Dr. Jens Zimmermann
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14187
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Flisek, Christian SPD 04 .12 .2015
Grindel, Reinhard CDU/CSU 04 .12 .2015
Gunkel, Wolfgang SPD 04 .12 .2015
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
04 .12 .2015
Jantz, Christina SPD 04 .12 .2015
Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04 .12 .2015
Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
04 .12 .2015
Kömpel, Birgit SPD 04 .12 .2015
Lagosky, Uwe CDU/CSU 04 .12 .2015
Lamers, Dr . Karl A . CDU/CSU 04 .12 .2015
Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 04 .12 .2015
Mortler, Marlene CDU/CSU 04 .12 .2015
Nahles, Andrea SPD 04 .12 .2015
Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
04 .12 .2015
Schnieder, Patrick CDU/CSU 04 .12 .2015
Spinrath, Norbert SPD 04 .12 .2015
Steinbach, Erika CDU/CSU 04 .12 .2015
Uhl, Dr . Hans-Peter CDU/CSU 04 .12 .2015
Wicklein, Andrea SPD 04 .12 .2015
Wilms, Dr . Valerie BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
04 .12 .2015
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Michaela Noll und Alexander
Radwan (beide CDU/CSU) zu der namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun-
desregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Wir haben der Beschlussempfehlung zum Antrag der
Bundesregierung „Einsatz bewaffneter deutscher Streit-
kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS“ zuge-
stimmt, da dieser Einsatz ein Zeichen der Solidarität mit
Frankreich ist und Frankreich nach den Anschlägen von
Paris Deutschland ausdrücklich um Unterstützung im
Kampf gegen den IS gebeten hat .
Rechtsgrundlage des Einsatzes ist die UN-Resoluti-
on 2249, die die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des
Terrors und Eindämmung des IS in Syrien und Irak auf-
ruft . Zudem ist Deutschland bereits seit September 2014
Teil der internationalen Allianz im Kampf gegen den IS .
Die Bundeswehr beteiligt sich bereits seit vergangenem
Jahr mit der Ausrüstung und Ausbildung kurdischer Pe-
schmerga in Nordirak .
Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass der
Kampf gegen den IS und den Terror nicht allein militä-
risch zu gewinnen ist . Eine Einbettung in den politischen
Prozess ist unerlässlich . Für den politischen Prozess
wurde bereits bei der Wiener Konferenz ein erster wich-
tiger Grundstein gelegt . Ziel der Verhandlungen ist ein
Waffenstillstand, die Bildung einer Übergangsregierung
und die Aussöhnung der politischen Gegner . Es ist eine
Befriedung der gesamten Region notwendig . Aus unserer
Sicht ist es unerlässlich, die muslimischen Länder und
die arabischen Länder miteinzubeziehen, dabei ist es be-
reits gelungen, Iran und Saudi-Arabien an einen Tisch zu
bringen . Es ist entscheidend, dass die Nachbarländer Sy-
riens ein ebenso großes Interesse an Frieden haben und
gegen den IS kämpfen . Es darf nicht sein, dass sich die
Probleme aus Syrien weiter in die Nachbarstaaten ver-
lagern .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel
Bas, Uwe Beckmeier, Willi Brase, Martin Burkert,
Petra Crone, Bernhard Daldrup, Elvira Drobinski-
Weiß, Siegmund Ehrmann, Elke Ferner, Ulrich
Freese, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Iris
Gleicke, Angelika Glöckner, Ulrike Gottschalck,
Gabriele Groneberg, Michael Hartmann, Dirk
Heidenblut, Hubertus Heil, Gabriela Heinrich,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514188
(A) (C)
(B) (D)
Markus Held, Gustav Herzog, Thomas Hitschler,
Josip Juratovic, Oliver Kaczmarek, Gabriele
Katzmarek, Ulrich Kelber, Arno Klare, Lars
Klingbeil, Dr. Bärbel Kofler, Dr. Hans-Ulrich
Krüger, Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten
Lühmann, Helga Kühn-Mengel, Caren Marks,
Katja Mast, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup,
Susanne Mittag, Michelle Müntefering, Dietmar
Nietan, Ulli Nissen, Detlev Pilger, Stefan Rebmann,
Dr. Carola Reimann, Petra Rode-Bosse, Bernd
Rützel, Annette Sawade, Axel Schäfer, Marianne
Schieder, Dr. Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt,
Elfi Scho-Antwerpes, Frank Schwabe, Stefan
Schwartze, Carsten Träger, Ute Vogt, Bernd
Westphal, Brigitte Zypries (alle SPD) zu der na-
mentlichen Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Mit großer Sorge blicken wir auf die Lage in Syrien .
Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi-
tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen
Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi-
litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs-
truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und
im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge-
setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen
Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge-
lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus-
ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern
und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher
Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14189
(A) (C)
(B) (D)
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – müssen mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen
und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An-
strengungen zur Integration insbesondere junger Musli-
me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften
und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir
dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit-
kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer
Staat“ zu .
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Marco Bülow und Cansel
Kiziltepe (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Auswär-
tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie-
rung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Verein-
ten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz
7 des Vertrages über die Europäische Union sowie
den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249
(2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
(Zusatztagesordnungspunkt 5)
Die Anschläge in Paris waren abscheulich, und unser
Mitgefühl und unsere Solidarität gehören den Angehöri-
gen und denen, die diesen Terror erleben mussten . Nichts
kann den Terror und die Gewaltakte rechtfertigen, mit de-
nen der sogenannte „Islamische Staat“, Boko Haram und
andere extremistische Gruppen in immer mehr Regionen
der Welt Menschen in Angst und Schrecken versetzen .
Genau diese Gruppen hätten wir schon längst viel ent-
schlossener als bisher bekämpfen müssen . Auch militä-
rische Mittel dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden .
Frankreich ist unser wichtigster europäischer Partner .
Wir müssen den Franzosen in diesem schweren Augen-
blick helfen und sie unterstützen . Wir sind aber der Auf-
fassung, dass die Unterstützung mit einem militärischen
Kampfeinsatz ein falsches Zeichen der Solidarität ist .
Guten Freunden muss man auch sagen können, dass man
glaubt, dass ihre Pläne in die falsche Richtung gehen .
Seit den Anschlägen in New York 2001 versuchen
die USA und ihre Alliierten, den Terror vor allem mili-
tärisch zu bekämpfen . Dieser Weg ist gescheitert . Der is-
lamistische Terror ist stärker denn je . Es herrscht zudem
eine Doppelmoral, weil gleichzeitig extreme Regime
und menschenverachtende Staaten wie Saudi-Arabien
unterstützt und weiterhin mit Waffen beliefert werden .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514190
(A) (C)
(B) (D)
Die westliche Welt hat durch ihr Vorgehen zur Destabi-
lisierung und zur Radikalisierung beigetragen . Militär-
interventionen haben die Zustände in einigen Regionen
verschlimmert und viele Menschen in die Hände der
Ex tremisten getrieben . Deshalb ist eine militärische Ant-
wort auf die Terrorangriffe – vor allem aus der Luft – ge-
nau das, was die Terroristen wollen .
Wieder wollen wir konzeptlos und übereilt einen Ein-
satz starten, dessen Ausmaß wir noch gar nicht abschät-
zen können . Auch gibt es keine Exitstrategie . Wenn man
sich dennoch dazu entscheidet, dann sollte man unsere
Bevölkerung wenigstens nicht täuschen . Dieser Mili-
täreinsatz ist ein Kriegseinsatz . Ein Einsatz, der wahr-
scheinlich lange dauert, sehr viel Geld und Ressourcen
verschlingen und vor allem viele Opfer fordern wird . Ein
Rückzug ist dann kaum mehr verantwortbar . Und zur
Wahrheit gehört auch: Er wird die Gefahr von Terroran-
schlägen hierzulande erhöhen .
Verhandeln kann man mit Terroristen nicht, und des-
halb gibt es Gründe für den Einsatz, die nicht hauptsäch-
lich mit der Solidarität zu Frankreich zu tun haben und
auch offen genannt werden sollten . Für uns überwiegen
aber eindeutig die Gegenargumente, die wir hier noch
einmal auflisten möchten:
Es besteht keine völkerrechtliche Grundlage für diesen
Einsatz . Rechtlich gesehen ist ein militärisches Eingrei-
fen, wie in Syrien, ein Verstoß gegen das Völkerrecht .
Eine Legitimation kann nur der Sicherheitsrat der Verein-
ten Nationen geben . Wer leichtfertig auf ein UN-Mandat
verzichtet, der darf dann zukünftig andere Nationen nicht
belehren, sich doch solch ein Mandat einzuholen .
Es gibt kein abgestimmtes Konzept, ein Ziel oder
eine Strategie . In diesem Krieg führen bereits 14 Staa-
ten Krieg mit unterschiedlichen Zielen . Selbst der Vor-
sitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger, hat vor kurzem in einem Interview deutlich
gemacht, dass die EU „immer noch keine glaubhafte Sy-
rien-Strategie“ hat .
Auch führende Militärs kritisieren die Vorgehenswei-
se und auch die Sprache dieses Einsatzes . Denn diese mi-
litärische Aktion ist ein Kriegseinsatz, der nach Exper-
tenmeinungen lange andauern muss, wenn er die Chance
haben soll, erfolgreich zu sein . Es wird verschwiegen,
dass die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland
dadurch steigt .
Wir haben keine Lehren aus den vergangenen Terror-
einsätzen gezogen . In Afghanistan und im Irak wird zum
Beispiel seit vielen Jahren ein sogenannter Krieg gegen
den Terror geführt mit dem Effekt, dass die Extremisten
stärker sind als je zuvor . Terror kann man nicht genauso
bekämpfen wie einen Diktator .
Gerade bei Luftangriffen muss man mit vielen zivi-
len Opfern rechnen . Die Familien und Freunde solcher
Opfer treibt man förmlich in die Arme der Terroristen .
Eine Spirale der Gewalt hilft selten, zu einer Lösung zu
kommen . Eine Abwägung wurde bisher nicht getroffen .
Bei solch einer wichtigen Frage, bei der es um Si-
cherheit, Leben und Tod – auch unserer Soldaten – geht,
brauchen wir eine intensive, differenzierte Diskussion .
Eine solche Abstimmung im Parforceritt innerhalb von
wenigen Tagen im Parlament durchzusetzen, schadet
der Demokratie . Es ist nicht vorstellbar, dass irgendein
Abgeordneter wirklich in der Lage ist, die Folgen seiner
Abstimmung abzusehen .
Wenn man wirklich entschlossen handeln will, dann
müssten andere mutige Schritte eingeleitet werden, mit
denen man dem „IS“ wirklich das Wasser abgraben kann .
Dazu gehört es beispielsweise, ihre Finanzquellen auszu-
trocknen und sie von neuen Waffenlieferungen und dem
Nachschub an neuen Kämpfern abzuschneiden . Dafür ist
es nötig, besonders die türkische Grenze besser zu kont-
rollieren und für diesen Nachschub zu schließen . Zudem
müssten endlich die Beziehungen zu Saudi-Arabien und
anderen diktatorischen islamistischen Staaten überdacht
werden . Alle Waffenlieferungen an solche Staaten müss-
ten sofort unterbunden werden . Insgesamt müsste viel
mehr Hilfe an die Länder in der Region fließen, die ver-
suchen, ein demokratisches System aufzubauen, und in
denen die verschiedenen Religionen noch friedlich zu-
sammenleben – so wie dies beispielsweise in Äthiopien
der Fall ist . Auch den Sunniten in der Region, die auf-
grund von erfahrener Unterdrückung durch Schiiten und
Perspektivlosigkeit den „IS“ teilweise unterstützen, muss
eine Perspektive gegeben werden .
Syrien braucht eine politische Lösung . Syrien braucht
Maßnahmen, welche den Menschen eine lebenswerte
Zukunft in Aussicht stellt .
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Rita Hagl-Kehl und Hilde
Mattheis (beide SPD) zu der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Auswär-
tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie-
rung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Dieser Einsatz ist Folge der Terroranschläge von Paris
am 13 . November 2015, zu dem sich der sogenannte „Is-
lamische Staat“ (IS) bekannte . In Folge ersuchte Frank-
reich die Unterstützung der Mitgliedstaaten der EU auf
Grundlage des Artikels 42 EUV zu einem Militäreinsatz
gegen den sogenannten IS in Syrien . Die Bundesregie-
rung begründet die Unterstützung französischer Militär-
einsätze mit der Notwendigkeit europäischer Solidarität .
Begründet wird der Einsatz damit, dass es sich um
eine asymmetrische Bedrohung handele, das heißt nicht
Staaten sich kriegerisch bekämpfen, sondern einzelne
Kämpfer gezielt versuchen, durch Anschläge in anderen
Staaten Terror zu säen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14191
(A) (C)
(B) (D)
Ich verurteile diesen Terror aufs Schärfste und stehe
solidarisch zu den Opfern und deren Angehörigen der
Anschläge in Paris, Beirut und anderen Städten .
Ich habe entschieden, dem Antrag der Bundesregie-
rung nicht zuzustimmen . Folgende Gründe habe ich für
meine Haltung:
Es gibt kein robustes Mandat der Vereinten Nationen
für einen Kampfeinsatz in Syrien .
Es lässt sich im jetzigen Militäreinsatz der französi-
schen Armee kein schlüssiges Gesamtkonzept erkennen .
Es ist unklar, welches Ziel am Ende des Einsatzes steht .
Es ist ebenfalls unklar, bis wann ein solches Ziel erreicht
werden könnte . Somit erscheint der Einsatz übereilt und
unüberlegt .
Das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ermöglicht
einen weiten Spielraum, wie dieser Einsatz sich zukünf-
tig gestaltet: Obwohl die Bundeswehr nun für ein Jahr
mandatiert werden soll, spricht die Verteidigungsminis-
terin von der Leyen von einem Einsatz von mindestens
zehn Jahren . Gleichzeitig meinen viele Experten, dass
ein Krieg gegen den sogenannten IS ohne Bodentruppen
nicht zu gewinnen sei . Offen ist also, ob eine Ausweitung
des Einsatzes daher bald folgen wird . Diese Fragen blei-
ben ungeklärt .
Die Attentäter von Paris stammten mutmaßlich aus
Frankreich, Belgien oder anderen europäischen Staaten .
Es wird mit dem Einsatz nicht in den Blick genommen,
dass also offensichtlich überwiegend Menschen aus dem
eigenen Land diesen Terror verursachen . Eine entschei-
dende und überzeugende Antwort wäre also eine soziale
und bildungsfördernde Initiative für junge Menschen in
den jeweiligen Brennpunkten der europäischen Länder .
Nur so kann durch Integration verhindert werden, dass
sich Menschen Terrororganisationen zuwenden . Ebenso
ist bis heute nicht geklärt, ob die Terroranschläge von
Paris tatsächlich von Syrien aus geplant und koordiniert
wurden . Entsprechende Beweise konnten nicht vorgelegt
werden . Das Argument der Verteidigung Frankreichs
nach einem Angriff ist nicht haltbar, da es sich beim so-
genannten IS auch nicht um einen Staat handelt .
Die Kriege in Afghanistan und im Irak, die ebenfalls
mit dem Kampf gegen Terror begründet wurden, haben
gezeigt, dass es mit einem militärischen Einsatz keine
Perspektive für einen geordneten Friedensprozess gibt,
sondern die Regionen durch das vorschnelle militärische
Eingreifen Gefahr laufen, weiter destabilisiert zu werden .
Die bislang praktizierten militärischen Einsätze tragen
unserer Auffassung nach nicht zu einer Befriedung bei . In
der unübersichtlichen Gemengelage zwischen den USA,
Russland, der Türkei, der EU, Saudi-Arabien sowie dem
Assad-Regime wird keine klare Strategie sichtbar, wie
dem sogenannten IS wirksam begegnet werden kann .
Die Konfliktursachen im Nahen Osten werden ebenso
wenig bearbeitet wie die Rekrutierungsmöglichkeiten für
die menschenverachtende Ideologie, der unter anderem
auch der sogenannte IS anhängt, in Europa . Auch hierfür
fehlt es an einer schlüssigen Analyse und Strategie .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 Absatz 2 GO
des Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) zu
der namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
An den heute stattfindenden zwei namentlichen Ab-
stimmungen zum Zusatztagesordnungspunkt 5 – Antrag
der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte und Entschließungsantrag der Fraktion Die
Linke – kann ich entsprechend § 31 Absatz 2 der Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages leider nicht
teilnehmen .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner und Cem Özdemir (alle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun-
desregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Erstens . Die Terroranschläge in Paris am 13 . No-
vember 2015 waren ein Angriff auf unsere freiheitliche
Ordnung in Europa . Ziel der Attacke waren unsere euro-
päischen Grundwerte der Demokratie, der Achtung der
Menschenwürde, der Wahrung der Menschenrechte und
des pluralistischen Zusammenlebens in gegenseitigem
Respekt . Die verheerenden Anschläge in Paris galten
eben nicht allein Frankreich, sondern richten sich gegen
das liberale Europa .
Zweitens . Präsident Hollande hat sich mit der Bitte
um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, son-
dern an die Solidarität der Europäischen Union appel-
liert . Unsere grünen Freunde in Frankreich haben dem
Einsatz in Syrien größtenteils zugestimmt . Wer jetzt
Frankreich die erbetene militärische Unterstützung ver-
weigert, läuft Gefahr, die gegenseitige Solidarität – den
Kernbestand der europäischen Idee – noch weiter zu
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514192
(A) (C)
(B) (D)
unterhöhlen, als es ohnehin schon der Fall ist . Die EU
sieht sich momentan Fliehkräften ausgesetzt, welche
ein Zusammenrücken wichtiger denn je machen . Dazu
zählen das Erstarken rechtspopulistischer Strömungen
und Parteien, die Folgen der Finanzkrise in Griechen-
land, die Diskussionen um Abspaltungen von der EU,
das Wiedererstarken von Nationalismen und das Ringen
um gemeinsame Antworten in der Flüchtlingspolitik . Die
Solidarität mit Frankreich, unserem engsten Partner in
Europa, steht daher für uns außer Frage . Eine deutsche
Verweigerung gibt der französischen Rechten außerdem
das Argument an die Hand, nicht die ungeliebte EU, son-
dern das „partnerschaftliche“ Russland stehe der Nation
bei . Die Propaganda des Kremls wird daraus einen Vor-
teil zu ziehen wissen . Der Zusammenhalt innerhalb Eu-
ropas ist daher der wichtige Grund, warum Paris uns jetzt
an seiner Seite braucht . Daher halten wir es grundsätzlich
für richtig, dem Gesuch unserer französischen Freunde
nachzukommen und sie im Kampf gegen den sogenann-
ten „Islamischen Staat“ bzw . Da'isch auch militärisch zu
unterstützen .
Drittens . Das Argument, man dürfe in Syrien kei-
nen Krieg führen, verstellt den Blick auf eine unbeque-
me Realität: Der Krieg ist in Syrien seit Jahren blutige
Wirklichkeit . Der Krieg in Syrien ist ausgebrochen,
weil Assad mit brutaler Gewalt gegen große Teile der
Bevölkerung vorging, die sich gegen seine despotische
Herrschaft auflehnten. Zehntausende sind verhaftet,
verschwunden oder gefoltert worden . Als es für dieses
verbrecherische Regime immer enger wurde, kamen der
Iran, die Hisbollah und die russische militärische Auf-
rüstung Assad zu Hilfe . Der IS kämpfte sich in Gebiete
vor, die die Freie Syrische Armee erobert hatte . Assads
Armee bekämpfte nicht den IS, sondern überzog die ei-
gene Bevölkerung mit chemischen Waffen und Fassbom-
ben . Wir dürfen nicht ausblenden, dass vier Jahre später
der brutale Konflikt Assads gegen die eigene Bevölke-
rung weiter tobt und der völkerrechtswidrige Einsatz von
Fassbomben grausame Alltäglichkeit ist . Assad hat den
weit überwiegenden Teil der mehr als 220 000 Toten zu
verantworten . Er ist auch verantwortlich für den übergro-
ßen Teil der syrischen Flüchtlinge .
Viertens . Der Terror, die menschenverachtende Ideo-
logie und die enorme Gewalt, die von Da'isch ausgeht,
erfordern zweifelsfrei ein entschiedenes Vorgehen der
Staatengemeinschaft . Ohne einen politischen Transfor-
mationsprozess in Syrien und einer inklusiven irakischen
Regierung wird man Da'isch nicht besiegen können . Wir
müssen aber auch bereit sein, uns auch militärischen
Mitteln nicht zu verschließen, um durch ein territoriales
Zurückdrängen von Da'isch Raum für eine politische
Lösung zu schaffen . Allein durch Einschränkung der
ausländischen Finanzströme und des Ölhandels mit dem
IS lässt sich der Terror nicht austrocknen . Die wichtigste
(Finanz-)Ressource des IS ist die unter seiner Kontrol-
le stehende Bevölkerung und seine Fähigkeit, Tausende
Dschihadisten aus aller Welt anzuziehen, zu trainieren
und in den Kampf zu schicken . Diese Ressourcen wird
man nur einschränken können, wenn man dem IS wieder
Territorium abringt .
Fünftens. Zugleich wird in Syrien ein Konflikt zwi-
schen benachbarten Mächten ausgetragen . Der Iran will
Assad als Verbündeten an der Macht halten . Saudi-Ara-
bien und Katar wollen eine Vormachtstellung des Iran
in Syrien verhindern und unterstützen die Rebellen . Sie
haben aus demselben Grund aber auch lange den IS ge-
stützt . Die Türkei hat ihrerseits ein zumindest undurch-
sichtiges Verhältnis zum IS und bekämpft die einzige
erfolgreiche Kraft, die vermocht hat, den IS zurückzu-
drängen – die kurdischen Kämpfer .
Sechstens . Das erklärte Ziel Russlands ist es, Assad an
der Macht zu halten . Bisher haben die russischen Luftan-
griffe den Rebellen und kaum dem IS gegolten . Sie wa-
ren und sind mit hohen Verlusten in der Zivilbevölkerung
verbunden und haben die Flüchtlingskrise verschärft . Die
Entscheidung von Präsident Putin, mit der Luftwaffe und
Spezialeinheiten am Boden in den Krieg einzugreifen, hat
das Assad-Regime aus der Defensive geholt . Gleichzei-
tig hat die Stationierung hochmoderner russischer Flug-
abwehrsysteme (S 300 und S 400) das Kräfteverhältnis
massiv zugunsten russischer Konditionen verschoben .
Siebtens . Daher: Die Ziele der militärischen Allianz
gegen ISIS sind widersprüchlich . Die zweifelhafte Rolle
Russlands im Syrien-Konflikt verstärkt die Befürchtung,
dass der Einsatz der Bundeswehr in Syrien zu einer mi-
litärischen Kooperation mit der Armee Assads führen
könnte . Weder das Mandat noch die Äußerungen der
Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen
Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit
Russland erfolgen soll . Es ist nicht klar, ob die Türkei
und Russland sich mit den westlichen Alliierten darauf
verständigt haben, ausschließlich gegen den IS und nicht
gegen die Freie Syrische Armee und andere unabhängige
Rebellengruppen vorzugehen . Insbesondere schließt das
Mandat eine Kooperation mit der Regierung des syri-
schen Staatspräsidenten Baschar al-Assad nicht aus . Die
widersprüchlichen Aussagen der Bundesregierung dazu
im Vorfeld der Abstimmung haben unsere dahingehenden
Sorgen noch verstärkt . Sowohl der französische Außen-
minister als auch die deutsche Verteidigungsministerin
sprechen von der Assad-Armee als möglichem Partner
im Kampf am Boden . Damit steigt die Wahrscheinlich-
keit, dass diese Intervention ein bipolares Machtsystem
herbeiführen wird: auf der einen Seite der IS und auf der
anderen Seite ein gestärktes Assad- Regime . Die Freie
Syrische Armee, so heterogen sie auch ist, droht zerrie-
ben zu werden, wenn sie weiterhin das Ziel der Truppen
Assads bleibt . Das wird große Teile der sunnitischen
Milizen dem IS in die Arme treiben . Der IS würde da-
mit faktisch gestärkt . Die Kurden drohen, zwischen die
Mühlsteine zu geraten . Dabei muss aus unserer Sicht
auch klar sein: Eine Kooperation mit Moskau darf nicht
auf Kosten der Ukraine geschehen .
Achtens . Alle diese offenen Fragen müssten vor einer
Einsatzentscheidung geklärt sein . Sonst wird ein Einsatz
beschlossen, bei dem die Teilnehmer der Koalition mög-
licherweise entgegengesetzte Ziele verfolgen und in der
Konsequenz den IS nicht zurückdrängen, sondern stär-
ken .
Bisher steht bei dieser Entscheidung demgemäß nur
die Alternative zwischen schlecht und schlechter zur
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14193
(A) (C)
(B) (D)
Wahl . Leider hat die Bundesregierung auf diese gestell-
ten Fragen keine Antwort gegeben, um zu einer sachge-
rechten Entscheidung kommen zu können . So bleibt nur
die Wahl zwischen Enthaltung und Nein . Eine Ableh-
nung allerdings würde das dringend notwendige unver-
brüchliche Bündnis zwischen Frankreich und Deutsch-
land in Frage stellen . Eine Enthaltung – auch wenn sie
angesichts des Gewichts der Entscheidung ungewöhn-
lich sein mag – kann dem politischen Dilemma Ausdruck
verleihen: „Ja“, weil der IS auch militärisch bekämpft
werden muss und das deutsch-französische Bündnis der
elementare Kern der europäischen Union bleiben muss .
„Nein“, weil die politischen Rahmenbedingungen dieses
Einsatzes in fundamentalen Fragen bisher ungeklärt ge-
blieben sind .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Dieter
Janecek und Kerstin Andreae (alle (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung
über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Seit Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien . Das
Assad-Regime hat mit einer gnadenlosen Kriegsführung
gegen das eigene Volk Syrien ins Chaos gestürzt . Es hat
damit den Boden bereitet für das Ausbreiten des Terror-
netzwerkes des sogenannten „Islamischen Staates“ IS .
Das Assad-Regime und der IS haben mit unvorstellba-
rer Brutalität die eigene Bevölkerung zur massenhaften
Flucht aus Syrien getrieben . Die Völkergemeinschaft hat
dieser Entwicklung lange tatenlos zugesehen, einzelne
Staaten haben aus sehr nationalen Gründen den Konflikt
weiter angeheizt, zum Beispiel mit Geldzuwendungen,
Ankauf von Öl aus erbeuteten Ölquellen bis hin zur krie-
gerischen Unterstützung einzelner Akteure . Die westli-
che Staatengemeinschaft hat erst mit dem Fall von Ko-
bane ein Bewusstsein entwickelt, in dem Konflikt selbst
Partei zu ergreifen . So hat der Deutsche Bundestag ent-
schieden, Waffen an die Kurden zu liefern um damit den
drohenden Genozid der Jesiden durch den IS abzuwen-
den . Nur zögerlich wurden in diesem Zusammenhang
auch diplomatische Bemühungen in Gang gesetzt mit
dem Ziel, eine Befriedung der Region zu erreichen . Klar
wurde schon bei dieser Entscheidung zur Verhinderung
weiterer Gräueltaten, dass unbedingt ein umfassenderes
Konzept entwickelt werden muss, um ein Ausbreiten des
Konfliktes zu verhindern. Nachdem auf UN-Ebene eine
gemeinsame Haltung zumindest nicht kurzfristig erreich-
bar ist – obwohl die Maßgabe „responsibility to protect“
das eigentlich erfordert – muss vor allem auf europäi-
scher Ebene ein strategisches Konzept entwickelt wer-
den .
In dieser Situation haben die Anschläge von Paris in
schrecklicher Weise aufgezeigt, dass die Sicherheit selbst
in Europa gefährdet ist . Aber vor dem Hintergrund Tau-
sender Toter in Syrien und von Millionen Flüchtlingen
hat sich die Situation nicht grundlegend verändert . Viel-
mehr ist mehr als deutlich geworden, dass nur ein auf
langfristige Veränderung ausgelegtes Konzept die Hoff-
nung auf eine Befriedung erlaubt . Kurzfristiges militäri-
sches Eingreifen – in Afghanistan, im Irak, in Tunesien –
haben uns in jüngster Vergangenheit vor Augen geführt,
dass Militärschläge ohne eine Struktur im jeweiligen
Land die Länder bzw . Regionen destabilisieren und das
Gegenteil ihres Zieles bewirken . Ein Gegenbeispiel ist
die Situation in Mali . Vor dem Hintergrund vorhandener
staatlicher Strukturen scheint es dort zu gelingen, mit-
hilfe des französischen militärischen Einsatzes eine Be-
friedung zu erreichen . So ist es unabdingbar, zumindest
eine Idee über die Strukturen in der Region zu haben, in
der eine Befriedung und Stabilisierung erreicht werden
soll . – Und Maßnahmen, diese Ideen auch umzusetzen .
So sehr nach den menschenverachtenden Anschlä-
gen von Paris auch die Reaktion und Bitte der franzö-
sischen Regierung verständlich ist, die Aufnahme eines
Luftkrieges zu unterstützen, umso mehr muss Deutsch-
land die – sehr beschränkten – Möglichkeiten militäri-
scher Aktionen abwägen . Dabei sind Ziele, Zeitraum und
Verantwortung des heute vorgelegten Mandates nicht
klar beschrieben und sind damit keine Option, die einen
auch nur kleinen Schritt in Richtung einer Lösung des
Konfliktes erkennen lassen. Der Einsatz deutscher Trup-
pen – und da spielt es keine Rolle, welche Aufgabe diese
haben – kann keinesfalls allein mit einem Freundschafts-
dienst für die befreundete französische Nation begründet
werden .
Solidarität zeigt sich nicht darin, eine falsche Strategie
zu unterstützen . Deshalb kann ich dem von der Bundes-
regierung vorgeschlagenen Mandat zur Unterstützung
des französischen Einsatzes in Syrien nicht zustimmen .
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Sylivia Kotting-
Uhl, Monika Lazar, Peter Meiwald, Beate Müller-
Gemmeke, Tabea Rößner und Corinna Rüffer (alle
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentli-
chen Abstimmung über die Beschlussempfehlung
des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der
Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514194
(A) (C)
(B) (D)
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Terror und Terroristen können mit Militäreinsätzen
nicht besiegt werden . Das ist noch nie gelungen . Seit
mehr als einem Jahr werden Luftangriffe gegen den IS
geflogen, und er konnte dadurch nicht einmal ansatz-
weise gestoppt werden . Diese Bomben-Strategie weiter-
zuverfolgen und sogar noch zu verstärken, ist nicht nur
sinnlos, sondern auch höchst verantwortungslos . Denn
sie birgt das unkalkulierbare Risiko, dass sich das Virus
der Terrormiliz weiter verbreitet . Wer auf immer mehr
Bomben gegen ISIS setzt, aber die brutale Gewalt des
Assad-Regimes gegen die Zivilbevölkerung nicht unter-
bindet, treibt dem ISIS immer neue Dschihadisten in die
Arme .
Deshalb wäre es nötig, sich mit aller Kraft dafür ein-
zusetzen, die Luftangriffe sowie die Fassbombenangriffe
des Assad-Regimes auf die Zivilbevölkerung zu stoppen
und alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Ziel
muss es sein, dass die Menschen in Syrien wieder Hoff-
nung auf eine friedliche Zukunft haben können . Eines ist
dabei klar: Mit Assad wird es genauso wenig Frieden ge-
ben wie mit ISIS .
An einer friedlichen Lösung, die das Sterben beendet
und es den Menschen wieder ermöglicht, in ihre Hei-
mat zurückzukehren, arbeitet die Bundesregierung nicht
ernsthaft . Diplomatische Mittel bleiben ungenutzt, und
stattdessen werden Soldaten in einen Krieg mit unvorher-
sehbaren Folgen geschickt . Die Luftangriffe des Westens
werden auch dazu beitragen, die Zivilbevölkerung zu ter-
rorisieren . Es werden noch mehr Menschen zur Flucht
gezwungen, die Region weiter destabilisiert und eine
Friedenslösung in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich .
Deshalb lehne ich das Bundeswehrmandat für Syrien ab
und stimme mit „Nein“ .
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Katja Keul, Maria Klein-
Schmeink und Irene Mihalic (alle BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung
über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Warum wir den bewaffneten Einsatz in Syrien ableh-
nen müssen: Nachdem bereits beim Einsatz im Nordirak
die vom Grundgesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen
für einen Bundeswehreinsatz ignoriert worden sind, wird
mit dem Einsatz in Syrien auch die weitere Hürde des
Völkerrechts abgeräumt .
Bislang hat sich die Bundesregierung immer von der
amerikanischen Sichtweise eines „war on terror“, der zu
einem weltweiten beliebigen Einsatz militärischer Mittel,
also zum unbegrenzten Krieg, berechtige, distanziert . In-
dem aber jetzt Artikel 51 der UN-Charta (Selbstverteidi-
gung) herangezogen wird, um auf einen Terrorakt inner-
halb Europas mit militärischen Mitteln zu reagieren, gibt
die Bundesregierung diese Haltung auf und schwenkt auf
einen Kurs ein, der nicht mehr als Auslegung, sondern
nur noch als Bruch von Völkerrecht bezeichnet werden
kann . In der Konsequenz würde jeder Staat künftig selbst
entscheiden, wo und wann er einen kriminellen Akt für
schlimm genug hält, um darauf mit kriegerischen Mitteln
zu reagieren und das Gewaltmonopol der UNO außer
Kraft zu setzen .
Der Mainstream lautet nun: Eine Rechtsgrundlage
wäre ganz schön, aber wenn es ernst wird, kann man sich
nicht durch rechtliche Argumente hindern lassen . Das
ist der Abschied vom Konsens der Völkergemeinschaft
nach 1945, wonach Krieg nur durch die Verrechtlichung
der internationalen Beziehungen vermieden werden kann
und muss .
Manche glauben auch, auf eine Rechtsgrundlage kön-
ne es nicht ankommen, wenn es wenigstens eine gemein-
same Strategie gäbe . Sie verkennen, dass die fehlende
Rechtsgrundlage nichts weiter ist als das dokumentierte
Fehlen einer gemeinsamen Strategie . Gäbe es eine ge-
meinsame Strategie, wäre sie im Sicherheitsrat beschlos-
sen worden .
Die Mütter und Väter der UN-Charta haben sich die
Normen nicht einfach so ausgedacht, sondern aus der Er-
fahrung verheerender Vernichtung heraus formuliert . Ge-
sichtswahrung und missverstandene Solidarität standen
schon zu oft am Beginn verheerender Kriege . Statt dieser
Logik zu widerstehen und die UN-Charta zu verteidigen,
gibt nun auch die Bundesregierung ihren Widerstand da-
gegen auf .
Wer aber die Verfassung und das Völkerrecht im An-
gesicht großer Betroffenheit wie eine lästige juristische
Formalie betrachtet, gibt der Spirale aus Gewalt und
Gegengewalt einen Freiraum, den er selbst nicht mehr
begrenzen kann .
Zu den Rechtsgrundlagen im Einzelnen:
UN-Charta: Die UN-Resolution 2249 vom 20 . No-
vember 2015 fordert alle Staaten auf, im Rahmen des
Völkerrechts alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um
terroristische Handlungen zu verhüten und den siche-
ren Zufluchtsort zu beseitigen, den der IS in erheblichen
Teilen Iraks und Syriens geschaffen habe . Dennoch fehlt
die ausdrückliche Autorisierung von Gewaltanwendung
und der dafür unverzichtbare Bezug auf Kapitel VII der
UN-Charta .
Der Verweis auf das Völkerrecht durch das Gremium,
das im Rahmen seiner Zuständigkeit selber Völkerrecht
setzen kann, macht zusätzlich deutlich: Der Sicherheits-
rat hätte die Möglichkeit gehabt, Gewaltanwendung zu
autorisieren, und hat es dennoch nicht getan .
Russland hatte einen eigenen Vorschlag vorgelegt, wo-
nach die Lufteinsätze mit Einverständnis der syrischen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14195
(A) (C)
(B) (D)
Regierung hätten erfolgen können . Auf dieser Grundlage
agiert die russische Luftwaffe seit Ende September . Als
man sich darauf nicht einigen konnte, hat die russische
Seite ihren Entwurf zugunsten der französischen Vorlage
zurückgezogen . Diese Kooperation macht deutlich, dass
der Sicherheitsrat keinesfalls blockiert wäre, wie manche
behaupten, sondern durchaus handlungsfähig ist .
Die amerikanischen Lufteinsätze wurden seinerzeit
von der syrischen Regierung ebenfalls begrüßt mit der
Bedingung, dass diese mit ihr koordiniert würden . Diese
Bedingung haben die Amerikaner zwar brüsk zurück ge-
wiesen . Dennoch ist davon auszugehen, dass eine solche
Koordinierung tatsächlich stattgefunden hat, da anderen-
falls das Agieren im syrischen Luftraum schlicht nicht
möglich gewesen wäre .
Untragbar ist die Berufung auf Artikel 51 UN-Char-
ta . Die Selbstverteidigung kann nur gegen den Angrei-
fer gerichtet sein und einen gegenwärtigen Angriff ab-
wehren . Wer die Angreifer von Paris gesteuert hat, ist
im Einzelnen noch zu ermitteln . Sicherlich war es nicht
der syrische Staat . Anders als nach 9/11 gibt es auch in
der jetzigen Resolution 2249 keinerlei Bezug auf Arti-
kel 51 – so auch Professor Reinhard Merkel in der FAZ
vom 19 . November .
Nichts ist gefährlicher für das System der kollekti-
ven Sicherheit nach der UN-Charta und damit für den
Weltfrieden als eine staatliche Befugnis zur militärischen
Gewalt, die sich nicht mehr als Selbstverteidigung gegen
akute Angriffe, sondern darüber hinaus als Gefahrenvor-
sorge für die Zukunft versteht .
Grundgesetz: Verstößt ein Militäreinsatz gegen das
Völkerrecht, ist er automatisch immer auch verfassungs-
widrig, weil das Grundgesetz eine strikte Bindung an
das Völkerrecht vorsieht . Darüber hinaus schreibt Arti-
kel 24 GG fest, dass die Bundeswehr im Ausland jenseits
der Selbstverteidigung nur im Rahmen eines Systems
kollektiver Sicherheit tätig werden darf . Ohne UN-Man-
dat ist dies nicht der Fall und der Militäreinsatz ist daher
ebenso verfassungswidrig wie der Einsatz im Nordirak .
Artikel 42 Lissabon-Vertrag:
Die EU ist weder ein Militärbündnis, noch ein System
kollektiver Sicherheit – so auch Röttgen in der FAZ vom
28 . November .
Nach Artikel 42 Absatz 7 Lissabon-Vertrag sind die
Mitglieder verpflichtet, sich im Fall eines bewaffneten
Angriffs gegenseitig alle in ihrer Macht stehende Hilfe
und Unterstützung zu leisten .
Zunächst einmal sind die Attentate von Paris als ver-
brecherische Akte krimineller Akteure einzuordnen und
kein bewaffneter Angriff mit militärischen Mitteln, so-
dass schon aus diesem Grund keine militärischen Maß-
nahmen geschuldet sind .
Darüber hinaus wären diese Angriffe nicht mehr ge-
genwärtig . Das allerdings wäre weitere Voraussetzung,
um das Selbstverteidigungsrecht angegriffener Staaten
auszulösen .
Das Selbstverteidigungsrecht zum Krieg außerhalb
der Kontrolle und ohne Autorisierung durch den Si-
cherheitsrat wird nur im engen Rahmen eines akut ge-
genwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriffs
gewährt . Darüber besteht im Völkerrecht Einigkeit . Die
Bei stands pflicht des Artikel 42 Absatz 7 wird aber aus-
drücklich „im Einklang mit Artikel 51 der UN-Charta“
gewährleistet .
Die EU ist außerdem kein Militärbündnis, da sonst die
neutralen Staaten wie beispielsweise Österreich gar nicht
hätten Mitglied werden dürfen . Das war auch Konsens
unter den Vertragschließenden .
Es ist besonders verheerend, wenn ausgerechnet jetzt
in Krisenzeiten den bislang unberechtigten Unterstellun-
gen linker Gegner des Lissabon-Vertrages im Hinblick
auf eine Militarisierung der EU Vorschub geleistet wird .
Immerhin macht sich der Außenminister diese Ausle-
gung auch nicht zu eigen . Nach seiner Aussage in der
Sonderfraktionssitzung der grünen Bundestagsfraktion
soll der Lissabon-Vertrag hier nicht als Grundlage für
militärische Interventionen herangezogen werden .
Sicherheitspolitische Argumente: Am Ende sind alle
militärischen Einsätze, die jenseits einer abgestimmten
Strategie der internationalen Gemeinschaft erfolgen,
kontraproduktiv, weil sie sinnloser Gewalt weitere sinn-
lose Gewalt entgegensetzen, um die eigene Hilflosigkeit
zu kaschieren .
Jeder scheinbare Erfolg gegen den IS in Syrien führt
nur zu einem Ausweichen in den libyschen Rückzugs-
raum . Wer mit tunesischen Sicherheitspolitikern spricht,
weiß, was das für deren Land bedeutet . Einem Angriff
des IS aus Libyen könnte die tunesische Armee schlicht
nicht standhalten . Libysche Beobachter berichten, dass
der IS aus der Luft mit Waffen versorgt wird, und zwar
mit modernstem amerikanischen Material, von dem die
tunesischen Streitkräfte nur träumen können .
Unkoordinierte Bombardierungen sind keine Strate-
gie gegen den IS . Im Gegenteil: Bislang hat der IS jede
Bombardierung zum Anlass genommen, beim jeweili-
gen Akteur Anschläge zu begehen . Seit Ende September
fliegt Russland Luftangriffe und Ende Oktober erfolgte
der Anschlag auf das russische Passagierflugzeug über
dem Sinai .
Die Franzosen bombardieren ebenfalls seit Septem-
ber 2015 . Es wäre naiv zu glauben, dass sich die An-
schlagsgefahr in Deutschland durch ein militärisches
Eingreifen nicht substanziell erhöhen würde . Hinzuneh-
men wäre dieses Risiko aber allenfalls dann, wenn es der
Preis für irgendeine Aussicht auf Erfolg wäre . Nach der
jetzigen Lage wäre der Preis schlicht umsonst gezahlt .
Es führt kein Lösungsweg an einer Einigung im Si-
cherheitsrat vorbei . Die deutsche Bundesregierung muss
deutlich machen, dass sie dann und nur dann zu einer mi-
litärischen Unterstützung bereit ist . Hier muss sie jetzt
ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen . Wenn sie
jetzt dem Druck für einen Kriegseinsatz nachgibt, gibt es
niemanden mehr, der glaubwürdig Druck für eine Eini-
gung im Sicherheitsrat aufbauen kann .
Die Verhandlungen über die Resolution 2249 haben
gezeigt, dass die Akteure durchaus kooperationsfähig
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514196
(A) (C)
(B) (D)
sind . Jetzt gäbe es eine große Chance, den Sicherheits-
rat als Inhaber des globalen Gewaltmonopols zu stärken,
anstatt über die illegitime Ausdehnung des Artikel 51
UN-Charta die Grundlagen des Völkerrechts insgesamt
zu unterminieren .
Die Bundesregierung muss darauf bestehen, dass eine
Koordinierung der militärischen Aktionen, mithin eine
gemeinsame Strategie der internationalen Gemeinschaft
gefunden und im Sicherheitsrat beschlossen wird, bevor
sie sich an militärischer Gewalt beteiligt .
Welche gravierenden Folgen ein unabgestimmtes
Agieren verschiedener Akteure im syrischen Luftraum
haben kann, haben wir gerade erst beim Abschuss des
russischen Flugzeuges durch die Türkei erlebt .
Was den IS hingegen wirklich getroffen und verunsi-
chert hat, ist die Willkommenskultur gegenüber den mus-
limischen Flüchtlingen . Diese Verhaltensweise des ver-
teufelten Westens stellt die eigene Existenzberechtigung
des „Islamischen Staates“ in Frage und wirkt bedrohli-
cher als jede Bombe . Eine gemeinsame Strategie sollte
daher auch diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren .
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Tom Koenigs, Manuel Sarrazin,
Kordula Schulz-Asche (alle BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über
die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Aus-
schusses zu dem Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Nein, es ist keine einfache Entscheidung, dem Antrag
der Bundesregierung zum Einsatz der Bundeswehr ge-
gen den sogenannten „Islamischen Staat“ zuzustimmen .
Viele Menschen in Deutschland haben Zweifel an der
Beteiligung ihres Landes, und sie haben gute Gründe .
Die Schnelligkeit, mit der der Bundestag jetzt entschei-
den soll, ist nicht nachvollziehbar . Denn der nun unzurei-
chende politische Diskurs ist diesem wichtigen Mandat
nicht angemessen .
Gleichzeitig halten wir das Mandat für völkerrecht-
lich ausreichend legitimiert . Der VN-Sicherheitsrat hat
mit seiner Resolution am 20 . November dafür die Basis
geschaffen . Einer der Gründe für das Versagen der Staa-
tengemeinschaft im Syrien-Konflikt war die Blockade
des Sicherheitsrates durch Russland und China . Diese
Blockade ist nun beendet; wir können und müssen in Sy-
rien handeln . Deutschland sollte daran mitwirken, dass
jetzt entschieden und planvoll gehandelt wird .
Solche verheerenden Terroranschläge wie in Paris gel-
ten nicht allein einem Land, sondern richten sich gegen
das liberale Europa und eine pluralistische Lebensweise .
Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um Beistand
bewusst nicht an die NATO gewandt, sondern an die So-
lidarität der Europäischen Union appelliert . Frankreich
vertritt in einer Koalition gegen den sogenannten „Isla-
mischen Staat“ dadurch nicht mehr nur französische In-
teressen, wenn es um eine politische Lösung des Kon-
flikts in Syrien geht, sondern versucht, gestärkt durch
eine gemeinsame europäische Position, eine internati-
onale Lösung für den Konflikt zu schmieden. Dabei ist
das Vorgehen Frankreichs noch nicht so, wie wir uns eine
europäische Lösung vorstellen . Es ist noch stark bilateral
geprägt und nutzt nicht alle Möglichkeiten der Gemein-
samen Sicherheits- und Verteidigungspolitik . Dennoch
ist es ein erster bemerkenswerter Schritt dahin, die eigene
nationale Verteidigung künftig nicht mehr national, son-
dern europäisch zu verstehen und zu organisieren .
Frankreich hat Deutschland, seinen engsten Partner
in Europa und der Welt, um Unterstützung gebeten . Wir
dürfen jetzt Frankreich die erbetene militärische Unter-
stützung nicht verweigern, da wir sonst Gefahr laufen,
die gegenseitige Solidarität – den Kernbestand der euro-
päischen Idee – noch weiter zu unterhöhlen, als es ohne-
hin schon der Fall ist . Unsere grünen Freunde in Frank-
reich haben dem Einsatz in Syrien zugestimmt . Viele
Länder – auch Frankreich – engagieren sich bereits jetzt
im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ –
mit unterschiedlichen Motivationen und Strategien .
Das Argument, man dürfe in Syrien keinen Krieg füh-
ren, verstellt den Blick auf eine unbequeme Realität: Der
Krieg ist in Syrien seit Jahren blutige Wirklichkeit . Zu-
dem geschehen in den Gebieten, die der sogenannte „Is-
lamische Staat“ erobert, die schrecklichsten Gräueltaten .
Tausende Menschen werden grausam ermordet, misshan-
delt und versklavt . Es geht also um die Frage, wie ein
Krieg und das Schreckensregime des sogenannten „Isla-
mischen Staates“ beendet werden können, damit Raum
für eine politische Lösung geschaffen wird . Denn dass
man diesen Konflikt nicht militärisch gewinnen kann,
weiß auch die Bundesregierung . Deshalb muss Deutsch-
lands militärisches Engagement nun umso größeres
Engagement auf der zivilen Seite zur Folge haben . Der
Frieden muss jetzt vorbereitet werden . Dazu gehört die
Stabilisierung des Iraks, die Reform des irakischen Si-
cherheitssektors, die Verhandlungen zu Syrien in Wien,
ein Waffenstillstand in Syrien .
Mit diesem Mandat wird Deutschland Teil einer he-
terogenen Koalition von Akteuren, die zum Teil unter-
schiedliche Ziele verfolgen . Es ist bisher nicht geklärt, ob
es eine Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen gegeben
hat . Es ist nicht klar, ob die Türkei und Russland sich mit
den westlichen Alliierten darauf verständigt haben, aus-
schließlich gegen den sogenannten „Islamischen Staat“
und nicht gegen die Freie Syrische Armee und andere
unabhängige Rebellengruppen vorzugehen . Auch die
Frage nach einem gemeinsamen Militärkommando mit
Russland ist ungeklärt . Strebt die westliche Allianz ein
solches Bündnis an – und wenn ja, mit welchen Zielen
und zu welchen Bedingungen? Die Koalition muss sich
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14197
(A) (C)
(B) (D)
auf eine politische Linie einigen – vor allem, um die Poli-
tik nach dem Waffenstillstand vorzubereiten, wenn diese
Koalition erst richtig nötig ist . Das ist auch unser Kritik-
punkt an der VN-Resolution, die den Einsatz mandatiert:
Sie gibt diese Linie nicht vor . Das muss nun innerhalb
der Koalition geschehen .
Diese offenen Fragen machen die Zustimmung zum
jetzigen Zeitpunkt nicht leicht . Es stimmt, eine politisch
konsistente Gesamtstrategie fehlt . Deutschland sollte
seine Fähigkeiten nutzen, an ihrer Entwicklung mitzu-
wirken . Eine Beteiligung Deutschlands stärkt die Ver-
handlungsposition der Franzosen und damit Europas ge-
genüber anderen Akteuren, die gegen den sogenannten
„Islamischen Staat“ kämpfen . Hier könnte auch endlich
ein profunder Ansatz zur Bekämpfung von Fluchtursa-
chen liegen, und das wäre zusätzlich eine maßgebliche
Unterstützung der Nachbarländer, die ebenfalls mit die-
ser Herausforderung konfrontiert sind .
Dazu gehört auch verstärkte humanitäre Hilfe . Der
Zugang zur notleidenden Bevölkerung ist den Hilfsor-
ganisationen nach wie vor in vielen Teilen Syriens und
des Iraks versperrt . Daran müssen wir arbeiten, das muss
sich ändern . Die Bundesregierung muss letztendlich si-
cherstellen, dass sie in der Ausführung dieses Mandats
das humanitäre Völkerrecht strikt beachtet und dass die
Zivilbevölkerung geschützt wird .
Aber nicht nur Deutschland, auch die anderen Koali-
tionspartner sind dazu verpflichtet. Die Bundesregierung
muss alles dafür tun, dass auch sie sich an die Regeln
des humanitären Völkerrechts halten . Im Interesse der
Menschenrechte muss Deutschland seine Stimme hörbar
machen .
Anlage 12
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation IS auf
Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Ver-
einten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Ab-
satz 7 des Vertrages über die Europäische Union
sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015),
2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen (Zusatztagesordnungspunkt 5)
Heike Baehrens (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, veränderten sie vor ei-
niger Zeit ihre Strategie . Die Terrorgruppe ISIS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu-
nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass der zugrunde liegende Sy-
rien-Konflikt letztlich nur politisch entschärft werden
kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbeson-
dere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amts-
übernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist
es, dass die Vereinten Nationen und ihr Sonderbeauftrag-
ter, Staffan Domingo de Mistura, die führende Rolle in
diesem Konflikt ausüben können. Eine erste Konferenz
zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wur-
de auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin
durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur
Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns
mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von
Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen
jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder-
gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits-
gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne
ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden.
Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Exper-
ten Professor Volker Perthes geleitet . Die Ergebnisse der
vier Arbeitsgruppen können Grundlage einer Vereinba-
rung zur politischen Konfliktregelung werden.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514198
(A) (C)
(B) (D)
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
und Personal im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu
gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflug-
zeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französi-
schen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch und werde dies in der Zukunft auch weiter nach-
drücklich einfordern, dass die Bundesregierung ihr En-
gagement nicht auf das Militärische konzentriert . Das
militärische Engagement im und über dem Operations-
gebiet der Terrororganisation ISIS ist nur ein Teil des
gesamten Engagements in der Region . Absolute Priorität
muss weiterhin der politische Verhandlungsprozess ha-
ben, wie er in Wien begonnen wurde . Hierdurch hat sich
eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrie-
ges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ih-
ren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass ISIS erfolgreich ist
in seinem perfiden Plan, Hass in unseren Gesellschaften
zu säen . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS
selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht
dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen
Flüchtlinge zu hetzen oder gar Muslime auszugrenzen .
Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration
insbesondere junger Muslime müssen gesteigert wer-
den, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu
verhindern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische
Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete
ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates,
mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vor-
zugehen .
In Anbetracht der über 6 Millionen Binnenflüchtlinge
und über 4 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern
und in Europa müssen wir weiterhin humanitäre Hilfe
und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Seit 2012 ha-
ben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung
gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für hu-
manitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über
400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement
für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen im Nahen Osten
in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und
den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und wo
möglich und nötig zu verstärken .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge wirkungsvoll zu
unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich
möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den bruta-
len Bürgerkrieg in Syrien mit bisher schon mehr als
250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung
zu ermöglichen . Nach Abwägung all dieser Umstände
stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung
terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation
„Islamischer Staat“ zu .
Annalena Baerbock (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN):
Ich bin davon überzeugt, dass man einen militärischen
Einsatz gegen den sogenannten „IS“ – im Folgenden ver-
wende ich den Begriff Da'isch – durchaus auch braucht .
Das vorgelegte Mandat halte ich aber für nicht zustim-
mungsfähig .
Die Terroranschläge in Paris galten nicht allein Frank-
reich, sondern richten sich gegen das liberale Europa,
unsere Werte und unsere säkulare, pluralistische Lebens-
weise . Frankreichs Präsident Hollande hat sich mit der
Bitte um Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt,
sondern an die Solidarität der Europäischen Union ap-
pelliert . Wie immer man also entscheidet: Man muss re-
flektieren, was diese Entscheidung für das deutsch-fran-
zösische Verhältnis bedeutet . Es ist daher alles andere als
leicht, diesem Mandat nicht zuzustimmen . Wir müssen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14199
(A) (C)
(B) (D)
und werden Frankreich unterstützen – zum Beispiel auch
durch unseren Einsatz in Mali . Das steht für mich außer
Frage . Der von der Koalition vorgelegte Mandatstext für
Syrien enthält jedoch so viele offene Fragen und Unklar-
heiten, dass ich darin nicht die Unterstützung sehe, auf
die es jetzt ankäme . Zudem ist es mehr ein Vergeltungs-
schlag als eine politische Antwort auf die Gräueltaten des
Da'isch .
Die unbequeme Realität ist leider: Der Krieg ist in Sy-
rien seit fünf Jahren blutige Wirklichkeit . Deswegen geht
es zuvorderst um die Frage, wie dieser Krieg beendet
werden kann, um Raum für eine politische Lösung her-
beizuführen . Wichtig ist darüber hinaus die Einschrän-
kung der ausländischen Finanzströme und des Ölhandels
von Da'isch, aber allein damit lässt sich ihr Terror nicht
austrocknen . Die bedeutendste Ressource des Da'isch ist
die unter seiner Kontrolle stehende Bevölkerung und sei-
ne Fähigkeit, tausende Dschihadisten aus aller Welt an-
zuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken .
Diese Ressourcen wird man nur einschränken können,
wenn man Da'isch wieder Territorium abringt – wie es
im übrigen zum Beispiel den Peschmerga-Kämpfern im
Nordirak gelungen ist .
Russland hat seit dem . 30 . September 2015 massiv
zugunsten des Assad-Regimes in den Konflikt eingegrif-
fen . Dabei trafen seine Angriffe bislang vorwiegend die
syrischen Widerstandskämpfer und weniger Da'isch . Die
Türkei geht gegen Stellungen der Kurden in Syrien vor,
die wiederum verstärkt von den USA unterstützt werden .
All dies macht deutlich, dass die Allianz der Willigen, die
dort jetzt verstärkt eingreifen, kein gemeinsamer Wille
eint, sondern sie widersprüchliche Ziele verfolgen . Auch
fährt die Bundesverteidigungsministerin einen Zickzack-
kurs in Bezug auf die Beteiligung der Regierungstruppen
von Assad . Weder das Mandat noch die Äußerungen der
Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen
Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit
Russland – das Assads Armee unterstützt – erfolgen soll .
Insbesondere offen ist: Wer sind die Kooperationspartner
als Bodentruppen, wer wird dabei wie stabilisiert und un-
terstützt? Wer schließt zum Beispiel das Vakuum am Bo-
den, wenn Da'isch dort verdrängt wurde? Diese Fragen
sind zu relevant und auch zu riskant, als dass ein Mandat
sie offen lassen dürfte . Angesichts einer so komplexen
Akteurskonstellation braucht es hier Klarheit, bevor die
deutschen Truppen entsendet werden .
Zudem ist die völkerrechtliche Grundlage für das
Mandat enorm umstritten, auch deswegen stimme ich
mit Nein .
Auch die mittelfristigen Ziele und politischen Strate-
gien dieser militärischen Intervention in Syrien sind un-
klar . Wie soll der Übergang zu einer Post-Assad-Ära ge-
staltet werden? Wie will die westliche Allianz den Schutz
von Minderheiten und die Beteiligung aller relevanten
Gruppen an einem politischen Prozess zur Zukunft des
Landes sicherstellen? Wie könnte eine Nachkriegsord-
nung für Syrien aussehen?
Leider hat die Bundesregierung ein extrem verkürztes
parlamentarisches Verfahren gewählt, sodass nicht ein-
mal eine angemessene, parlamentarische Beratung über
diese Fragen stattfinden konnte. So sehr rasches Han-
deln nötig ist und so sehr auch die Solidarität mit unse-
ren französischen und insgesamt europäischen Partnern
selbstverständlich ist – bevor der Startpunkt für einen
womöglich jahrelangen Bundeswehreinsatz gesetzt wird,
müssen die Rahmenbedingungen erörtert werden . Hierzu
gehört:
– die Akteure zu benennen, mit denen kooperiert und
Informationen ausgetauscht werden und sich auch
über diejenigen Akteure klarzuwerden, mit denen
ein solcher Austausch nicht erfolgt – hierzu gehört
für mich die klare Festlegung darauf, dass mit der
Assad-Armee nicht zusammengearbeitet wird –,
– eine planvolle, politische Strategie zu bedenken
und darzulegen, was zum Beispiel mit erkämpften
Gebieten geschieht und wie Arrangements für ei-
nen Waffenstillstand vereinbart werden können .
Insgesamt bleiben zu viele entscheidende Fragen
offen, das Handeln besitzt keine klare Perspektive und
scheint damit auch hilflos. Es braucht dagegen eine lang-
fristige Strategie – in die auch durchaus militärische Ein-
sätze einzubinden sind . Der Wiener Prozess gibt hierfür
leichte Hoffnung . Dieser Einsatz ist so wenig planvoll,
dass die Gefahr besteht, das Gegenteil zu bewirken von
dem, was beabsichtigt ist .
Daher kann ich dem Mandat in dieser Form nicht zu-
stimmen, auch wenn es mich umtreibt, dass wir seit Jah-
ren unserer Schutzverantwortung nicht nachkommen .
Dr. Matthias Bartke (SPD): Die Lage in Syrien er-
füllt mich mit großer Sorge . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514200
(A) (C)
(B) (D)
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine beispiellose
Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale
Sicherheit ausgeht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in
Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes-
ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben
wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande-
rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län-
der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Die deutsche Bundesregierung unterstützt den politi-
schen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf
dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbezie-
hung der Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen
des Konflikts gegründet wurden. Eine Arbeitsgruppe
wird vom deutschen Nahost- Experten Professor Volker
Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeits-
gruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung ge-
schaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung
näherzukommen . Dabei spielt auch die Stabilisierung
befreiter Gebiete eine ganz wesentliche Rolle .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden
Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör-
fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre
Heimat zurückzukehren .
Dazu tragen auch unsere zivilen Stabilisierungsmaß-
nahmen bei, zum Beispiel die Förderung von Maßnah-
men zur Sicherung von Strom- und Wasserversorgung,
aber auch Strukturen für die medizinische Grundversor-
gung . Auf diese Weise wirken wir dem Staatszerfall in
den Oppositionsgebieten entgegen, erhalten Infrastruktur
aufrecht und schaffen Bleibeperspektiven .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mili-
tärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe
ich mich nach reiflicher Überlegung, intensiven Diskus-
sionen und einem schwierigen Abwägungsprozess ent-
schieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustim-
men .
Diese Zustimmung ist mir nur möglich, da gleichzei-
tig alle diplomatischen Mittel für eine politische Lösung
ausgeschöpft werden . Die Bundesregierung konzentriert
ihr Engagement nicht auf die militärische Komponente,
sondern betrachtet das militärische Engagement im und
über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS
nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Re-
gion . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für
eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die
die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nut-
zen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14201
(A) (C)
(B) (D)
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Wir müssen unsere Anstrengun-
gen zur Integration insbesondere junger Muslime stei-
gern, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen
zu verhindern . Des Weiteren muss die Prävention gegen
islamistische Radikalisierung gestärkt werden . Ebenso
müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge-
hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei-
sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver-
fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung umzusetzen .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu . Diese Entscheidung fällt mir sehr schwer, da ich prin-
zipiell der Auffassung bin, dass Konflikte friedlich zu
lösen sind . Ich selber habe drei Jahre meines Lebens am
Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicher-
heitspolitik an der Universität Hamburg gearbeitet . Dort
habe ich mich immer für friedliche Konfliktlösungen
stark gemacht, was bis heute Maxime meiner Entschei-
dungen ist . Es fällt mir daher besonders schwer, zuzu-
gestehen, dass ausschließlich friedliche Lösungsansätze
hier nicht möglich sind .
ISIS stellt sich mit seinem bewusst zur Schau gestell-
ten Terror gegenüber Andersgläubigen und Andersden-
kenden außerhalb jeglicher zivilisatorischer Werte . Ich
bin daher zu der Überzeugung gelangt, dass hier nur eine
Lösung möglich ist, die sowohl auf politische als auch
auf militärische Maßnahmen setzt .
Sören Bartol (SPD): Die Lage in Syrien ist furchtbar .
Die Weltgemeinschaft hat viel zu lange weggeschaut .
Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi-
tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen
Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi-
litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs-
truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und
im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge-
setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen
Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge-
lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus-
ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern
und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher
Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem
regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,
in dem insbesondere die aus dem Irak stammende terro-
ristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewonnen und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror, unter dem die syrische Bevölkerung tagtäg-
lich leidet, vermehrt und konzentriert in die Nachbarlän-
der und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im
tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514202
(A) (C)
(B) (D)
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015
in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung
gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur
Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen
Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch
mit militärischen Mitteln am Kampf der internationalen
Allianz gegen ISIS zu beteiligen . Nach intensiver Prü-
fung hat die Bundesregierung Frankreich militärische
Unterstützung angeboten . Hierzu gehören sowohl Auf-
klärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fre-
gatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich . Sie richteten sich gegen unsere Werte und
unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität
aller Europäer gefordert .
Trotz Skepsis gegenüber einem militärischen Engage-
ment gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich ent-
schieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustim-
men .
Es ist keine leichte Entscheidung . Terror kann man
nicht allein militärisch besiegen; wir müssen seine Wur-
zeln beseitigen – auf politischer und gesellschaftlicher
Ebene . Das militärische Engagement der Bundesregie-
rung ist Teil einer breit angelegten Politik, keinesfalls ihr
Ersatz . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für
eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die
die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nut-
zen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Veronika Bellmann (CDU/CSU): Deutschland be-
findet sich hier in einem echten Dilemma. Auf der einen
Seite steht die Rückeroberung von Gebieten durch die
Peschmerga gegen den barbarischen Da'isch, die auch
mithilfe der Luftangriffe der Alliierten, der deutschen
Waffen und der deutschen Ausbildungsmission erfolgt
ist . Da stehen auch der notwendige entschiedene Kampf
gegen den islamistischen Terror, die schnelle Eindäm-
mung der militärischen Erfolge des IS und die europä-
ische Solidarität zu Frankreich . Wobei uns die Erfah-
rungen aus Afghanistan lehren, welche Folgen spontane
Zusagen von „uneingeschränkter Solidarität“ haben kön-
nen . Ausdrücklich betone ich, lieber im EU-Bündnisfall
mit Frankreich im Wort zu stehen als in einem möglichen
NATO-Bündnisfall mit der zweifelhaft agierenden Tür-
kei .
Auf der anderen Seite fehlt eine geschlossene inter-
nationale Koalition, die mit einem klaren Auftrag, einem
gemeinsamen Ziel und einer abgestimmten Gesamtkon-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14203
(A) (C)
(B) (D)
zeption auch für das Kriegsende und die Zeit danach ge-
gen den sogenannten IS vorgeht . Stattdessen kämpft jeder
gegen jeden . Die Türkei kämpft gegen Kurden, Russland
und Diktator Assad . Russland kämpft mit Assad gegen
gemäßigte Rebellen und die Türkei . Frankreich kämpft
gegen IS und Assad und der IS gegen alle . Dazwischen
fliegen die Briten und Amerikaner Kampfeinsätze, mit
denen sie die Kurden unterstützen, damit die einzigen
Bodentruppen gegen den IS einigermaßen erfolgreich
sein können . Wo ist die Allianz gegen das Böse, und wer
hat den Oberbefehl? In einen solchen Konflikt deutsche
Soldaten zu schicken, und sei es „nur“ in einer Unterstüt-
zungsmission, ist keine einfache Entscheidung .
Mir ist klar, dass die einzig realistische Lösung nur
in einer systematischen, langfristigen und aggressiven
Lösung der Eindämmung des Terrors besteht, zu der
militärische Einsätze dazugehören, aber unbedingt auch
das Unterbinden des Nachschubs von Waffen, Finanzen,
Personal sowie der Öllieferungen, durch die sich Da'isch
finanziert. Dazu gehören aber auch Grundsatzdiskus-
sionen über die Rolle Saudi-Arabiens, Katars oder der
Türkei, über Wahhabismus und fundamentalistischen Is-
lam . Genauso wichtig sind aber Diplomatie und Politik,
mindestens ein europäisches Handlungsmandat, Unter-
stützung der Nachbarstaaten, die von den Flüchtlings-
strömen betroffen sind, aktive Konfliktprävention in den
Staaten, in die der IS zu expandieren versucht . Dafür sind
im Wiener Prozess allenfalls Ansätze erkennbar .
Zu guter Letzt rückt auch der Zustand der Bundeswehr
wieder in den Fokus . Die vielfältigen Einsätze im In- und
Ausland bedingen unbedingt einen finanziellen, techni-
schen und personellen Aufwuchs und ein Ende der Aus-
setzung der Wehrpflicht.
Insofern macht auch die Kürze der Zeit, in der über
das Mandat der Bundeswehr entschieden werden soll,
die Entscheidung nicht einfacher . Es gibt mehr Fragen
als Antworten . Insofern ist mehr als eine Unterstützungs-
mission nicht zu tolerieren . Das Parlament darf nicht nur
das Mandat beschließen, sondern muss es auch dauernd
begleiten und notfalls auch vor Ablauf der Mandatszeit
ändern oder stoppen können . Nur unter dieser Bedingung
stimme ich dem Antrag der Bundesregierung für einen
Bundeswehreinsatz gegen die Terrororganisation IS/
Da'isch zu .
Karin Binder (DIE LINKE): Ich stimme diesem Bun-
deswehreinsatz nicht zu, weil ich diesen Militäreinsatz
für unverantwortlich halte . Tornadoeinsätze und Bom-
bardements treffen wieder einmal zu allererst die Zivilbe-
völkerung . Sie bringen weitere Zerstörung und weiteres
Leid über diese Bevölkerung und treiben aufgebrachte
Menschen geradezu in die Arme der Terroristen .
Zudem wurde bislang keine einzige erkennbare Maß-
nahme ergriffen, die Handlungsmöglichkeiten des IS zu
beschränken . Dabei hätten Deutschland und die EU viele
Möglichkeiten mit politischem Handeln und wirtschaftli-
chen Maßnahmen den IS zu bekämpfen und diesen terro-
ristischen Sumpf auszutrocknen .
Wohlwissend, dass der IS über Länder wie die Tür-
kei oder Saudi-Arabien mit Waffen sowie finanziell und
personell unterstützt wird, werden bis heute auch von
Deutschland Waffen in diese Krisenregion geliefert . Das
ist eine Schande .
Der erste Schritt im Kampf gegen den Terror müsste
ein sofortiger Stopp der Waffenexporte sein . Stattdessen
werden sogar ganze Waffenfabriken zum Beispiel nach
Saudi-Arabien geliefert . Aber daran verdienen einige
Rüstungsunternehmen viel Geld . Also wird der Rüs-
tungsexport aus wirtschaftlichen Interessen von der gro-
ßen Koalition aus CDU/CSU und SPD nicht gestoppt .
Das ist eine Schande .
Ein weiterer, finanzpolitischer Schritt wäre das Ein-
frieren der Finanzmittel des IS . Konten, die den IS bedie-
nen, müssen gesperrt werden . Niemand kann mir weis-
machen, dass diese Konten und Bankverbindungen nicht
bekannt sind . Dass dieser Schritt nicht gegangen wird, ist
ebenfalls eine Schande .
In einem weiteren, wirtschaftspolitischen Schritt muss
der Ölhandel des IS mit seinen Nachbarländern unterbun-
den werden. Dieser Ölhandel finanziert den Terror gegen
die syrische und irakische Bevölkerung und finanziert die
Anschläge gegen die westlichen Industrienationen . Dazu
müssen die Lieferwege dieses Öls unterbrochen und ge-
schlossen werden .
Dazu muss die EU und allen voran die deutsche Re-
gierung ihre politische Zusammenarbeit insbesondere
mit der Türkei und dem Regime Erdogan überdenken
und ändern . Die Türkei müsste diese Öllieferungen un-
terbinden und ihre Grenzen für diesen Handel schließen .
Solange aber das Regime Erdogan diese Terroristen ma-
teriell und personell unterstützt, dürften weder die EU
noch die deutsche Regierung mit der Türkei einfach wie
bisher weiter zusammenarbeiten oder sie gar finanziell
unterstützen .
Aber stattdessen erhält die Türkei zur Abschottung
der EU gegen Flüchtlinge noch zusätzliches Geld . Ganz
abgesehen von der Menschen verachtenden Politik der
EU gegen die geflüchteten Menschen, die wir in ihrer
Notlage einem undemokratischen und Menschenrechte
verletzenden System wie der Türkei überlassen und aus-
liefern, könnten wir dieses Geld dann auch gleich dem IS
zukommen lassen . Auch das ist eine Schande .
Nun wird der Lissabonvertrag und die sogenannte
Beistandsklausel bemüht, um einen Kriegseinsatz zu
rechtfertigen .
Aber Terroristen sind Verbrecher und müssen als sol-
che verfolgt und vor Gericht gestellt werden .
Mit diesem Einsatz begibt sich Deutschland nach
meiner Auffassung in einen neuen Krieg . Mit einem so-
genannten „Krieg gegen den Terror“ wurde nach dem
9 . November 2001 bereits einmal ein ganzes Land zer-
stört und seine Bevölkerung mit Zigtausenden Opfern
ins Mittelalter zurückgebombt . Das alles soll jetzt noch
einmal wiederholt werden?
Obwohl klar ist, dass die Täter von Paris keine Syrer
waren, sondern Europäer, erklärt auch Deutschland mit
diesem Militäreinsatz den Syrerinnen und Syrern den
Krieg .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514204
(A) (C)
(B) (D)
Nach wie vor ist die Bundeswehr nach unserer Ver-
fassung eine Verteidigungsarmee . Nie wieder sollte von
deutschem Boden ein Krieg ausgehen .
Auch deshalb habe ich heute gegen diesen Militärein-
satz der Bundeswehr gestimmt .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Ziel des Ter-
rors ist es, Angst zu schüren, um so die Überlegenen zu
unüberlegten Reaktionen zu verleiten . Daher auch der
Name „Terrorist“ . Terroristen haben nicht die Macht, in
eine offene Konfrontation zu treten . Der Gegner ist ih-
nen militärisch haushoch überlegen . Ihre einzige Hoff-
nung besteht darin, den Gegner so zu reizen, dass er sich
unüberlegt in schwieriges, unübersichtliches Gelände
begibt . Erst dann haben die Terroristen eine Chance, da
im darauffolgenden Chaos die überlegenen Kräfte bzw .
Mächte eigentlich nur verlieren können . Genau dies
passiert gerade in Syrien . Der IS könnte keinen offenen
Kampf gegen „den Westen“ führen . Er kann aber dafür
sorgen, dass wir uns unüberlegt verhalten und keinen
kühlen Kopf bewahren . Die Terroranschläge in Paris ha-
ben Angst und Schrecken verbreitet und eine unüberlegte
Reaktion hervorgerufen – die westlichen Kräfte werden
immer stärker in den Bürgerkrieg hineingezogen . Dieser
Logik möchte ich mich nicht unterwerfen .
Bomben sind keine Lösung . Die Luftangriffe werden
auch immer wieder viele unschuldige zivile Opfer for-
dern, die den Hass auf „den Westen“ weiter schüren wer-
den . Der IS ist doch erst als eine Reaktion auf die Invasi-
on in den Irak, der wir uns erfolgreich widersetzt hatten,
entstanden . Dank Gerhard Schröder . Die Invasionen in
Irak und Afghanistan sollten damals schnell und sauber
ablaufen . Diese Vorstellungen und Hoffnungen haben
sich nicht erfüllt . Schon damals wurde als Reaktion auf
einen Terrorakt unüberlegt in einen Krieg gezogen, der
sich dann als nicht zu gewinnen herausgestellt hat .
Was wird aus unserem Einsatz in Syrien folgen? Ist
eine Befristung denn wirklich realistisch? Wer weiß
denn, wie sich die Situation in einem Jahr verändert hat?
Woran erkennen wir, ob unser Einsatz erfolgreich war?
Ist der IS besiegt? Das sind Fragen, die niemand beant-
worten kann .
Deshalb und aus den weiteren folgenden Punkten wer-
de ich im Bundestag gegen eine Beteiligung Deutsch-
lands am Krieg in Syrien stimmen:
– Es besteht keine völkerrechtliche Grundlage für
diesen Einsatz . Rechtlich gesehen ist ein militäri-
sches Eingreifen, wie in Syrien, ein Verstoß gegen
das Völkerrecht . Eine Legitimation kann nur der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geben . Wer
hier auf ein UN-Mandat verzichtet, der darf dann
zukünftig andere Nationen nicht belehren, wenn
sie ohne Mandat in einen Krieg eintreten .
– Es gibt kein abgestimmtes Konzept oder eine klare
Strategie . In diesem Krieg führen bereits 14 Staa-
ten Krieg mit unterschiedlichen Zielen . Selbst der
Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz,
Wolfgang Ischinger, hat vor kurzem in einem Inter-
view deutlich gemacht, dass die EU „immer noch
keine glaubhafte Syrien-Strategie“ hat .
– Auch führende Militärs kritisieren die Vorgehens-
weise und auch die Sprache dieses Einsatzes . Denn
diese militärische Aktion ist ein Kriegseinsatz, der
nach Expertenmeinungen lange andauern muss,
wenn er die Chance haben soll, erfolgreich zu
sein . Es wird verschwiegen, dass die Gefahr eines
Terror anschlags in Deutschland dadurch steigt .
– Wir haben keine Lehren aus den vergangenen Mi-
litäreinsätzen gegen den Terror gezogen . In Afgha-
nistan und im Irak wird zum Beispiel seit vielen
Jahren ein sogenannter Krieg gegen den Terror ge-
führt mit dem Effekt, dass die Extremisten stärker
sind als je zuvor . Terror kann man nicht genauso
bekämpfen wie diktatorische Regime .
– Gerade bei Luftangriffen muss man mit vielen zi-
vilen Opfern rechnen . Die Familien und Freunde
solcher Opfer treibt man so förmlich in die Arme
der Terroristen . Eine Spirale der Gewalt entsteht .
Eine Abwägung wurde bisher nicht getroffen .
Krieg bleibt für mich, so wie Willy Brandt es einmal
sagte, die „Ultima Irratio“ . Deswegen unterstütze ich alle
diplomatischen Bemühungen Frank-Walter Steinmeiers,
alle Parteien, mit Ausnahme des IS, an einen Tisch zu
bringen . Nur so gibt es eine Hoffnung für Syrien . Ich
verstehe auch jene, die heute mit Blick auf die Rede von
Frank-Walter Steinmeier vor zwei Tagen zustimmen,
weil seine Rede gezeigt hat, dass militärisches Engage-
ment allein keine Lösung darstellt und viele weitere poli-
tische, humanitäre und wirtschaftliche Aufgaben zu lösen
sind . Ich denke aber, dass wir die militärischen Mittel zu
eilfertig einsetzen – dies erklärt sich ein wenig mit Blick
auf die Rede der Verteidigungsministerin am Mittwoch
dieser Woche .
Will man den IS wirklich bekämpfen, muss man mit
Saudi-Arabien hart ins Gericht gehen, das den IS unter-
stützt . Auch die Türkei – unser NATO Partner – gilt es an
einer weiteren Unterstützung des IS zu hindern . Die Fi-
nanzierungsquellen des IS sind klar; hier gilt es mit aller
Härte gegen ihn vorzugehen . Ohne zivile Opfer, die nur
weiter neuen Terror schaffen und seinen Zulauf verstär-
ken werden .
Doch wie entwickelt sich dadurch das Verhältnis zu
unseren engsten Verbündeten Frankreich? Ich bin der
Überzeugung, dass man einem guten Freund kein gu-
ter Freund ist, wenn man ihn in etwas unterstützt, was
ihm nicht helfen wird . Ich bin der Überzeugung, ein gu-
ter Freund ist der, der einem klar sagt, wenn man falsch
liegt . und trotzdem an seiner Seite steht . Für diese Bezie-
hung gilt es zu kämpfen .
Und das Wichtigste: Wir Europäer müssen unsere Ver-
säumnisse eingestehen, die uns gedanklich auch zu den
Ursachen führen, warum Flüchtlinge infolge von Krieg
und Terror ihre Heimat verlassen .
Als Indikator möge der langjährige Streit über ein
Einwanderungsgesetz dienen – eine frühe Forderung
der SPD, leider ohne Mehrheit . Außerdem hätten wir im
Libanon, in der Türkei, in Griechenland, in Italien, auf
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14205
(A) (C)
(B) (D)
dem Mittelmeer, früher schon in Melilla, helfen können .
Rechtzeitig, mit Geld . Auch durch eine bessere Unter-
stützung des UNHCR – United Nations High Commissi-
oner for Refugees – und die Anhebung der ODA-Quote
wenigstens auf die versprochenen 0,7 Prozent des BIP .
Aber uns waren Haushaltskennzahlen wichtiger .
Im Gegensatz zu diesen Überlegungen hat der Bun-
despräsident schon Anfang des Jahres auf der Münch-
ner Sicherheitskonferenz gefordert: „Deutschland muss
international mehr Verantwortung zeigen, auch militä-
risch .“
Ob Freundschaft und Solidarität mit Frankreich nicht
auch anders gezeigt und verwirklicht werden kann? Wir
könnten auf vielfältige Weise unsere Solidarität leben
ohne den nun vorgesehenen Waffengang!
Das sind die wesentlichen Gründe, warum ich im Bun-
destag gegen eine Beteiligung Deutschlands am Krieg in
Syrien stimme .
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Mit großer Sorge
blicke ich auf die Lage im Nahen Osten . Was mit fried-
lichen Protesten begann, ist längst keine regionale Aus-
einandersetzung mehr . Rebellen gegen den Staat, Assad
gegen Revolutionäre und der ISIS gegen alle .
Der syrische Bürgerkrieg ist eskaliert . Während es
im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Gift-
gaseinsatz Syriens den Vereinten Nationen gelungen ist,
auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die
chemischen Waffenbestände zu sichern und diese unter
maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernich-
ten, hat die aus dem Irak stammende Terrorgruppe ISIS
seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewon-
nen und in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak
und in Syrien ein Terrorregime errichtet . ISIS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in Nachbarländer und
nach Europa . Die Anschläge im tunesischen Sousse, in
Beirut, in Ankara, über der Sinai-Halbinsel und in Pa-
ris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler
Ausdruck dessen .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit
den Resolutionen 2170 vom 15 . August 2014, 2199 vom
12 . Februar 2015 sowie 2249 vom 20 . November 2015
wiederholt festgestellt, dass ISIS eine Bedrohung für den
Weltfrieden und die internationale Sicherheit ist .
Letztendlich wird jedoch der Syrien-Konflikt nur poli-
tisch lösbar sein . Hierfür setzt sich die Bundesregierung,
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier,
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft ein . Ziel war und
ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauf-
tragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle zu verschaffen . Der politische Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein-
ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und ein Weg
für eine politische Konfliktregelung vereinbart, jedoch
ohne ISIS, der weder Verhandlungspartner sein wird
noch sein darf .
Nach den Terroranschlägen vom 13 . November 2015
in Paris hat Präsident Hollande Deutschland gebeten,
sich neben dem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes, dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch mit militä-
rischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak
und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen
ISIS zu beteiligen .
Diese Anschläge galten nicht nur Frankreich, sondern
uns allen . Sie richteten sich gegen uns, unsere Werte und
unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität
aller Europäer gefordert .
Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS-Terror zu einem
„Kampf der Kulturen und der Religionen“ wird . Nach
wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selbst Musli-
me . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instru-
mentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge
zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil:
Unsere Anstrengung zur Integration von Muslimen muss
gesteigert werden . Sogenannte „ausländische Kämpfer“
müssen daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete
ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe und Verantwortung
unseres Landes, dazu alle rechtsstaatlichen Mittel dage-
gen einzusetzen .
Deshalb stimme ich trotz großer Skepsis gegenüber
einem militärischen Engagement, nach intensiven Dis-
kussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess
dem Mandat der Bundesregierung zu .
Edelgard Bulmahn (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen Anfang 2011 hat
das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge-
setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema-
tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges
sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang
mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist
es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage
eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi-
sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und
Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Ge-
bieten im Irak und in Syrien ein menschenverachtendes
Terrorregime errichtet hat . Tausende von Menschen wur-
den seitdem von ISIS-Mitgliedern ermordet, gefoltert,
verschleppt und versklavt . Nachdem sich die terroristi-
schen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514206
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ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen
und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach
Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort
Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und
zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten
sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolu-
tion 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festge-
stellt, dass „der Terrorismus in allen seinen Arten und
Erscheinungsformen eine der schwersten Bedrohungen
des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar-
stellt“ und dass wir entschlossen sind, „diese beispiellose
Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Si-
cherheit mit allen Mitteln zu bekämpfen .“
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegen-
den Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Die
Vereinten Nationen und ihr Sonderbeauftragter, Staffan
Domingo de Mistura, müssen eine führende Rolle bei
den Verhandlungen spielen . Eine erste Konferenz zur
Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf
deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch-
geführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Kon-
fliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns mit
Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran
und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen je-
weils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14207
(A) (C)
(B) (D)
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir darüber hinaus
auch weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte
Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über
1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haus-
halt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hilfe und
die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro
erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flüchtlinge
und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit
unseren internationalen Partnern und den Partnerorgani-
sationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig
zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir
dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit-
kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer
Staat“ zu .
Dr. Daniela De Ridder (SPD): Die Akte des Terrors
vorn 13 . November in Paris sowie die Anschläge in Tu-
nesien, Beirut, Ankara und auf der Sinai-Halbinsel haben
gezeigt, dass der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) sei-
ne Aktivitäten längst nicht mehr auf die Kerngebiete im
Irak und in Syrien beschränkt . Die Vereinten Nationen
haben in mehreren Resolutionen immer wieder die Be-
drohung für den Weltfrieden und die internationale Si-
cherheit herausgestellt, die vom IS ausgeht .
Mit dem Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Unterbindung und Verhütung terroristischer Ak-
tivitäten des IS trifft der Deutsche Bundestag eine Ent-
scheidung, die diesem offenkundigen Strategiewechsel
Rechnung trägt . Die Bundesregierung zeigt damit, dass
sie sich ihrer Verantwortung in der internationalen Politik
bewusst ist und solidarisch an der Seite Frankreichs, sei-
ner europäischen und internationalen Partner steht .
Im Rahmen des Mandats wird Deutschland die inter-
nationale Allianz bei der Aufklärung und Beobachtung
des militärischen Einsatzes und durch den Schutz eines
französischen Flugzeugträgers unterstützen . Ein Einsatz
von Bodentruppen ist von der Bundesregierung nicht
vorgesehen und für mich keinesfalls die logische Konse-
quenz des jetzigen Beschlusses .
Mit militärischen Mitteln wird man die Bedrohungs-
lage, die vom IS ausgeht, jedoch nicht auflösen können.
Es darf nicht vergessen werden, dass die Saat des IS be-
reits mit dem Irakkrieg zu Beginn des Jahrtausends aus-
gebracht wurde und so eine Ausdehnung des Einfluss-
gebietes des IS während des syrischen Bürgerkrieges
überhaupt erst ermöglicht wurde . Das Assad-Regime hat
gezielt auf eine militärische Eskalation gegen die eigene
Zivilgesellschaft gesetzt und damit die Destabilisierung
des gesamten Staates mutwillig provoziert .
Umso mehr unterstütze ich die Anstrengungen der
Bundesregierung, und hier in erster Linie unseres Au-
ßenministers Dr . Frank-Walter Steinmeier, politische Lö-
sungen des Syrien Konflikts zu erwirken. Es ist meine
feste Überzeugung, dass Konflikte mit derart verhärteten
Fronten nur mit diplomatischen und politischen Mitteln
gelöst werden können . Die Erklärungen der Wiener Kon-
ferenzen sind erste Anzeichen von erfolgreichen Ver-
handlungen, insbesondere da erstmals auch die wichtigen
Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien miteinbezogen
werden . Es ist jedoch weiterhin zwingend erforderlich,
eine gemeinsame internationale Linie zu finden, um die
Erfolgsaussichten der Diplomatie weiter zu verbessern .
Eine einheitliche Position in der Europäischen Union, die
alle Partnerstaaten einbezieht und niemanden aus seiner
Verantwortung entlässt, ist dabei unerlässlich .
Gleichwohl muss bedacht werden, dass ein politi-
scher Prozess unter Beteiligung des IS nicht stattfindet,
da dieser weder ein Verhandlungspartner sein kann noch
sein will . Umso mehr kommt es jetzt darauf an, dieser
Terrorgruppierung ihre Grundlage zu entziehen; nicht je-
doch, indem man allein die Symptome mit Luftschlägen
eindämmen will und dadurch unbeabsichtigt die Argu-
mentation der Radikalen stärkt . Vielmehr muss es darum
gehen, jene Ursachen klar zu benennen und zu bekämp-
fen, die das Erstarken des Terrors in der gesamten Regi-
on überhaupt erst ermöglichten . Zum einen kann hier die
Friedens- und Konfliktforschung wertvolle Befunde lie-
fern . Dabei gilt es aber dringend, diese Forschungsvorha-
ben nicht nur punktuell, sondern langfristig finanziell so
auszustatten, dass sie wirksame Lösungsstrategien ent-
wickeln können . Hierbei ist es von zentraler Bedeutung,
die Ergebnisse mit großer Ernsthaftigkeit und Sorgfalt
in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Konflikte
entstehen nicht über Nacht; es gibt zumeist eindeutige
Anzeichen, die präventiv behandelt werden müssen:
Die gezielte Exklusion ganzer Bevölkerungsschichten
von Entscheidungsprozessen, die bewusste Diskrimi-
nierung ethnischer Gruppen, Armut und soziale Unge-
rechtigkeiten sowie die flächendeckende Bildungsarmut
sind wesentliche Gründe, die Menschen für eine radikale
Weltanschauung zugänglich machen . Es bedarf daher
zum anderen erheblicher Anstrengungen im Bereich
der Sozialpolitik, der Wirtschafts- und Bildungspolitik
sowie in der Entwicklungszusammenarbeit . Gerade die-
se Politikfelder gilt es, mit Vehemenz und Engagement
zur Friedenssicherung in den Fokus weiterer politischer
Entscheidungen zu stellen . Als Bildungspolitikerin ist es
mir besonders wichtig, dass Aufklärung, Information und
Qualifikation unsere primären Maxime sein müssen. Hier
dürfen wir nicht hasenfüßig sein, sondern müssen diese
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514208
(A) (C)
(B) (D)
Interessen zur Stabilisierung der Region mutig und kei-
neswegs leise artikulieren .
Alphabetisierung, Grundbildung, Ausbildung und
akademisches Wissen sind Grundpfeiler, auf denen die
Kohäsion der Gesellschaft aufgebaut wird . Deutschland
hat die Kompetenz und die Mittel, um die Entwicklung
dieser Fähigkeiten voranzutreiben – etwa durch eine ge-
zielte Außenwissenschaftspolitik .
Nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gem Abwägungsprozess stimme ich dem Mandat für
den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und
Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Ter-
rororganisation IS zu . Jedoch betone ich ausdrücklich,
dass damit nicht das Einfallstor für den fortwährenden
Ausbau des Einsatzes geschaffen werden darf, der letzt-
lich zum Einsatz von Bodentruppen führt . Vielmehr gilt
es, die Chancen der Diplomatie zu nutzen und unmittel-
bar die Ursachen für die Stärke der Terrororganisation zu
bekämpfen . Deutschland hat eine starke Stimme in der
internationalen Gemeinschaft, die gehört wird .
Mehr Frieden zu wagen, dazu bedarf es des Mutes zu
diplomatischen Lösungen oder wie Willy Brandt sagte:
,,Krieg ist nicht mehr die Ultima Ratio, sondern die Ul-
tima Irratio .“
Dr. Karamba Diaby (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung – und
insbesondere Außenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier
(SPD) – mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es,
den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten,
Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in der
Lösung des Konflikts zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich
Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter
anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide
Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem
Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Frankreichs Präsident, François Hollande, die
Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen En-
gagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem
militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im
Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter-
stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich
militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo-
ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe-
tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines
französischen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14209
(A) (C)
(B) (D)
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
ausschließlich auf den militärischen Bereich konzen-
triert, sondern das militärische Engagement im und über
dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur
als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region
betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance
für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet,
die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern
nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung deshalb ausdrück-
lich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Ter-
rorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen
und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An-
strengungen zur Integration insbesondere junger Musli-
me müssen gesteigert werden, um die Entstehung von
„Pa rallelgesellschaften“ zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen ihm zur Verfügung
stehenden rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 hat die Bundesregierung hierzu über 1,1 Milli-
arden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 ha-
ben CDU, CSU und SPD dafür Sorge getragen, dass der
Ansatz für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht wird . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Sabine Dittmar (SPD): Der syrische Bürgerkrieg hat
sich mittlerweile zu einem regional und international be-
einflussten Krieg ausgeweitet. Insbesondere die aus dem
Irak stammende terroristische Gruppe ISIS hat seit 2014
mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen und in
den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien
ein Terrorregime errichtet . Nachdem sich die terroristi-
schen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst
ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen
und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer und bis nach Europa .
Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in
Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in
Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta-
ler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten Staffan Domingo de Mistura eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat
sich die Bundesregierung mit Nachdruck für die Einbe-
ziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien ein-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514210
(A) (C)
(B) (D)
gesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle
in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die kein Verhandlungspartner
sein kann . Im letzten Jahr hat die Bundesregierung ent-
schieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak
in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit
militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab-
wehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses
Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwie-
sen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks
konnten zurückerobert werden .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015
in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung
gebeten, sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter-
stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich
militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo-
ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetan-
kungsflugzeuge als auch eine Fregatte zum Schutz eines
französischen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Die Frage nach
der Solidarität aller Europäer darf daher durchaus gestellt
werden . Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem
militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Deshalb unterstütze ich die Bundesregierung da rin,
ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass
sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwi-
ckelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS sel-
ber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu
instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flücht-
linge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegen-
teil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere
junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallel-
gesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern .
Nur durch einen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 hat Deutschland hierzu über 1,1 Milliarden
Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde
der Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprä-
vention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, das
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu
Martin Dörmann (SPD): Nach intensiven Diskussio-
nen und einem schwierigen Abwägungsprozess habe ich
mich entschieden, dem von der Bundesregierung vorge-
legten Mandat zum Einsatz bewaffneter deutscher Streit-
kräfte gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“
(IS) zuzustimmen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14211
(A) (C)
(B) (D)
Erstens . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat
wiederholt festgestellt, dass vom IS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Die kritische und komplexe Lage in Syrien, dem Irak
und in der benachbarten Region erfordert nachhaltige
politische Lösungen, die internationale Absprachen und
Zeit erfordern . Es wäre falsch, einseitig auf militärische
Mittel zu setzen . Allerdings werden politische Lösungen
dadurch erleichtert oder sogar erst ermöglicht, dass die
militärische Expansion des IS aufgehalten und dieser so
weit wie möglich zurückgedrängt wird . Gleichzeitig be-
droht der IS durch Terroranschläge das Leben der Men-
schen in Europa und darüber hinaus . Er muss auch des-
halb gestoppt werden .
Es ist gerechtfertigt und politisch erforderlich, dass
sich Deutschland an der internationalen Allianz gegen
den IS aktiv beteiligt, und zwar auch durch einen an-
gemessenen militärischen Beitrag . Nicht zuletzt erfor-
dert es die europäische Solidarität, das diesbezügliche
Unterstützungsersuchen Frankreichs nicht abzulehnen
sondern positiv aufzugreifen . Der IS würde gestärkt statt
geschwächt, wenn es ihm gelänge, Deutschland und
Frankreich in dieser wichtigen Frage zu entzweien .
Zweitens . Neben dieser grundsätzlichen Einschätzung
und über die aus meiner Sicht zutreffende Mandatsbe-
gründung der Bundesregierung hinaus sind für meine Zu-
stimmung auch folgende Überlegungen von Bedeutung:
Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien .
Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Opposi-
tionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen
Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine mi-
litärische Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungs-
truppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und
im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen einge-
setzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen
Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen ge-
lungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlus-
ses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern
und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher
Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe des IS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu-
nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation des IS eine Bedrohung
für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich und vordringlich eine politische
Regelung geben muss . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des poli-
tischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen
in Wien – hat sich Deutschland mit Nachdruck für die
Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi-
en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige
Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder-
gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits-
gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne
IS –zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Eine
Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Experten
Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen
der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine
Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen
Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe des IS ein, der weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung
im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentral-
regierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung
in ihrem Abwehrkampf gegen den IS im Irak zu unter-
stützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und
notwendig erwiesen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete
im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus
den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen begin-
nen, in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit mili-
tärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak
und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen
den IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in-
tensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im
Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514212
(A) (C)
(B) (D)
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Meine Zustimmung zu einem Einsatz deutscher Streit-
kräfte gegen die Terrorgruppe des IS fällt mir nicht leicht .
Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage-
ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern
das militärische Engagement im und über dem Opera-
tionsgebiet der Terrororganisation IS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen IS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete
Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei-
se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy-
rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un-
abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang
zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier
kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer des IS selber Muslime . Die An-
schläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Seit Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien . Das Assad-
Regime hat mit einer gnadenlosen Kriegsführung gegen
das eigene Volk Syrien ins Chaos gestürzt . Es hat damit
den Boden bereitet für das Ausbreiten des Terrornetz-
werkes des sogenannten „Islamischen Staates“ IS . Das
Assad-Regime und der IS haben mit unvorstellbarer Bru-
talität die eigene Bevölkerung zur massenhaften Flucht
aus Syrien getrieben . Die Völkergemeinschaft hat dieser
Entwicklung lange tatenlos zugesehen, einzelne Staaten
haben aus sehr nationalen Gründen den Konflikt weiter
angeheizt, beispielsweise mit Geldzuwendungen, An-
kauf von Öl aus erbeuteten Ölquellen bis hin zur krie-
gerischen Unterstützung einzelner Akteure . Dem Treiben
dieser Terrororganisation muss Einhalt geboten werden .
Dafür braucht es jedoch ein international abgestimmtes
politisches und militärisches Vorgehen . Das durch die
Bundesregierung vorgelegte Mandat erfüllt diese Voraus-
setzungen jedoch nicht und lässt zu viele Fragen offen .
Ich werde dem von der Bundesregierung vorgeschlage-
nen Mandat zur Unterstützung des französischen Einsat-
zes in Syrien daher nicht zustimmen .
Die Solidarität mit Frankreich ist zweifelsfrei ein
wichtiges und gewichtiges Argument und der europä-
ische Zusammenhalt von großer Bedeutung . Dennoch
muss bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr sorg-
sam und gewissenhaft entschieden werden, welches En-
gagement verantwortbar und sinnvoll ist . So sehr nach
den menschenverachtenden Anschlägen von Paris auch
die Reaktion und Bitte der französischen Regierung ver-
ständlich ist, so ist es auch unsere Pflicht, den militäri-
schen Einsatz der Bundeswehr nicht ohne ein schlüssiges
politisches Gesamtkonzept zu beschließen . Das vorlie-
gende Mandat macht für mich nicht deutlich genug klar,
mit wem Deutschland gegen wen und für welches poli-
tische Ziel kämpft . Die Bundesregierung hat keine ein-
deutige Aussage getroffen, ob sie explizit oder implizit
an der Seite Assads und Russlands gegen ISIS vorgehen
will . Der Abschuss eines russischen Militärjets durch die
Türkei in der jüngsten Vergangenheit hat gezeigt, wie
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14213
(A) (C)
(B) (D)
unterschiedlich die Ziele und Interessen der handeln-
den Akteure in der Region sind . Die Uneinigkeit in der
Allianz gegen den IS und das unkonkrete vorliegende
Mandat der Bundesregierung, in dem Ziele, Zeitraum
und Verantwortung nicht klar beschrieben sind, stellen
für mich keine Option dar, die einen auch nur kleinen
Schritt in Richtung einer Lösung des Konfliktes erkennen
lässt . Dies und die hochproblematische völkerrechtliche
Grundlage dieses Einsatzes lassen mich zu dem Schluss
kommen, einem Einsatz der Bundeswehr in Syrien ge-
genwärtig nicht zuzustimmen .
Siegmund Ehrmann (SPD): Das Mandat verlangt
einen extrem schwierigen Abwägungsprozess über
Handlungsoptionen, die das Ziel haben, Konflikte zu be-
heben, die in einer nahezu verfahrenen Situation, die in
Nahost und auf der arabischen Halbinsel Leid und Zer-
störung verursachen . Zugleich strahlen Hass und Gewalt
auch auf andere Regionen aus, destabilisieren zum Bei-
spiel afrikanische Staaten und säen Terror und Gewalt in
die europäischen Länder .
Auch wenn sich die Konturen einer dauerhaften Kon-
fliktlösung nur schemenhaft abzeichnen, ist die von
Frank-Walter Steinmeier wesentlich mitgeprägte Vor-
gehensweise der Weg . Es bedarf erstens politischer Ver-
handlungen zur Konfliktlösung, zweitens der regionalen
Stabilisierung und – gerade wegen des ausufernden men-
schenverachtenden terroristischen Gewaltakts – drittens
militärischer Mittel
Ich werde dem Einsatzmandat zustimmen; es steht in
folgendem Kontext:
Erstens . Die Lage in Syrien ist alarmierend . Seit Be-
ginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgrup-
pen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling
Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militäri-
sche Eskalation gesetzt . Die syrischen Regierungstrup-
pen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im
Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt .
Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Gift-
gaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelun-
gen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses
die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und
diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite
zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und
Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Ge-
bieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von IS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im tu-
nesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Zweitens . Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
hat mit der Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und
der Resolution 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit
der Resolution 2249 vom 20 . November 2015 wieder-
holt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine
Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Si-
cherheit ausgeht .
Für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt kann
es nur eine politische Lösung geben . Hierfür hat sich
die Bundesregierung und insbesondere Außenminister
Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer
Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nati-
onen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de
Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu ver-
schaffen . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräf-
te zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative
im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen
des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konfe-
renzen in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die
Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi-
en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige
Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne IS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein
will noch sein kann . Daher haben wir auch im letzten
Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen IS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von IS besetzte Gebiete im Norden
Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör-
fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Drittens . Nach den Terroranschlägen am 13 . Novem-
ber 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesre-
gierung gebeten, neben ihrem politischen Engagement
zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militäri-
schen Beitrag zur Zurückdrängung des IS im Nordirak
sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung
Frankreich, des Iraks und der internationalen Allianz in
ihrem Kampf gegen IS zu beteiligen . Die Bundesregie-
rung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische
Fähigkeiten im Kampf gegen IS angeboten . Hierzu ge-
hören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeu-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514214
(A) (C)
(B) (D)
ge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen
Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sie galten uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Auch ist jetzt des-
halb die Solidarität aller Europäer gefordert .
Ich stimme dem Mandat in dem Wissen zu, dass die
Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militäri-
sche konzentriert, sondern das militärische Engagement
im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisati-
on IS nur als einen Teil ihres gesamten Engagements in
der Region betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich
eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrie-
ges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ih-
ren Partnern nutzen will und muss .
Die Bundesregierung unterstütze ich ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen IS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syri-
en muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinder-
te Finanzzufluss an IS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Zudem ist es unabdingbar,
dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Viertens . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der
IS-Terror zu einem „ Kampf der Kulturen“ entwickelt .
Nach wie vor sind die meisten Opfer von IS selber
Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu ins-
trumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlin-
ge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil:
Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere jun-
ger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelge-
sellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso
müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge-
hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei-
sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver-
fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen breiten politischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von IS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der Ansatz
für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Unser Land handelt nicht allein; unsere Entscheidun-
gen sind eingebettet in ein abgestimmtes Vorgehen der
Staatengemeinschaft .
In der Hoffnung, dass die Erfolge der Diplomatie das
Morden stoppen und militärische Einsätze schnell ent-
behrlich machen – auch wenn ich nicht frei von Zweifeln
bin –, stimme ich dem vorgelegten Mandat zu .
Michaela Engelmeier (SPD): Mit großer Sorge bli-
cken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedli-
chen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusam-
menhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat
das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge-
setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema-
tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges
sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang
mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist
es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage
eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14215
(A) (C)
(B) (D)
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in
Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes-
ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben
wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande-
rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län-
der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Misrura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Permes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener-Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
allein auf das Militärische konzentriert, sondern das mili-
tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet
der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres ge-
samten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem
Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische
Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesre-
gierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und
muss .
Meine Fraktion unterstützt die Bundesregierung aus-
drücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internatio-
nalen Terrorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im
Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die
bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom
15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be-
schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit
ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An-
werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen
Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben-
so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah-
men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus
konsequent und von allen Staaten angewendet werden .
Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen
sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals
durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi-
siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da-
rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514216
(A) (C)
(B) (D)
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Saskia Esken (SPD): Im Deutschen Bundestag habe
ich heute – Freitag, 4 . Dezember 2015 – eine Entschei-
dung zu treffen, die sehr schwerfällt . Unter Abwägung
aller mir zur Verfügung stehenden Informationen und
nach reiflicher Überlegung werde ich in dieser Gewis-
sensentscheidung für den Einsatz bewaffneter deutscher
Streitkräfte in Syrien stimmen .
Schon mit den Anschlägen vom Beginn des Jahres in
Paris war der barbarische Terror des sogenannten „Isla-
mischen Staates“ (IS) in Europa angekommen . Dieser
Terror wütet schon seit langem in Syrien und in Irak, in
Libyen und Tunesien . Es ist ein Terror gegen alle, die
in Freiheit und Frieden leben wollen, in Syrien und den
Nachbarländern und eben auch in Europa . Es sind brutale
Taten verblendeter, unmenschlicher und kulturverachten-
der Terroristen, die eine Religion zur Rechtfertigung ih-
rer Terrorakte missbrauchen .
Der seit Jahren herrschende Bürgerkrieg in Syrien ist
mittlerweile zu einem regional und international beein-
flussten Krieg eskaliert, in dem insbesondere der IS seit
2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewonnen
und in dem von ihm kontrollierten Gebieten im Irak und
in Syrien ein Terrorregime errichtet hat .
Dieser Terror ist eine Bedrohung für die Staatenge-
meinschaft als Ganzes, und deshalb halte ich es für wich-
tig, dass wir gemeinsam mit den arabischen Staaten ge-
gen den Terror kämpfen . Ebenso wie die Terrorabwehr
und die politische Befriedung der Region wird auch die-
ser militärische Einsatz nur dann von Erfolg gekrönt sein,
wenn der Westen sich nicht etwa alleine, sondern in einer
Allianz mit der arabischen Welt gegen den IS stellt . Denn
nur gemeinsam können wir dem IS entgegenhalten: ,,Ihr
seid nicht der Islam . Ihr seid nicht der Staat . Und ihr re-
präsentiert nicht die arabische Welt .“
Der IS macht sich die Instabilität der arabischen Welt
zunutze . Hier tobt zwischen unterschiedlichen nationalen
und religiösen Kräften ein Machtkampf, der aus einem
Vakuum heraus entstehen konnte, das der Rückzug der
Weltmächte nach dem Ende des kalten Krieges hinter-
lassen hat .
Rein militärisch ist dieser Terror nicht zu besiegen,
und doch muss mit militärischen Mitteln dafür gesorgt
werden, dass der IS sich nicht noch weitere Teile Syri-
ens zu eigen macht . Denn sonst bleibt von Syrien nichts
übrig, was wir befrieden und in eine neue Zukunft über-
führen können .
Damit die arabische Welt auf friedlichem Weg wie-
der zu einer stabilen Ordnung und zu einem guten und
gerechten Miteinander der Völker und der Glaubens-
richtungen finden kann, braucht es eine politisch-diplo-
matische Verhandlungsstrategie, wie sie Frank-Walter
Steinmeier und andere mit der Wiener Konferenz bereits
angelegt haben . Solche Verhandlungen können sicher nur
schrittweise und nur mit langem Atem und langem Mut
mehr Frieden und mehr Stabilität bewirken .
Zu einem gesamtpolitischen Ansatz gehören auch die
bereits 2014 von den Vereinten Nationen beschlossenen
Maßnahmen gegen IS, al-Qaida und mit ihnen verbün-
dete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und
Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern
nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen
die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Un-
terbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent
und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale
Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der unge-
hinderte Finanzzufluss an den IS muss mit allen Mitteln
unterbunden werden .
Im Bürgerkrieg in Syrien haben bisher über
250 000 Menschen ihr Leben verloren, andere sind durch
den Terror des IS überall auf der Welt umgekommen,
Abertausende Menschen haben ihre Heimat verloren und
befinden sich auf der Flucht. Frieden und Freiheit sind
die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben . Diese
echte und einzige Lebensperspektive liegt meiner Ent-
scheidung in dieser schwierigen Abstimmung zugrunde .
Karin Evers-Meyer (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14217
(A) (C)
(B) (D)
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter-
nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – ha-
ben wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter
anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Seide
Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem
Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei diesem
Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt haben –
eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran, USA und
Russland .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde
eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha-
ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht
es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und
im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer
Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden . die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders
richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge-
gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro-
päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen
auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa .
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS hab ich nach
intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514218
(A) (C)
(B) (D)
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime,
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin-
nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver-
sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung
und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei-
gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern auszu-
bilden; systematische Landnahme, Abschlachtung gan-
zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort
Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund
des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat
zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein-
zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region
und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein
eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten,
wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die-
ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich
einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört
aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung
von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit
langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch
die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner
Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien
und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur
Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn
auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt-
schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit-
wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse
weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu
stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri-
sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen
Ländern zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver-
abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be-
kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist .
Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise
kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder,
die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen
sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in
den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen .
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet vielfältige, aufei-
nander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln und
umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaftlicher
Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte schaf-
fen, die aber auch kurzfristig helfen können, Stabilität
und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber zeigen
sie für die Menschen in den betroffenen Regionen Pers-
pektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw . zu-
rückkehren wollen . Daran arbeiten wir .
Liebe Genossinnen, liebe Genossen, nach intensiver
Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorge-
legten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen
durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu .
Kerstin Griese (SPD): Mit großer Sorge blicke ich
auf die weltweite Lage, auf die Zunahme von Terror, Ge-
walt und Unfreiheit, besonders in Syrien und im Nord-
irak . Die Anschläge in Paris haben mich erschüttert,
ebenso die Anschläge in Ägypten, Bamako, Sarajevo,
Bagdad, Beirut und auch die nahezu täglichen Attacken,
wie sie in Israel und in den palästinensischen Gebieten
stattfinden.
Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositi-
onsgruppen 2011 hat das Assad-Regime die eigene Bevöl-
kerung angegriffen und auf eine militärische Eskalation
gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema-
tisch zivile Ziele beschossen und im Laufe des Krieges
sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang
mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist
es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage
eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher
Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem
regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,
in dem die aus dem Irak stammende terroristische Grup-
pe Da'isch, die sich „Islamischer Staat“ (IS oder ISIS)
nennt, seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14219
(A) (C)
(B) (D)
gewonnen und in den von ihr kontrollierten Gebieten
im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Sie
ermorden alle, die sich nicht ihren Vorstellungen einer
gewalttätigen und fundamentalistischen Auslegung des
Islam unterwerfen, seien es Christen, Jesiden, Schiiten
oder andersdenkende Sunniten . Aus den historischen
Ursprungsgebieten des Christentums sind inzwischen
fast alle aramäischen Christinnen und Christen vertrie-
ben, ermordet und immer noch viele entführt . Die Ter-
roristen vertreiben dort seit Jahrtausenden angesiedelte
Volksgruppen, entführen, misshandeln, missbrauchen
und ermorden massenhaft Mädchen und Frauen und wü-
ten mit unvorstellbarer Grausamkeit . Nachdem sich ihre
terroristischen und militärischen Aktivitäten zunächst
ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe Da'isch/IS und ihr nahestehende Grup-
pen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer, nach Nordafrika und
bis nach Europa . Die Terroranschläge mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich eine politische Lösung geben
muss und dass zivile Konfliktlösungen immer Vorrang
haben . Hierfür haben sich die Bundesregierung und ins-
besondere unser Außenminister Frank Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe fand auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin statt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich
der Außenminister mit Nachdruck für die Einbeziehung
unter anderem des Iran und von Saudi Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle
in diesem Krieg, deshalb muss mit ihnen trotz aller un-
terschiedlicher Werte gesprochen werden . Wir unterstüt-
zen den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de
Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter
Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne Da'isch/IS –
zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen kann die Grundlage
für eine Vereinbarung entwickelt werden, um einer poli-
tischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein-
ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg
für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Dieser
wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe
Da'isch/IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will
noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bundestag im
letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung
im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentral-
regierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung
in ihrem Abwehrkampf gegen die Terroristen im Irak zu
unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und
notwendig erwiesen . Mehrere von Da'isch/IS besetzte
Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden –
die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen
beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Francois Hollande die Bundesregie-
rung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement
zur Lösung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen
Beitrag zur Zurückdrängung von Da'isch/IS im Nordirak
(Waffenlieferungen und Ausbildung der kurdischen
Peschmerga) auch mit militärischen Mitteln zur Unter-
stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz am Kampf gegen Da'isch/IS zu beteiligen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung militäri-
sche Fähigkeiten in Form von Aufklärungs- und Luft-
betankungsflugzeugen sowie einer Fregatte zum Schutz
eines französischen Flugzeugträgers angeboten .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art zu leben . Sie richten sich
gegen die unteilbaren Menschenrechte . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Die An-
schläge in Paris sind aus meiner Sicht zwar der Auslöser,
aber nicht die Ursache der Notwendigkeit eines verstärk-
ten deutschen Engagements . Deutschland ist schon seit
langem Teil der internationalen Allianz gegen den Terror,
damit ist Deutschland auch schon lange im Visier inter-
national agierender Terroristen . Trotz meiner Skepsis
gegenüber militärischen Einsätzen und den unbedingt zu
diskutierenden Fragen nach langfristigen Strategien habe
ich mich nach intensiven Diskussionen und in einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, diesem
Mandat der Bundesregierung zuzustimmen .
Für mich ist entscheidend, dass zivile Krisenlösungen
immer Vorrang haben und zivile Prozesse gestärkt wer-
den müssen . Gewaltfreie Lösungen, der politische Weg
und die Diplomatie müssen immer Vorrang haben . Der
Einsatz militärischer Gewalt kann nur die äußerste Mög-
lichkeit angesichts schwerster andauernder Menschen-
rechtsverletzungen sein .
Ich weiß, dass die Bundesregierung ihr Engagement
nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mi-
litärische Engagement im und über dem Operationsge-
biet der Terrororganisation Da'isch/IS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrien-Krieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen Da'isch/lS im Besonde-
ren zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in
der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August
2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514220
(A) (C)
(B) (D)
Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbün-
dete Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und
Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern
nach Syrien muss unterbunden werden . Ebenso müssen
die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Un-
terbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent
und von allen Staaten angewendet werden . Der illegale
Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der un-
gehinderte Finanzzufluss an Da'isch/IS – oftmals durch
staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert –
muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hi-
naus ist es unabdingbar, dass Da'isch/IS-Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu . Gleichzeitig muss es gelingen, Waffenlieferun-
gen an Länder dieser Region zu reduzieren .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ oder gar einem Kampf der
Religionen oder der Gläubigen gegen Nicht-Gläubige
entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von
Da'isch/IS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dür-
fen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande
gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen .
Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration des
Islam in unsere Gesellschaft und insbesondere junger
Muslime müssen gesteigert werden . Ebenso müssen jun-
ge Menschen – sogenannte „Ausländische Kämpfer“ –
daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und
auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur mit diesem gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben einzudämmen
und künftige Terroranschläge in der Region und darüber
hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grund-
lage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg
zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über
250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung
zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven-
tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Michael Groß (SPD): Mir fällt eine Entscheidung
für oder gegen das Mandat sehr schwer . Grundsätzlich
ersetzen Kriegseinsätze keine politischen Lösungen .
Deswegen habe ich unter anderem seit der Aufnahme
meines Mandats gegen militärische Einsätze in Afgha-
nistan gestimmt . In der heutigen Abstimmung gilt für
mich jedoch der Grundsatz, Unschuldige vor Terroristen,
Kriminellen und brutalen Mördern zu schützen . In Syrien
tobt ein Krieg, der sich inzwischen massiv ausgeweitet
hat . Unschuldige sterben, werden vor den Augen unserer
friedliebenden, demokratischen und freiheitlichen Welt
hingerichtet und brutal ermordet . Millionen Menschen
sind auf der Flucht vor dem Terror des IS .
Frank-Walter Steinmeier ist mit hohem politischem
Engagement aller Akteure mit dem „Wiener Gespräch“
auf dem richtigen Weg . Die diplomatischen Bemühun-
gen zur Beendigung des Krieges laufen verstärkt .
Ich unterstütze Navid Kermani, Träger des Frie-
denspreises des Deutschen Buchhandels, dass ein weit
entschlosseneres diplomatisches und zivilgesellschaftli-
ches Handeln erforderlich ist, möglicherweise auch mili-
tärische Schritte notwendig sind .
Am Anfang standen friedliche Proteste, denen mit
unerbittlicher Härte begegnet wurde . Gespräche wurden
abgelehnt, auf Eskalation durch das Regime von Baschar
al-Assad gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen ha-
ben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe
des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zu-
sammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgasein-
satz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf
der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die che-
mischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese
unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu
vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Es gilt, diejenigen zu schützen, die weder der einen
noch der anderen Gruppierung angehören . Es müssen si-
chere Zonen geschaffen werden .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14221
(A) (C)
(B) (D)
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt, mit denen ein
kritischer Dialog gesucht werden muss, um die Situation
vor Ort zu stabilisieren . Ebenso muss dafür gesorgt wer-
den, dass die Geldquellen für IS ausgetrocknet werden .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert, denn Soli-
darität ist keine Einbahnstraße .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin
davon überzeugt, dass man einen militärischen Einsatz
gegen den sogenannten IS – im Folgenden verwende ich
den Begriff Da'isch – durchaus auch unter Beteiligung
deutscher Truppen braucht . Das vorgelegte Mandat halte
ich aber für nicht zustimmungsfähig .
Die Terroranschläge in Paris galten nicht allein Frank-
reich, sondern richten sich gegen das liberale Europa,
unsere Werte und säkulare, pluralistische Lebensweise .
Frankreichs Präsident Hollande hat sich mit der Bitte um
Beistand bewusst nicht an die NATO gewandt, sondern
an die Solidarität der Europäischen Union appelliert . Wie
immer man also entscheidet: Man muss reflektieren, was
diese Entscheidung für das deutsch-französische Verhält-
nis bedeutet . Es ist daher alles andere als leicht, diesem
Mandat nicht zuzustimmen . Wir müssen und werden
Frankreich unterstützen – zum Beispiel auch durch un-
seren Einsatz in Mali . Das steht für mich außer Frage .
Der von der Koalition vorgelegte Mandatstext für Syrien
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514222
(A) (C)
(B) (D)
enthält jedoch so viele offene Fragen und Unklarheiten,
dass ich darin nicht die Unterstützung sehe, auf die es
jetzt ankäme .
Die unbequeme Realität ist leider: Der Krieg ist in Sy-
rien seit fünf Jahren blutige Wirklichkeit . Deswegen geht
es zuvorderst um die Frage, wie dieser Krieg beendet
werden kann, um Raum für eine politische Lösung her-
beizuführen . Wichtig ist darüber hinaus die Einschrän-
kung der ausländischen Finanzströme und des Ölhandels
von Da'isch, aber allein damit lässt sich ihr Terror nicht
austrocknen . Die bedeutendste Ressource des Da'isch
ist die unter seiner Kontrolle stehende Bevölkerung und
seine Fähigkeit, Tausende Dschihadisten aus aller Welt
anzuziehen, zu trainieren und in den Kampf zu schicken .
Diese Ressourcen wird man nur einschränken können,
wenn man Da'isch wieder Territorium abringt – wie es
im übrigen zum Beispiel den Peschmerga-Kämpfern im
Nordirak gelungen ist . Ich habe die Waffenlieferungen
an sie unterstützt und finde, dass dies eine notwendige
Maßnahme war und ist .
Russland hat seit dem 30 . September 2015 massiv
zugunsten des Assad-Regimes in den Konflikt eingegrif-
fen . Dabei trafen seine Angriffe bislang vorwiegend die
syrischen Widerstandskämpfer und weniger Da'isch . Die
Türkei geht gegen Stellungen der Kurden in Syrien vor,
die wiederum verstärkt von den USA unterstützt werden .
All dies macht deutlich, dass die Allianz der Willigen, die
dort jetzt verstärkt eingreifen, kein gemeinsamer Wille
eint, sondern sie widersprüchliche Ziele verfolgen . Auch
fährt die Bundesverteidigungsministerin einen Zickzack-
kurs in Bezug auf die Beteiligung der Regierungstruppen
von Assad . Weder das Mandat noch die Äußerungen der
Bundesregierung legen offen, ob, wie und unter welchen
Bedingungen eine militärische Zusammenarbeit mit
Russland – das Assads Armee unterstützt – erfolgen soll .
Insbesondere offen ist: Wer sind die Kooperationspartner
als Bodentruppen, wer wird dabei wie stabilisiert und un-
terstützt? Wer schließt zum Beispiel das Vakuum am Bo-
den, wenn Da'isch dort verdrängt wurde? Diese Fragen
sind zu relevant und auch zu riskant, als dass ein Mandat
sie offen lassen dürfte . Angesichts einer so komplexen
Akteurskonstellation braucht es hier Klarheit, bevor die
deutschen Truppen entsendet werden .
Ob die völkerrechtliche Grundlage für das Mandat
vorhanden ist, ist zwar umstritten, eventuell aber doch
gegeben; deswegen stellt dies nicht die Begründung für
mein Nein dar .
Auch die mittelfristigen Ziele und politischen Strate-
gien dieser militärischen Intervention in Syrien sind un-
klar . Wie soll der Übergang zu einer Post-Assad-Ära ge-
staltet werden? Wie will die westliche Allianz den Schutz
von Minderheiten und die Beteiligung aller relevanten
Gruppen an einem politischen Prozess zur Zukunft des
Landes sicherstellen? Wie könnte eine Nachkriegsord-
nung für Syrien aussehen?
Leider hat die Bundesregierung ein extrem verkürztes
parlamentarisches Verfahren gewählt, sodass nicht ein-
mal eine angemessene, parlamentarische Beratung über
diese Fragen stattfinden konnte. So sehr rasches Han-
deln nötig ist und so sehr auch die Solidarität mit unse-
ren französischen und insgesamt europäischen Partnern
selbstverständlich ist – bevor der Startpunkt für einen
womöglich jahrelangen Bundeswehreinsatz gesetzt wird,
müssen die Rahmenbedingungen erörtert werden . Hierzu
gehört
– die Akteure zu benennen, mit denen kooperiert und
Informationen ausgetauscht werden und sich auch
über diejenigen Akteure klarzuwerden, mit denen
ein solcher Austausch nicht erfolgt – hierzu gehört
für mich die klare Festlegung darauf, dass mit der
Assad-Armee nicht zusammengearbeitet wird –,
– eine planvolle, politische Strategie zu bedenken
und darzulegen, was zum Beispiel mit erkämpften
Gebieten geschieht und wie Arrangements für ei-
nen Waffenstillstand vereinbart werden können .
Insgesamt bleiben zu viele entscheidende Fragen
offen, das Handeln besitzt keine klare Perspektive und
scheint damit auch hilflos. Es braucht dagegen eine lang-
fristige Strategie, in die auch durchaus militärische Ein-
sätze einzubinden sind . Dieser Einsatz ist so wenig plan-
voll, dass die Gefahr besteht, das Gegenteil zu bewirken
von dem, was beabsichtigt ist . Daher kann ich dem Man-
dat in dieser Form nicht zustimmen .
Metin Hakverdi (SPD): Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Zuletzt hat der Sicherheitsrat in seiner Resoluti-
on 2249 nach den Pariser Terroranschlagen festgestellt:
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14223
(A) (C)
(B) (D)
,,Der IS ist eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit
weltweit . Der Sicherheitsrat ruft daher die Staatenge-
meinschaft dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen ge-
gen diese Bedrohung zu ergreifen .“
Für mich steht fest, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Auf Initiative des UN-Sondergesandten de Mistura
wurden vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der
Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Kon-
flikts gegründet. Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen
Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus
den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die
Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um
einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher hat der Bundestag auch
im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre-
gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen
Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus-
rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu
unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll
und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge-
biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden –
die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen
beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS stimme ich
heute dem Mandat der Bundesregierung zu .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich bin je-
doch überzeugt, dass die Bundesregierung ihr Engage-
ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern
das militärische Engagement im und über dem Operati-
onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden . Ebenso müssen sogenannte
„ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die
Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des
Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514224
(A) (C)
(B) (D)
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte
zu .
Ulrich Hampel (SPD): Mit großer Sorge blicken wir
auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro-
teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das As-
sad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die
syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile
Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar che-
mische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem
völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den
Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines
Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbe-
stände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher
Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die in-
ternationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie-
genden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische
Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi-
schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in
Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie-
hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in
diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei
diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt
haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran,
USA und Russland .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en (ohne ISIS) zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde
eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha-
ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht
es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und
im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer
Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14225
(A) (C)
(B) (D)
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders
richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge-
gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro-
päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen
auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach
intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin-
nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver-
sklavung von Frauen für die Krieger des IS Verfolgung
und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei-
gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus-
zubilden, systematische Landnahme Abschlachtung gan-
zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort
Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund
des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat
zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein-
zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region
und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein
eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten,
wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die-
ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich
einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört
aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung
von Fluchtursachen . Wir setzen uns in Berlin schon seit
langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch
die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner
Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien
und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur
Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn
auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt-
schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit-
wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse
weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu
stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri-
sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen
Ländern zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver-
abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be-
kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist .
Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise
kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder,
die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen
sind, beispielsweise Jordanien oder Tunesien, dringend
in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitra-
gen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514226
(A) (C)
(B) (D)
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf-
einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln
und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft-
licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte
schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta-
bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber
zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen
Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw .
zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir .
Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände
stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung
terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation
„Islamischer Staat“ zu .
Sebastian Hartmann (SPD): Deutschland steht zu
seinen Bündnisverpflichtungen, ganz besonders zu un-
serem engsten und treuesten Verbündeten – Frankreich .
Auf die konkrete Aufforderung und Anfrage seitens un-
serer französischen Freunde und Nachbarn, die sich auf
die kollektive Bündnisstruktur in Europa beruft, kann
und darf die Antwort Deutschlands nur Ja sein, natürlich
nur im Einklang mit unserem Verfassungsrecht . Beistand
und Solidarität sind geschuldet .
Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt Frank-
reich, Irak und die internationale Allianz, die aus mehr
als 60 Partnern besteht, in ihrem Kampf gegen Da'isch
auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstvertei-
digung gemäß Artikel 51 UN-Charta . Nach den Angrif-
fen auf Paris am 13 . November 2015 hat sich mit Frank-
reich erstmals ein EU-Mitgliedstaat auf die in Artikel 42
Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union ver-
ankerte sogenannte Beistandsklausel berufen . Auf dem
Treffen des Rates der EU für Außenbeziehungen im For-
mat der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17 . No-
vember 2015 haben dann alle Mitgliedstaaten einhellig
den französischen Antrag unterstützt und ihre Solidarität
und ihren Beistand zugesichert . Die Entsendung der deut-
schen Streitkräfte erfolgt im Rahmen und nach den Re-
geln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit
nach Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes – und da-
mit in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen
und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslands einsätze der
Bundeswehr . Mit dem neuen Mandat führt Deutschland
sein sicherheitspolitisches Engagement, das 2014 mit der
Unterstützung der kurdischen Regionalregierung zum
Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak begann, fort .
Aber es geht nicht nur um Frankreich, nicht aus-
schließlich um die konkrete Reaktion auf einen grausa-
men Terroranschlag in Paris . Mit einer Terrororganisa-
tion wie Da'isch kann es keine Friedensgespräche oder
einen Mediationsprozess geben . Im Machtbereich des
Da'isch leiden seit Jahren Millionen Menschen, werden
gefoltert, versklavt, missbraucht, ermordet – im Nahen
und Mittleren Osten, vor allem in Syrien und im Irak .
Aber der Terror überzieht auch Afrika, vom Norden über
Mali bis Nigeria . Und auch Asien ist bedroht .
Die Menschen, die dort leben, bedürfen unseres Schut-
zes . Ein politisches Konzept ist vonnöten . Wir brauchen
auch eine internationale Lösung, die Deutschland ein-
bezieht – ohne Assad . Der syrische Machthaber gehört
vor Gericht gestellt . Das Recht steht über der Macht . An
diejenigen, die wohl auch mit guten Gründen ablehnen,
richte ich die Frage: Wenn Lufteinsätze nicht die erhoffte
Wirkung erzielen, ist die Antwort dann die Entsendung
von Bodentruppen? Oder erneut die Bewaffnung regio-
naler Gruppen?
Für Prävention, das Markenzeichen deutscher Außen-
politik, ist es hier zu spät . Die Situation ist so, wie sie
ist, und wir müssen in ihr entscheiden . Selbstverständ-
lich müssen wir auch die Finanzquellen austrocknen und
den politischen Prozess weiterverfolgen . Aber Da'isch
müssen wir nicht irgendwann, sondern jetzt stoppen . Das
geht nicht ohne Waffen, und wir dürfen es nicht anderen
überlassen . Eine seit Jahren versprochene, aber uneinge-
löste Perspektive in naher oder ferner Zukunft hilft den
konkret Betroffenen wenig . Zumal ich auch einen Allein-
gang von Präsident Putin unter Ausschluss westlicher
Partner nicht für eine erstrebenswerte Lösung halte . Ich
möchte nach der strittigen Entscheidung zur Bewaffnung
regionaler Gruppen im Irak, wenn auch zur Selbstver-
teidigung, nicht erneut die Verantwortung durch solche
Entscheidungen und Delegation ablegen . Jetzt sind wir
direkt gefordert .
Wir wollen uns daran beteiligen, dass eine breite in-
ternationale Mission den Terror in der Region beendet,
auf der Grundlage des Völkerrechts und im Einklang mit
der Wahrnehmung der Selbstverteidigungsrechte unserer
französischen Freunde, denen wir beistehen . Dem ver-
einzelt geäußerten Hinweis, wir riskierten dadurch eine
erhöhte Terrorgefahr durch Racheakte, ist zu entgegnen:
Unsere Lebensweise und unsere Gesellschaft stehen oh-
nehin im Fokus der religionsmissbrauchenden Terroris-
ten und Mörder des Da'isch . Doch Freiheit und Recht
stehen immer vor Macht und Gewalt .
Ich stimme der Entscheidung heute deshalb trotz aller
offenen Fragen zu .
Wolfgang Hellmich (SPD): Mit großer Sorge bli-
cken wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedli-
chen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusam-
menhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat
das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation ge-
setzt . Die syrischen Regierungstruppen haben systema-
tisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges
sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang
mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist
es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage
eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi-
sche Gruppe Da'isch seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von Da'isch zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14227
(A) (C)
(B) (D)
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe Da'isch
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti-
on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution
2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation Da'isch eine Bedrohung
für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den Syrien-Konflikt
letztlich eine politische Regelung geben muss . Hierfür
hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein-
gesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des poli-
tischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen
in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbe-
ziehung unter anderem des Iran und von Saudi-Arabien
eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige
Rolle in diesem Krieg und bringen eigene Interessen
konfliktverschärfend ein.
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien –
ohne Da'isch – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, mit der
wir einer politischen Konfliktregelung näherkommen
können .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe Da'isch ein, die weder Verhandlungspart-
ner sein will noch sein kann, mit dieser Terrororganisa-
tion lässt sich nicht verhandeln . Daher haben wir auch
im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre-
gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen
Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus-
rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen Da'isch im Irak
zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als richtig
erwiesen . Mehrere von Da'isch besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von Da'isch im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des
Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf ge-
gen Da'isch zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen Da'isch angeboten . Hierzu gehören so-
wohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie
eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug-
trägers und Satellitenkapazitäten und Unterstützung in
der Stabsarbeit .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert . So haben
wir Frankreich für den Fall eines Großschadenereignis-
ses sanitätsdienstliche Hilfe zugesagt .
Nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess haben wir uns entschieden, dem
Mandat der Bundesregierung zur Anwendung auch mi-
litärischer Mittel gegen die Terrorgruppe Da'isch zuzu-
stimmen .
Wir wissen, dass die Bundesregierung ihr Engagement
nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mili-
tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet
der Terrororganisation Da'isch ein Teil ihres gesamten
Engagements in der Region ist . Mit dem Wiener Prozess
hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Sy-
rienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen
mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen Da'isch im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen Da'isch, al-Qaida und mit ihnen verbündete
Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei-
se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy-
rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unab-
dingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang
zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier
kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen . Da'isch hat Europa den Krieg
erklärt .
Nach wie vor sind aber die meisten Opfer von Da'isch
selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht
dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514228
(A) (C)
(B) (D)
Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im
Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe-
sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um
Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin-
dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp-
fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein-
und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu-
gehen .
Mit diesem umfassenden Ansatz wird es möglich sein,
das terroristische Treiben von Da'isch einzudämmen und
künftige Terroranschläge in der Region und darüber hi-
naus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundla-
ge wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg
zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über
300 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung
zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Dr. Eva Högl (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf
die weltweite Lage, auf die Zunahme von Terror, Gewalt
und Unfreiheit, besonders in Syrien und im Nordirak .
Die Anschläge in Paris haben mich erschüttert, ebenso
die Anschläge in Ägypten, Bamako, Sarajevo, Bagdad,
Beirut und auch die nahezu täglichen Attacken, wie sie in
Israel und in den palästinensischen Gebieten stattfinden.
Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppo-
sitionsgruppen 2011 hat das Assad-Regime die eigene
Bevölkerung angegriffen und auf eine militärische Es-
kalation gesetzt . Die syrischen Regierungstruppen haben
systematisch zivile Ziele beschossen und im Laufe des
Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt . Im Zusam-
menhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz
Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der
Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemi-
schen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter
maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernich-
ten .
Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einem
regional und international beeinflussten Krieg eskaliert,
in dem die aus dem Irak stammende terroristische Grup-
pe Da'isch, die sich ,,Islamischer Staat“ (IS oder ISIS)
nennt, seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss
gewonnen und in den von ihr kontrollierten Gebieten
im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat . Sie
ermorden alle, die sich nicht ihren Vorstellungen einer
gewalttätigen und fundamentalistischen Auslegung des
Islam unterwerfen, seien es Christen, Jesiden, Schiiten
oder andersdenkende Sunniten . Aus den historischen
Ursprungsgebieten des Christentums sind inzwischen
fast alle aramäischen Christinnen und Christen vertrie-
ben, ermordet und immer noch viele entführt . Die Ter-
roristen vertreiben dort seit Jahrtausenden angesiedelte
Volksgruppen, entführen, misshandeln, missbrauchen
und ermorden massenhaft Mädchen und Frauen und wü-
ten mit unvorstellbarer Grausamkeit . Nachdem sich ihre
terroristischen und militärischen Aktivitäten zunächst
ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe Da'isch/IS und ihr nahestehende Grup-
pen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer, nach Nordafrika und
bis nach Europa . Die Terroranschläge mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich eine politische Lösung geben
muss und dass zivile Konfliktlösungen immer Vorrang
haben . Hierfür haben sich die Bundesregierung und ins-
besondere unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe fand auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin statt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich
der Außenminister mit Nachdruck für die Einbeziehung
unter anderem des Iran und von Saudi-Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle
in diesem Krieg, deshalb muss mit ihnen trotz aller un-
terschiedlicher Werte gesprochen werden . Wir unterstüt-
zen den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de
Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter
Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne Da'isch/IS –
zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen kann die Grundlage
für eine Vereinbarung entwickelt werden, um einer poli-
tischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Ter-
rorgruppe Da'isch/IS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bun-
destag im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regio-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14229
(A) (C)
(B) (D)
nalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der iraki-
schen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und
Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen die Terroristen
im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als
sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von Da'isch/
IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurücker-
obert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüch-
teten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurückzukeh-
ren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident François Hollande die Bundesregie-
rung gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement
zur Lösung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen
Beitrag zur Zurückdrängung von Da'isch/IS im Nordirak
(Waffenlieferungen und Ausbildung der kurdischen
Peschmerga) auch mit militärischen Mitteln zur Unter-
stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz am Kampf gegen Da'isch/IS zu beteiligen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung militäri-
sche Fähigkeiten in Form von Aufklärungs- und Luft-
betankungsflugzeugen sowie einer Fregatte zum Schutz
eines französischen Flugzeugträgers angeboten .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Sie richten sich
gegen die unteilbaren Menschenrechte . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert . Die An-
schläge in Paris sind aus meiner Sicht zwar der Auslöser,
aber nicht die Ursache der Notwendigkeit eines verstärk-
ten deutschen Engagements . Deutschland ist schon seit
langem Teil der internationalen Allianz gegen den Terror,
damit ist Deutschland auch schon lange im Visier inter-
national agierender Terroristen .
Trotz meiner Skepsis gegenüber militärischen Einsät-
zen und den unbedingt zu diskutierenden Fragen nach
langfristigen Strategien habe ich mich nach intensiven
Diskussionen und in einem schwierigen Abwägungspro-
zess entschieden, diesem Mandat der Bundesregierung
zuzustimmen .
Für mich ist entscheidend, dass zivile Krisenlösungen
immer Vorrang haben und zivile Prozesse gestärkt wer-
den müssen . Gewaltfreie Lösungen, der politische Weg
und die Diplomatie müssen immer Vorrang haben . Der
Einsatz militärischer Gewalt kann nur die äußerste Mög-
lichkeit angesichts schwerster andauernder Menschen-
rechtsverletzungen sein .
Ich weiß, dass die Bundesregierung ihr Engagement
nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mi-
litärische Engagement im und über dem Operationsge-
biet der Terrororganisation Da'isch/IS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen Da'isch/IS im Besonde-
ren zu verstärken .
Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Si-
cherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014 unter
Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnahmen
gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Terror-
gruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syri-
en muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an Da'isch/IS – oftmals durch staatliche
Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit
allen Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es
unabdingbar, dass Da'isch/IS-Kämpfern der unkontrol-
lierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt
wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle
zu . Gleichzeitig muss es gelingen, Waffenlieferungen an
Länder dieser Region zu reduzieren .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ oder gar einem Kampf der
Religionen oder der Gläubigen gegen Nicht-Gläubige
entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von
Da'isch/IS selber Muslime . Die Anschläge von Paris dür-
fen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande
gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen .
Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration
des Islam in unsere Gesellschaft und insbesondere jun-
ger Muslime müssen gesteigert werden . Ebenso müssen
junge Menschen (sogenannte „ausländische Kämpfer“)
daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und
auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur mit diesem gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben einzudämmen
und künftige Terroranschläge in der Region und darüber
hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grund-
lage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg
zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über
250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung
zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514230
(A) (C)
(B) (D)
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Angela Kermer (SPD): Mit großer Sorge blicken wir
auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro-
teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das As-
sad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die
syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile
Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar che-
mische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem
völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den
Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines
Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbe-
stände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher
Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter-
nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie-
genden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische
Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi-
schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in
Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie-
hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in
diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei
diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt
haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran,
USA und Russland .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde
eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha-
ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht
es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und
im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer
Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders
richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14231
(A) (C)
(B) (D)
gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro-
päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen
auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa .
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach
intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin-
nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver-
sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung
und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei-
gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus-
zubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung gan-
zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort
Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund
des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat
zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein-
zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region
und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein
eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten,
wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die-
ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich
einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven-
tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu
gehört aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämp-
fung von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon
seit Langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen
durch die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein .
Meiner Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in
Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengun-
gen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken,
wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere
wirtschaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe
mitwirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnis-
se weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu
stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri-
sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen
Ländern zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver-
abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be-
kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist .
Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise
kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder,
die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen
sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in
den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen .
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf-
einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln
und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft-
licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte
schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta-
bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber
zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen
Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw .
zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514232
(A) (C)
(B) (D)
Liebe Genossinnen, liebe Genossen, nach intensiver
Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem vorge-
legten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur
Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen
durch die Terrororganisation ,,Islamischer Staat“ zu .
Daniela Kolbe (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen Im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit
ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat
sich Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung
unter anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt .
Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in die-
sem Krieg .
Deutschland unterstützt den politischen Ansatz des
UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative
vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpar-
teien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegrün-
det wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen
Nahost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet .
Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die
Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um
einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher hat der Deutsche Bun-
destag auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische
Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der
irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung
und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im
Irak zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als
sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS be-
setzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert
werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten
Menschen beginnen in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über den Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14233
(A) (C)
(B) (D)
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 hat die Koalition
den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen-
prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt,
unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürfti-
gen in der Region in Abstimmung mit unseren internati-
onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort
fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich sage Nein zum Ein-
satz der Bundeswehr in Syrien .
Es bewegt mich sehr, und ich bin entsetzt, dass
Deutschland demnächst Kriegspartei in Syrien sein wird .
Ich finde, dass Solidarität mit den Opfern von Terror und
Gewalt anders aussehen muss . Krieg war und ist auch
heute die falsche Antwort auf den Terror .
Es gibt viele Gründe für dieses Nein zum Krieg:
Der wichtigste ist, dass Unschuldige dabei getötet
werden . Bei den Bombardierungen, die künftig mithilfe
deutscher Militärs stattfinden sollen, sterben heute schon
Männer, Frauen und Kinder, die das Unglück haben, zur
falschen Zeit am falschen Ort zu sein . Man kann nicht
Blut mit Blut wegwaschen .
Das Zweite ist, dass genau damit den terroristischen
Gruppen wie dem IS neue Kämpfer zugetrieben wer-
den, weil sie den Hass gegen „den Westen“ schüren . Der
14-jährige „Krieg gegen den Terror“, der im Irak und in
Afghanistan geführt wurde, hat den Terrorismus nicht
vermindert – im Gegenteil .
Weil das viele Geld anders eingesetzt den Menschen
nützen könnte, wieder stabile Strukturen aufzubauen;
alleine Deutschland, als relativ kleiner Partner, hat fast
9 Milliarden Euro für den militärischen Einsatz in Afgha-
nistan ausgegeben – wie viele Schulen, landwirtschaftli-
che Genossenschaften oder Krankenstationen hätte man
in diesem bitterarmen Land für diese Summe aufbauen
können?
Und dieser Kriegseinsatz schwächt das Völkerrecht .
Die EU-Beistandsklausel wird genutzt und die NATO
eingesetzt, ohne UN-Mandat und ohne dass die UN-Re-
solutionen zuvor umgesetzt wurden .
Nichts tun ist nicht die Alternative . Im Gegenteil – es
wird schon zu lange zu wenig getan, um das Morden dort
in Syrien und im Irak zu stoppen .
Unverzüglich müssen die UN-Resolutionen umgesetzt
werden, um die Nachschubströme für den IS zu unterbre-
chen . Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar aus
dem Handel mit Öl, Kunstgegenständen, Frauen – mit
denen der IS seine Gefolgsleute und Schergen bezahlt .
Handelspartner sitzen in der Türkei und in Saudi-Arabi-
en . Die EU und Deutschland müssen entschlossen dafür
eintreten, dass diese Geschäfte beendet werden . Über die
Grenze zur Türkei kommt auch der Zustrom von Kämp-
fern – die Türkei muss endlich ihre offene und verdeckte
Unterstützung des IS stoppen und die Grenze an dieser
Stelle dichtmachen .
Deutschland müsste die Zonen der „Demokratischen
Autonomie“ – Stichwort: Rojava – und die kurdische
Selbstverwaltung in Syrien unterstützen . In dieser Re-
gion ist so viel demokratische Selbstbestimmung, Ge-
schlechtergerechtigkeit und multiethnisches Zusam-
menleben entwickelt worden, dass sie als Modell dienen
kann . Und: Von den Kurdinnen und Kurden kommt der
bisher einzig wirksame Widerstand gegen den IS .
Schließlich: keine Waffenlieferungen mehr in den Na-
hen und Mittleren Osten .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514234
(A) (C)
(B) (D)
Wir müssen die eigene Verstrickung erkennen und die
sozialen Verhältnisse nicht ausblenden Dazu zitiere ich
aus dem Kommentar von Johannes Angermüller, Kurato-
riumssprecher des Instituts Solidarische Moderne aus Pa-
ris: „… Doch der islamistische Terror ist kein kulturelles
oder religiöses Problem, das gleichsam von außen in den
Westen hineinschwappt, gehen die seit 9/11 in westlichen
Metropolen begangenen Terrorakte doch ganz überwie-
gend auf das Konto von Leuten, die in den westlichen
Metropolen geboren und aufgewachsen sind und mit der
westlichen Kultur mehr als nur oberflächlich vertraut
sind: Der Terror gegen den Westen ist eine Frucht, die im
Westen selbst gewachsen ist .
Gerade die Anschläge in Paris erinnern an die sozi-
ale Situation, in der Jugendliche und junge Erwachse-
ne ideologisch motivierte Gewalt ausüben: Sozial hoch
stigmatisierte Immigranten-Kinder der x-ten Generation
aus den nordöstlichen Pariser Vororten (wie etwa Drancy,
Saint Denis) brauen sich eine apokalyptische Ideologie
zusammen und bekommen in Syrien oder Afghanistan
eine militärische Ausbildung, um unvorstellbare Verbre-
chen dort und dann im Westen zu begehen . . . Nicht zu-
letzt werden mit solchen Aktionen gesellschaftliche Vi-
sionen kommuniziert: ein reaktionärer und patriarchaler
Gottesstaat gegen die urban-linksliberale Postmoderne .
Die Kreise, in denen dieser Konflikt ausgetragen wird,
beschränken sich nicht auf New York und London, Ma-
drid und Paris . Diese sozialen und politischen Kämpfe
haben sich mit religiösen und kulturellen Kodes zu ei-
nem globalisierten Guerillakrieg verquickt, der in den
1990er-Jahren mit internationalen Terrortouristen in Al-
gerien und Russland anfing und inzwischen von allem
in Syrien Tausende aus den Vororten der westlichen Me-
tropolen und aus reichen arabischen Ländern wie Sau-
di-Arabien angezogen hat .
In jedem Fall gilt: Will man den globalisierten Terro-
rismus dauerhaft bekämpfen, darf man die sozialen Ver-
hältnisse nicht ausblenden, aus denen sich dieser immer
wieder speist . Zäune, Bomben und Ausgrenzung sind
nicht die Lösung, sondern eine seiner Ursachen . Unsere
Antwort muss in einer Politik der internationalen Solida-
rität, der Offenheit und der Toleranz liegen .“
Steffen-Claudio Lemme (SPD): In der Kürze der
Zeit, die uns Abgeordneten für unsere Entscheidung zur
Verfügung stand, sehe ich mich außerstande, dem Mili-
täreinsatz der Bundeswehr zuzustimmen . Immerhin han-
delt es sich um einen der auch personell umfangreichsten
Einsätze, über die ich bisher jemals zu entscheiden hatte .
Auch ich bin davon überzeugt, dass Deutschland in
der Verantwortung steht, für eine Beendigung des IS-Ter-
rors einzutreten . Jedoch fehlt es gegenwärtig an einem
UN-Mandat für den Einsatz .
Es ist für mich nicht erkennbar, auf welche Art und
Weise die Terroristen gezielt bekämpft werden sollen,
ohne die Zivilbevölkerung und letztendlich auch unsere
eigenen Soldaten in große Gefahr zu bringen .
Die Vergangenheit, insbesondere auch die Erfahrung
im Einsatz in Afghanistan, hat gezeigt, dass militärische
Interventionen eher zu einer Eskalation der Gewalt und
zur Radikalisierung von Bevölkerungsgruppen beitragen
statt die Probleme zu lösen . Die Irritationen in den letzten
Tagen über den politischen Umgang mit dem syrischen
Staatschef Assad haben zu meiner Entscheidung beige-
tragen .
So groß mein Vertrauen in Außenminister Steinmeier
auch ist: bei dieser Entscheidung bin ich alle in meinem
Gewissen unterworfen . Militärische Kampfeinsätze sind
immer mit Opfern unter Zivilisten und ungewissem Aus-
gang verbunden . Sie können nur letztes Mittel sein, wenn
alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind . Die-
sen Zeitpunkt sehe ich, gerade im Zusammenhang mit
dem Wiener Prozess, lange nicht gekommen .
Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Ich bin nicht kate-
gorisch gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien .
Manchmal sind militärische Mittel notwendig, um eine
Perspektive für Veränderungen zu schaffen .
Es liegt jedoch diesem Einsatz aus meiner Sicht kein
hinreichendes Ziel zugrunde . Das bloße Zurückdrängen
des sogenannten IS kann im Sinne einer Gesamtkonzep-
tion nur ein Lösungsansatz sein .
Der sehr begrüßenswerte Wiener Prozess sollte aus
meiner Sicht genau dazu dienen, um dann die mitunter
militärischen Maßnahmen zu ermitteln, die für eine mög-
lichst gemeinsame Bekämpfung des sogenannten IS not-
wendig sind .
Des Weiteren ist nicht klar, wie mit der syrischen Ar-
mee verfahren wird .
Ein solcher Schritt erfordert meiner Ansicht nach auch
jetzt schon eine Abschätzung, welche weiteren Schritte
sich dadurch unter Umständen ergeben . Eine entspre-
chende Abschätzung sollte deshalb auch schon zum jet-
zigen Zeitpunkt erfolgen .
Ich sehe natürlich die internationalen Bündnisver-
pflichtungen; dies sollte uns aber nicht davon abhalten,
zunächst die offenen Fragen zu klären .
Andrea Lindholz (CDU/CSU): Meine Entscheidung
für den Bundeswehreinsatz zur Bekämpfung des IS habe
ich nicht leichtfertig getroffen und möchte sie daher be-
gründen .
Deutschland setzt sich wie kaum ein anderes Land für
Syrien, für die syrischen Flüchtlinge und für den politi-
schen Friedensprozess in der Region ein . Um die Glaub-
würdigkeit der Bundesregierung und ihr umfassendes
Engagement zu unterstützen, trage ich das Mandat für
eine aktive Bekämpfung der IS-Terrororganisation mit .
Der Vormarsch des IS muss gestoppt, und den Terroristen
müssen die Rückzugsräume genommen werden .
Das Ziel des Einsatzes ist die Stabilisierung Syriens .
Die Erfolge der von der Bundeswehr unterstützten Pesch-
merga-Kämpfer zeigen, dass es Perspektiven gibt . Der
Militäreinsatz muss aber Teil einer Gesamtstrategie wer-
den . Ein humanitärer und wirtschaftlicher Prozess, um
den 12 Millionen syrischen Flüchtlingen eine Lebensper-
spektive in der Region zu geben und den Wiederaufbau
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14235
(A) (C)
(B) (D)
zu unterstützen, ist unverzichtbar . Vor allem braucht es
einen politischen Friedensprozess, damit der IS nicht
länger vom Bürgerkrieg profitieren kann. Die Wiener
Friedensverhandlungen sind fragil, aber ein wichtiger
Fortschritt . Trotz der Unsicherheit müssen wir jetzt ent-
schlossen handeln . Wenn der IS nicht gestoppt wird, gibt
es in Syrien nichts mehr zu stabilisieren . Ein Übergreifen
des IS auf den Libanon oder Jordanien wäre fatal .
Deutschlands Solidarität darf keine leere Floskel sein .
Der Terror von Paris richtete sich nicht nur gegen Frank-
reich, sondern gegen ganz Europa . Das zeigt der Versuch,
das deutsch-französische Freundschaftsspiel in ein Blut-
bad zu verwandeln . Frankreich und Deutschland bilden
den Motor der EU, die mit der Flüchtlingskrise, dem Ter-
ror und der Wirtschaftskrise im Euro-Raum vor gewalti-
gen Herausforderungen steht . Die deutsch-französische
Freundschaft bleibt für Europa unverzichtbar .
Wir sind längst im Fadenkreuz der Islamisten .
Deutschland muss auch aus nationalem Interesse handeln .
Bundeswehrsoldaten stellen sich bereits in Afghanistan,
in Mali und im Irak den Islamisten in den Weg . Dieser
Einsatz ist ein weiterer Beitrag Deutschlands im globalen
Kampf gegen den Terror . Als führende Wirtschaftsmacht
dürfen wir diese gefährliche Aufgabe nicht nur anderen
überlassen . Rechtlich abgesichert ist der Einsatz durch
drei UN-Resolutionen und Artikel 51 der UN-Charta in
Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag . Natür-
lich müssen wir der steinzeitlichen Ideologie der Islamis-
ten auch bei uns in Europa den Nährboden entziehen .
Ich wünsche allen Bundeswehrsoldaten, die ihre kör-
perliche und seelische Gesundheit für unsere Sicherheit
riskieren, eine unversehrte Rückkehr .
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich stimme gegen den Antrag der Bundesregierung . Dies
ist eine Gewissensentscheidung .
In Syrien und im Irak sind in den vergangenen vier
Jahren Hunderttausende unschuldige Menschen den Fol-
gen eines schrecklichen Krieges und dem Handeln der
Terrororganisation Da'isch, die sich selbst als „Islami-
scher Staat“ bezeichnet, zum Opfer gefallen . Wir stehen
in der Verantwortung, dieses Morden zu beenden . Dazu
braucht es sowohl einen zivilen, politischen Ansatz als
auch in letzter Konsequenz militärische Mittel gegen
Da'isch .
Meine Überzeugung, dass zu befürchten ist, Da'isch
nicht vollkommen ohne militärische Mittel bekämpfen
zu können, kann jedoch nicht heißen, dass jedwede mi-
litärische Aktion auch sinnvoll ist . Die Bundesregierung
beabsichtigt mit dem vorgelegten Mandat, den derzeit
größten Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in die
Wege zu leiten, und geht nach eigener Einschätzung
selbst davon aus, dass dieser Einsatz möglicherweise
über Jahre andauern kann . Vom Verfahren her ist es in
dieser Situation vollkommen unangebracht, das vorge-
legte Mandat binnen vier Tagen parlamentarisch zu einer
abschließenden Beschlussfassung zu bringen, zumal es
weder politische noch materielle Gründe für diesen Zeit-
druck gibt .
Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Bitte Frank-
reichs um unsere Unterstützung . Es steht außer Frage,
dass wir unseren europäischen Partnern gegenüber soli-
darisch sein wollen und werden . Dies heißt jedoch kei-
neswegs, dass wir uns überhastet in einen Auslandsein-
satz begeben müssen .
Die materiell tragenden Gründe für mein Abstim-
mungsverhalten sind vor allem zwei Schwächen, die das
Vorgehen der Bundesregierung aufweist:
Ein militärisches Vorgehen gegen Da'isch wird nur
dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn es von
einer breiten internationalen Koalition gegen den Ter-
rorismus getragen ist . Die Russische Föderation und die
Republik Türkei müssen gemeinsam mit dem Rest der
Koalition Da'isch bekämpfen und nicht eigene kontra-
produktive Ziele verfolgen . Hierzu bedarf es eines ge-
meinsam abgestimmten Vorgehens unter dem Dach der
Vereinten Nationen . Dies ist mit dem vorgelegten Man-
dat nicht der Fall .
Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass das Vor-
gehen gegen Da'isch in letzter Konsequenz wohl nicht
ohne Militär erfolgreich sein wird, so kann der Konflikt
in Syrien und im Irak am Ende nur politisch gelöst wer-
den . Die Frage bleibt unbeantwortet, wie die übrigen
Konfliktparteien der Region zu einem friedlichen Aus-
gleich finden sollen. Es braucht zumindest Grundzüge
eines Lösungsansatzes, wenn der Einsatz von Militär
gegen Da'isch wirklich zu einer Befriedung der Region
beitragen soll .
Burkhard Lischka (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errich-
tet hat . Nachdem sich die terroristische und militärische
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514236
(A) (C)
(B) (D)
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung – und
insbesondere Außenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier
(SPD) – mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es,
den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten,
Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in der
Lösung des Konflikts zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat sich
Deutschland mit Nachdruck für die Einbeziehung unter
anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide
Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem
Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Frankreichs Präsident, François Hollande, die
Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen En-
gagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und dem
militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im
Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unter-
stützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich
militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angebo-
ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe-
tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines
französischen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
ausschließlich auf den militärischen Bereich konzen-
triert, sondern das militärische Engagement im und über
dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur
als einen Teil ihres gesamten Engagements in der Region
betrachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance
für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet,
die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern
nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung deshalb ausdrück-
lich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Ter-
rorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen
und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An-
strengungen zur Integration insbesondere junger Musli-
me müssen gesteigert werden, um die Entstehung von
„Pa rallelgesellschaften“ zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen ihm zur Verfügung
stehenden rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorzugehen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14237
(A) (C)
(B) (D)
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 hat die Bundesregierung hierzu über 1,1 Milli-
arden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 ha-
ben CDU, CSU und SPD dafür Sorge getragen, dass der
Ansatz für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht wird . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Hiltrud Lotze (SPD): Mit großer Sorge blicken wir
auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro-
teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011, hat das
Assad-Regimes auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von .deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Meine Fraktion und ich sind überzeugt, dass es für
den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur
eine politische Regelung geben kann . Hierfür hat sich
die Bundesregierung und insbesondere Außenminister
Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer
Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nati-
onen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de
Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu ver-
schaffen . Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräf-
te zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative
im November 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen
des politischen Prozesses zur Konfliktregelung – Konfe-
renzen in Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die
Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi-Arabi-
en eingesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige
Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden
Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör-
fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre
Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514238
(A) (C)
(B) (D)
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir uns nach intensiven Diskussionen und einem schwie-
rigen Abwägungsprozess entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns und mir nicht leicht . Wir
wissen jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage-
ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern
das militärische Engagement im und über dem Operati-
onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Meine Fraktion unterstützt die Bundesregierung aus-
drücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internatio-
nalen Terrorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im
Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die
bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom
15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be-
schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit
ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An-
werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen
Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben-
so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah-
men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus
konsequent und von allen Staaten angewendet werden .
Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen
sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals
durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi-
siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da-
rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen und wollen wir weiter-
hin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe
leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden
Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir
den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen-
prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt,
unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürfti-
gen in der Region in Abstimmung mit unseren internati-
onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort
fortzusetzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Aydan Özoğuz (SPD): Mit großer Sorge blicken wir
auf die Lage in Syrien .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit eine
geographische Ausweitung vollzogen . Die Terrorgruppe
ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelperso-
nen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die
Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Terroran-
schläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Anka-
ra, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hun-
derten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck
dieses extremistischen Machtkampfes . Wir müssen aber
auch zur Kenntnis nehmen, dass unterschiedliche Kon-
fliktparteien involviert sind.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14239
(A) (C)
(B) (D)
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir uns nach intensiven Diskussionen und einem schwie-
rigen Abwägungsprozess entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass der IS-Terror uns spal-
tet und Religionsgemeinschaften unter terroristischen
Generalverdacht stellt . Nach wie vor sind die meisten
Opfer von ISIS selber Muslime . Die Anschläge von Paris
dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzu-
lande gegen Flüchtlinge zu hetzen oder Muslime auszu-
grenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Inte-
gration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert
werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen
wie in Frankreich zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514240
(A) (C)
(B) (D)
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir
dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streit-
kräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer
Handlungen durch die Terrororganisation ,,Islamischer
Staat“ zu .
Dieses Mandat gilt längstens bis zum 31 . Dezember
2016 .
Markus Paschke (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit
ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in andere arabi-
sche Länder, Nachbarländer und sogar bis nach Europa .
Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in
Beirut, Ankara, der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris
mit hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler
Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung
für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit
ausgeht . Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde
liegenden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische
Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi-
schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in
Wien – hat sich die SPD mit Nachdruck für die Einbezie-
hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in
diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen. Mit den
Erklärungen der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober
und 14 . November 2015 wurde den Vereinten Nationen
eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine po-
litische Konfliktregelung vereinbart. Dieser wichtige po-
litische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein,
die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann .
Daher wurde im vergangenen Jahr entschieden, die kur-
dische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung
mit der irakischen Zentralregierung, mit militärischer
Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf
gegen ISIS im Irak zu unterstützen . Mehrere von ISIS
besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert
werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten
Menschen beginnen in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident François Hollande die Bundesregie-
rung gebeten, neben ihrem politischen Engagement zur
Regelung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen
Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak, sich
auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frank-
reichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem
Kampf gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung
hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fä-
higkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu ge-
hören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeu-
ge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen
Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich – sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben .
Mir ist bewusst, dass die Bundesregierung ihr Engage-
ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern
das militärische Engagement im und über dem Operati-
onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss . Ich unterstütze die Bundesregierung da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14241
(A) (C)
(B) (D)
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen . Ich möchte nicht, dass sich der
IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt .
Nach wie vor sind die meisten Opfer von IS selber Mus-
lime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instru-
mentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge
zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Die
Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Mus-
lime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaf-
ten und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- oder auszureisen . Es
ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Nur durch die-
sen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das
terroristische Treiben von IS einzudämmen und künftige
Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wir-
kungsvoll zu unterbinden . Auf dieser Grundlage wird es
hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden,
den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über 250 000 To-
ten zu beenden und eine politische Regelung zu ermög-
lichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa muss Deutschland auch weiter-
hin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe
leisten . Seit 2012 wurden bereits mehr als 1,1 Milliarden
Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 wurde der
Ansatz für die humanitäre Hilfe und für die zivile Krisen-
prävention um mehr als 400 Millionen Euro erhöht . Es
gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und die Hilfs-
bedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren
internationalen Partnern und den Partnerorganisationen
vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu ver-
stärken .
Ich bin zutiefst überzeugt, dass Terrorismus nicht mit
militärischen Mitteln zu besiegen ist . Andererseits bin ich
aber auch davon überzeugt, dass wir die Ausbreitung des
IS im Irak, in Syrien und in anderen Ländern verhindern
müssen . Für mich ist die Ausgangssituation eine andere
wie in Afghanistan. Der IS hat nicht nur Zuflucht unter
dem Regime eines Staates gefunden, sondern mit barba-
rischen Mitteln weite Teile von Syrien und Irak besetzt .
Auch in der deutschen Geschichte hat ein Terrorregime
das ganze Land besetzt . Damals haben sich viele Län-
der auch mit militärischen Mitteln an unserer Befreiung
beteiligt .
Die Entscheidung für oder gegen das Mandat emp-
finde ich als äußerst schwer und problematisch. Ich sehe
zurzeit nur zwei Möglichkeiten:
erstens unsere Freunde und Verbündeten auch mit mi-
litärischen Mitteln zu unterstützen, um die Ausweitung
von IS zu verhindern,
zweitens die Menschen in Syrien und dem Irak sowie
in weiteren Ländern dem barbarischen Terror von IS zu
überlassen .
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut,
sondern auch für das, was man nicht tut .
In Abwägung aller von mir beschriebenen Umstände
werde ich dem Mandat zustimmen . Ich erwarte jedoch
von der Bundesregierung und allen beteiligten Regierun-
gen, dass sie mit noch stärkerem Nachdruck die finanzi-
elle Basis des IS austrocknet sowie die humanitäre Hilfe
für die Menschen vor Ort verstärkt und alle diplomati-
schen Möglichkeiten ausschöpft, damit die Menschen im
Nahen Osten, in Asien und Afrika friedlich zusammen-
leben können . Wirtschaftliche Interessen dürfen hierbei
keine Rolle spielen .
Sabine Poschmann (SPD): Der syrische Bürger-
krieg eskalierte zu einem regional und international be-
einflussten Krieg, in dem insbesondere die aus dem Irak
stammende terroristische Gruppe IS seit 2014 mehr und
mehr an Macht und Einfluss gewann und in den von ihr
kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terror-
regime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und
militärischen Aktivitäten vom IS zunächst ausschließlich
auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger
Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat
sich die SPD mit Nachdruck für die Einbeziehung unter
anderem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide
Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem
Krieg .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514242
(A) (C)
(B) (D)
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sonder-
gesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeits-
gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne
den IS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden.
Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahostexperten
Professor Volker Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen
der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine
Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen
Konfliktregelung näherzukommen. Mit den Erklärungen
der Wiener Konferenzen vom 30 . Oktober und 14 . No-
vember 2015 wurde den Vereinten Nationen eine zentrale
Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Kon-
fliktregelung vereinbart.
Daher wurde im vergangenen Jahr entschieden, die
kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstim-
mung mit der irakischen Zentralregierung mit militä-
rischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehr-
kampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Dieses
Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwie-
sen . Mehrere vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks
konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und
Städten geflüchteten Menschen beginnen zum Teil, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung des IS im Nordirak sich auch mit mili-
tärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak
und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen
den IS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in-
tensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im
Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers . Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben .
Mir ist jedoch bewusst, dass die Bundesregierung ihr
Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, son-
dern das militärische Engagement im und über dem Ope-
rationsgebiet der Terrororganisation IS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen den IS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete
Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei-
se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy-
rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un-
abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang
zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier
kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer vom IS selber Muslime . Die An-
schläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Die Anstrengun-
gen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen
gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghet-
tobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte
„ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die
Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des
Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa muss Deutschland weiterhin
humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe
leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden
Euro zur Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir
den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen-
prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt,
das Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen
in der Region in Abstimmung mit den internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Ich bin zutiefst überzeugt, dass Terrorismus nicht mit
militärischen Mitteln zu besiegen ist . Andererseits bin ich
aber auch davon überzeugt, dass wir die Ausbreitung des
IS im Irak, in Syrien und in anderen Ländern verhindern
müssen . Für mich ist die Ausgangssituation eine andere
wie in Afghanistan. Der IS hat nicht nur Zuflucht unter
dem Regime eines Staates gefunden, sondern mit barba-
rischen Mitteln weite Teile von Syrien und Irak besetzt .
Auch in der deutschen Geschichte hat ein Terrorregime
das ganze Land besetzt . Damals haben sich viele Län-
der auch mit militärischen Mitteln an unserer Befreiung
beteiligt .
Die Entscheidung für oder gegen das Mandat emp-
finde ich als äußerst schwer und problematisch. Ich sehe
zurzeit nur zwei Möglichkeiten: erstens unsere Freun-
de und Verbündeten auch mit militärischen Mitteln zu
unterstützen, um die Ausweitung des IS zu verhindern,
zweitens die Menschen in Syrien und dem Irak sowie
in weiteren Ländern dem barbarischen Terror des IS zu
überlassen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14243
(A) (C)
(B) (D)
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut,
sondern auch für das, was man nicht tut .
In Abwägung aller von mir beschriebenen Umstände
werde ich dem Mandat zustimmen . Ich erwarte jedoch
von der Bundesregierung und allen beteiligten Regierun-
gen, dass sie mit noch stärkerem Nachdruck die finanzi-
elle Basis des IS austrocknen sowie die humanitäre Hilfe
für die Menschen vor Ort verstärken und alle diplomati-
schen Möglichkeiten ausschöpfen, damit die Menschen
im Nahen Osten, in Asien und Afrika friedlich zusam-
menleben können . Wirtschaftliche Interessen dürfen
hierbei keine Rolle spielen .
Dr. Simone Raatz (SPD): Für mich ist es eine sehr
schwere Entscheidung, ob wir auf die Terroranschläge
des IS auch mit Waffengewalt reagieren sollen . Ja, der
Terror ist eine klare Kampfansage an unsere demokrati-
schen Grundwerte und unsere Gesellschaftsordnung . Es
geht um die Solidarität mit den Menschen in Frankreich
und das Zusammenstehen Europas . Es geht um einen
Beitrag Deutschlands, in einer Koalition von 64 Staaten
im Einklang mit dem Recht der Vereinten Nationen, und
es geht um ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und Ter-
ror . Doch dafür braucht es dringend eine Gesamtstrate-
gie .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztendlich nur eine politische Lösung
geben kann . Insbesondere der Prozess in Wien muss dazu
führen, dass es eine politische Einigung über die Zukunft
Syriens gibt .
Unsere bisherige „Scheckbuchdiplomatie“ gerät hier
endgültig an ihre Grenzen . Jedes Handeln muss dazu
führen, Europa und unsere Bevölkerung zu schützen
und gleichzeitig den Menschen in Syrien die Perspekti-
ve eines friedlichen Lebens zu schaffen . Zu lang haben
wir hier bereits zugesehen und zu wenig die USA in die
Pflicht genommen.
Klar ist, alleine mit Diplomatie werden wir die Terro-
risten des IS nicht in die Schranken weisen können . Aber
auch eine militärische Lösung wird die Terrororganisati-
on IS so schnell nicht bezwingen . Hier gehört sehr viel
mehr dazu . Daher werde ich mich der Stimme enthalten .
Mechthild Rawert (SPD): Nach Abwägung nachfol-
gender Umstände stimme ich nach bestem Wissen und
Gewissen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit
beim vorgelegten Mandat mit Enthaltung:
Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien
und auf die ganze Region . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) sprach
im Zusammenhang mit dem zur Abstimmung stehenden
Mandat nun aber von einem möglichen „politischem
Zweckbündnis auf Zeit“ mit dem syrischen Diktator
Baschar al-Assad – eine politische Vorstellung, der ich
meine Stimme nicht geben will .
Einschätzung der rechtlichen Grundlage: In mitt-
lerweile drei Resolutionen – die Resolution 2170 vom
15 . August 2014, die unter Kapitel VII der UN-Charta
Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen ver-
bündete Terrorgruppen beschlossen hat, die Resolution
2199 vom 12 . Februar 2015 sowie die Resolution 2249
vom 20 . November 2015 – hat der Sicherheitsrat der Ver-
einten Nationen festgestellt, dass von dieser Terrororga-
nisation weltweit eine Bedrohung für den Frieden und
die internationale Sicherheit ausgeht . Nach den barbari-
schen Terroranschlägen in Paris hat sich Frankreich als
erster Mitgliedstaat der EU auf die Beistandsklausel in
Artikel 42 Absatz 7 des Lissabon-Vertrages berufen . Die
Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich
militärische Fähigkeiten im Kampf gegen Da'isch ange-
boten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbe-
tankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines
französischen Flugzeugträgers . Zusätzlich zum Aufruf
des Sicherheitsrates an die Staatengemeinschaft, alle
notwendigen Maßnahmen gegen den barbarischen Terror
zu ergreifen, erfolgen Deutschlands militärische Beiträ-
ge, soweit die kollektive Selbstverteidigung zugunsten
von Frankreich geleistet wird, auch in Erfüllung dieser
EU-Beistandsklausel . Ich bin davon überzeugt, dass da-
mit zusammengenommen eine ausreichend legitimierte
rechtliche Grundlage für einen militärischen Einsatz ge-
geben ist .
Fördert ein militärischer Beitrag Deutschlands die
Terrorgefahr? – Längst ist der nun fünfjährige syrische
Bürgerkrieg zu einem regional und international beein-
flussten Krieg eskaliert. Insbesondere die aus dem Irak
stammende terroristische Gruppe, die sich selbst fälschli-
cher- und überheblicherweise „Islamischer Staat“ nennt,
hat seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss ge-
wonnen . In den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak
und in Syrien hat der Da'isch ein Terrorregime errichtet .
Nach den anfänglich ausschließlich auf den Irak und Sy-
rien konzentrierten terroristischen Aktivitäten haben der
Da'isch und ihm nahestehende Gruppen und Einzelper-
sonen einen Strategiewechsel vollzogen . Sie tragen den
brutalen Terror mit Hunderten von Toten und Verletzten
nun in zahlreiche Gesellschaften: Die Terroranschläge im
tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, in Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris zeugen davon .
Der Da'isch richtet sich gegen unsere „westlichen“ Werte
von Offenheit und Pluralität und die dadurch möglichen
vielfältigen Lebensformen . Deutschland steht im Fokus
des Da'isch, Terroranschläge sind möglich – dieses aber
nicht erst aufgrund dieses militärischen Beitrags .
Unklarheiten hinsichtlich Dauer und möglicher Aus-
weitung des militärischen Beitrags: Selbstverständlich
ist die Überlegung unseres Bundesaußenministers Frank-
Walter Steinmeier bedenkenswert: „Wenn wir nicht ver-
hindern, dass sich der IS noch weitere Teile Syriens unter
den Nagel reißt, dann wird in Syrien nichts übrig bleiben,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514244
(A) (C)
(B) (D)
was wir befrieden und durch einen politischen Prozess
in eine andere, hoffentlich bessere, Zukunft überführen
können .“ . Ob die daraus von der Bundesregierung voll-
zogene Eile auch im Hinblick auf das parlamentarische
Verfahren wirklich notwendig war, ziehe ich in Zweifel .
Jede Parlamentarierin, jeder Parlamentarier weiß, dass es
keine militärische Lösung geben wird . Expertinnen und
Experten äußern, dass dieser Einsatz wohl zehn Jahre
andauern werde und dass ein Krieg gegen den Da'isch
ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen ist . Wer aber
führt in dieser Zeitspanne den Kampf am Boden? Der
Deutsche Bundestag hat im letzten Jahr mehrheitlich ent-
schieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak
in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit
militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab-
wehrkampf gegen Da'isch im Irak zu unterstützen . Seit-
dem sind zwar mehrere besetzte Gebiete im Norden Iraks
von den kurdischen Peschmerga zurückerobert worden .
Diese alleine reichen als Bodentruppen aber nicht aus .
Wer werden die anderen sein? Gibt es bei diesem mili-
tärischen Einsatz eine Perspektive für einen geordneten
Friedensprozess? Oder laufen die Regionen durch ein
möglicherweise vorschnelles militärisches Eingreifen
Gefahr, weiter destabilisiert zu werden?
Eine politische Lösung für den Syrien-Konflikt wird
angestrebt: Ich anerkenne die großen Anstrengungen ins-
besondere von Außenminister Frank-Walter Steinmeier
für eine politische Lösung . Im November 2014 wurde auf
seine Initiative in Berlin eine erste Konferenz zur Bün-
delung der Kräfte zur humanitären Hilfe durchgeführt .
In Wien haben die diplomatischen Anstrengungen für ein
Ende der Kampfhandlungen in Syrien – unter anderem
unter Einbeziehung auch des Iran und von Saudi-Arabi-
en – begonnen . Das Ziel von Frank-Walter Steinmeier
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem politischen Prozess zur Konflikt-
regelung – Konferenzen in Wien – zu verschaffen . Der
UN-Sondergesandte hat bereits vier Arbeitsgruppen un-
ter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne Da'isch –
zu Kernfragen des Konflikts gegründet. Aus den Ergeb-
nissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für
eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politi-
schen Konfliktregelung näherzukommen.
Die Arbeitsgruppe für Militär, Sicherheit und Ter-
rorabwehr wird vom deutschen Nahost-Experten Profes-
sor Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft
und Politik (SWP), in Berlin geleitet . An diesem die Bun-
desregierung häufig beratenden Institut ist auch Markus
Kaim, Senior Fellow der Arbeitsgruppe Sicherheitspo-
litik, tätig . In einem Zeit-Online-Interview verweist er
auf Fragen, die auch mich sehr bewegen: Was passiert
wann – unter anderem bei einem schnellen Sieg – über-
haupt mit den zurückeroberten Gebieten und den Regio-
nen, aus denen der Da'isch verdrängt wird? Fallen diese
an das syrische Regime zurück? Bilden sie den Keim für
einen Kurdenstaat? Werden sie einem internationalen
Protektorat zum Schutz der Zivilbevölkerung unterstellt?
Der Konsens der „Militär-Partner“ ist die gemeinsame
Absicht, gegen den Da'isch vorzugehen . Was wird aus ih-
nen als „Friedens-Partner“? Mir macht sehr große Sorge,
dass die beim Militärschlag vereinten Partner untereinan-
der so viele verschiedene und teilweise so gegensätzliche
Interessen verfolgen . So würde ich mir beispielsweise
die Beziehung Russland–Türkei fast gerne als „eisig“
vorstellen, bin aber eher von sehr „heiß“ überzeugt . In
der unübersichtlichen Gemengelage zwischen den USA,
Russland, der Türkei, der EU, Saudi-Arabien sowie dem
Assad-Regime wird mir aber keine andauernd klare Stra-
tegie erkennbar .
Meiner Meinung nach muss im Hinblick auf eine
nachhaltige politische Friedensaufbauperspektive auch
die Rolle Saudi-Arabiens, Irans und Katars debattiert
werden . Diese Diskussion fehlt mir in diesem Zusam-
menhang .
Den Militäreinsatz übergreifende politische Maßnah-
men sind erforderlich . Wir alle sind uns einig, dass die
Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristi-
schen Kämpfern und Kämpferinnen nach Syrien unter-
bunden werden muss . Der illegale Verkauf von Öl und
anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzu-
fluss an die Terrormiliz Da'isch – oftmals durch staatli-
che Institutionen geduldet oder gar organisiert – ist mit
allen Mitteln zu unterbinden . Darüber hinaus ist es unab-
dingbar, dass Da'isch-Kämpferinnen und -Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu . Wie wird dieses sichergestellt?
International und national dürfen wir nicht zulas-
sen, dass sich der Da'isch-Terror zu einem „Kampf der
Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten
Da'isch-Opfer selber Muslime . Hetze gegen Flüchtlin-
ge und die Ausgrenzung von Menschen muslimischen
Glaubens muss unterbunden werden . Im Gegenteil: Un-
sere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger
Muslime und Muslima müssen gesteigert werden, um
Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin-
dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp-
fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein-
und auszureisen . Es ist Aufgabe unseres Rechtsstaates als
auch unserer Zivilgesellschaft, mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln dagegen vorzugehen . Wir brauchen ei-
nen gesamtpolitischen Ansatz . Über einen militärischen
Einsatz hätte ich gerne ausführlicher im Deutschen Bun-
destag debattiert .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Dennis Rohde (SPD): Mit großer Sorge blicke ich
auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro-
teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14245
(A) (C)
(B) (D)
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat sich der
Konflikt mittlerweile zu einem regional und international
beeinflussten Krieg entwickelt, in dem insbesondere die
aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit
2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und
in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Sy-
rien ein Terrorregime errichtet hat
Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Bereits im letzten Jahr haben wir entschieden, die kur-
dische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung
mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer
Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf ge-
gen ISIS im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement
hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere
von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu-
rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten
geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück-
zukehren .
In meiner politischen Arbeit habe ich die damalige Si-
tuation aktiv begleitet . In Oldenburg, der größten Stadt
meines Wahlkreises, ist der Zentralrat der Jesiden in
Deutschland ansässig . Jesiden sind eine religiöse Min-
derheit mit mehreren hunderttausend Angehörigen, die
ursprünglich im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in
der südöstlichen Türkei beheimatet sind . Die Jesiden
werden vom IS in außerordentlich brutaler und men-
schenverachtender Weise verfolgt, ermordet und gefol-
tert, jesidische Frauen durch sie vergewaltigt und als
Sklavinnen gehalten . Im August 2014 rückten IS-Terror-
brigaden in das Sindschar-Gebirge im Nordwestirak vor
und kesselten mehrere zehntausend Jesiden ein . Darauf-
hin wandte sich der Vorstand der Jesidischen Gemeinde
Deutschlands hilfesuchend an mich . Mein Büroteam und
ich haben daraufhin den gesamten August teilweise bis
zum späten Abend und in die Nacht hinein in zahllosen
Telefonaten mit dem Auswärtigen Amt auf die drohende
menschlichen Katastrophe hingewiesen und auf eine Lö-
sung gedrängt . Auch deutsche Staatsbürger waren unten
den eingeschlossenen, von Hunger, Durst, Hitze und dem
Beschuss der IS-Milizen akut bedrohten Menschen . Erst
durch Luftschläge der USA war es den kurdischen Pesch-
merga-Kämpfern möglich, einen schmalen Korridor zu
öffnen, der den Eingeschlossenen die Flucht ermöglichte .
Diese Tage im August 2014, die grenzenlos brutalen Vi-
deos der Gräueltaten des IS, die Telefonate mit dem Jesi-
dischen Forum und die vielen Augenzeugenberichte habe
ich nicht vergessen, und sie haben mir dabei geholfen,
heute die Notwendigkeit dieses Mandates zu akzeptieren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Das militärische Engagement ist und kann nur Teil ei-
ner breit angelegten Politik sein – aber nicht ihr Ersatz .
So notwendig der militärische Kampf ist, so beharrlich
arbeiten Frankreich und Deutschland, allen voran der
Bundesaußenminister, auf politischer Ebene an einer Lö-
sung . Er arbeitet jeden Tag daran, dass – gerade nach dem
Vorfall an der türkisch-syrischen Grenze – die wichtigen
internationalen Partner Russland und die USA wie auch
die regionalen Akteure Türkei, Iran und Saudi-Arabien
am Tisch bleiben . An die Stelle von Chaos und Anarchie,
die eine Ausbreitung von ISIS erst möglich gemacht ha-
ben, muss eine regionale Ordnung treten . Das wird nur
mit einer gemeinsamen Strategie gelingen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016, den ich als Mit-
glied des Haushaltsausschusses mitgestalte, haben wir
den Ansatz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisen-
prävention um über 400 Millionen Euro erhöht . Unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region muss in Abstimmung mit unseren internati-
onalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort
fortgesetzt und wo möglich und nötig verstärkt werden .
Nach genauer Abwägung dieser Argumente und inten-
siven Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen sowie
Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis habe ich
diesem Einsatz der Bundeswehr in Syrien zugestimmt .
Wir dürfen bei allem nötigen, auch militärischen
Engagement nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um die Rekrutierung dieser
Menschen durch Terrorgruppen zu verhindern . Ebenso
müssen sogenannte „ausländische Kämpfer“ daran ge-
hindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszurei-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514246
(A) (C)
(B) (D)
sen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Ver-
fügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird hoffentlich ein Beitrag dazu geleistet
werden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über
250 000 Toten zu beenden und eine politische Regelung
zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Dr. Martin Rosemann (SPD): Der syrische Bürger-
krieg, der im März 2011 mit Protesten einiger syrische
Oppositionsgruppen im Zuge des Arabischen Frühlings
gegen den Präsidenten Assad begann, ist mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg es-
kaliert. In den ersten Jahren des Konflikts waren die Re-
gierungstruppen für Zehntausende zivile Opfer, darunter
viele Kinder, verantwortlich . Der völkerrechtswidrige
Einsatz von Giftgas durch syrische Regierungstruppen
bildete den vorläufigen Höhepunkt eines menschenver-
achtenden Umgangs mit der eigenen Bevölkerung durch
das herrschende Assad-Regime . Zum Glück ist es damals
den Vereinten Nationen gelungen, aufgrund eines Sicher-
heitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Sy-
riens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch
von deutscher Seite zu vernichten .
Seit 2014 gewinnt in der Region die aus dem Irak
stammende Terrororganisation IS immer mehr an Macht
und Einfluss. Aufgrund der instabilen politischen Ver-
hältnisse im Irak und in Syrien hat es der IS innerhalb
kürzester Zeit geschafft, ein weite Teile der Region um-
fassendes Terrorregime im Nordwesten des Iraks und im
Osten Syriens zu errichten . In den vom IS kontrollierten
Gebieten werden Terroristen ausgebildet und Anschläge
vorbereitet . Nachdem sich die terroristischen und mili-
tärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf
den Irak und Syrien konzentrierten, ist die Terrororgani-
sation vor einiger Zeit dazu übergegangen, ihre Terroran-
schläge nach und nach geografisch auszuweiten, wie die
Anschläge in im Badeort Sousse in Tunesien, in Beirut,
Ankara, der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris zeigen .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2246 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht, die mit allen Mitteln bekämpft werden muss .
Klar ist, dass der IS nur mit einem Gesamtpaket unter-
schiedlicher Maßnahmen erfolgreich bekämpft werden
kann . Zu den bisher beschlossenen Maßnahmen gehö-
ren die Unterbindung der Anwerbung und Ausreise von
ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien und
vor allem die konsequente Unterbindung der Finanzie-
rung des Terrorismus . Der illegale Verkauf von Öl und
anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
fluss an den IS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Doch auch wenn alle Staaten diese Maßnahmen kon-
sequent umsetzen würden, würde das nicht reichen, die
Ausbreitung des IS zu stoppen . Ohne militärisches Ein-
greifen wird der IS sein brutales Terrorregime in der Re-
gion weiter ausbreiten . Daher war auch die Entscheidung
richtig, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in
Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit mi-
litärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehr-
kampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Die Rück-
eroberung der Stadt Sinjar durch kurdische Peschmerga
vor wenigen Wochen war ein wichtiger Schlag gegen den
IS. Die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Men-
schen beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren . Dieser
militärische Erfolg der Peschmerga wäre aber ohne die
unterstützenden Luftangriffe der Amerikaner nicht mög-
lich gewesen .
Infolge der Terroranschläge vom 13 . November in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung ge-
beten, sich auch mit Soldaten und weiterem technischen
Gerät zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der
internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen den IS zu
beteiligen . Aus Solidarität zu unserem Nachbarland und
wichtigsten Verbündeten in Europa kommen wir mit der
Erteilung des Mandats dieser Bitte nach . Wichtig ist mir,
dass die Anschläge von Paris und die Bitte Hollandes der
Anlass, nicht aber der Grund für ein weitergehendes mi-
litärisches Engagement Deutschlands sind . Wenn richtig
ist, dass es auch militärischer Mittel bedarf, um den IS
zu besiegen, dann kann sich Deutschland dabei nicht ein-
fach raushalten .
Konkret unterstützt die Bundeswehr im Rahmen des
Mandats Frankreich, den Irak und weitere Mitglieder der
internationalen Allianz gegen den IS wie Jordanien, die
Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien und die
USA durch Luftbetankung, See- und Luftraumüberwa-
chung, Aufklärung, Begleitschutz und Beitrag zur Si-
cherung des Marineverbandes sowie Wahrnehmung von
Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben
gegenüber Hauptquartieren der multinationalen Partner .
Insgesamt können bis zu 1 200 Soldaten dafür eingesetzt
werden .
Kurzfristiges Ziel des Einsatzes ist es, ein weiteres
Vorrücken des IS in der Region zu verhindern und den IS
zurückzudrängen, um somit die Chancen auf eine politi-
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sche Lösung des Syrien-Konflikts zu erhöhen. langfristig
geht es um die Bildung einer noch breiteren Allianz mit
dem Ziel, dass die sunnitischen Kräfte den IS auch am
Boden besiegen und dem IS gleichzeitig der politische
und finanzielle Boden entzogen wird.
Die beschriebene Gesamtstrategie zur Bekämpfung
des IS ist in einen politischen Prozess zur Stabilisie-
rung Syriens und zur Linderung der humanitären Kata-
strophe eingebettet . Unser Außenminister Frank-Walter
Steinmeier arbeitet seit seinem Amtsantritt intensiv
an einer politischen Lösung . Eine erste Konferenz zur
Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf
deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch-
geführt . Deutschland hat sich zudem mit Nachdruck da-
für eingesetzt, dass der Iran und Saudi-Arabien bei den
aktuell laufenden Verhandlungen in Wien über eine Lö-
sung des Konflikts mit am Tisch sitzen. Die Bemühun-
gen um eine politische Lösung werden ununterbrochen
weitergehen . Und auch die humanitäre Hilfe wird weiter
ausgebaut . Im Haushalt 2016 haben wir den Betrag für
humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention um über
400 Millionen Euro erhöht .
Mir ist völlig klar, dass man mit militärischen Mitteln
allein Terrorismus im Allgemeinen und den IS im Beson-
deren nicht besiegen kann . Aber mit einer Gesamtstrate-
gie aus politischen Bemühungen, humanitärer Hilfe und
eben auch militärischem Einsatz haben wir wenigstens
die Chance, endlich einen Weg zu finden, die Menschen
im Irak und Syrien vor dieser brutalen Terrororganisation
zu schützen und ihnen Leben in ihrer Heimat zu ermög-
lichen .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Meine Zustim-
mung zu dem von der Bundesregierung vorgelegten
Mandat begründet sich nach gründlicher Überlegung und
Abwägung darin, dass ich dieses Mandat und die daraus
abgeleitete Umsetzung als in sich sinnvolle und tragfä-
hige Maßnahmen beurteile, die der Situation und den
überschaubaren Konsequenzen gegenüber angemessen
sind und die sich einordnen in eine umfassende mehr-
dimensionale Handlungsstrategie mit kalkulierbaren
Zielen . Ich weiß, dass es für das Gesamtproblem keine
einfache durchschlagende Lösung gibt und dass sich alle
Beteiligte auch noch erst schrittweise und in mühseliger
Abstimmung auf ein umfassendes Gesamtziel und eine
entsprechende Gesamtstrategie werden einigen müssen .
Aber wer nur abwartet und jetzt nichts tun will, muss
sich nach seiner Verantwortung und den Konsequenzen
seines Abwartens und Nichtstuns genauso fragen lassen
wie der, der sich jetzt für konkrete begrenzte Maßnah-
men entscheidet .
Für mich setzt sich meine Zustimmung aus drei wich-
tigen Punkten zusammen:
Erstens . Die deutsche und die europäische Solidarität
mit Frankreich .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Ich stehe zu dieser So-
lidarität mit unserem engsten Nachbarn und Freund .
Zweitens . Die ISIS als terroristischer Teilstaat und die
Bedrohung von Weltfrieden und Menschenrechten .
Der syrische Bürgerkrieg ist seit 2011 mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg es-
kaliert, in dem insbesondere die aus dem Irak stammende
terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an
Macht und Einfluss gewonnen und in den von ihr kon-
trollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorre-
gime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen und
militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließ-
lich auf den Irak und Syrien konzentriert hatte, wurde vor
einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terror-
gruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzel-
personen tragen ihren Terror jetzt vermehrt und konzen-
triert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa .
Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in
Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in
Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta-
ler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin deshalb dafür, in diesem Sinne aktiv geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, die ich mit der Zustimmung
zu dem Mandat ermöglichen möchte . Ich unterstütze
das Ziel, die ISIS und ihren terroristischen Teilstaat zu
schwächen und zurückzudrängen und damit auch einen
Beitrag zu einer notwendigen politischen Regelung zu
leisten .
Drittens . Die politische Initiative und die Unterstüt-
zung für die Vereinten Nationen .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in
Berlin durchgeführt . Hierauf konnte aufgebaut werden .
So wurde mit den Erklärungen der Wiener Konferen-
zen vom 30 . Oktober und 14 . November 2015 den Ver-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514248
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einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Für
diesen politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de
Mistura wurden auf dessen Initiative hin vier Arbeits-
gruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien – ohne
ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet. Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Ich erhoffe mir von diesem Wiener Prozess ein im-
mer stärkeres Zusammengehen aller Beteiligten, die sich
in der großen Gemeinschaft von 64 Staaten im Kampf
gegen die Terrororganisation ISIS zusammengefunden
haben und von denen ein Teil sich sehr konkret auch in
militärischen Maßnahmen auf syrischem Gebiet enga-
giert . Das Ziel dieses Prozesses muss am Ende die Ent-
wicklung und Durchsetzung einer Gesamtstrategie sein,
mit einer Befriedung des Konfliktes in Syrien, einer Be-
seitigung und Auflösung von ISIS und einem Aufbau ei-
ner Nachbürgerkriegsordnung und einem Wiederaufbau
in Syrien . Dieser Wiener Prozess ist für mich auch eine
Voraussetzung dafür, dass es zu einer noch mehr Nach-
druck und Legitimation gebenden Resolution des UN-Si-
cherheitsrates nach Kapitel VII kommt .
Mit dem Mandat, das die Bundesregierung ins Parla-
ment eingebracht hat, wird dieser politische Wiener Pro-
zess flankiert und abgesichert. Auch deshalb stimme ich
dem Mandat zu .
Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Trotz gro-
ßer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement
gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich nach inten-
siven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungs-
prozess entschieden, dem Mandat der Bundesregierung
zuzustimmen . Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht .
Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engage-
ment nicht auf das Militärische konzentriert, sondern
das militärische Engagement im und über dem Operati-
onsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil
ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet .
Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine
politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die
Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen
will und muss .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen . In Anbetracht der über sechs
Millionen Binnenflüchtlinge und über vier Millionen
Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müs-
sen wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte
Übergangshilfe leisten . Seit 2012 haben wir hierzu über
1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im Haus-
halt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe und
die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro
erhöht . Es gilt, das Engagement für die Flüchtlinge und
Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit den
internationalen Partnern und den Partnerorganisationen
vor Ort fortzusetzen und wo möglich und nötig zu ver-
stärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Dr. Nina Scheer (SPD):Terrorismus und die Ausbrei-
tung von Terrorismus stellen ohne Zweifel eine Bedro-
hung von Frieden, für Kulturen, für Zivilgesellschaften
und auch Rechtsstaatlichkeit dar . Terrorismus, wie er mit
den Anschlägen von Paris für eine unfassbare Dimension
menschenverachtender Grausamkeit steht, muss insofern
schnellstmöglich bekämpft werden, auch aus Solidarität
mit den Opfern von Terrorismus und ihren Angehörigen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14249
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sowie zu unserem eigenen Schutz und zum Schutz von
Kultur und Rechtsstaatlichkeit .
Terrorismus zielführend und wirksam zu bekämpfen
setzt unweigerlich voraus, die Wurzeln für Terrorismus
zu erkennen und an ihnen anzusetzen . Wir wissen, dass
der Nährboden von Terrorismus in Armut, Verelen-
dung, Zerstörung und Perspektivlosigkeit, auch infolge
von Kriegen liegt . So hat der vergangene Irakkrieg und
mit ihm einhergehende Zerstörung das Aufkeimen der
Terror organisation IS und deren Ausbreitung begünstigt .
Luftschläge bergen das erhöhte Risiko, unschuldige
Zivilisten zu treffen, Städte und Infrastruktur, Versor-
gungszentren zu zerstören . Wenn zugleich staatliche
Strukturen versagen oder Rechtsstaatlichkeit fehlt, folgt
Not, Flucht und Armut – die Gefahr von Extremismus
und die Verführbarkeit von Menschen mit Perspektivlo-
sigkeit steigt, zumal in kulturell bereits zuvor fragilen
oder gar zerrütteten Regionen .
Der nun geplante Bundeswehreinsatz stützt sich auch
auf die Solidarität mit Frankreich . Angesichts der weit-
reichenden Auswirkungen von Militäreinsätzen erachte
ich die Solidarität mit einem anderen Staat grundsätzlich
als keine opportune Motivation für einen Militäreinsatz .
Ein Militäreinsatz muss auf den Grundlagen des Völker-
rechts vielmehr von der gründlich abgewogenen Über-
zeugung getragen sein, dass er zur Friedenserlangung ein
unverzichtbares Mittel ist .
Das umkämpfte Syrien ist gekennzeichnet von Zer-
störung, Not, Armut, Zersplitterung, kulturell-religiösen
Konflikten und geopolitischen Interessensgegensätzen.
Nach meinem Verständnis gibt der mit dem vorliegenden
Antrag geplante Bundeswehreinsatz keinen Aufschluss
darüber, wie sich Deutschland gegenüber den vorherr-
schenden Interessensgegensätzen, insbesondere dem
Staat Syrien und dessen Regierungstruppen und damit
auch gegenüber Russland, verhält . Eine inkongruente
Antwort etwa im Verhältnis zu Russland kann in einen
unkalkulierbaren Konflikt münden. Einen Militäreinsatz
ohne ein diesen explizit benennendes UN-Mandat, das
den gegebenen Interessenskonflikten Rechnung trägt,
halte ich vor diesem Hintergrund für nicht verantwortbar .
Die Solidarität mit Frankreich darf nicht zu Entschei-
dungen verleiten, deren sachliche Bewertung sich uns
verschließt . Die mit dem Bundeswehreinsatz vorgesehe-
nen Unterstützungshandlungen bewirken eine gemeinsa-
me Verantwortung für die von Frankreich ausgehenden
Einsätze, ohne dass deren Art und Ausmaß von Deutsch-
land beeinflussbar wäre.
Solidarität mit Frankreich ist von uns nach unseren
Möglichkeiten, aber notwendiger Weise auch mit Blick
auf die gemeinsam zu verfolgenden Ziele zu leisten . Dies
setzt voraus, dass die Bekämpfung des für die Anschläge
von Paris maßgeblichen Terrorismus mit Militäreinsät-
zen in Syrien erreicht werden kann .
Die Anschläge von Paris am 13 . November haben of-
fenbart, dass die Bedrohung europäischer Staaten durch
den IS auch in Europa besteht . Der IS ist kein Staat, er
ist ein terroristisches Netzwerk, das weder auf den Irak,
Syrien, noch angrenzende Staaten begrenzt ist . Die At-
tentäter von Paris, wie auch zuvor Attentäter von An-
schlägen in London, kamen aus Europa bzw . ihrer Hei-
mat . Verstärkt werden hierbei Jugendliche aus Gegenden
mit hoher Arbeitslosigkeit von extremistischen Gruppie-
rungen, so auch Terrororganisationen, angesprochen und
verführt .
Die heutige terroristische Bedrohung ist somit auch
Kennzeichen eines Versagens der westlichen Welt, Ursa-
chen von Terrorismus frühzeitig zu begegnen . Dies muss
etwa durch konsequente Bekämpfung von Jugendarbeits-
losigkeit und Perspektivlosigkeit innerhalb Europas so-
wie im Zuge internationaler Zusammenarbeit und Ent-
wicklungshilfe erfolgen . Terrororganisationen, die zwar
ihre Wurzeln häufig in Kriegsgebieten haben, etablieren
ihre Strukturen zunehmend außerhalb dieser Gebiete,
auch mit Hilfe von Medien und sozialen Netzwerken,
Finanzierungsquellen und Waffen, die sie in westlichen,
industrialisierten Staaten vorfinden bzw. aus denen jene
stammen .
Solidarität verlangt nach einer gründlichen Auseinan-
dersetzung mit zielführenden Lösungen . Dem IS kann
offenkundig nur mit gewaltsamen Maßnahmen begegnet
werden, die aber ihrerseits sowohl völkerrechtsgemäß als
auch auf Stabilisierung der betreffenden Regionen ausge-
richtet sein müssen . Dies setzt ein UN-Mandat sowie ein
gemeinsames Vorgehen der Beteiligten bzw . involvierten
Staaten voraus . Für den geplanten Bundeswehreinsatz
trifft dies nicht zu .
Wir müssen uns verstärkt für das Austrocknen von
Finanzierungsquellen des IS einsetzen und gegen Waf-
fenlieferungen in Krisengebiete . Armutsrisiken muss
entgegengewirkt werden, auch im Umgang mit Ressour-
cen, Lebensgrundlagen und in Anbetracht der Wirkungs-
weisen globalisierter Weltwirtschaft . Auch wenn solche
Ziele und die mit ihnen zu bekämpfenden Verelendungs-
ursachen nur langfristig erreichbar sind, sind sie nicht
minder wirksam, Terrorismus vorzubeugen und dessen
weitere Ausbreitung zu bekämpfen – in Solidarität mit
unseren Mitmenschen .
Der betreffende Bundeswehreinsatz erfüllt nach mei-
ner Überzeugung weder die für ein Mandat benötigten
völkerrechtlichen Voraussetzungen noch ist er geeignet,
das verfolgte Ziel zu erreichen, ohne in einer nicht abseh-
baren Dimension weitere Risiken, auch eine Ausbreitung
von Terrorismus, einzugehen .
Insofern werde ich bei der Abstimmung über die Er-
teilung des Bundeswehrmandats mit Nein stimmen .
Udo Schiefner (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514250
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bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errich-
tet hat . Nachdem sich die terroristischen und militäri-
schen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf
den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger
Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe
ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelperso-
nen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die
Nachbarländer und nach Europa . Die Terroranschläge im
tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter-
nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
In der SPD-Bundestagsfraktion sind wir überzeugt,
dass es für den zugrunde liegenden Syrien-Konflikt
letztlich nur eine politische Regelung geben kann .
Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere
Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsüber-
nahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war und ist es,
den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten,
Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in die-
sem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Konferenz zur
Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf
deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durch-
geführt . Im Rahmen des politischen Prozesses zur Kon-
fliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir uns mit
Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran
und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder spielen je-
weils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett der ISIS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung der Terrorgruppe ISIS im Irak und
Syrien hätte ihre Ausbreitung in Nachbarstaaten zur Fol-
ge . Dies ist ihre erklärte Strategie . Insofern geht es nicht
allein um die Bekämpfung der Terrorgruppe ISIS in Syri-
en und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz
anderer Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir im letzten
Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist die
Solidarität aller Europäer gefordert . Diese Solidarität gilt
für mich im Übrigen auch für die Verteilung der Flücht-
linge in Europa
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach
intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14251
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(B) (D)
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maß-
nahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete
Terrorgruppen .
Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von aus-
ländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss
unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Reso-
lution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden .
Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen
sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals
durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi-
siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da-
rüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der ISIS-Terror
zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie
vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration, insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin-
nern, was die ISIS seit geraumer Zeit in Syrien treibt:
Versklavung von Frauen für die Krieger, Verfolgung und
Ermordung von Männern, die sich der Terrorgruppe ver-
weigern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern
auszubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung
ganzer Dörfer – in der UN-Versammlung ist das Wort
Genozid gefallen .
Nur durch einen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein-
zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region
und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein
eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten,
wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die-
ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich
einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört
aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung
von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit
Langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch
die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner
Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien
und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur
Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn
auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt-
schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit-
wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse
weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu
stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri-
sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen
Ländern zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver-
abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be-
kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist .
Da sich deutsche Unternehmen zurzeit kaum in Syrien
und angrenzenden Ländern niederlassen werden, müssen
wir Länder, die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren
anzusehen sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien,
dringend in den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisie-
rung beitragen .
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf-
einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln
und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft-
licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte
schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta-
bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber
zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen
Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw .
zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir .
Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände
stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung
terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation
„Islamischer Staat“ zu .
Tankred Schipanski (CDU/CSU): Dem Antrag der
Bundesregierung stimme ich zu . Angesichts der klaren
Bedrohungslage durch den sogenannten „IS“ (Da'isch)
ist eine geschlossene Haltung der EU von eminenter Be-
deutung . Die Bundesrepublik steht richtigerweise fest
und solidarisch an der Seite Frankreichs – dies galt vor
den Anschlägen in Paris am 13 . November – und gilt
selbstverständlich auch weiterhin .
Der Antrag der Bundesregierung sieht die militärische
Unterstützung Frankreichs, des Iraks und der internatio-
nalen Allianz gegen Da'isch vor . Dabei soll die Bundes-
wehr in den Bereichen Führung und Führungsunterstüt-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514252
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zung, Aufklärung, Sanitätsdienst, Logistik und Sicherung
und Rettung von Einsatzkräften eingesetzt werden . Die
Entsendung von Bodentruppen in Kriegsgebiete ist damit
nicht verbunden .
Auch wenn ich diesen Beitrag der Bundeswehr im
Kampf gegen Da'isch im Grundsatz befürworte, so be-
reitet mir die Eile der parlamentarischen Entscheidungs-
findung gleichwohl ernsthafte Sorge. Dem Parlament
blieben letztlich nur wenige Tage zur Beratung zwischen
Zuleitung des Antrags und Beschluss in dritter Lesung
des Bundestags am 4 . Dezember . Bedauerlicherweise
kann ich nicht erkennen, dass die internationale Alli-
anz bislang in der Lage war, eine langfristig angelegte
Strategie und eine klare Zielvorstellung hinsichtlich der
Bekämpfung von Da'isch zu entwickeln . Eine solche
Strategie und eine zwischen den Partnern der Allianz
abgestimmte Zielvorstellung sollte aber üblicherweise
grundlegende Voraussetzung eines jeden Kampfeinsatzes
sein und ist absolut zwingende Voraussetzung für einen
nachhaltig erfolgreichen internationalen Militäreinsatz .
Es ist daher unabdingbar, dass die Bundesregierung
nun unverzüglich und mit Nachdruck auf die Entwick-
lung einer solchen Strategie hinarbeitet, dazu eine Ver-
ständigung mit den Partnern innerhalb und außerhalb der
NATO herbeiführt und so zu einer belastbaren Koalition
gegen den Da'isch beiträgt . Sollte dies bis zum Ende des
Mandats am 31 . Dezember 2016 nicht gelingen, ist eine
Verlängerung des Mandats meines Erachtens nicht zu
rechtfertigen .
Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Die Entscheidung,
dem Antrag der Bundesregierung nicht zuzustimmen, ist
die schwerste in meiner bisherigen Zeit als Mitglied des
Deutschen Bundestages . Es gibt zahlreiche gewichtige
Argumente, den Einsatz zu befürworten . Dem stehen je-
doch ebenso gute Argumente entgegen . Die Gewichtung
der Argumente nimmt jeder Abgeordnete individuell und
unterschiedlich vor .
Ich verstehe, besonders nach den terroristischen An-
schlägen von Paris, den französischen Ruf nach europä-
ischer Solidarität . Die gewünschte militärische Beteili-
gung Deutschlands bedeutet einen gefährlichen Einsatz
und die geforderte Beteiligung deutscher Soldatinnen
und Soldaten an diesem Mandat stellt eine Zäsur dar .
Hinzu kommt, dass Europa nach mehreren Rück-
schlägen in den vergangenen Monaten ohnehin wenig
geschlossen auftritt . Mir ist bewusst, dass durch meine
Nein-Stimme das deutsch-französische Verhältnis – mit-
hin der Kern von Europa – auf eine schwere Belastungs-
probe gestellt wird .
Ich beabsichtige mit meiner Entscheidung weder dem
deutsch-französischen Verhältnis noch der europäischen
Idee Schaden zuzufügen . Jedoch konnte mir bisher nie-
mand schlüssig darlegen, dass Luftschläge dem soge-
nannten „Islamischen Staat“ (IS) bisher in der Substanz
geschadet hätten, obwohl die Operation bereits über ein
Jahr läuft und mehr als 16 000 Ziele angegriffen wurden .
Zahlreiche Militärexperten teilen meine Zweifel . Meine
Vorbehalte werden auch dadurch genährt, dass multilate-
rale Militäreinsätze weder in Afghanistan noch im Irak
militärische Erfolge zeitigten . Zugleich beobachte ich
eine zunehmende Radikalisierung der entsprechenden
Jugendlichen, beispielsweise in Frankreich . Ich sehe kei-
ne militärischen Vorteile dieses Mandats, jedoch erhebli-
che politische Nachteile .
Wer sich gleichwohl mit dem Status quo nicht abfin-
den möchte, muss Alternativen benennen . Auch die Be-
fürworter der Luftschläge sehen diese niemals als einzige
Handlungsoption . Mit vielen Kolleginnen und Kollegen
befürworte ich die in Wien laufenden Verhandlungen mit
den Konfliktbeteiligten, die sich mühsam voranbewe-
gen . Dass momentan ausgerechnet die zukünftige Rol-
le Assads im Mittelpunkt des medialen Interesses steht,
zeigt die Verhandlungsprobleme in ungeschminkter
Form . Ich setze sehr auf die Verhandlungen in Wien und
hoffe, dass es in jedem Fall gelingt, den IS finanziell aus-
zutrocknen, indem zunächst seine Ölverkäufe boykottiert
werden .
Ich kann 1 200 deutschen Soldatinnen und Soldaten
nur in einen gefährlichen Auslandseinsatz entsenden,
wenn ich von der Richtigkeit meiner Entscheidung über-
zeugt bin . Dies ist bei mir nicht der Fall . Darum kann ich
diesen Zweifel für mich nur auflösen, indem ich dem An-
trag der Bundesregierung meine Zustimmung versage .
Ursula Schulte (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi-
sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und
Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Gebie-
ten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat .
Nachdem sich die terroristischen und militärischen Akti-
vitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und
Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Stra-
tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
und sogar bis nach Europa .
Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse,
in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in
Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind bruta-
ler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14253
(A) (C)
(B) (D)
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie würden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher wurde auch im letzten
Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit mi-
litärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des
Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf ge-
gen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach in-
tensiver Prüfung Frankreich militärische Unterstützung
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS hat sich
die SPD-Bundestagsfraktion nach intensiven Diskussio-
nen und einem schwierigen Abwägungsprozess entschie-
den, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir persönlich nicht leicht .
Mir ist jedoch bewusst, dass die Bundesregierung ihr
Engagement nicht auf das Militärische konzentriert,
sondern das militärische Engagement im und über dem
Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als ei-
nen Teil ihres gesamten Engagements in der Region be-
trachtet . Mit dem Wiener Prozess hat sich eine Chance
für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet,
die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern
nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere muss die Anwerbung und Aus-
reise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach
Syrien unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unab-
dingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang
zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier
kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer der ISIS Menschen mit muslimi-
schem Glauben . Die Anschläge von Paris dürfen nicht
dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen
Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im
Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe-
sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um
Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin-
dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp-
fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein-
und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514254
(A) (C)
(B) (D)
allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu-
gehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 wurden hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig, zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Swen Schulz (Spandau) (SPD): Diese Abstimmung
über den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den
IS ist für mich eine der schwersten Entscheidungen in
meiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter .
Ich sehe starke Argumente für den Einsatz, weil letzt-
lich militärische Mittel notwendig sind und weil der
tätigen Solidarität mit Frankreich und den Opfern des
islamistischen Terrors weltweit sehr große Bedeutung
zukommt . Gleichwohl kann ich nach sorgfältiger Ab-
wägung nicht zustimmen . Die hauptsächlichen Gründe
dafür sind:
Es liegt kein zweifelsfreies UN-Mandat vor . Das ist
zum einen ein völkerrechtliches Problem . Zum anderen
macht das aber auch deutlich, dass es keine gemeinsame
Position der Weltgemeinschaft gibt . Die jedoch ist zwin-
gende Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg einer
Intervention .
Es ist weder ein militärisches noch ein politisches Kon-
zept erkennbar, das Vorgehen, Zielstellung sowie Been-
digungsoptionen beinhaltet . Die Tatsache, dass noch vor
kurzem von der Bundesregierung die Bombardements
in Syrien als Belastung für den politisch-diplomatischen
Prozess betrachtet und unter anderem Frankreich dafür
kritisiert wurde, dass sich die Koalitionsfraktionen nicht
auf eine begleitende Entschließung haben einigen kön-
nen, und dass in den letzten Tagen Irritationen über den
Umgang mit Assad und seinen Unterstützergruppen auf-
getreten sind, zeigt das deutlich .
Erfahrungen zeigen, dass militärische Interventionen
und im Besonderen Luftschläge ohne sorgfältige Einbet-
tung in ein politisches Konzept tendenziell zu einer Es-
kalation der Gewalt und zur Radikalisierung von Bevöl-
kerungsgruppen beitragen, anstatt das Problem zu lösen .
Es steht außer Frage, dass der IS auch militärisch
bekämpft werden muss . Ich halte eine Beteiligung
Deutschlands an einer militärischen Intervention, auch
mit Bodentruppen, nicht für ausgeschlossen . Doch die
Voraussetzungen müssen durch ein entsprechendes
UN-Mandat und die politische Einigkeit der Weltge-
meinschaft im Vorgehen und in der Zielstellung geschaf-
fen werden .
Solidarität mit Frankreich und den Opfern des isla-
mistischen Terrors kann nicht nur mit der Beteiligung
an den Bombardements in Syrien gezeigt werden . Soli-
darität darf sich nicht in zwar menschlich und politisch
verständlichen, letztlich aber kontraproduktiven quasi
Schock-Reaktionen zeigen . Vielmehr sollte Deutschland
fortfahren mit der effektiven humanitären Hilfe, weiter-
hin als Motor für politisch-diplomatische Fortschritte
wirken und gegebenenfalls bei Vorliegen der beschrie-
benen Voraussetzungen auch einen militärischen Beitrag
leisten .
Svenja Stadler (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regimes auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit
ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14255
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Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten, Professor Volker Perthes, geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden
Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dör-
fern und Städten geflüchteten Menschen beginnen in ihre
Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über den Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514256
(A) (C)
(B) (D)
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Sonja Steffen (SPD): In der Kürze der Zeit, die uns
Abgeordneten für unsere Entscheidung zur Verfügung
stand, sehe ich mich außerstande, dem Militäreinsatz der
Bundeswehr zuzustimmen . Immerhin handelt es sich um
einen der auch personell umfangreichsten Einsätze, über
die ich bisher jemals zu entscheiden hatte .
Auch ich bin davon überzeugt, dass Deutschland in
der Verantwortung steht, für eine Beendigung des IS-Ter-
rors einzutreten . Jedoch fehlt es gegenwärtig an einem
UN-Mandat für den Einsatz .
Es ist für mich nicht erkennbar, auf welche Art und
Weise die Terroristen gezielt bekämpft werden sollen,
ohne die Zivilbevölkerung und letztendlich auch unsere
eigenen Soldaten in große Gefahr zu bringen .
Die Vergangenheit, insbesondere auch die Erfahrung
im Einsatz in Afghanistan, hat gezeigt, dass militärische
Interventionen eher zu einer Eskalation der Gewalt und
zur Radikalisierung von Bevölkerungsgruppen beitra-
gen, statt die Probleme zu lösen . Die Irritationen in den
letzten Tagen über den politischen Umgang mit dem sy-
rischen Staatschef Assad haben zu meiner Entscheidung
beigetragen .
So groß mein Vertrauen in Außenminister Steinmeier
auch ist: Bei dieser Entscheidung bin ich allein meinem
Gewissen unterworfen . Militärische Kampfeinsätze sind
immer mit Opfern unter Zivilisten und ungewissem Aus-
gang verbunden . Sie können nur letztes Mittel sein, wenn
alle diplomatischen Bemühungen gescheitert sind . Die-
sen Zeitpunkt sehe ich, gerade im Zusammenhang mit
dem Wiener Prozess, noch nicht gekommen .
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich lehne die Beteiligung der deutschen Bundes-
wehr am Einsatz gegen den IS in Syrien und im Nordirak
ab . Dieser Einsatz ist politisch und militärisch falsch und
kontraproduktiv . Dadurch, dass immer mehr zivile Opfer
getroffen werden, wird auch der Hass, die Wut geschürt,
die dem IS neue Anhänger in die Arme treibt . Der Einsatz
wird die Zahl der IS-Kämpfer nicht verringern, sondern
erhöhen und das nicht nur in Syrien und den Nachbar-
ländern, sondern auch bei uns in Europa . Das zeigen die
Erfahrungen des Krieges in Afghanistan und im Irak . Der
US-Krieg im Irak hat ISIS überhaupt erst möglich ge-
macht . Auszuschließen ist zudem, dass der IS mit bloßen
Luftangriffen besiegt werden kann . Dafür ist ISIS schon
zu groß und verbreitet . Die Vertreibung von ISIS aus Sy-
rien und Irak würde nur zum Ausweichen in die Nachbar-
staaten wie Jordanien, Libanon, Tunesien oder Algerien
führen . Diese Ausweitung wird die Bekämpfung schwie-
riger machen und den IS stärken .
Der bevorstehende Einsatz soll eine Reaktion auf die
Terroranschläge in Paris und Zeichen der Solidarität mit
Frankreich sein . Dabei wird jedoch nicht berücksich-
tigt, dass die Täter der Anschläge zuvor in Frankreich
und Belgien gelebt haben und von dort aus die Anschlä-
ge koordiniert und verübt haben, nicht von Syrien oder
vom Nordirak aus. Auch ich finde, Solidarität mit Frank-
reich ist nach den grauenhaften Anschlägen richtig, doch
das heißt nicht, dass man allein aus Solidarität einen
Kriegseinsatz beginnen muss . Es gibt kein UN-Mandat,
der Einsatz ist nicht ausreichend geplant, es fehlen ein
klares Ziel und eine Exitstrategie, Dauer und Umfang des
Einsatzes sind nicht abzuschätzen . Der Krieg in Syrien
ist komplex, es gibt mehrere Fronten und mehrere Partei-
en mit unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen
Interessen . Eine Schwächung des IS ist nicht gleichzu-
setzen mit einer Befriedung der Region und wird auch
Terroranschläge in Europa nicht verhindern . Eher im Ge-
genteil wird sich die Gefahr auch in Deutschland drama-
tisch erhöhen .
Zu dem Kriegseinsatz gibt es Alternativen: Man hät-
te längst die Ölausfuhr effektiv stoppen müssen . Ebenso
müssen die Finanzzuwendungen, die aus den Golfstaa-
ten kommen, konsequent unterbunden werden . So wür-
de dem IS die Finanzierung insbesondere des Soldes der
IS-Kämpfer abgeschnitten, der Rückhalt des IS in den
eigenen Reihen würde schwinden .
Solidarität mit Frankreich ja, aber nicht mit dem Ein-
tritt in den Bombenkrieg .
Kerstin Tack (SPD): Mit großer Sorge blicke ich
auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Pro-
teste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14257
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von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti-
on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution
2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen
und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An-
strengungen zur Integration insbesondere junger Musli-
me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften
und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514258
(A) (C)
(B) (D)
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Michael Thews (SPD): Der syrische Bürgerkrieg es-
kalierte mittlerweile zu einem regional und international
beeinflussten Krieg, in dem insbesondere die aus dem
Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014
mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und in
den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien
ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroris-
tischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst
ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen
und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach
Europa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort
Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und
zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten
sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in
Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozes-
ses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben
wir uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter ande-
rem von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Län-
der spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vorn deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr . Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14259
(A) (C)
(B) (D)
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen
und Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere An-
strengungen zur Integration insbesondere junger Musli-
me müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften
und Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen
sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert
werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und, wo möglich und nötig, zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Dr. Karin Thissen (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskaliert zu einem regional
und international beeinflussten Krieg, in dem insbeson-
dere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe
„Islamischer Staat“ (IS) oder Da'isch seit 2014 mehr und
mehr an Macht und Einfluss gewinnt und in den von ihr
kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terror-
regime errichtet hat . Nachdem sich die terroristischen
und militärischen Aktivitäten des IS zunächst ausschließ-
lich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor
einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terror-
gruppe und ihr nahestehende Gruppen sowie Einzelper-
sonen tragen ihren Terror zunehmend und konzentriert in
die Nachbarländer und sogar bis nach Europa . Die Ter-
roranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut,
Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit
Hunderten von Toten und Verletzten sind Ausdruck die-
ser menschenverachtenden Philosophie .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ eine
Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Si-
cherheit ausgeht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrundeliegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit Amtsübernahme mit aller Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in dieser Krise zu verschaffen . Eine erste Konfe-
renz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier
Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpar-
teien – ohne den „Islamischen Staat“ – zu Kernfragen
des Konflikts gegründet wurden. Eine Arbeitsgruppe
wird vom deutschen Nahost-Experten Professor Volker
Perthes geleitet . Aus den Ergebnissen der vier Arbeits-
gruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung ge-
schaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung
näherzukommen .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober 2015 und 14 . November 2015 wurde den
Vereinten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und
der Weg für eine politische Konfliktlösung vereinbart.
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514260
(A) (C)
(B) (D)
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein
will noch sein kann . Daher haben wir auch im letzten
Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung
in ihrem Abwehrkampf gegen den sogenannten „Islami-
schen Staat“ im Irak zu unterstützen . Dieses Engagement
hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere
vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu-
rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten
geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück-
zukehren .
Nach den Terroranschlägen vom 13 . November 2015
in Paris hat der französische Präsident François Hollande
die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen
Engagement zur Regelung des Syrien-Konfliktes und
dem militärischen Beitrag zur Zurückdrängung des IS
im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Un-
terstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen
Allianz in ihrem Kampf gegen die Terrorgruppe zu betei-
ligen . Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung
unserem Nachbarn Frankreich militärische Unterstüt-
zung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ angebo-
ten . Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetan-
kungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines
französischen Flugzeugträgers .
Die Anschläge vom 13 . November 2015 gelten nicht
nur Frankreich, sondern uns allen . Sie richten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einer militä-
rischen Intervention habe ich nach intensiven Diskussi-
onen und einem schwierigen Abwägungsprozess mich
entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzu-
stimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf vorrangig militärisches Engagement konzentriert,
sondern dieses im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation IS nur als ein Teil eines gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen den „Islamischen Staat“
im Besonderen zu verstärken . Hierzu gehören vor·allem
die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom
15 . August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta be-
schlossenen Maßnahmen gegen ISIS, al-Qaida und mit
ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbesondere die An-
werbung und Ausreise von ausländischen terroristischen
Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden . Eben-
so müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnah-
men zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus
konsequent und von allen Staaten angewendet werden .
Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen
sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals
durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organi-
siert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden . Da-
rüber hinaus ist es unabdingbar, dass IS-Kämpfern der
unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region
verwehrt wird . Hier kommt der Türkei eine maßgebliche
Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen . Wir dürfen nicht zulassen, dass sich
der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt .
Nach wie vor sind die meisten Opfer des sogenannten
„Islamischen Staates“ selber Muslime . Die Anschläge
von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden,
um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Musli-
me auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen
zur Integration insbesondere junger Muslime müssen
gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghet-
tobildungen zu verhindern . Ebenso müssen sogenannte
„ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die
Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des
Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenpräven-
tion um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Franz Thönnes (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14261
(A) (C)
(B) (D)
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite durch den Einsatz
von Bundeswehreinheiten und Experten zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe IS seit 2014 mehr und mehr an Macht und
Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Ge-
bieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten des IS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe IS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
und bis nach Europa . Die Terroranschläge im tunesischen
Badeort Sousse, in Beirut, Ankara; über der Sinai-Halb-
insel mit der Sprengung des russischen Urlauber-Jets und
zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten
sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti-
on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution
2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter-
nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegen-
den Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung
geben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und
insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier
seit der Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel
war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Son-
derbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine füh-
rende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste
Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien am
30 . Oktober 2015 und 14 . November 2015 – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg . Be-
sonders anzumerken ist, dass sich bei diesem Prozess
bislang eher gegnerische Parteien an einen Tisch gesetzt
haben . So sind nun in der International Syria Support
Group (ISSG) die Arabische Liga, China, Ägypten, die
EU, Deutschland, Iran, Irak, Italien, Jordanien, Libanon,
Oman, Katar, Russland, Saudi-Arabien, die Türkei, die
Vereinigten Arabischen Emirate, Großbritannien, die
Vereinten Nationen und die USA vertreten .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne IS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung des IS im Irak und in Syrien würde
eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha-
ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht
es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und
im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer
Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Verein-
ten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg
für eine politische Konfliktregelung vereinbart. Man un-
terstützte einen landesweiten Waffenstillstand und kam
ebenso darin überein, dass die syrische Regierung und die
Opposition ab Anfang 2016 über ein Ende des Konfliktes
verhandeln sollen . Innerhalb von sechs Monaten soll eine
glaubwürdige und inklusive Übergangsregierung stehen,
und vor dem Hintergrund einer neuen Verfassung sollen
binnen 18 Monaten Neuwahlen stattfinden. Das Pariser
IS-Attentat vom 13 . November 2015, also am Vorabend
der zweiten Verhandlungsrunde, war damit auch zentral
gegen diesen friedlichen, internationalen, politischen
Prozess gerichtet .
Dieser wichtige Prozess bezieht nicht die Terrorgrup-
pe IS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch
sein kann . Daher wurde auch im letzten Jahr entschie-
den, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in
Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit
militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Ab-
wehrkampf gegen den IS im Irak zu unterstützen . Dies
hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen . Mehrere
vom IS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zu-
rückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten
geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurück-
zukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015
in Paris hat Frankreichs Präsident Hollande gemäß
Art . 42 (7) des EU-Vertrages die anderen EU-Mitglied-
staaten um Beistand und Deutschland um militärische
Unterstützung gebeten . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen den IS angeboten . Hierzu gehören so-
wohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie
eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug-
trägers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere freiheitlichen Werte und unsere Art, zu leben .
Ganz besonders richtete sich der Anschlag auf das Fuß-
ballspiel-Länderspiel gegen die stabile europäische Ach-
se Frankreich/Deutschland . Deshalb steht für mich auch
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514262
(A) (C)
(B) (D)
die Solidarität aller Europäer außer Frage . Die europä-
ische Solidarität galt für mich nicht nur für die Finanz-
und Griechenland-Krise, sondern sie gilt im Übrigen
auch für die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Eu-
ropäischen Union .
Trotz grundsätzlicher Zurückhaltung gegenüber jed-
wedem militärischen Engagement, habe ich nach in-
tensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung gegen die Terrorgruppe IS zuzustim-
men .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation IS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen den IS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen den IS, al-Qaida und mit ihnen verbündete
Terrorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausrei-
se von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Sy-
rien muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der
Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung
der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von
allen Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf
von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte
Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Insti-
tutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen
Mitteln unterbunden werden . Darüber hinaus ist es un-
abdingbar, dass IS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang
zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird . Hier
kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Meiner Einschätzung nach darf nicht zugelassen wer-
den, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kul-
turen“ entwickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer
des IS selbst Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen
nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande ge-
gen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen .
Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration,
insbesondere junger Muslime müssen gesteigert wer-
den, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu
verhindern . Ebenso müssen sogenannte „Ausländische
Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete
ein- und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates,
mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vor-
zugehen .
An dieser Stelle erinnere ich eindringlich daran, was
der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Versklavung
von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung und Er-
mordung von Männern, die sich dem IS verweigern, Ent-
führung von Kindern, um sie zu Kriegern auszubilden,
systematische Landnahme; Abschlachtung ganzer Dör-
fer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Geno-
zid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund des
russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat zum
Einsatz in Syrien erreicht werden konnte .
Nur durch den beschriebenen gesamtpolitischen An-
satz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des
IS einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Re-
gion und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden –
allein eine militärische Lösung kann es ebenso wenig
richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen .
Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein,
endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg
in Syrien mit über 250 000 Toten zu beenden und eine
politische Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 hat die Bundesrepublik Deutschland hierzu
über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Im
Haushalt 2016 wurde der Ansatz für humanitäre Hilfe
und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen
Euro erhöht . Es gilt, unser Engagement für die Flücht-
linge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung
mit unseren internationalen Partnern und den Partneror-
ganisationen vor Ort fortzusetzen und wo möglich und
nötig zu verstärken . Dazu gehört aber auch ein umfassen-
des Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Be-
reits seit längerem unterstütze ich die Bekämpfung von
Fluchtursachen durch die Stärkung wirtschaftlicher und
entwicklungspolitischer Beziehungen . Meiner Meinung
nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien und auch
die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabili-
sierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die
Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirtschaftli-
che Verflechtung an dieser großen Aufgabe mitwirken.
Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse weitest-
gehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken,
Tourismus zu fördern und aktiv unternehmerisches En-
gagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern
zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem EU-Valletta-Gipfel
verabschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die
Bekämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung
der Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern
ist . Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise
kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder,
die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen
sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in
den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen .
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf-
einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln
und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft-
licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte
schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14263
(A) (C)
(B) (D)
bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber
zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen
Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw .
zurückkehren wollen . Daran gilt es weiter zu arbeiten .
Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände
stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung
terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation
„Islamischer Staat“ zu .
Gabi Weber (SPD): Mit großer Sorge blicke ich auf
die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen Protes-
te syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang
mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristi-
sche Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und
Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Gebie-
ten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat .
Nachdem sich die terroristischen und militärischen Akti-
vitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und
Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Stra-
tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror jetzt vermehrt und konzentriert in die Nachbarlän-
der und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge im
tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der
Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von
Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Stra-
tegiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti-
on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution
2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische Lösung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Der durch Deutschland maßgeblich unterstützte poli-
tische Prozess muss mit intensiven diplomatischen Maß-
nahmen in Bezug auf einen wesentlichen Ursprungsherd
der Terrorgruppe ISIS flankiert werden. Nachweislich ist
die Exklusion der Sunniten im Irak eine der Triebfedern
für das Erstarken und erfolgreiche Bestehen von ISIS,
auch bis nach Syrien hinein . Ohne nationale Versöhnung
und Integration zwischen Minderheit (Sunniten) und
Mehrheit (Schiiten) im Irak wird ISIS von den sunniti-
schen Stämmen weiterhin Unterstützung erfahren und
Rückzugsorte finden.
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015
in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung
gebeten, sich neben ihrem politischen Engagement zur
Lösung des Syrien-Konfliktes und dem militärischen
Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak auch
mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz meiner Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich mich
nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514264
(A) (C)
(B) (D)
Abwägungsprozess dafür entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich stelle
jedoch fest, dass die Bundesregierung ihr Engagement
nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das mili-
tärische Engagement im und über dem Operationsgebiet
der Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres ge-
samten Engagements in der Region betrachtet . Mit dem
Wiener Prozess hat sich eine Chance für eine politische
Lösung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregie-
rung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze deshalb die Bundesregierung dar-
in, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen, terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
verhindert werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darü-
ber hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in Kriegsgebiete ein- und aus ihnen auszureisen . Es ist
Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen umfassenden politischen Ansatz
wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS
einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Re-
gion und darüber hinaus wirkungsvoller zu verhindern .
Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein,
endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg
in Syrien mit über 250 000 Toten zu beenden und eine
politische Lösung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich des-
halb dem vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter
Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristi-
scher Handlungen durch die Terrororganisation „Islami-
scher Staat“ zu .
Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich werde den mili-
tärischen Eintritt Deutschlands in den Krieg in Syrien ab-
lehnen . Der Hauptgrund dafür ist: Nach 14 Jahren Krieg
gegen den Terror haben wir eine verheerende Bilanz . Fast
1 Million Tote, Zerstörung mehrerer Staaten, Verheerung
weiter Landstriche, Entwurzelung ganzer Völker, enorme
Fluchtbewegungen, eine Internationalisierung des Terro-
rismus sowie das Entstehen des IS . Zudem schafft der
Krieg gegen den Terror internationale Krisen, wie die,
die durch den Abschuss des russischen Bombers durch
türkische Kampfflugzeuge ausgelöst wurde, wodurch
auch die NATO an diesem Konflikt beteiligt wurde.
Wir taumeln aus falscher Solidarität mit Frankreich
in einen internationalen militärischen Konflikt, der die
oben skizzierte Spirale nur weiter beschleunigen wird .
Wir müssen aber raus aus dieser Spirale der Gewalt . Aus
Solidarität das Falsche zu tun, bleibt falsch . Stattdessen
müssen die Waffen-, Öl- und Geldströme des IS trocken-
gelegt werden. Und die politische Konfliktlösung, die mit
der Wiener Konferenz begonnen wurde, muss fortgesetzt
werden . Deshalb ist dieser Beschluss der falsche Weg
und ich werde dagegenstimmen .
Dirk Wiese (SPD): Die Lage in Syrien bietet Grund
für große Sorge . Seit Beginn der friedlichen Proteste sy-
rischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem
Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime
auf eine militärische Eskalation gesetzt . Die syrischen
Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele ange-
griffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waf-
fen eingesetzt . Im Zusammenhang mit dem völkerrechts-
widrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten
Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheits-
ratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens
zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von
deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den
Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit
ein Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14265
(A) (C)
(B) (D)
und ihr nahstehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den zugrunde liegenden
Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung ge-
ben kann . Hierfür hat sich die Bundesregierung und ins-
besondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit
Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt . Ziel war
und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbe-
auftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende
Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Kon-
ferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe
wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Ber-
lin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Prozesses
zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – haben wir
uns mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem
von Iran und Saudi-Arabien eingesetzt . Beide Länder
spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg .
Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher hat Deutschland auch
im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalre-
gierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen
Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Aus-
rüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu
unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll
und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge-
biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden –
die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen
beginnen in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Deshalb ist jetzt
auch die Solidarität aller Europäer gefordert .
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach
intensiver Diskussion und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess entschieden, dem Mandat der Bundesre-
gierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß je-
doch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über den Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich da-
rin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terroris-
mus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu
verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Die SPD-Bundestagsfraktion darf nicht zulassen, dass
sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ ent-
wickelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS
selber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht
dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen
Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im
Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbe-
sondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um
Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhin-
dern . Ebenso müssen sogenannte „ausländische Kämp-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514266
(A) (C)
(B) (D)
fer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein-
und auszureisen . Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzu-
gehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Ich verurteile
den Terror der IS aufs Schärfste und stehe solidarisch zu
den Opfern und deren Angehörigen der Anschläge in Pa-
ris, Beirut und anderen Städten . Ein militärischer Einsatz
wird aber die Ursachen und damit die Existenz des Ter-
rors nicht beseitigen:
– Es gibt kein robustes Mandat der Vereinten Natio-
nen für einen Kampfeinsatz in Syrien .
– Es lässt sich im jetzigen Militäreinsatz der fran-
zösischen Armee kein schlüssiges Gesamtkonzept
erkennen . Es ist unklar, welches Ziel am Ende des
Einsatzes steht . Es ist ebenfalls unklar, bis wann
ein solches Ziel erreicht werden könnte . Somit er-
scheint der Einsatz übereilt und unüberlegt .
– Das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes ermög-
licht einen weiten Spielraum, wie dieser Einsatz
sich zukünftig gestaltet: Obwohl die Bundeswehr
nun für ein Jahr mandatiert werden soll, spricht die
Verteidigungsministerin von der Leyen von einem
Einsatz von mindestens zehn Jahren . Gleichzei-
tig meinen viele Experten, dass ein Krieg gegen
den sogenannten IS ohne Bodentruppen nicht zu
gewinnen sei . Offen ist also, ob eine Ausweitung
des Einsatzes daher bald folgen wird . Diese Fragen
bleiben ungeklärt .
– Die Attentäter von Paris stammten mutmaßlich aus
Frankreich, Belgien oder anderen europäischen
Staaten . Es wird mit dem Einsatz nicht in den Blick
genommen, dass also offensichtlich überwiegend
Menschen aus dem eigenen Land diesen Terror
verursachen . Eine entscheidende und überzeugen-
de Antwort wäre also eine soziale und bildungs-
fördernde Initiative für junge Menschen in den
jeweiligen Brennpunkten der europäischen Länder .
Nur so kann durch Integration verhindert werden,
dass sich Menschen Terror-Organisationen zuwen-
den . Ebenso ist bis heute nicht geklärt, ob die Ter-
roranschläge von Paris tatsächlich von Syrien aus
geplant und koordiniert wurden . Entsprechende
Beweise konnten nicht vorgelegt werden . Das Ar-
gument der Verteidigung Frankreichs nach einem
Angriff ist nicht haltbar, da es sich beim sogenann-
ten IS auch nicht um einen Staat handelt .
– Die Kriege in Afghanistan und im Irak, die eben-
falls mit dem Kampf gegen Terror begründet wur-
den, haben gezeigt, dass es mit einem militärischen
Einsatz keine Perspektive für einen geordneten
Friedensprozess gibt, sondern die Regionen durch
das vorschnelle militärische Eingreifen Gefahr lau-
fen, weiter destabilisiert zu werden .
– Die bislang praktizierten militärischen Einsätze
tragen meiner Auffassung nach nicht zu einer Be-
friedung bei . In der unübersichtlichen Gemengela-
ge zwischen den USA, Russland, der Türkei, der
EU, Saudi-Arabien sowie dem Assad-Regime wird
keine klare Strategie sichtbar, wie dem sogenann-
ten IS wirksam begegnet werden kann .
– Die Konfliktursachen im Nahen Osten werden
ebenso wenig bearbeitet wie die Rekrutierungs-
möglichkeiten für die menschenverachtende Ideo-
logie, der unter anderen auch der sogenannte IS
anhängt, in Europa . Auch hierfür fehlt es an einer
schlüssigen Analyse und Strategie .
Gülistan Yüksel (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien, in dem insbesondere die aus
dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014
mehr und mehr an Macht und Einfluss gewinnt und in
den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien
ein Terrorregime errichtet hat . Nachdem sich die terroris-
tischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst
ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten,
wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen .
Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen
und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und
konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Eu-
ropa . Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sous-
se, in Beirut, in Ankara, über der Sinai-Halbinsel und
zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten
sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resoluti-
on 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resolution
2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie-
genden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14267
(A) (C)
(B) (D)
Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi-
schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in
Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie-
hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge-
setzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle
in diesem Krieg . Wir unterstützen den politischen Ansatz
des UN-Sondergesandten de Mistura , auf dessen Initi-
ative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Kon-
fliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts
gegründet wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deut-
schen Nahost-Experten Professor Volker Perthes geleitet .
Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die
Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um
einer politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber einem militä-
rischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS haben
wir nach intensiven Diskussionen und einem schwieri-
gen Abwägungsprozess uns entschieden, dem Mandat
der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt uns nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzu-
dämmen und künftige Terroranschläge in der Region und
darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden . Auf dieser
Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich ei-
nen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin humani-
täre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten . Im
Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für humanitäre Hil-
fe und die zivile Krisenprävention erhöht . Es gilt, unser
Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in
der Region in Abstimmung mit unseren internationalen
Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzu-
setzen und wo möglich und nötig zu verstärken .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514268
(A) (C)
(B) (D)
Ich habe viele gute Argumente für, aber auch gute Ar-
gumente gegen den Militäreinsatz gehört und mir eine
Entscheidung nicht leicht gemacht . Nach Abwägung all
dieser Umstände stimme ich dem vorgelegten Mandat
zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Verhütung und
Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Ter-
rororganisation „Islamischer Staat“ zu .
Stefan Zierke (SPD): Mit großer Sorge blicken
wir auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Im Zusammenhang mit
dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es
den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage ei-
nes Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffen-
bestände Syriens zu sichern und diese unter maßgebli-
cher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu
einem regional und international beeinflussten Krieg, in
dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroris-
tische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht
und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten
Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet
hat . Nachdem sich die terroristischen und militärischen
Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak
und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein
Strategiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und
ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen
ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbar-
länder und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht . Insbesondere die Resolution 2249, die nach den
„Anschlägen von Paris“ verfasst wurde, fordert die inter-
nationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf .
Wir sind überzeugt, dass es für den zugrunde lie-
genden Syrien-Konflikt letztlich nur eine politische
Regelung geben kann . Hierfür hat sich die Bundesre-
gierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter
Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft einge-
setzt . Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und
ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura,
eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen.
Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur hu-
manitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im Novem-
ber 2014 in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politi-
schen Prozesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in
Wien – haben wir uns mit Nachdruck für die Einbezie-
hung unter anderem von Iran und Saudi-Arabien einge-
setzt . Seide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in
diesem Krieg . Besonders anzumerken ist, dass sich bei
diesem Prozess absolute Gegner an einen Tisch gesetzt
haben – eben wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Iran,
USA und Russland .
Wir unterstützen den politischen Ansatz des UN-Son-
dergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Ar-
beitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktpartei-
en – ohne ISIS – zu Kernfragen des Konflikts gegründet
wurden . Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nah-
ost-Experten Professor Volker Perthes geleitet . Aus den
Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grund-
lage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer
politischen Konfliktregelung näherzukommen.
Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der
Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan . Hier wird
über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien ge-
sucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getra-
gen werden kann . Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien
komplett dem IS zu überlassen . Somit würde den Men-
schen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in
ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukeh-
ren – sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen .
Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde
eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge ha-
ben . Dies ist eine erklärte Strategie des IS . Insofern geht
es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und
im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer
Staaten im Nahen Osten .
Mit den Erklärungen der Wiener Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die
Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner
sein will noch sein kann . Daher haben wir auch im letz-
ten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im
Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralre-
gierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in
ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen .
Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig
erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Nor-
den Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den
Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in
ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit
militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs,
des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf
gegen ISIS zu beteiligen . Die Bundesregierung hat nach
intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten
im Kampf gegen ISIS angeboten . Hierzu gehören sowohl
Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine
Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträ-
gers .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14269
(A) (C)
(B) (D)
Die Anschläge vom 13 . November galten nicht nur
Frankreich, sondern uns allen . Sie richteten sich gegen
unsere Werte und unsere Art, zu leben . Ganz besonders
richtete sich der Anschlag auf das Fußballspiel auch ge-
gen uns . Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Euro-
päer gefordert . Diese Solidarität gilt für mich im Übrigen
auch für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa .
Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen
Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach
intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwä-
gungsprozess mich dazu entschieden, dem Mandat der
Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Wir wissen
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht
auf das Militärische konzentriert, sondern das militäri-
sche Engagement im und über dem Operationsgebiet der
Terrororganisation ISIS nur als einen Teil ihres gesamten
Engagements in der Region betrachtet . Mit dem Wiener
Prozess hat sich eine Chance für eine politische Rege-
lung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung
zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss .
Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich
darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terro-
rismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen
zu verstärken . Hierzu gehören vor allem die bereits in der
UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15 . August 2014
unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnah-
men gegen ISIS, al-Qaida und mit ihnen verbündete Ter-
rorgruppen . Insbesondere die Anwerbung und Ausreise
von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien
muss unterbunden werden . Ebenso müssen die in der Re-
solution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der
Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen
Staaten angewendet werden . Der illegale Verkauf von Öl
und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanz-
zufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen
geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln
unterbunden werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar,
dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu ande-
ren Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismus-
bekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spek-
trum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen . Diese
enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber
hinaus auszudehnen .
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu
einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt . Nach wie vor
sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime . Die
Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert
werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und
Muslime auszugrenzen . Im Gegenteil: Unsere Anstren-
gungen zur Integration insbesondere junger Muslime
müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und
Ghettobildungen zu verhindern . Ebenso müssen soge-
nannte „ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden,
in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen . Es ist Aufga-
be des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dagegen vorzugehen .
An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erin-
nern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Ver-
sklavung von Frauen für die Krieger des IS, Verfolgung
und Ermordung von Männern, die sich dem IS verwei-
gern, Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern aus-
zubilden, systematische Landnahme, Abschlachtung gan-
zer Dörfer – selbst in der UN-Versammlung ist das Wort
Genozid gefallen . Es ist traurig, dass vor allem aufgrund
des russischen Widerstandes kein robustes UN-Mandat
zum Einsatz in Syrien erreicht werden konnte .
Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es
möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS ein-
zudämmen und künftige Terroranschläge in der Region
und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden – allein
eine militärische Lösung kann es ebenso wenig richten,
wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen . Auf die-
ser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich
einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien
mit über 250 000 Toten zu beenden und eine politische
Regelung zu ermöglichen .
In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflücht-
linge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nach-
barländern und in Europa müssen wir weiterhin huma-
nitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten .
Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur
Verfügung gestellt . Im Haushalt 2016 haben wir den An-
satz für humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention
um über 400 Millionen Euro erhöht . Es gilt, unser En-
gagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der
Region in Abstimmung mit unseren internationalen Part-
nern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen
und wo möglich und nötig zu verstärken . Dazu gehört
aber auch ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung
von Fluchtursachen . Ich setze mich in Berlin schon seit
langem für die Bekämpfung von Fluchtursachen durch
die Stärkung wirtschaftlicher Beziehungen ein . Meiner
Meinung nach können ein militärischer Einsatz in Syrien
und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur
Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn
auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirt-
schaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mit-
wirken . Damit dies gelingt, gilt es, Handelshemmnisse
weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu
stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmeri-
sches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen
Ländern zu unterstützen .
Sehr zu begrüßen ist der auf dem Valletta-Gipfel ver-
abschiedete Aktionsplan, dessen erste Priorität die Be-
kämpfung von Fluchtursachen durch Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten in Herkunftsländern ist .
Da sich deutsche Unternehmen zurzeit beispielsweise
kaum in Syrien niederlassen werden, müssen wir Länder,
die in Krisenregionen als Stabilitätsfaktoren anzusehen
sind, zum Beispiel Jordanien oder Tunesien, dringend in
den Fokus nehmen und zu ihrer Stabilisierung beitragen .
Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, vielfältige, auf-
einander abgestimmte Lösungsansätze zu entwickeln
und umzusetzen . Die langfristige Stärkung wirtschaft-
licher Beziehungen kann dabei Multiplikatoren-Effekte
schaffen, die aber auch kurzfristig helfen können, Sta-
bilität und Struktur wiederherzustellen . Vor allem aber
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514270
(A) (C)
(B) (D)
zeigen sie für die Menschen in den betroffenen Regionen
Perspektiven auf . Nur dann werden sie dort bleiben bzw .
zurückkehren wollen . Daran arbeiten wir .
Nach intensiver Abwägung all dieser Umstände
stimme ich dem vorgelegten Mandat zum Einsatz be-
waffneter Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung
terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation
„Islamischer Staat“ zu .
Brigitte Zypries (SPD): Mit großer Sorge blicke
ich auf die Lage in Syrien . Seit Beginn der friedlichen
Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammen-
hang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das
Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt .
Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zi-
vile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar
chemische Waffen eingesetzt . Nach dem völkerrechts-
widrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten
Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheits-
ratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens
zu sichern und sie – unter maßgeblicher Hilfe auch von
deutscher Seite – zu vernichten .
Der syrische Bürgerkrieg ist mittlerweile zu einer re-
gional und international beeinflussten militärischen Aus-
einandersetzung eskaliert . Insbesondere die aus dem Irak
stammende terroristische Gruppe ISIS hat seit 2014 mehr
und mehr an Macht und Einfluss gewonnen. Sie hat in
den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien
ein Terrorregime errichtet und vor einiger Zeit einen Stra-
tegiewechsel vollzogen . Die Terrorgruppe ISIS und ihr
nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren
Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer
Syriens und sogar bis nach Europa . Die Terroranschläge
im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über
der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten
von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses
Strategiewechsels .
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der
Resolution 2170 vom 15 . August 2014 und der Resolu-
tion 2199 vom 12 . Februar 2015 sowie mit der Resoluti-
on 2249 vom 20 . November 2015 wiederholt festgestellt,
dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für
den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aus-
geht .
Ich bin überzeugt, dass es für den Syrien-Konflikt
nur eine politische Regelung geben kann . Hierfür hat
sich die Bundesregierung und insbesondere Außenmi-
nister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit
ganzer Kraft eingesetzt . Die Vereinten Nationen und ihr
Sonderbeauftragter, Staffan Domingo de Mistura, sollen
eine führende Rolle in diesem Konflikt haben. Eine ers-
te Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären
Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014
in Berlin durchgeführt . Im Rahmen des politischen Pro-
zesses zur Konfliktregelung – Konferenzen in Wien – hat
sich Bundesaußenminister Steinmeier mit Nachdruck für
die Einbeziehung auch von Iran und Saudi Arabien ein-
gesetzt . Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle
in diesem Krieg .
Mit den Erklärungen der Wiener-Konferenzen vom
30 . Oktober und 14 . November 2015 wurde den Ver-
einten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der
Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.
Den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de
Mistura, vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der
Konfliktparteien – ohne ISIS – zu Kernfragen des Kon-
flikts zu gründen, halte ich für richtig. Wir brauchen das
kontinuierliche Gespräch, damit aus den Ergebnissen der
vier Arbeitsgruppen die Grundlage für eine Vereinbarung
geschaffen werden kann, die eine politische Konfliktre-
gelung hoffentlich ermöglicht .
Die Terrorgruppe ISIS kann weder Verhandlungspart-
ner sein, noch will sie es sein . Daher hat die Bundesregie-
rung letztes Jahr entschieden, die kurdische Regionalre-
gierung im Nordirak – in Abstimmung mit der irakischen
Zentralregierung – mit militärischer Ausbildung und
Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak
zu unterstützen . Dieses Engagement hat sich als sinnvoll
und notwendig erwiesen . Mehrere von ISIS besetzte Ge-
biete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden –
die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen
beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren .
Nach den Terroranschlägen am 13 . November 2015 in
Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebe-
ten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung
des Syrien-Konfliktes und dem militärischen Beitrag zur
Zurückdrängung von ISIS im Nordirak, Frankreich und
die internationale Allianz mit militärischen Mitteln in
ihrem Kampf gegen ISIS zu unterstützen . Die Bundes-
regierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich ange-
boten, Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie
eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeug-
trägers zur Verfügung zu stellen .
Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem mi-
litärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS
habe ich mich nach intensiven Diskussionen und einem
schwierigen Abwägungsprozess entschieden, dem Man-
dat der Bundesregierung zuzustimmen .
Diese Zustimmung fällt mir nicht leicht . Ich weiß
jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement jetzt
nicht auf das Militärische begrenzt, sondern sich weiter
im politischen Friedensprozess engagiert . Die mit dem
Wiener-Prozess erlangte Chance für eine politische Re-
gelung des Syrienkrieges wird die Bundesregierung zu-
sammen mit ihren Partnern nutzen .
Wichtig ist auch, dass die Bundesregierung ihre Akti-
vitäten gegen den internationalen Terrorismus im Allge-
meinen und gegen ISIS im Besonderen verstärkt . Hierzu
gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsrats-
resolution 2170 vom 15 . August 2014 unter Kapitel VII
der UN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen ISIS,
al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen . Insbe-
sondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen
terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden
werden . Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführ-
ten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des
Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewen-
det werden . Der illegale Verkauf von Öl und anderen
Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015 14271
(A) (C)
(B) (D)
ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet
oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbun-
den werden . Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass
ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen
Staaten in der Region verwehrt wird . Hier kommt der
Türkei eine maßgebliche Rolle zu .
Mit der Bundesregierung halte auch ich die Rechts-
grundlage für den Einsatz für gegeben . Der Wissen-
schaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat ein
umfassendes Gutachten dazu vorgelegt und kommt zu
folgenden Ergebnis: Artikel 24 Absatz 2 GG (in Ver-
bindung mit Artikel 42 Absatz 7 EUV und der VN-Re-
solution 2249) bildet eine vertretbare Rechtsgrundlage,
wenn man für Artikel 24 Absatz 2 GG neben der Ein-
bindung in kollektive Sicherheitsstrukturen auch die Ein-
bindung in kollektive Verteidigungsstrukturen zulässt .
Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, das für
Artikel 24 Absatz 2 GG eine glaubwürdige kollektive
Einbindung von Bundeswehreinsätzen in überstaatliche
multilaterale Strukturen fordert und in diesem Zusam-
menhang Systeme kollektiver Sicherheit und Systeme
kollektiver Verteidigung als gleichwertig ansieht .
Wir dürfen in Deutschland nicht zulassen, dass sich
der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwi-
ckelt . Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS sel-
ber Muslime . Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu
instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flücht-
linge zu hetzen und Muslime auszugrenzen . Im Gegen-
teil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere
junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallel-
gesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern . Das
ist eine der großen politischen Aufgabe in den nächsten
Jahren .
Nach Abwägung all dieser Umstände stimme ich dem
vorgelegten Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräf-
te zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand-
lungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“
zu .
Anlage 13
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner 939 . Sitzung am 27 . No-
vember 2015 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Zweites Gesetz zur Änderung agrarmarktrechtli-
cher Bestimmungen
– Gesetz zur Neuorganisation der Zollverwaltung
– Gesetz zur Reform der Strukturen der Kranken-
hausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz –
KHSG)
– Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativ-
versorgung in Deutschland (Hospiz- und Palliativ-
gesetz – HPG)
Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge-
fasst:
1 . Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass der Geset-
zesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 5 . No-
vember 2015 zu der Hospiz- und Palliativversorgung
in Deutschland wesentliche Inhalte der Stellungnahme
des Bundesrates vom 12 . Juni 2015, vgl . BR-Druck-
sache 195/15 (Beschluss), unberücksichtigt lässt . Das
von der Bundesregierung eingebrachte und nun im
Wesentlichen unveränderte Gesetz berücksichtigt bei
der konzeptionellen Weiterentwicklung der Palliativ-
versorgung in Deutschland den Bereich der pflegeri-
schen Versorgung nicht in ausreichendem Umfang .
Die Länder hatten in ihrer umfassenden Stellung-
nahme Lösungsvorschläge zu einer bedarfsgerechten
Berücksichtigung des palliativen und hospizlichen
Leistungsangebotes in vollstationären pflegerischen
Einrichtungen und deren Gegenfinanzierung unter-
breitet, die nun nicht zum Tragen kommen .
2 . Das Gesetz berücksichtigt nicht, dass eine Ergänzung
des Leistungskatalogs des § 28 SGB XI und der Rah-
menverträge nach § 75 SGB XI um Maßnahmen der
Sterbebegleitung über eine reine gesetzgeberische
Klarstellung hinausgeht . Mit dem Ziel, die Bedürfnis-
se sterbender Menschen nach einer umfassenden me-
dizinischen, pflegerischen, psychosozialen und spiritu-
ellen Betreuung und Begleitung, die der individuellen
Lebenssituation und dem hospizlich-palliativen Ver-
sorgungsbedarf Rechnung trägt, bei der Erbringung
von Pflegeleistungen zu berücksichtigen (vgl. Begrün-
dung zu § 28 SGB XI), ist eine erhöhte Leistungser-
wartung verbunden .
3 . Da eine ergänzte Leistungserwartung die Frage von
Mehrkosten und ihrer Gegenfinanzierung aufwirft,
fordert der Bundesrat, hierzu eine Regelung zu treffen .
Eine weitere finanzielle Belastung der Pflegebedürfti-
gen und der Träger der Sozialhilfe gilt es hierbei vor
dem Hintergrund des bestehenden Teilleistungssys-
tems der Pflegeversicherung zu vermeiden.
4 . In diesem Zusammenhang ist auch die Finanzierung
der besonderen medizinischen Behandlungspflege für
Patientinnen und Patienten in der letzten Lebensphase
in Pflegeheimen zu überprüfen.
5 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zeit-
nah die vom Bundesrat eingeforderten Verbesserungen
in der hospizlichen und palliativen Versorgung im Be-
reich der pflegerischen Versorgung durch entsprechen-
de weitere Initiativen umzusetzen .
– Gesetz zur Verlängerung der Befristung von Vor-
schriften nach den Terrorismusbekämpfungsgeset-
zen
– Siebtes Besoldungsänderungsgesetz (7. BesÄndG)
– Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen
den unlauteren Wettbewerb
– Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen För-
derung der Selbsttötung
– Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans
des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2016
(ERP-Wirtschaftsplangesetz 2016)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 201514272
(A) (C)
(B) (D)
– Gesetz zur Auswahl und zum Anschluss von Tele-
kommunikationsendgeräten
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. Juni 2015
zur Gründung der Asiatischen Infrastruktur-In-
vestitionsbank
– Gesetz zur Änderung vom 10. Dezember 2014 des
Übereinkommens vom 27. Juni 1980 zur Gründung
des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe
– Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit-
geteilt, dass sie den Antrag In die Zukunft investie-
ren – Asylsuchende auf ihrem Weg in Arbeit und
Ausbildung unterstützen auf Drucksache 18/5095 zu-
rückzieht .
Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie
gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von
einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen
absehen:
Auswärtiger Ausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
17. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik
Drucksache 18/579
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
18. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik
Drucksache 18/5057
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht nach § 3 des Energieleitungsausbaugeset-
zes
Drucksachen 18/6270, 18/6410 Nr. 3
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zur Tätigkeit der Verkehrsinfrastrukturfi-
nanzierungsgesellschaft im Jahr 2014
Drucksachen 18/5700, 18/5976 Nr. 1.7
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
Beratung abgesehen hat .
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 18/6607 Nr . A .1
EuB-BReg 50/2015
Drucksache 18/6607 Nr . A .2
EuB-BReg 55/2015
Drucksache 18/6607 Nr . A .3
EuB-BReg 56/2015
Drucksache 18/6607 Nr . A .4
EuB-BReg 57/2015
Drucksache 18/6607 Nr . A .5
EU-Dok 393/2015
Drucksache 18/6607 Nr . A .6
EP P8_TA-PROV(2015)0342
Drucksache 18/6711 Nr . A .1
EU-Dok 400/2015
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Drucksache 18/5982 Nr . A .29
Ratsdokument 10807/15
Drucksache 18/6146 Nr . A .10
Ratsdokument 11885/15
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit
Drucksache 18/6146 Nr . A .11
Ratsdokument 11065/15
Drucksache 18/6607 Nr . A .22
EP P8_TA-PROV(2015)0359
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 18/5286 Nr . A .19
EP P8_TA-PROV(2015)0179
Drucksache 18/6417 Nr . A .25
EP P8_TA-PROV(2015)0293
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 144 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 4 . Dezember 2015
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144. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
ZP 5 Bundeswehreinsatz gegenTerrororganisation IS
TOP 24 Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris
TOP 26 Handelsabkommen mit den USA und Kanada
TOP 27 Elektronische Zigaretten und Shishas
TOP 28 Bericht des 2. Untersuchungsausschusses
TOP 29 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13