der Seite der Truppen von Assad . Es ist Assad, der für
75 Prozent der Toten verantwortlich ist, Assad, der sei-
ne eigene Bevölkerung mit Fassbomben bewerfen lässt,
Assad, der Tausende von Menschen in seinen Folterkel-
lern hat ermorden lassen . Das kann und das darf man
nicht gleichsetzen . Das ist einfach eine Frechheit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Röttgen, Sie haben uns mit Ihrem sogenannten
letzten Argument und dem Hinweis auf das Mädchen an-
gesprochen . Herr Röttgen, auch uns nimmt das sehr mit,
und wir denken sehr intensiv darüber nach, was zu tun
ist, um das Morden in der Region zu stoppen . Aber ein
Nein zu Ihrem Mandat bedeutet nicht, dass wir der Mei-
nung sind, dass man nicht handeln soll .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Wir sind nur der Meinung, dass Sie mit diesem Mandat
Ihr Ziel nicht erreichen; das ist der entscheidende Punkt .
Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie erreicht man das denn Ihrer Meinung nach?)


Wir sollten nach den Anschlägen 2004 in Madrid,
2005 in London und nun in Paris mit kluger Analyse und
kühlem Kopf vorgehen, wenn es um die Frage geht, wie
wir damit am besten umgehen . Wenn ich mir Ihr Mandat
anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Sie etwas
tun, um einfach etwas zu tun . Ich kann in diesem Mandat
keine ausgereifte Strategie erkennen . Ich habe den Ein-
druck, dass Ihr Mandat nichts anderes als Aktionismus
ist . Ihr ganzes Vorgehen ist davon geprägt, sowohl der
zeitliche Ablauf der Beratungen als auch die inhaltliche
Ausgestaltung des Mandats . Deshalb kann ich Ihrem
Mandat leider nicht zustimmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr schade! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Und was ist Ihre Alternative?)


Ja, wir stehen an der Seite Frankreichs . Ja, wir sind
solidarisch . Deswegen teilen wir auch Ihren Impuls, jetzt
zu handeln . Aber Handeln darf doch kein Selbstzweck
sein . Genauso wenig darf Solidarität bedeuten, dass wir

einfach Ja sagen . Wir haben bei dieser Frage intensiv mit
uns gerungen . Wir haben uns entschieden, nicht sofort Ja
oder Nein zu sagen . Es ist sehr schwierig, einem engen
Verbündeten wie Frankreich eine Bitte abzuschlagen .
Dafür muss es gute Gründe geben . Ich möchte Ihnen ei-
nige aufzählen .

Wir tragen die Verantwortung für unsere Soldatinnen
und Soldaten, die wir als Parlamentsarmee in diesen Ein-
satz schicken . Wir können diese Verantwortung doch nur
tragen, wenn wir einen guten Plan mit dieser Mission
verbinden . Aber einen guten Plan gibt es leider nicht . Die
Beratungen im Verteidigungsausschuss haben das eher
deutlicher gemacht .


(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie waren doch gar nicht da!)


Sie wollen hier ein militärisches Eingreifen beschließen,
das laut Einschätzung der militärischen Führung unseres
Landes zehn Jahre oder länger dauern kann . Sie können
aber nicht darlegen, wie eine politische Lösung aussehen
kann . Das ist doch kein verantwortliches Handeln .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Können Sie es denn? Wir können es, Sie nicht!)


Dieses Mandat ist gefährlich vage, weil es so viele
Fragen unbeantwortet lässt . Wer hat eigentlich den ge-
nauen Oberbefehl: die Franzosen oder die Amerikaner?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Frau von der Leyen! – Rainer Arnold [SPD]: Das ist doch alles geklärt!)


Wie gehen Sie denn mit Russland um, das de facto den
syrischen Luftraum kontrolliert und auf der Seite Assads
kämpft, der, wie bereits erwähnt, Fassbomben auf die ei-
gene Bevölkerung werfen lässt?

Schauen wir uns nur die Auslassungen von Frau von
der Leyen an . Am Wochenende war von Frau von der
Leyen noch zu hören, dass wir vielleicht auf der Seite der
Truppen von Assad kämpfen könnten . Dann hat sie er-
klärt, dass das alles so nicht gemeint war, und ist zurück-
gerudert . Wie ist es nun gemeint? Wie gehen Sie denn
mit Russland um? Wie gehen Sie denn mit Assad um? Ich
kann da keine klare Strategie erkennen . Hatte Frau von
der Leyen am Wochenende recht, oder hatte sie unter der
Woche recht? Was wird sie morgen erzählen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Sie müssen auch einmal zuhören!)


Welche Rolle spielt eigentlich die Türkei in der gan-
zen Angelegenheit, die mehr gegen die Kurden kämpft
als gegen ISIS oder – besser ausgedrückt – Da'isch?
Schauen Sie sich doch einmal die komplizierte Rege-
lung für den Zugriff auf die Informationen an, die die
Tornados liefern sollen . Sie haben eine ganz komplizierte
Regelung schaffen müssen, damit die Türkei, angeblich
ein enger Verbündeter und Partner und auf alle Fälle ein
NATO-Mitglied, auf gar keinen Fall an diese Informa-
tionen herankommt, weil die reale Gefahr besteht, dass
sie dann auf der Grundlage dieser Informationen die sy-
rischen Kurden bekämpft . Die Kurden werden wieder-

Dr. Alexander S. Neu

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14119


(A) (C)



(B) (D)


um von den USA mit Waffen beliefert, weil sie real eine
der wenigen Bodentruppen stellen, die tatsächlich gegen
ISIS kämpfen und nicht ihr eigenes Spiel spielen . Allein
dieser komplizierte Umgang mit dem NATO-Partner
Türkei sagt uns doch, wie undurchdacht dieses Mandat
insgesamt ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie wollen Sie mit den Sunniten umgehen? Haben
Sie nicht die Sorge, dass der Einsatz zu einer Rekrutie-
rungsmission für ISIS wird, weil sich die Sunniten insge-
samt ausgeschlossen fühlen und das Ganze einen mobi-
lisierenden Effekt hat? Wie wollen Sie die sunnitischen
Oppositionellen einbinden? Wie soll Ihnen das gelingen?
Auch darauf geben Sie keine ausreichenden Antworten,
weder in dem Antrag auf das Mandat noch in Ihren Re-
den . Auch diese Fragen müssen deutlich beantwortet
werden, bevor man Bomber schickt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, wir sind uns hier weitgehend einig, dass ISIS auch
militärisch bekämpft werden muss .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Aha!)


Aber Luftangriffe allein sind doch noch keine militäri-
sche Strategie . Die Strategie, so hat man den Eindruck,
ist noch nicht einmal zur Hälfte fertig . Man kann nicht
einen Einsatz einfach nach dem Motto gestalten: Ja, ich
möchte mein Gewissen beruhigen . – Herr Röttgen, ein-
fach zu sagen, man wolle irgendetwas tun, ist doch nicht
wirklich eine Strategie . Es braucht eine klare abgestimm-
te Strategie . Man muss doch Klarheit darüber haben, wer
die Verbündeten sind . Es muss doch klar sein, wer der
Gegner ist . Es kann doch nicht unklar sein, ob Assad
Verbündeter oder Gegner ist, wie man mit der Al-Nus-
ra-Front umgeht, die von Saudi-Arabien unterstützt wird .
Ist die Al-Nusra-Front jetzt Gegner oder Verbündeter?
Das kann doch nicht angehen . Es können doch nicht das
schlechte Gewissen und die Sorgen, die wir komplett tei-
len, die Strategie und das kluge Handeln ersetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in den
Antrag auf das Mandat schauen, dann beruhigt uns das
keineswegs . Ich zitiere wörtlich:

Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig
im und über dem Operationsgebiet der Terrororga-
nisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialge-
biet von Staaten, von denen eine Genehmigung der
jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet
östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer
und angrenzende Seegebiete .

Man hat den Eindruck, wenn man das liest, dass Sie ei-
gentlich gar nicht genau wissen, wo der Einsatz stattfin-
den soll . Das ist ein völlig entgrenztes Mandat . Einigen
Sie sich doch erst einmal darauf, wie Sie den Einsatz ge-
nau gestalten wollen, bevor Sie uns so ein entgrenztes
Mandat vorlegen . Wenn Sie uns ein Mandat vorlegen,

dann formulieren Sie ein präzises Mandat, ein genau be-
schreibendes Mandat, aber nicht ein entgrenztes Mandat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Kampf gegen ISIS muss im Einklang mit dem
Völkerrecht und dem Gewaltmonopol der Vereinten Na-
tionen stehen . Ich glaube, man kann zumindest sagen,
dass umstritten ist, ob der Einsatz völkerrechtskonform
ist . Nicht umstritten wäre er, wenn es Ihnen gelungen
wäre, ein VN-Mandat nach Kapitel VII vorzulegen . Jetzt
kann man sagen – das ist schon erwähnt worden –: Das
ist eine rein formalrechtliche Faktenhuberei . – Nein,
das ist es in meinen Augen nicht . Dass Sie kein Mandat
nach Kapitel VII vorlegen können, ist ein Hinweis da-
rauf, dass es keine abgestimmte Strategie zwischen allen
Beteiligten gibt, dass es eben keine Einigung zwischen
Frankreich, Russland, Großbritannien, den USA und
den europäischen Staaten gibt . Wenn es diese Einigung
gäbe, dann wäre es möglich, ein solches VN-Mandat zu
beschließen . Deshalb ist das Fehlen dieses Mandats Aus-
druck dafür, dass es ebendiese Strategie leider nicht gibt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns an, wie Sie teilweise mit unseren an-
geblich engsten Verbündeten umgehen, schauen wir uns
Saudi-Arabien an .


(Thomas Oppermann [SPD]: Engster Verbündeter?)


Saudi-Arabien ist einer der engsten Geschäftspartner, ein
Land, in das regelmäßig Wirtschaftsdelegationen von uns
reisen . Der BND hat gegen den Protest des Außenministe-
riums eine kluge Analyse durchgeführt . Ergebnis ist, dass
Saudi-Arabien inzwischen eines der größten Risiken für
die Stabilität der Region ist . Es ist nicht nur Saudi-Arabi-
en ein Risiko; auch die Ideologie Saudi-Arabiens ist ein
Risiko für viele Regionen . Sie ist genau genommen ein
Risiko für den Weltfrieden . Auf die Ideologie Saudi-Ara-
biens greift Boko Haram in Nigeria zurück, greifen die
Al-Schabab-Milizen in Somalia zurück, greifen der IS
und andere Terrororganisationen in Libyen zurück . Des-
wegen ist es an der Zeit, dass die Bundesregierung und
der Westen überhaupt ihren Umgang mit Saudi-Arabien
überdenken . Wir sollten zu einem kritischen Umgang mit
Saudi-Arabien kommen . Das heißt nicht, dass wir mit
den Saudis nicht reden dürfen . Aber der bisherige Um-
gang, dass es an der dortigen Ideologie keine Kritik gibt,
dass es konstant Waffenlieferungen an dieses Land gibt,
steht doch für eine Politik, die die Probleme am Ende
verstärkt und nicht bekämpft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen: Ändern Sie diese Politik endlich!

Zusammengefasst: In unseren Augen ist Ihr Einsatz
zu planlos und birgt die Gefahr – ich spreche nicht von
Sicherheit –, dass er genau das Gegenteil dessen erreicht,
was er bewirken soll . Wir haben doch seit 2001 14 Jahre
Erfahrung im Kampf gegen den Terror .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814403000

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit .

Dr. Anton Hofreiter

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514120


(A) (C)



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Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814403100

Diese Erfahrungen sind keine positiven . Diese Er-

fahrungen sind bittere Erfahrungen . Deshalb: Gehen Sie
noch einmal in sich! Überlegen Sie sich, ob dieser Ein-
satz wirklich das Gewünschte erreicht oder ob er nicht,
wie der Libyen-Einsatz, wie der Irakeinsatz, am Ende
kontraproduktiv ist .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814403200

Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Arnold für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814403300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,

es ist eine zügige Beratung diese Woche . Für mich hat
das noch den kleinen Nebeneffekt, dass damit alle Zwei-
fel unserer Verbündeten, der deutsche Parlamentsvorbe-
halt bringe in schwierigen Situationen möglicherweise
eine zu große Langsamkeit, beseitigt sind . Ich würde mir
wünschen, dass wir, statt darüber zu lamentieren, dass es
zu schnell geht, gemeinsam reflektieren: Hat man nicht 
vielleicht viel zu lange gewartet,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und ist vielleicht alles zu spät? Es gibt bereits
250 000 Tote; Millionen Menschen sind auf der Flucht .
Getötet und vertrieben haben sowohl Assad als auch der
IS . Es gibt eine neue Dimension des Terrors, nämlich den
Versuch der Gründung eines „Staats“, in dem 8 Millio-
nen Menschen leben und leiden müssen .

Selbst wenn uns der IS in unserem Land nicht bedro-
hen würde, würde ich mich schon fragen: Geht uns das
alles, was vor unserer Haustür passiert, nichts an? Haben
wir keine Verpflichtung, einzugreifen? Was ist eigentlich 
mit der richtigen und guten Idee, das Völkerrecht im Sin-
ne einer Schutzverpflichtung der Staaten, Responsibility 
to Protect, weiterzuentwickeln? Es ist doch offensicht-
lich, dass der irakische Staat und der syrische Staat die
Bürger nicht mehr schützen können . Daraus ergibt sich
eine Verantwortung für uns alle .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Konkret zum geplanten Einsatz . Wir tun ja manch-
mal so, als ob wir über einen neuen Einsatz redeten . Wir
sind schon lange Teil dieser Allianz und leisten mit der
Ausbildung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer und
der Ausstattung der Kurden, auch der syrischen Kurden,
wichtige Beiträge im Kampf gegen den IS .

An dieser Stelle darf man die Linken, Frau
Wagenknecht, schon einmal erinnern: Die Kurden
sind – –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814403400

Kollege Arnold, darf die Kollegin Buchholz dazu eine

Zwischenfrage stellen?


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814403500

Ja . Ich will nicht sagen, gerne . Aber selbstverständ-

lich .


Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814403600

Vielen Dank, Kollege Arnold, dass Sie die Frage zu-

lassen . – Sie reden hier darüber, dass endlich gehandelt
werden muss . Wir beide sind ja Mitglieder des Vertei-
digungsausschusses . Von daher würde mich schon sehr
interessieren, wie Sie dazu stehen, dass wir als Mitglie-
der des Ausschusses, aber auch als gesamtes Parlament
wissen müssen, worüber wir hier genau abstimmen .

Der Kollege Hitschler aus der SPD-Fraktion und ich
haben nachgefragt: Wie sieht es eigentlich mit dem Ope-
rationsplan für diese Mission aus? Uns wurde gesagt: Na
ja, die Operation läuft schon . Es gibt wohl so etwas wie
einen Kampagnenplan . – Trotz weiterer Nachfragen war
es nicht möglich, eine Auskunft darüber zu bekommen,
ob wir da Einsicht nehmen können . Das ist eigentlich ein
Recht, das uns als Abgeordneten zusteht .

Wir haben es dabei nicht belassen, sondern beim Se-
kretariat, bei der Geheimschutzstelle noch einmal nach-
gefragt . Leider ist eine Einsicht nicht möglich .

Glauben Sie nicht, dass es wichtig wäre, vor einer
solch grundlegenden Entscheidung eine Informations-
grundlage zu haben, was die genauen Unterstellungsver-
hältnisse, die Fragen des humanitären Völkerrechts und
die Einsatzregeln angeht? Wir finden das wichtig, und ich 
will Ihnen kurz sagen, warum: Deutschland war bereits
an der Bombardierung von Staaten beteiligt, bei denen
wir – und dabei schließe ich alle mit ein, die jetzt bom-
ben – Erfahrungen gemacht haben: Das hat zivile Opfer
zur Folge gehabt . Ich denke an die schmerzliche Erfah-
rung der Bombardierung von Kunduz, bei der es zivile
Opfer gegeben hat . Wir trauern genauso mit den Müttern,
Vätern und Verwandten der Opfer dieser Bombardierung
wie mit denen, die um ihre Kinder weinen, die Opfer des
Terrors durch den IS geworden sind .


(Beifall bei der LINKEN)


Genau deshalb möchten wir wissen: Was sind die Re-
geln? Wer entscheidet letztendlich? – Für uns sind diese
Fragen nicht ausreichend beantwortet worden .


(Beifall bei der LINKEN)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814403700

Liebe Kollegin, lassen Sie uns wenigstens akzeptie-

ren, dass wir im Verteidigungsausschuss alle Zeit der
Welt hatten, Fragen zu stellen .


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Aber die Antworten gab es nicht!)


– Die Antworten wurden auch gegeben .


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Wurden sie nicht! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist nicht wahr!)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14121


(A) (C)



(B) (D)


Die Antworten haben Ihnen nicht gefallen . Das ist aber
etwas ganz anderes .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die Frage der Führung des Einsatzes – Herr Hofreiter
hat es angesprochen – ist eindeutig geklärt . Er wird von
Tampa in Florida über die Headquarters in Kuweit ge-
führt . Von dort aus werden die deutschen Aufklärungs-
flüge angefordert. Sie werden durchgeführt. Dorthin wird 
gemeldet und, und, und . Das ist alles geregelt .

Sie haben nach der völkerrechtlichen und verfas-
sungsrechtlichen Grundlage gefragt . Das ist mittlerweile
nichts anderes als eine Strategie bei Ihnen . Dieser Einsatz
ist, wie viele Verfassungsjuristen und auch der Wissen-
schaftliche Dienst des Bundestages festgestellt haben,
eindeutig verfassungsrechtlich und völkerrechtlich abge-
sichert .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Eindeutig? Wir sprechen uns noch!)


Wenn Sie dies bezweifeln, dann rufen Sie doch bitte das
Verfassungsgericht an .


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ich habe nach den Operationsplänen gefragt!)


Aber das ist natürlich viel unbequemer, als zu behaupten,
ein Einsatz sei nicht legitimiert . Möglicherweise haben
Sie, weil es Neuland ist, sich in Europa auf ein System
der kollektiven Sicherheit zu berufen, Angst, dass das
Verfassungsgericht Ihnen ins Stammbuch schreibt: Euro-
pa ist ein System kollektiver Sicherheit .


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das war nicht meine Frage!)


Ich würde begrüßen, wenn Sie das klären lassen .
Ich komme zum letzten Punkt: Operationsplan . Es

war bei vielen, aber übrigens nicht bei allen Einsätzen
so, dass Parlamentarier in der Geheimschutzstelle Teile
der Operationspläne einsehen konnten . Wir dürfen nicht
vergessen:  Wir  leisten  mit  sechs  Aufklärungsfliegern 
und einem Tankflugzeug einen vergleichbar kleinen Bei-
trag . Wir werden auch nur Einblick in Operationspläne
bekommen, die einen Bezug zu unserem Einsatz haben .
Den Bezug würde ich als Parlamentarier sehr weitgehend
auslegen wollen . Darin sind wir uns völlig einig .

Aber in einem bin ich nicht mit Ihnen einig: Die
grundsätzliche Frage, ob wir diesem Mandat zustim-
men, ist für mich keine Frage militärischer Details . Es
ist für mich in hohem Maß eine Frage von politischer
Verantwortung und politischer Abwägung . Wir sind als
Verteidigungspolitiker keine kleinen Feldherren, die da-
rüber entscheiden sollen, ob der Einsatz XY an diesem
Nachmittag sachgerecht ist . Das ist nicht unseres Amtes .
Insofern ist das, glaube ich, für Sie nur ein Vorwand, den
Einsatz abzulehnen . Es ist aber letztlich völlig wurscht,
ob die Fragen aus Ihrer Sicht beantwortet sind . Sie haben
noch nie einem Einsatz zugestimmt, und Sie werden auch
keinem Einsatz zustimmen .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Insofern ist es egal, inwieweit Sie sich informiert fühlen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814403800

Herr Arnold, darf die Kollegin Keul noch eine Zusatz-

frage stellen?


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814403900

Ich bin zu allem bereit, Herr Präsident .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814404000

Aber ich weise darauf hin: Das ist dann zunächst die

letzte; denn wir haben uns einen Zeitrahmen gesetzt, den
wir bitte auch einhalten müssen . – Frau Keul .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814404100

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen . – Herr Kol-

lege Arnold, Sie haben gerade in etwa gesagt, wenn man
das für verfassungswidrig und völkerrechtswidrig halte,
dann solle man halt klagen, und wer nicht klagt, sei ein-
fach nur feige .

Ich selbst halte dieses Mandat für völkerrechtswid-
rig und verfassungswidrig . Würden Sie zur Kenntnis
nehmen, dass wir angesichts der derzeitigen Lage keine
Klagemöglichkeit beim Verfassungsgericht haben, weil
eine Organklage an der Zulässigkeit scheitern würde, da
wir als Fraktion nicht klagen können und eine abstrakte
Normenkontrolle, die möglich wäre, an den notwendigen
25 Prozent scheitert? Nun haben wir Grüne die Klage
der Linken vor dem Verfassungsgericht auf Absenkung
dieses Quorums nicht mit eingereicht . Aber würden Sie,
wenn Sie meinen, dass das wichtig ist, vielleicht doch
überlegen, dieses Quorum abzusenken,


(Beifall der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])


damit wir bei den jetzigen Mehrheitsverhältnissen als
Opposition mit zwei Fraktionen diese Frage vor dem
Verfassungsgericht klären lassen können?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814404200

Frau Kollegin, Sie sind Juristin . Ich bin kein Jurist;


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber Sie können dem Kampfeinsatz ja mal zustimmen!)


aber ich weiß, dass das so ist . Sie wissen aber auch, dass
Sie, wenn Sie einen Soldaten finden, der an Ihrer Stelle 
klagt, die Chance hätten, das verfassungsrechtlich prüfen
zu lassen .

Wir hatten in dieser Koalition schon Debatten über
die 25 Prozent . Mit mir persönlich könnte man da sehr
wohl reden, weil ich glaube, dass es bei einem Einsatz,
der zum ersten Mal eine europäische Basis hat, hilfreich
ist, wenn das Verfassungsgericht uns den Weg zeigt und
es eine eindeutige Klärung gibt . Wenn wir uns die Urteile
der Vergangenheit anschauen, stellen wir allerdings fest:
Das Verfassungsgericht hat auf einer langen Linie der

Rainer Arnold

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514122


(A) (C)



(B) (D)


Regierung eigentlich immer einen relativ großen außen-
politischen Handlungsspielraum eingeräumt


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würden wir gern klären lassen!)


und gleichzeitig unser Recht als Parlament gestärkt . Des-
halb sage ich noch einmal: Wir finden einen Weg, dass 
Sie klagen können, und wir sind ganz gelassen, wenn Sie
es tun .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Unsinn!)


Ich sagte: Der Einsatz ist nicht neu . Wir unterstützen
die Peschmerga . Ich möchte Frau Wagenknecht daran er-
innern, dass exakt die Kurden sehr dankbar sind, dass es
eine Kombination von Kampf am Boden und Luftunter-
stützung gibt . Finden Sie Luftunterstützung in dem Fall
auch schlecht? Sollen sich die Peschmerga, die nur ganz
einfache Kalaschnikows haben, Menschen widersetzen,
die sie mit schweren Waffensystemen bedrängen, die ihr
Gebiet ausgeweitet haben? Die Peschmerga konnten sie
ohne massive Unterstützung nicht stoppen . Haben Sie
dies einmal  reflektiert, bevor Sie  so pauschale Sätze  in 
den Raum schleudern wie: „Mit Waffen schafft man kei-
nen Frieden“?


(Beifall bei der SPD)


Dieser Einsatz, Herr Hofreiter, ist auch keine Sym-
bolik . Er ist sorgfältig durchdacht . Das, was Deutsch-
land liefert, dient exakt den militärischen Aufgaben, für
die dieser Koalition die Mittel fehlen, nämlich Aufklä-
rung aus Flugzeugen, von Satelliten, eine Aufklärung,
die Drohnen nicht leisten können . Es geht darum, sehr
schnell große Gebiete zu bestreifen . Dieser Einsatz hilft
Frankreich auch wirklich beim Schutz des Flugzeugträ-
gers, weil es ein großer Aufwand ist, solche Flugzeugträ-
ger mit Fregatten zu schützen . Alles ist also sinnvoll . Es
ist im Übrigen auch verantwortbar . Wir schicken Solda-
ten doch nicht in ein unkalkulierbares Risiko . Die Tor-
nados sind auf einem modernen Stand . Sie haben einen
hervorragenden Eigenschutz .

Zu Ihrem Vorwurf, es gäbe kein klares Einsatzgebiet .
Herr Hofreiter, das erklärt sich wirklich ganz eindeutig .
Ich glaube, Ihre Kollegin hat im Verteidigungsausschuss
sogar nachgefragt . Wir reden über ein Einsatzgebiet für
die Luftbetankung, und die findet nicht nur über Syrien 
statt – dort hoffentlich gar nicht –, sondern außerhalb des
Bereichs über der offenen See . Dann reden wir über den
Schutz eines Flugzeugträgers, der wahrscheinlich nicht
vor Anker liegen wird. Deshalb ist der Raum so definiert, 
wie  er  definiert  ist.  Daran  ist  nichts  Geheimnisvolles, 
nichts Trickreiches . Es ist alles erklärt worden . Dieser
Einsatz ist auch leistbar . Die Bundeswehr kann sechs
Tornados hinschicken, und die Luftwaffe hat die Fähig-
keiten dazu .

Dann noch zu den Bildern . Auch die Auswertung ist
klar geregelt . Die Deutschen erhalten zunächst ihre Bil-
der . Dort wird noch einmal geprüft: Was ist rechtskon-
form? Dann gehen die Bilder zum Auftraggeber, nämlich
an die Headquarters . Ihre Behauptung, die Bilder würden
dann allen in dieser Koalition oder gar allen NATO-Mit-
gliedern einschließlich der Türkei zur Verfügung stehen,

ist einfach abenteuerlich . Sie stehen denen zur Verfü-
gung, die sie für den Einsatz, für den sie einen Auftrag
bekommen haben, brauchen . Sonst stehen sie nieman-
dem zur Verfügung . Das sind absolut übliche Verfahren
in diesem Bereich . Keine Aufregung!

Im Übrigen sind Aufklärungsflieger kein Beitrag zum 
achtlosen Bombenkrieg . Aufklärung ist eine Grundvo-
raussetzung dafür, möglichst präzise militärisch arbeiten
zu können .

Heute wurde bereits über Lehren aus vergangenen
Einsätzen gesprochen . Ich glaube, eine Lehre ist wirk-
lich wichtig . Der Irakkrieg, aber auch Afghanistan und
Libyen haben gezeigt, dass es heute relativ einfach ist,
mit moderner Militärtechnologie aus der Luft ein Regime
zu vertreiben . Danach aber auch für Stabilität zu sorgen,
ist ein langwieriger Prozess, und dies ist von außen mit
militärischen Mitteln kommend nicht möglich .

Deshalb ist der Vorwurf, hinter diesem Einsatz stehe
keine politische Konzeption, völlig unbegründet; denn
die entsprechenden Lehren daraus wurden gezogen . Der
Wiener Prozess ist halt so mühsam, wie er ist, weil wir
dabei mit Partnern umgehen müssen, die teilweise sehr
schwierig sind . Wir müssen mit Partnern umgehen, die
gemeinsame und gleichzeitig widerstrebende Interessen
haben . Außerdem sollten wir uns ein bisschen in Selbst-
bescheidenheit üben . Es werden nicht alle darauf warten,
bis wir Deutschen sagen, wo es langgeht . Es bleibt nur
der Weg der mühsamen Diplomatie . Wir sind sehr froh,
dass der Außenminister diesen Pfad seit Monaten mit un-
ermüdlichem Engagement geht .


(Beifall bei der SPD)


Die Lehren aus den vergangenen Konflikten werden 
auch dort zu ziehen sein . Für die Zeit nach Assad wissen
doch alle mittlerweile: Man darf nicht alle Sicherheits-
strukturen und nicht sämtliche Teile der Administration
eines Landes in die Wüste schicken, sondern wir müssen
einen Teil beim Aufbau der neuen Gesellschaft einbin-
den . Nur so kann es gelingen, ein Machtvakuum in die-
sen Ländern zu verhindern, das dann wiederum Terroris-
ten nutzen könnten . Ich glaube, diese Lehren wurden von
der Staatengemeinschaft gut verstanden .

Zum Schluss: Wir können stundenlang darüber reden,
dass ein Militäreinsatz Risiken birgt . Das ist doch völlig
unstrittig . Es gibt politische Risiken . Der Wiener Prozess
ist noch lange nicht in trockenen Tüchern . Wir können
mithelfen, haben es aber nicht in der Hand . Ich will mili-
tärische Risiken nicht beschönigen, obwohl ich klar sage,
dass wir die Soldaten in kein Abenteuer schicken .

Wenn wir aber schon so lange über diese Risiken re-
den, müssen wir bitte aber auch über die Risiken reden,
die es gibt, wenn wir nicht entscheiden . Dabei sehe ich
zwei Risiken an vorderster Stelle .

Europa ist nun einmal in keiner guten Verfassung .
Wenn es die enge und besonders vertrauensvolle Zu-
sammenarbeit – übrigens auch im Zusammenhang mit
der Ablehnung des Irakkriegs – zwischen Deutschland
und Frankreich nicht gegeben hätte, hätten wir das gar
nicht so ohne weiteres hinbekommen . Wenn diese her-
vorragende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und

Rainer Arnold

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14123


(A) (C)



(B) (D)


Frankreich in die Brüche geht, weil wir nicht verste-
hen, unter welchem innen- und außenpolitischen Druck
und unter welchem Sicherheitsdruck die französischen
Freunde stehen, und wenn wir auf ihre Unterstützungs-
anfrage Nein sagen, dann haben wir eine Situation, die
es noch schwerer machen wird, in Europa Solidarität in
vielen Fragen einzufordern .

Wenn dieses Europa scheitert, dann scheitert es an
mangelnder Solidarität . Dabei sollten wir Deutschen
nicht diejenigen sein, die ein schlechtes Beispiel geben .
Wenn wir ernst genommen werden wollen – das wollen
wir zusammen mit Frankreich –, dann müssen wir Soli-
darität zeigen .

Darüber hinaus kann es sein, dass es unsere Sicher-
heitsorganisationen einmal nicht schaffen, einen An-
schlag bei uns zu verhindern . Malen wir uns doch aus,
was es bedeuten würde, welches Risiko wir hätten, wenn
wir das jetzige französische Ansinnen abgelehnt hätten .
Fragen wir uns einmal innenpolitisch, welche Fragen uns
die Bürger stellen würden . Fragen wir uns das vor allen
Dingen aber auch außenpolitisch, weil wir dann wirk-
lich kapieren müssten, dass wir Partner beim Umgang
mit Terror brauchen . Kein Land wird allein mit dieser
Herausforderung fertig . Ich glaube, dann würden wir
schnell merken, Solidarität ist halt keine Einbahnstraße .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814404300

Herr Kollege .


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1814404400

Deshalb ist dieser Einsatz richtig und notwendig .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814404500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hennig Otte für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Henning Otte (CDU):
Rede ID: ID1814404600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland
steht vor einer wichtigen Entscheidung . Lassen wir den
IS mit seinem furchtbaren Terror weiter gewähren, da-
mit er Anschläge auch in Europa durchführt, weiterhin
unschuldige Menschen tötet, Frauen verschleppt, ver-
kauft, vergewaltigt? Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das dürfen wir nicht zulassen . Wir müssen uns gegen den
IS-Terror stellen und uns für die Solidarität an der Seite
Frankreichs, für den Schutz der Menschen und auch für
die Sicherheit unseres Landes entscheiden . Deswegen
müssen wir heute diesem Mandat zustimmen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sind als CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammen
mit der SPD in einer Großen Koalition bereit, für Frieden
und Freiheit und auch für unsere Grundordnung einzu-

stehen und diese in letzter Konsequenz auch mit militäri-
schen Mitteln zu verteidigen .

Meine Damen und Herren, wir bleiben bei diesem
Einsatz unseren Grundlinien treu . Dieser militärische
Einsatz ist eingebettet in ein politisches Gesamtkonzept,
zusammen mit 64 Staaten einer Allianz auf einer kla-
ren völkerrechtlichen Grundlage und mit einem Mandat
des Deutschen Bundestages . Dieser militärische Beitrag
Deutschlands ergänzt die Fähigkeiten unserer verbünde-
ten Partner . Zusammen mit Frankreich, mit den USA, mit
England, mit Kanada, mit Dänemark und beispielswei-
se mit Belgien leisten wir einen Beitrag und entsenden
1 200 Soldatinnen und Soldaten für Schutz, für Aufklä-
rung und für Logistik . Ich möchte das einmal auf die ein-
zelnen Bereiche herunterdeklinieren: circa 450 Soldaten
für den Betrieb von sechs Aufklärungstornados und ei-
nem Satellitenradar zur Gewinnung von Informations-
bildern, die wir ausschließlich für uns nutzen oder un-
seren Verbündeten zur Verfügung stellen; 300 Soldaten
für den Betrieb einer Fregatte im Mittelmeer zum Schutz
eines französischen Flugzeugträgers; circa 200 Soldaten
für den Betrieb eines Airbus-Flugzeuges zur Betankung
und circa 50 Soldaten in Koordinierungsstellen und dazu
noch ein flexibler Personalpuffer zur Ablösung dieser ge-
nannten Kontingentanteile .

Dieser Einsatz wird auch ein gefährlicher Einsatz sein .
Unsere Soldatinnen und Soldaten sind gut vorbereitet
und gut ausgestattet für diese Mission . Die beste Rücken-
deckung aber können wir den Soldaten und deren Fami-
lien geben, indem wir ihnen heute mit diesem Mandat als
Deutscher Bundestag mit breiter Mehrheit das Vertrauen
aussprechen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat in den
vielfältigen Einsätzen bewiesen, dass sie verantwortungs-
voll und erfolgreich ihre Aufträge erfüllen kann . Unvor-
stellbar, wie wohl die Welt wäre und wie sie aussehen
würde, hätte nicht eine Allianz, auch zusammen mit der
Bundeswehr, auf dem Balkan militärisch eingegriffen,
um eine noch größere humanitäre Katastrophe zu verhin-
dern . Unvorstellbar, wie wohl die Welt aussehen würde,
hätte man in Afghanistan nicht gegen das Taliban-Re-
gime eingegriffen und dort gezeigt, dass man eine sta-
bilisierende Funktion erfüllen, mithin den Aufbau einer
afghanischen Armee durchführen kann, durch die, auch
wenn sie noch weiter beraten werden muss, das Gewalt-
monopol wieder beim Staat Afghanistan ist . Manchmal
muss man eben militärisch eingreifen, um noch Schlim-
meres zu verhindern, auch um wieder die Basis für eine
friedliche Entwicklung zu schaffen . Auch dazu ist dieses
Mandat heute ein Beitrag .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor allem war es richtig, dass wir im Norden Iraks die
kurdischen Kämpfer nicht nur ausgestattet, sondern sie
auch ausgebildet haben, damit sie erfolgreich gegen den
IS-Terror kämpfen können . Dies soll zum einen verdeut-
lichen, dass Deutschland bereits einen Beitrag geleistet
hat und dass wir nun lediglich einen weiteren Beitrag
leisten . Vor allen Dingen aber soll es verdeutlichen, dass
der furchtbare IS-Terror besiegbar ist .

Rainer Arnold

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514124


(A) (C)



(B) (D)


Ich kann mich nur wundern, Frau Wagenknecht, über
Ihre Rede hier heute, dass Sie dieses Mandat in Bausch
und Bogen ablehnen . Ich weiß gar nicht, wie Sie das an-
gesichts des Leids dieser Menschen rechtfertigen kön-
nen . Sprechen Sie doch mit den Frauen, mit den Kindern,
mit den Männern, den kurdischen Kämpfern, und lassen
Sie uns doch einmal offen darüber diskutieren, ob wir
ihnen nicht helfen müssen! Wir als Union helfen . Wir
können Ihre Kaltherzigkeit nicht verstehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist unglaublich!)


Wir müssen diesen erfolgreichen Weg der Unterstüt-
zung weitergehen . Wir wollen mit der Unterstützung
von Luftangriffen zentrale Infrastrukturbereiche des IS,
nämlich Kommandozentralen, Ausbildungszentralen, In-
frastrukturzentralen, auch Ölförderanlagen als wichtige
Einnahmequellen, zerstören . Dieses gemeinsame Vorge-
hen hat zum Ziel, dass der Staat Syrien nicht im Terror
untergeht, sondern eines Tages mit Neuwahlen in eine
neue und gute Zukunft gehen kann, auch damit die vie-
len Menschen, die vor diesem furchtbaren IS-Terror und
vor dem furchtbaren, verbrecherischen Assad-Regime
fliehen – auch nach Deutschland –, wieder in ihrem Hei-
matland Syrien eine Perspektive bekommen, damit sie
zurückfinden können und in ihrer Heimat leben können. 


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, es zeigt sich deutlich, dass,
wenn wir nicht bereit sind, die Menschen in den Krisen-
gebieten zu unterstützen, dann die Krisen zu uns kom-
men . Wir müssen uns dem Terror dort entgegenstellen,
wo er entsteht . Bei den jüngsten Umfragen wurde deut-
lich, dass beinahe 60 Prozent der deutschen Bevölkerung
dafür sind, dass wir einen militärischen Beitrag leisten
sollten . Von diesen 60 Prozent sind gar 51 Prozent Grü-
ne-Anhänger, Herr Hofreiter . Ich weiß gar nicht, wie Sie
diese Zerreißprobe in Ihrer Partei bestehen wollen . Die
Mehrheit Ihrer Anhänger ist für einen militärischen Bei-
trag, und Sie entscheiden sich heute dagegen . Das wird
Ihre Partei vor eine große Zerreißprobe stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lassen Sie mal unsere Sorge sein!)


Die Anschläge von Paris waren auch gegen Deutsch-
land gerichtet . Es ist klar, dass wir uns an die Seite un-
serer französischen Partner stellen, auch um die Sicher-
heit unseres Landes zu stärken . Wir stehen ein für die
freiheitlichen Demokratien, weil wir wissen, dass der IS
überall dort die Gelegenheit nutzt, freiheitliche Struktu-
ren zu zerstören . Egal, ob sich ein Land an einer Allianz
beteiligt oder nicht: Der IS-Terror nimmt keine Rück-
sicht . Er tötet all diejenigen, die sich nicht ihrer radi-
kalen Bewegung anschließen . Das bedeutet für uns im
Umkehrschluss, dass uns Passivität nicht schützen wird .
Außenpolitische Zurückhaltung wird uns nicht weniger
zu einem Anschlagsziel machen, als wir es jetzt vielleicht
schon sind .

Ich möchte aber deutlich darauf hinweisen, dass ein
militärischer Beitrag nur ein Baustein unserer Strategie
im Kampf gegen den IS ist . Erst der gleichzeitige Ein-

satz verschiedener Instrumente – Diplomatie, zivilge-
sellschaftliches Engagement und militärisch temporärer
Einsatz – unterstützt einen solchen Erfolg . Auch das ist
die Lehre aus dem Afghanistan-Einsatz .

Meine Damen und Herren, vor allem wichtig ist, dass
der Wiener Prozess dieses Vorgehen begleitet . In der
Vergangenheit ist der IS auch durch die Uneinigkeit der
Staatengemeinschaft stark geworden . Durch den Wiener
Prozess sitzen nun alle beteiligten Staaten dieser Region
an einem Tisch, um eine Lösung zu erarbeiten . Es gibt ei-
nen gemeinsamen Nenner dieser Staaten . Dieser gemein-
same Nenner ist die Verantwortung, sich gegen diesen
IS-Terror zu stellen .

Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr . Wir
können uns nicht heraushalten, und wir wollen uns nicht
heraushalten, auch zum Schutz unseres eigenen Landes .
Es wird ein langer und es wird ein steiniger Weg, den es
sich lohnt gemeinsam zu gehen .

Meine Damen und Herren, die Sicherheit ist der Ga-
rant für die Freiheit; denn ohne Sicherheit gibt es keine
Freiheit . Wir müssen bereit sein, diese Freiheit zu ver-
teidigen, auch dafür einzustehen: zum Schutz der leid-
geprüften Menschen, für die Solidarität in Europa und
für die Sicherheit unseres Landes . Lassen Sie uns gegen
den IS-Terror entscheiden, damit Menschlichkeit wieder
Raum greift . Deshalb sollten wir diesem Mandat heute
zustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814404700

Nächster Redner ist der Kollege Roderich Kiesewetter

für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1814404800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige
Einsatzentscheidung ist ein Zeichen der Entschlossen-
heit, und sie ist wohlüberlegt . Heute vor drei Wochen,
am 13 . November, haben die fürchterlichen Anschläge in
Paris stattgefunden . Sie haben auch uns gegolten, nicht
nur unserer Nationalmannschaft, sondern unserer west-
lichen Lebensweise . Deshalb ist dieses Zeichen der Ent-
schlossenheit auch dadurch geprägt, dass es Parlament
und Regierung gelungen ist, innerhalb von drei Wochen
ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen gegen den Terror, ein
entschlossenes Zeichen im Kampf gegen den Terroris-
mus gegen unsere westliche Welt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Trotzdem – ich habe viel Verständnis für die Kollegen,
die mit Demut auf die Entscheidungen schauen – müssen
wir uns bewusst sein, dass wir es uns in der Vergangen-
heit nicht immer einfach gemacht haben, so auch heu-
te . Zu diesem Zeichen der Entschlossenheit gehört eine
kurzfristige militärische Aktion . Aber genauso gehört

Henning Otte

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14125


(A) (C)



(B) (D)


dazu, alle Anstrengungen darauf auszurichten, mittelfris-
tig ein Mandat der Vereinten Nationen zu erzielen und
auf weitere Sicht ein Mandat zu erzielen, das Bodentrup-
pen aus der Region umfasst, die für eine Befriedung, für
die Trennung der Konfliktparteien und  für eine Stabili-
sierung des Wiederaufbaus sorgen . Um dies zu erreichen,
ist die heutige Entscheidung die erste Voraussetzung . Sie
ist notwendig, aber bei weitem noch nicht hinreichend .

Ich möchte deshalb einen Blick auf die Instrumente
werfen, die wir einsetzen . Lieber Herr Kollege Hofreiter,
es ist nicht hilfreich, wenn Sie sagen, es sei ein entgrenz-
tes Mandat . Gerade der Blick auf das Mandatsgebiet
zeigt, wie ernst uns der politische Prozess ist: Es gehören
Syrien und Irak dazu, es gehören das östliche Mittelmeer,
das Rote Meer und der Persische Golf dazu . Wir müssen
die Konfliktregionen insgesamt betrachten. Es geht hier 
nicht nur um Syrien .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Eine Entgrenzung des Krieges!)


Ich möchte zuerst auf die diplomatischen Mittel ein-
gehen . Bevor es zu diesem Einsatz kam, wurde in Wien
die Voraussetzung dafür geschaffen, einen politischen
Prozess anzustrengen . Das Einzigartige des Wiener Pro-
zesses ist es doch – das sollten Sie anerkennen –, dass
sowohl Russland als auch die USA am Tisch sind, dass
Saudi-Arabien und Iran am Tisch sind, dass wir eine in-
ternationale Koalition schmieden, die mittelfristig dazu
in der Lage ist, alle Vorbehalte, die von der einen oder
anderen Seite gegen ein UN-Mandat angeführt werden,
zu überwinden . Das ist die Arbeit unserer Bundeskanz-
lerin Angela Merkel und unseres Außenministers Frank-
Walter Steinmeier . Unterstützen wir sie mit dem Mandat
dabei! Wir müssen mit der heutigen Abstimmung ein kla-
res Zeichen setzen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem politischen
Prozess gehören auch Anstrengungen in der Entwick-
lungszusammenarbeit . Gerade der Gipfel mit der Türkei
hat gezeigt, dass wir etwas spät auf die Entwicklungen in
der Region reagiert haben, aber nicht zu spät . Die Stabi-
lisierungsmaßnahmen der Türkei, die mit der Aufnahme
von Millionen von Flüchtlingen geleistet werden, helfen
auch uns in Europa . Wir müssen das bei allen innenpoli-
tischen Problemen, die die Türkei hat und auch uns be-
reitet, wertschätzen . Aber es kann nicht reichen, dass wir
nur auf die Türkei schauen .

Diejenigen von uns, die in den Flüchtlingslagern in
der Türkei oder auch im Libanon oder – wie ich un-
längst – in Jordanien waren, wissen, dass die Flüchtlinge
dort gebannt darauf warten, dass die Europäische Union
bereit ist, mehr zu tun und mitzuhelfen . Wir haben jetzt
mit der Bereitstellung von erheblich mehr Mitteln für die
Entwicklungszusammenarbeit und für die Maßnahmen
des Welternährungsprogramms in den Flüchtlingslagern
die entscheidende Wende erreicht .

Wichtig ist aber, auch darauf zu schauen, dass Staa-
ten wie Libanon und Jordanien nicht überfordert werden .
Ein Viertel der Bevölkerung dieser Länder besteht aus

Flüchtlingen . Wir sollten uns klar vor Augen führen, dass
wir hier gefordert sein werden, nicht nur im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit, und dass dieses Mandat
möglicherweise – das sage ich in aller Demut – einen
Einstieg der Europäischen Union in einen weiteren Zu-
sammenhang, in eine weitere Stabilisierung bedeuten
muss .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Eine weitere Stabilisierung“, was heißt das?)


Wir müssen den Blick auch darauf richten, wie wir es
schaffen, dass die Region selber Verantwortung über-
nimmt . Hier reichen entwicklungspolitische Maßnahmen
nicht aus .

Das führt mich zum dritten Punkt: zur Frage der Stabi-
lisierung und Aussöhnung . In Kurdistan, im Irak beginnt
gerade eine ganz vorsichtige Aussöhnung zwischen den
zerstrittenen Parteien der Sunniten, Schiiten und Kur-
den . Das ist ein sehr langfristiger Prozess . Die Kurden
übernehmen in einer bestimmten Region Verantwortung,
auch dank deutscher Unterstützung und Beratung . Wir
werden uns dort jahrelang engagieren müssen .

Ein weiterer Blick, der aus meiner Sicht erforderlich
ist, richtet sich darauf, dass sich ISIS zurzeit in Libyen
festbeißt . Der Libyen-Einsatz 2011 zeigt, dass eine iso-
lierte Betrachtung und ein ausschließlicher Einsatz mili-
tärischer Mittel nicht zielführend sind . Hier liegt es in der
Verantwortung der Europäischen Union, aus den Fehlern
von 2011 zu lernen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen es schaffen, als Europäer gemeinsam ein
Zeichen zu setzen .

In der Europäischen Sicherheitsstrategie aus dem
Jahr 2003 hieß es, dass Europa von einem Ring stabiler
Staaten umgeben sein sollte . Diese Forderung haben wir
nicht umsetzen können . Das wird die entscheidende He-
rausforderung der nächsten Jahre werden .

Wir warten gespannt nicht nur auf das Weißbuch der
Bundesregierung, sondern wir warten gespannt auch auf
die europäische außen- und sicherheitspolitische Stra-
tegie, die im Sommer nächsten Jahres verabschiedet
werden soll . Über unser europäisches Engagement und
unsere deutsche Verantwortung nachzudenken und zu
debattieren, wäre aller Anstrengungen in diesem Hohen
Hause wert . Wir können nicht von Entgrenzung reden,
Herr Kollege Hofreiter, schon gar nicht sollten wir von
einer Unterstützung des Terrorismus durch Enthaltung,
so wie Sie es machen, oder durch Ablehnung reden, son-
dern wir müssen uns stärker in der Region engagieren
und uns darüber in diesem Hause unterhalten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit komme ich zur militärischen Komponente . Je-
der Militäreinsatz ist ein sehr schwieriger Einsatz, weil er
auch Gewissensfragen umfasst . Aber ausschließlich den
Einsatz westlicher Armeen zu verdammen, kein Wort
über die Verbrechen, die Russland in verschiedenen Be-
reichen durchführt, zu verlieren und immer den Westen
anzugreifen, das spricht für eine Verblendung . Das ist ein

Roderich Kiesewetter

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514126


(A) (C)



(B) (D)


falsches Bild, das unserer Öffentlichkeit hier aus dem
Parlament übermittelt wird .

Jeder Einsatz muss in ein politisches Konzept ein-
gebettet sein . Das ist das, was deutsche Außenpolitik
ausmacht . Das sind unsere Lehren aus dem Afghanis-
tan-Einsatz und aus dem Irakkrieg von 2003 . Deshalb
war es gerade so wichtig, dass die Bundesregierung, aber
auch unser Parlament so stark darauf gedrungen haben,
dass der politische Prozess in Wien nach Abschluss der
Verhandlungen mit dem Iran vorangetrieben wird .

Noch eines: Dieser Prozess bietet der Europäischen
Union endlich die Chance, Bewegung in den Nahostkon-
flikt zu bringen. Mit einer Stabilisierung von Jordanien 
und dem Libanon leisten wir einen Beitrag zur Unter-
stützung Israels und damit auch einen Beitrag zur viel
beschworenen Staatsräson, die wir erbringen müssen, um
in der Region zu helfen und um Israel in einem stabilen
Umfeld zu bewahren . Darüber haben wir überhaupt noch
nicht nachgedacht . Deshalb appelliere ich an die Grünen:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat keinen Sinn!)


Geben Sie sich einen Ruck, und denken Sie nicht nur an
die Bekämpfung des Terrors! Denken Sie auch an die
Bekämpfung und Überwindung des Nahostkonflikts. Wir 
brauchen eine stabile Region, auch im Südosten Europas .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814404900

Johann Wadephul ist der letzte Redner in dieser De-

batte für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1814405000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Ich bin sehr dankbar, dass in dieser Debatte deutlich
geworden ist, dass wir heute zwar einen militärischen
Einsatz beschließen, dass aber das Militärische nicht die
letzte, nicht die einzige Antwort auf den IS, den Terro-
rismus und die Barbarei ist, der wir uns gegenübersehen .

Ich möchte zum Schluss der Debatte darauf aufmerk-
sam machen, dass die deutsche Außenpolitik in einer
großen Kontinuität steht . Sie stellt die Diplomatie, die
Verständigung und das Herstellen von Gesprächskontak-
ten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit . Das ist bei Vorgän-
gerregierungen so gewesen, und das ist bei den aktuellen
Konflikten, die wir zu bewältigen hatten, auch so gewe-
sen .

Ich darf den Ukraine-Konflikt in Erinnerung rufen; der 
übrigens mitnichten beendet worden ist . Es gab schwe-
re Völkerrechtsverletzungen seitens Russlands . Es war
Deutschland, es war die deutsche Bundeskanzlerin, die
dafür gesorgt hat, dass der Minsker Prozess eingeleitet
wurde . Sie war es, die Frankreich eingebunden hat . Sie
hat dafür gesorgt, dass Präsident Putin mit am Tisch saß .
Es war die deutsche Bundeskanzlerin, es war Deutsch-
land, das auf Diplomatie und auf Verständigung gesetzt

hat . Es war Deutschland, das sich der Forderung, Waffen
an die Ukraine zu liefern, widersetzt hat . Unsere Außen-
politik ist also nicht militärisch geprägt, aber wir wissen,
dass es Situationen gibt, in denen wir bündnisfähig sein
müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es war der deutsche Bundesaußenminister, der viel
Kraft und Energie auf die Nukleargespräche, die den
Iran betrafen, verwandt hat . Er hat wesentlich dazu bei-
getragen, dass wir einen Erfolg erzielt haben . Es war
der deutsche Bundesaußenminister, der mit unserer Un-
terstützung – Herr Gehrcke, ich glaube, sogar mit Ihrer,
dafür ein herzliches Dankeschön – nach erfolgreichem
Abschluss der Nukleargespräche eine bemerkenswerte
Reise gemacht hat – erst in den Iran, nach Teheran, dann
nach Saudi-Arabien, nach Riad – und damit wichtige
Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der Wiener
Prozess beginnen konnte . Jeder in diesem Hohen Hau-
se weiß doch – auch jeder, der heute zustimmen will –:
Militärisch werden wir das nicht lösen . Wir werden das
nur lösen, wenn der Wiener Prozess vorangeht, und das
schaffen wir ohne Iran und ohne Saudi-Arabien nicht . –
Ich möchte Frank-Walter Steinmeier ein ganz herzliches
Dankeschön sagen, dass er sich dafür eingesetzt hat . Das
hat viel geholfen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Aber jetzt gibt es eine Entschlossenheit der internati-
onalen Gemeinschaft zum Kampf gegen diese Barbarei .
Es geht nicht – Frau Kollegin Wagenknecht, ich möchte
Sie herzlich auffordern, diese Formulierung noch ein-
mal zu überdenken und sie zurückzunehmen – um einen
Wettstreit, wer der Bessere im „Morden“ ist, wie Sie,
Frau Wagenknecht, heute Morgen hier gesagt haben . Ich
halte das für eine schlimme Entgleisung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sind an der Seite der Weltgemeinschaft, die in ei-
ner UN-Resolution – unabhängig davon, was Sie völ-
kerrechtlich aus dieser UN-Resolution herleiten – diese
Barbarei des IS verurteilt hat .


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir auch!)


Wir sind, Herr Kollege Gehrcke, auf der Seite der Hu-
manität . Wir sind auf der Seite des Rechts . Wir sind auf
der Seite des Internationalismus . Das sage ich den Lin-
ken einmal: Hört ihr nicht die Signale? Sie sind Provin-
zialisten, wenn Sie sich in die linke Ecke des deutschen
Hauses zurückziehen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Mal wieder die Signale nicht gehört? Hört doch mal hin!)


Ich kann den Grünen in dieser Debatte folgenden Hin-
weis nicht ersparen: Sie haben nicht ohne Stolz – das muss
man anerkennen – in vielen Debatten über Europa, zum
Beispiel über die Griechenland- und die Portugal-Ret-
tungspakete, immer wieder darauf hingewiesen – ich
habe manche Rede des Kollegen Trittin hier in wirklich

Roderich Kiesewetter

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14127


(A) (C)



(B) (D)


guter Erinnerung –, dass Sie für das europäische Projekt
stehen . Herr Kollege Hofreiter, es wäre nicht trivial – das
muss man bei all den Fragen, die es zur Zukunft in Syrien
noch gibt, und bei all der Unfertigkeit dieses Projektes
sagen –, wenn wir in dieser Lage Frankreich die Solida-
rität versagen würden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die deutsch-französische Freundschaft ist nach wie
vor – 2003 haben wir hier gemeinsam das Jubiläum
begangen – eine Sache, für die wir tiefste Dankbarkeit
empfinden müssen, auch in dieser Situation. Europa wird 
ohne eine funktionierende deutsch-französische Achse
schlicht und ergreifend handlungsunfähig .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mali? Maastricht-Kriterien? Es gibt noch andere Möglichkeiten!)


– Sie können zu Recht auf viele andere Projekte hinwei-
sen – natürlich machen wir Mali –; das ist alles richtig .
Aber in dieser Situation diese Bitte des französischen
Präsidenten und des französischen Staates abzulehnen,
würde die deutsch-französische Freundschaft auf das
Schwerste schädigen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn Sie sich zum Projekt Europa bekennen, dann
müssen Sie sich an dieser Stelle auch zur Solidarität mit
Frankreich bekennen .


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Blinde Solidarität!)


Dann muss man jetzt auch springen und darf sich nicht
zurückziehen auf intellektuelle Spielchen, meine sehr
verehrten Damen und Herren von den Linken .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, die Christen in dieser Welt
bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor . Nach unserer
schwierigen Entscheidung müssen sich auch deutsche
Soldatinnen und Soldaten auf einen schwierigen, schwe-
ren und gefährlichen Einsatz vorbereiten . Wir wünschen
ihnen alles Gute, Gottes Segen und dass sie nach Erfül-
lung ihres Auftrags wohlbehalten zu ihren Familien zu-
rückkehren können .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist ja ganz schlecht, was Sie erzählen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814405100

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag
der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristi-
scher Handlungen durch die Terrororganisation IS .

Hierzu liegen mir zahlreiche persönliche Erklärungen
zur Abstimmung vor, die wir, wie üblich, dem Protokoll
beifügen .1)

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/6912, dem Antrag der Bundes-
regierung auf Drucksache 18/6866 zuzustimmen . Über
diese Beschlussempfehlung stimmen wir nun auf Antrag
der Koalitionsfraktionen namentlich ab .

Ich weise aber schon jetzt darauf hin, dass es danach
eine weitere namentliche und eine weitere nicht nament-
liche Abstimmung geben wird .

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn die
Urnen jeweils doppelt besetzt sind .


(Auf der Tribüne wird eine Fahne entrollt)


– Ich darf Sie bitten, die Fahne dort oben friedlich wieder
einzurollen .

Darf ich noch einmal fragen, ob an allen Urnen jeweils
zwei Schriftführerinnen und Schriftführer anwesend
sind? – Das scheint der Fall zu sein . Dann eröffne ich den
Abstimmungsvorgang .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405200

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mei-

ner Seite, auch den Gästen auf der Tribüne! Darf ich bitte
um Ihre Aufmerksamkeit bitten: Gibt es Kolleginnen und
Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben bei der ersten
namentlichen Abstimmung? – Da niemand reagiert, gehe
ich davon aus, dass Sie alle abgestimmt haben . Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen .2)

Wir stimmen nun über die Entschließungsanträge der
Fraktion Die Linke ab . Die Fraktion Die Linke hat zu
dem Entschließungsantrag auf Drucksache 18/6918 na-
mentliche Abstimmung verlangt . Ich bitte die Schriftfüh-
rer und Schriftführerinnen, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen . – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das
ist der Fall . Ich eröffne die zweite namentliche Abstim-
mung über den Entschließungsantrag – ich sage es noch
einmal – auf Drucksache 18/6918 .

Gibt es Mitglieder des Hauses, die ihre Stimme noch
nicht abgegeben haben? – Es wäre viel einfacher, das
festzustellen, wenn Sie sich hinsetzen und die Gespräche
einstellen würden, weil wir gleich noch eine Abstimmung
haben . Also: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend,
das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht
der Fall . Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen . Ich werde Ihnen die Ergebnisse der Abstim-
mung – wie immer –, sobald sie uns vorliegen, bekannt
geben .3)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-

1) Anlagen 2 bis 12
2) Ergebnis Seite 14131 D
3) Ergebnis Seite 14134 B

Dr. Johann Wadephul

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514128


(A) (C)



(B) (D)


sache 18/6917 . Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zugestimmt hat Die
Linke, abgelehnt hat der Rest des Hauses: CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen .

Jetzt kommt ein sehr wichtiges Thema . Deswegen
bitte ich – das ist unverhandelbar –, die Gespräche ein-
zustellen und Platz zu nehmen; das gilt für alle . Wir kom-
men jetzt, wie gesagt, zu einem sehr wichtigen Thema,
nämlich zu einer Regierungserklärung, und ich möchte,
dass der Ministerin und den Kolleginnen und Kollegen
zugehört wird .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit

zur UN-Klimakonferenz in Paris

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein gemeinsamer Entschließungsantrag
der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 77 Minuten vorgesehen . – Ich höre und sehe keinen
Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung hat
jetzt Dr . Barbara Hendricks .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Klimakonferenz in Paris, die Anfang dieser Woche
begonnen hat, könnte – ja, sie muss – der Aufbruch in ein
neues Zeitalter sein . Es geht tatsächlich um die Zukunft
unseres Planeten .

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat zur Eröffnung
am Montag treffend beschrieben, die Konferenz sei ein
politischer Moment, wie er vielleicht nicht wiederkommt .
In den meisten Reden der Staats- und Regierungschefs
ist die Bereitschaft zum Ausdruck gekommen, jetzt einen
globalen Klimavertrag zu vereinbaren, und auch bei mei-
nen ersten Gesprächen in Paris habe ich gespürt, dass wir
alle uns unserer gemeinsamen Verantwortung bewusst
sind .

Die Erwartungen an diese Konferenz aus diesem Ho-
hen Haus, aus Deutschland und aus Europa reihen sich
ein in die Erwartungen von Milliarden Menschen auf der
ganzen Welt – vor allem in den ärmsten und besonders
vom Klimawandel betroffenen Ländern . Ich möchte dem
gesamten Bundestag für das Engagement gegen den Kli-
mawandel danken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich streiten wir auch hier gelegentlich über den
richtigen Weg des Klimaschutzes im eigenen Land . Bei
den internationalen Verhandlungen haben wir aber im-
mer die Tradition des Schulterschlusses gehabt, und ich
freue mich auf die vielen positiven Beiträge aus allen
Fraktionen .

Ich danke auch dafür, dass aus allen Fraktionen Kol-
leginnen und Kollegen mit nach Paris kommen werden .
Wir werden Sie über den Gang der Dinge auch weiter
gut informiert halten, sodass Sie Informationen zum Ver-
handlungsprozess aus erster Hand erhalten .

Die Delegationen der 195 Staaten haben die Aufgabe,
die vermutlich größte Herausforderung dieses Jahrhun-
derts anzugehen, nämlich den Klimawandel zu begren-
zen . Von Paris soll das Signal ausgehen: Die Welt steht
zusammen . Für unseren Teil kann ich sagen: Die Bun-
desregierung wird alles dafür tun, dass diese Konferenz
ein Erfolg wird .

Ich möchte Präsident Hollande und allen Französin-
nen und Franzosen meinen großen Dank dafür ausspre-
chen, dass sie diese Großveranstaltung trotz der schwie-
rigen Situation in so hervorragender Weise schultern .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für uns alle ist in Paris die Trauer über die feigen und
bestialischen Anschläge spürbar . Aber wir spüren auch
das Ausrufezeichen: Jetzt erst recht! Wir lassen uns die
Zukunftsgestaltung nicht von Mördern wegnehmen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg nach Pa-
ris war mühsam und lang . Allerdings sind wir gerade auf
den letzten Metern in diesem Jahr sehr gut vorangekom-
men . Dazu zähle ich unter anderem die Beschlüsse der
G-7-Konferenz in Elmau, die Weltwirtschaft noch in die-
sem Jahrhundert zu dekarbonisieren .

Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie dieses
Ziel der Dekarbonisierung noch einmal ausdrücklich un-
terstrichen hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das Bekenntnis, von Kohle, Öl und schließlich auch Gas
vollständig Abstand zu nehmen, war eben keine Laune in
Elmau, sondern eine gut bedachte und notwendige Rich-
tungsentscheidung, ein Bekenntnis, dem sich Brasilien
wenig später angeschlossen hat . Das war ein wichtiges
Signal in Richtung der aufstrebenden Länder des Südens .

Ein anderer wichtiger Zwischenschritt liegt bereits
zwei Jahre zurück . Bei der Konferenz in Warschau 2013
wurde vereinbart, dass alle Staaten im Vorfeld der Pari-
ser Konferenz ihre nationalen Beiträge einreichen soll-
ten . Dieses Vorgehen hat sich als sehr sinnvoll erwiesen .
185 Vertragspartner haben das jetzt getan . Sie stehen für
mehr als 95 Prozent des weltweiten Treibhausgasaussto-
ßes . Der Verhandlungsprozess von Paris hat schon jetzt
zu mehr Klimapolitik auf der Welt geführt, als wir je zu-
vor hatten .

Vizepräsidentin Claudia Roth

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14129


(A) (C)



(B) (D)


Mit diesen Beiträgen würden wir die weltweite Erwär-
mung auf circa 2,7 Grad gegenüber der vorindustriellen
Zeit begrenzen können . Wir erreichen also zwar noch
nicht die 2-Grad-Obergrenze, aber das ist eine deutliche
Abkehr vom bisherigen Trend, bei dem wir noch mit 4
oder sogar 5 Grad Erderwärmung hätten rechnen müssen .
Aber nochmals: Nur die Zwei vor dem Komma reicht
nicht aus . Wir müssen mehr machen, und wir können das
auch . Die 2-Grad-Obergrenze muss völkerrechtlich ver-
bindlich werden . Nicht zuletzt deswegen stehen wir jetzt,
fast 20 Jahre nach Kioto, in den härtesten zwei Wochen
des internationalen Klimaprozesses .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
noch einmal darstellen, was die Leitlinien unserer Ver-
handlungen in Paris sind .

Erstens . Wir brauchen vollständige Transparenz . Wir
wollen klare Regeln, wie der Klimaschutz in den einzel-
nen Staaten gemessen und dokumentiert wird .

Zweitens . Wir müssen in der Lage sein, nachzusteu-
ern . Deswegen brauchen wir einen Mechanismus, der
die Ambitionen Stück für Stück steigert . Ich möchte er-
reichen, dass wir Zyklen von fünf Jahren durchsetzen,
wobei die Klimaschutzanstrengungen jeweils verstärkt
werden müssen, sodass man keinesfalls dahinter zurück-
fallen kann .

Drittens . Wir wollen weltweite Solidarität mit den
Ländern, die unter den Auswirkungen des Klimawandels
am stärksten leiden .

Viertens . Wir brauchen das Bekenntnis zu einem lang-
fristigen Ziel . Das Ziel muss sein: null CO2 aus fossilen
Energieträgern im Laufe dieses Jahrhunderts .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der internationale
Klimaschutz wird weiterhin auf Dialog angelegt sein .
Für diesen Dialog brauchen wir aber Leitplanken, die
uns in Richtung des 2-Grad-Ziels führen . Dazu zählt,
dass wir die Anstrengungen der Staaten regelmäßig über-
prüfen . Am liebsten wäre es mir, die nationalen Beiträge
völkerrechtlich verbindlich festzuschreiben . Mindestens
aber brauchen wir ein völkerrechtlich verbindliches Sys-
tem, mit dem gemessen wird . Je transparenter die Bemü-
hungen der Staaten, desto unwahrscheinlicher, dass sich
Länder still und heimlich von ihren Zielen und Zusagen
verabschieden . Daher wollen wir alle fünf Jahre eine
Überprüfung . Es lohnt sich, um die Vermeidung eines je-
den Zehntelgrades Erderwärmung zu kämpfen .

Darüber hinaus müssen wir in der Lage sein, nach-
zujustieren . Wir wollen einen Mechanismus vereinba-
ren, der es uns ermöglicht, die Anstrengungen Stück
für Stück zu steigern, abhängig von wissenschaftlichen
Erkenntnissen und von künftigen technologischen Mög-
lichkeiten . Sie sehen: Paris wird nicht der Endpunkt der
Klimadiplomatie sein . Vielmehr muss es der Ausgangs-
punkt einer neuen und erfolgreichen Phase weltweiter
Klimaschutzpolitik sein .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich an-
hand von zwei Begegnungen, die ich gerade vorgestern

hatte, die Situation beschreiben . Ich habe am Mittwoch
Sheila Watt-Cloutier, eine sehr engagierte Frau aus dem
Norden Kanadas, kennengelernt . Sie gehört zum Volke
der Inuit und erzählte mir von dem Nationalpark Auyuit-
tuq am Rande der Arktis . Der Name heißt auf Deutsch:
Land, das nie schmilzt . Tatsächlich stimmt der Name
nicht mehr: Heute schmilzt das Land und damit alles,
was die Lebensgrundlage des Volkes der Inuit ausmacht .
Gemeinsam mit ihr habe ich den Außenminister der Mar-
shall Islands, Tony de Brum, getroffen . Beide wurden
gerade mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet .

Ohne ein neues Klimaschutzabkommen wird seine
Heimat im Meer versinken . Auf der einen Seite schmilzt
ein Land, auf der anderen Seite droht ein anderes vom
steigenden Meeresspiegel geschluckt zu werden . Natür-
lich ist das ursächlich miteinander verbunden, obwohl
der Norden Kanadas und die Marshall-Inseln mehr als
10 000 Kilometer voneinander entfernt sind . Das sind
nur zwei Beispiele . Von der Konferenz in Paris hängt die
Existenz ganzer Völker ab .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Für viele Menschen ist der Klimawandel bereits heute
eine unmittelbare Bedrohung: in Afrika südlich der Saha-
ra, in Südasien und an vielen anderen Orten . Trinkwasser
wird knapp, Böden vertrocknen, und Wüsten breiten sich
aus . Immer mehr Menschen verlieren ihre Heimat . Ein
fortschreitender Klimawandel würde viele Verteilungs-
konflikte verschärfen und neue Verteilungskonflikte her-
vorrufen: Konflikte um Land, um Wasser, um Böden, um 
Nahrungsmittel .

Wenn die Erderwärmung um mehr als 2 Grad steigt,
wird es gefährlich . In vielen Regionen setzt dies schon
oberhalb von 1,5 Grad ein . Schaffen wir es nicht, den
Temperaturanstieg zu begrenzen, werden wir den Kampf
gegen  Armut,  Verzweiflung  und  Flucht  verlieren.  Wir 
alle haben die Pflicht, unseren Beitrag zu leisten, damit 
diesen Menschen eben nicht die Hoffnung genommen
wird . Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspoli-
tik und Friedenspolitik .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gesagt,
dass die Konferenz unter guten Vorzeichen steht . Den-
noch dürfen wir nicht so tun, als wäre das Ergebnis
schon erreicht . Wir haben insgesamt 196 Vertragspartei-
en, zwischen denen sich Dynamiken ergeben können, die
wir noch nicht genau absehen . Der EU kommt hier eine
wichtige Bedeutung zu, als Vermittlerin und als Antrei-
berin, damit es nicht nur Kompromisse auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner gibt .

Gemeinsam mit meinen europäischen Kolleginnen
und Kollegen wird das der Schwerpunkt meiner Arbeit
in der kommenden Woche sein . Ich darf Ihnen sagen,
dass Deutschland international als ein ehrlicher Makler
wahrgenommen wird; eine Rolle, die wir nun auch gut
ausfüllen wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514130


(A) (C)



(B) (D)


Gerade die Länder des Südens werden unter den Fol-
gen des Klimawandels leiden, selbst wenn wir den Tem-
peraturanstieg auf 2 Grad begrenzen können . Gleichzei-
tig haben die allermeisten von ihnen historisch nur zu
einem sehr geringen Teil zum Klimawandel beigetragen .
Schon in Kopenhagen haben wir, die Industrieländer, uns
dazu verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliar-
den US-Dollar an öffentlichen und privaten Investitionen
für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klima-
wandel zu mobilisieren . Das ist – ich habe das in Paris
bereits betont – eine absolut notwendige Voraussetzung,
um die Zustimmung aller Staaten zu bekommen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ende 2014 standen wir bereits bei 62 Milliarden
US-Dollar . Wir sind also auf einem guten Weg . Insge-
samt  muss  die  Klimafinanzierung  eine  der  Säulen  des 
neuen Abkommens sein . Wir wollen, dass sich der Ge-
berkreis erweitert . Wir brauchen auch in dieser Hinsicht
Fairness . Die Reicheren, Leistungsstärkeren müssen den
Bedürftigeren helfen . Das ist die ganz einfache Formel,
um die es geht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das bedeutet auch, dass wir uns von Einteilungen der
Welt in Arm und Reich, wie sie etwa noch Anfang der
90er-Jahre bestanden hat, verabschieden müssen . Heute
haben einige prosperierende Länder des Südens ein hö-
heres Pro-Kopf-Einkommen als mancher EU-Mitglied-
staat . Diese müssen wir in die Solidarität einbinden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, effektiver Klima-
schutz ist nur möglich, wenn möglichst viele Finanzströ-
me in Richtung Klimaschutz und Klimaanpassung um-
gelenkt werden, und das hat bereits begonnen: Von der
Rockefeller-Stiftung bis zum norwegischen Staatsfonds
ziehen immer mehr Investoren ihr Geld aus fossilen In-
dustrien ab und legen es stattdessen in erneuerbare Ener-
gien und nachhaltige Investitionen an . In der vergange-
nen Woche – Sie haben es alle wahrgenommen – hat die
Allianz Versicherung eine entsprechende Ankündigung
gemacht .

Es ist wichtig, diese Entwicklung zu unterstützen .
Deshalb ist das Langfristziel so wichtig; denn damit ge-
ben wir der wirtschaftlichen Entwicklung eine Richtung
und Investoren ein Signal .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gestern habt ihr noch dagegengestimmt!)


Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass viele auch
etwas im Kampf gegen den Klimawandel tun können .
Wenn die Allianz ihre Anlagestrategie ändert, dann kön-
nen das andere Anleger auch:


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die Bundesregierung nicht!)


Stiftungen, Kirchen, Privatanleger oder Kommunen, wie
es zum Beispiel die Stadt Münster gerade getan hat .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Großteil der be-
kannten Reserven an Kohle, Öl und Gas muss in der Erde
bleiben, wenn der Klimawandel nicht aus dem Ruder lau-
fen soll .


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch in der Lausitz!)


Die Zeit ist reif für eine weltweite Energiewende . Es ist
nicht zuletzt einer der Erfolge des deutschen Erneuerba-
re-Energien-Gesetzes, dass Strom aus erneuerbaren Ener-
gien marktfähig geworden ist . Wir haben gut daran getan,
voranzugehen . Wir können heute günstigen Strom aus er-
neuerbaren Energien gewinnen . Das langfristige Ziel ei-
ner grünen Null, netto null Gramm Treibhausgasausstoß
aus unseren Wirtschaftsprozessen, gibt die Richtung vor .
Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie aber gestern niedergestimmt!)


Damit bin ich bei unseren Aufgaben in Deutschland .
Der Klimawandel wird auch uns direkt betreffen . Seit
1880 hat sich die durchschnittliche Jahrestemperatur
um 1,4 Grad erhöht . Die Zahl der heißen Tage mit über
30 Grad hat sich verdreifacht, mit vielen negativen Aus-
wirkungen auf die Gesundheit, die Landwirtschaft und
die Tier- und Pflanzenwelt. Wir haben es immer häufiger 
mit  Stürmen,  Starkregenereignissen  und Überflutungen 
zu tun . Die Reparaturkosten, die ein ungebremster Kli-
mawandel mit sich bringen würde, sind nachweislich hö-
her als entschlossener Klimaschutz; weltweit betrachtet,
aber auch in unserem eigenen Land .


(Ulli Nissen [SPD]: Und deshalb handeln wir!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist für alle ein
guter Anlass, sich selbst einmal gründlich zu hinterfra-
gen . Ich treffe immer wieder Skeptiker, die das, was wir
tun, für übertriebene Hysterie halten .


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Übertrieben nicht!)


Dieser Haltung begegnet man zwar nicht gerade im Um-
feld großer Klimakonferenzen, wohl aber im politischen
Alltag, wenn es darum geht, Klimaschutz aktiv umzu-
setzen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sigmar bremst so richtig!)


Ich will am heutigen Tag eines sagen: Der Kampf gegen
den Klimawandel ist eben keine Spaßveranstaltung . Er
ist auch kein Hobby und kein sinnloses Zeug, sondern er
ist ausgesprochen ernst .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Präsident Obama hat recht mit seiner Aussage, dass es
absolut zynisch ist, zu sagen, man könne nichts gegen den
globalen Klimawandel tun . Mit einem neuen Abkommen
wollen wir denjenigen die Hand entgegenstrecken, deren

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14131


(A) (C)



(B) (D)


Angst vor der Transformation größer ist als die Sorgen
vor den Folgen des Klimawandels .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gabriel!)


Ihnen allen möchte ich heute zurufen: Kommen Sie mit,
machen Sie mit!


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sigi!)


Wir stoppen gemeinsam den Klimawandel und geben
so Millionen von Menschen die Chance auf ein besseres
Leben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es gibt keinen Anlass, den Kopf in den Sand zu ste-
cken . Die Bundesregierung ist die Erste, die klar sagt,
wie wir unsere Klimaziele erreichen können . Mit dem
Aktionsprogramm „Klimaschutz“ haben wir über
100 zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht . Wir
haben Transparenz hergestellt, indem wir jedes Jahr ei-
nen Klimaschutzbericht vorlegen . Gerade gestern wurde
erstmals über einen solchen Bericht debattiert .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Ihre Forderung ist von der Großen Koalition abgelehnt worden! Was sagen Sie dazu?)


Wir haben zudem die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft so-
wie die Bürgerinnen und Bürger mit an den Tisch geholt .
Im kommenden Jahr werde ich Ihnen den Klimaschutz-
plan 2050 vorstellen . Er wird Strategien aufzeigen, wie
wir unser langfristiges Ziel erreichen können, bis zum
Jahr 2050 bis zu 95 Prozent weniger CO2 auszustoßen;
dazu  haben wir  uns  verpflichtet. Das  ist  aller Anstren-
gungen wert .

Wenn ich sage, dass wir in unserem Land klare Signa-
le geben müssen, wohin wir mit unserer Politik wollen,
dann gilt das besonders für die Wirtschaft . Deutschland
ist ein Vorreiter im Klimaschutz . Wir erleben gerade,
wie uns immer mehr Länder folgen . Das ist auch eine
direkte Folge der klugen Förderpolitik in unserem Land .
1,5 Millionen Menschen verdienen ihr Geld heute in die-
ser Branche . Der Weltmarktanteil nachhaltiger Produkte,
Verfahren und Dienstleistungen made in Germany liegt
bei fast 14 Prozent . Das sollte uns ermutigen, diesen
Weg weiterzugehen . Klimaschutz schadet nicht der Wirt-
schaft . Klimaschutz schafft vielmehr Wohlstand und Ar-
beitsplätze . In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt
zwischen 1990 und 2014 um 39 Prozent gestiegen, wäh-
rend im selben Zeitraum die Emissionen um 27 Prozent
gesunken sind . Wir haben also das Wirtschaftswachstum
vom Energieverbrauch entkoppelt . Das ist echte Nach-
haltigkeit . Richtig ist, dass sich unsere Wirtschaftsstruk-
tur weiter verändern wird, übrigens auch die Mobilität .
Diese Prozesse müssen wir klug organisieren .

Die Zeit der fossilen Energieträger, auch der Braun-
kohle, geht zu Ende .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)


Das müssen wir den Menschen offen sagen, weil wir die
Verantwortung für einen gut gesteuerten Strukturwandel
tragen, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer sowie der betroffenen Regionen .

Das Gleiche gilt für die Landwirtschaft . Es reicht
nicht mehr, nur auf Masse zu produzieren . Dazu sind die
Umwelt- und Klimafolgen der Landwirtschaft zu groß .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Auch hier ist ein Strukturwandel notwendig, hin zu mehr
Umwelt- und Naturschutz und weniger Emissionen . Das
überkommene System der Agrarsubventionen setzt hier
bisher die völlig falschen Anreize . Es ist wirklich an der
Zeit, das grundsätzlich zu ändern .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht doch!)


In dem Zug nach Paris am letzten Samstag habe ich
zwei Schüler getroffen: die 16-jährige Amelie und den
15-jährigen Jonah . Gemeinsam mit vielen anderen Schü-
lern haben die beiden eine Aktion gestartet . Sie haben
Postkarten verteilt, auf denen man seine Wünsche für die
Pariser Konferenz aufschreiben konnte . Über 3 000 Post-
karten junger Menschen wurden mir überreicht . Der ganz
überwiegende Teil hat sich von uns gewünscht, dass wir
im Klimaschutz vorankommen . Die Frage, wie wir heute
unsere Verantwortung wahrnehmen, stellt die Weichen
für die Zukunft . Ich möchte, dass sich die Schülerin-
nen und Schüler mit der Postkartenaktion, aber auch die
Schülerinnen und Schüler in Kanada oder die auf einer
pazifischen  Insel  einmal an unsere Generation erinnern 
als eine, die den Mut hatte, umzusteuern, die den Mut
hatte, die Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen zu be-
enden, und die einen Weg gefunden hat, in Wohlstand
und einer intakten Umwelt leben zu können .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405300

Vielen Dank, Dr . Hendricks . – Ich glaube, wir alle

wünschen Ihnen Kraft, Durchsetzungsvermögen und Er-
folg für die Konferenz in Paris .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich darf Ihnen, bevor wir mit der Debatte beginnen,
die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-
telten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen
bekannt geben . Erste namentliche Abstimmung – Ein-
satz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung
und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die
Terrororganisation IS –: abgegebene Stimmen 598 . Mit
Ja haben gestimmt 445, mit Nein haben gestimmt 146,
und es gab 7 Enthaltungen . Die Beschlussempfehlung ist
angenommen .

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514132


(A) (C)



(B) (D)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 597;
davon

ja: 445
nein: 145
enthalten: 7

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Dr . Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei

Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger

Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas

Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14133


(A) (C)



(B) (D)


Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster


(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz

Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken

Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Angela Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Caren Marks

Katja Mast
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Martin Rabanus
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514134


(A) (C)



(B) (D)


Zweite namentliche Abstimmung – Entschließungs-
antrag der Linken –: abgegebene Stimmen 592 . Mit Ja
haben gestimmt 62 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein

haben gestimmt 475, Enthaltungen 55 . Der Entschlie-
ßungsantrag ist abgelehnt .

Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Tom Koenigs
Manuel Sarrazin
Kordula Schulz-Asche

Nein

CDU/CSU

Hans-Georg von der Marwitz
Martin Patzelt

SPD

Ulrike Bahr
Klaus Barthel
Lothar Binding (Heidelberg)

Marco Bülow
Dr . Ute Finckh-Krämer
Rita Hagl-Kehl
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Junge
Thomas Jurk
Ralf Kapschack
Cansel Kiziltepe
Steffen-Claudio Lemme
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Hilde Mattheis
Bettina Müller
Jeannine Pflugradt
Andreas Rimkus
René Röspel
Sarah Ryglewski

Johann Saathoff
Dr . Nina Scheer
Matthias Schmidt (Berlin)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Sonja Steffen
Rüdiger Veit
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)


DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)


Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Klein-Schmeink
Sylvia Kotting-Uhl

Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer

Enthalten

CDU/CSU

Dr . Andreas Lenz

SPD

Dr . Simone Raatz
Mechthild Rawert
Sönke Rix

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Dr . Franziska Brantner
Cem Özdemir

Vizepräsidentin Claudia Roth

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14135


(A) (C)



(B) (D)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 594;
davon

ja: 62
nein: 477
enthalten: 55

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr . Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht

Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr . Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr . Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . Andre Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr . Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz

Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum

Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr . Franz Josef Jung
Andreas Jung
Xaver Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr . Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr . Ursula von der Leyen

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514136


(A) (C)



(B) (D)


Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan

Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Armin Schuster


(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Frhr . von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl

Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G . Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr . Katarina Barley
Doris Barnett

Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner
Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann

(Wa ckernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14137


(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang Hellmich
Dr . Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Angela Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Anette Kramme
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger

Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dennis Rohde
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr . Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich

Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Dr . Franziska Brantner
Dr . Thomas Gambke
Dieter Janecek
Renate Künast
Cem Özdemir
Doris Wagner

Enthalten

SPD

Petra Hinz (Essen)

Steffen-Claudio Lemme
Matthias Schmidt (Berlin)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Volker Beck (Köln)

Agnieszka Brugger

Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr . Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Beate Walter-Rosenheimer

Wir beginnen jetzt die Debatte . Die erste Rednerin ist
Katja Kipping für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814405400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kli-

mawandel ist schon längst nicht mehr nur eine abstrakte
Bedrohung irgendwann in der Zukunft, sondern bittere

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514138


(A) (C)



(B) (D)


Realität – auch hierzulande . Die Unwetter nehmen zu,
und Hochwasser, die einst als Jahrhunderthochwasser
galten, treten jetzt im Zehnjahresrhythmus auf . Der Kli-
mawandel führt uns also in aller Brutalität vor Augen:
Wir alle, die wir hier auf diesem Planeten leben, bilden
eine Schicksalsgemeinschaft . Das Gebot der Stunde
muss deswegen lauten: Klimaschutz und Klimagerech-
tigkeit . Rein unverbindliche Zielvorgaben bringen uns da
nicht weiter .


(Beifall bei der LINKEN)


Zu den großen globalen Ungerechtigkeiten auf dieser
Welt gehört, dass die ärmeren Länder in besonderer Härte
von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betrof-
fen sind . In Afrika beispielsweise leiden Millionen Men-
schen an Wassermangel . Dem Bericht des UN-Klima rats
zufolge werden in Zukunft bis zu 250 Millionen Men-
schen an Wassermangel leiden . Das muss man sich ein-
mal vergegenwärtigen . Millionen Männern, Frauen und
Kindern fehlt es an dem elementarsten aller Lebensmit-
tel, an Wasser . Vor diesem Hintergrund steht doch fest:
Die konsequente Reduktion des CO2-Ausstoßes ist eine
Frage der globalen Gerechtigkeit . Dazu müssen wir so
schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Folgen der globalen Erwärmung wie Dürre und
Überschwemmung treiben weltweit Menschen in die
Flucht . Mich persönlich hat besonders die Geschichte
eines Flüchtlings aus Kamerun berührt, dessen Familie
einst eine Kakaoplantage betrieb . Er schilderte, er kön-
ne sich noch daran erinnern, dass man in seiner Kindheit
die Regenzeit auf den Tag genau bestimmen konnte . In
seiner Jugend hingegen gab es schon Jahre, in denen der
Regen komplett ausfiel. Die Sonne verbrannte die Setz-
linge, und die Setzlinge, die überlebt hatten, wurden dann
weggeschwemmt, als der Regen kam, weil er mit einer
solchen Wucht kam, dass nichts mehr zu retten war .

Wenn wir also so weitermachen wie bisher, wird die
Zahl der Klimaflüchtlinge explodieren. Das hat der Teil-
nehmer einer Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung
sehr treffend auf den Punkt gebracht, als er alle fragte:
Ja, was denkt ihr denn? Wenn unsere Heimat ein Back-
ofen wird, erwartet ihr, dass wir in diesem Backofen sit-
zen bleiben, bis wir verdorrt und verdurstet sind? – Der
Klimawandel und die Klimakatastrophen werden wahr-
scheinlich die Fluchtursachen der Zukunft sein .

Frau Hendricks, Sie haben hier treffende Worte dazu
gefunden . Ich erwarte aber auch, dass der Rest der Re-
gierung in diesem Sinne handelt und wirklich konsequent
etwas zur Reduktion der CO2-Emissionen unternimmt .


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu gehört auch, die Wirtschaft entsprechend in die
Pflicht zu nehmen. Doch anstatt den großen Konzernen 
die ökologischen Folgekosten ihrer Emissionen aufzuer-
legen, reagieren die Regierenden anders . Bei Verhand-
lungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA
werden Klimaschutz und Umweltschutz zum Investiti-
onshemmnis degradiert . So wird Klimaschutz behindert .

Deswegen sagen wir als Linke ganz klar: Abkommen wie
TTIP und CETA sind Klimakiller . Sie gehören umgehend
entsorgt, und zwar in die Schadstofftonne .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Totaler Unsinn!)


Es gibt ganz viele konkrete Schritte, die wir gehen
müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren . Dazu
wird meine Kollegin Eva Bulling-Schröter gleich noch
sprechen .

Ich möchte mit einer grundsätzlichen Bemerkung
schließen . Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zei-
gen eins deutlich: Es ist bisher in keiner Weise gelun-
gen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren . Lediglich infolge
eines Systemzusammenbruchs oder infolge großer Wirt-
schaftskrisen ist das gelungen . Ganz im Gegenteil: Noch
im Jahr 2013 haben die CO2-Emissionen mit 35 Milliar-
den Tonnen ein historisches Ausmaß gehabt . Das hat eine
Ursache . Das kapitalistische „Höher, schneller, weiter“
kennt eben nur ein Erfolgskriterium, und das ist der Pro-
fit. 

Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass auch der grü-
ne Traum von einem grünen Kapitalismus, in dem allein
ressourcensparende Technologien alle unsere Probleme
lösen, ausgeträumt ist . Denn selbst die Einsparungen
würden doch sofort durch mehr Konsum, durch mehr
Wirtschaftswachstum  zunichtegemacht.  Insofern,  finde 
ich, hat es die kanadische Globalisierungskritikerin Nao-
mi Klein auf den Punkt gebracht, als sie sagte: Klima
oder Kapitalismus – wir müssen uns entscheiden .


(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg . Ulrich Petzold [CDU/CSU] – Zurufe von der CDU/CSU)


– Mir ist schon bewusst, dass Ihnen solche Wahrheiten
nicht gefallen . Aber wenn man sich dem Problem Klima-
kollaps in aller Dringlichkeit stellen will, muss man an
die Wurzeln des Problems heran . Vor die Entscheidung
„Klimaschutz oder Kapitalismus?“ gestellt, weiß ich,
wofür ich mich entscheide: Im Interesse der zukünftigen
Generationen, im Interesse der Kinder und Enkel und im
Interesse der vielen Menschen, die bereits heute an Was-
sermangel leiden, setzen wir auf Klimaschutz .


(Christian Haase [CDU/CSU]: China ist das leuchtende Beispiel!)


Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie?)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405500

Danke, Kollegin Kipping . – Das Wort hat jetzt der

Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats für nachhalti-
ge Entwicklung, Andreas Jung, für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Katja Kipping

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14139


(A) (C)



(B) (D)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1814405600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute Vormittag in diesem Haus über die Be-
drohung durch den Terrorismus gesprochen . Jetzt geht
es um Klimawandel . Das sind zwar zwei völlig unter-
schiedliche Themen, aber auch die Bedrohung durch den
Klimawandel ist konkret und hat sich schon ganz konkret
realisiert . Es gibt Menschen, die wegen des Klimawan-
dels gestorben sind.  Ich denke dabei an Überflutungen, 
zum Beispiel in Bangladesch . Es gibt ganze Länder,
die bedroht sind . Denken wir an die Inselstaaten, deren
Überleben durch das Ansteigen des Meeresspiegels in-
frage gestellt wird . Es gibt Millionen von Menschen, die
auf der Flucht sind – auch wegen der Klimaveränderung .

Angesichts der mit dem Klimawandel verbundenen
Herausforderungen haben wir allen Grund, die Konfe-
renz in Paris so ernst zu nehmen . Es war gut, dass die
Bundeskanzlerin bei der Eröffnung gewesen ist . Sie hat
dort gesagt: Beim Klimaschutz geht es um Menschlich-
keit und letztlich um das Überleben der Menschheit . So
waren ihre Worte .


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Worte! Nur Worte!)


Ich denke, genau darum geht es . Deshalb wünschen wir
dieser Konferenz in Paris von Herzen viel Erfolg . Wir
wünschen der Kanzlerin, der Umweltministerin, der
Bundesregierung viel Erfolg bei dem, was Sie, Frau
Hendricks, dargestellt haben: bei dem Ringen um ein
wirksames, verbindliches Klimaschutzabkommen unter
Einbeziehung aller Emittenten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kipping, weil Sie gerade „Worte!“ dazwischen-
gerufen haben, will ich sagen: Ich teile die Einschätzung,
dass wir, die Industriestaaten, also auch Deutschland,
in besonderer Weise in der Pflicht stehen, dass wir eine 
besondere Verantwortung haben . Ja, wir haben seit der
Industrialisierung unseren Wohlstand auch auf dem Aus-
stoß von CO2 aufgebaut . Unser Wirtschaftswunder in
der Nachkriegszeit hatte drei starke Säulen: Das waren
die Zigarre von Ludwig Erhard, die D-Mark in der Ta-
sche, aber eben auch die Kohle im Revier . Davon haben
wir profitiert; davon profitieren wir  in Teilen bis heute. 
Aber das bringt die Verantwortung mit sich, jetzt genau-
so engagiert als Vorreiter im Klimaschutz voranzugehen .
Schließlich wissen wir – Sie haben es soeben beschrie-
ben –, dass gerade die Ärmsten der Armen als Erste und
am meisten vom Klimawandel betroffen sein werden . Ja,
wir Deutsche haben eine besondere Pflicht. Wir gehören 
immer noch zu den zehn größten Emittenten .

Was unseren Pro-Kopf-Ausstoß angeht, sind wir trotz
aller Anstrengungen und Erfolge, die wir in Deutschland
und der Europäischen Union im Übrigen haben – darin
sind wir anderer Meinung als Sie –, noch in der Pflicht 
und in der Verantwortung; da haben wir noch viel zu tun .
Ich sage aber genauso deutlich dazu: Dieser Verantwor-
tung werden wir gerecht . Und wenn ich „wir“ sage, dann
denke ich nicht zuvörderst an die jetzige Koalition, son-

dern an das, was in Deutschland über die unterschied-
lichsten Bundesregierungen mit den Umweltministern
Klaus Töpfer, Angela Merkel, Jürgen Trittin, Sigmar
Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier und zurzeit
Barbara Hendricks hinweg gemacht wurde .

Bei allen Unterschieden im Detail, die auch hier zuta-
ge treten, gibt es eine große Kontinuität in der deutschen
Klimapolitik in dem Ringen um einen wirksamen interna-
tionalen Klimaschutz . Daran sollten wir festhalten . Des-
halb ist es so wichtig, dass wir in Paris einen Abschluss
hinbekommen und dass Paris nach den schrecklichen
Tagen und schrecklichen Bildern zu einem Sinnbild und
Symbol für Leben und Überleben und für den gemeinsa-
men Willen der Menschheit wird, dafür einzutreten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür, denke ich, gibt es die Unterstützung des ganzen
Hauses .

Wenn Sie sagen, das seien nur Worte, will ich entge-
genhalten, dass wir ganz konkret etwas tun . Das will ich
an drei größeren Beispielen belegen .

Erstens . Politisch hat die Bundesregierung eine drän-
gende Rolle in diesem Prozess für den Klimaschutz . Die-
se hat sie in den letzten Monaten bzw . im letzten Jahr
zunächst einmal durch klare Festlegungen in Europa
wahrgenommen . Auch und gerade in der Klimapolitik
gilt: Wir als Deutsche und wir als Nationalstaaten können
alleine nichts bewegen . Wir brauchen die größere Einheit
der Europäischen Union, um wahrgenommen zu werden
und politisches Gewicht zu haben . Die Europäische Uni-
on war über viele Konferenzen hinweg auch und gerade
im Vergleich mit anderen Regionen der Welt jeweils die
Staatengruppe, die nicht in nationale Egoismen zerfallen
ist . Trotz aller schwierigen Diskussionen, die wir auch
haben, zum Beispiel mit Polen, ist die Europäische Uni-
on nicht in nationale Egoismen zerfallen, sondern sie hat
das große Ganze gesehen .

Sie hat sich mit der Reduktion des CO2-Ausstoßes um
40 Prozent bis 2030 zu einem ambitionierten Ziel be-
kannt, und sie hat es auf das ausdrückliche Engagement
der Bundesregierung hin mit einem „mindestens“ verse-
hen: Es sollen mindestens 40 Prozent erreicht werden .

Das zeigt, dass wir auch bereit sind, darüber hinauszu-
gehen, und dass wir Europäer wissen: Wenn es zu einem
Abkommen kommt, dann müssen wir noch mehr für den
Klimaschutz tun . Dann müssen wir noch eine Schippe
drauflegen. – Das ist die Dynamik, die wir in Paris und 
in Zukunft brauchen . Dafür steht Deutschland, und dafür
haben wir uns in der EU eingesetzt und das auch durch-
gesetzt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Diese Verantwortung wird durch viele Klimapartner-
schaften mit Entwicklungsländern und konkret durch
vielfältige Programme und Unterstützung vor Ort deut-
lich . Und sie ist – Sie haben die Industriestaaten ange-
sprochen – gerade beim G-7-Gipfel in Elmau deutlich

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514140


(A) (C)



(B) (D)


geworden . In Elmau ist es der Bundeskanzlerin gelun-
gen – was nicht selbstverständlich war; es war alles an-
dere als selbstverständlich –, ihre sechs Kollegen für die
gemeinsame Erklärung zu gewinnen: Wir wollen bis zum
Ende dieses Jahrhunderts die Dekarbonisierung schaf-
fen . – Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zur glo-
balen Energiewende .


(Beifall des Abg . Ulli Nissen [SPD])


Das sollten all diejenigen nachlesen, die hier allenthal-
ben sagen: Nur wir in Deutschland machen die Energie-
wende; nur wir denken an Klimaschutz . – Das Gegenteil
ist richtig . Es gibt einen unaufhaltsamen Trend zu Ener-
giespartechnologien, zur Dekarbonisierung und zu einer
globalen Energiewende . In der Erklärung von Elmau
steht das schwarz auf weiß .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der, dem Sie das sagen müssen, ist wieder nicht da!)


In der Presse wurde vom Hammer von Elmau und ei-
ner Sensation geschrieben . Das war eine wichtige Vorbe-
reitung für den Klimagipfel .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Vielleicht wird wieder gesagt: Das sind erst einmal
Erklärungen; sie sind noch nicht verbindlich . Das ist
richtig . Sie sollen die verbindliche Erklärung vorberei-
ten . Aber wir bezahlen auch in harter Währung, mit Euro
und Dollar .

Zweitens . Wir wissen, dass die Finanzierung des Kli-
maschutzes eine wichtige Säule dieser Verhandlungen
ist, weil es auf konkrete Hilfe für die Klimaanpassung
in den betroffenen Ländern, für Technologien, Wald-
erhalt und vieles mehr ankommt . Dafür wird dringend
jeder Euro und jeder Dollar gebraucht . Deshalb haben
die Industrieländer auf dem Klimagipfel in Kopenhagen
versprochen: Wir werden 100 Milliarden US-Dollar jähr-
lich ab 2020 für die Finanzierung des Klimaschutzes zur
Verfügung stellen .

Wenn wir jetzt feststellen können, dass nach etwas
mehr als der Hälfte dieser Zeit diese Zusage zu zwei Drit-
teln eingelöst ist, dann hat das viel mit dem deutschen
Engagement zu tun . Gerade in diesem Jahr hat die Bun-
desregierung  zugesagt:  Wir  werden  unser  finanzielles 
Engagement noch einmal verdoppeln, auf 4 bis 4,5 Milli-
arden US-Dollar . – Das ist der richtige Weg und ein ganz
klares Signal: Wir reden nicht nur, wir handeln, und wir
bezahlen dort, wo es nötig ist, ganz konkrete Hilfen .

Drittens: Reduktion . Ja, daran lassen wir uns messen .
Deutschland hat gesagt: Wir machen auch mehr als die
EU, die bis 2030 minus 40 Prozent schaffen will . Wir
werden diese Reduktion mit unserem 40-Prozent-Ziel
schon im Jahr 2020 übertreffen . Daran halten wir fest .
Wir wissen: Da gibt es noch einiges zu tun . Deshalb sind
die Programme auf dem Weg . Deshalb brauchen wir ein
ehrgeiziges Vorgehen bei Kohle und Braunkohle . Wir
müssen in der Tat in Etappen einen immer geringeren
Kohleeinsatz und CO2-Ausstoß erreichen . Wir müssen
hierfür die Weichen stellen . Das brauchen wir im Be-

reich der Energieeffizienz, bei den Gebäuden, beim Ver-
kehr und – es ist gesagt worden – in der Landwirtschaft .
Alle Sektoren müssen das liefern, was sie liefern können .
Das ist das Vorhaben dieser Bundesregierung, und wir
werden darauf achten, dass das genau so umgesetzt wird .
Glaubwürdigkeit erwächst durch das Ringen im interna-
tionalen Prozess, durch die Verstärkung bzw . Einhaltung
unserer finanziellen Zusagen.

Wenn Sie sagen: „Kapitalismus oder Klimaschutz?“,
dann möchte ich Ihnen entgegnen: Am Ende werden wir
es dann schaffen, wenn es uns mit unserer sozialen und
ökologischen Marktwirtschaft gelingt, Klimaschutz um-
zusetzen, aber auch Wohlstand zu behalten und dadurch
den sozialen Frieden in Deutschland sicherzustellen . Das
müssen wir zusammenbringen . Deshalb ist Ihre Alterna-
tive nicht die richtige . In unserem System von Nachhal-
tigkeit – Wirtschaft, Soziales und Ökologie – müssen wir
das hinbekommen . So müssen wir unsere Klimaschutz-
ziele ambitioniert umsetzen und dadurch unseren Beitrag
zum Gelingen in Paris und zu dem sicher notwendigen
Prozess danach leisten . Dafür hat die Bundesregierung
unsere Unterstützung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405700

Vielen Dank, Andreas Jung . – Der nächste Redner in

der Debatte: Dr . Toni Hofreiter für Bündnis 90/Die Grü-
nen .


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Manche Menschen glauben immer noch, die
Klimakrise sei etwas, was uns in ferner Zukunft ereilen
könnte . Bei vielen Menschen ist die Klimakrise aber
längst angekommen . Es mussten bereits Menschen ihre
Heimat verlassen, weil der Meeresspiegel über die letz-
ten Jahrzehnte um 20 Zentimeter angestiegen ist und ihre
Inseln – ihr Lebensraum – deshalb zerstört oder versal-
zen worden sind . Diese Menschen können und dürfen
erwarten, dass die Reden, die geschwungen werden – die
Reden von vielen Staats- und Regierungschefs, aber auch
die Reden, die wir gerade gehört haben –, irgendwann
einmal auch zum Handeln führen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Schwabe [SPD])


Frau Merkel hat auf der Klimakonferenz vor weni-
gen Tagen thematisiert: „Wir wissen: Wir müssen heute
handeln .“ Da frage ich mich: Wen meint Frau Merkel ei-
gentlich mit diesem „wir“? Ihre eigene Regierung meint
sie offensichtlich nicht mit diesem „wir“ . Ihre eigene Re-
gierung handelt nämlich gegenteilig: 1,6 Milliarden Euro
neue Subventionen für Kohlekraftwerke, Zerstören des
Photovoltaikmarktes, Absturz des Ausbaus der Photovol-
taik, bei KWK neue Subventionen für Kohle .

Im Verkehrsbereich hat sich die letzten zwei Jahre gar
nichts im positiven Sinne getan . Wir haben einen selt-
samen Minister, dessen Haupthobby die Ausländermaut
ist . Aber beim VW-Skandal – Millionen von Autos, die
in Deutschland herumfahren, halten die CO2-Grenzwerte

Andreas Jung

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14141


(A) (C)



(B) (D)


nicht ein – ist der Minister nicht einmal in der Lage, die
Namen der Mitglieder seiner Untersuchungskommission
zu nennen, geschweige denn in der Lage, aufzuklären,
geschweige denn, etwas dagegen zu unternehmen .

Und denken wir an Herrn Gabriel: Herr Gabriel hat
das gesamte EEG verkorkst, sodass die Ausbauraten zu-
sammengebrochen sind .

Was ist das eigentlich für eine Bundesregierung? Frau
Hendricks, Sie haben ja recht in vielem, was Sie hier ge-
sagt haben . Herr Jung, auch Sie haben recht in vielem,
was Sie hier gesagt haben . Im Grunde genommen müss-
ten Sie das aber einmal den zuständigen Ministern sagen .
Sie müssten das Herrn Dobrindt sagen . Sie müssten das
Herrn Gabriel sagen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Sabine Leidig [DIE LINKE])


Sie müssten das auch Herrn Landwirtschaftsminister
Schmidt sagen; denn auch die Landwirtschaft trägt zu ei-
nem erheblichen Teil zum Klimawandel bei . Warum er-
zählen Sie uns hier in schönen, wohlabgewogenen Wor-
ten, wie der Klimaschutz theoretisch auf internationaler
Ebene stattfinden soll, wenn Ihre eigene Regierung vor 
Ort anders handelt?


(Dr . Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Klimaschutzkonferenzen sind wichtig und bedeutsam .
Am Ende muss Klimaschutz aber vor Ort umgesetzt und
kann nicht nur auf theoretischen Konferenzen verhandelt
werden . Dies vor Ort umzusetzen, bedeutet ganz konkret:
raus aus der Kohle, raus aus dem Verbrennungsmotor,
hin zu mehr erneuerbaren Energien und hin zu einer an-
deren Landwirtschaftspolitik .


(Dr . Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Stellen Sie doch mal einen ganz konkreten Plan auf! Ich möchte einmal einen ganz konkreten Plan sehen!)


Das sehen wir bei dieser Regierung aber nicht . Handeln
Sie also bitte konkret! Dann sind Ihre Reden auch glaub-
würdig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Konkreter Plan! Wann wird welches Kraftwerk abgeschaltet?)


Häufig bekommt man zu hören, Deutschland sei gar 
nicht so entscheidend; denn in China – das Thema hat-
ten wir gerade gestern bei der Energiedebatte – gehe jede
Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz . Wer das sagt,
hat die aktuelle Entwicklung in China nicht mitbekom-
men . Dort hat man inzwischen festgestellt, dass Kohle-
kraftwerke nicht nur das Klima zerstören, sondern ins-
besondere auch einen gigantischen Smog verursachen .
Deshalb ist die Entwicklung in China inzwischen auch
eine andere .

Aber man darf dabei doch eins nicht vergessen:
Deutschland ist die viertgrößte Industrienation auf die-
sem Planeten . Angesichts dessen und angesichts des Vor-
sprungs, den wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien

hatten und den wir beim Klimaschutz hatten, ist es von
entscheidender Bedeutung, dass wir als wohlhabendes
industrialisiertes Land zeigen, dass es funktioniert: Man
kann gleichzeitig für Klimaschutz sorgen und seinen
Wohlstand erhalten . Insofern genügt es nicht, auf den
Klimakonferenzen voranzugehen, sondern man muss das
entsprechend vor Ort konkret umsetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts Ihres gigantischen Umsetzungsdefizits ist 
es nicht erstaunlich, dass Ihnen Ihre eigenen Regierungs-
berater sagen, dass Sie Ihre Bemühungen beim Klima-
schutz verdreifachen müssen, um das 40-Prozent-Ziel bis
zum Jahr 2020 zu erreichen . Das sagen nicht wir, sondern
das sagen Ihnen Ihre eigenen Regierungsberater . Glauben
Sie denen doch, und handeln Sie entsprechend! Es reicht
nicht, wenn Sie gebetsmühlenartig immer wiederholen:
Ja, wir werden das 40-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 er-
reichen . – Das werden Sie nicht dadurch erreichen, dass
Sie hier warme Worte produzieren, die in vielen Fällen
sogar stimmen, sondern das wird dadurch erreicht, dass
Ihre Regierungskoalition handelt,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


indem Sie diesem Pfeiffer, diesem Fuchs, diesem Bareiß
endlich einmal Beine machen und dafür sorgen, dass sie
nicht weiterhin alles blockieren, was Frau Hendricks an
teilweise sogar Sinnvollem vorgeschlagen hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns zum Beispiel einmal den Verkehrsbe-
reich an . Was stellen Ihre eigenen Regierungsberater da
fest? Der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich hat sogar
noch zugenommen . Und was ist die Konsequenz daraus?
Die Konsequenz ist, dass wir einen Minister haben, der,
nachdem er die Ausländermaut nicht durchgesetzt hat,
von nichts anderem redet, als möglichst viele Straßen
bauen zu wollen, statt dass er endlich dafür sorgt, dass
die Autoindustrie – schon aus eigenem Interesse – auf die
Idee kommt, aus dem Verbrennungsmotor auszusteigen .

Oder wie wäre es damit, die Bahn auf Vordermann
zu bringen? Das ist immerhin ein 100-prozentiges Bun-
desunternehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie könnten sich auch einmal dafür engagieren, dass
das funktioniert; denn Bahnverkehr ist bekanntermaßen
CO2-ärmer .

Ich wünsche mir von ganzem Herzen – da sind wir uns
wieder einig –, dass Frau Hendricks dazu beitragen kann,
dass die Klimakonferenz in Paris zu einem guten Vertrag
führt, der den Anforderungen entspricht . Außerdem wün-
sche ich mir von ganzem Herzen, dass uns Paris 2015
nicht allein durch die Terroranschläge in Erinnerung
bleibt, sondern uns in Erinnerung bleibt als der Ort, an
dem es uns gelungen ist, gemeinsam das Fundament für
eine lebenswerte Zukunft zu legen; denn das ist das, was
wir wirklich brauchen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Anton Hofreiter

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514142


(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814405900

Vielen Dank, Toni Hofreiter . – Nächster Redner:

Dr . Matthias Miersch für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1814406000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Toni
Hofreiter, es ist natürlich klar und auch richtig, dass die
Opposition angreift . Wenn wir aber hier vor einer Kli-
makonferenz miteinander streiten, dann gehört es meines
Erachtens auch zur Wahrheit, dass wir als Delegation, die
die Bundesumweltministerin bei den Verhandlungen in
Paris unterstützen wird, heute Abend durchaus sehr stolz
nach Paris fahren können, weil die Energiewende in der
Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kontext
beispiellos ist und Deutschland nach wie vor eine Vorrei-
terrolle einnimmt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja schön, wenn es stimmen würde!)


Dass vieles von dem, was Sie gesagt haben, diskuta-
bel ist, ist keine Frage . Aber dass diese Bundesregierung
das erste Mal überhaupt ein Aktionsprogramm Klima-
schutz 2020 vorlegt und auch die Diskussion darüber
zulässt – denn die Expertenkommission ist nur möglich,
weil es klare Ziele und das vereinbarte Monitoring gibt –,
ist ein wirklicher Erfolg .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ziele, Matthias, gab es schon vorher!)


Das kann auch nur ein Erfolg sein, wenn das auf interna-
tionaler Ebene vereinbart wird . Insofern: Das ist ein ganz
wichtiger Fortschritt dieser Bundesregierung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will nicht darüber philosophieren . Wenn wir uns
aber beispielsweise den Zubau bei der Windenergie an-
schauen, dann stimmt es einfach nicht, was Sie sagen:
dass die Erneuerbaren an dieser Stelle abgewürgt werden .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Bioenergie? Was ist mit Photovoltaik?)


Ich will auch darauf hinweisen, liebe Frau Kipping,
weil Sie hier Kapitalismuskritik geübt haben: Da sind wir
an der einen oder anderen Stelle möglicherweise sogar
einer Meinung .


(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Sehr gut!)


Aber wenn ich mir die Vertreter der Staaten auf den inter-
nationalen Konferenzen anschaue, die sich als Sozialis-
ten bezeichnen, und dann die Umweltpolitik dieser Staa-

ten betrachte, dann muss ich sagen, dass Sie mit dieser
Behauptung absolut auf dem Holzweg sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen wissen Sie doch auch – das erleben Sie,
wo Sie Verantwortung tragen; das gilt auch für die Grü-
nen in Nordrhein-Westfalen, in Brandenburg –, dass das
Thema Kohle nicht einfach ist .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behauptet auch keiner!)


Deswegen sage ich: Es ist ein Fortschritt, dass die
Bundesumweltministerin im Zusammenhang mit dem
Klimaschutzplan 2050 angemahnt hat, dass wir einen
Kohleausstiegspfad verlässlich – auch unter sozialen Ge-
sichtspunkten – abbilden . Das ist eine Herkulesaufgabe,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20 bis 25 Jahre!)


und da unterstützen wir sie nach allen Kräften .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Matthias, du lässt den entscheidenden Punkt weg!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer, wenn
man sich die Presse anschaut, werden vor einem Gipfel
Worte gebraucht wie: „Das ist die letzte Chance“ und:
„Danach geht nichts mehr“ oder euphorisch: „Wir müs-
sen die Welt jetzt retten“ . Das alles birgt eine große Ge-
fahr: dass es letztlich zu einer Übereinkunft kommt, aber
es kein Regulativ gibt, das die Überprüfung dieser Ziele
sicherstellt .


(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)


Deswegen ist der eigentliche Erfolg dieser Pariser Kon-
ferenz, wenn es nicht nur dazu kommt, dass die Staaten
dieser Welt aufgefordert werden, zu liefern – das haben
viele gemacht –, sondern gleichzeitig auch ein Moni-
toring, ein Überprüfungsmechanismus, wie wir es jetzt
hier in Deutschland haben, eingeführt wird, damit die,
die dann nach fünf Jahren sagen: „Wir konnten nicht lie-
fern“, öffentlich am Pranger stehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist wahrscheinlich der einzige und wichtige Er-
folg von Paris . Die Arbeit beginnt erst nach Paris, und da,
glaube ich, müssen wir generell überlegen, wie wir Poli-
tik organisieren – auch in der Bundesrepublik Deutsch-
land . Ich habe die große Befürchtung, wenn ich die De-
batten um den Klimaschutzplan 2050 sehe, dass es dann
doch wieder nur bestimmte Ressorts sind, die liefern,


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist heute schon so!)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14143


(A) (C)



(B) (D)


und andere blockieren . Wir haben eine interdisziplinäre
Arbeitsgruppe in unserer Fraktion eingerichtet,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Matthias, jetzt den Mut, zu sagen: „Mehr!“!)


in der alle Fachdisziplinen miteinander arbeiten, um
parlamentarisch dieses Verfahren zu begleiten . Herr
Krischer, ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich meine, dass
der Verkehrssektor einen elementaren Beitrag leisten
muss . Davon sind wir aber meilenweit entfernt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn ich einige Wirtschaftspolitiker meines Koaliti-
onspartners höre, die sagen: „Wir dürfen die Wirtschaft
nicht überfordern“,


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das sagen Ihre auch!)


dann sage ich: Wir sollten uns als Erstes darauf verstän-
digen, dass wir diesen Planeten nicht überfordern dürfen,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Können wir uns darauf verständigen, dass die Bundesum-
weltministerin recht hat, wenn sie sagt: „Gute Umwelt-
politik ist Friedenspolitik, ist Gerechtigkeitspolitik“?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber es ist auch eine gute Wirtschaftspolitik, weil wir
wissen, dass in Zukunft die Maschinen gefragt sind, die
wenig Energie brauchen . Deswegen: Wer auf die Wirt-
schaft setzt, muss eine gute Umweltpolitik machen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon hat Sigmar Gabriel auch noch nichts gehört!)


Wir werden in diesem Jahr, wenn es dazu kommt,
zwei internationale Vereinbarungen erreicht haben, näm-
lich die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, die vor wenigen
Monaten verabschiedet worden sind, und hoffentlich
ein verbindliches Klimaabkommen . Diese beiden Ab-
kommen müssen die Grundlage unseres Handelns hier
sein . Sie dürfen nicht nur Papier sein . Das Abkommen
von Montreal hat gezeigt, dass internationale Vereinba-
rungen – es ging um das Ozonloch – Wirkung entfalten
können, wenn alle Staaten mitmachen .

Ich habe das Vertrauen, dass wir Parlamentarier und
diese Bundesregierung einen großen Schritt tun können,
wenn wir es ernst meinen . Ich bitte und lade alle dazu
ein, mit uns darüber zu streiten, wie wir diese Ziele mitei-
nander erreichen . Ich glaube, dass die internationale Poli-
tik in den nächsten Tagen eine gute Vorlage bieten wird .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814406100

Vielen Dank, Kollege Matthias Miersch . – Nächste

Rednerin: Dr . Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Anja Weisgerber (CSU):
Rede ID: ID1814406200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Ja, Angela Merkel hat bei der Klimakonferenz
gesagt:

Wir wissen, wir müssen heute handeln . Das muss
der Anspruch dieser Konferenz sein .

Besser und treffender kann man die Situation nicht be-
schreiben .

Werte Kollegen von den Grünen, Deutschland und Eu-
ropa handeln . Erstens . Wir haben uns ambitionierte Ziele
gegeben, und wir setzen diese auch konsequent um: durch
das Klima-Aktionsprogramm, durch den Klimaschutz-
plan . Zweitens . Wir nehmen auch unsere Verantwortung
bei der Klimafinanzierung wahr. Gerade Deutschland hat 
sich bei diesem Thema an die Spitze gesetzt .

Auch Europa hat sich als eine der ersten Vertrags-
parteien mit einem Reduktionsbeitrag von mindestens
40 Prozent bis zum Jahr 2030 ein ambitioniertes Ziel ge-
setzt . Wenn man die aktuellen Beiträge vergleicht, dann
sieht man, dass das EU-Ziel zu den ambitioniertesten
zählt .

Deutschland geht noch weiter . Wir wollen die Treib-
hausgasemissionen bereits bis 2020, also zehn Jahre
früher als die EU, um 40 Prozent reduzieren . Um dieses
Ziel zu erreichen, haben wir ein Klimaschutz-Aktions-
programm mit 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt, die alle
Sektoren umfassen . Wir haben KfW-Mittel in Höhe von
177 Milliarden Euro in Umwelt- und Klimaschutzmaß-
nahmen investiert . Auch hier setzen wir ein Zeichen .

In der Debatte wird auch oft vergessen, dass sich
Deutschland ein Zwischenziel gegeben hat . Mit dem
Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 befinden wir uns 
auf dem 2-Grad-Pfad . Und: Wir haben auch ein Langfrist-
ziel . Bis 2050 wollen wir es schaffen, unsere Emissionen
um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren . Dazu erarbeitet die
Bundesregierung gerade mit allen beteiligten Gruppen,
Gesellschaft und Wirtschaft, einen Klimaschutzplan .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Werter Herr Kollege Hofreiter, das Schlechteste, was
wir während der Verhandlungen in Paris machen können,
ist, dass wir unsere eigenen Ziele schlechtreden .


(Zuruf des Abg . Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn die Deutschen dies tun würden, dann könnten die
anderen denken, dass sie sich nicht mehr anzustrengen
brauchen . Das wäre fatal, vor allem, weil unsere Ziele
ambitioniert sind, weil wir selbstbewusst sein können .
Wenn wir nach Paris fahren und unsere eigene Maßnah-
men schlechtreden, dann werden sich die anderen eher

Dr. Matthias Miersch

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514144


(A) (C)



(B) (D)


zurücklehnen und nicht anstrengen . Das ist genau das
falsche Signal Ihrer Rede in dieser Debatte .


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht denn Ihr Verkehrsminister Dobrindt?)


Deswegen haben wir in unserem Antrag auch positiv
beschrieben, was wir machen . Wir wissen auch: Allei-
ne werden wir es nicht schaffen . Wir brauchen auch die
anderen Staaten der Welt . Diese Staaten brauchen unse-
re Unterstützung. Deshalb ist die Klimafinanzierung ein 
wichtiger Punkt, ich möchte fast sagen, mit der wichtigs-
te Punkt neben dem Thema Überprüfungsmechanismus .

An dieser Stelle will ich einmal sagen, was unsere
Minister machen, was Deutschland macht . Ich möchte
dazu das Entwicklungshilferessort herausgreifen . Ent-
wicklungshilfeminister Gerd Müller setzt in den Berei-
chen  der  Klimafinanzierung  und  der  Klimaanpassung 
ganz gezielt Gelder aus seinem Haushalt ein . Aus seinem
aktuellen Etat werden über 2 Milliarden Euro in Minde-
rungsmaßnahmen investiert, zum Beispiel in das Wald-
schutzprogramm zum Erhalt der tropischen Regenwälder
und zur Verhinderung der Rodung oder in den Aufbau
der Versorgung mit erneuerbaren Energien in den ärme-
ren Ländern dieser Welt . Vor kurzem hat man mit Indien
eine Solarpartnerschaft abgeschlossen . In Marokko wird
Anfang kommenden Jahres das größte Solarkraftwerk in
Betrieb genommen . Das BMZ baut auch die Klimarisi-
koversicherung auf . Also: Wir handeln . Das sollte man
auch einmal benennen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Ein wichtiges Instrument ist auch der internationale
Grüne Klimafonds . Vor circa einem Jahr konnte dieser
mit 10 Milliarden US-Dollar gefüllt werden . 10 Pro-
zent davon, nämlich 1 Milliarde US-Dollar, stellt allein
Deutschland zur Verfügung . Auch hier war Deutschland,
waren wir an vorderster Front dabei . Jetzt ist daraus eine
Dynamik entstanden: Mit Stand vom 1 . Dezember sind
die Zusagen auf 24 Milliarden US-Dollar angewachsen .
Frankreich hat seinen Beitrag ebenso wie die USA und
andere Staaten beziffert . Also ist auch hier etwas in Be-
wegung. In Paris zeichnet sich beim Punkt Klimafinan-
zierung eine positive Dynamik ab . Auch mit unserem
Beitrag haben wir diesen Stein ins Rollen gebracht, mei-
ne Damen und Herren .

Nicht nur wegen der Finanzierung, sondern auch ganz
generell bin ich guter Dinge, dass Paris zu einem Erfolg
wird . Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum ich
der Meinung bin, dass dies der Fall ist:

Der erste Grund . Viele Staaten der Welt sind dabei .
Große wie kleine, reiche wie arme Länder haben ihre na-
tionalen Beiträge vorgelegt . Inzwischen sind es 184 Staa-
ten, darunter erstmals Staaten wie die USA, Russland,
Südafrika oder Brasilien, aber auch Inselstaaten und
viele arme afrikanische Länder . Diese Staaten stehen für
95 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen . Bei
Kioto II waren es am Ende gerade einmal 37 Staaten, die
noch dabei waren und sich Ziele gesetzt haben . Diese
37 Staaten machten nur 12 bis 14 Prozent der weltwei-

ten Treibhausgasemissionen aus . Wir sind jetzt also auf
einem guten Weg .

Die nationalen Beiträge wurden auch durch die jewei-
ligen Parlamente untermauert . Sie wurden in einem breit
angelegten Prozess in der Gesellschaft entwickelt . Zum
Beispiel hat man in Brasilien ein Referendum durchge-
führt . Insofern glaube ich, dass diese Ziele wirklich in
der Mitte der Gesellschaft entstanden sind und dass diese
Klimakonferenz dem Willen der Bevölkerung entspricht .
Schon allein deshalb ist Paris meiner Meinung nach er-
folgversprechender als Kopenhagen, meine Damen und
Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Grund . Die vorgelegten Beiträge sind bei
vielen Staaten wirklich nur als Ausgangspunkt zu sehen .
Es ist anzunehmen, dass einige der Staaten am Ende noch
mehr leisten werden . Dazu zwei Beispiele:

China will den Höchststand der Emissionen bis spä-
testens 2030 erreichen . Also kann es gut sein, dass China
den Wendepunkt, den Peak, vorher erreicht . Außerdem
wird China 2017 einen landesweiten Emissionshandel
einführen; er wird in der ganzen Volksrepublik China
eingeführt . Neu ist auch das Ziel Chinas, die CO2-In-
tensität der chinesischen Wirtschaft bis 2030 um 60 bis
65 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren .

Ähnlich Positives vernehmen wir von Kanada . Die
neue kanadische Umweltministerin McKenna sagte vor
kurzem, dass Kanadas Beitrag für die Zeit nach 2020 nur
ein Startpunkt ist und keinesfalls der Endpunkt der kana-
dischen Bemühungen . – Das sind Beispiele für Länder,
bei denen man davon ausgehen kann, dass sie vielleicht
sogar noch über ihre zugesagten Beiträge hinausgehen .

Der dritte Grund, warum ich glaube, dass Paris ein Er-
folg wird, ist: Die Bedingungen sind anders als in Kopen-
hagen . Die Verhandler haben sich am Vorabend des Gip-
felbeginns auf einen konkreten Ablaufplan verständigt .
Der vorliegende Text ist kein politischer Text, sondern
ein Text in Rechtssprache . Die Ausgangsbedingungen
sind also gut .

„Wir haben zum ersten Mal die Chance, unser
Ziel eines Abkommens zu erreichen“ – so hat es unse-
re Bundeskanzlerin formuliert –, eines Abkommens,
das verbindlich ist und das den Weg aufzeigt, wie die
2-Grad-Obergrenze glaubhaft erreicht werden kann . Wir
brauchen einen Überprüfungsmechanismus, der völker-
rechtlich verbindlich festgelegt wird . Dieser Überprü-
fungsmechanismus soll dazu führen, dass alle fünf Jahre
geschaut wird: Haben die Vertragsstaaten ihre nationa-
len Beiträge erreicht? Und: Wie weit sind wir von der
2-Grad-Obergrenze entfernt?

Meine Damen und Herren, es ist fünf vor zwölf,
aber es ist noch nicht zu spät . Die Chancen stehen nicht
schlecht . Ergreifen wir also diese Chancen .

Zum Abschluss möchte ich US-Präsident Obama zi-
tieren . Er hat gesagt:

Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel
spürt, und die letzte, die es in der Hand hat, etwas
dagegen zu tun .

Dr. Anja Weisgerber

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14145


(A) (C)



(B) (D)


Packen wir es an! Ich bin optimistisch, dass uns in Paris
etwas Positives gelingen wird .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814406300

Vielen Dank, Anja Weisgerber . – Nächste Rednerin

für die Linke: Eva Bulling-Schröter .


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814406400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn der Bundestag heute über die Klimakonferenz in
Paris debattiert, geht es nicht nur um CO2-Minderung,
INDCs, also nationale Klimabeiträge, und UN-Mecha-
nismen .

Bevor ich auf unsere Anträge eingehe, will ich am
Beispiel meines Wahlkreises Ingolstadt ganz konkret ma-
chen, was Klimawandel heißt . Bei mir in Bayern droht
bis Ende des Jahrhunderts ein Temperaturanstieg um bis
zu viereinhalb Grad Celsius . Im Sommer wird es mehr
als 30 Hitzetage über 30 Grad geben, heute sind es im
Durchschnitt 5 . Ab 2060 gibt es bis zu 60 Schneetage
weniger im Jahr – da nutzen auch die Eiskanonen nichts
mehr – und kaum noch Eistage, also Tage, an denen die
Temperatur konstant unter null Grad liegt . Was das für
Landwirtschaft, Tourismus und Gesundheit heißt, kön-
nen wir uns alle vorstellen . Das ist ja auch nicht neu .
Aber wir alle hier werden das Ende des Jahrhunderts
nicht mehr erleben .

Im globalen Süden ist der Klimawandel schon jetzt
Alltag . Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad sterben die
Korallenriffe, ganze Inselbevölkerungen verlieren ihre
Heimat, Dürren machen die Armutsbekämpfung zunich-
te, und der Syrien-Krieg, heißt es, sei durch den Klima-
wandel verschärft worden . Auch diese Folgen kennen
wir .

Natürlich spielt auch in Deutschland das Wetter ver-
rückt, schon heute . 2015 wird wohl das wärmste Jahr
überhaupt . Die Deutsche Bahn hat erstmals wieder
Verluste eingefahren, insbesondere wegen Mehrkosten
durch Unwetterschäden . Dass der Klimawandel in un-
serem Land angekommen ist, das bezweifelt niemand
mehr; vielleicht noch einige Hinterbänkler der CDU/
CSU, die trotz Physikstudium die Naturwissenschaften
weiter in Zweifel ziehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Da kann ich nur sagen: Hören Sie Ihrer Regierung gut zu,
liebe Kollegen der Union . Die Gegner der Energiewende
sitzen in Ihren Reihen .

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses schimpft
mit Blick auf den Klimaschutz über eine „grüne Ideolo-
gie“ und „exzessive Milliardenkosten“ . Ein stellvertre-
tender Fraktionsvorsitzender sieht eine Bedrohung für
unseren „guten Lebensstandard“ und einen „tödlichen

Irrweg“ . Ja, wo sind wir denn? Sie müssen sich davon
distanzieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Lieber Herr Ramsauer, lieber Herr Vaatz – beide sind
natürlich nicht anwesend –, auch Sie müssen den Schuss
hören . Sie müssen sich die Rede der Kanzlerin in Paris
anhören, damit Sie wenigstens ein bisschen verstehen .
Nicht zu viel Klimaschutz ist Ressourcenverschwen-
dung, wie Sie behaupten: Zu wenig Klimaschutz ist Res-
sourcenverschwendung, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke hat heute zwei Entschließungsanträge ein-
gebracht . Auf internationaler Ebene brauchen wir echte
Verbindlichkeit, aber die wird es in Paris leider nicht ge-
ben . Darum brauchen wir hier in Deutschland ein Klima-
schutzgesetz, das die Klimaschutzziele verbindlich fest-
legt . Dann ist endlich Schluss mit den KfW-Krediten für
neue Kohlekraftwerke im Ausland . Die müssen endlich
gestoppt werden!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und dann kann der Klimaschutz auch nicht mehr durch
TTIP und CETA ausgehebelt werden; das steht in der
EU-Resolution .

Auch der Fahrplan für einen weltweiten Ausstieg aus
den fossilen Energien wird auf der Konferenz von Paris
nicht geliefert werden . Darum müssen wir ein Kohleaus-
stiegsgesetz auf den Weg bringen .


(Beifall bei der LINKEN)


Spätestens 2040, am besten schon 2035, muss Schicht
im Kohleschlot sein . Da sind wir ganz auf der Linie von
Frau Umweltministerin Hendricks . – Vielen Dank für
diesen Vorstoß .


(Beifall bei der LINKEN)


Dann wäre auch Schluss mit neuen Umweltsauereien wie
denen, die jetzt wieder auf der Agenda stehen wie CCS
oder wie die geplante Umstellung der Betriebsfeuerung
aller Asphaltmischanlagen in Deutschland auf Braunkoh-
le . Auch das lehnen wir natürlich ab .

Worum geht es jetzt in Paris? Wir sehen das Ringen
zwischen den Bevölkerungen: Bevölkerungen im Süden,
die sich aus der Armut befreien wollen, und Bevölkerun-
gen im Norden, die nicht ärmer werden wollen . Deshalb
brauchen wir Klimagerechtigkeit, Climate Justice . Die
halten wir für dringend notwendig . Deshalb muss die EU
etwas tun . Deshalb brauchen wir ambitionierte EU-Kli-
maziele, und wir brauchen eine verbindliche Klimafinan-
zierung .

Zum Schluss: Papst Franziskus sagt – ich zitiere –:
Dieses System tötet . – Deshalb brauchen wir soziale Ge-
rechtigkeit und Umverteilung . Diese Umverteilung wird
es im Kapitalismus aber nie geben; denn sie ist in seinem
System nicht vorgesehen .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Anja Weisgerber

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514146


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Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814406500

Danke, Eva Bulling-Schröter . – Nächster Redner für

die SPD-Fraktion: Frank Schwabe .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1814406600

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und

Kollegen! Die Dinge sind so, wie sie sind .


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass das mal einer sagt!)


Der  Klimawandel  findet  statt,  und  er  ist  menschenge-
macht . Wir leben in einer Zeit, in der wir Schwellen
überschreiten und Extreme erleben . Wir verzeichnen
gegenüber der vorindustriellen Zeit eine Erhöhung der
Temperatur um mehr als 1 Grad . Wir haben mittlerweile
einen Wert von 400 ppm erreicht; dieser technische Wert
ist ein Maß dafür, wie hoch die Konzentration von Treib-
hausgasen in der Atmosphäre ist . Außerdem ist dieses
Jahr das wärmste seit der Temperaturaufzeichnung .

Da uns der liebe Gott die Möglichkeit gegeben hat, zu
denken, und wir verantwortliche Politik betreiben wol-
len, müssen wir die Dinge ändern: wie wir leben, wie wir
Produkte erzeugen, wie wir Energie erzeugen, wie wir
uns fortbewegen, was wir essen, wie wir das, was wir
essen, produzieren bzw . aufziehen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt komm mal von der Überflugebene  ein bisschen runter!)


Ist das hart, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ja, es ist
hart, die Dinge zu verändern, sich umzustellen . Aber was
könnte härter sein, als das, was 35 Millionen Menschen
in Bangladesch erleben, die weniger als 1 Meter oberhalb
des Meeresspiegels leben und alles zu verlieren drohen?
Was könnte härter sein als das, was die Menschen auf
der  Pazifikinsel Kiribati  erleben,  die  auf  andere  Inseln 
umgesiedelt  werden  sollen? All  das  findet  heute  statt. 
Deswegen ist dies keine theoretische Debatte darüber, ob
wir eine Erhöhung der Temperatur um 1 Grad, 1,5 Grad
oder 2 Grad haben . Ich weiß, dass 2 Grad das realistische
Ziel ist, um das es in Paris geht; aber ich bin sehr bei den
Entwicklungsländern, die das 1,5-Grad-Ziel fordern .


(Beifall bei der SPD)


Die Wahrheit ist: Der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl
findet längst statt. Wir streiten uns nur noch darüber, ob 
er in 20, 25 oder 30 Jahren vollzogen sein soll . Der Aus-
stieg ist besiegelt . Es geht nicht mehr um das Ob, sondern
nur noch um das Wie . Das interessiert uns Sozialdemo-
kraten natürlich besonders . Es geht darum, wie wir den
Umbau organisieren, damit die Menschen, wie wir im
Ruhrgebiet sagen, nicht ins Bergfreie fallen .

Der Umstieg findet längst statt – und nicht erst seit Be-
ginn der Klimakonferenz in Paris . Aber der Plan des Um-
stiegs wird mehr und mehr festgetreten, und dazu dient
auch Paris . Wichtig ist: Wenn wir aus Paris zurückkom-
men, muss die Arbeit hier, in der Europäischen Union

und in Deutschland, intensiviert werden . Dann müssen
die Ziele, die wir uns gesetzt haben, umgesetzt werden,
an der einen oder anderen Stelle auch verschärft werden .

Niemand soll die Hoffnung haben, dass es in Paris
keinen rechtsverbindlichen Klimavertrag geben wird .
Den wird es geben. Damit, finde  ich,  entfällt  jedes Ar-
gument, dass wir kein Level Playing Field auf interna-
tionaler Ebene haben . Damit entfällt jedes Argument,
dass wir keine ambitionierte europäische und deutsche
Klimaschutzpolitik betreiben . Damit ist das Programm
für 2016 eigentlich schon vorgegeben .

Meine Hoffnung und meine Bitte sind, dass alle kon-
struktiv daran mitwirken . Ich bin mir nicht so sicher, ob
das so sein wird . Ich habe mir gerade ein Papier des BDI
angesehen – ich hoffe, dass das ein Ausrutscher ist –,
in dem davon gesprochen wird, dass das Klimaziel für
2020 zu hoch sei und Investoren verschrecke . In dem Pa-
pier wird davon gesprochen, dass der Klimaschutzplan
für 2050 zu verwerfen sei, weil er in die klimapolitische
Kleinstaaterei führe. Ich finde, das ist keine konstruktive 
Debatte .


(Beifall bei der SPD)


Wer jetzt propagiert, Klimaschutzziele aufzugeben oder
keine neuen zu fassen, der hat die Zeichen der Zeit wirk-
lich verkannt .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Es ist am Ende eine Politik der Realitäts- und Zukunfts-
verweigerung, die schon RWE und Eon – das ist bitter
genug – an den Rand des unternehmerischen Abgrunds
geführt hat .

Ich glaube, es geht nach Paris um Dreierlei . Wenn Pa-
ris erfolgreich sein soll, werden wir drei zentrale Aufga-
ben zu bewältigen haben .

Erstens . Wir müssen das EU-Ziel anschärfen; das ist
mehrfach betont worden . Wir haben ein Ziel, das min-
destens 40 Prozent Reduktion vorsieht . Im Lichte von
Paris muss das angeschärft werden . Wir dürfen nicht
hinter China, die USA und andere Teile der Welt zurück-
fallen, die sich längst auf den Weg gemacht haben, die
zum Sprint angesetzt haben und an manchen Stellen – so
viel gehört auch zur Wahrheit – klimapolitisch durchaus
schon weiter sind als wir zurzeit in der Europäischen
Union .

Zweitens . Wir müssen die Ziele für 2030, 2040 und
2050 so festzurren – wenn es nach mir persönlich geht,
weiterhin gesetzlich –, dass sich die Akteure in der Wirt-
schaft nicht mehr um das Ob streiten müssen, sondern
nur noch um das Wie . Das ist die konstruktivere Debatte .
Das schafft für die heimische Wirtschaft einen verlässli-
chen Rahmen für Innovationen und Investitionen .

Drittens . Wir müssen die Ziele von 40 Prozent bis
2020 und bis zu 95 Prozent bis 2050 weiterhin so mit
Maßnahmen unterlegen und die Maßnahmen, die wir
schon haben, so konsequent umsetzen, dass die Ziele in
der Tat erreicht werden .

Paris wird das Signal aussenden, mehr zu tun und
nicht weniger . Klimaschutz ist Wirtschaftsförderung für

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14147


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die Zukunft . Ein Land, das umweltfreundlich Energie er-
zeugen kann, ein Land, das energieeffizient produzieren 
kann, das aber nicht tut, würde sich versündigen an der
Zukunft, an den nächsten Generationen und würde, wie
ich finde, gleichzeitig auch seiner  internationalen Wett-
bewerbsfähigkeit schaden .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das tut die Bundesregierung!)


Das sollten wir nicht zulassen . Wir sollten gemeinsam
handeln für ein erfolgreiches Abkommen in Paris, für
eine Anschärfung der Ziele in der Europäischen Union
und für die konsequente Umsetzung . Ich freue mich,
dass die Grünen hinsichtlich der konsequenten Umset-
zung der Maßnahmen in Deutschland an der Seite der
Umweltministerin stehen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade nur, dass ihr gestern gegen sie gestimmt habt!)


Glück auf, Herr Krischer!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814406700

Vielen Dank, Kollege Frank Schwabe . – Nächste Red-

nerin in der Debatte: Annalena Baerbock für Bündnis 90/
Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Frau Umweltministerin! Mei-
ne sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Weisgerber, es geht ja nicht darum,
dass wir jetzt auch einmal anerkennen, dass die Bundes-
regierung etwas tut . Natürlich wissen wir, Herr Kollege
Miersch, dass es nicht schön ist, mit Saudi-Arabien, ei-
nem Dauerblockierer, auf der Klimakonferenz zu verhan-
deln . Aber als ich gestern Abend meine Sachen für un-
sere Delegationsreise packte, habe ich auch die kleinen
Babysachen von meiner gerade geborenen Tochter mit
eingepackt; denn sie muss nächste Woche mit nach Paris .
Dann habe ich mir überlegt: Sie wird im Jahr 2050 – über
dieses Jahr reden wir gerade – genauso alt sein wie ich
jetzt . Wenn sie dann selbst eine kleine Tochter hat, wird
sie mich fragen: Habt ihr damals in 2015 eigentlich al-
les dafür getan, diesen Klimakollaps zu verhindern? Ich
glaube, das ist die entscheidende Frage, die Sie sich und
die wir als Grüne uns stellen müssen: Tun wir wirklich
alles dafür, dass wir diese größte Katastrophe, wie Ban
Ki-moon es nannte, wirklich verhindern?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Deswegen ist es für uns entscheidend, dass wir uns
in Paris nicht mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Indi-
en messen . Vielmehr müssen wir uns daran messen, was
die Vorreiter tun . Wir müssen auch dafür sorgen, dass
Deutschland wieder zu einem Vorreiter wird .

Lieber Frank Schwabe, auch du weißt: Es macht ei-
nen großen Unterschied, ob wir den Kohleausstieg früher

oder später machen . Denn CO2 summiert sich in der Luft .
Das ist das Entscheidende . Wenn wir es jetzt mit Karacho
rausblasen, dann ist es da oben, dann können wir es nicht
mehr zurückholen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es macht einen großen Unterschied, ob wir bei 2 Grad,
2,1 Grad oder 3,5 Grad landen . Denn die Inseln, die an-
gesprochen wurden, gehen in dem einen Fall unter und in
dem anderen Fall werden sie gerade noch gerettet .

Daher ist auch für uns als Opposition nicht nur wich-
tig, dass die Verhandlerinnen und Verhandler aus dem
BMUB, die in Paris sicher alles geben werden, um je-
des Wort und um jedes Komma in diesem Klimavertrag
kämpfen, sondern auch, dass Sie als Bundesregierung
hier vor Ort, also zu Hause, um jede eingesparte Tonne
CO2 kämpfen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es macht auch einen großen Unterschied, liebe Frau
Hendricks, wann der Kohleausstieg kommt . Am Diens-
tag säuseln Sie im Hintergrund davon, der Kohleausstieg
könne in 20 bis 25 Jahren gelingen, und am Sonntag im
Deutschlandfunk sagen Sie plötzlich: Na ja, oder viel-
leicht auch erst 2050 . – Es macht einen Riesenunter-
schied, ob er zehn Jahre früher oder zehn Jahre später
kommt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Daran wollen wir Sie messen, und daran messen wir Sie
auch bei Ihrem Handeln im Ausland .

Es ist natürlich sehr gut, wenn Sie sagen: Wir inves-
tieren jetzt 3 Milliarden Euro in erneuerbare Energien
in Afrika . – Klammer auf: Diese Gelder waren schon in
den Haushalt eingestellt; man fokussiert sie nun noch . –
Nur, was hilft es uns, wenn wir die Erneuerbaren auf der
einen Seite ausbauen und sie auf der anderen Seite mit
dem Allerwertesten einreißen? Denn einerseits stecken
wir 3 Milliarden Euro in Erneuerbare . Andererseits steht
gleichzeitig eine Anfrage bezüglich einer Hermesbürg-
schaft aus Südafrika bei Ihnen auf dem Tableau, bei der
es um eine neue Kohlefinanzierung geht. Wenn wir die-
ser Hermesbürgschaft zustimmen, dann heißt das, dass
wir den fossilen Pfad für 30, 40 Jahre manifestieren . Das
macht all das zunichte, was Sie unter anderem in Form
von Solarparks in Marokko aufbauen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt einen Grund, warum wir so sehr auf den Her-
mesbürgschaften und den KfW-Krediten herumreiten .
Als sie gestern angesprochen wurden, hieß es: Meine
Güte, es geht um 3,3 Milliarden Euro . Das macht doch
gar nichts aus . Dem stehen 177 Milliarden Euro für den
Klimaschutz gegenüber . – Doch, es macht etwas aus, und
es macht gerade in diesen Zeiten etwas aus . Sie haben
es angesprochen: Wenn Sie die Rockefeller-Stiftung, den
norwegischen Pensionsfonds und die Allianz loben, die
sagen: „Wir investieren nicht mehr in diesen Bereich“,
dann ist es doch ein dramatischer Unterschied, ob ein

Frank Schwabe

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514148


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Land wie Deutschland sagt: „Aber wir stellen nach wie
vor Hermesbürgschaften zur Verfügung, damit in Süd-
afrika Kohlekraftwerke gebaut werden können“, oder
nicht . Wenn Sie diese Akteure loben, dann müssen Sie
ihrem Beispiel  folgen und aus der Kohleauslandsfinan-
zierung aussteigen, meine sehr verehrten Damen und
Herren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein letzter Punkt: zum Ambitionsmechanismus . Sie
haben gesagt: Wir wollen ihn völkerrechtlich verankern;
leider klappt das nicht . – Das stimmt . Deutschland kann
sich auf den Kopf stellen; das wird nicht klappen . Was
Sie aber tun können, ist, einen Ambitionsmechanismus
auf nationaler Ebene zu verankern . Deswegen fordern
wir ein nationales Klimagesetz, und deswegen fordern
wir Sie auf, das europäische INDC-Ziel nachzuschär-
fen . Das Europäische Parlament ist vorangegangen, hat
einen Beschluss gefasst und gesagt: Nach Paris muss das
EU-Ziel nachgeschärft werden . – Wir haben Ihnen an-
geboten, die EP-Resolution zur Klimakonferenz gemein-
sam im Deutschen Bundestag hier und heute zu beschlie-
ßen . Von Ihrer Seite kam aber leider: Das geht nicht; im
Koalitionsvertrag haben wir etwas anderes vereinbart .


(Dr . Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir haben unseren eigenen Antrag! Einen sehr guten!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann
doch nicht sein, dass sich die Welt weiterdreht und hier
in Deutschland ewig der Koalitionsvertrag gilt . So wer-
den wir die Zukunft unserer Kinder nicht retten können .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814406800

Vielen Dank, Annalena Baerbock . – Nächster Red-

ner in der Debatte: Matern von Marschall für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matern von Marschall von Bieberstein (CDU):
Rede ID: ID1814406900

Verehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank . – Lie-

be Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem
Glückwunsch beginnen . Frau Ministerin, Sie haben
heute Namenstag . Ich wünsche Ihnen, dass am heutigen
Barbara-Tag jemand einen Zweig für Sie schneiden und
dieser Zweig am Heiligen Abend erblühen möge,


(Beifall bei Abegeordneten im ganzen Hause)


und zwar in dem Sinne, dass Sie sich am Ausgang der
dann hoffentlich erfolgreich beendeten Klimakonferenz
erfreuen können . In diesem Sinne herzlichen Dank für
Ihre unermüdliche Arbeit! Dieser Dank gilt auch Ihrem
Verhandlungsteam, das schon im letzten Jahr in Lima –
unsere Delegation hat sich davon überzeugen können –
unermüdlich gearbeitet hat .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Die Klimakonferenz, über die wir sprechen, trägt das
Kürzel „Cop 21“ . Diese Conference of the Parties – das
bedeutet „Cop“ – hat ihre Wurzeln in Rio im Jahre 1992 .
In diesem Jahr wurde die Klimarahmenkonvention un-
terzeichnet .

Jetzt kommt etwas Bedeutendes: Die erste COP, die
COP 1, fand vor genau 20 Jahren in Berlin statt . Gast-
geberin und diejenige, die diese erste COP zum Erfolg
geführt hat, war niemand Geringere als die junge Bun-
desumweltministerin Angela Merkel .

Angela Merkel hat diese Politik mit ihrer Beharrlich-
keit und Hartnäckigkeit über all diese Jahre vorange-
bracht . Sie hat immer wieder – gerade auch in den letz-
ten Tagen; das hat mich beeindruckt – an den Film Der
Marsch aus dem Jahr 1990 erinnert, der eine Flüchtlings-
krise beschreibt, die durch den Klimawandel verursacht
wurde . Insoweit kann man sagen, dass die Bundeskanz-
lerin die globalen Zusammenhänge der nationalen, der
europäischen und der globalen Politiken – sie haben Aus-
wirkungen in die einzelnen Länder hinein – schon sehr
früh erkannt und eine entsprechende Politik sehr lange,
beharrlich und nachhaltig bis zum heutigen Tag verfolgt
hat . Dafür danken wir ihr sehr herzlich .

Die Erwartungen an diese COP 21 sind schon ver-
schiedentlich skizziert worden . Ich glaube, wir dürfen
sie nicht zu hoch einschätzen, aber wir sollten sie auch
nicht zu gering einschätzen . Ich bin der sehr festen Über-
zeugung, dass wir die Vorreiterrolle, die Deutschland
damals, bei der COP 1 hier in Berlin, eingenommen hat –
wir haben ambitionierte Reduktionsziele vorgelegt und
andere dadurch ermuntert –, auch weiterhin spielen müs-
sen und dass auch die Europäische Union als führende
Gemeinschaft von Staaten solch eine führende Rolle im
Klimaschutz weiterhin einnehmen muss .

Deswegen bin ich auch ganz froh, dass der Umwelt-
ausschuss des Europäischen Parlamentes vor wenigen
Tagen einen Ambitionsmechanismus vereinbart hat . Es
geht darum, in kurzen Abständen zu überprüfen: Sind
bestimmte Ziele erreicht worden? Sind sie ausreichend,
oder müssen wir im globalen Kontext noch größere Am-
bitionen haben? – Das finde ich eine gute Initiative.


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie gleich zu, ja?)


Eine gleichermaßen gute Initiative – hier möchte ich
einmal nach vorne schauen – ist für mich die Reform
des  Zertifikatehandels.  Dieser  Zertifikatehandel  –  das 
sagen uns nicht ganz unbedeutende Wissenschaftler wie
Edenhofer – muss nicht nur eine breitere Basis bekom-
men, sondern auch den notwendigen Rahmen setzen,
damit eine tatsächliche Lenkungswirkung in Richtung
„Saubere Technologien“ und „Sauberes Wirtschaften“
entfaltet werden kann . Ich glaube, er kann das, und zwar
durch eine bessere Wahrung der Subsidiarität in den Ein-
zelstaaten, die dann darin frei sind, die für sie kosten-
effizientesten  und  wirtschaftlich  sinnvollsten  Maßnah-
men zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen .

Es ist schon angesprochen worden: Die ursprüngli-
chen Zielsetzungen sind schon 1995 formuliert worden .
Man wollte den Graben zwischen den Industrie- und den

Annalena Baerbock

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14149


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Entwicklungsländern überbrücken und hat gesagt: Wir
haben eine gemeinsame, aber unterschiedliche Verant-
wortung . – Einzelne Schwellenländer brachten die un-
terschiedliche Verantwortung damals noch dadurch zum
Ausdruck, dass sie sagten, sie hätten gar keine . Diese
Haltung hat sich geändert .

Indien ist noch nicht angesprochen worden, China
aber sehr wohl . Länder, die erst noch große wirtschaft-
liche Prozesse durchlaufen wollen, können natürlich
nicht die gleichen Ambitionen bei den Minderungszie-
len haben wie wir; das ist richtig . Wir bekommen durch
diesen Vertrag nun aber auch diese sehr großen Länder
mit ins Boot. Ich glaube, das ist neben der Klimafinan-
zierung, die besonders die schwachen Länder brauchen,
und neben einer Politik der Nachhaltigkeit, die vor al-
len Dingen unser BMZ vorantreibt – im September sind
Nachhaltigkeitsziele formuliert worden, wonach soziale,
wirtschaftliche und eben auch ökologische Ziele in Ein-
klang gebracht werden müssen –, von außerordentlicher
Bedeutung .

Zum Abschluss möchte ich noch ein etwas düsteres
Thema berühren . Wenn wir jetzt in Paris sein werden,
dann werden wir uns besonders intensiv an die schreck-
lichen Terroranschläge erinnern . In diesem Zusammen-
hang stellt sich mir die Frage, woher dieser Extremismus
kommt . Dabei muss ich an die arabischen Länder mit
ihren Ölfeldern denken, die gewissermaßen die Basis ei-
nes religiösen Extremismus sind . Das dürfen wir nicht
übersehen .

Dieser Extremismus ist in die meisten der Industrie-
länder hinausgetragen worden und entfaltet dort bis heute
seine Wirkung . Diese Bemühungen, diesen Extremismus
in viele Länder der Erde zu tragen, sind maßgeblich mit
Petrodollars finanziert. Ich glaube, Paris kann eine Kon-
ferenz des Friedens sein, wenn wir die Überzeugung ha-
ben, dass eine geringere Abhängigkeit von Erdöl nicht
nur zum Klimaschutz beiträgt, sondern eben auch zu
einer friedlicheren Entwicklung auf der Erde insgesamt .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Herr Hofreiter, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu:
Die Mobilität ist in diesem Zusammenhang natürlich ein
fundamental wichtiges Thema . Ich will allerdings sagen,
dass hier nicht so sehr der Staat zum Handeln aufgefor-
dert ist, sondern dass die deutsche Automobilindustrie,
die einen Umsatz von 350 Milliarden Dollar macht und
die zu den Herstellern der führenden Marken auf dieser
Erde zählt, eine Verantwortung hat, uns, den Konsumen-
ten, Autos, die CO2-frei fahren, zu einem räsonablen
Preis in kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der Staat muss den Rahmen dafür setzen!)


– „Den Rahmen dafür setzen“ – wenn ich das noch ergän-
zen darf –, heißt natürlich, eine entsprechende Infrastruk-
tur zu schaffen, also etwa Ladestationen für Elektroautos .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun Sie nicht!)


Das bedeutet selbstverständlich auch, eine Infrastruktur
mit Blick auf Wasserstofftankstellen bereitzustellen . Die-
sen Weg müssen wir gehen . Dann kommen wir auch im
Klimaschutz erheblich weiter .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814407000

Vielen Dank, Herr Kollege . – Nächste Rednerin:

Dr. Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1814407100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakonferenz
in Paris reiht sich ein in eine Folge wichtiger internati-
onaler Konferenzen im Jahr 2015 . Im September haben
wir die UN-Konferenz zu den Nachhaltigkeitszielen ab-
geschlossen, und zwar, wie ich denke, sehr erfolgreich
abgeschlossen . Es gab bereits vorher eine wichtige Initia-
tive, nämlich die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinan-
zierung in Addis Abeba . Ich erwähne das an dieser Stelle,
weil  Entwicklungsfinanzierung  mit  Klimafinanzierung 
eng verbunden ist und beide zusammen betrachtet wer-
den müssen .

Frau Ministerin, Sie haben es zu Recht ausgeführt:
„Klimaschutzpolitik ist zugleich Entwicklungspolitik
und Friedenspolitik .“ Ich möchte diesen Satz unterstrei-
chen und bin dankbar dafür, dass dieser Gedanke von der
Bundesregierung und von Ihnen persönlich in Paris ver-
treten wird .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/CSU])


Es ist an dieser Stelle viel über die nationalen Kli-
maziele und -pläne gesagt worden . Ich möchte auf zwei
Aspekte besonders eingehen, einmal auf die Frage der
Minderung des CO2-Ausstoßes und einmal auf die in-
ternationalen Zusammenhänge insbesondere in der Fra-
ge der Anpassung . Minderungsziele im eigenen Land
sind richtig und wichtig . Wir wissen, dass inzwischen
184 Staaten – das wurde schon angesprochen – natio-
nale Klimapläne aufgelegt haben . Wir wissen aber lei-
der auch, dass das, was vorgelegt worden ist, noch nicht
reichen wird, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, sondern
dass wir uns dann auf einen Temperaturanstieg zwischen
2,6 und 2,8 Grad zubewegen .

Wir wissen auch, dass sich die ärmsten und verwund-
barsten Länder vor einigen Monaten in Lima zu einer Ini-
tiative, V20, zusammengeschlossen haben . Dabei geht es
darum, zumindest das Ziel zu erreichen, das ihnen hel-

Matern von Marschall

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514150


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fen würde, nämlich die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu
begrenzen . Wir werden also, was die Minderung des
CO2-Ausstoßes anbelangt, ein Mehr an Anstrengungen
auch nach dieser Konferenz zu leisten haben . Dazu kön-
nen wir hier in Deutschland einen Beitrag leisten; das ist
von allen Vorrednern angesprochen worden .

Aber ich möchte den Blick auch auf internationale
Zusammenhänge und die Beiträge lenken, die man leis-
ten kann . Ich möchte ein Beispiel nennen . IRENA, die
Internationale Agentur für erneuerbare Energien, hat
einmal ausgerechnet, was allein auf dem afrikanischen
Kontinent möglich wäre, wenn auf erneuerbare Energien
umgestiegen würde . Die Agentur hat auch den nötigen
Zuwachs an Energie errechnet, den diese Länder drin-
gend brauchen, um ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu
stärken und Armutsbekämpfung voranzubringen .

IRENA prognostiziert für den gesamten afrikanischen
Kontinent bis zum Jahr 2030, das Wirtschaftswachstum
eingerechnet, immerhin einen Anteil erneuerbarer Ener-
gien von insgesamt 22 Prozent, und auf den Strombe-
reich entfallend 50 Prozent.  Ich finde, das  sind beacht-
liche Zahlen . Sie sprechen von einem CO2-Ausstoß von
310 Megatonnen, den man an dieser Stelle einsparen
könnte und die es lohnen, dass wir als internationale Ge-
meinschaft mehr tun, um in den Ländern Kapazitäten und
Strukturen aufzubauen, damit dieser Umstieg auf erneu-
erbare Energien oder dieser Einstieg in erneuerbare Ener-
gien auch im Süden möglich ist .


(Beifall bei der SPD)


Ähnliches gilt selbstverständlich für den Bereich der
Anpassungsmaßnahmen . Es wäre mir als Entwicklungs-
politikerin eigentlich lieber, wir würden es schaffen, die
Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, um viele An-
passungsmaßnahmen vielleicht nicht nötig werden zu
lassen . Trotzdem weiß ich: Es ist bereits heute Tatsache,
dass Menschen fliehen. Menschen verlassen  ihre  ange-
stammten Regionen, Menschen können nicht mehr so
produzieren, wie sie es getan haben, weil Böden versal-
zen und weil Wasser fehlt . Das ist von allen Vorrednern
angesprochen worden . Das heißt, wir müssen in dem Be-
reich der Anpassung mehr tun .

Wir müssen  auch das Thema der Klimafinanzierung 
verstärkt für diesen Bereich nutzen, denn es ist klar:
Minderungsziele haben auch sehr viel mit Industrie, mit
Industrie in Schwellenländern und in Industrieländern,
zu tun . Das ist alles richtig und wichtig, aber die Anpas-
sungsmaßnahmen  zu  finanzieren,  ist  leider  eine  etwas 
unattraktivere Geschichte in diesem gesamten Konzert .
Deshalb glaube ich, wir müssen Finanzierungen für An-
passungsmaßnahmen zur Verfügung stellen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]: Es ist gut, dass Sie das ansprechen!)


Neben dem Green Climate Fund, der angesprochen
worden ist und bei dem man sicher noch genau hinsehen
muss, wie die Frage der Anpassung in diesem Fonds ge-
lingen wird, leistet auch der UN-Anpassungsfonds, den
es bereits gibt, einen Beitrag . Im Oktober dieses Jahres
wurden dort 32 Projektanträge behandelt . Das zeigt, dass

es hier ein steigendes Bewusstsein für die Notwendigkeit
dieser Maßnahmen gibt . Dieser Fonds kriegt auch gute
Noten, weil es darum geht, Kapazitäten in den Ländern
des Südens aufzubauen und so den am meisten vom Kli-
mawandel betroffenen Menschen und Gemeinden wirk-
lich zu helfen . Ich wünsche mir sehr, dass gerade dieser
multilaterale Fonds, der wirklich einiges leistet, vorange-
hen kann, finanziell besser ausgestattet wird und für die 
Zukunft auf eine sichere Finanzbasis gestellt wird .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Als Entwicklungspolitikerin sage ich noch einen letz-
ten Satz generell zur Finanzierung . Ich habe am Anfang
gesagt: Klima, Entwicklung und Frieden sind untrenn-
bar miteinander verbunden . Das gilt sicher auch für Fi-
nanzierungsfragen . Einen Gedanken aber bitte ich, bei
allem immer mit zu berücksichtigen: Es gibt klimarele-
vante Armutsfolgen, es gibt Verschränkungen der beiden
Themenfelder, aber es gibt auch klassische Felder der
Armutsbekämpfung und klassische Felder des Staatsauf-
baus, für die die Entwicklungszusammenarbeit Gelder
benötigt.  Ich bitte  daher darum, Klimafinanzierung mit 
Extramitteln auszustatten und nicht eins zu eins mit Ent-
wicklungsgeldern zu verrechnen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814407200

Vielen  Dank,  Bärbel  Kofler.  –  Nächster  Redner: 

Dr . Thomas Gebhart für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Thomas Gebhart (CDU):
Rede ID: ID1814407300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! In diesen Tagen erreichen uns ständig neue
Nachrichten darüber, dass der Klimawandel voranschrei-
tet . Im südlichen Afrika gibt es extreme Wetterereignisse,
es gibt einen steigenden Meeresspiegel und vieles mehr .
Wir nehmen wahr: Die Lebensbedingungen auf unserer
Erde verändern sich, und die Wissenschaftler mahnen
uns: Wir müssen das Klima schützen . Wir müssen alles
daransetzen, diese globale Erderwärmung auf maximal
2 Grad zu begrenzen; denn wenn uns dies nicht gelingt,
dann besteht die große Gefahr, dass dieser Klimawandel
durch den Menschen nicht mehr beherrschbar ist . Das
Klima schützen, das ist unsere Verantwortung vor allem
für die nachfolgenden Generationen .

Warum aber ist es so schwierig, diese Erkenntnis in
Taten umzusetzen? Zunächst einmal müssen wir wahr-
nehmen: Das ist ein globales Problem . Wir allein kön-
nen das Klima nicht schützen, sondern die Staaten die-
ser Welt müssen miteinander kooperieren . Wir brauchen
eine gemeinsame Lösung, wir brauchen ein weltweites
Abkommen .

Warum haben wir dies bislang noch nicht erreicht?
Warum verhandelt die Welt seit 20 Jahren über den Kli-
maschutz, während die weltweiten Treibhausgasemissi-
onen Jahr für Jahr immer weiter in die Höhe gegangen

Dr. Bärbel Kofler

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14151


(A) (C)



(B) (D)


sind? Dies hängt vor allem damit zusammen, dass am
Verhandlungstisch 195 Länder sitzen, die teilweise sehr
unterschiedliche Interessen haben . Da gibt es Länder an
der Spitze – dazu zählen auch wir –, die für einen ambi-
tionierten Klimaschutz streiten . Da gibt es Länder, die
vor allem eine Anpassung an die Folgen des Klimawan-
dels wollen . Es gibt aber auch Länder, die sagen, dass
sie sich nicht einschränken möchten, weil sie zunächst
einmal ein gewisses Maß an Wachstum und Wohlstand
erreichen wollen, was sicherlich auch verständlich ist .
Unterschiedliche Interessen prallen also aufeinander .
Hinzu kommt, dass bei den Klimakonferenzen das Ein-
stimmigkeitsprinzip gilt . Das heißt, Entscheidungen kön-
nen immer nur dann getroffen werden, wenn am Ende
alle 195 Länder Ja sagen .

Was bedeutet das nun für Paris? Die Grundschwie-
rigkeit, die ich eben beschrieben habe, löst sich nicht in
Luft auf, sondern bleibt bestehen . Wir sollten eine ehr-
liche und realistische Erwartungshaltung haben . Dazu
gehört, dass wir uns bewusst machen: Es gibt in den
nächsten Tagen noch erhebliche Stolpersteine auf dem
Weg hin zu einem weltweiten Abkommen . Wir sollten
uns außerdem bewusst machen, dass es selbst dann,
wenn die Minderungsziele, die die einzelnen Länder ge-
meldet haben, vollständig erreicht werden, in der Summe
nicht ausreicht, das 2-Grad-Ziel zu erreichen . Wir müs-
sen uns auch bewusst machen, dass ein weiterer Punkt
hinzukommen muss, wenn ein solch notwendiges Ab-
kommen geschlossen werden soll . Es muss uns gelingen,
den  Grundkonflikt  der  unterschiedlichen  Interessen  zu 
überwinden und die unterschiedlichen Ziele wie Klima-
schutz auf der einen Seite und Wohlstand und Wachstum
auf der anderen Seite in Einklang zu bringen . Das geht
nur mithilfe von Innovationen und neuen Technologien .
Deutschland geht bei den erneuerbaren Energien voran .
Das wird international aufmerksam beobachtet .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zu einer ehrlichen und realistischen Sichtweise gehört
aber auch, dass es Anlass zu begründetem Optimismus
gibt, und zwar in so starkem Maße wie noch nie vor
einer Weltklimakonferenz . Warum? Mehr als 180 Staa-
ten haben freiwillig Minderungszusagen gemacht . Alle
größeren Verursacher des Klimawandels bekennen sich
zum Klimaschutz . Teil eines Abkommens soll – darauf
drängen wir ganz besonders – ein regelmäßiger Über-
prüfungsmechanismus sein . Das heißt, Paris ist nicht der
Endpunkt – das wurde schon angesprochen –, sondern
ein Zwischenschritt . Für einige Länder ist Paris sogar der
Start in die Klimaschutzpolitik .

Das angestrebte Abkommen ist so nah wie nie zuvor .
Ich hoffe und erwarte, dass es in einer Woche in Paris
eine Einigung geben wird . Ein solches Abkommen wäre
ein riesiger Fortschritt, weil die Richtung klargemacht
würde . Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es uns ge-
lingt, ein solches Abkommen zu schließen, dann werden
weitere Schritte folgen . Unter dem Strich gibt es keine
vernünftige Alternative . Wir haben keine zweite Erde,
auf die wir ausweichen können . Deswegen müssen wir
alles daransetzen, am nächsten Freitag ein ambitionier-

tes, verbindliches und weltweit gültiges Abkommen un-
ter Dach und Fach zu bekommen .

Inwiefern tragen wir in Deutschland dazu bei? Wir
leisten einen sehr großen Beitrag . Ich will nur zwei
Punkte nennen . Der erste Punkt ist: Wir haben ein sehr
ambitioniertes Klimaschutzziel und wollen bis 2020
eine 40-prozentige Reduzierung im Vergleich zu 1990
erreichen . Das ist ein sehr glaubwürdiges Ziel, weil wir
den größten Teil bereits geschafft haben . Die Lücke, die
noch besteht, werden wir schließen mit einem Bündel aus
Maßnahmen .

Der zweite Punkt ist: Deutschland wird die Haushalts-
mittel  für  die Klimafinanzierung  auf  künftig  4 Milliar-
den Euro verdoppeln . Wir helfen damit vor allem den
ärmeren Ländern, dass sie sich an die Folgen des Klima-
wandels anpassen können, dass sie Waldschutz betreiben
können, dass sie insgesamt Klimaschutz betreiben kön-
nen . Wir erleben jetzt in diesen ersten Tagen der Konfe-
renz in Paris, dass eine Dynamik in das Thema der Kli-
mafinanzierung gekommen ist. Das sind erfreuliche und 
positive Zeichen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich war wie viele andere auch bei diesen letzten Kli-
makonferenzen in den vergangenen Jahren dabei . Wir
hatten Gelegenheit, mit vielen Vertretern anderer Län-
der zu sprechen, mit Regierungsvertretern, aber auch
mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen . Es
zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche, dass
Deutschland ein unglaublich hohes Ansehen im Bereich
der internationalen Klimaschutzpolitik hat . Wir werden
als Vorreiter gesehen, wir werden als glaubwürdig be-
trachtet . Das ist vor allem auch ein Verdienst der deut-
schen Bundeskanzlerin .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Angela Merkel hält seit 20 Jahren den internationalen
Klimaschutz hoch, sie treibt an, sie geht voraus . Ich sage
ausdrücklich: Ohne die deutsche Bundeskanzlerin wären
die Chancen auf ein weltweites Klimaabkommen heute
nicht so hoch, wie sie tatsächlich sind .


(Beifall  bei  der  CDU/CSU  –  Steffi  Lemke  [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schlecht geht es ihr doch gar nicht!)


Ich danke auch der Bundesumweltministerin, auch ih-
ren Vorgängern, die sich alle sehr glaubwürdig und sehr
engagiert für das Ziel des weltweiten Klimaschutzes ein-
gesetzt haben und nach wie vor einsetzen .


(Beifall des Abg . Dr . Matthias Miersch [SPD])


Ich hoffe, wir kommen Freitagnacht in Paris zu einem
Ergebnis und können sagen: Ja, die Staaten handeln, sie
kooperieren . Ich hoffe, dass es so sein wird, dass sich
die Weltgemeinschaft Freitagnacht auch einmal selbst
applaudieren kann . Wir haben eine historische Chance,
und die sollten wir jetzt endlich nutzen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Thomas Gebhart

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514152


(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814407400

Vielen Dank, Dr . Gebhart . – Letzte Rednerin in dieser

Debatte: Dr . Nina Scheer für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Nina Scheer (SPD):
Rede ID: ID1814407500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Die jeweiligen UN-Klimakonferen-
zen sind für uns auch immer ein Spiegelbild . Sie haben
natürlich den Zweck, dass wir uns darauf verständigen,
was wir tun müssen, aber sie sind, gerade mit den vorbe-
reitenden Berichten des Weltklimarats, des IPCC – auch
der jetzige Bericht bildet wieder eine Grundlage –, im-
mer auch ein Warnsignal . Man muss zunehmend die Kli-
maberichte des Weltklimarates im Detail studieren, um
zu erkennen und ehrlich zu bekennen, welche Aufgaben
vor uns liegen .

Frau Hendricks hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
Transparenz das oberste Gebot ist . Ich möchte hier die
Gelegenheit der freien Aussprache über die Klimaver-
handlungen nutzen – als solche kann man den heutigen
Vormittag zu der Thematik verstehen –, das Augenmerk
auf einige Inhalte zu richten .

Mit großer Sorge – das muss ich sagen – betrachte
ich, wie sich inzwischen aus der Befürchtung heraus, die
Klimaziele nicht zu erreichen, ein Verrechnungsmodell
etabliert . Es kommt zu der Bildung eines Emissionsbud-
gets, wobei wir alle wissen, dass das Emissionsbudget,
das uns dann noch verbleibt und das sich an dem 2-Grad-
Ziel orientiert, möglicherweise schon 2030 aufgebraucht
sein wird .

Das allein für sich genommen ist ein brauchbares
Warnsignal an uns, das wir insofern berücksichtigen
sollten, als es eine Handlungsaufforderung ist . Was al-
lerdings nicht passieren darf – leider gibt es Anzeichen
dafür, dass es passiert –, ist, dass die Nichteinhaltung der
Zeitachse für dieses Emissionsbudget – ein früheres Auf-
brauchen des Emissionsbudgets – dazu verleitet, Auswe-
ge zu suchen . Das heißt, man möchte negative Emissio-
nen einpreisen .

Es gehört zur Transparenz, zu erkennen, dass von den
400 dem Sachstandsbericht des Weltklimarats zugrunde-
gelegten Szenarien bereits bei 344 Szenarien mögliche
Klimaschulden enthalten sind, die zu einem späteren
als dem für das Emissionsbudget errechneten Zeitpunkt
wieder abzubauen sein werden . Das heißt, wenn wir die
Ziele in Anbetracht dieser 344 zugrundegelegten Szena-
rien erreichen wollen, dann müssen wir genau wissen,
was auf dem Weg dahin eingehalten werden muss . Damit
geht leider einher, dass wir einen Verschmutzungskredit
aufgenommen haben, den man in der Folgezeit abzubau-
en hat . Dabei wird es dann auch wirtschaftspolitisch in-
teressant, zu sehen, welche Maßnahmen greifen und in
welche Richtung sich die Technologieentwicklung be-
wegt .

Wenn wir diese Wege beschreiten, was, wie ich finde, 
nicht passieren darf, dann könnte das auch bedeuten, dass
besonders stark in die Technologien zur Abscheidung von

CO2 investiert wird, und zwar auch in CO2-Abscheidung
im Bereich der Bioenergieerzeugung und in unterirdische
Verpressung, um den angesprochenen Kredit zurückzah-
len zu können . Wenn in diese Bereiche große Investitio-
nen getätigt werden, können die gleichen Gelder anders-
wo nicht mehr investiert werden . Außerdem haben wir
keine richtig transparente Klarheit mehr darüber, wo wir
wirklich stehen . Der Wert der Weltklimakonferenzen,
die bisher stattgefunden haben, geht dann vielleicht ein
Stück weit verloren, weil uns nicht mehr ganz ehrlich das
offenbart wird, was tatsächlich zu tun ist .

Ebensolches  – Bärbel Kofler  hat  es  angesprochen  – 
gilt für die Anpassungsstrategien . So wichtig es ist, An-
passungsstrategien zu verfolgen, gerade mit Blick auf die
ärmsten Länder, die vom Klimawandel als Erste betrof-
fen sein werden, müssen wir aufpassen, dass wir keine
zu enge Vermischung mit den Bemühungen vornehmen,
den Klimawandel einzugrenzen . Denn es kann der Ein-
druck entstehen: Wir tun doch schon viel; wir leisten
doch schon viel . – Es muss ganz klar sein: Das eine ist,
den Klimawandel zu verhindern, das andere ist: Wir müs-
sen uns auch darum kümmern, dem nicht mehr aufzuhal-
tenden Klimawandel und dessen Auswirkungen in Form
von Anpassungsstrategien zu begegnen .

Eine weitere Gefahr sehe ich darin, dass zunehmend
NGOs in den Entscheidungsprozess eingebunden sind
und damit nicht mehr zur kritischen Masse gehören . Ich
sage das insbesondere mit Blick darauf, dass die Ato-
menergie heutzutage als klimafreundliche Energie gilt .
Auch darauf müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten .

Ich hätte noch ein paar weitere Dinge zu sagen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814407600

Nein .


Dr. Nina Scheer (SPD):
Rede ID: ID1814407700

Ich weiß, meine Redezeit ist zu Ende .

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814407800

Vielen Dank, Nina Scheer . – Ich schließe die wirklich

nachdenklich machende, an das Verantwortungsbewusst-
sein appellierende Aussprache . Es wäre für manche Kol-
leginnen und Kollegen vielleicht nicht schlecht gewesen,
ihr zu folgen . Es wäre wünschenswert gewesen, dass
noch mehr Kollegen an dieser wirklich sehr intensiven
Debatte teilnehmen .


(Beifall der Abg . Dr . Anja Weisgerber [CDU/ CSU])


Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen vom Um-
weltausschuss, die heute nach Paris reisen, viele intensi-
ve Gespräche und Begegnungen, um so von parlamenta-
rischer Seite Druck auszuüben und Dampf zu machen .

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14153


(A) (C)



(B) (D)


Kommen Sie also gut an, und kommen Sie gut und er-
folgreich zurück .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge .

Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/6881 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge-
stimmt hat die Linke . Dagegengestimmt haben CDU/
CSU und SPD . Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grü-
nen .

Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der
Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/6882 . Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt . Zuge-
stimmt haben Linke und Bündnis 90/Die Grünen . Dage-
gengestimmt haben CDU/CSU und SPD .

Ich übergebe die Sitzungsleitung an meine Kollegin
Petra Pau und wünsche Ihnen noch einmal erfolgreiche
Tage .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814407900

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Für eine lebendige Demokratie – Fairer Han-
del statt TTIP und CETA

Drucksache 18/6818
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie

(9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Dr . Diether
Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Keine Paralleljustiz für internationale Kon-
zerne durch Freihandelsabkommen

Drucksachen 18/5094, 18/6911

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke .


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sozusagen als Einstimmung auf die besinnliche Zeit ha-

ben Sie noch einmal Gelegenheit, mit uns über die Han-
delsabkommen zu diskutieren . Ich denke, Sie machen
das mit großer Freude .

Wir haben zwei Anträge vorgelegt, die Sie sicherlich
alle gelesen haben . Mit dem einen Antrag geht es uns da-
rum, die mit den zusätzlichen Schiedsgerichten geplante
Paralleljustiz zu verhindern . Übrigens gilt unabhängig
davon, ob es sich um private Schiedsgerichte oder einen
Handelsgerichtshof handelt: Das ist eine Paralleljustiz .

In dem anderen Antrag plädieren wir für fairen Han-
del . Ich gehe davon aus, dass Sie unsere Anträge wie im-
mer ablehnen werden . Aber unabhängig davon können
Sie die Adventszeit nutzen, um darüber nachzudenken .
Vielleicht kommen Sie dann zu der einen oder anderen
neuen Erkenntnis .

Große Teile der Zivilgesellschaft lehnen die Handels-
abkommen ab, weil sie bereits nachgedacht haben . Ich
nenne ein Beispiel . Ich habe gestern den Bundesverband
der Milchbauern besucht . Insbesondere kleine Bauern
kämpfen ums Überleben, und zwar nicht nur wegen der
niedrigen Milchpreise, sondern auch wegen der Preise
und Produktionsverhältnisse bei anderen landwirtschaft-
lichen Produkten .

Und was macht die Europäische Union, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen? Ich habe mir fast die Augen gerie-
ben: In den Verhandlungen der Europäischen Union mit
den Amerikanern wird tatsächlich darüber gestritten, ob
man es den Amerikanern erlauben bzw . erleichtern soll,
rohe Eier in Europa zu verkaufen . Das war Gegenstand
der letzten Verhandlungen . Das ist kein Witz . Offensicht-
lich sollen rohe Eier über den Ozean geschippert wer-
den, weil das US-Ei billiger ist als das Ei europäischer
Hennen . Warum ist das so? Weil die US-Henne billigeres
Futter frisst und der Tierschutz offensichtlich lascher ist .

Aber allein die Tatsache, dass sich die EU-Kommissi-
on damit befasst, ob rohe Eier über den Ozean geschip-
pert werden sollen, zeigt, wie absurd das ist . Das ist doch
nicht mehr normal, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir hatten gerade eine Umweltdebatte . In Paris wird
darüber diskutiert, wie wir den Schadstoffausstoß re-
duzieren, um die Klimaerwärmung zu begrenzen . Der
Generalsekretär des International Transport Forum, José
Viegas, hat am 1 . Dezember im Tagesspiegel geschrie-
ben, dass nahezu ein Drittel aller weltweiten Verkehrs-
emissionen aus dem internationalen Frachtverkehr stam-
men . Der Welthandel wird sich bis 2050 vervierfachen .
Damit wird auch der CO2-Ausstoß entsprechend zuneh-
men . Und die EU diskutiert über die Eier auf dem Meer .
Dümmer geht’s nimmer, meine Damen und Herren .

Würde TTIP Realität werden, dann würden im Übri-
gen die Bauern in Europa noch mehr unter Druck gera-
ten . Beenden wir diesen Unfug!

Die Ablehnung wird immer breiter . Das wissen Sie .
Ich möchte Ihnen einige zentrale Forderungen der Zi-
vilgesellschaft vortragen . Ich zitiere: „Ein Abkommen,
das den Bürgerinnen und Bürgern nutzen soll, darf nicht

Vizepräsidentin Claudia Roth

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514154


(A) (C)



(B) (D)


verhandelt werden, als müssten die Ergebnisse vor der
Öffentlichkeit verborgen werden .“

Realität ist: Nach wie vor haben nicht einmal Abge-
ordnete Kenntnis von den konsolidierten Verhandlungs-
texten . Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Lammert
ausdrücklich für sein Engagement dafür danken, dass die
Abgeordneten des Parlaments endlich erfahren, was ei-
gentlich gespielt wird .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich würde erwarten, dass er mehr Unterstützung aus der
CDU/CSU bekommt . Unser Präsident gehört schließlich
zu Ihrer Fraktion .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da klatschen die noch nicht einmal!)


– Da klatschen die nicht einmal . Ja, so sind sie . Marx
sagte: Wie sie sich geben, so sind sie .

Eine weitere Forderung, meine Damen und Herren –
Zitat –:

Eine Sondergerichtsbarkeit für Investoren ist nicht
zu akzeptieren und darüber hinaus zwischen Demo-
kratien wie der EU und den USA schlicht unnötig .

Nach wie vor aber sind in CETA Sondergerichte ent-
halten . Trotz aller Reformen bleibt es bei Sondergerich-
ten .

Noch ein Zitat:

Eine Rekommunalisierung einst privatisierter öf-
fentlicher Dienstleistungen darf nicht durch Stand-
still- oder Ratchet-Klauseln im Freihandelsabkom-
men unmöglich gemacht werden .


(Beifall der Abg . Karin Binder [DIE LINKE])


In CETA sind solche Klauseln enthalten . Ausnahmen
sind lückenhaft .

Eine letzte Forderung, die ich Ihnen vortragen möch-
te – Zitat –:

Verbindliche Regelungen zu den ILO-Kernarbeits-
normen sind . . . unabdingbare Voraussetzung . . .

Sie wissen, meine Damen und Herren: Im Wirtschafts-
ausschuss hat der Verhandlungsführer der Amerikaner
erklärt,  für  ihn  komme  eine Ratifizierung der  ILO-Ab-
kommen nicht infrage . Das ist die Realität .


(Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Gestalten Sie mal das deutsche Arbeitsrecht, nicht das amerikanische!)


– Ihr regiert . Dann macht das mal vernünftig . Aber das
kriegt ihr nicht hin .

Meine Damen und Herren, von wem waren nun die
Zitate? Das waren allesamt Zitate aus Anträgen von Lan-
desverbänden der SPD zum SPD-Parteitag am 10 . De-
zember . Alles Zitate von der Basis oder von Landesver-
bänden der SPD!

Ich kann nur sagen: Die SPD-Basis orientiert sich
offenbar mehr am Gemeinwohl, als es gegenwärtig die
Bundesregierung tut . Von der Bundesregierung hat man
den Eindruck, dass sie die Dinge durchpeitschen will .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Kritik kommt übrigens immer mehr auch von
Wählern der Union .


(Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Bleiben sie mal bei Ihren Wählern! Das ist besser für Sie!)


Jetzt ist mein Freund Ramsauer nicht da . Er hat in Kana-
da – Sie waren dabei – bei jeder Veranstaltung erzählt,
dass es in seiner Region Traunstein – ein wunderbarer
bayerischer Wahlkreis mit absoluten Mehrheiten für die
CSU – zu einer Demonstration von 500 Leuten gekom-
men sei und dass es keine Linken gewesen seien, sondern
seine Wähler . – So geht es euch .

Übrigens kann ich auch die Milchbauern nennen . Das
sind auch nicht gerade Wähler der Linken, sondern eher
Wähler von euch .

Ich kann Ihnen allen nur empfehlen: Hören Sie auf
Ihre Basis!

Ich möchte zum Schluss noch sagen, was die Landes-
organisation Bremen im Antrag T 20 zum SPD-Parteitag
festgestellt hat:

. . . erfüllt nicht die Anforderungen an Handelsab-
kommen, wie sie im Beschluss des Parteikonvents
der SPD vom September 2014 gestellt wurden, und
auch nicht die im Europaparlament Anfang Juli
2015 gestellten Anforderungen an das Handelsab-
kommen . . .

Das stellt die SPD Bremen fest .

Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen,
wenn Sie auf Ihrem Parteitag – das kann ich Ihnen nur
ans Herz legen – klare Kante zeigen, und zwar nicht für
die Großindustrie, sondern im Interesse der Bürger und
im Interesse der Mitglieder der SPD . Wenn Sie das tun,
dann hat die SPD bei Umfragen vielleicht auch wieder
steigende Werte .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Da kommt ja gar nichts mehr inhaltlich!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408100

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1814408200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Man könnte sagen: It’s TTIP-time . – Es ist Frei-
tagmittag . Die Linken beantragen ihre Debatte . Es ist im-

Klaus Ernst

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14155


(A) (C)



(B) (D)


mer das Gleiche . Wenn man sich die Anträge anschaut,
stellt man fest, Herr Kollege Ernst:

Der erste Antrag, den Sie benannt haben, hat letzte
Woche seinen ersten Geburtstag gefeiert . Plenum, Aus-
schuss, Plenum: Man nennt das, was Sie da betreiben,
Beschäftigungstherapie .


(Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Die therapieren sich selbst!)


Es kommt kein neuer Gesichtspunkt in die Diskussion .


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie nichts lernen!)


Es ist höchste Zeit, dass Sie nach einem Jahr die Positi-
onen, die Sie damals aufgeschrieben haben, überdenken .


(Steffi  Lemke  [BÜNDNIS  90/DIE  GRÜNEN]: Oder Sie! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Danke gleichfalls!)


Bei dem zweiten Antrag, meine Damen und Herren,
haben Sie eine interessante Überschrift gewählt: „Für
eine lebendige Demokratie – Fairer Handel statt TTIP
und CETA“ . Das ist schon interessant . Die lebendige
Demokratie wird, glaube ich, hier in Deutschland tag-
täglich bewiesen, gerade bei der öffentlichen Diskussion
über Handelsabkommen, über alle politischen Themen .
Wir brauchen doch keinen Antrag der Linken, um die
lebendige Demokratie in Deutschland zu befördern . Ich
weiß nicht, ob Sie noch in der Zeit von vor 25 Jahren,
vor 1990, denken . Da war natürlich nichts mit lebendiger
Demokratie .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wo ich herkomme, schon! Wir hatten die schon! Sie müssen noch lernen!)


– Wir haben mehr gelernt als Sie .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie noch eine andere Platte?)


Aber dass Sie das heute in einen Titel schreiben, verwun-
dert uns schon sehr .

Der zweite Teil der Überschrift, nämlich „Fairer Han-
del statt TTIP und CETA“,


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist notwendig!)


ist auch ganz interessant . Die Frage ist: Was meinen Sie
denn eigentlich? Sie meinen: Der Handelsaustausch, der
im Moment zwischen Europa und den USA, zwischen
Europa und Kanada stattfindet, ist kein fairer Handel. – 
So muss man das ja lesen .


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie sich nicht mit dem Antrag auseinandersetzen!)


Handelsabkommen sind für Sie also nicht der Türöffner
für fairen Handel, sondern Sie meinen, Handelsabkom-
men seien ein Handelshemmnis . Ich kann die Denkweise
nicht nachvollziehen, die hinter dieser ganze Sache steht .

Meine Damen und Herren, wenn man sich einmal Ih-
ren Antrag  anschaut,  dann findet man darin  interessan-

te Dinge . In der Begründung schreiben Sie, wegen der
angestrebten transatlantischen Angleichung von Normen
und Standards würden Standards gesenkt und Normen
verändert .

Das ist ja interessant . Wie kommen Sie denn auf die-
se Annahmen? Wenn man mit einem Partner vereinbart,
dass die jeweils höheren Standards zur Anwendung kom-
men, wie soll man denn dann auf die Idee kommen, dass
die Standards gesenkt werden? Das ist doch vollkommen
unlogisch .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Denkweise, die dahintersteckt, ist doch völliger
Unfug . Das Bestreben dieser Handelsabkommen ist es
doch gerade, gemeinsam die höchsten Standards festzu-
legen, damit sich weltweit niemand mehr unterhalb die-
ser Standards bewegen kann .


(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist heute Märchenstunde?)


Das ist doch der Sinn . Sonst muss man doch gar nicht
über Standards verhandeln . Es ist also völliger Unfug,
was Sie den Leuten suggerieren .

Über den Zugang zu den Unterlagen haben wir hier im
Plenum schon öfter diskutiert . Sie haben das Bemühen
von Herrn Lammert angesprochen . Dazu hat sich auch
schon unser Ausschussvorsitzender Peter Ramsauer ge-
äußert . Ich hoffe, dass wir damit einen großen Fortschritt
erzielt haben . Ich bin gespannt, wie oft ich Sie im Lese-
raum antreffen werde .


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wahrscheinlich nie!)


Dann werden wir einmal sehen, wie oft Sie dann wirklich
über den 1 000 Seiten Unterlagen sitzen und diese lesen
werden .

Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, den wir errei-
chen konnten, weil wir an dem Prozess beteiligt sind .
Sie lehnen das jedoch ab und sagen: Stopp CETA! Stopp
TTIP! – Wir hingegen sagen, dass wir verhandeln müs-
sen . Deshalb ist dieser Verhandlungsfortschritt ein großer
Fortschritt .

Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem
Antrag, dass eine bevorzugte Behandlung von Unterneh-
men bei öffentlichen Beschaffungen möglich sein müsse .
Weiter schreiben Sie vom Kampf gegen die Korruption
und die Verschwendung von Steuermitteln .

Meine Damen und Herren, genau das ist der Sinn der
Sache . Wir wollen, dass die öffentliche Vergabe trans-
parent erfolgt . Wir wollen, dass die Ungleichheiten auf
den Beschaffungsmärkten in den Vereinigten Staaten
und Kanada einerseits und Europa andererseits abgebaut
werden . Wir wollen, dass deutsche Unternehmen einen
gleichberechtigten Zugang zu den Beschaffungsmärkten
in den USA und in Kanada haben .

Transparenz ist das beste Mittel gegen Korruption und
Verschwendung . Auch in diesem Fall kann man die hin-
ter dieser Sache stehende Logik überhaupt nicht erken-
nen, die Sie uns heute versuchen in den Nikolausstiefel
zu schieben .

Andreas G. Lämmel

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514156


(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, Sie ändern Ihre Strategie
bei den Investitionsschutzabkommen . Früher waren es
halt die bösen Konzerne und die Banken, die die Staaten
ausnehmen könnten . Nun haben Kolleginnen und Kolle-
gen aus diesem Hause Vorschläge für einen internationa-
len Handelsgerichtshof eingebracht . Auch Herr Gabriel
hat Vorschläge dazu gemacht . Jetzt, da es an die Umset-
zung geht, sagen Sie, das sei Mist und das brauche man
nicht . Da muss sich doch jeder normale Mensch fragen:
Was soll das? Erst kämpfen wir für etwas, und wenn es
erreicht wird, dann ist das alles plötzlich Unfug . – Das ist
eine völlig unlogische Argumentation .

Herr Ernst, derzeit werden weltweit rund 20 Abkom-
men verhandelt . Stellen Sie doch einmal zu jedem dieser
Abkommen einen Antrag, zum Beispiel „Stopp Viet-
nam“ .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408300

Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Frage oder Be-

merkung des Kollegen Ernst?


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1814408400

Wenn es der Aufklärung des Sachverhaltes dient, dann

gerne .


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert eher noch länger! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege Ernst, das muss nicht sein! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gebrabbel wird noch länger! – Zuruf von der CDU/CSU: Das dient eher der Profilneurose!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408500

Herr Kollege Lämmel, danke, dass Sie die Frage zu-

lassen . – Erstens . Sie haben auf diesen internationalen
Handelsgerichtshof abgestellt . Außerdem haben Sie ge-
sagt, wir hätten unsere Strategie geändert . Das ist über-
haupt nicht der Fall .

Ist es nicht so, dass es nach wie vor ein eigener Ge-
richtshof sein wird, bei dem keine einheimischen Unter-
nehmen, sondern nur ausländische Unternehmen klagen
können? Sind Sie mit mir der Auffassung, die laut Me-
dienberichten auch von der Wissenschaft vertreten wird,
dass das eine weitere Bevorzugung der ausländischen
Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen
wäre, und zwar unabhängig davon, ob dies eine private
oder öffentliche Gerichtsbarkeit darstellt?

Zweitens . Sie haben vorhin dargestellt, dass jetzt die
große Transparenz ausgebrochen sei . Ich lese im Tages-
spiegel von gestern,


(Dirk Wiese [SPD]: Das ist doch schon dementiert!)


dass Bundestagsabgeordnete in Berlin Zugang erhalten
sollen . Dann heißt es aber, dass die amerikanische Han-
delsbehörde von dem nichts weiß . Da würde ich Sie bit-
ten, das einmal aufzuklären .

Drittens . Sind Sie mit mir der Auffassung, dass der
Präsident des Deutschen Bundestages in hervorragender

Weise dieses Thema angesprochen hat und es eigentlich
auch Aufgabe der Koalitionsfraktionen gewesen wäre,
in dieser Deutlichkeit, und zwar auch möglicherweise
durch einen von ihnen eingebrachten Antrag in dieser
Sache, darauf hinzuwirken, dass dieser unhaltbare Zu-
stand, dass Abgeordnete den Text nicht einsehen können,
abgestellt wird?

Viertens . Herr Lämmel, warum – haben Sie eine Er-
klärung dafür? – hat die Europäische Kommission zu-
gestimmt, dass der amerikanische Abgeordnete schon
längst die Möglichkeit hat, die Unterlagen einzusehen,
während der europäische Abgeordnete, der Abgeordnete
der Nationalparlamente nach wie vor keine Chance hat,
diese einzusehen?


(Beifall bei der LINKEN)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1814408600

Erstens . Herr Ernst, wenn Sie Ihr Wissen, Ihre Argu-

mentation aus der Zeitung beziehen, kann ich Ihnen auch
nicht helfen . Das tut mir leid . In der Zeitung ist heute
leider auch nicht mehr alles richtig dargestellt .


(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Wie früher!)


Zweitens . Zu den internationalen Gerichtshöfen . Sie
haben es ja immer so dargestellt, als ob diese Schieds-
gerichte sozusagen eine ganz große Besonderheit des
Handelsabkommens zwischen den Amerikanern und
den Europäern wären . Aber in vielen Debatten ist Ihnen
doch immer wieder erklärt worden, dass Schiedsgerichte
überhaupt keine neue Erfindung im Zusammenhang mit 
Handelsabkommen sind .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist nicht meine Frage!)


Schiedsgerichte gibt es überall in der Welt, von der Welt-
handelsorganisation bis zum Friedensrichter im Nach-
barschaftsstreit .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist nicht meine Frage!)


Dann haben Sie als Linke immer gesagt: Diese
Schiedsgerichte sind uns zu intransparent . Wir wis-
sen überhaupt nicht, was dort der Klagegegenstand ist .
Wir wissen überhaupt nicht, wer dort die Richter, die
Schiedsrichter sind . – Genau diese Argumente hatten
auch wir in unserer Diskussion immer aufgegriffen . Na-
türlich brauchen wir, wenn wir ein modernes Handelsab-
kommen schließen wollen, auch beim Schiedsverfahren
Fortschritte . Jetzt haben wir sie erreicht . Jetzt werden
internationale Richter berufen, die vorher nicht mit dem
Sachverhalt betraut gewesen sein dürfen . Wir haben das
jetzt im ersten Handelsabkommen mit Vietnam verein-
bart . Das ist Ihnen nun auch wieder nicht recht . Sie müs-
sen sich wirklich einmal eine Strategie überlegen, damit
Sie Ihre Argumente auch durchhalten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insofern: Sie schreiben über Anträge immer nur: „Stopp,
Stopp, Stopp“ .

Zu Herrn Präsident Lammert . Ich habe Ihnen doch
vorhin gesagt, dass Herr Dr . Ramsauer als Ausschuss-

Andreas G. Lämmel

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14157


(A) (C)



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vorsitzender in unserem gemeinsamen Auftrag an Frau
Malmström geschrieben hat . Schon Ernst Hinsken als
Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses hat in der letz-
ten Legislaturperiode an den damaligen EU-Kommissar
geschrieben, um genau diese Möglichkeit der Einsicht in
die Unterlagen zu erreichen . Wir freuen uns nun gemein-
sam, dass das funktioniert hat . Das ist doch ein großer
Fortschritt . Da sollten wir doch mal zufrieden sein . Da
sollten Sie mal sagen: Mensch, jetzt haben wir doch was
geschafft in der lebendigen Demokratie .

Meine Damen und Herren, noch mal zurück zum
Investitionsschutzabkommen mit Vietnam, das jetzt
beschlossen und in dem ja dieser Handelsgerichtshof –
stellen Sie mal einen Antrag „Stopp Vietnam“ – verein-
bart wurde . Wir werden gelegentlich darüber diskutieren
müssen, welche Vorstellungen die Kommission genau
hat, wie man diesen konstruiert und vor allen Dingen,
wie schnell der auf die Füße kommt .

Dauerthema „öffentliche Daseinsvorsorge“ . Da kann
ich Ihnen nur sagen: Frau Malmström war gestern in
Berlin und hat eine Pressekonferenz dazu gegeben . Ich
lese Ihnen bloß einen ihrer Sätze daraus vor: „Güter wie
Wasser, Bildung oder Gesundheit sollen nicht aus der öf-
fentlichen Hand gegeben werden dürfen .“ „Punkt“, kann
man da nur sagen . Ihre Befürchtungen nach dem Motto
„Jetzt kommen die bösen Amerikanerheuschrecken und
schnappen euch eure Wasserwerke weg“, die Sie den
Leuten ständig einreden, sind doch so ein Humbug .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass in Deutschland eine solche Stimmung entstanden
ist, kosten Sie doch jetzt genüsslich aus . Die Verhandlun-
gen über diese Handelsabkommen sind ein sehr komple-
xer Vorgang, gar keine Frage . Die Inhalte sind auch sehr
verwoben . Das schreiben Sie ja in Ihrem Antrag . Aber
statt Aufklärung zu betreiben und zu sagen: „Leute, wir
haben jetzt zehn Punkte, und fünf davon müssen wir
noch weiter kritisch begleiten und diskutieren“, machen
Sie es genau andersherum . Sie jagen erst das Chlorhuhn
durch die Fernsehzimmer, und dann kommen die ganzen
anderen Beispiele . Zurzeit sprechen Sie ja über die rohen
Eier, die über das Meer transportiert werden . Ich bin ge-
spannt, was Sie in der nächsten Debatte anbringen . Wenn
das Thema Eier beendet ist, dann sind es vielleicht die
Kaninchen, die durch die Welt getrieben werden .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genmais!)


So kann man doch keine verantwortliche Politik ma-
chen . So macht man eine Angstpolitik . Genau das brau-
chen wir in einer lebendigen Demokratie nicht, Herr
Ernst . Deswegen sind Ihre Anträge ein böser Nikolaus-
scherz, mehr sind sie nicht .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408700

Das Wort hat die Kollegin Katharina Dröge für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814408800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Lieber Herr Lämmel, in einem Punkt muss
ich Ihnen heute recht geben . Ich glaube, es passiert nicht
oft, dass ich Ihnen recht gebe . Wir diskutieren tatsächlich
nicht zum ersten Mal über TTIP und CETA im Deutschen
Bundestag .


(Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Doch ich muss ganz ehrlich sagen: Genützt hat es in der
Sache noch gar nichts .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn ich mir die Politik anschaue, die Sie als Gro-
ße Koalition im Umgang mit TTIP und CETA betreiben,
dann muss ich ganz ehrlich sagen, dass sie mich ein biss-
chen an einen gestrandeten Pottwal erinnert: Allein kom-
men Sie nicht vom Fleck – und das, obwohl es dringend
notwendig wäre .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Man braucht viele Menschen, man muss ziemlich ziehen
und zerren, um einen gestrandeten Pottwal zu bewegen .
Um das konkret auf Ihre Politik im Deutschen Bundes-
tag zu übertragen: Wir haben zwei Jahre lang über TTIP
und CETA im Bundestag gestritten . Es brauchte eine De-
monstration mit 250 000 Teilnehmern, damit Sie sich nur
einen Zentimeter in der Sache bewegt haben, dass Sie
sich vielleicht – hoffentlich! – dafür einsetzen, dass wir
Abgeordnete Leserechte für die Dokumente, über die wir
am Ende beschließen sollen, bekommen . Das Winzigste,
was wir erreichen konnten, ist, dass diejenigen, die da-
rüber beraten, einmal in die Dokumente schauen dürfen,
mehr ist das ja nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir können keinen Zettel, keinen Stift mit in die Le-
seräume nehmen . Das heißt, wir können dort gar nicht
richtig arbeiten . Noch schlimmer: Wir können den Bür-
gerinnen und Bürgern gar nicht erzählen, was wir gelesen
haben; denn das Ganze ist geheim . Viel haben wir also
noch nicht erreicht .

Das Einzige, was wir erreicht haben


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht!)


– vielleicht; das wissen wir noch nicht –, ist, dass wir in
die Dokumente sehen können . Dafür feiern Sie sich heu-
te . Von den Veränderungen in der Sache ganz zu schwei-
gen: ob es um die Schiedsgerichte, ob um die Umwelt-
regulierung oder um die Liberalisierung im Bereich der
Kommunen geht . Herr Lämmel hat so getan, als wäre in
den letzten Monaten in der Debatte irgendetwas in Bewe-
gung gekommen .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das war auch Andreas’ Märchenstunde!)


Andreas G. Lämmel

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514158


(A) (C)



(B) (D)


Aber man darf Rhetorik, man darf Ankündigungen nicht
mit realer Politik verwechseln . Diesen Fehler macht Herr
Wiese in der Debatte auch ganz oft .

Herr Gabriel, Sie versprechen ein neues Konzept im
Bereich des Investitionsschutzes . Frau Malmström stellt
ein neues Konzept vor . Aber wenn man fragt: „Stimmen
wir im Bundestag ab?“, dann kommt von Ihnen immer:
„Ach, nee, abstimmen wollen wir lieber nicht, wir könn-
ten uns ja festlegen müssen .“ Jeden einzelnen Antrag von
uns haben Sie bislang versenkt . Einen eigenen Antrag ha-
ben Sie nie gestellt . Wenn man mit den Verhandlern der
USA oder Kanadas redet, dann sagen sie immer: „Schöne
Vorschläge, die Herr Gabriel gemacht hat . Schöne Vor-
schläge, die Frau Malmström gemacht hat .“ Aber in der
Sache ist das im Falle von Kanada leider durch . Oder:
„Wir können uns wirklich nicht vorstellen, dass wir uns
auf Sie zubewegen .“ In der Sache haben Sie nichts er-
reicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben immer noch nicht verstanden, das Thema
Vorsorgeprinzip, unsere zentrale Regulierungsphiloso-
phie, die wir in Europa haben, in TTIP oder CETA zu
verankern . Das hätte man in CETA machen können . Das
wäre eine große Chance gewesen . In CETA gibt es nicht
nur die Schiedsgerichte, sondern auch die State-to-Sta-
te-Gerichte . Da werden wir vor dem WTO-Handelsge-
richt verklagt, und dann geht es um die Frage, wie man
die Maßnahme bewertet: nach dem amerikanischen wis-
senschaftsbasierten Ansatz oder nach dem europäischen
Vorsorgeprinzip .


(Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Die Welt dreht sich nicht um Deutschland!)


Die Rechtsprechung der WTO war bislang so, dass sie
sich auf den amerikanischen wissenschaftsbasierten An-
satz gestützt hat und damit die europäische Umweltregu-
lierung in einigen Streitfällen unter Druck geraten ist . –
Auch dazu von Ihnen in dieser Debatte bislang kein Wort .

Das dritte Thema – auch darüber hätte man bei CETA
noch einmal miteinander reden können –: der Schutz der
kommunalen Daseinsvorsorge . Wir haben wiederholt den
Vorschlag gemacht, Positivlisten anstatt Negativlisten
festzulegen, um eine Sicherheit zu haben, dass am Ende
nicht irgendetwas vergessen wird und es dadurch zu einer
ungewollten Liberalisierungsverpflichtung kommt, dass 
wir nicht erst am Ende, nachdem wir den völkerrechtli-
chen Vertrag unterzeichnet haben, merken: Verdammt, da
war etwas drin, was wir gar nicht so regeln wollten; aber
jetzt können wir den Vertrag nicht mehr ändern . – Auch
dazu von Ihnen kein Wort!

Ein weiteres Thema, über das man reden könnte, ist
der in CETA vorgesehene Hauptausschuss, der am Ende
die Kompetenz besitzen soll, die Annexe, die Protokolle,
die Verträge zu ändern . Es ist nicht sicher, ob das Europa-
parlament am Ende an der Entscheidung beteiligt werden
muss, ob etwa die Protokolle verändert werden sollen .
In den Protokollen stehen aber relevante Dinge wie Pes-
tizidgrenzwerte oder eben die Liberalisierungsverpflich-

tungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge . –
Auch dazu von Ihnen kein Wort!

Da frage ich mich ganz ehrlich: Was tun Sie eigentlich
hier im Deutschen Bundestag, außer Reden zu halten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Man könnte einen Beschluss fassen! – Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Wir hören nur Ihre Rede! – Mark Hauptmann [CDU/ CSU]: Leider müssen wir Ihnen zuhören!)


– Ja, genau, leider müssen Sie mir zuhören .


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Es ist kein Genuss!)


Ich verspreche Ihnen: Sie werden mir noch das ein oder
andere Mal hier zuhören müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Jetzt komme ich auf das Bild mit dem gestrandeten
Pottwal zurück . Sie wissen ja: Wir Grünen haben ein
Herz für Tierschutz . Deshalb werden wir bei TTIP und
CETA weiter ziehen und zerren, bis der Pottwal Große
Koalition endlich im Wasser angekommen ist . Ich ver-
spreche Ihnen: So wie der Wal merkt, dass man im Was-
ser besser schwimmt, so werden Sie auch merken, dass
ein Neustart dieser verkorksten Handelspolitik auch Ih-
nen mehr Freiheit und ein besseres Gefühl verschaffen
wird .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814408900

Das Wort hat der Kollege Dirk Wiese für SPD-Frak-

tion .


(Beifall bei der SPD)



Dirk Wiese (SPD):
Rede ID: ID1814409000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lebenswert, offen, engagiert, vielleicht das
höflichste Land der Welt, von Wissenschaftlern als fried-
liche Mittelmacht bezeichnet, laut einer Empfehlung des
Deutschen Akademischen Austauschdienstes ein beson-
ders willkommener und geschätzter Partner – die Rede
ist von Kanada . Unter Partnern – das sage ich hier ganz
offen – kann man reden, auch über ein Freihandelsab-
kommen, aber bitte sachlich . Vertreter der Fraktion Die
Linke sprechen in Interviews im Hinblick auf CETA
mittlerweile von einem Anschlag auf Demokratie, Sozi-
alstaat und Umwelt . Ganz ehrlich: Solche Formulierun-
gen sind zwischen Partnern, die lange freundschaftliche
Beziehungen haben, nicht angemessen und werfen ein
schlechtes Licht darauf, wie unsachlich Sie die Debatte
führen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik
Deutschland und Kanada pflegen seit  Jahrzehnten enge 
freundschaftliche Beziehungen . Wir teilen gemeinsame

Katharina Dröge

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14159


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Werte und Grundüberzeugungen . Über 3,2 Millionen
Kanadier haben deutsche Wurzeln . Uns verbindet eine
aktive Mitarbeit in internationalen Gremien, vor allem in
Fragen der Sicherheit und Abrüstung, der Menschenrech-
te, bei humanitären Aktionen und bei friedenserhaltenden
Maßnahmen .

Das angedachte Freihandelsabkommen soll nun ein
Baustein sein, um die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen unseren beiden Ländern zu vertiefen . Aktuell
gehört Deutschland zwar schon zu den zehn wichtigsten
Handelspartnern Kanadas; Studien zeigen aber auch auf,
dass in den deutsch-kanadischen Wirtschaftsbeziehun-
gen für beide Volkswirtschaften noch mehr Potenzial
liegt . Hauptexportprodukte Deutschlands sind Fahrzeu-
ge, Fahrzeugteile, Maschinen, mechanische und elektri-
sche Geräte .

Hinzu kommt: Abkommen und Verständigungen auf
bilateraler Ebene zwischen unseren beiden Ländern sind
nicht neu . Kanada und Deutschland haben 2002 ein Dop-
pelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, das das Ab-
kommen von 1981 ablöste, mit der EU besteht seit 1976
ein Rahmenabkommen über handelspolitische und wirt-
schaftliche Zusammenarbeit, seit 1995 ein Abkommen
über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit,
seit 2003 ein Wein- und Spirituosenabkommen und seit
2009 ein Luftfahrtübereinkommen .

Im Freihandelsabkommen mit Kanada, das jetzt im
Entwurf vorliegt, ist im Industriesektor – um ein Bei-
spiel zu nennen – ein Abbau von 99,7 Prozent der Zoll-
linien vereinbart, im Warenhandel von 98,4 Prozent
der Zolllinien . Infolge der Marktöffnung wird es einen
verbesserten Zugang für europäische Unternehmen, für
Dienstleistungsanbieter geben . Zudem kommt es zu Ver-
besserungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Be-
rufsqualifikationen. Auch  die Absicherung  in  sensiblen 
Bereichen, wie zum Beispiel im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge, ist gewährleistet .

Positiv ist zudem die Ermöglichung des Zugangs hei-
mischer Unternehmen zu Ausschreibungen in Kanada .
Das gilt auch für Ausschreibungen auf regionaler und
kommunaler Ebene . Man geht dabei von einem Beschaf-
fungsvolumen von etwa 100 Milliarden kanadischen
Dollar aus . Hier haben unsere kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen überhaupt keine Möglichkeit, sich
in Kanada dem Wettbewerb zu stellen . Für kanadische
Unternehmen ist das hingegen schon heute in Deutsch-
land möglich . Folglich gibt es faktisch keine zusätzliche
Marktöffnung hier bei uns . Wichtig ist: Trotz der geplan-
ten Regelung können weiterhin Ausschreibungsbedin-
gungen von Ausschreibungsstellen festgelegt werden;
die Möglichkeit, Regelungen zur Tariftreue oder Um-
weltbedingungen in die Ausschreibung aufzunehmen,
werden nicht beschränkt . Zudem: Das WTO-Streitver-
fahren mit Kanada zu der Frage von hormonbehandeltem
Rindfleisch wird einer endgültigen Regelung zugeführt. 
Es wird die Einräumung eines Zollkontingents für Qua-
litätsrindfleisch geben. Also kurz und knapp: Weiterhin 
kein Import von hormonbehandeltem Rindfleisch. 

An einigen wichtigen Punkten bedarf die bisherige
Verständigung noch Änderungen und der Feinjustierung .

Hieran arbeiten Sozialdemokraten an vorderster Stelle
mit . Das nennt man übrigens: Politik machen und Zu-
kunft gestalten . Denn wer sich allen Gesprächen und
Verhandlungen, die  jetzt gerade  stattfinden, verweigert, 
der gestaltet Globalisierung nicht mit, sondern der wird
gestaltet werden . Bezogen auf die Weltwirtschaft heißt
dies: Wer den Ball nicht aufnimmt, der spielt nicht mit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lieber Kollege Klaus Ernst, wenn Sie im Januar Zu-
gang zu den Dokumenten haben, dann haben Sie das
einem zu verdanken, und das ist Bundeswirtschaftsmi-
nister Sigmar Gabriel, der sich immer wieder dafür ein-
gesetzt hat, dass wir als nationale Abgeordnete Zugang
zum Vertragstext bekommen . Geben Sie Sigmar Gabriel
mal einen aus; sagen Sie ihm Danke schön . Er sorgt da-
für, dass Sie endlich aufgeklärt werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich empfehle Ihnen das Positionspapier von Bernd
Lange „Wandel durch Handel – Faire Handelspolitik im
21 . Jahrhundert“ wärmstens als Lektüre für die ruhigen
Weihnachtstage, dann werden sich nämlich viele Ihrer
Fragen klären .

Die Anmerkungen, die ich an der einen oder ande-
ren Stelle gemacht habe, gelten eins zu eins auch für
das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten,
TTIP . Es wird übrigens – das möchte ich deutlich formu-
lieren – noch sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, bis
wir zu möglichen Ergebnissen kommen .

Einen Satz noch zu CETA . Sie suggerieren bzw . be-
haupten fälschlicherweise immer, dass sogenannte Brief-
kastenfirmen, Mailbox Companies, Klagemöglichkeiten 
haben .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!)


Das  ist  faktisch  falsch  und  gelogen.  Briefkastenfirmen 
haben in CETA keine Klagemöglichkeit mehr; das ist
ausgeräumt . In alten Schiedsgerichtsabkommen, von
denen die Bundesrepublik Deutschland eine Menge ab-
geschlossen hat, gab es diese Möglichkeit . Wenn die Be-
fürchtungen, die Sie hinsichtlich der sogenannten Brief-
kastenfirmen  haben,  nämlich  dass  US-amerikanische 
Firmen in anderen Ländern schnell ein Büro eröffnen und
einen Briefkasten einrichten, um Klagemöglichkeiten zu
bekommen, wahr wären, dann müssten wir im Rahmen
der bereits abgeschlossenen Abkommen – es sind über
hundert – mit unzähligen Klagen überzogen worden sein .
Wissen Sie, wie oft wir verklagt worden sind? Dreimal .
Das ist einfach nur Angst, was Sie erzeugen, und nichts
anderes .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Wir Sozialdemokraten wollen Prinzipien und Werte
global verankern . Darüber diskutieren wir auch auf dem
Bundesparteitag, der in der kommenden Woche ansteht .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie müssen mit der Basis reden!)


Dirk Wiese

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514160


(A) (C)



(B) (D)


Aufgrund des Stillstands in der Welthandelsorganisation
ist die Möglichkeit, Fortschritte multilateral zu erzielen,
derzeit nicht gegeben . Daher stellen bilaterale Abkom-
men aktuell ein Instrument dar, globalen Handel zu ver-
ändern . Es ist darum richtig, in den kommenden Wochen
mit dem Partner, der neuen kanadischen Regierung, zu
sprechen . Wir tun das: gestern mit Cecilia Malmström,
heute Morgen mit dem Chefunterhändler Steve Verheul
von kanadischer Seite . Ich bin mir sicher, dass wir in den
nächsten Wochen noch zu Ergebnissen kommen werden,
die Sie überraschen werden . Vielleicht werden die Er-
gebnisse Sie dazu bringen, dem Ganzen möglicherweise
doch zuzustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409100

Der Kollege Dr . Matthias Heider hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Matthias Heider (CDU):
Rede ID: ID1814409200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Herr Ernst, wenn man Ihre
Anträge so durchliest, fragt man sich, wie man sie am
ehesten charakterisieren soll . Es ist gerade Mittagszeit,
und die Suppe, die Sie uns heute angerichtet haben, ist
ein wahrer Feuertopf . Das sind Ihre Zutaten: eine ordent-
liche Portion Wachstumskritik, ein bisschen Demokratie-
verdrossenheit, ein Teil Paralleljustiz, ein Teil Empörung,
ganz viel Spekulation, zwei Bund Geheimniskrämerei
und eine Prise Streit . Alles in einen Topf werfen, ordent-
lich umrühren und dann verteilen; Hauptsache, die Sup-
pe ist heiß genug, sodass sich später irgendjemand daran
verbrennen wird – das ist Ihre Art von Politik, Herr Ernst .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Mark Hauptmann [CDU/ CSU]: Ungenießbar!)


Einige wichtige Punkte drohen in der Debatte unter-
zugehen . Umwelt, Lebensmittelsicherheit und techni-
sche Standards – das sind Aspekte, die alle Bürger ange-
hen, nicht nur diejenigen, die vor wenigen Wochen hier
in Berlin demonstriert haben oder die Eingaben an die
EU-Kommission machen .

Das Freihandelsabkommen betrifft über 800 Millio-
nen Menschen . Es ist der größte demokratisch legitimier-
te Wirtschaftsmarkt der Welt . Ich glaube, er hat einen
verlässlichen Rechtsrahmen für den transatlantischen
Handel verdient . Die Menschen in diesem Markt wollen
Produktvielfalt, sie wollen sinkende Preise, sie wollen
aber auch einen Lohnanstieg .

Wir führen die Debatte schon über zwei Jahre . Ich
frage mich: Was wäre eigentlich aus dem europäischen
Binnenmarkt geworden, wenn man mit ihm so umgegan-
gen wäre, wie Sie heute mit dem Freihandelsabkommen
umgehen?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich kann es Ihnen sagen: Bei den Vorbehalten wären wir
in Europa nie auf einen gemeinsamen Nenner gekom-
men .

Die Grundfreiheiten des europäischen Marktes prägen
die EU bereits seit 1957: Als Erstes sind die Warenzöl-
le auf dem Gebiet der EU abgeschafft worden, der freie
Warenverkehr wurde durch eine Entscheidung des Euro-
päischen Gerichtshofs durchgesetzt, und erst 1993 haben
wir eine Vielzahl von nichttarifären Handelshemmnis-
sen, die uns behindert haben, abgeschafft. Wir profitieren 
davon . Warum sollten wir uns nicht auch im transatlan-
tischen Bereich für Freihandel mit Kanada und den USA
einsetzen?

Die positiven Effekte solcher Abkommen sind sicht-
bar . Schauen Sie sich wenigstens das Abkommen mit
Chile an . Wir können feststellen, dass sich die Umsätze
auf dem Markt zwischen Chile und der EU von 7 Milli-
arden auf inzwischen 18 Milliarden Euro erhöht haben .
Und nach dem Abkommen, das mit Ägypten geschlossen
wurde, sind die Umsätze von 11 Milliarden auf 22 Mil-
liarden Euro gestiegen . Das ist doch ein spürbarer Ef-
fekt . Ich glaube, im Interesse der Arbeitsplätze bei uns in
Deutschland müssen wir uns darum bemühen, die Wert-
schöpfung bei uns im Land zu halten . Wir müssen dafür
sorgen, dass sie nicht woanders hin verlagert wird, und
dafür müssen wir die Rahmenbedingungen dieser Märkte
gestalten . Das dürfen wir nicht anderen überlassen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht nicht zu-
lasten der Bürgerinnen und Bürger . Gerade das ist es
doch, was die EU in ihren Regelungsvorschlägen, die
sie in die Verhandlungen einbringt, anspricht: Freihan-
del unter Beibehaltung der hohen Verbraucher- und Um-
weltstandards . Schauen Sie sich einmal die einzelnen
Regelungsvorschläge an . Es ist doch nicht so, dass damit
das aufgegeben wird, was in Richtlinien und Verordnun-
gen in der EU festgeschrieben ist . Wir haben das doch in
Jahrzehnten aufgebaut . Warum sollten wir uns denn bei
dieser Gelegenheit davon trennen?

Damit ist nicht gemeint, dass die Standards in den
USA viel niedriger wären als bei uns . Nein, sie werden
nur anders festgelegt . Lassen Sie uns doch gerade in den
Bereichen, in denen technisch festgestellt werden kann,
dass die Standards die gleiche Sicherheit bewirken, Bü-
rokratieabbau betreiben . Lassen Sie uns doch Standards
finden, die es den Unternehmen in Deutschland ermögli-
chen, ihre Produkte einfacher auf den anderen Markt zu
bringen – Produkte, die hier produziert werden und auf
den anderen Markt gebracht werden .

Sie schreiben in Ihrem Antrag – ich zitiere –:

Letztendlich wird über die konkrete Ausrichtung
von CETA und TTIP auf einzelwirtschaftliche In-
teressen nach Kostensenkung im Handel und der
politischen Selbstbindung der Parlamente die de-
mokratische Verfasstheit unserer Gesellschaften
ausgehebelt .

Da kann ich nur fragen: Geht es eigentlich noch? Glau-
ben Sie, dass wir und unsere Kollegen in 28 Mitglied-

Dirk Wiese

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14161


(A) (C)



(B) (D)


staaten der Europäischen Union uns einfach das Heft des
Handelns aus der Hand nehmen lassen?


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ja, das glaube ich! Genau das glaube ich! Und das haben Sie selbst bewiesen in Ihrer Rede!)


Ich glaube, da liegen Sie falsch . Ich glaube, das sollten
Sie auch mit Ihren Kollegen im Ausland noch einmal
dringend besprechen .


(Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf die
Schiedsverfahren zu sprechen kommen; das ist für Sie
ja auch ein wichtiger Punkt . Ihre prinzipielle Ableh-
nung dieser Verfahren kann ich nicht verstehen . Haben
Sie eigentlich ein Schiedsgericht in Ihrer Parteisatzung?
Ich glaube, ja . Ich glaube, auch da gibt es eine gewisse
friedenstiftende Funktion . Das ist in den anderen Rechts-
bereichen, in denen Schiedsverfahren eingesetzt werden,
auch so .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber wir können nicht Staaten verurteilen! Das ist der Unterschied!)


Es passt zu Ihrem Bild von der Wirtschaft, dass Sie das
Wirtschaftsunternehmen vorenthalten wollen .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das Argument ist lächerlich!)


Diese Verfahren dienen der schnellen Durchsetzung
eines Rechtsschutzes . Kein Kaufmann auf der Welt kann
acht bis zehn Jahre warten, bis die Gerichte in drei In-
stanzen entschieden haben, ob seine Investition in einem
anderen Land trägt oder nicht trägt . Da muss ein schnel-
leres Verfahren her . Dazu dienen diese Schiedsverfahren .

Ich freue mich ausgesprochen, dass wir in dem Vertrag
mit Kanada bereits eine ganze Anzahl von Regelungen
haben, die die jetzt geltenden Regelungen für Schieds-
verfahren auf einen ganz neuen Standard bringen . Im
Übrigen müssen Sie sich einmal Folgendes vor Augen
führen: Kanada und die USA machen nicht nur Rechts-
geschäfte in Deutschland; die machen auch Geschäfte
in Bulgarien oder Rumänien, wo die Durchsetzung der
Rechtsstandards möglicherweise etwas schwieriger ist
als bei uns . Man kann durchaus auch einmal darüber
nachdenken, ob Sie Europa wirklich über einen Leisten
schlagen wollen .


(Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Ich glaube, man kann das so nicht machen, sondern man
muss Vorsorge treffen . Nach aller kaufmännischen Er-
fahrung sind Schiedsgerichte dafür ein ganz wichtiges
Element .

Ich muss Ihnen in einem Punkt recht geben: Das Lesen
dieser konsolidierten Vertragstexte muss man schon des-
halb sehr schnell bewerkstelligen, weil es ungemein zeit-
aufwendig ist . Allein CETA umfasst etwa 1 700 Seiten
und ist so dick wie das Telefonbuch von Düsseldorf . Das
braucht Zeit . Deshalb ist es klug, wenn die EU-Kommis-
sion und die amerikanische Verhandlungsseite bei TTIP
den Abgeordneten diese Dokumente möglichst schnell
zur Verfügung stellen . Ich glaube, es gibt in diesem Haus

auch keinen Widerspruch dazu, dass das so gemacht wer-
den soll .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein! Nein!)


Ich bin der Auffassung, dass wir mit diesen Abkom-
men rechtzeitig auf die Zielgerade kommen sollten . Bei
CETA, dem Abkommen mit Kanada, sind wir bereits auf
der Zielgeraden . Ich habe noch nie so eine lange Rechts-
förmlichkeitsprüfung durch die Kommission erlebt wie
bei diesem Abkommen mit Kanada. Ich finde, wir sollten 
zu einer Entscheidung kommen . Wir brauchen bei TTIP
eine  qualifizierte  Diskussion  statt  Spekulationen.  Bei 
CETA brauchen wir jetzt einen schnellen Abschluss der
Rechtsprüfung und dann eine Schlussabstimmung in den
Parlamenten . Das wäre ein Impuls für den transatlanti-
schen Handel, den wir geben könnten .

Herr Ernst, ich sage Ihnen noch einmal: Dass Sie sich
für Protektionismus einsetzen und nicht für Freihandel,
überrascht mich .


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Für fairen Handel! Lesen! Lesen bildet! Der Antrag heißt „Fairer Handel“, Herr Heider!)


Dann gehören Sie zu den Protektionisten . Aber der
Rest dieses Parlaments wird zu denen gehören, die den
Freihandel unterstützen und die mit einem Impuls das
Wachstum in den Märkten weiter nach vorne bringen
wollen .

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409300

Die Kollegin Dr . Nina Scheer hat für die SPD-Frakti-

on das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Nina Scheer (SPD):
Rede ID: ID1814409400

Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Die Diskussion, die wir seit vielen
Monaten, bald schon Jahren, jedenfalls seit dieser Le-
gislaturperiode, hier im Deutschen Bundestag über die
Freihandelsabkommen führen, hat eines bewiesen: Es ist
wichtig, diese Diskussion zu führen . Insofern möchte ich
gleich zu Beginn sagen: Eine sofortige Ablehnung von
Verhandlungsprozessen kann uns die Chance nehmen,
über die Inhalte zu diskutieren . Wann, wenn nicht im
Rahmen solcher Abkommen, können wir über die Din-
ge diskutieren, die möglicherweise tatsächlich hinterher
nicht funktionieren? Das sollte nicht vorweggenommen
werden . Wir sind in einem Prozess der Klärung .

Gerade die letzten Äußerungen meines Kollegen
Heider zeigen, dass etwa bei der Frage der Schiedsge-
richtsbarkeit sehr wohl noch großer Klärungsbedarf be-
steht .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sehen das aber nicht so!)


Dr. Matthias Heider

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514162


(A) (C)



(B) (D)


Er ist jetzt gerade nicht ansprechbar .


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind immer ansprechbar!)


Zu dem Argument, dass das eine Selbstverständlichkeit
sei, weil Schiedsgerichte auch in Parteistatuten enthal-
ten seien, muss ich sagen: Wenn Sie diese so essenzielle
Frage derart auf die leichte Schulter nehmen, kann ich da
nicht mitgehen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Schiedsgerichtsbarkeit ist zu Recht ein poli-
tisch hart diskutierter Punkt . Aus gutem Grund hat sich
Sigmar Gabriel für eine Reform des Schiedsgerichtswe-
sens eingesetzt . Aber auch da müssen wir natürlich ge-
nau schauen: Was wird mit dieser Reform zu erreichen
sein? Inwieweit werden die kritischen Punkte, die wir
sehen, tatsächlich aufgegriffen? Natürlich sind wir – das
ist zum Beispiel auch im Beschluss des SPD-Konvents
enthalten – nicht damit einverstanden, dass Staaten über
Schiedsgerichtsverfahren und Urteile quasi erpresst
werden können . Das ist ganz klar . Lieber Herr Heider,
da hinkt der Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit in
Parteistatuten . Hier kann kein Staat auf Schadensersatz
verklagt werden .


(Dr . Matthias Heider [CDU/CSU]: Da geht es um Rechtsfrieden, Frau Scheer!)


Ich bitte, mit diesen Fragen ernsthaft umzugehen .


(Beifall des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Die Diskussion zeigt, dass es erforderlich und auch
hilfreich ist, einen stetigen Abgleich vorzunehmen . Ge-
nau dafür sind diese Diskussionsprozesse wichtig . Das
zeigt uns auch die Mobilisierung auf den Straßen . Die
große Demonstration wurde schon oft erwähnt . Daran
haben viele Menschen teilgenommen. Ich finde, wir wie-
derum sollten spiegeln und ernst nehmen, was dort statt-
gefunden hat . Hier wird von der Öffentlichkeit ein Ab-
gleich eingefordert zwischen dem, was verhandelt wird,
und dem, was heutzutage in der Erwartungshaltung der
Öffentlichkeit noch mehrheitsfähig wäre . Diesen Prozess
müssen wir auch im Interesse einer funktionierenden De-
mokratie wahrnehmen . Ich glaube, genau darin liegt der
Wert, zum jetzigen Zeitpunkt auf jeden Fall an diesem
Verhandlungsprozess festzuhalten .

Es offenbart sich eine Mobilisierungsfähigkeit der Öf-
fentlichkeit, eine demokratische Mitwirkung der Öffent-
lichkeit, die aufgegriffen und respektiert werden muss .
Das ist nicht einfach nur ein schlichtes Nein . Unter den
Forderungen der Demonstranten befinden sich sehr wohl 
welche, die auf die Inhalte solcher Abkommen zielen . Es
stellt sich die Frage, ob man Freihandelsabkommen mög-
licherweise zu Handelsabkommen werden lassen könnte .
Dies halte ich nicht für ein schlechtes Ziel . Wenn wir,
etwa mit den neuen UN-Nachhaltigkeitszielen, faire Be-
dingungen und Sozial- und Umweltstandards einfordern,
dann müssen wir natürlich auch schauen: Wo bleiben sie
in unserer realen Politik? Dann müssen wir uns natürlich

auch fragen lassen, wie weit eine Deregulierungsver-
pflichtung diesen Zielen tatsächlich entspricht.


(Beifall des Abg . Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Solange dieser Prozess, in dessen Rahmen Abkommen
verhandelt werden, andauert, müssen wir uns diese Fra-
gen stellen und einen Abgleich zwischen Anspruch und
Wirklichkeit vornehmen .

Ich möchte kurz wiederholen – meine Redezeit ist
gleich zu Ende –: Es ist wichtig – auch Dirk Wiese hat
darauf hingewiesen –, den Verhandlungsprozess ernst zu
nehmen, ihn politisch zu nutzen und unsere Aufgabe als
politische Ebene in diesem Kontext wahrzunehmen .

Noch ein letzter Aspekt, dessen Bedeutung mir in den
letzten Monaten immer mehr aufgefallen ist – gestern ha-
ben wir auch mit Frau Malmström darüber diskutiert –:
Unsere Forderung ist ja, dass Welthandelsbestimmungen
Umweltschutz  und  Sozialstandards  flankieren  müssen. 
Es kann natürlich passieren, dass aus diesem Konglo-
merat an Außenhandelsbestimmungen eine Quasi-Welt-
wirtschaftsordnung wird . Hier appelliere ich an uns alle,
zu kontrollieren, ob es tatsächlich in unserem Sinne ist,
darüber eine bilaterale Weltwirtschaftsordnung zu eta-
blieren . Ich persönlich setze hier ein großes Fragezei-
chen . Ich wünsche mir, dass dieser Diskussionsprozess
dazu genutzt wird, genau diese Fragen zu stellen .

Vielen Dank .

(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409500

Ich schließe die Aussprache .
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 18/6818 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Keine Paralleljustiz für internationale Konzerne durch
Freihandelsabkommen“. Der Ausschuss empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6911, den
Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5094
abzulehnen . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen gegen die Fraktion Die Linke bei Enthal-
tung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz
von Kindern und Jugendlichen vor den Ge-
fahren des Konsums von elektronischen Ziga-
retten und elektronischen Shishas
Drucksache 18/6858
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Dr. Nina Scheer

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14163


(A) (C)



(B) (D)


Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Bundes-
ministerin Manuela Schwesig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Kinderschutz ist ein wichti-
ges Anliegen der Bundesregierung, Kinderschutz ist ein
wichtiges Anliegen der Großen Koalition, und Kinder-
schutz ist auch mir ein besonders wichtiges Anliegen .
Deshalb legen wir Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor,
der unsere Kinder und Jugendlichen vor dem Konsum
von E-Zigaretten und E-Shishas schützen soll; denn
E-Zigaretten und E-Shishas sind gesundheitsschädlich
für Kinder . Deshalb gehören sie für Kinder verboten .
E-Zigaretten und E-Shishas gehören nicht in die Hände
von Kindern und Jugendlichen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Etwa 20 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben schon
einmal eine E-Shisha probiert, 15 Prozent haben es auch
schon einmal mit einer E-Zigarette versucht . Kinder und
Jugendliche können das bis jetzt ohne Weiteres tun; denn
wir haben weder für E-Zigaretten noch für E-Shishas Ab-
gabe- und Konsumverbote . Das ist eine Regelungslücke
im Kinder- und auch im Jugendschutz, die wir schließen
wollen .

In den letzten Tagen haben mir viele Erwachsene, die
sogenannte Dampfer von E-Zigaretten oder E-Shishas
sind, geschrieben, dass sie die Kritik an E-Zigaretten und
E-Shishas gar nicht verstehen . Deshalb möchte ich an
dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wenn Erwachsene an-
statt einer Tabakzigarette lieber eine E-Zigarette rauchen
wollen, dann können sie das frei entscheiden und tun . Es
geht hier um den besonderen Schutz von Kindern und
Jugendlichen . Für Kinder und Jugendliche gelten ganz
andere Schutzvorschriften, und auch die Wirkungen von
E-Zigaretten auf ihre Gesundheit sind ganz andere als bei
den Erwachsenen . Deshalb ist es ganz wichtig, noch ein-
mal zu sagen: Dieses Verbot betrifft ausschließlich den
Konsum von Kindern und Jugendlichen . Erwachsene
sind weiterhin frei, selbst zu entscheiden, was für sie gut
oder nicht gut ist .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Um diesen Schutz haben uns insbesondere auch viele
Eltern und sogar schon Elterninitiativen gebeten, weil sie
mit Sorge gesehen haben, dass Kinder und Jugendliche
hier verleitet werden, und es gibt auch eine Initiative der
Kinder- und Jugendärzte .

Wir sehen es mit Sorge, dass diese E-Zigaretten und
E-Shishas oft nach Schokolade oder Früchten schme-
cken, aber eben auch schädlich sind . Wir haben dazu
wissenschaftliche Erkenntnisse eingeholt und diese Er-
kenntnisse mit dem Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft, mit dem Bundesgesundheitsminis-
terium und mit der Drogenbeauftragten der Bundesregie-
rung ausgewertet .

Weil einige Teile der Bevölkerung und auch die ent-
sprechende Lobby gegen dieses Verbot unterwegs sind,
möchte ich hier auch noch einmal ganz deutlich sagen:
Wir haben uns das nicht einfach ausgedacht, sondern
unsere Erkenntnisse basieren auf Aussagen von Fach-
experten des Deutschen Krebsforschungszentrums .
Deren Studien belegen, dass auch der Konsum von ni-
kotinfreien E-Shishas und E-Zigaretten für Kinder und
Jugendliche gesundheitsschädlich ist . Das, sehr geehrte
Damen und Herren Abgeordnete, müssen wir gemeinsam
ernst nehmen . Deshalb müssen wir Kindern diese Pro-
dukte verbieten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Studien zeigen, dass bei dem Konsum von E-Zi-
garetten und E-Shishas Stoffe entstehen, die im Verdacht
stehen, Krebs auszulösen . Feine Partikel dringen in die
Lunge ein, reizen sie und hindern sie am Wachstum .
Darum geht es: Bei Kindern und Jugendlichen wachsen
die Lungen noch . Wir müssen dafür sorgen, dass dieses
Wachstum nicht geschädigt wird, weshalb wir die Kin-
der und Jugendlichen vor dieser Gesundheitsgefährdung
schützen müssen .

Erst am Mittwoch, also vorgestern, haben Krebsex-
pertinnen und -experten wieder vor den Gefahren von
E-Zigaretten und E-Shishas gewarnt und dabei ausdrück-
lich auch die Verlockungen der guten Geschmacksrich-
tungen, wie Mango oder Schokolade, genannt .

Wer lange geraucht hat, der schafft es vielleicht, durch
E-Zigaretten vom Rauchen wegzukommen, und der fühlt
sich damit vielleicht wohler, was mir viele sogenannte
Dampfer geschrieben haben . Bei Kindern und Jugend-
lichen droht aber eine genau umgekehrte Gefahr: Die
E-Zigaretten und E-Shishas sind für Kinder und Jugend-
liche eher ein Einstieg ins Rauchen . Uns geht es darum,
diesen Einstieg ins Rauchen präventiv zu verhindern .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])


Die Idee der klaren Verbote für Kinder und Jugend-
liche mit gleichzeitiger Prävention stellt schon bei Ta-
bakzigaretten einen erfolgreichen Gesundheitsschutz für
Kinder und Jugendliche dar . Diese Idee hat sich bewährt,
und an dieser Idee werden wir jetzt mit unserer Auswei-
tung des Verbotes festhalten .

Mit den neuen Regelungen setzen wir auch das Sig-
nal, dass E-Zigaretten und E-Shishas für Kinder und Ju-
gendliche eben nicht harmlos sind und dass sich damit
nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Eltern,
Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte – alle, die

Vizepräsidentin Petra Pau

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514164


(A) (C)



(B) (D)


mit Kindern und Jugendlichen über solche Dinge reden –
auseinandersetzen sollten . Es geht auch um Aufklärung
für unsere Kinder und Jugendlichen .

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bit-
te Sie, dass wir diesen Gesetzentwurf schnell im Parla-
ment beraten und auch verabschieden . Je eher das Gesetz
kommt, desto eher und besser können wir unsere Kinder
und Jugendlichen schützen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409600

Das Wort hat der Kollege Norbert Müller für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Norbert Müller (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den
Tribünen! Wer sich das Angebot sogenannter Liquids,
also der Verdampferflüssigkeiten für elektronische Ziga-
retten, anschaut, dem fällt schnell auf, dass E-Zigaretten
für Jugendliche durchaus verlockend sind – die Bundes-
ministerin hat das angesprochen –: Sorten wie Karamell,
Erdbeere, Vanille, Schokolade oder Geschmacksrichtun-
gen wie Gummibärchen erinnern eher an Eis oder Bon-
bons als an Rauchwaren

Ich persönlich kann dazu nur sagen: Mir sind, ehrlich
gesagt, Dinge, die nur so riechen oder schmecken wie et-
was, suspekt . Man fragt sich, warum Menschen das über-
haupt konsumieren . Aber faktisch ist es so, dass es für
eine Vielzahl von Jugendlichen ein interessanter Einstieg
ist . So greifen immer mehr Schülerinnen und Schüler
zum chemischen Rauchgemisch aus Aromastoffen und
häufig eben auch Nikotin. Aufgrund der attraktiv desig-
nten E-Zigaretten in coolen Farben und schicken Verzie-
rungen sind die E-Kippen bei Jugendlichen im Trend .

Das Problem besteht weniger darin, dass E-Zigaret-
ten für Jugendliche schädlich sein könnten, sondern vor
allem darin, dass Kinder und Jugendliche das Rauchen
erlernen . Es ist ein Unterschied, ob ein Erwachsener
über die E-Zigarette vom Rauchen wegkommt oder ob
ein Jugendlicher über die E-Zigarette zum Rauchen hin-
kommt . Experten befürchten, dass Kinder und Jugendli-
che, die E-Zigaretten rauchen, später mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit zur richtigen Zigarette greifen – mit
all den gesundheitlichen Folgen und Wirkungen, die wir
kennen .

Hinzu kommt, dass die langfristigen gesundheitlichen
Auswirkungen des E-Zigaretten-Konsums noch nicht
umfassend erforscht sind . In der Praxis gibt es fast über-
haupt keine oder nur sehr wenige Forschungsergebnisse
zum Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas . Die aller-
meisten unserer Studien kommen aus dem Ausland . Wir
stehen da eher am Anfang der Forschung . Hier wäre es
eine Aufgabe, deutlich mehr zu investieren, um zu einer
gesicherteren Grundlage zu kommen, wie sich E-Zigaret-
ten-Konsum auswirkt .

Wir wissen eben nicht, wie sich der Chemiecocktail
in den Atemwegen und im ganzen Körper verbreitet und
was er auch langfristig anrichtet . Laut einem EU-Vorha-
ben sollen deswegen E-Zigaretten in naher Zukunft wie
Zigaretten behandelt – das fordern auch wir Linke – und
mit einem Werbeverbot belegt werden . Spätestens im
Mai 2016 soll das entsprechende Gesetz in Kraft treten .

An den elektronischen Zigaretten scheiden sich die
Geister . Für die einen sind sie eine Alternative zum Ta-
bak, für die anderen nur ein weiteres Suchtmittel . Ich
halte beide Sichtweisen ein Stück weit für nachvollzieh-
bar . Deswegen fordern wir eine Regulierung, die beiden
Aspekten gerecht wird . Wir müssen auf die zunehmende
Verbreitung von E-Zigaretten und E-Shishas reagieren
und den Verkauf regulieren . Gefahren durch minderwer-
tige Qualität und völlig ungeprüfte Inhaltsstoffe können
und müssen durch rechtliche Regelungen unterbunden
werden . Das heißt unter anderem: eine angemessene Pro-
duktsicherheit und -qualität, aber auch wirksame Vorkeh-
rungen im Jugendschutz .

Nikotin ist ein Suchtstoff; das darf nicht verharmlost
werden . Hier im Haus wird niemand bestreiten, auch
die eine Raucherin oder der andere Raucher nicht, dass
die gesundheitlichen Folgen des E-Rauchens oder des
Dampfens geringer sind als bei Tabakzigaretten . Aber
wie groß sie sind, werden weitere Forschungen zeigen
müssen . Deswegen fordert die Linke, E-Zigaretten an-
hand der festgestellten Schädlichkeit und aufgrund eines
vorbeugenden Gesundheitsschutzes und des Präventi-
onsgedankens zu regulieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen und
Forderungen aufgeschrieben . Ich will nur einige nennen .

Den Flüssigkeiten in E-Zigaretten und E-Shishas
sind Zusatzstoffe beigesetzt . Das ist für diese Dampfer,
von denen es auch große gibt, die in Discos eingesetzt
werden, wo dann dieser Dampf produziert wird . Die Un-
bedenklichkeit dieser Zusatzstoffe muss grundsätzlich
gewährleistet werden, oder diese Stoffe müssen entspre-
chend reguliert werden . Es muss im Rahmen des Jugend-
schutzes entsprechende Verkaufsbeschränkungen geben .
Auch muss es Werbeverbote geben . Da wären wir dabei .

Die Anwendung von Nichtraucherschutzregelungen,
die für normale Tabakprodukte gelten, muss sicherge-
stellt werden, und es muss eine Gefährdung durch Pas-
sivkonsum mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen
werden . Auch in der Frage des Passivkonsums stehen
wir am Anfang der Erkenntnisse . Wir wissen nicht, wel-
che Auswirkungen der Passivkonsum hat . Wir brauchen
deutlich mehr Förderung der Erforschung von gesund-
heitlichen Folgen und weiteren Aspekten des E-Zigaret-
ten-Konsums .


(Beifall bei der LINKEN)


Grundsätzlich wollen wir eine Gleichstellung von Ta-
bakprodukten und E-Zigaretten und -Shishas . So löblich
es ist, dass die Bundesregierung in diesem Bereich einen
Schritt vorwärtskommt, so tritt sie bei der Bekämpfung
von Tabak national und international seit Jahren doch auf
die Bremse . Da ist das Vorpreschen von Frau Bundesmi-

Bundesministerin Manuela Schwesig

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14165


(A) (C)



(B) (D)


nisterin Schwesig sehr lobenswert, die ja gesagt hat, man
hätte sich mit einer gewissen Lobby angelegt . Es wäre
erfreulich, wenn sich die Bundesregierung mit genau die-
ser Lobby, der Tabakindustrie, grundsätzlicher anlegen
würde . Es kann auch nicht sein, dass Deutschland bei der
Regulierung von Tabakprodukten immer das europäische
Schlusslicht ist und wir immer erst warten müssen, bis
die EU neue Standards zum Gesundheitsschutz setzt, die
dann in Deutschland rückwirkend umgesetzt werden . Es
wäre wichtig, dass wir in Deutschland Vorreiter bei der
Zurückdrängung von Tabak sind – im Sinne von Verbrau-
cherschutz, Gesundheitsschutz und Prävention .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir halten es für sinnvoll, dass unter anderem die Re-
gelungen  zum  Jugendschutz,  zu  Deklarationspflichten, 
zur Zulassungspflicht von Zusatzstoffen und zum Werbe-
verbot, eben zu allem, was für Tabakprodukte gilt, auch
für E-Zigaretten und E-Shishas gelten . Ziel sollte sein,
sowohl tabakbedingte als auch durch E-Zigaretten verur-
sachte Schädigungen zu reduzieren und die Freiheit der
Menschen gleichzeitig nicht mehr als notwendig einzu-
schränken .

Ich freue mich auf die Debatte, die wir in der Anhö-
rung und im Ausschuss führen werden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814409800

Der Kollege Markus Koob hat für die CDU/CSU-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Koob (CDU):
Rede ID: ID1814409900

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe

Kollegen! Liebe Kinder und Jugendliche! Lungenkrebs,
Wachstumsstörungen, Einengungen der Bronchialwe-
ge, chronische Entzündungen der Bronchien, Bluthoch-
druck, erhöhte Herzfrequenz, erhöhtes Thromboserisi-
ko – die von mir aufgezählten Krankheiten sind nicht
nur lebensbedrohlich, sondern allesamt Krankheiten, die
man mit dem Rauchen von E-Zigaretten und E-Shishas
in Verbindung bringt . Es ist mitnichten der Fall, dass es
sich bei einer E-Zigarette um die gesunde Schwester der
Tabakzigarette handelt .

Vielleicht geht es Ihnen, wie es mir zu Beginn der
parlamentarischen Beratungen zu E-Zigaretten und
E-Shishas als Nichtraucher ging: Sie haben keine blasse
Ahnung davon, wie E-Zigaretten und E-Shishas funkti-
onieren . Alle Welt redet davon; aber an Ihnen als Nicht-
raucherinnen und Nichtrauchern ist das Thema komplett
vorbeigegangen . – Ich möchte Ihnen die Funktionsweise
einmal kurz erläutern, damit Sie sich selbst ein genau-
es Bild machen können . Jede E-Zigarette funktioniert
nämlich nach dem gleichen Prinzip: Eine Flüssigkeit, das
sogenannte Liquid, wird über eine Heizspirale geführt,
wobei dieses Liquid durch die Hitze verdampft . Durch
den individuellen Luftzug wird dieser Dampf dann aus

der E-Zigarette gezogen . Fertig ist die simple Funktions-
weise der E-Zigaretten .

Welcher zentrale Punkt bei der Funktionsweise des
Gerätes aber nicht vergessen werden darf, ist die Wir-
kungsweise dieser sogenannten Liquids . Die Harmlosig-
keit, wie uns Industrie und auch Konsumenten weisma-
chen wollen, ist keinesfalls wissenschaftlich gesichert .
Das Gesundheitsrisiko für nikotinhaltige Liquids liegt
zunächst auf der Hand . Nikotin als solches ist ein Sucht-
stoff . Der Konsum von Nikotin führt in der Regel zu ei-
nem langanhaltenden Konsum . Gerade dann, wenn die
Stoffe, die man gemeinsam mit dem Nikotin zu sich
nimmt, gesundheitsschädigend sind, führt das Nikotin
selbstverständlich dazu, dass man diese gesundheitsschä-
digenden Stoffe regelmäßig zu sich nimmt . Sucht ist im-
mer gefährlich, vor allem dann, wenn sie im Jugendalter
beginnt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der nun erfolgenden Änderung des Jugendschutz-
gesetzes verbieten wir die Abgabe von nikotinhaltigen
E-Zigaretten und E-Shishas, aber auch die Abgabe von
nikotinfreien E-Zigaretten und E-Shishas an Jugendliche
offline  und  auch  online.  Das  liegt  daran,  dass  Nikotin 
nicht der gefährlichste Inhaltsstoff der E-Zigaretten und
E-Shishas ist . Deshalb gibt es für den Gesetzgeber auch
keinen Grund, einen Unterschied zwischen nikotinhaltig
und nikotinfrei zu machen, gerade nicht im Zusammen-
hang mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen .

Bei nikotinfreien elektronischen Zigaretten und elek-
tronischen Shishas wird der bei der Verdampfung des
Liquids entstehende Nebel, Aerosol genannt, inhaliert .
Dieses Liquid besteht aus einem Gemisch verschiedener
Chemikalien, wobei als Grundsubstanzen Propylengly-
kol und Glycerin dienen; Propylenglykol ist allen Anwe-
senden höchstwahrscheinlich besser als Frostschutzmit-
tel bekannt . Die ultrafeinen Partikel des Aerosols können
chronische Schädigungen verursachen . Diese wirken sich
insbesondere in der Wachstumsphase der Kinder und Ju-
gendlichen aus und beeinträchtigen die Lungenentwick-
lung bei Kindern; denn das Wachstum der Lungen endet
erst im jungen Erwachsenenalter .

Auswertungen neuer Studien des Bundesinstituts für
Risikobewertung und des Deutschen Krebsforschungs-
zentrums ergeben, dass beim Dampfen von elektro-
nischen Inhaltsprodukten Carbonylverbindungen ent-
stehen, die, wie auch Benzol oder Asbest, im Verdacht
stehen, Krebs auszulösen . Neben diesen Grundsubstan-
zen des Liquids werden aber auch Aromazusätze ver-
wendet, die im Liquid mitverdampfen . Diacetyl ist als
süßer Bestandteil sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt .
Wird dieser Stoff aber inhalativ aufgenommen, kann er
zu schweren Entzündungen der Atemwege führen .

Weitere Bestandteile von E-Zigaretten und E-Shishas
sind Schwermetalle . Forscher haben sowohl Blei- als
auch Chromwerte gemessen, die bei herkömmlichen Zi-
garetten gar nicht auftauchen . Die Nickelmesswerte wa-
ren ungefähr viermal so hoch wie beim konventionellen
Tabakrauch .

Norbert Müller (Potsdam)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514166


(A) (C)



(B) (D)


Nichtrauchen ist Gesundheitsschutz . Der Konsum von
E-Zigaretten und E-Shishas ist das Gegenteil davon . Vor
allem im Wachstum befindliche Jugendliche sollten dies 
erkennen . E-Zigaretten sind vieles, aber ganz sicher nicht
hipp und cool . Wenn Sie Gummibärchengeschmack wol-
len, essen Sie Gummibärchen . Wenn Ihnen nach Vanille
ist, bietet es sich in dieser Jahreszeit vielleicht an, auf
Vanillekipferl umzusteigen .


(Beifall des Abg . Richard Pitterle [DIE LINKE])


Aber schädigen Sie nicht Ihre Gesundheit, die im Zwei-
felsfall noch mindestens 80 Jahren halten sollte .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist eben nicht so, dass es eine gesunde Alternati-
ve ist . Es ist nur eine weniger schädliche, als Tabak zu
sich zu nehmen . Auch aus diesem Grund stelle ich mich
gegen die euphemistische Bezeichnung des Dampfens .
Uns allen in diesem Hause ist bewusst, dass an einem
Verkaufsverbot für unter 18-Jährige sowohl offline in Ki-
osken als auch online im Internet kein Weg vorbeiführt,
so wie es ursprünglich intendiert war, bis das Bundes-
verwaltungsgericht mit seiner Rechtsprechung die E-Zi-
garette als Medizinprodukt kippte . Für einen wirksamen
Jugendschutz wird es nötig sein, die Hürden für Jugend-
liche so hoch wie möglich, für E-Zigaretten konsumie-
rende Erwachsene dagegen so niedrig wie möglich zu
machen . Das ist ein bekanntes Spannungsfeld, auf dem
wir uns im Ausschuss immer wieder bewegen, welches
wir aber in anderen Segmenten, unter anderem im Film-
segment, erfolgreich gelöst haben . Auch wenn E-Zigaret-
ten für bereits suchterkrankte Raucherinnen und Raucher
ein Ausstiegsmodell sein können, besteht die Gefahr,
dass sich dieses Ausstiegsmodell bei naturgemäß nicht
zigarettenaffinen  Jugendlichen  in  ein  Einstiegsmodell 
zum dauerhaften Tabak- oder E-Zigaretten-Konsum ent-
wickeln kann . Dies gilt es mit aller Kraft zu verhindern .
Auch dafür brauchen wir diese Jugendschutznovelle .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bereits heute hat jede fünfte minderjährige Person in
der Altersgruppe der Zwölf- bis Siebzehnjährigen schon
einmal eine elektronische Shisha probiert . Jeder Sieb-
te in dieser Altersgruppe hat Erfahrung mit einer elek-
tronischen Zigarette . 534 000 Kinder und Jugendliche
haben bereits eine elektronische Shisha oder Zigarette
konsumiert, aber bislang noch nie eine Tabakzigarette
geraucht . Um diesen 534 000 Kindern und Jugendlichen
nicht den Weg in die Sucht zu ebnen, muss das Verbot für
unter 18-Jährige schnell und umfassend erfolgen, so wie
wir es im Gesetzentwurf planen .

Es geht mir dabei nicht darum, die Lebensqualität der
Bürgerinnen und Bürger zu beschränken . Ich möchte im
Rahmen des uns zur Beratung vorliegenden Gesetzent-
wurfs erreichen, dass Heranwachsende vollumfänglich
vor den erwähnten lebensgefährlichen Stoffen geschützt
werden . Erwachsene Bürgerinnen und Bürger dürfen –
darauf wurde hier bereits mehrfach hingewiesen – ihre
eigene Entscheidung treffen, wie sie mit E-Zigaretten

und E-Shishas und den damit verbundenen Risiken um-
gehen . Für unter 18-Jährige aber gilt dieser Grundsatz
nicht . Deshalb verbieten wir mit diesem Gesetz die Ab-
gabe von E-Zigaretten und E-Shishas an diese Gruppe
und schließen damit die durch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts entstandene Rechtslücke .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum Ende meiner Rede – das ist vielleicht ein schö-
nes Zeichen der Einmütigkeit in diesem Haus bei diesem
Thema – möchte ich den gleichen Hinweis geben wie
der Kollege Müller . Ich möchte die Gelegenheit nutzen,
aufgrund der nicht immer belastbaren Daten für eine un-
abhängige Forschung auf diesem Gebiet zu werben . Dies
bringt sowohl den Raucherinnen und Rauchern als auch
den Nichtraucherinnen und Nichtrauchern Erkenntnisse,
die für einen unbelasteten Gebrauch elektronischer Shi-
shas und Zigaretten notwendig sind . Außerdem möchte
ich an die Raucherinnen und Raucher von E-Zigaretten
und E-Shishas appellieren, das Rauchen elektronischer
Güter in Nichtraucherzonen so lange zu unterlassen, bis
abschließend geklärt ist, welche Giftstoffe durch das Pas-
sivrauchen von E-Zigaretten und E-Shishas aufgenom-
men werden können .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410000

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Dr . Harald Terpe das Wort .


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814410100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die zur Beratung anstehende
gesetzliche Regelung soll dem Ziel dienen, Kinder und
Jugendliche vor den Folgen des Rauchens bzw . – so wird
es häufig auch genannt – des Dampfens von Flüssigkeiten 
mithilfe einer E-Zigarette oder einer E-Shisha zu schüt-
zen . Die gesetzliche Regelung wird daher naheliegend
im Jugendschutzgesetz – ähnlich wie die Regelung zum
Tabakrauchen – vorgenommen . Die so gewählte inhaltli-
che Nähe zum Tabak ist bezüglich der Suchtgefährdung
durch Nikotin sofort plausibel .

Anders verhält es sich mit den durchaus differenziert
zu betrachtenden Gesundheitsgefährdungen, die sich un-
abhängig von der Nikotinwirkung für das Tabakrauchen
auf der einen Seite und den Flüssigkeitsdampf von E-Zi-
garetten und E-Shishas auf der anderen Seite ergeben .
Die krebserregende und auch Herz-Kreislauf-schädigen-
de Wirkung des Tabakrauchens, die auch sehr häufig zum 
Tode führt, ist seit vielen Jahren und Jahrzehnten unstrit-
tig und über lange Zeit in der Forschung dokumentiert .
Eine gleiche Untersuchungsdichte und Folgenschwere
kann man für die Liquiddämpfe von E-Zigaretten und
E-Shishas naturgemäß noch nicht erwarten, weil das eine
noch sehr junge Entwicklung ist . Deswegen ist es sehr
richtig – das ist hier auch schon gefordert worden –, dass
wir mehr Forschung dazu brauchen und die Forschung

Markus Koob

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14167


(A) (C)



(B) (D)


weitergeführt werden muss, damit man sich langfristig
auf nachweisbare Daten stützen kann .

Zwei wesentliche Argumente sprechen meiner Mei-
nung nach dafür, trotzdem auch die Abgabe nikotinfreier
Liquids und deren Genuss mithilfe von E-Zigaretten und
E-Shishas im Rahmen des Jugendschutzes zu unterbin-
den .

Erstens . Die durch die Verdampfung von Liquid ent-
stehenden Inhalationsprodukte haben Schädigungspo-
tenzial für die Lunge bis hin zur Krebsinduktion . Auch
wenn das noch nicht so lange dokumentiert ist, haben wir
doch die Grundhaltung, dass man bereits vor dem Risiko
schützen muss . Das wird im Jugendschutzgesetz in ein-
drucksvoller Weise gemacht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens . Die Ähnlichkeit der E-Zigarette zur Tabak-
zigarette in der Gestalt und auch in der Inhalationshand-
lung birgt das Potenzial, ein Rauchverhalten zu verfesti-
gen, das später zum Tabakrauchen anstiften kann . Auch
da muss man sagen: Beugt dem Risiko vor!

Beiden genannten Risiken kann durch das Gesetz, das
im Entwurf vorliegt, vorgebeugt werden . Deshalb ist es
eigentlich ein Präventionsgesetz . Wir stimmen daher zu,
die Verankerung im Jugendschutzgesetz vorzunehmen,
fordern aber auch, wie schon gesagt: Forschung muss
forciert werden . Wichtig ist aber auch, dass wir die Infor-
mation und Aufklärung über E-Zigaretten-Rauchen und
E-Shisha-Rauchen verstärken . Wir sollten das möglichst
darauf ausweiten, dass man auf Werbung für diese Pro-
dukte verzichtet .

Ich wünsche Ihnen von meiner Seite ein schönes Wo-
chenende . Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410200

Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Dr . Silke

Launert das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Silke Launert (CSU):
Rede ID: ID1814410300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele sehen
aus wie Buntstifte; sie schmecken nach Kaugummi, nach
Schokolade, Melone oder Brombeere . Es gibt sie schon
ab 8 Euro zu kaufen und wahrscheinlich auch am nächs-
ten Kiosk, und online gibt es sie auch . Sie sind auffallend
beliebt auf dem Schulhof, wo sie gerade zum neuen Li-
festyle-Produkt avancieren . Dort heben sie so manchen
in den Status der Coolness, und manchem Sechstklässler
ist das sein Taschengeld wert .

Wenn Sie jetzt an Süßkram denken, wie Gummibär-
chen, Lakritzschnecken oder Ähnliches, dann liegen Sie
schon fast richtig, jedenfalls aus rechtlicher Sicht; denn
einen Unterschied gibt es da im Moment noch nicht . Die

Rede ist jedoch nicht von Süßigkeiten, sondern von elek-
tronischen Zigaretten und von E-Shishas, von jenen Ge-
rätschaften, die herkömmliche Tabakwaren simulieren,
es aber nicht sind . Jedenfalls werden sie bislang nicht als
solche behandelt und unterliegen deshalb auch keinerlei
vergleichbaren Beschränkungen, nicht einmal für Kinder
und Jugendliche . Sie werden derzeit ohne Einschränkun-
gen an Kinder verkauft, und das, obwohl beim Konsum
dieser vermeintlichen Glimmstängel Gesundheitsgefah-
ren bestehen .

Mit dem Gesetz, das uns hier im Entwurf vorliegt,
räumen wir mit diesem Missstand auf und stellen sicher,
dass zum Schutz von Kindern und Jugendlichen die Ab-
gabe- und Konsumverbote von Tabakwaren auf E-Zi-
garetten und E-Shishas ausgedehnt werden . Außerdem
stellen wir sicher, dass Tabakwaren, E-Zigaretten und
E-Shishas auch über den Versandhandel nur an Erwach-
sene abgegeben werden dürfen . Schließlich dehnen wir
das im Jugendarbeitsschutzgesetz verankerte Verbot der
Abgabe von Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas
aus .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Doch nun von vorn . Warum ist es höchste Zeit zu
handeln? Worum handelt es sich bei E-Zigaretten und
E-Shishas eigentlich? Die Technik dieser beiden Geräte
ist weitgehend identisch; es gibt nur kleine Unterschie-
de . Beide, E-Zigarette und E-Shisha, bestehen aus einem
Mundstück, einer Kartusche mit Flüssigkeit, einem Ver-
dampfer sowie einer Batterie . Bei der Verwendung ver-
dampft die Flüssigkeit, die auch Liquid genannt wird,
und der dabei entstehende Nebel wird vom Verwender
inhaliert . Was da mit jedem Atemzug inhaliert wird,
ist ein Gemisch aus verschiedenen Chemikalien . Der
Grundstoff ist in aller Regel Propylenglykol – das wurde
schon angesprochen –, dem die fantasievollsten Aroma-
stoffe  und  häufig  auch Nikotin  zugesetzt werden. Dies 
wird über die Atemwege in die Lunge aufgenommen .

Den meisten von Ihnen werden diese Chemikalien –
ich gebe zu, auch mir – unbekannt sein . Ich möchte Ihnen
daher kurz darstellen, womit wir es hier zu tun haben .
Propylenglykol, der erwähnte Grundstoff, sorgt für den
Nebel . Er wird daher beispielsweise auch auf Theater-
bühnen  verwendet  oder  in Diskos. Außerdem findet  er 
industrielle Verwendung, zum Beispiel im Frostschutz
und in Enteisungsmitteln für Autos, Flugzeuge und
Boote . Das Deutsche Krebsforschungszentrum in der
Helmholtz-Gemeinschaft gibt als Kurzzeitfolgen an:
Atemwegsreizungen, Husten, eine Beeinträchtigung der
Lungenfunktion, Augenreizungen, Schwindel, Müdig-
keit und Schlaflosigkeit. Bei manchen Aromastoffen, die 
beigemischt werden, beispielsweise Menthol oder Vanil-
lin, handelt es sich um Kontaktallergene . Daher ist nicht
auszuschließen, dass diese Stoffe Allergien auslösen .

Darüber hinaus hat das Bundesinstitut für Risikobe-
wertung festgestellt, dass durch die aromatisierten Li-
quids Stammzellen geschädigt werden können, die bei
Wachstum und Entwicklung sowie bei Regenerierung
des geschädigten Lungengewebes nach Infektionskrank-
heiten oder Entzündungen eine wichtige Rolle spielen .
In einzelnen Liquids wurden geringe Mengen sogenann-

Dr. Harald Terpe

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514168


(A) (C)



(B) (D)


ter Nitrosamine nachgewiesen . Im Nebel verschiedener
E-Zigaretten wurde zum Beispiel auch Formaldehyd
festgestellt . Alle diese Substanzen – man kann es ge-
nauer nachlesen – können Krebs erzeugen . Außerdem
enthält der Nebel von E-Zigaretten und E-Shishas feine
und ultrafeine Partikel; das wurde schon angesprochen .
Diese können die Wachstumsphase beeinträchtigen, und
bei Kindern auch die Lungenentwicklung . Ich glaube, für
die Darstellung der Wirkungen des Nikotins brauche ich
meine Energien nicht mehr zu verschwenden; sie dürften
hinlänglich bekannt sein .

Kurzum: Bei den E-Shishas und den E-Zigaretten,
egal ob mit oder ohne Nikotin – es gibt beides –, haben
wir es nicht mit harmlosen Produkten zu tun . Doch nicht
nur das . Es wurde schon angesprochen, dass sich Kin-
der davon besonders angezogen fühlen – von den bunten
Farben, von den leckeren Aromen von Früchten, vom
Geschmack von Süßigkeiten und Getränken . Das kann
eben auch dazu führen, dass man sich langsam an das
Rauchen gewöhnt . Wie ebenfalls schon angesprochen,
führt das bei jungen Menschen, anders als bei Erwachse-
nen, eher zu einem Einstieg ins Rauchen .

Bereits jeder dritte Jugendliche hat eine E-Shisha, eine
E-Zigarette oder eine Tabakzigarette verwendet . Wenn
wir nichts dagegen unternehmen, dann schauen wir zu,
wie Jugendliche, vor allem Kinder, Gesundheitsgefahren
ausgesetzt werden . Es liegt uns am Herzen, Kinder und
Jugendliche zu schützen . Ihr Schutz ist eine der wich-
tigsten Aufgaben des Familienausschusses . Hier gehen
Jugendschutz und gesundheitlicher Verbraucherschutz
Hand in Hand . Umso wichtiger ist es, dass wir diese Auf-
gabe jetzt konsequent angehen und keine Hintertüren of-
fenlassen – für die Gesundheit unserer Kinder .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410400

Der Kollege Stefan Schwartze hat für die SPD-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1814410500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundes-

jugendministerin Schwesig! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn bei der
letzten Reform des Jugendschutzes die E-Verdampfer
verbreitet gewesen wären, dann würden wir heute gar
nicht mehr darüber diskutieren, weil der Jugendschutz in
diesem Bereich längst greifen würde . Es geht nicht um
ein generelles Verbot der E-Verdampfer, sondern um den
Schutz von Kindern und Jugendlichen . Ich danke Mi-
nisterin Schwesig für den Gesetzentwurf und damit für
die schnelle Antwort auf die Ergebnisse der Studien der
deutschen Krebsforschung .

In der öffentlichen Diskussion über die sogenannten
E-Verdampfer gibt es viele unterschiedliche Ansichten
und Meinungen . Interessenvertreter und Bürger melden

sich zu Wort . Sie berichten oft über ihre subjektiven
Erfahrungen . In der öffentlichen Diskussion über die
sogenannten E-Verdampfer werden Ergebnisse wissen-
schaftlicher Studien oft auch mit der eigenen persönli-
chen Ansicht vermischt . Dies führt an vielen Stellen zu
Unklarheiten .

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren
des Konsums der E-Zigaretten und E-Shishas schaffen
wir gesetzlich Klarheit . Wir schaffen Klarheit darüber,
dass Dampfen nicht das gesündere Rauchen ist; denn wir
können auf Basis fachlicher Expertise feststellen: E-Ziga-
retten und E-Shishas sind gesundheitsgefährdend . Beim
Dampfen der Inhalationsprodukte entstehen chemische
Verbindungen, die durchaus krebsauslösend sind . Die
Zusammensetzung der Schadstoffe ist der aus herkömm-
lichen Zigaretten ganz ähnlich . Darüber hinaus enthalten
die Dämpfe feine und ultrafeine Partikel, die die Lunge
chronisch schädigen können . Wir schaffen Klarheit darü-
ber, dass bezüglich der Gesundheitsgefährdung auf Basis
dieser Erkenntnisse kein Unterschied zwischen nikotin-
haltigen und nikotinfreien Liquids zu machen ist .

Aufgrund  dieser  Fakten  ist  es  unsere  Verpflichtung 
als Jugendpolitiker, zu handeln und gesetzgeberisch
tätig zu werden . Mit der neuen Regelung schaffen wir
Bewusstsein dafür, dass der Konsum von E-Zigaretten
und E-Shishas gesundheitsgefährdend ist . Der Gesetz-
entwurf sieht daher für diese Produkte ein Abgabever-
bot an Kinder und Jugendliche vor . Wir wollen darüber
hinaus verhindern, dass eine neue Kultur des Rauchens
unter Kindern und Jugendlichen entsteht . Kinder und
Jugendliche, die elektronische Zigaretten konsumieren,
gefährden nicht nur die eigene Gesundheit, indem sie
die Entwicklungsphasen ihrer Lunge stark beeinträch-
tigen, sondern gewöhnen sich auch an das Rauchritual .
Sie werden verleitet, Rauchen bzw . Dampfen als etwas
Normales, Alltägliches und nur mäßig Gesundheitsge-
fährdendes zu akzeptieren . Wir dürfen die bisherigen Er-
folge, die wir in der Tabakprävention erzielt haben, nicht
aufs Spiel setzen . Für Kinder und Jugendliche darf der
Konsum elektronischer Zigaretten nicht etwas Normales
und Alltägliches sein,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


und es darf schon gar nicht der Eindruck entstehen, er
wäre nur mäßig gesundheitsgefährdend .

Das Gesetz, das im Entwurf vorliegt, aktualisiert aus
gegebenem Anlass auf vernünftige Art und Weise un-
ser Jugendschutzgesetz . Wir als Gesetzgeber reagieren
angemessen im Sinne des Schutzes unserer Kinder und
Jugendlichen . Ich freue mich auf die Anhörung und die
weiteren Beratungen im Ausschuss .

Vielen Dank und ein schönes Wochenende .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410600

Ich schließe die Aussprache und bedanke mich aus-

drücklich bei allen Rednerinnen und Rednern, dass sie
die offenbar vorhandene breite Übereinstimmung auch
so zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich an die

Dr. Silke Launert

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14169


(A) (C)



(B) (D)


Redezeitbegrenzung gehalten haben bzw . an der einen
oder anderen Stelle darauf verzichtet haben, schon vor-
getragene Argumente nur zur Ausschöpfung der Redezeit
noch einmal vorzutragen .

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/6858 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des 2 . Untersuchungsausschusses der
18 . Wahlperiode gemäß Artikel 44 des Grundge-
setzes

Drucksache 18/6700

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich warte noch, bis die notwendigen Umgruppierun-
gen vollzogen sind . – Ich eröffne die Aussprache . Das
Wort hat die Kollegin Dr . Eva Högl für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1814410700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Jetzt liegt er also vor, der Bericht des
2 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode . Auf
knapp 1 000 Seiten steht, was wir in 45 Sitzungen durch
Vernehmung von 57 Zeuginnen und Zeugen und durch
Auswertung von über 600 Aktenbänden untersucht und
aufgeklärt haben . – Ein bisschen Statistik zu Beginn der
Debatte gehört immer dazu .

Der Untersuchungsauftrag des Ausschusses bezog
sich im Wesentlichen auf drei Fragestellungen: Erstens .
Wurde die Operation „Selm“, also die Bearbeitung von
aus Kanada übermittelten Listen deutscher Kunden ei-
nes Vertreibers von kinderpornografischem Material, im 
Bundeskriminalamt ordnungsgemäß und in angemesse-
ner Zeit bearbeitet? – Die zweite Frage war – eine sehr
wichtige Frage –: Wurden Informationen über den Fall
des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy, der sich
ebenfalls auf der Kundenliste befand, weitergegeben, in-
nerhalb oder auch außerhalb der Strafverfolgungsbehör-
den? Kurz gesagt: Wurde Sebastian Edathy gewarnt und,
wenn ja, von wem? – Drittens hatten wir uns mit dem
Fall eines ehemaligen BKA-Beamten zu beschäftigen,
der ebenfalls bei dieser kanadischen Firma Material be-
stellt hatte . Da stellte sich die Frage, ob das im BKA und
vom dienstaufsichtführenden Bundesinnenministerium
ordnungsgemäß bearbeitet wurde .

Ich darf sagen: Wir sind diesen Fragen gründlich
nachgegangen und beantworten sie in unserem Bericht
ausführlich . Ich füge aber hinzu: Wir konnten nicht alle
Fragen abschließend und ausreichend beantworten, und
das ist natürlich etwas, was uns alle nicht zufriedenstellt .

Zunächst einmal zur Operation „Selm“ . Da haben wir
die Bearbeitung nachvollzogen . Wir haben viele Zeugin-
nen und Zeugen der zuständigen Fachabteilung gehört,
darunter mehrere, die bereits im Innenausschuss berich-
tet hatten . Ich darf noch erwähnen, dass das Bundeskri-
minalamt uns wirklich tatkräftig unterstützt hat bei der
Zusammenstellung der Unterlagen und auch durch die
Aussagen der Zeuginnen und Zeugen . Wir können fest-
stellen – das sage ich hier voller Überzeugung –, dass das
Bundeskriminalamt die Operation „Selm“ hervorragend
bearbeitet hat und an keiner Stelle Anlass ist, dem Bun-
deskriminalamt irgendeinen Vorwurf zu machen . Es ist
sehr wichtig, das hier noch einmal zu betonen .

Wir haben uns auch mit der Frage befasst: Wieso dau-
erte die Bearbeitung der Operation „Selm“ eigentlich so
lange? Sie dauerte lange . Sie begann im November 2011
und endete erst während der Laufzeit des Untersuchungs-
ausschusses, Ende 2014 . Ich möchte auch das hier sagen:
Bei genauem Hinschauen war es überhaupt nicht verwun-
derlich, dass es so lange gedauert hat . Wir haben uns das
sehr genau angeguckt . Es war ein sehr großes Verfahren,
ein sogenanntes Masseverfahren, mit über 800 verdäch-
tigen deutschen Kunden und umfassendem Beweismate-
rial . Es war wirklich eine sehr mühsame Arbeit; denn es
ging um ungefähr 500 Stunden Filmmaterial und rund
70 000 Bilder. Die  einzelnen Kunden mussten  identifi-
ziert werden . Schwere Fälle, in denen eine klare Strafbar-
keit bestand und vielleicht sogar ein akuter Missbrauch
von Kindern und Jugendlichen drohte, wurden – es war
sehr wichtig, dass das im Untersuchungsausschuss he-
rausgearbeitet wurde – prioritär behandelt .

Wir können also feststellen – ich sage es noch ein-
mal –: Im Bundeskriminalamt wurde professionell gear-
beitet, engagiert und zügig . Ich möchte an dieser Stelle
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskrimi-
nalamts ganz ausdrücklich und von Herzen danken für
diese schwere Arbeit, die sie machen, und für diese wich-
tige Aufgabe, die sie wahrnehmen .


(Beifall im ganzen Hause)


Wir stellen in unserem Bericht übereinstimmend fest,
dass die sorgfältige Bearbeitung durch das BKA auch
für die beiden Einzelfälle gilt, die wir uns genauer an-
geschaut haben, nämlich den Sachverhalt des früheren
Kollegen Sebastian Edathy und den Sachverhalt des
früheren BKA-Beamten . Insbesondere beim ehemaligen
BKA-Beamten haben wir uns auch den dienst- und dis-
ziplinarrechtlichen Umgang mit dem Sachverhalt ange-
schaut . Wir haben festgestellt, dass sich alles im Rahmen
des rechtlich Vorgesehenen und Zulässigen bewegte .
Außerdem konnten weder ein unangemessen milder Um-
gang mit  dem  Beamten  noch  unzulässige  Einflussnah-
men festgestellt werden . Vielmehr wurde der Sachverhalt
ordnungsgemäß bearbeitet .

Beim Sachverhalt Edathy haben wir festgestellt, dass
dieser Sachverhalt im Bundeskriminalamt ebenfalls pro-
fessionell bearbeitet und diskret behandelt wurde und die
Information – daran gab es viel Kritik – der Vorgesetzten
im Bundeskriminalamt und des Bundesinnenministeri-
ums keinen Anlass für Kritik bot . Damit ist die Kritik
unserer Meinung nach auch nicht gerechtfertigt .

Vizepräsidentin Petra Pau

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514170


(A) (C)



(B) (D)


Ich sagte es eben schon: Wir konnten leider nicht in
jedem Punkt unserem Auftrag gerecht werden und nicht
jede Frage beantworten . Deshalb hier noch einmal die
Feststellung: Wir sind uns, denke ich, alle darüber einig –
das haben wir auch zum Ausdruck gebracht –: Sebastian
Edathy wurde vor den Ermittlungen gewarnt, ja sogar
konkret vor der Durchsuchung . Wir haben nicht heraus-
arbeiten können, von wem Sebastian Edathy gewarnt
wurde . Wir hatten mehrere unterschiedliche Zeugen-
aussagen, auch unter Wahrheitspflicht, aber wir konnten 
nicht feststellen, wer es letztendlich war . Ein Untersu-
chungsausschuss stößt an seine Grenzen, wenn es wider-
sprüchliche Aussagen im Untersuchungsausschuss gibt .

Eine Erkenntnis bleibt, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, und die ist mir sehr wichtig . Dieser Untersu-
chungsausschuss hat gezeigt, dass es dringend geboten
ist, sensible Sachverhalte im politischen Umfeld in den
Behörden wirklich vertraulich zu behandeln – ich glaube,
wir können alle unterschreiben, dass das eine wichtige
Erkenntnis ist –, damit Personen nicht zu Unrecht ver-
dächtigt werden . Auch das ist eine Gefahr . Nur so können
die Strafverfolgungsbehörden ihre Arbeit ordnungsge-
mäß erledigen . Vertraulichkeit ist also wichtig .

Ich möchte als Vorsitzende des Untersuchungsaus-
schusses, deren Aufgabe mit dieser Rede endet, allen
Kolleginnen und Kollegen recht herzlich danken für die
konstruktive und sachliche Zusammenarbeit, die wir an
unserem Untersuchungsauftrag orientiert haben und die
wir in angemessen konzentrierter Stimmung, aber natür-
lich nicht immer ohne Meinungsunterschiede gestaltet
haben .

Ich danke aber auch allen, die uns hierbei unterstützt
haben . Dies war insbesondere das Ausschusssekretariat,
das – sie winken dort oben – auf der Besuchertribüne
sitzt . Herzlichen Dank für die tolle Unterstützung! Ich
danke bei dieser Gelegenheit auch allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in den Büros und in den Fraktionen so-
wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteilig-
ten Landes- und Bundesbehörden .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Friede, Freude, Eierkuchen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410800

Das Wort hat der Kollege Frank Tempel für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814410900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Ich bitte um etwas Aufmerksamkeit . Der
Fall Edathy war nun einmal in aller Munde . Es wurden
sehr viele berechtigte Fragen gestellt . Die Öffentlichkeit
hat ein Interesse daran, zu erfahren, was im Hohen Hau-
se gespielt wird . Außerdem liegen uns Ergebnisse vor .
Unsere Sicht der Dinge möchte ich folgendermaßen dar-
legen:

Es gibt keine Hinweise, dass im Bundeskriminalamt
Ermittlungen gegen Sebastian Edathy vorsätzlich ver-
schleppt wurden . Es wurde aber deutlich, dass es erheb-
liche Mängel beim Datenschutz und bei der Verteilung
personeller Ressourcen gab . Die Linke erwartet, dass im
Bundeskriminalamt deutlich an diesen Schwachstellen
gearbeitet wird und zeitnah Verbesserungen erfolgen .


(Beifall bei der LINKEN)


Nächster Punkt . In Niedersachsen wurden nachweis-
lich zahlreiche Personen in Justiz und Polizei dienstlich
über den Fall Edathy informiert . Die Spekulation, ob an
dieser Stelle Informationen an Sebastian Edathy abge-
flossen sind, blieb Spekulation.

Bereits vor dem Untersuchungsausschuss war bekannt,
dass das Bundeskriminalamt das Innenministerium sehr
frühzeitig über die Ermittlungen gegen Sebastian Edathy
informiert hat . Es war auch bekannt, dass der ehemali-
ge Innenminister Friedrich diese Information trotz Ver-
pflichtung zur Geheimhaltung an Sigmar Gabriel weiter-
gab . Die Frage für uns war: Welche Konsequenz hatte
dieser Geheimnisverrat?

Fakt ist: Sebastian Edathy wurde ganz eindeutig vor
laufenden Ermittlungen gewarnt; da sind wir uns alle ei-
nig . Daran ließ auch die Situation am Durchsuchungsort
keinerlei Zweifel zu . Fakt ist auch: Die zeitlichen Ab-
läufe der Handlungen von Sebastian Edathy und seinem
Anwalt sind nur mit fortlaufenden Informationen logisch
erklärbar . Sebastian Edathy hat in seiner Aussage den
Abgeordneten Michael Hartmann als seine Informati-
onsquelle  identifiziert.  Dieser  wiederum  soll  seine  In-
formationen über den Ermittlungsstand direkt von der
BKA-Spitze erhalten haben . An dieser Aussage kom-
men wir nicht vorbei . Im Ergebnis sieht die Linke diese
Aussage von Sebastian Edathy bestätigt . Es gibt keinen
anderen Rückschluss, als dass Michael Hartmann die In-
formationsquelle für Sebastian Edathy war .

Nicht abschließend beantworten konnte der Untersu-
chungsausschuss die Frage, von wem Michael Hartmann
die Informationen hatte und welche Motivation ihn zu
seinem Handeln trieb . Dazu wäre eine ehrliche, von
Aufklärungswillen geprägte Aussage des Abgeordneten
Michael Hartmann erforderlich . Er wollte es nicht . Er
nahm dafür Ermittlungen wegen Falschaussage in Kauf,
und auch hier fragen wir nach dem Motiv . Also: Wen
deckt Michael Hartmann?

Doch zunächst zu den Informationen . Die Linke stellt
fest, dass es eine bemerkenswerte, fast lückenlose De-
ckungsgleichheit des Informationsstandes im Bundeskri-
minalamt mit den Informationen von Sebastian Edathy
gab, die dessen Handlungen in diesem Zeitraum sehr we-
sentlich geprägt haben . Erst als es im BKA eine Führungs-
information gab, dass es wahrscheinlich zu Maßnahmen
gegen Sebastian Edathy kommt, gab dieser zum Beispiel
sein Mandat ab . Ob, wie von Edathy behauptet wird, der
BKA-Chef Ziercke die Quelle von Michael Hartmann
war, das wiederum könnte nur Michael Hartmann selber
aussagen .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er denn heute?)


Dr. Eva Högl

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14171


(A) (C)



(B) (D)


Aber, wie gesagt, der verweigert die Zusammenarbeit .
Die Linke konnte im Verlauf des Untersuchungsaus-
schusses allerdings kein Eigenmotiv des Abgeordneten
Michael Hartmann feststellen . Eher Konkurrenz statt
Freundschaft verband ihn mit Sebastian Edathy .

Für die SPD-Fraktion stand jedoch das Motiv der
Schadensminimierung bei einem befürchteten Skandal
im Vordergrund . Wie stark dieses Bedürfnis der Scha-
densminimierung ist, bewies die SPD-Fraktion leider
während des gesamten Untersuchungsausschusses; das
muss man einmal so feststellen . Gedächtnislücken bei
den Zeugen aus der SPD-Fraktion und eine sehr einsei-
tige Befragung, zum Beispiel der Zeugen Hartmann und
Edathy, waren ein klares Mauern und hatten aber auch
gar nichts mit Aufklärungswillen zu tun . Die Linke sieht
es nach Abschluss der Untersuchungen als erwiesen an,
dass es eine Kommunikation zum Fall Edathy von der
SPD-Fraktionsspitze über Michael Hartmann bis hin
zu Sebastian Edathy gegeben haben muss . Schon allein
der Umstand, dass Sebastian Edathy ganz offensichtlich
wusste, dass die SPD-Fraktionsspitze informiert war, be-
legt diesen Fakt – eindeutig sogar .

Meine Damen und Herren, wir müssen abschließend
feststellen, dass der Geheimnisverrat des Innenminis-
ters Friedrich doch sehr ernsthafte Konsequenzen hatte .
In letzter Konsequenz wurde Sebastian Edathy vor den
Ermittlungen auf diesem Weg gewarnt, und wir werden
nie feststellen können, ob und wie viele Beweise dadurch
vernichtet werden konnten . Die Linke wird deswegen
Vorschläge unterbreiten, wie neu geregelt werden soll,
ob, wann und in welchem Umfang die Politik über Er-
mittlungen gegen einen Politiker informiert werden darf .

Wir haben viel, aber auch nicht alles herausgefunden .
Trotz aller Unterschiede, was die eigene Rolle angeht,
was wir übrigens – an die Kollegen der SPD-Fraktion –
wussten und auch versucht haben zu respektieren, hat der
Untersuchungsausschuss sehr gut zusammengearbeitet .
Auch wir möchten uns für die Zusammenarbeit bedan-
ken . Wir hoffen, dass der Bundestag einen solchen Un-
tersuchungsausschuss nie wieder einberufen wird . Ganz
besonders der SPD-Fraktion wünsche ich, dass es einen
solchen Untersuchungsausschuss nie wieder geben muss .


(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814411000

Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1814411100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich knüpfe nahtlos an, wie Frank Tempel auf-
gehört hat: Dieser Untersuchungsausschuss wird nicht
in die Geschichte eingehen als einer, der nur sehr viele
Gesetzesänderungen nach sich zieht, der in irgendeiner
Form parlamentarisch produktiv war . Die Auftritte eini-
ger, vor allen Dingen parlamentarisch erfahrener Zeugen
waren wahrlich keine Sternstunden des Parlamentaris-

mus . Der Ausschuss hat wohl wie kein zweiter Einblicke
in die Seelen und auch menschlichen Schwächen von
zahlreichen Beteiligten gewährt . Ich ganz persönlich hät-
te das nicht gebraucht . Deswegen bin ich dankbar, dass
wir diesen Ausschuss einmal nicht bis zum Ende der Le-
gislaturperiode führen, ich glaube, das Untersuchungs-
ausschusssekretariat auch . Trotzdem herzlichen Dank für
die starke Leistung! Ich finde es ein tolles Zeichen, dass 
ihr da oben sitzt .


(Beifall im ganzen Hause)


Aber, meine Damen und Herren, wir haben den Aus-
schuss nicht auf die leichte Schulter genommen . Wir
haben gewissenhaft gearbeitet . Die Union hat alles da-
rangesetzt, die Fragenkomplexe, die im Untersuchungs-
auftrag vorgesehen waren, aufzuklären . Das kann ich in
vier zentrale Erkenntnisse zusammenfassen .

Erstens . Wir haben mit diesem Untersuchungsauftrag
einen wertvollen Beitrag geleistet, dass etwa zur glei-
chen Zeit, Anfang 2015, das Sexualstrafrecht verschärft
wurde . Um es kurz zu sagen: Der Fall Edathy und viele
andere gleichgelagerte Fälle würden heute nicht mehr so
glimpflich  ausgehen,  nachdem  wir  den  Gesetzentwurf 
von Herrn Maas hier so angenommen haben . Dieses Ver-
halten wäre heute eindeutig strafbar, und das ist auch gut
so .

Zweitens . Die erschütternden Fallschilderungen vieler
Experten – ich lasse die Beispiele jetzt lieber weg – ha-
ben wertvolle Erkenntnisse geliefert, warum die Vorrats-
datenspeicherung zur Bekämpfung der Kinderpornogra-
fie unerlässlich ist. 


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte Herr Frieser doch sagen!)


Die eindeutigen Voten aller Experten konnte man nicht
überhören, und wir haben sie nicht überhört . Wir haben
den Einstieg in die Mindestspeicherfristen gemacht . Da-
für war dieser Ausschuss unglaublich wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die mediale
Aufmerksamkeit ganz anderen Themen gewidmet ist . Ich
komme zu dem zentralen Punkt dieses Ausschusses, den
wir nicht unterschätzen dürfen . Wir haben ganz sicher
dazu beigetragen, dass es für die Täter in diesem Land
wieder schwerer geworden ist, mit dem Leid von Kin-
dern Geschäfte zu machen . Das ist für mich das Ergebnis,
das diesen Ausschuss auf Dauer überstrahlen wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Uli Grötsch [SPD])


Drittens . Zur Untersuchungsausschussfrage, ob das
BKA den Fall einwandfrei behandelt hat, können wir
zweifelsfrei feststellen: Die Ermittlungen während des
gesamten Verfahrens waren professionell, engagiert,
strukturiert und wurden so schnell wie möglich und ohne
Ansehen der Person abgearbeitet . Ich glaube, Sie stim-
men mir zu, dieses Deliktsfeld ist eines der schwersten,
in die man als Ermittler geschickt werden kann . Deshalb
verdienen die BKA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter
ganz besonders unsere persönliche Hochachtung, aber
nicht, liebe Kollegen von den Linken und den Grünen,

Frank Tempel

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514172


(A) (C)



(B) (D)


dieses oberlehrerhafte Verhalten, wie das in den Innen-
ausschusssitzungen der Fall war .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kennen wir von Ihnen so gar nicht!)


Ich spreche das deshalb an, weil Sie es nicht lassen konn-
ten, bei Ihrer Kleinen Anfrage wieder auf den Punkt ein-
zugehen, ob sie auch Zeitung lesen, damit sie ja Edathy
erkennen . Ich glaube, Sie haben jetzt auch im Untersu-
chungsausschuss gemerkt, wie viele Menschen Edathy
nicht kannten .


(Michael Frieser [CDU/CSU]: Jetzt kennen sie ihn!)


Wir von der Union nehmen uns nicht so wichtig . Wir
haben es nicht seltsam gefunden, dass eine Oberkommis-
sarin des BKA Herrn Edathy nicht kannte . Akzeptieren
Sie es, und seien Sie nicht so kleinkrämerisch . Vielleicht
nehmen Sie sich auch zu wichtig .

Der Sinn einer Kleinen Anfrage, Frau Mihalic, er-
schließt sich mir sowieso nicht . Sie hätten all diese Fra-
gen im Ausschuss stellen können . Ich weiß nicht, warum
Sie da jetzt nachkarten . Das ist seltsam .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben wir im Ausschuss gestellt! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um die Antworten und nicht um die Fragen!)


Viertens . Zentrales Ziel des Untersuchungsausschus-
ses war es, die Frage zu klären: War Edathy gewarnt?
Diesen Auftrag sehen wir als erfüllt an . Für uns steht fest,
dass er gewarnt war . Es spricht vieles dafür, unter ande-
rem die Auffindesituation seiner Wohnung. Von wem er 
diese Information bekam, konnten wir nicht aufklären .
Dafür gibt es vier zentrale Gründe .

Erstens . Es mangelte sehr am Erinnerungsvermögen
einiger Zeugen . Die Widersprüchlichkeit mancher Aus-
sagen und die eingeschränkte bis offenkundige Verwei-
gerungshaltung einiger Zeugen vor dem Ausschuss wa-
ren manchmal schon unerträglich .

Zweitens . Ob Niedersachsen eine entscheidende Rolle
im Fall Edathy spielt, bleibt offen . Widerspenstig hat man
uns 138 Namen geliefert, die in Niedersachsen Kenntnis
von dem Fall hatten, bevor er öffentlich wurde . 138 Per-
sonen konnten wir nicht vorladen . Das hätte den Rahmen
des Untersuchungsausschusses gesprengt . Da stellt sich
die Frage: Braucht Niedersachsen einen solchen Aus-
schuss, wo ein Innenminister und ein Polizeipräsident
als Einzige von 138 sich nicht erinnern können, wann
sie über den Fall gesprochen haben wollen, und wo gro-
ße Teile der Polizei darüber gesprochen haben, aber die
Staatssekretäre, Abteilungsleiter Polizei im Innenminis-
terium nicht informiert waren? Das LKA kannte übrigens
den Namen Edathy auch nicht . Der LKA-Präsident war
Wochen später informiert . Das Justizministerium war ein
Stück Geschichte für sich in diesem Ausschuss .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann war doch alles nicht so rosig wie der Abschlussbericht!)


Vier Wochen hat es gedauert, bis der zuständige Staats-
anwalt überhaupt erst einmal zusätzliche Akten aus dem
BKA anfordert . Monate hat es gedauert, bis auf der Hand
liegende Vollstreckungsmaßnahmen endlich vollzogen
werden .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn entscheidende Informationen fehlen, ist das auch kein Wunder!)


Währenddessen war der Anwalt Edathys Dauergast die-
ser Staatsanwaltschaft .

Meine Damen und Herren, die niedersächsische Justiz
bis hin zur Ministerin hat im Ausschuss insgesamt einen
ziemlich bedenklichen Eindruck hinterlassen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt will ich mal was zu Herrn Fritsche und Herrn Friedrich wissen, zu deren Rechtsverständnis!)


Das Verhältnis zwischen Ministerium, Generalstaatsan-
waltschaft und Staatsanwaltschaft kann man eigentlich
nur als zerrüttet bezeichnen, so wie sie aufgetreten sind .
Wir wissen bis heute nicht, ob die Leitungsebene des Mi-
nisteriums früh oder spät informiert war, weil sich Ge-
neralstaatsanwalt und Ministerium komplett widerspre-
chen . Und so weiter und so fort .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Niedersachsen waren die Einzigen, die keine Kenntnisse hatten! Das ist ja ungeheuerlich!)


Die Akte Niedersachsen sollte man nicht schließen .

Die Schlüsselrolle, warum wir nicht aufklären konn-
ten, wer Edathy gewarnt hat, spielt wirklich der Bundes-
tagsabgeordnete Michael Hartmann . Ich wünschte, er
wäre der Empfehlung seines Parteichefs Sigmar Gabriel
gefolgt und hätte umfassend ausgesagt . Wir wären dann
nicht nur der Aufklärung ein großes Stück näher gekom-
men . Mir wäre dann auch der Satz erspart geblieben, den
ich jetzt sagen muss: dass er von einigen glaubhaft aufge-
tretenen Zeugen erheblich belastet wird, tatsächlich der
gut informierte Tippgeber für Edathy gewesen sein zu
können . Diese Aussage-gegen-Aussage-Situation kann
nur Michael Hartmann auflösen, tut er aber nicht.


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sechs zu eins ist nicht Aussage gegen Aussage!)


Dieses Verhalten ist zwar enttäuschend, aber juristisch
absolut einwandfrei; das muss man auch einmal sagen .
Er hat dieses Recht und darf es in Anspruch nehmen; aber
wir kommen deshalb an dieser Stelle auch nicht weiter .

Die fehlende Mitwirkung einiger Zeugen, das Halb-
dunkel in Niedersachsen, Widersprüchlichkeiten und
Aussageverweigerungen hinterlassen genügend Raum
für Spekulationen – der eigentliche Grund, warum Sie
beide, Linke und Grüne, ein abweichendes Votum abge-
ben –, die sich in erster Linie auf eine mögliche Beteili-
gung der SPD-Spitze im Fall Edathy beziehen,


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Oder der Niedersachsen!)


Armin Schuster (Weil am Rhein)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14173


(A) (C)



(B) (D)


also der Herren Gabriel, Steinmeier und Oppermann .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch keine Spekulationen, das sind Fakten! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Im Bereich Niedersachsen spekulieren Sie doch nur!)


Meine Damen und Herren, hier unterscheiden wir uns .
In Beweisaufnahmesitzungen darf man, muss man spe-
kulieren, um Hypothesen zu bilden .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss fragen, was die Wahrheit ist!)


In einer Abschlussdebatte und in einem Abschlussbericht
geht es nicht mehr um Spekulationen . Vielmehr müssen
wir zusammentragen, was wir an Tatsachen belegen kön-
nen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie in Ihrer Rede die letzten fünf Minuten zu Niedersachsen streichen!)


Genau das haben wir gemacht . Tatsache ist, dass Edathy
gewarnt war . Die Klarheit, durch wen, wurde durch
Schweigen und Erinnerungslücken vernebelt . Nebel ist
allerdings ein flüchtiger Zustand.

Deshalb schließe ich mit der ersten Strophe eines
evangelischen Kirchenliedes von Johann Sebastian Bach


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Endlich Substanz! Gott sei Dank! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– zuhören, Leute, jetzt könnt ihr etwas lernen! –:

Ach wie flüchtig, ach wie nichtig 
ist der Menschen Leben!


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Singen!)


Wie ein Nebel bald entstehet
und auch wieder bald vergehet,
so ist unser Leben, sehet!


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Amen!)


Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Schluss war gut!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814411200

Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814411300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Ja, der Fall Edathy hat gleich zu Beginn
dieser Wahlperiode für eine handfeste Koalitionskrise
gesorgt . Ein Minister musste zurücktreten . Wir haben im

Innenausschuss vier Sitzungen zu diesem Thema gehabt,
und wir hatten am Ende, nach vier Sitzungen, vier ver-
schiedene Versionen ein und derselben Geschichte, mehr
Fragen als Antworten . Deshalb war es gut, dass wir die-
sen Untersuchungsausschuss eingesetzt haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Denn heute wissen wir zum Beispiel über die Arbeitswei-
se des Bundeskriminalamts deutlich mehr .

Auch ich will an dieser Stelle sagen, dass gerade die
Mitarbeiter des Bundeskriminalamts hier wirklich insge-
samt eine sehr gute Arbeit geleistet haben . Das ist bei
der Masse der zu untersuchenden Datensätze wirklich
bemerkenswert . Es gab auch Mängel in der Struktur, bei
den Abläufen – auch das haben wir herausgearbeitet –,
aber sie wurden zum Teil schon beseitigt, auch als Kon-
sequenz aus diesem Untersuchungsausschuss .

Wir wissen außerdem deutlich mehr über den Geheim-
nisverrat des damaligen Innenministers Friedrich an die
SPD-Spitze, dass Sebastian Edathy auf der sogenannten
Kundenliste stand . Wir konnten zusätzlich herausarbei-
ten, dass der damalige Staatssekretär im Innenministeri-
um, Klaus-Dieter Fritsche, nicht nur vom Geheimnisver-
rat gewusst hat; er hat Friedrich sogar dazu geraten, den
SPD-Vorsitzenden zu informieren, und das, obwohl die-
ser noch nicht einmal Mitglied der Bundesregierung war .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)


Das ist nach meiner Auffassung schon ein sehr seltsames
Rechtsverständnis;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


denn nicht einmal die Bundeskanzlerin hat die Informa-
tionen bekommen, die Herrn Gabriel mal so eben anver-
traut wurden .

Unterm Strich: Der Bundesregierung hätte deutlich
mehr Verschwiegenheit an dieser Stelle sehr gut getan .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Im Gegensatz dazu hätte die BKA-Spitze an einem Punkt
etwas gesprächiger sein können und sogar müssen .

Jetzt komme ich auf Niedersachsen zu sprechen;
denn in dem Moment, als der BKA-Chef Jörg Ziercke
in diesem berühmt gewordenen Telefonat mit Herrn
Oppermann erfahren hat, dass bereits die gesamte
SPD-Spitze vom Verdacht gegen Edathy weiß, hätte er
sein nächstes Telefonat mit der niedersächsischen Staats-
anwaltschaft führen müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Denn die Staatsanwaltschaft hätte die Information,
dass der Fall Edathy in der SPD schon lange die Runde
macht, dringend gebraucht . Dann wären im Fall Edathy
sicherlich auch schneller Maßnahmen ergriffen worden .
Das Schweigen von Ziercke hat die Ermittlungen gegen

Armin Schuster (Weil am Rhein)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514174


(A) (C)



(B) (D)


Edathy ganz klar behindert . Das war ein klarer Rechts-
bruch, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Auch die Frage aller Fragen, ob und von wem Edathy
über mögliche Ermittlungen gegen ihn informiert wur-
de, konnten wir in der Ausschussarbeit klären . Deswe-
gen verstehe ich Ihre Reden an dieser Stelle nicht . Heute
wissen wir, dass Edathy spätestens auf dem SPD-Partei-
tag am 15 . November 2013 von Michael Hartmann von
den Ermittlungen erfahren hat – das haben uns insgesamt
sechs Zeugen bestätigt; hier steht also nicht Aussage ge-
gen Aussage –; nur einer bestreitet das, und zwar Michael
Hartmann selbst . Selbst Sie, Frau Högl, haben in einem
Interview im Deutschlandfunk Anfang des Jahres zuge-
standen, dass man nach den sechs Zeugenaussagen die
Aussage von Michael Hartmann neu bewerten muss .
Herr Schuster, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, bei
den Statements, insbesondere nach den Beweisaufnah-
mesitzungen, haben Sie damals völlig zu Recht festge-
stellt: Hartmann muss die Information an Edathy weiter-
gegeben haben . – Mir bleibt es ein Rätsel, warum Sie
diese simple Erkenntnis nicht in Ihren Abschlussbericht
hineinretten konnten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE] – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)


Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft . Vielleicht klärt
sich dabei auch noch, von wem Michael Hartmann sei-
ne Informationen hatte . Da sind wir als Untersuchungs-
ausschuss leider auf der Stelle getreten . Wir konnten es
nicht beweisen . Zwei Thesen stehen aber weiterhin im
Raum: Die Information an Hartmann kam entweder aus
der SPD-Spitze, oder sie kam direkt aus dem Bundeskri-
minalamt . Also Oppermann oder Ziercke, das war leider
nicht mehr aufzuklären .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beides schlimm genug!)


Wir kommen insgesamt zu einem sehr klaren Ergeb-
nis: Die Bundesregierung hat die SPD-Spitze illegal über
den Fall Edathy informiert . Die Information gelangte
an den Abgeordneten Michael Hartmann, der wiederum
Edathy informierte . Die BKA-Spitze hat der Staatsan-
waltschaft nichts von dieser Informationsweitergabe von
der Bundesregierung an die SPD erzählt . Dadurch wur-
den die Ermittlungen erheblich behindert . Das ist die Bi-
lanz . Die Untersuchungsarbeit ist damit abgeschlossen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Frank Tempel [DIE LINKE])


Jetzt müssen wir beraten, wie wir in Zukunft einen
solchen Umgang mit sensiblen Informationen verhindern
können . Frau Högl, Sie haben das Thema eben auch noch
einmal angesprochen . Es geht um den Umgang mit ver-
traulichen Informationen innerhalb der Politik, innerhalb
der Regierung . Die Bundesregierung hat dazu weder eine
gute Idee noch sieht sie irgendeinen Handlungsbedarf .
Das ist die traurige Antwort auf unsere Kleine Anfrage,
Herr Schuster, die wir Grüne dazu gestellt haben. Ich fin-

de das ziemlich bedenklich; denn alles, was wir in der
Politik machen, basiert auf dem Vertrauen der Bevölke-
rung . Deshalb sollten wir auch alles tun, um uns dieses
Vertrauen nachhaltig zu erarbeiten .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814411400

Der Kollege Uli Grötsch hat für die SPD-Fraktion das

Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1814411500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Ganz am Ende dieses Unter-
suchungsausschusses, gegen Ende dieser Debatte, darf
ich sagen: Es gehört zur Wahrheit des 2 . Untersuchungs-
ausschusses dazu, dass wir die zentrale Frage: „Wer hat
Sebastian Edathy vor den gegen ihn laufenden Ermittlun-
gen wegen des Besitzes von Kinderpornografie oder vor 
den daraus resultierenden Durchsuchungen gewarnt?“,
nicht klären konnten .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab doch sechs Zeugen!)


Vermutungen gab es viele, manche davon wurden gera-
dezu gebetsmühlenartig vorgetragen, bis sie für manche
Mitglieder des Ausschusses zu ihrer ganz persönlichen
Wahrheit wurden .

Am Anfang des Untersuchungsausschusses haben wir
die Ermittlungsmethoden des Bundeskriminalamtes un-
tersucht . Wir haben Zeugen aus der Abteilung SO 12 des
Bundeskriminalamtes erlebt, die in ihrer täglichen Arbeit
dem Grauen förmlich in die Augen sehen müssen . Ich
bin froh und dankbar, dass die Mitarbeiter der Abteilung
SO 12 im Bundeskriminalamt und die Staatsanwälte der
Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in
Gießen diese Arbeit für unsere Gesellschaft machen .

Ich glaube, dass wir uns in einer Sache einig sind: Die
Skandalisierung der Arbeitsweise des BKA durch Teile
der Opposition im Innenausschuss ist ins Leere gelaufen .
Bei SO 12 wird höchst professionell an einem abscheu-
lichen Thema gearbeitet, im Allgemeinen und im Spe-
ziellen bei der von uns beleuchteten OP „Selm“ . Hier,
wie auch an manchen anderen Stellen, hat der Ausschuss
festgestellt, dass eben doch alles mit rechten Dingen zu-
gegangen ist .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Werden Sie mal konkret, Herr Kollege!)


Es begann mit dem allgemeinen und schnell wider-
legten Vorwurf, der Fall Edathy sei im BKA vertuscht
und verschleppt worden, weil sein Name den zuständi-
gen Sachbearbeiterinnen nicht frühzeitig aufgefallen ist .
Jetzt fordert die Opposition in ihrem Minderheitenvo-

Irene Mihalic

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14175


(A) (C)



(B) (D)


tum eine verpflichtende tägliche Zeitungslektüre für alle 
BKA-Mitarbeiter .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann nie schaden! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, für Häme gibt es keinen Platz!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wirklich so
schlimm, wenn eine Polizistin den Namen eines Bundes-
tagsabgeordneten nicht kennt? Ich glaube, dass es uns
allen gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir uns selbst
nicht immer ganz so wichtig nehmen würden .


(Beifall bei der SPD – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es überhaupt nicht!)


Ebenso verpuffte der Versuch, den Umgang mit dem
BKA-Beamten, der in Kanada Bilder und Filme bestellt
hatte, zu skandalisieren . Auch hier ging wohl der Jagdei-
fer mit den Kollegen durch, als sie beispielsweise kriti-
sierten, dass das BKA nicht sofort das Büro seines Mitar-
beiters durchsucht hat, was ohne richterlichen Beschluss
im Übrigen rechtswidrig gewesen wäre .

Immer noch sieht sich die Opposition auf der Spur von
mehreren Informationsskandalen, wie sie das nennt . Ich
teile diese Ansicht nicht . Ich kann nichts Falsches daran
erkennen, dass das BKA das Bundesinnenministerium
als seine Fach- und Dienstaufsicht über den sensiblen
Fall eines des Erwerbs von Kinderpornografie verdächti-
gen Bundestagsabgeordneten unterrichtet hat .


(Beifall bei der SPD)


Ich halte es auch nicht für verwerflich, wenn der  infor-
mierte Minister anschließend Maßnahmen ergreift, um
zu verhindern, dass eben dieser Abgeordnete in der neu
zu bildenden Koalition eine besondere Funktion erhält .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Ergebnis kennen wir, Herr Grötsch!)


Auch das viel besungene kurze Telefonat zwischen
dem damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der
SPD-Bundestagsfraktion und dem BKA-Präsidenten ist
beiden letztendlich doch nicht vorzuwerfen .

Warum manche Abgeordnete hier auf Biegen und Bre-
chen einen Skandal, gar eine Verschwörung entdecken
wollten und versucht haben, weitere Kontakte und Pro-
bleme im zeitlichen Ablauf herbeizureden – ich weiß es
nicht .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Dass Sie von Anfang an kein Problem gesehen haben, war ja klar! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Rede ist ja ein Grund für einen weiteren Untersuchungsausschuss!)


Es war jedenfalls sinnlos . Letztendlich hat sich sogar er-
wiesen, dass die Erinnerungen der Zeugen Gabriel und
Oppermann richtiger waren als die durch die Zeitumstel-
lung auf die Winterzeit verfälschte Anrufprotokollierung
des Bundeskriminalamtes .

Ich halte also fest: Es ist faktisch nicht erwiesen, wer
Sebastian Edathy gewarnt hat . Wir konnten nicht einmal
feststellen, dass er besondere Kenntnisse über dieses Ver-
fahren besaß . Edathy kann daher ebenso gut von einem
der sehr vielen Kenntnisträger bei Polizei oder Justiz ge-
warnt worden oder sogar nur durch Medienberichte auf
die Ermittlungen aufmerksam geworden sein .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Na ja!)


Seine Behauptung, angeblich kontinuierlich, ja, sogar
wöchentlich über den Verfahrensgang unterrichtet wor-
den zu sein, konnten wir jedenfalls anhand der Akten als
unsinnig widerlegen .

Was ich am Ende nicht unerwähnt lassen möchte:
Als beschämend habe ich die Art und Weise empfunden,
wie manche Mitglieder der Opposition mit dem Zeugen
Hartmann in seiner nächtlichen Vernehmung im Aus-
schuss und in späteren Medienäußerungen umgingen .
Hier wurden haltlose und unsachliche Vorwürfe erhoben,
bei denen es nicht mehr um Aufklärung, sondern um die
Zerstörung einer Person ging .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbar! Reden Sie doch einmal mit Herrn Hartmann! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte bloß aussagen brauchen!)


Ich hoffe sehr, dass wir in künftigen Untersuchungsaus-
schüssen wieder zu einem menschlicheren Umgang mit-
einander zurückfinden.

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814411600

Der Kollege Michael Frieser hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1814411700

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! So mancher steht

enttäuscht und sieht betroffen den Vorhang zu und zu-
mindest noch einige Fragen offen . – Das kann man am
Ende eines solchen Untersuchungsausschusses schon so
sehen . Ich sage es gleich am Anfang: So wie es im Au-
genblick die Wortgewalt der Opposition erscheinen lässt,
so war die Stimmung im Ausschuss nicht . Sie war sehr
viel kontemplativer, sie war sehr viel kollegialer, sie war
an der Sache orientiert, sie war sehr ernsthaft und diesem
Thema angemessen .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind auch heute kollegial!)


Dafür will ich insgesamt Dank sagen . Das schließt auch
die Kollegen aus der Opposition ein .


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie großzügig!)


Die Kritik kommt gleich noch . Aber zumindest wollte
ich das am Anfang meiner Rede sagen . Ich glaube, dass

Uli Grötsch

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514176


(A) (C)



(B) (D)


der Ausschuss es geschafft hat, diesen Themenkomplex,
um den sich wahrlich niemand gerissen hat, so auszu-
leuchten, dass man am Ende des Tages sagen kann: Wir
sind unserer Aufgabe tatsächlich gerecht geworden .

Ich will mit dem BKA anfangen und nur noch einen
Gedanken hinzufügen . Wir konnten uns ein Bild von der
Arbeit machen, die die Mitarbeiter dort dankenswerter-
weise für uns erledigen . Das ist eine Arbeit, die keiner
in diesem Haus gerne machen würde, nämlich Tausende
und Abertausende von Bildern der Kinderpornografie zu 
durchforsten . Ja, man kann sagen, dass das Teil des Jobs
ist, aber am Ende des Tages muss man damit zurecht-
kommen . Dass es dabei einer Priorisierung bedarf, dass
es dabei einer Gewichtung bedarf, ist selbstverständ-
lich, weil man dem Schrecknis dieser ganzen Welt – es
geht ja nicht nur um Deutschland, sondern um sehr, sehr
viele Bezugsorte – gerecht werden muss . Deshalb kann
ich am Ende mit einiger Dankbarkeit für die Arbeit des
BKA auch sagen: Wir konnten uns davon überzeugen,
dass diese Arbeit ordnungsgemäß und dem Sachverhalt
angemessen durchgeführt wurde . Das ist keine Petites-
se . Denn das war immerhin der Ausgangspunkt für den
Untersuchungsgegenstand, mit dem wir uns beschäftigen
mussten .

Ja, eindeutig, es gab eine Warnung . Von wem, das
konnte der Ausschuss nicht mehr aufklären . Wir haben
genügend Zeugen befragt, die die These gestützt haben,
dass Michael Hartmann eine der entscheidenden Quel-
len hätte sein können . Nach unserer Begutachtung, Frau
Mihalic, war er das auch . Aber das, was wir glauben,
ist nicht das, was ein Untersuchungsausschuss belegen
kann . Deshalb ist es eine Frage der Interpretation . Ich
hätte mich gefreut, wenn Herr Hartmann heute dieser
Debatte hätte folgen können .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist wahrscheinlich krank! Weiß man nicht!)


Er hätte vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch
etwas zur Aufklärung beitragen können . Wir freuen uns
alle ganz narrisch darüber, dass er an dem Tag, an dem
der Untersuchungsausschuss beendet war, wieder ge-
nesen ist . Wir wünschen ihm auf Dauer alles Gute . Ich
hoffe trotzdem, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, an
dieser Stelle auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens
seinen Beitrag zu leisten .

Mit einer Sache will ich dann doch noch einmal
aufräumen, nämlich mit der Aussage, dass eindeutig
bewiesen ist, dass der Ursprung dieses Untersuchungs-
ausschusses ein Geheimnisverrat gewesen ist . Dass die
CSU durch den Verlust eines amtierenden Ministers ei-
nen politischen Preis zahlen musste, ist klar . Es ging hier
aber weder um einen Rachefeldzug noch um das Kühlen
irgendwelcher politischer Mütchen . Was nützt mir ein
Minister im Amt, wenn er nicht die entscheidende Frage
beantworten kann: Was tue ich, damit ich Schaden von
diesem Land abwenden kann? Was tue ich, damit eine
Person, über die Dinge bekannt sind, nicht in ein Amt
kommt, was tatsächlich diesem Land, dem Ansehen der
Bundesrepublik Deutschland schaden kann? Deshalb

halte ich das Verhalten von Hans-Peter Friedrich zur da-
maligen Zeit nach wie vor für absolut richtig .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD -Frank Tempel [DIE LINKE]: Eindeutig rechtswidrig!)


Im Ergebnis stellt sich die Frage, wie nun der Gesprächs-
partner von Hans-Peter Friedrich als Inhaber dieses Ge-
heimnisses damit umgegangen ist und wem alles er da-
von erzählt hat . Diese Frage darf man stellen .

Letztendlich schauen wir, wenn wir wissen, wie weit
das hinuntergegangen ist, vor allem in die Reihen der
SPD . Ja, das war nicht angenehm, keine Frage . Wir ha-
ben Sternstunden der Fragetechnik im Untersuchungs-
ausschuss hinter uns . Manch SPD-Abgeordneter hat der
Bedeutung des Wortes „vage“ eine ganz neue Dimension
verliehen . Wir erlebten stundenlange Aussagen, in denen
tatsächlich nichts mehr übrig blieb . Am Ende half das al-
les nichts .

Wir konnten auch noch den Blick nach Niedersachsen
wenden . Wenn es um die entscheidende Frage geht, wie
Informationen behandelt werden sollten, wenn es um die
entscheidende Frage geht, wie man sein Haus im Griff
haben sollte, dann sind die Kollegen aus Niedersachsen
ein Hort der tollen Erkenntnis: So sollte man es nicht ma-
chen . Man sollte nicht so mit Informationen umgehen,
dass am Ende keiner mehr weiß, was die linke und was
die rechte Hand tut . Das war mit Sicherheit nicht das
beste Beispiel dafür, wie wir dieses Thema behandeln
sollten .

Ich will noch einen Punkt ansprechen, der die Men-
schen im Kontext dieses Untersuchungsausschusses
um Edathy wirklich verunsichert hat . Was wird in die-
sem Staat von der Justiz nicht alles aufgeklärt, und was
wird nicht alles angeklagt? Dass aber jemand, der als
Konsument Tausender und Abertausender kinderporno-
grafischer Bilder  angeklagt  ist,  das Verfahren  am Ende 
mit einer Geldauflage von 5 000 Euro – und sogar ohne 
Schuldeingeständnis – hinter sich lassen kann, hat viele
Menschen zu Recht verunsichert . Da muss man schon
fragen, ob das gerade in Anbetracht des öffentlichen In-
teresses an diesem Verfahren noch angemessen war . Ich
bin keiner, der gerne Justizschelte betreibt . Aber die Ant-
wort auf die Frage, ob das in Anbetracht des öffentlichen
Interesses an diesem Fall wirklich angemessen war, ist
uns die Justiz immer noch schuldig .

Letztendlich kann ich sagen: Wir müssen sehen – das
sage ich jetzt natürlich nur, damit auch die Grünen wis-
sen, wo wir redetechnisch hingehören; ich meine es al-
lerdings sehr ernst –, dass auch Höchstspeicherfristen ein
Thema sind; da schaue ich jetzt die Kollegin Mihalic an .
Wir haben, auch im Ausschuss, Fälle geschildert bekom-
men, in denen wirklich eindeutig war, dass dieses Instru-
ment – nur dieses und sonst keines – der einzige Hebel
ist, um zeitgerecht, zeitgleich an Menschen heranzukom-
men . Das muss man gar nicht in Abrede stellen, und da
muss man gar keine Gutbeterei betreiben . Dass es aber
Fälle gibt, in denen ohne das Instrument der Höchstspei-

Michael Frieser

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14177


(A) (C)



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cherfristen keine Rechtsverfolgung stattfinden kann, war 
ein eindeutiges Ergebnis der Arbeit dieses Ausschusses .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit dem Fall Edathy gar nichts zu tun! Haben Sie das immer noch nicht verstanden?)


Zur  Präzisierung  beim  Thema  Kinderpornografie  in 
den Anfangstagen und -wochen dieses Ausschusses muss
ich sagen: Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es uns
tatsächlich gelingt, dafür zu sorgen, dass wir in der Lage
sind, Vorgänge, die für uns damals noch grenzwertig und
schwierig zu beurteilen waren, heute mit den Behörden
zusammen eindeutig zu entscheiden .

Ich glaube, am Ende lässt sich sagen: Vielleicht sind
mit dem Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses
nicht alle zufrieden . Vielleicht konnten wir nicht alles
aufklären, was wir aufklären wollten . Ich bedanke mich
aber trotzdem – an dieser Stelle darf ich das auch einmal
als stellvertretender Vorsitzender tun – bei der Vorsitzen-
den, die als Mitglied einer doch stark betroffenen Frakti-
on in einer nicht besonders einfachen Situation war und
der es gelungen ist, dieses Schiff einigermaßen durch die
Wirrnis zu steuern . Auch den Kollegen herzlichen Dank
für die Zeit! Man hat sehr viel gelernt, auch wenn es
manchmal nächtelang gedauert hat . Ich glaube, dass wir
sagen können – auch wenn wir nicht bei allen Bewertun-
gen übereinstimmen –: Der Ausschuss hat seine Arbeit
getan . Dafür herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814411800

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des 2 . Untersuchungsausschusses auf
Drucksache  18/6700.  Der  Ausschuss  empfiehlt,  den 
Bericht zur Kenntnis zu nehmen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen .

Ich denke, dass wir alle auch den auf der Besucher-
oder Zuhörertribüne sitzenden Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern des Ausschusssekretariats für die Begleitung
dieser Arbeit noch einmal danken .


(Beifall)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Richard Pitterle, Dr . Gerhard Schick, Dr . Sahra
Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Katrin
Göring-Eckardt, Dr . Anton Hofreiter, Jan van
Aken, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordne-
ter

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Drucksache 18/6839
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Dr . Gerhard Schick .


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814411900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über zehn Jahre lang haben Millionäre und große Ban-
ken unsere öffentlichen Kassen geplündert . Über zehn
Jahre lang sind sie unbehelligt beim Finanzamt ein- und
ausgegangen und haben unter den Augen von Politik und
Verwaltung Geld abgezweigt . Diese haben leider zugese-
hen und den Betrügereien lange kein Ende gesetzt .

Weder haben die damaligen Bundesregierungen recht-
zeitig und wirksam gehandelt, obwohl es Hinweise gab,
noch haben die Steuerverwaltungen der Länder oder die
Finanzaufsicht Alarm geschlagen . Öffentliche Banken,
Landesbanken, haben an diesem Skandal sogar mitge-
wirkt .

Viele fragen sich auch heute noch, was eigentlich
Cum-Ex-Geschäfte sind .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Diese Geschäfte beruhen auf einem Konstrukt, das dazu
führte, dass eine Steuer zweimal zurückerstattet wurde,
obwohl sie nur einmal gezahlt wurde . Dies ist so, als ob
Eltern für dasselbe Kind zweimal Kindergeld kassieren –
einmal die Mutter und einmal der Vater . Das ist natürlich
ungerecht und im Steuergesetz nicht vorgesehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg . Matthias Hauer [CDU/ CSU])


Für unsere Aufgabe als Abgeordnete steht aber nicht
die Technik, also die Art, wie das im Einzelnen arran-
giert wurde, im Mittelpunkt, sondern entscheidend ist,
was im Ergebnis passiert ist, nämlich ein Schaden für das
Gemeinwesen von geschätzt 12 Milliarden Euro . Das ist
absolut inakzeptabel . Diese 12 Milliarden Euro fehlten
für sinnvolle Ausgaben . Oder übersetzt: Banken und Mil-
lionäre konnten jedem einzelnen Bundesbürger 150 Euro
aus dem Geldbeutel klauen . So etwas darf sich nie wie-
derholen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Genau deswegen wollen wir Aufklärung .

Obwohl der Schaden so groß ist, haben die Fraktio-
nen der Großen Koalition es abgelehnt, aufzuklären, wie
das passieren konnte . Sie haben unseren Antrag auf einen
Sonderermittler abgelehnt und somit der Aufklärung lei-
der eine Absage erteilt .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)


Michael Frieser

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514178


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Wir haben auch Gespräche geführt, um andere Formen
der Aufklärung zu finden und auszuloten, ob wir gemein-
sam aufklären können – leider ergebnislos . Für mich und
für unsere beiden Fraktionen ist das unverständlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir haben doch einen Untersuchungsausschuss angeregt! Schon vor Monaten!)


Deswegen machen wir von unserem Minderheiten-
recht Gebrauch und beantragen einen Untersuchungsaus-
schuss zum Steuerbetrug an den Finanzmärkten mittels
Cum-Ex-Geschäften .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es geht uns nicht darum, einzelne Personen an den Pran-
ger zu stellen, und auch nicht um Parteipolitik,


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein, keinesfalls! Das wollen wir doch mal hören!)


sondern es geht darum, sicherzustellen, dass die Bürge-
rinnen und Bürger nie wieder in diesem Ausmaß abge-
zockt werden, wie es hier vorgekommen ist .

Dafür müssen wir wissen, wieso staatliche Institutio-
nen in Bund und Ländern jahrelang untätig blieben, statt
das Geld der Bürgerinnen und Bürger zu schützen . Wir
müssen wissen, ob heute dieselben Institutionen willens
und in der Lage sind, bei ähnlichen Fällen rechtzeitig mit
wirksamen Mitteln einzugreifen . Wir müssen wissen, wie
es passieren konnte, dass öffentliche Banken am Betrug
an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mitgewirkt
haben .

Wir sind nämlich schon längst in der nächsten Runde
im Hase-und-Igel-Spiel auf dem Finanzmarkt zulasten
der Bürger . Mit den sogenannten Cum-Cum-Geschäften
stehen erneut Milliarden auf dem Spiel . Auch hier wird
dem Treiben auf dem Finanzmarkt schon viel zu lange
zugesehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
laden Sie zu einer parteiübergreifenden sachlichen Arbeit
im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
ein . Bei einem Schaden dieser Größenordnung für das
Gemeinwesen dürfen Demokraten nicht zur Tagesord-
nung übergehen . Wenn die Bürger den Eindruck gewin-
nen, dass Staat und Bürger zum Spielzeug von Betrügern
auf dem Finanzmarkt werden, und wenn nicht sichtbar
wird, dass wir im Parlament alles tun, damit nicht wieder
Steuergeld in so großem Umfang von Betrügern auf dem
Finanzmarkt abgezweigt wird, dann verlieren die Men-
schen das Vertrauen in unsere Institutionen . Deswegen
müssen wir hier gemeinsam tätig werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben damals zwei Gegenargumente gegen den
Antrag auf einen Sonderermittler vorgebracht . Das eine
Gegenargument war: Es gibt für einen Sonderermittler
keine Rechtsgrundlage .


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist ein komisches Gegenargument!)


Das ist ein sehr merkwürdiges Argument, weil im Saar-
land unter der Leitung der CDU im Moment genau das
stattfindet, was wir hier gefordert haben. Aufgrund eines 
kläglichen Versagens in der Steuerfahndung wird dort
eine externe Sonderermittlerin eingesetzt, um das aufzu-
klären und um diese Dinge für die Zukunft richtig aufzu-
stellen . – Ihr Gegenargument trägt nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das zweite Gegenargument war: Die Staatsanwalt-
schaften und die Gerichte sind doch im Moment mit der
Aufklärung dieser Fälle beschäftigt . – In der Tat: Zum
Glück gibt es da Aufarbeitung vor den Gerichten . Aber
diese klären, wer jetzt was zahlen muss und wer bei den
Investoren strafrechtlich Verantwortung trägt . Sie klären
nicht, was auf staatlicher Seite schiefgelaufen ist . Damit
können Sie nicht die Arbeit voranbringen, die unsere Ar-
beit ist, nämlich dafür zu sorgen, dass sich ein solcher
Skandal nie mehr wiederholen kann . Das können nur wir
hier tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Genau deswegen wollen wir jetzt wissen, was schief-
gelaufen ist, und zwar nicht nur mit Blick auf die Ver-
gangenheit . Ich wiederhole es: Es geht darum, über die
Erkenntnisse der Vergangenheit sicherzustellen, dass es
in Zukunft nie wieder passieren kann, dass das Geld, das
die kleinen Leute in unserem Land mit ihrer Umsatzsteu-
er und mit ihrer Einkommensteuer zahlen, unkontrolliert
an Trickser und Betrüger am Finanzmarkt abfließt. Das 
können wir den Menschen nicht zumuten . Deswegen
heute der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814412000

Das Wort hat der Kollege Matthias Hauer für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Matthias Hauer (CDU):
Rede ID: ID1814412100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die Cum-Ex-Ge-
schäfte im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch einen Un-
tersuchungsausschuss zu beleuchten .

Worum geht es dabei? Bei den Cum-Ex-Geschäften
haben vermeintlich findige Banken und  Investoren Ak-
tiengeschäfte allein mit dem Ziel getätigt, sich Kapital-
ertragsteuer zweimal erstatten zu lassen, die nur einmal

Dr. Gerhard Schick

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14179


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gezahlt wurde . Grundlage dieses kriminellen Geschäfts
war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin,
nämlich kurz davor Cum-Dividende und kurz danach
Ex-Dividende .

Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von
Fristen fielen der  rechtliche und der wirtschaftliche Ei-
gentümer der Aktie auseinander . Mit großer krimineller
Energie gelang es so, die Abführung der Kapitalertrag-
steuer doppelt bescheinigt zu bekommen . Das war da-
mals noch möglich, weil es nicht dieselbe Stelle war, die
den Steuerabzug vornahm und die die Steuerbescheini-
gung ausstellte .

Die Grünen haben in ihrem Antrag zum gleichen The-
ma im Januar die Geschäfte als „zumindest illegitim“ be-
zeichnet . Im aktuellen Antrag sprechen Linke und Grüne
von „Steuergestaltung“ . Wieso so zurückhaltend? Nen-
nen wir es doch gemeinsam beim Namen: Ein solches
Vorgehen ist nicht nur illegitim, sondern schlichtweg
rechtswidrig und kriminell .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei diesen Cum-Ex-Geschäften hat es sich nie um
ein Steuergestaltungsmodell gehandelt . Die Rechtsauf-
fassung  des  Bundesfinanzministeriums  ist  unverändert: 
Diese Gestaltung der Cum-Ex-Geschäfte war schon im-
mer unzulässig . Einmal abgeführte Kapitalertragsteuer
darf nur einmal bescheinigt und auch nur einmal erstattet
werden .


(Beifall des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das versteht sich von selbst!)


Nachdem tatsächlich durchgeführte Cum-Ex-Geschäf-
te bekannt wurden, hat die Politik reagiert . Im Jahr 2007
hat der Gesetzgeber die Abwicklung der Geschäfte über
inländische Banken unterbunden . Das gelang, indem die
inländische Bank des Leerverkäufers zur Abführung der
Kapitalertragsteuer  verpflichtet  wurde.  Dadurch  wurde 
sichergestellt, dass auch die Kompensationszahlungen
des Leerverkäufers unter Nutzung inländischer Abwick-
lungsbanken mit Kapitalertragsteuer belastet waren und
keine unberechtigte Steuerbescheinigung erstellt wurde .

Konkrete Hinweise auf die Abwicklung über auslän-
dische Banken gab es dann im Jahr 2009 . Das Bundes-
finanzministerium hat  reagiert  und besondere Erforder-
nisse an Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit
Leerverkäufen über ausländische Kreditinstitute formu-
liert . Es wurde geregelt, dass alle Steuerbescheinigun-
gen, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag
erworben wurden, besonders gekennzeichnet werden
müssen . Diese Regelung wurde durch zwei Schreiben
des Bundesfinanzministeriums  in  den  Jahren  2010  und 
2011 ergänzt .

Ende 2010 erfolgte mit der OGAW-IV-Umsetzung
die vollständige Umstellung der Erhebung der Kapita-
lertragsteuer auf Dividendenzahlungen deutscher Aktien .
Durch die neue Systematik wird die Kapitalertragsteu-
er nunmehr durch das Kreditinstitut, das die Dividende
auszahlt, sowohl abgeführt als auch bescheinigt . Beides
liegt also in einer Hand; denn das Auseinanderfallen bei-

der Stellen war die Basis der rechtswidrigen Geschäfte in
der Vergangenheit .

Seit Inkrafttreten 2012 werden die Cum-Ex-Geschäf-
te auch über ausländische Banken somit verhindert . Der
Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Mi-
nister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell
also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage ent-
zogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich
unterbunden . Deshalb sind Cum-Ex-Geschäfte heute
zum Glück nicht mehr möglich .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)


Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Auf-
deckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle . Wer
solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft ge-
zogen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unsere Gewaltenteilung legt eine solche strafrechtliche
Aufarbeitung aber nicht in die Hände des Parlaments und
auch nicht in die Hände eines parlamentarischen Unter-
suchungsausschusses .


(Dr . Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht aber um die politische Aufarbeitung!)


Hier sind vielmehr die Finanzverwaltung, die Strafver-
folgungsbehörden und die Gerichtsbarkeit gefordert, und
mehrere Verfahren laufen bereits .

Sie haben gerade dazwischengerufen, es gehe um die
politische Aufarbeitung .


(Dr . Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Sie haben auch letztens noch erklärt, es seien keine
Konsequenzen gezogen worden . Dass sehr wohl Konse-
quenzen gezogen wurden, habe ich gerade dargelegt . Die
Cum-Ex-Geschäfte sind mittlerweile unterbunden, und
dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe, ist
auch unzutreffend . Ich habe Ihnen gerade die Gesetzge-
bungsverfahren dargelegt . In all diese Verfahren war der
Gesetzgeber, waren alle Fraktionen, auch Bündnis 90/
Die Grünen und Linke, eingebunden . Darüber hinaus
hat das Bundesfinanzministerium detailliert und schrift-
lich die von Ihnen, von den Grünen und von den Linken,
gestellten Kleinen Anfragen der Opposition beantwortet
und die Erkenntnisse der Bundesregierung darin einflie-
ßen lassen .

Auch in diesem Jahr haben wir uns mit den
Cum-Ex-Geschäften in diesem Hause beschäftigt . Nach
Debatten im Januar und im September geschieht dies
heute zum dritten Mal in 2015 . Es trifft also nicht zu, dass
es keine politische Aufarbeitung gegeben habe .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn Ihre Fraktion dazu gemacht?)


– Sie schreien, deshalb komme ich jetzt direkt zu Ihnen .
Herr Dr . Schick, Sie stützen sich ja vor allem auf ein

Matthias Hauer

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514180


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Schreiben aus dem Jahr 2002 . Dazu hatten Sie sich in
Ihrer Rede im September noch empört – ich zitiere –:

Die Bundesregierung ignorierte dieses Schreiben
fünf Jahre lang . Warum? … sollte aus Gründen der
Finanzmarktförderung möglichst nicht gegenge-
steuert werden?

Dazu sage ich Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen: Anstatt mit dem Finger auf andere zu
zeigen, sollten Sie vor Ihrer eigenen Haustür kehren . Am
besten hätten Sie mit der Untersuchung in Ihren eigenen
Reihen angefangen . Immerhin waren Bündnis 90/Die
Grünen bis 2005 Teil der damaligen Bundesregierung,
und Sie stellten 2002 sogar den Vorsitz im Finanzaus-
schuss .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht mit dieser Äußerung! Sonst reden wir über Sachen auf Landesebene!)


Aber die Geschäfte waren eben auch für Sie nicht so
einfach zu erkennen, wie sie jetzt manchmal versuchen,
den Eindruck zu erwecken, weil sie hochkomplex waren .
Außerdem haben die beteiligten Banken, Berater und
Investoren erhebliche Anstrengungen unternommen, um
diese Handlungen zu verschleiern . Um die Beziehungen
zwischen den Vertragspartnern intransparent zu machen,
haben sie zusätzliche, oft im Ausland ansässige Markt-
teilnehmer dazwischengeschaltet . Unter anderem aus
diesem Grund wurden die Geschäfte leider nur zeitlich
verzögert bekannt .

Deshalb gab es in den ersten Jahren auch kein Gegen-
steuern, weder durch die damaligen Regierungen noch
durch die Fraktionen in den Parlamenten . Es ist gut,
dass  durch  das  Einschreiten  von  Bundesfinanzminister 
Wolfgang Schäuble und des Gesetzgebers diese Geschäf-
te heute nicht mehr möglich sind .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Wir können daher im Augenblick nicht erkennen, warum
es dieses Untersuchungsausschusses bedarf, den Linke
und Grüne einsetzen wollen . Dennoch respektieren wir
natürlich die parlamentarischen Rechte der Opposition .
Wenn wir schon einen Untersuchungsausschuss einset-
zen, dann – darauf können Sie sich verlassen – werden
wir auch konstruktiv darin mitarbeiten und die Thematik
noch einmal im Detail durchsprechen .

Der nun beantragte Untersuchungsausschuss wirft den
Blick vor allem zurück . Er bindet Ressourcen, um bereits
gelöste Probleme erneut zu beleuchten . Wir sollten statt-
dessen die heutigen Herausforderungen angehen, näm-
lich bestehende Regelungen verbessern und sie wetter-
fest für die Zukunft machen . Das werden wir, die Union,
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner auch tun .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814412200

Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814412300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Stellen Sie sich einmal vor: Sie sind Kun-
din oder Kunde einer Bank und haben dort Ihr Geld im
Tresor liegen . Stellen Sie sich weiter vor: Bei der Leitung
der Bank geht aus gut informierten Kreisen die Warnung
ein, dass der Tresor nicht sicher sei und das dort liegende
Geld bald gestohlen werden könne . Was würden Sie sich
da wohl wünschen? Doch wohl sicherlich, dass die Bank
umgehend reagiert und zum Beispiel den Tresor über-
prüfen lässt oder den Sicherheitsdienst verstärkt . Was
aber, wenn die Bank einfach nichts macht und über zehn
Jahre lang Ihr Geld nach und nach gestohlen wird? Als
Kundinnen und Kunden würden Sie zu Recht im Karree
springen und nach Aufklärung verlangen .

Dieses Beispiel passt leider recht gut zum heutigen
Thema, nämlich zu der Aufarbeitung der Cum-Ex-Ge-
schäfte . Die Bank aus meinem Beispiel ist die Bundes-
regierung, die diese Geschäfte zwischen 2002 und 2012,
zehn Jahre lang, nicht wirksam unterbunden hat . Die ge-
lackmeierten Kundinnen und Kunden sind die vielen ehr-
lichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denen durch
die Cum-Ex-Geschäfte ein Schaden von schätzungswei-
se 12 Milliarden Euro entstanden ist . Der Linken und
Bündnis 90/Die Grünen fällt nun wieder einmal die Rolle
der Aufklärer zu, und diese Rolle nehmen wir gerne an .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


„Cum“ und „Ex“ stehen für „mit Dividende“ und
„ohne Dividende“ bei Aktiengeschäften, die um den Di-
videndenstichtag  herum  stattfinden.  Die Aktie  wird  in 
kurzem Abstand einmal mit und einmal ohne Dividen-
de weiterverkauft . Auf die Dividende muss Kapitaler-
tragsteuer gezahlt werden, welche man sich anrechnen
oder erstatten lassen kann . Vereinfacht gesagt, waren die
Cum-Ex-Geschäfte so konstruiert, dass zwei der am Kauf
Beteiligten jeweils eine Bescheinigung für die gezahl-
te Kapitalertragsteuer erhielten, obwohl die Steuer tat-
sächlich nur einmal gezahlt worden war . Beide konnten
sich die Steuer dann mit der jeweiligen Bescheinigung
erstatten oder anrechnen lassen . Kurzum: Schwerreiche
Investoren bedienten sich zweimal aus der Staatskasse,
obwohl sie nur einmal eingezahlt hatten .

Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben bereits
einen Sonderermittler gefordert, um zu klären, warum
Superreiche unbehelligt ein Jahrzehnt lang einen Rie-
senreibach auf Staatskosten machen konnten . Union und
SPD haben diesen Sonderermittler leider verhindert und
behauptet, es sei ja schon alles aufgeklärt . Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von Union und SPD, das kann doch
wohl nicht Ihr Ernst sein!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Matthias Hauer

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14181


(A) (C)



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2002 gab es einen ernsthaften Hinweis auf die Mög-
lichkeit dieser krummen Geschäfte an das Bundesfinanz-
ministerium . Aber erst 2012 wurden diese Geschäfte
durch eine Gesetzesänderung unterbunden . Da muss man
sich  doch  fragen,  wer  da  im  Bundesfinanzministerium 
gepennt hat . Wieso ist da nichts passiert?


(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Es ist doch Quatsch, dass da nichts passiert ist!)


Als Ausrede für die Untätigkeit der Bundesregierung
kommt von Union und SPD auch gerne das Argument,
die Cum-Ex-Geschäfte seien von Anfang an wohl straf-
bar gewesen, und dementsprechend sei das alles Sache
der Gerichte und der Staatsanwaltschaften .


(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Sehen Sie das anders?)


Meine Damen und Herren, ich bitte Sie! Auch wenn
etwas strafbar ist, kann man sich doch nicht entspannt
zurücklehnen und abwarten . Im Gegenteil: Gerade dann
muss man bei entsprechenden Hinweisen doch dafür sor-
gen, dass Straftaten gar nicht erst begangen werden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bereits 2002 hätte es eine gesetzliche Regelung zur Ver-
hinderung der Cum-Ex-Geschäfte geben müssen .

Für die Linke besteht hier jedenfalls sehr wohl Anlass
zur Aufklärung . Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
haben ein Recht darauf, zu erfahren, warum die Bundes-
regierung untätig geblieben ist und so ein Schaden von
12 Milliarden Euro entstehen konnte . Die Fehler der
Vergangenheit müssen dringend aufgearbeitet werden,
damit wir sicherstellen können, dass sich so etwas nicht
wiederholt .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen fordern wir gemeinsam mit Bündnis 90/Die
Grünen diesen Untersuchungsausschuss .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814412400

Der Kollege Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion

das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1814412500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich will das Bild von
Richard Pitterle aufnehmen, aber etwas korrigieren . Da
ist ein Dieb, der die Bank bestiehlt . Daraufhin macht
die Bank ein Extraschloss an die Tür . Jetzt kommt der
Dieb durchs Fenster . Erst die Totalvergitterung der Bank
macht diese Bank diebstahlsicher . Aber immer war Dieb-
stahl kriminell und gesetzeswidrig . Insofern ist also et-
was passiert, aber solche kriminellen Handlungen kann

man möglicherweise nicht ausschließen, obwohl es eine
Vergitterung gibt, obwohl es eine gute Gesetzgebung gibt
und gab .

Wir sprechen über den größten bekannten Steuerbe-
trug seit Jahrzehnten – das stimmt; da stimmen wir zu –,
in einer Größenordnung, soweit wir das wissen, von
12 Milliarden Euro . Wir haben schon gehört, wie die
Cum-Ex-Geschäfte funktionieren . Cum-Ex-Geschäfte
klingt schon kompliziert . Man kann sagen, dass es ohne
die Hilfe von Banken diese Geschäfte gar nicht gegeben
hätte . Man kann sagen: Die Banken haben den Dieben
dabei geholfen, einzubrechen, aber natürlich nicht bei
sich selbst, sondern bei den Steuerzahlern . Das ist ver-
werflich. Deshalb  ist  es  gut,  dass wir  uns  heute  darum 
kümmern .

Gestern Abend erst hat die ARD berichtet, dass die
HypoVereinsbank eine Buße von immerhin 10 Millio-
nen Euro zu akzeptieren hatte . Das Amtsgericht Köln hat
diese Buße verhängt . Man kann also schon sehen, dass
im Moment zumindest unsere Strafverfolgung an dieser
Stelle ganz gut funktioniert . Nun hören wir noch von
vielen anderen Banken, die das gemacht haben . Deshalb
wird es spannend sein, sich darum zu kümmern .

Grundlage der Geschäfte – das haben Sie schön aus-
geführt – waren Leerverkäufe rund um den Dividenden-
stichtag und die Tatsache, dass die Stelle, die die Ka-
pitalertragsteuer abgeführt hat, und die Stelle, die den
Kapitalertrag bescheinigte, auseinanderfielen. Durch die-
ses Auseinanderfallen gab es die Möglichkeit, sich zwei-
mal etwas erstatten zu lassen, was man aber nur einmal
bezahlt hat .

Schon allein an diesem Punkt – sich zweimal etwas
erstatten zu lassen, was man nur einmal bezahlt hat – er-
kennt man die kriminelle Energie; denn es versteht sich
von selbst, egal nach welcher Gesetzgebung, dass das
wohl nicht richtig sein kann, zumal schon die Erstattung
ein Entgegenkommen gegenüber dem Steuerzahler ist .
Man räumt einen Grund für die Erstattung ein, und plötz-
lich will einer die Erstattung doppelt haben . Ich würde
sogar auf jeglichen Verweis auf die Gesetzgebung ver-
zichten und sagen, dass es sich von selbst versteht, dass
man das nicht macht . Das ist unanständig und kriminell .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg . Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Wenn sich das für Sie nicht von selbst versteht, dann
finde  ich  auch  das  verwerflich.  Gewisse  moralische 
Grundsätze gelten auch für die Grünen .

Da wir und auch das BMF offensichtlich die Kom-
plexität eine gewisse Zeit unterschätzt haben – ich zu-
mindest; vielleicht haben manche hier das rechtzeitig ge-
sehen –, waren unsere ersten Regelungen unzureichend .
Auch das wurde schon erwähnt . Wir haben nämlich nur
die Inlandsfälle geregelt . Die Lücken waren dann dicht,
wunderbar . Aber die freundlichen Herren haben sich
dann grenzüberschreitende Modelle überlegt, die von
uns erst wieder ganz langsam entdeckt werden mussten .

Richard Pitterle

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514182


(A) (C)



(B) (D)


Dazu muss man sagen: Es ist nicht so, dass wir im Par-
lament im Regelfall solche Gestaltungsmodelle und die
Vollzugsverwaltung in den Blick nehmen, sondern wir
machen Gesetze und gehen davon aus, dass sie einge-
halten werden . Wenn nicht, dann ist das ein kriminelles
Verhalten, und die Strafverfolgungsbehörde kümmert
sich darum .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814412600

Kollege Binding, gestatten Sie eine Frage oder Be-

merkung des Kollegen Schick?


Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1814412700

Probieren wir es einmal . – Also, eine Frage von

Gerhard Schick .


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das Probieren bezieht sich auf die Frage und nicht auf die Antwort!)


– Ja, klar . Danke .


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814412800

Ich glaube, ich bin in der Lage, eine Frage zu stel-

len . – Es ist von Ihnen und von Kollegen Hauer dargelegt
worden, dass das von Anfang an als betrügerisch, also als
kriminell, zu bewerten gewesen ist . Vielleicht ist die Fra-
ge, die ich dazu stellen möchte, aus Ihrer Sicht schon zu
beantworten; aus meiner Sicht ist das noch offen . Wenn
klar war, dass es kriminell ist, warum hat dann die Fi-
nanzaufsichtsbehörde zehn Jahre lang zugelassen, dass
Banken in Deutschland in einem Milliardenumfang kri-
minelle Geschäfte machen, ohne einzuschreiten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1814412900

Ich bin mir gar nicht sicher, ob der BaFin das von An-

fang an klar war .


(Dr . Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Frage!)


Die Frage ist, ob man von Anfang an merken konnte, was
da eigentlich passiert; denn die Gesetzeslage war klar,
und auch die Erstattung war zunächst ganz klar . Dann
gab es eine zweite Erstattung . Die war zwar kriminell,
aber sie ist nicht aufgefallen, weil in diesem System die
beiden Stellen, von denen ich sprach, auseinanderfielen 
und auf diese Weise nicht festgestellt werden konnte, was
passiert .

Ich glaube, dass die BaFin oder andere Aufsichts-
behörden, die sich darum vielleicht kümmern konnten,
zunächst gar nicht gemerkt haben, was passiert . Daraus,
dass jemand etwas übersehen hat, kann man sicherlich
einen Vorwurf ableiten. Deshalb finde ich es gut, dass wir 
nach einer geraumen Zeit gesetzgeberisch aktiv wurden,
wie gesagt, nicht vollständig und nicht umfänglich, weil
nur die Inlandsfälle geregelt wurden . Daran erkennt man,
dass ganz viele Leute – übrigens auch Sie und ich – gar
nicht gemerkt haben, was da tatsächlich passiert .

Deshalb ist uns wichtig, sich nicht nur um die Ver-
gangenheit zu kümmern, sondern auch um die Zukunft .
Denn wir wissen auch in dieser Sekunde nicht, was ge-
schieht und ob nicht vielleicht kriminelle Dinge passie-
ren . Es ist also wichtig, sich darum zu kümmern . Trotz-
dem darf man nicht vergessen, dass ein Parlament keine
Vollzugsverwaltung ist . Insofern sind wir auf Hinweise
angewiesen . Denen sollte man nachgehen . Ich glaube,
ein Versäumnis ist gewesen, dass man bestimmten Hin-
weisen nicht schnell genug nachgegangen ist . Darum
müssen wir uns auch im Untersuchungsausschuss darum
kümmern .

Was ich gerne vermeiden würde, ist, dass wir uns jetzt
vornehmlich und ausschließlich um die Exekutive küm-
mern, aber die Gauner und die Betrüger und die Diebe
und die Kriminellen aus dem Blick verlieren . Ich meine,
dass wir im Untersuchungsausschuss unseren Blick sehr
stark darauf lenken müssen, wer am Markt in welcher
Weise agiert, wie er sich verhält, mit welchem Ziel und
auf wessen Kosten er dies tut .

Auch das wurde schon gesagt: Der Steuerbetrüger be-
trügt ja nicht irgendwie den abstrakten Staat, sondern er
betrügt seinen Nachbarn, der seine Steuern ehrlich be-
zahlt, und das sind die meisten. Wie wir wissen, fließen 
die höchsten Steuereinnahmen aus der Einkommen- und
Lohnsteuer sowie aus der Mehrwertsteuer . Insofern ha-
ben sich Menschen mit relativ gutem Einkommen an
jenen bereichert, die ein relativ schlechtes Einkommen
haben . Ich glaube, das ist eine Sache, die es sich zu un-
tersuchen lohnt .

Wir wissen inzwischen, wie das Problem gelöst wur-
de, nämlich, was gar nicht einfach ist, durch einen voll-
ständigen Systemwechsel . Wir mussten das alte System
verlassen . Ich bin froh, dass das BMF so eine gute Lö-
sung gefunden hat; diese Lösung wurde ja nicht im Par-
lament entwickelt . Ich glaube, das Finanzministerium hat
eine sehr gute Arbeit geleistet .

Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir sagen: Es
herrscht auch kein Mangel an Transparenz . Die Fragen
der Opposition waren sehr gut . Auch die Linken haben
Fragen in dieser Richtung gestellt . Ich glaube, es gab so-
gar eine Kleine Anfrage, die sehr ausführlich beantwortet
worden ist .

Außerdem gibt es eine öffentliche Kontrolle, wofür
wir ebenfalls sehr dankbar sind . Klaus Ott, Journalist bei
der Süddeutschen Zeitung, hat sehr ausführlich recher-
chiert . Er kam zu dem Ergebnis: Ein Untersuchungsaus-
schuss ist nicht nötig . Er hat alle Akten, die ihm wich-
tig waren, einsehen können . Es war ihm möglich, sehr
weitgehend zu recherchieren . Er war mit hinreichenden
Erkenntnissen ausgestattet, um den Gesamtvorgang zu
beurteilen . In diesem Fall war der Journalismus wieder
ein gutes Stück voraus . Deshalb meinte er, ein Untersu-
chungsausschuss sei überflüssig. Aber wenn wir denken, 
es wäre eine gute Sache, sich das Ganze noch einmal
anzuschauen, dann sollten wir das machen . Außerdem
ermitteln die Staatsanwaltschaften .

Was uns damals gestört hatte, war die Idee, einen Son-
derermittler einzusetzen; denn der Sonderermittler ist
kein Instrument des Parlaments, sondern ein Instrument

Lothar Binding (Heidelberg)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14183


(A) (C)



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der Regierung . Wir haben gemeint: Wenn sich jemand
darum kümmern sollte, dann wir .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum habt ihr dann keinen Untersuchungsausschuss eingesetzt?)


– Ich hatte angeregt, einen Untersuchungsausschuss ein-
zusetzen .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo ist der Antrag?)


Aber die einfache Begründung dagegen war, dass sei-
nerzeit Prozesse liefen, die wir abwarten sollten, auch
um mehr über die Geschäfte zu lernen . Das ist ja relativ
einfach, weil es um Betrug und nicht um falsche Gesetz-
gebung geht . Insofern ist die Interpretation der Gesetz-
gebung hinsichtlich der betrügerischen Absichten eigent-
lich eindeutig abgegrenzt . Dass das Gebaren rechtswidrig
ist, ist völlig klar .

Es ist gut, dass wir jetzt einen Untersuchungsaus-
schuss einsetzen . Allerdings steht in der Antragsbegrün-
dung ein Wort, das mich ein bisschen irritiert hat; dort ist
nämlich von einem „Ermittlungsbeauftragten“ die Rede .
Meine Sorge ist, dass wir in dem Untersuchungsaus-
schuss sehr viel beauftragen und sehr wenig selber tun .
Mein Anspruch an den Untersuchungsausschuss ist aber,
dass wir selbst Aktenstudium betreiben, um eigenständig
urteilsfähig zu werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass wir dabei neben der Exekutive die Betrüger nicht
vergessen, ist sicherlich eine wichtige Aufgabe des Parla-
ments . Gelingt uns das, haben wir eine Gesamtschau des-
sen, was auf dem Markt passiert ist; dann kommen wir si-
cher zu guten Ergebnissen, verbunden mit der Hoffnung,
dass wir daraus auch gesetzgeberische Konsequenzen für
die Zukunft ableiten können .

Schönen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814413000

Das Wort hat der Kollege Philipp Graf Lerchenfeld für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Graf Philipp Lerchenfeld (CSU):
Rede ID: ID1814413100

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es freut mich, dass wir

heute bei diesem Antrag der Opposition feststellen kön-
nen, dass die Opposition tatsächlich lernfähig ist .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Was man von euch nicht sagen kann!)


Sie hat von Januar bis September immer gefordert, ei-
nen Sonderermittler einzusetzen, während wir Ihnen ver-

nünftigerweise vorgegeben haben, einen Untersuchungs-
ausschuss einzufordern .


(Dr . Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie es dann nicht beantragt? – Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie es doch beantragt! Sie hätten doch nicht auf uns warten müssen! Sie hätten das Quorum schon erreicht!)


Jetzt fordern Sie ihn ein, und damit ist eigentlich end-
lich etwas erfüllt worden, das wir schon lange gefordert
haben . Vielen herzlichen Dank, dass Sie so klug sind,
unseren Rat anzunehmen . Ich hoffe, dass das ein gutes
Beispiel für die Zukunft ist und dass Sie häufiger das tun, 
was wir Ihnen raten .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nennen sich doch Regierung! Dann müssen Sie nachlegen!)


Der Auftrag an den Untersuchungsausschuss ist mit
einem sehr umfangreichen Fragenkatalog versehen . Es
wird sicherlich nicht einfach sein, alle diese Fragen zu
beantworten . Sie sind teilweise sehr allgemein gefasst
und teilweise sehr detailliert . Aber letztendlich wird der
ganze komplexe Sachverhalt, der von dem Kollegen
schon beschrieben wurde, nicht vollumfänglich erfasst .

Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass die-
se Fälle komplexen Steuerbetrugs derzeit noch aufgeklärt
werden, dass noch nicht alle Fakten vorliegen, dass ver-
schleiert wurde und noch nicht alles vollständig klar ist .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat jetzt Herr Binding aber anders gesagt!)


Kürzlich akzeptierte die HVB eine Geldbuße von fast
10 Millionen Euro, da sie in den Jahren 2005 bis 2008
entsprechende Geschäfte über ihre britische Tochter ab-
gewickelt hat . Die Strafe für die Bank war deswegen so
gering, weil sie selber tatkräftig an der Aufklärung mitge-
arbeitet hat . Denn sonst wären diese komplizierten Sach-
verhalte nicht aufzuklären gewesen . Die Gesamtkosten
einschließlich der Steuernachzahlung für die Bank belie-
fen sich angabegemäß auf insgesamt circa 250 Millionen
Euro .

Die Aufklärung ist immer noch im Gange . Zahlreiche
Steuerfahnder und Staatsanwälte ermitteln weiterhin und
erhoffen sich, dass allein durch das Beispiel der HVB
vielleicht auch andere Banken sich jetzt dazu durchrin-
gen, endlich den Sachverhalt aufzudecken, damit das ge-
samte Ausmaß des Betrugs deutlich wird .

Das Beispiel der HVB zeigt aber auch, wie unglaub-
lich kompliziert dieser Sachverhalt ist . Es wird schwie-
rig und langwierig sein, eine vollständige Aufklärung zu
erreichen . Die ersten Hinweise auf diese Betrügereien
kamen vom Bankenverband bereits im Jahr 2002 . Aller-
dings waren sie nicht so konkret, dass sie zu entsprechen-
den Prüfungen geführt haben . Vor allem hatte man nicht
die heutigen Erkenntnisse . Die Modelle waren außerdem
mit größtmöglicher Verschleierung konstruiert . Damit ist

Lothar Binding (Heidelberg)


Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514184


(A) (C)



(B) (D)


eine Entdeckung sehr, sehr schwierig geworden . Ich bin
sehr gespannt, ob es uns jetzt gelingen wird, in dem Un-
tersuchungsausschuss Klarheit in die Sache zu bringen .

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Oppo-
sition,  interessant finde  ich  Ihre Frage 3  im Antrag zur 
Einsetzung des Untersuchungsausschusses . Sie fra-
gen danach, „welche Stellen und welche Personen auf
der staatlichen Seite nicht rechtzeitig die notwendigen
Maßnahmen ergriffen haben, um Cum-Ex-Geschäfte zu
unterbinden, und damit für den entstandenen Schaden
einerseits formal und andererseits tatsächlich mitverant-
wortlich sind“ . Nun frage ich mich – und ich bin schon
sehr gespannt darauf –, ob Sie dann im Ausschuss den
früheren Bundeskanzler Schröder und den früheren Bun-
desfinanzminister  Eichel  als  Zeugen  benennen  wollen. 
Denn letztendlich geht das Ganze auf das Gesetz zur Un-
ternehmensteuerreform von 1999 zurück, das unter die-
sen Herren geschaffen wurde . Dadurch wurde die Lücke
für Cum-Ex-Geschäfte erst geöffnet .

Oder werden Sie, wie vorhin der Kollege Hauer ganz
richtig gefragt hat, Frau Christine Scheel als ehemalige
Vorsitzende des Finanzausschusses im Untersuchungs-
ausschuss befragen? Sie war von 1998 bis 2005 Vorsit-
zende des Finanzausschusses und hätte als solche auch
reagieren können .

Sie können nicht das Ganze uns in die Schuhe schie-
ben; ein bisschen davon müssen Sie auch in Ihren eige-
nen Schuhen suchen .

Der Fragenkatalog beinhaltet auch Fragen zur Redu-
zierung des gesamten entstandenen Schadens, zu Vor-
kehrungen zur Vermeidung ähnlicher Gestaltungen und
dazu, ob Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Bund 
und Ländern auf dem Gebiet des Vollzugs der Steuerge-
setze durch eine Gesetzesänderung oder sogar durch eine
Änderung des Grundgesetzes behoben werden müssen .
Das sind sehr umfangreiche Fragenkomplexe, die viel
Fachkenntnis und Expertenwissen erforderlich machen .
Ich bin gespannt, welche Antworten wir letztlich erhalten
werden und ob und vor allem auch wann wir angesichts
dieser komplexen Fragen mit einem befriedigenden Er-
gebnis des Untersuchungsausschusses rechnen können .

Wir werden im Untersuchungsausschuss konstruktiv
mitarbeiten,


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ja immer besser!)


und ich freue mich schon auf diese Arbeit .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814413200

Der Kollege Dr . Jens Zimmermann hat für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Jens Zimmermann (SPD):
Rede ID: ID1814413300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir

haben im Finanzausschuss schon die eine oder andere
Debatte über dieses Thema geführt . An dieser Stelle hat
gerade mein Kollege Lothar Binding immer wieder da-
rauf hingewiesen, dass ein Untersuchungsausschuss ei-
gentlich das geeignete Instrument zur Aufklärung dieses
Themas ist. Deswegen finde ich es auch nur folgerichtig, 
dass Sie Ihr Anliegen mit diesem Antrag auf Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses jetzt ins Parlament
bringen .

Wir – das kann ich für die SPD-Fraktion sagen –
werden die Arbeit unterstützen; denn auch wir haben
natürlich ein Erkenntnisinteresse . Man sollte aber nicht
verkennen: Wenn man mit das schärfste Schwert zieht,
das wir als Parlament haben – ein Untersuchungsaus-
schuss –, dann ist das auch mit einer gewissen Verant-
wortung verbunden . Damit gehe ich auf die Begründung
zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses ein . Da
fällt ganz oft das Wort „Sonderermittler“ .

Es ist vollkommen richtig – darauf wurde schon hin-
gewiesen –: Im PUAG ist dieses Instrument rechtlich
geregelt . Deswegen ist es vollkommen legitim, dass ein
Untersuchungsausschuss am Ende sich auch dessen be-
dient . Aber Sie sollten nicht glauben – das will ich für
unsere Fraktion schon an dieser Stelle klarmachen –, dass
es so geht: Wir als Parlament setzen jetzt einen Unter-
suchungsausschuss ein, dieser Untersuchungsausschuss
beauftragt dann jemanden, der die ganze Arbeit macht,


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das machen wir nicht!)


und die Parlamentarier treffen sich dann zwei- oder drei-
mal, um die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen .

Ich verbringe seit einem Jahr jeden Donnerstag einer
Sitzungswoche zwölf Stunden im NSA-Untersuchungs-
ausschuss – auch mit Ihren Kollegen, mit Herrn Ströbele
und Herrn von Notz . Das ist Arbeit . Das macht viel Ar-
beit . Nur dann, wenn wir als Parlamentarier diesen Un-
tersuchungsausschuss am Ende auch mit Leben füllen,
verdient er wirklich die Einsetzung .


(Dr . Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seien Sie unbesorgt! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden noch Ihre Freude an uns haben!)


Wir als SPD-Fraktion werden sehr genau darauf achten
und sehr darauf drängen, dass Sie dieser Arbeit im Unter-
suchungsausschuss nachkommen .


(Beifall des Abg . Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Einfach einen Sonderermittler einsetzen, und das war
es – das wird es mit uns nicht geben, meine Damen und
Herren .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich, wenn ich beim Entwurf des Einset-
zungsbeschlusses bin, noch auf einen Punkt eingehen,
den ich doch sehr bemerkenswert finde. Unter Nummer 5 
zielen Sie auf die öffentlich-rechtlichen Banken ab . Das

Philipp Graf Lerchenfeld

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14185


(A) (C)



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finde  ich  vollkommen  in  Ordnung;  denn  wir  haben  in 
der Bankenkrise gesehen, dass dort in der Vergangenheit
Fehler gemacht wurden und nicht alles so gelaufen ist,
wie wir uns das vorstellen . Aber gerade heute Morgen ist
über die Ticker und durch die Medien gegangen: Die Hy-
poVereinsbank hat jetzt eine Strafe gezahlt – genau zum
Thema der Cum-Ex-Geschäfte . Ich frage mich: Wollen
wir das überhaupt nicht aufklären? Wollen wir uns nicht
darüber unterhalten, was mit den privaten Banken ist?

Eine Sache bei einem Untersuchungsausschuss ist –
das habe ich in dem einen Jahr auch gelernt –, dass man
den Einsetzungsbeschluss präzise formuliert . Wenn wir
nicht hineinschreiben, dass wir uns zum Beispiel auch
um die privaten Banken kümmern wollen, dann wird das
am Ende im Untersuchungsausschuss auch nur schwer
möglich sein . Das sollten wir dann also noch tun, meine
Damen und Herren .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Der Untersuchungsauftrag muss präzise sein!)


Zum Abschluss . Wir sollten eines nicht vergessen und
auch mit einer gewissen Demut an die ganze Sache he-
rangehen . Es ist immer unglaublich leicht, zwölf Jahre
später zu fragen: Warum hat man damals nicht? Das ist
richtig . Es kann nicht das Interesse des Parlaments sein,
zu versuchen, Dinge, die vor vielen Jahren falsch gelau-
fen sind, irgendwie unter den Teppich zu kehren . Aber
ich glaube, wir müssen an dieser Stelle schon auch ein
bisschen schauen, wie das Umfeld damals war . Eines
haben wir doch in der Zeit seit 2008 gesehen: Wir sind
als Gesetzgeber nach der Finanzkrise unglaublich aktiv

geworden . Wir haben sehr viele Lücken geschlossen und
Probleme gelöst, die zuvor existiert haben .

Auch in den Banken hat ein Kulturwandel eingesetzt,
der uns aber bei weitem noch nicht weit genug und nicht
schnell genug geht . Wir sollten an dieser Stelle nicht ver-
gessen, auch die Rolle der Banken ordentlich unter die
Lupe zu nehmen . Denn am Ende des Tages waren all die-
se Geschäfte vor allem deshalb möglich, weil es willige
Helferinnen und Helfer gab, und diese möchte ich auch
zur Verantwortung ziehen .

Vielen Dank und schönes Wochenende .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814413400

Ich schließe die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/6839 an den Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen . Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die
Überweisung so beschlossen .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 16 . Dezember 2015, 13 Uhr, ein .

Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung
ist geschlossen .