Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zur 118. Plenarsitzung des Deutschen Bundesta-
ges. Die heutige Sitzung habe ich gemäß Artikel 39 Ab-
satz 3 Satz 2 des Grundgesetzes einberufen, und ich gehe
davon aus, dass Sie nachweislich Ihrer bemerkenswert
starken Anwesenheit mit der Einberufung dieser Sitzung
einverstanden sind. Die Unvermeidlichkeit war ja auch
hinreichend gut erkennbar.
Nun rufe ich unsere Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b
auf:
a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister der Finanzen
Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands
b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen
Einholung eines zustimmenden Beschlusses
des Deutschen Bundestages, der Hellenischen
Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanz-
hilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinba-
rung über ein Memorandum of Understanding
zwischen der Hellenischen Republik und dem
Europäischen Stabilitätsmechanismus
Drucksache 18/5780
Die Anhänge zu diesem Memorandum liegen als Un-
terrichtung zu diesem Antrag vor und sind allen Mitglie-
dern des Hauses zugegangen. Über den Antrag des Bun-
desministeriums der Finanzen werden wir am Schluss
der Beratung namentlich abstimmen. Zu diesem Antrag
des Bundesministeriums der Finanzen liegt auch ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 125 Minuten, also gut zwei Stunden, vorgesehen.
Ich darf auch hierzu Ihr Einvernehmen feststellen. – Das
ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das so be-
schlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ent-
scheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Grie-
chenland fällt nicht leicht. Die Debatten zu den Hilfen
für Griechenland waren und sind aus guten Gründen
streitig. Es gibt beachtliche Gründe dafür und es gibt be-
achtliche Gründe dagegen – ökonomische und politi-
sche; das ist unbestritten. Das liegt an der unvollständi-
gen Konstruktion der Währungsunion, der eben eine
gemeinsame Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik
fehlt. So konnten einzelne Euro-Länder Entscheidungen
auf Kosten der Gemeinschaft treffen, weil Verantwor-
tung und Haftung immer wieder auseinanderzufallen
drohten.
Im Zuge der Euro-Krise haben wir die Währungs-
union seit 2010 stabiler gemacht: mit den neu eingeführ-
ten Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, mit
dem sogenannten Six-Pack, und mit dem Fiskalpakt. So
ist es gelungen, Verantwortung und Haftung näher zu-
sammenzuführen. Mit der Bankenunion haben wir den
Teufelskreis zwischen Staatsschulden und Bankenkrisen
durchbrochen. Mit gezielten Reformprogrammen haben
wir die Wachstumskräfte in der Währungsunion gestärkt.
Das war erfolgreich: in Irland, in Portugal, in Spanien
und in Zypern. Es hat bis zum letzten Jahr auch in Grie-
chenland funktioniert. Dabei war Griechenland von An-
fang an ein außergewöhnlich schwieriger Fall.
Vor dem ersten Programm hatte Griechenland 2009
ein Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit von
jeweils 15 Prozent – vor der Euro-Krise. Dazu kamen
und kommen die schwierigen institutionellen Rahmen-
bedingungen, schwache Strukturen der Verwaltung und
der Justiz, hohe Sozialleistungen und ein überdimensio-
nierter Beamtenapparat. Trotzdem war Griechenland bis
Ende vergangenen Jahres auf gutem Weg. Griechenland
hatte Wachstum; es hatte im vergangenen Jahr eine hö-
11456 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
(C)
(B)
here Wachstumsrate als die meisten anderen Länder der
Euro-Zone. Griechenland hatte einen Handelsbilanz-
überschuss, einen Primärüberschuss, und auch die Ar-
beitslosigkeit begann zu sinken.
– Sie ging zurück. Sie war vorher so hoch, Herr Kollege.
Das ist in Krisen so. Ich kann Ihnen einmal die Zahlen
aus anderen Ländern sagen. Griechenland war auf einem
guten Weg, auf einem besseren, als viele zu hoffen ge-
wagt haben.
Nun ist auch wahr: Die Wiedergewinnung tragfähiger
öffentlicher Finanzen als Voraussetzung für Wachstum,
Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Arbeitsplätze
erfordert von der Bevölkerung in jedem Fall erhebliche
Anpassungsleistungen. Je länger die Anpassungsleistun-
gen dauern, umso schwieriger ist es auch für eine Bevöl-
kerung, dafür den politischen Konsens und den sozialen
Konsens aufrechtzuerhalten. Aber sie sind unverzicht-
bar, insbesondere wenn man Mitglied in einer Wäh-
rungsunion ist. Die Entscheidung, ob man solche Anpas-
sungsleistungen zu tragen bereit und in der Lage ist, liegt
ausschließlich im jeweiligen Land. Aber für die Mit-
gliedschaft in der Währungsunion sind sie unverzichtbar.
Das Problem des griechischen Ministerpräsidenten
war, dass er vor und nach der letzten Wahl versprochen
hatte, genau diese Entscheidung zu vermeiden. Er hatte
versprochen: Griechenland bleibt in der Euro-Zone,
ohne Reformen, ohne Programm. Dies hat sich als ein
nicht haltbares Versprechen herausgestellt. Jetzt muss er
das Gegenteil von dem machen, was er versprochen
hatte. Darüber ist die Einheit seiner Partei ganz offen-
sichtlich schweren Belastungen ausgesetzt.
Erst als die Unausweichlichkeit der Entscheidung klar
war, haben sich die Verantwortlichen in Griechenland
für einen neuen Anfang entschieden. Wenn der Minister-
präsident im Parlament und öffentlich gesagt hat – ich
zitiere –, dass Griechenland jetzt all das umstürzen
müsse, was Griechenland in diese Krise geführt habe,
um dauerhaft zu Wachstum und Beschäftigung zu kom-
men, dann ist das von seiner Seite die Bestätigung, dass
es richtig war, Griechenland die Notwendigkeit, diese
Wahl zu treffen, deutlich vor Augen zu führen. Dazu hat
die Euro-Gruppe, dazu hat Deutschland beigetragen. Das
ist im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas.
Die Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs
vom 12. Juli 2015 enthält die Rahmenbedingungen. Da-
nach haben die Institutionen die Vereinbarungen mit der
griechischen Regierung erarbeitet. Die Institutionen sind
die Europäische Kommission, die Europäische Zentral-
bank und der Internationale Währungsfonds. Früher ha-
ben wir diese Einrichtungen Troika genannt, jetzt nen-
nen wir sie Institutionen. Sie haben die Vereinbarungen
mit der griechischen Regierung erarbeitet, das soge-
nannte Memorandum of Understanding, und abgeschlos-
sen. Auf dieser Grundlage hat die Euro-Gruppe am
vergangenen Freitag völlig einmütig einen Beschluss
vorbereitet, für den ich im Deutschen Bundestag um Zu-
stimmung ersuche.
Das Programm für die nächsten drei Jahre sieht Fi-
nanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro vor. Die erste
Tranche soll 26 Milliarden Euro betragen. Sie dienen der
Ablösung der schon im Juli beschlossenen Brücken-
finanzierung zur Bedienung der fällig gewordenen aus-
wärtigen Verbindlichkeiten – mit über 12 Milliarden
Euro –; etwas mehr als 3 Milliarden Euro werden für die
Erfüllung aufgelaufener Zahlungsverpflichtungen in
Griechenland zur Verfügung gestellt, damit die griechi-
sche Wirtschaft wieder in Schwung kommen kann. Denn
wenn Rechnungen nicht bezahlt werden, dann kommt
die Wirtschaft nicht in Schwung.
Darüber hinaus werden Griechenland 10 Milliarden
Euro auf einem gesonderten Konto beim ESM für die
Bankenrekapitalisierung bereitgestellt; denn die zügige
Rekapitalisierung der Banken in Griechenland ist wiede-
rum notwendig, damit die Kapitalverkehrskontrollen
schrittweise aufgehoben werden können. Auch das ist
wichtig, damit die griechische Wirtschaft wieder Fuß
fasst.
Die weiteren im Programm vorgesehenen Tranchen
werden Zug um Zug mit erfolgreichen Programmüber-
prüfungen in den kommenden Jahren gezahlt. Diese
Konditionalität mit Überprüfungen ist Bestandteil und
Bedingung eines jeden europäischen Stabilisierungspro-
gramms. Die Institutionen werden die Umsetzung der
Auflagen alle drei Monate überprüfen. Auf der Grund-
lage dieser Überprüfungen wird in der Euro-Gruppe
bzw. im Board des Europäischen Stabilitätsmechanismus
über die jeweiligen Auszahlungen beschlossen, wobei
der Deutsche Bundestag jeweils im Rahmen des ESM-
Finanzierungsgesetzes über die Entscheidungen infor-
miert oder daran beteiligt wird – so wie das in unserer
Gesetzgebung beschlossen und geregelt ist. Die erste
Überprüfung soll im Oktober 2015 stattfinden.
Ziel der Reformmaßnahmen ist, dass Griechenland
wirtschaftlich möglichst schnell wieder auf eigenen Bei-
nen stehen kann. Deshalb ist es erforderlich, dass Grie-
chenland ab 2016 wieder Primärüberschüsse erwirt-
schaftet. Ich will daran erinnern: Griechenland hatte im
vergangenen Jahr einen Primärüberschuss. Wir hatten
die Aussicht, dass in diesem Jahr ein ansteigender Pri-
märüberschuss entstehen würde. Das ist leider durch die
Entwicklungen der letzten acht Monate unmöglich ge-
worden. Aber ab dem kommenden Jahr soll wieder ein
kleiner und dann ansteigender Primärüberschuss erwirt-
schaftet werden: 0,5 Prozent im kommenden Jahr,
1,75 Prozent in 2017 und ab 2018 ein Primärüberschuss
von 3,5 Prozent.
Die Reformmaßnahmen betreffen insbesondere eine
verbesserte Haushaltsplanung, eine größere Steuerge-
rechtigkeit, eine Modernisierung der Arbeits- und Pro-
duktmärkte und der öffentlichen Verwaltung, eine Priva-
tisierungsstrategie und eine Rentenreform. Insgesamt
sieht das Programm zahlreiche und umfangreiche Ein-
zelmaßnahmen vor, von denen ein Großteil – das ist das
Neue – bereits vorab im griechischen Parlament verab-
schiedet worden ist. Wichtige konkrete Reformmaßnah-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11457
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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(B)
men umfassen unter anderem die Liberalisierung des
Energiemarkts, die Abschaffung von Steuerbegünstigun-
gen, die Bekämpfung von Korruption in der Verwaltung,
den Umbau des Renten- und Gesundheitswesens, die
Wiederherstellung von Liquidität und Kapitalausstattung
angeschlagener Banken, den Umgang mit notleidenden
Krediten und die Einrichtung eines Privatisierungsfonds.
Bei den Bankenrekapitalisierungsmaßnahmen, die
sich in dem Programm, im Rahmen der 86 Milliarden
Euro, auf bis zu 25 Milliarden Euro belaufen können – je
nachdem, was durch die europäische Bankenaufsicht als
Notwendigkeit ermittelt wird –, ist sichergestellt, dass
über die ersten 10 Milliarden Euro hinaus zunächst der
tatsächliche Bedarf durch einen Stresstest der europäi-
schen Bankenaufsicht ermittelt wird. Darüber hinaus ist
Voraussetzung, dass die Programmüberprüfung im Okto-
ber 2015 erfolgreich abgeschlossen wird. Darüber hi-
naus wird das Bail-in-Instrument für Anleihegläubiger
erstrangiger Schuldtitel gelten. Die Beteiligung von Ein-
legern bleibt vor Inkrafttreten der Bankenrestrukturie-
rungsrichtlinie ausgeschlossen.
Für das den Banken zur Verfügung zu stellende Kapi-
tal, also bis zu 25 Milliarden Euro, sollen entsprechende
Anteile an den unabhängigen Privatisierungsfonds über-
tragen werden. Dieser Privatisierungsfonds soll bis Ende
2015 unter der Aufsicht der relevanten europäischen
Institutionen seine Arbeit aufnehmen. Den ersten Ent-
wurf dafür muss Griechenland schon im Oktober 2015
vorlegen. In diesen Fonds sollen während der Laufzeit
des Programms – über die im MoU vereinbarten Privati-
sierungen hinaus – werthaltige Vermögenswerte transfe-
riert werden, die sich im Wert entwickeln sollen, damit
sie nach Abschließen der Privatisierung zusätzlich zur
Schuldenreduzierung und zur Förderung von Investitio-
nen in Griechenland beitragen können.
Für die Bundesregierung ist unabdingbar, dass der In-
ternationale Währungsfonds mit seiner besonderen Exper-
tise bezüglich Staatsschuldenkrisen weiter an Bord bleibt.
Die Euro-Gruppe teilt diese Auffassung, und sie hat dies
in ihrer Erklärung vom Freitag ausdrücklich niedergelegt.
Der Internationale Währungsfonds wird seinerseits über
eine weitere Beteiligung nach einer Überprüfung des Pro-
gramms im Herbst entscheiden.
Man muss daran erinnern: Das eigentliche Programm
des Internationalen Währungsfonds hatte eine Laufzeit
bis Ende März kommenden Jahres. Durch die Nichtbe-
dienung einer Zahlung Ende Juni, Anfang Juli dieses
Jahres an den IWF ist das Programm außer Kraft getre-
ten. Deswegen hat der IWF schon bei den Verhandlun-
gen der Staats- und Regierungschefs am 12. Juli 2015 er-
klärt, dass ein neues Programm für den IWF notwendig
ist und dass der IWF darüber erst im Oktober 2015 nach
einer ersten Programmübersicht – im Lichte der einge-
tretenen Verzögerungen bei der Bedienung von IWF-
Verbindlichkeiten – nach IWF-Regeln entscheiden wird.
Aber seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren
Beteiligung hat der IWF erklärt, und er hat Maßnahmen
spezifiziert, die jetzt auf den Weg gebracht werden müs-
sen.
– Frau Göring-Eckardt, die Konditionalität, die wir im
MoU vereinbart haben, ist mit dem IWF zu 100 Prozent
gemeinsam festgelegt.
Der IWF hat zwei zusätzliche Punkte – hinsichtlich der
Rentenreform und der Banken-Governance – genannt, die
bis Oktober 2015 geklärt werden müssen – auch das ist
einvernehmlich – und die dann auch in das europäische
Programm übernommen werden sollen, damit wir eine
völlige Identität der Konditionalität von ESM-Programm
und IWF-Programm haben werden.
Des Weiteren gehört zu diesen Maßnahmen natür-
lich auch die gemeinsame Beurteilung, dass die Schul-
dentragfähigkeit gegeben ist. Da haben wir im Augen-
blick die Situation, dass die europäischen Institutionen
– Kommission und EZB – zu der Einschätzung gekom-
men sind, dass die Schuldentragfähigkeit bei konse-
quenter Umsetzung der Programmvereinbarungen und
durch Maßnahmen zur Schuldenerleichterung ohne ei-
nen Schuldenschnitt erreicht werden kann.
Zwar werden die bisher vereinbarten Zielwerte für die
Schuldenstandsquote aufgrund der Verwerfungen der
vergangenen Monate erst deutlich später erreicht werden
können – das ist unbestreitbar –, aber in jedem Fall wird
die Schuldenstandsquote schon während der Programm-
laufzeit bis 2018 ihren Kulminationspunkt überschrei-
ten, ab dem sie dann wieder zurückgeht. Denn die Schul-
denstandsquote geht in dem Augenblick zurück, in dem
der Überschuss höher ist, und deswegen hängt das davon
ab, wie sich das Wachstum entwickelt und die Reduzie-
rung der Haushaltsdefizite erfolgt. Der Kulminations-
punkt muss also noch vor 2018 erreicht werden, sodass
die Schuldenstandsquote dann wieder rückläufig ist.
Der Verschuldungsgrad ist im internationalen Ver-
gleich extrem hoch, obwohl es Länder gibt – ich nenne
nur Japan –, die eine viel höhere Schuldenstandsquote
haben. Deswegen hat man in den vergangenen Jahren in-
ternational mehr und mehr darauf abgehoben, dass die
entscheidende Größe für die Schuldentragfähigkeit ei-
gentlich nicht der Schuldenstand ist, sondern die Frage:
Liegt der jährlich zu leistende Dienst für Zins und Til-
gung, die sogenannte Bruttofinanzierungsbelastung pro
Jahr, unterhalb von 15 Prozent der gesamtwirtschaftli-
chen Leistungskraft oder nicht? Diese Beurteilung wird
gemeinsam von Internationalem Währungsfonds und eu-
ropäischen Institutionen mit zugrunde gelegt. Diese
15 Prozent werden – jedenfalls nach den heutigen, noch
vorläufigen Zahlen – bis weit in die 2020er-Jahre hinein
eingehalten werden können. Ob das für die gesamte Pro-
grammlaufzeit der Fall sein wird, muss man im Oktober
2015 im Lichte der dann zu aktualisierenden Zahlen be-
urteilen. Deswegen bin ich ganz zuversichtlich, dass wir
im Oktober 2015 zu einer gemeinsamen Beurteilung der
Schuldentragfähigkeit kommen werden.
Dementsprechend werden wir, wenn es dann notwen-
dig ist, noch einen begrenzten Spielraum in der Frage
11458 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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der Laufzeit der Kredite haben, vielleicht auch in der
Frage von tilgungsfreien Perioden. Aber auch da sind ja
die bisherigen Laufzeiten und die tilgungsfreien Perio-
den schon so umfangreich, dass der Spielraum für wei-
tere Schuldenerleichterungen ein begrenzter ist; das
muss man immer wieder sehr klar sagen. Wiederum ist
auch klar, dass ein Schuldenschnitt nicht möglich ist. Er
ist nach den europäischen Verträgen, nach übereinstim-
mender Beurteilung aller Fachleute und nach der Erklä-
rung der Staats- und Regierungschefs für die Mitglieder
der Europäischen Währungsunion nicht zulässig.
Es war bereits in der Erklärung vom Juli dieses Jahres
enthalten, dass der IWF erst im Oktober 2015 über seine
Beteiligung an einem neuen Programm entscheiden wird.
Aber unter der Voraussetzung der entsprechenden Ände-
rungen im Rentensystem und der Banken-Governance
und unter der Voraussetzung, dass eine Einigung über die
Schuldentragfähigkeit erzielt wird, hat die Generaldirek-
torin des IWF am vergangenen Freitag zugesagt, sich im
Oktober 2015 in den IWF-Gremien für eine weitere finan-
zielle Beteiligung des Internationalen Währungsfonds ein-
zusetzen. Genau in dieser Form wurde bei allen bisheri-
gen europäischen Programmen die Beteiligung des IWF
vereinbart; denn der IWF entscheidet unabhängig.
Die Zusage seiner Generaldirektorin, dass man sich
für eine weitere Beteiligung einsetzen wird, ist von den
Gremien des IWF in der Vergangenheit, wenn die Vo-
raussetzungen erfüllt waren, immer honoriert worden.
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass das
auch in diesem Jahr der Fall sein wird. Die Euro-
Gruppe ihrerseits hat entsprechend der Position der
Bundesregierung klar gesagt, dass eine weitere Beteili-
gung des Internationalen Währungsfonds an diesem
Programm auch finanziell unverzichtbar ist.
Mit all den Vereinbarungen im MoU und mit den Er-
klärungen der Euro-Gruppe sind also die Beschlüsse des
Europäischen Gipfels vom 12. Juli 2015 umgesetzt. Alle
Beteiligten waren sich einig, dass in den letzten Wochen
ein grundsätzlicher Wandel in Griechenland zu verzeich-
nen ist. Dass das zu Auseinandersetzungen innerhalb der
die dortige Regierung tragenden Kräfte führt, spricht für
die Ernsthaftigkeit des Wandels; wenn es ohne Aus-
einandersetzung ginge, dann wäre das irgendwie überra-
schend. Aber weil dieser Wandel wirklich offensichtlich
ist und mit Händen zu greifen war – viele haben gesagt,
man glaubt fast, dass man in einer anderen Welt lebt; wie
gesagt, die meisten Prior Actions sind inzwischen vom
griechischen Parlament beschlossen worden –, waren
wir uns unter den Finanzministern am Freitag völlig ei-
nig, dass wir auf dieser Grundlage den Abschluss eines
Hilfsprogramms empfehlen können und empfehlen müs-
sen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich gibt es
nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate und
Jahre keine Garantien, dass das alles funktionieren wird,
und Zweifel sind immer erlaubt. Aber angesichts der
Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil
der Maßnahmen bereits beschlossen hat, wäre es unver-
antwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Grie-
chenland jetzt nicht zu nutzen.
Wenn Griechenland zu seinen Vereinbarungen steht und
wenn das Programm entschlossen und vollständig umge-
setzt wird, dann kann die griechische Wirtschaft in den
nächsten Jahren wieder wachsen. Die Chance ist gege-
ben. Ob sie genutzt wird, entscheiden allein die Grie-
chen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen oft Ent-
scheidungen treffen, bei denen es gute Gründe dafür und
gute Gründe dagegen gibt; das ist Politik. Es ist nicht so,
dass immer alle Argumente nur dafür sprechen.
Bei den meisten Entscheidungen ist es übrigens so,
dass man zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ganz
sicher sein kann, wie sich das in der Rückschau in eini-
gen Jahren darstellen wird; wir können zukünftige Ent-
wicklungen nicht antizipieren. Deswegen müssen wir
die Argumente sorgfältig abwägen. Insofern sage ich
mit allem Ernst: Wir haben uns alle Mühe gemacht, un-
serer Verantwortung für Europa, für europäische Soli-
darität gegenüber Griechenland, aber natürlich auch
gegenüber dem Souverän in jedem anderen Mitglied-
staat und gegenüber den Steuerzahlern in allen Ländern
der europäischen Währungsunion gerecht zu werden.
Wir wissen – darin sind wir uns alle einig –, wir brau-
chen aus vielen, vielen Gründen ein starkes, ein hand-
lungsfähiges Europa, und das geht nicht ohne Verläss-
lichkeit, ohne Vertrauen, und das erfordert Solidarität.
Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich nicht weniger
als irgendjemand sonst um diese Entscheidung gerungen
habe. Weil das so ist, kann ich Sie alle mit voller Über-
zeugung bitten: Stimmen Sie dem Antrag des Bundes-
finanzministeriums zu.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kol-
lege Dr. Gysi für die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich
zur Euro-Krise und zu Griechenland komme, einige we-
nige andere außenpolitische und innenpolitische Bemer-
kungen:
Gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Online-
plattform netzpolitik.org
wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats
und Preisgabe von Staatsgeheimnissen eingeleitet.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11459
Dr. Gregor Gysi
(C)
(B)
Anzeigenerstatter war der Verfassungsschutz, und Gut-
achter darüber, dass das Staatsgeheimnisse sind, war
auch der Verfassungsschutz.
Es ist übrigens eine völlig neue Rechtsansicht, dass der
vermeintlich Geschädigte auch die Gutachten über sich
abgibt. Abgesehen davon wissen wir inzwischen: Das
Bundeskanzleramt und das Bundesinnenministerium
waren vorab informiert. Das heißt, es handelte sich um
einen schwerwiegenden politischen Angriff auf die Pres-
sefreiheit.
Ich sage Ihnen: Dass der Generalbundesanwalt in den
vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde, löst das Pro-
blem nicht. Das ist ein Bauernopfer. Wir brauchen hier
vollständige Aufklärung.
Meine zweite Bemerkung: Seit Jahrzehnten unterdrü-
cken die türkischen Behörden die Kurdinnen und Kur-
den in der Türkei, und zwar kulturell, sozial und recht-
lich.
– Ich weiß, Sie meinen, das gehört nicht zum Thema.
Aber die Leute interessiert das, und das ist das Entschei-
dende.
Im Kampf dagegen bildete sich die PKK. Nach vielen
Jahrzehnten hat endlich ein so schwieriger und wichtiger
Friedensprozess begonnen, und den zerstört Erdogan ge-
rade durch Bomben. Ich weiß, dass auch die PKK Fehler
begeht, aber Erdogan begeht viel schwerwiegendere
Fehler, und er ist viel mächtiger und stärker und hat des-
halb ganz andere Verpflichtungen. Aber der Höhepunkt
ist, dass die Bundesregierung uns bestätigen musste,
dass Erdogan den „Islamischen Staat“, diese einzigartige
terroristische Organisation, regelmäßig unterstützt, wäh-
rend die PKK die entscheidende Kämpferin gegen den
„Islamischen Staat“ ist.
Schon deshalb müssen wir endlich das Verbot der PKK
in Deutschland aufheben.
Ich sage Ihnen auch: Sie müssen mit der türkischen
Regierung ganz anders sprechen. Wie würden Sie denn
mit anderen Regierungen, die den „Islamischen Staat“
unterstützen, umgehen? Ganz anders. Bloß weil das ein
NATO-Partner ist, machen Sie nichts. Das ist durch
nichts zu rechtfertigen; das will ich Ihnen ganz klar sa-
gen.
An der Grenze zu Syrien stehen Bundeswehrsoldaten
mit Patriot-Raketen. Als sie dorthin gestellt wurden, ha-
ben wir Ihnen gesagt, wir würden Teil des Nahostkon-
flikts. Das ist durch nichts zu rechtfertigen; aber Sie wa-
ren ja, wie immer, schlauer und haben das beschlossen.
Jetzt, Frau Merkel, haben auch Sie es verstanden und
eingesehen. Sie ziehen die Soldaten und Raketen ab.
Wieder einmal hören Sie auf uns – aber spät, sehr spät.
Ich sage Ihnen: Sie müssen sich künftig diesbezüglich
mehr beeilen.
Eine dritte Bemerkung will ich machen, und zwar zur
Flüchtlingsproblematik, die unsere Gesellschaft sehr be-
schäftigt. Ich möchte gern ganz kurz vier Forderungen
formulieren:
Erstens. Das Leben jedes Flüchtlings im Mittelmeer
muss gerettet werden.
Zweitens. Alle Flüchtlinge müssen bei uns anständig
behandelt und untergebracht werden, und die Kommu-
nen müssen endlich entlastet werden.
Nebenbei bemerkt: Der Linken-Ministerpräsident von
Thüringen, Bodo Ramelow, leistet diesbezüglich eine
sehr gute Arbeit.
– Weil Sie ihn nie loben, muss ich das ja machen. Verste-
hen Sie das?
Drittens. Nicht die Flüchtlinge, aber die Kosten müs-
sen innerhalb der Europäischen Union gerecht verteilt
werden.
Viertens. Ernsthaft – das sage ich Ihnen – muss be-
gonnen werden, die Fluchtursachen zu bekämpfen, das
heißt Krieg, Hunger, Elend und Rassismus. Wir aber
sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Ich sage
es Ihnen so ernsthaft wie möglich: Wenn wir nicht be-
ginnen, die Weltprobleme zu lösen, werden sie täglich
und verschärfter zu uns kommen.
Aber nun zur Griechenland-Krise
– ich hoffte auf Ihre Begeisterung, die habe ich schon er-
reicht – und zum dritten Hilfspaket. Es geht um 86 Mil-
liarden Euro, davon erstens für Altschulden 54 Milliar-
11460 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Dr. Gregor Gysi
(C)
(B)
den Euro. Das heißt, man macht neue Schulden, um alte
Schulden zu begleichen, und aus diesem Kreislauf
kommt man nicht mehr heraus. Zweitens. Für Pleiteban-
ken – statt Insolvenzen von Banken mit Erstattung der
Guthaben hinzunehmen – stellen wir, nein, nicht wir,
sondern die entsprechenden europäischen Einrichtungen
wieder 25 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Dritte
– das stimmt, was Herr Schäuble gesagt hat –: 11 Mil-
liarden Euro dienen dazu, offene Rechnungen des Staats-
apparates zu begleichen, Löcher zu stopfen. Für die drin-
gend notwendigen Investitionen wird von diesen Euros
nicht einer verwendet. Nicht einer!
Aber es könnte ja auch Positives geben.
Ich komme zum Ersten. Griechenland hat ja aus ande-
ren Fonds bis zum Jahre 2020 Anspruch auf 36 Milliar-
den Euro, die man tatsächlich für Investitionen verwen-
den könnte. Das Problem ist nur: Bisher hat Griechenland
davon keinen Euro bekommen, weil es die Eigenmittel
nicht aufbringen kann, die dafür gefordert sind. Da geht
es Griechenland so wie unseren armen Kommunen, die
nicht an Fördergelder herankommen, weil sie die Eigen-
mittel nicht aufbringen. Das ist dieselbe Struktur. Nun ist
in Aussicht gestellt worden, die Eigenmittel zu reduzie-
ren – aber nur in Aussicht gestellt; es ist noch nichts be-
schlossen. Warum haben Sie denn nicht jetzt beschlossen,
die Eigenmittel auf null zu setzen, damit endlich das Geld
fließen und Investitionen stattfinden können?
Zweitens. Es sollen ja jetzt ernsthaft Korruption,
Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bekämpft
werden, und sogar ein Stück mehr Steuergerechtigkeit
soll hergestellt werden. Übrigens sage ich Ihnen noch
einmal – das wissen Sie auch, Herr Schäuble und Frau
Merkel –: Das ist nur mit dieser Regierung möglich. Bei
allen vorhergehenden Regierungen, die von Ihren
Schwesterparteien gestellt wurden, von den Konservati-
ven und von den Sozialdemokraten, war das undenkbar;
denn die haben die Korruption in Griechenland organi-
siert und erfunden. Also mussten wir hier einen neuen
Weg gehen.
Abgesehen davon soll ja auch die Einkommensteuer re-
formiert werden – das ist eine Chance, dass auch der
Spitzensteuersatz erhöht wird –, und Immobilien sollen
endlich angemessen bewertet werden.
Drittens sollen die Militärausgaben – wenn auch nicht
genug – gesenkt werden.
Viertens. Die angestrebten Überschüsse im Haushalt
wurden der Realität angepasst, sodass möglicherweise
gewisse Spielräume für die Regierung entstehen.
Aber nun passiert etwas Interessantes – deshalb, Herr
Schäuble, haben Sie ja so lange vom Internationalen
Währungsfonds, vom IWF, gesprochen –: Sie stecken
doch in einem Interessenkonflikt. Denn Herr Schäuble
besteht darauf, dass der IWF beteiligt ist. Auf der ande-
ren Seite will er aber keine Schuldenerleichterungen für
Griechenland. Nun sagt aber der IWF, er beteilige sich
nur, wenn es Schuldenerleichterungen für Griechenland
gibt.
Na ja, was tun? Frau Merkel hat angedeutet, man
könnte ja vielleicht die Rückzahlungspflichten zeitlich
strecken; vielleicht könnte man auch noch die Zinsen
stunden; ein Schuldenschnitt käme nicht infrage. Aber
immerhin, über diese beiden Dinge könnte man nach-
denken. Interessant ist: Das sind die Elemente, die für
Deutschland 1952 auf der Schuldenkonferenz in London
hinsichtlich der Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg
beschlossen wurden. Wir machen also nichts anderes als
das, was wir auch erfahren haben, wenn auch in etwas
anderer Zeit. Ich bin gespannt, wie das ausgeht. Noch ist
ja nichts entschieden. Warten wir es ab!
Sie wissen – Sie werden es gleich wieder bestreiten –:
Ich bin ein Anhänger von Logik.
– Ich wusste es.
– Ja, jetzt kommt ja meine Logik. Passen Sie auf!
Erstens. Deutschland hat bisher in der Krise keinen
einzigen Euro an Griechenland gezahlt. Diese Tatsache
müssen wir immer wieder benennen.
Zweitens. Die Bundesregierung hat gegen unseren
Willen allerdings unterschrieben, für 27 Prozent der
während der Krise aufgenommenen Schulden von
Irland, Spanien, Portugal, Zypern und Griechenland zu
haften. Das gilt auch für die jetzt geplanten 86 Milliar-
den Euro.
Drittens. Wenn eines – oder mehrere – dieser Länder
in die Pleite getrieben und zahlungsunfähig wird, dann
also haften wir dank Ihrer Unterschrift, Frau Merkel und
Herr Schäuble, und zwar im Umfange von 27 Prozent.
Viertens. Wenn ein Staat pleitegeht, bedeutet dies für
die dortige Bevölkerung eine schlimme Verarmung,
Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, ein Netz von
Suppenküchen, also eine Katastrophe. Es bedeutet für
unsere Bevölkerung, dass wir dann im Milliardenum-
fang zahlungspflichtig werden. Das heißt, auch bei uns
leitete sich ein weiterer Verarmungsprozess ein.
Fünftens. Also müssen wir doch genauso wie die iri-
sche, spanische, portugiesische, zypriotische und grie-
chische Bevölkerung für einen Auf- und nicht für einen
Abbau dieser Länder streiten.
Dann ginge es sowohl den Menschen dort als auch bei
uns besser. Für Griechenland bedeutete das endlich In-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11461
Dr. Gregor Gysi
(C)
(B)
vestitionen in Bildung, Solarindustrie, Tourismus und
Schiffsindustrie. Wenn Sie die anderen zerstören, zerstö-
ren Sie auch unser Land. Diese Tatsache müssen wir ver-
deutlichen.
Aber Sie bauen dennoch weiter und schlimmer ab.
Jetzt werde ich es Ihnen sagen:
Erstens gibt es weitere Kürzungen bei Renten und So-
zialleistungen, noch einmal. Das bedeutet eine geringere
Kaufkraft. Griechenland hat einen kleinen Exportsektor
und lebt überwiegend von der Binnenwirtschaft. Wenn
Sie die Kaufkraft reduzieren, geht die Binnenwirtschaft
zurück, wird sie geschwächt. Dann gibt es geringere
Steuereinnahmen, und damit wird die Regierung weni-
ger rückzahlungsfähig und kann gar keine Investitionen
tätigen.
Zweites Beispiel: Sie erhöhen die Mehrwertsteuer auf
23 Prozent.
– Ja, Sie bestehen darauf und erpressen die Griechen,
dass sie es machen. So ist es richtig formuliert. Sie
haben recht, Herr Oppermann; ich sollte das genauer
formulieren.
Die Mehrwertsteuer steigt auf 23 Prozent; die Aus-
nahmen bei Inseln werden zurückgenommen. Das aber
bedeutet, dass die gesamte Bevölkerung belastet wird,
auch der ärmere Teil, und es bedeutet darüber hinaus,
dass der Tourismus zurückgedrängt wird. Das sind wie-
der weniger Steuereinnahmen. Damit kann die Regie-
rung weniger zurückzahlen und nicht investieren. Ich
verstehe diese ganze Logik nicht.
Drittens. Außerdem sollen Massenentlassungen deut-
lich erleichtert werden. Auch das ist eine Katastrophe.
Dagegen war die Sozialdemokratie früher übrigens ein-
mal; aber es ist lange her.
Viertens. Außerdem verlangen Sie von Griechenland
eine umfassende Privatisierung der öffentlichen Güter
und Daseinsvorsorge. Also, das ist ja schon an sich
falsch. Sie hat nirgendwo im Interesse der Bevölkerung
funktioniert, weder in London noch bei uns. Aber wenn
sie auch noch unter Druck und Zwang erfolgt, dann führt
dies natürlich automatisch zu extrem niedrigen Preisen.
Übrigens, Herr Schäuble, nun lese ich, dass die
14 rentablen Regionalflughäfen in Griechenland ganz
zufällig an die deutsche Firma Fraport gehen sollen,
die übrigens überwiegend im öffentlichen Eigentum der
Bundesrepublik steht. Das ist also eine Privatisierung öf-
fentlichen Eigentums in Griechenland zugunsten öffent-
lichen Eigentums in Deutschland.
Mehr als merkwürdig! Der Preis ist übrigens ein fantasti-
scher Dumpingpreis. Damit kann die griechische Regie-
rung die von Ihnen geplanten 50 Milliarden Euro für Pri-
vatisierungen niemals realisieren.
Jetzt kommt der fünfte Punkt. Unvorstellbar, aber
wahr: Die griechische Regierung darf keinen einzigen
Bankchef, keinen einzigen leitenden Angestellten einer
Bank entlassen oder einstellen. Das machen europäische
Institutionen. Wie wollen Sie eigentlich so wirksam Kor-
ruption bekämpfen?
Es ist eine ungeheure Einschränkung der Souveränität.
Der Höhepunkt ist, dass die Regierung einen Gesetz-
entwurf ohne Genehmigung dieser europäischen Institu-
tionen nicht einmal öffentlich diskutieren, geschweige
denn in das Parlament einbringen kann. Das zerstört die
parlamentarische Demokratie. Da können wir beim bes-
ten Willen nicht mitmachen.
Aber all das ändert nichts an unserer Solidarität mit
der griechischen Bevölkerung, mit Syriza und auch
nichts an meinen guten Beziehungen zu Ministerpräsi-
dent Tsipras.
Bisher hat Deutschland entgegen den Behauptungen
einer sehr stark bebilderten Zeitung nicht einen Euro für
Griechenland bezahlt, und wenn es je dazu kommen
sollte, dann nur durch eine verfehlte Politik der Bundes-
regierung.
Aber was die bebilderte Zeitung und auch Sie immer
verschweigen, ist die Tatsache, dass Deutschland laut
Berechnung eines Wirtschaftsinstituts inzwischen
100 Milliarden Euro an der Krise verdient hat, und zwar,
weil auf Druck der Bundesregierung die Europäische
Zentralbank die Zinsen Richtung null gefahren hat, so-
dass wir dieses Geld einsparen konnten. Allerdings muss
man erwähnen, dass die Bürgerinnen und Bürger das
dadurch bezahlt haben, indem ihre Sparguthaben ent-
sprechend entwertet wurden.
Also, 100 Milliarden Euro haben wir daran verdient.
Außerdem wurden bis Mitte 2015, Herr Gabriel, ent-
gegen Ihrer Reduzierungsankündigung so viele Rüs-
tungsexporte genehmigt wie im gesamten Jahr 2014.
11462 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
(C)
(B)
Herr Kollege.
Ich bin sofort fertig.
Unter den Empfängerländern befinden sich auch auspeit-
schende, verstümmelnde und höchst undemokratische
Staaten wie Saudi-Arabien. Deutschland verdient also
auch noch an jedem Krieg. Glauben Sie wirklich an eine
sinnvolle Zukunft unseres Landes, wenn wir so extrem
von Krisen und Kriegen profitieren? Ich nicht.
Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Oppermann
für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe
heute Gregor Gysi natürlich ganz aufmerksam zugehört.
Es war wohl seine letzte oder vorletzte Rede als Frak-
tionsvorsitzender.
Ich habe gedacht: Heute kommt das politische Ver-
mächtnis von Gregor Gysi an seine eigene Fraktion.
Aber ich muss sagen, Herr Gysi: Ich bin von Ihrer Rede
maßlos enttäuscht.
Sie wollten sich hier als ein Meister der politischen
Logik präsentieren. Aber die politische Logik ist ganz
einfach und nicht so kompliziert, wie Sie sie dargestellt
haben.
Wenn Sie heute bei diesem Hilfsprogramm mit Nein
stimmen, dann fallen Sie damit Ihrer Schwesterpartei
Syriza in Griechenland in den Rücken.
Sie sind kein Meister der politischen Logik. Sie sind ein
Meister der politischen Rabulistik. Ihnen ist kein argu-
mentativer Eiertanz zu schade, um am Ende zu dem Er-
gebnis zu kommen, mit Nein zu stimmen.
In Athen kämpft Alexis Tsipras um den Verbleib
Griechenlands in der Euro-Zone, und Sie hier im Deut-
schen Bundestag unterstützen die linksradikale Opposi-
tion gegen Tsipras. Ich finde, das ist ein schwacher Ab-
gang, den Sie als Fraktionsvorsitzender gewählt haben.
Meine Damen und Herren, kaum jemand hatte nach
den dramatischen Wochen, die wir im Juni erlebt haben,
damit gerechnet, dass uns heute hier ein Hilfsprogramm
vorliegt, das, wenn es Punkt für Punkt umgesetzt wird,
Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine brin-
gen kann.
Nach monatelanger destruktiver ideologischer Aus-
einandersetzung hat Alexis Tsipras seinen irrlichternden
Finanzminister Varoufakis entlassen, das Kabinett um-
gebildet, sich entschieden, für den Verbleib in der Euro-
Zone zu kämpfen, und sich auf konstruktive Verhandlun-
gen eingelassen.
Das Ergebnis zeigt: Es war absolut richtig, dass wir hier
vor vier Wochen den Weg für Verhandlungen mit Grie-
chenland frei gemacht haben.
Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt der Syriza-
Regierung haben viele europäische Kolleginnen und
Kollegen und auch Finanzminister Schäuble, die mit der
griechischen Regierung direkt zu tun hatten, den Ein-
druck, dass diesmal nicht nur über Reformen geredet
und verhandelt wird, sondern dass es auch den Willen
gibt, diese Reformen umzusetzen. Ich finde, das ist ein
ermutigendes Zeichen.
Auch wenn in Griechenland viele immer noch nicht
restlos überzeugt sind und die Regierungspartei Syriza
vor der Spaltung steht, so ist doch die ganz überwie-
gende Mehrheit im griechischen Parlament und auch die
ganz große Mehrheit in der griechischen Bevölkerung
der Meinung, dass wir lange genug gestritten haben.
Jetzt haben wir uns geeinigt.
Jetzt muss entschieden werden. Jetzt müssen die
Dinge umgesetzt werden, meine Damen und Herren.
Dafür gibt es gute Argumente. Ich finde, dieses Hilfs-
programm hat eine andere, eine neue Qualität, weil es
sich in einem ganz wesentlichen Punkt von den bisheri-
gen Programmen unterscheidet. Es ist nämlich nicht nur,
wie bisher, allein auf die fiskalischen Einsparziele
fixiert, sondern es setzt erstmals auf den Umbau von
Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Griechenland, und
nur so können die vielen verschiedenen, tiefliegenden
und einander wechselseitig verstärkenden Defizite die-
ses Landes gelöst werden.
Drei Beispiele dazu machen das sehr gut nachvoll-
ziehbar.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11463
Thomas Oppermann
(C)
(B)
Erstens. Weil es in Griechenland keine funktionie-
rende soziale Absicherung gibt, kam es zu einer syste-
matischen Flucht in die Frühverrentung. Nirgendwo in
Europa gibt es so viele junge Rentner und Rentnerinnen
wie in Griechenland. Deshalb sind die Rentenlasten auch
kaum noch bezahlbar. Jetzt soll eine soziale Grundsiche-
rung geschaffen werden, damit die arbeitsfähige Bevöl-
kerung nicht mehr vorzeitig in den Ruhestand geschickt
werden muss. Das ist doch sehr vernünftig, meine Da-
men und Herren.
Zweitens. Ein großer Teil der griechischen Wirtschaft
existiert als Schattenwirtschaft, in der keine Steuern ge-
zahlt werden. Jetzt soll endlich eine effektive Finanzver-
waltung aufgebaut werden, die in der Lage ist, Steuern
einzutreiben, und zwar nicht nur von den kleinen Leuten,
sondern auch von den Reichen des Landes. Dazu passt,
dass die Steuerprivilegien für Landwirte und Reeder aus-
laufen, für die es ohnehin keine Rechtfertigung gibt. Ab-
gesehen davon: Griechenland ist ein armer Staat, und ein
armer Staat kann sich keine Steuersubventionen für rei-
che Reeder leisten. Gut, dass das jetzt zu Ende geht,
meine Damen und Herren.
Drittens. Ihnen geht es um die Menschen in Griechen-
land. Aber das Leben in Griechenland ist in vielen Berei-
chen für viele Menschen gemessen an ihren kleinen Ein-
kommen viel zu teuer, weil es zu wenig Wettbewerb
gibt. Das gilt für Energie, Lebensmittel und Medika-
mente. Jetzt werden Generika zugelassen, Subventionen
für Landwirte abgebaut und Monopole im Strommarkt
aufgebrochen. Auch das ist vernünftig und sozial ge-
recht.
Das alles steht im Memorandum of Understanding,
und zwar nicht als bloße Absichtserklärung, sondern es
ist detailliert mit Einzelmaßnahmen unterlegt. Natürlich
hätte man sich an der einen oder anderen Stelle noch
mehr wünschen können. Aber am Ende ist das Pro-
gramm eben ein Kompromiss, der zwar den Griechen
und uns gleichermaßen schwerfällt, aber es ist ein ambi-
tionierter Kompromiss, der die Grundlage für wichtige
gesellschaftliche Veränderungen in Griechenland sein
kann.
Dieses Programm ist auch deshalb besser als seine
Vorgänger, weil es so konstruiert ist, dass die einzelnen
Finanzhilfen mit der Umsetzung einzelner Reformen
verknüpft sind. Diese Reformen muss die griechische
Regierung jetzt Punkt für Punkt einlösen. Finanzhilfen
gibt es nur Zug um Zug gegen Reformen. Wir alle müs-
sen ein Interesse daran haben, dass diese Veränderungen
gelingen. Deshalb bitte ich die Bundesregierung darum,
dass sie den neuen Dienst der EU-Kommission zur Un-
terstützung von Strukturreformen nach Kräften personell
unterstützt.
Dieser neue Service muss helfen, dass Griechenland die
schwierigen Probleme bewältigen kann. Denn die grie-
chische Regierung – auch wenn sie uns nicht gefällt –
muss jetzt Erfolg haben. Nur sie kann Griechenland re-
formieren, und nur sie kann Glaubwürdigkeit, Verläss-
lichkeit und Vertrauen wiederherstellen, was für einen
wirtschaftlichen Aufschwung notwendig ist. Das sollten
wir unterstützen.
Der IWF ist am neuen Programm vorerst nicht finan-
ziell beteiligt, weil die Schuldentragfähigkeit nach sei-
nen Kriterien noch nicht gegeben ist. Die Euro-Gruppe
hat deshalb nochmals deutlich gemacht, dass sie bereit
ist, die Schuldentragfähigkeit zu sichern. Wir alle wis-
sen, dass ein glatter Schuldenschnitt unter vertragsrecht-
lichen Gesichtspunkten eher schwierig ist. Aber es sind
Erleichterungen bei den Zinszahlungen und den Laufzei-
ten möglich, die dem IWF den Einstieg und Griechen-
land eine langfristige Schuldenrückzahlung ermögli-
chen.
Einige hätten sich diese Erleichterungen schon heute
gewünscht, allen voran die griechische Regierung. Aber
ich muss sagen: Ich bin eigentlich froh, dass es eine
klare Bedingung für diese Erleichterungen gibt. Erst
wenn die Überprüfung des Programms im Herbst ergibt,
dass die Reformen auch erfolgreich umgesetzt worden
sind, reden wir über Schuldenerleichterungen. Alles an-
dere wäre auch nicht im Sinne der griechischen Bevölke-
rung; denn es sind die Menschen in Griechenland, die
zuerst darauf angewiesen sind, dass dort ein handlungs-
fähiger Staat entsteht.
Aber umgekehrt gilt auch: Wenn Griechenland sich
erfolgreich reformiert, dann muss es auch Schuldener-
leichterungen geben. Dieses Versprechen hat Griechen-
land von der Euro-Gruppe, dieses Versprechen hat Grie-
chenland auch von dieser Koalition, und dafür bietet das
dritte Hilfsprogramm eine sehr gute Grundlage. Deshalb,
meine Damen und Herren, wird meine Fraktion heute
dem Programm mit großer Geschlossenheit zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
11464 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
(C)
(B)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Frau Merkel, Sie haben erst vor kurzem be-
kannt gegeben – –
– Was finden Sie daran so ungewöhnlich, dass man Frau
Merkel anspricht? Ist es so ungewöhnlich für Sie, dass
sie da ist, dass man sie einmal erwähnt? Oder ist es, weil
Sie sozusagen gar nicht auf sie hören?
Frau Merkel, Sie haben vor kurzem in den Medien
und in der Öffentlichkeit gesagt, dass es nichts bringt,
zur griechischen Regierung oder zur griechischen Bevöl-
kerung nett zu sein. Sie haben bekannt gegeben, man
müsse hart sein und den Griechen so richtig zeigen, wo
es langgeht. Aber sind das denn irgendwelche politi-
schen oder gar ökonomischen Kriterien? Geht es darum,
nett oder hart zu sein, oder geht es darum, ein Paket zu
stricken und so zu gestalten, dass die griechische Wirt-
schaft wieder funktioniert und es den Menschen wieder
besser geht? Ist Ihnen nicht klar, dass wir nur dann,
wenn es Griechenland wieder besser geht, wenn die Re-
formen so gestaltet sind, dass sie nicht besonders hart
sind, sondern besonders wirkungsvoll sind, eine Chance
haben, wenigstens einen Teil des Geldes, für das wir und
die anderen europäischen Regierungen bürgen, wieder-
zusehen?
Schauen wir uns an, wie Sie als Kanzlerin und Sie,
Herr Schäuble, in den Verhandlungen agiert haben und
wie Sie, Herr Gabriel, sich öffentlich vor den Verhand-
lungen geäußert haben, wie Sie mit Grexit, dem Raus-
schmiss Griechenlands aus der Euro-Zone, gedroht
haben! Eine deutsche Regierungsspitze, die so agiert,
schadet dem Zusammenhalt in Europa, und damit scha-
det sie auch Deutschland; denn Sie schaden damit unse-
rem Standing in Europa. Sie schaden dem Zusammen-
halt in Europa.
Ich frage mich schon, Frau Merkel: Haben Sie denn
inzwischen solche Töne nötig? Haben Sie das inzwi-
schen nötig, um Ihre Leute hinter sich zu bringen? Müs-
sen Sie denn wirklich diese Klischees und Stereotype be-
dienen? Ist das wirklich nötig?
Wäre nicht etwas anderes nötig? Wäre es nicht end-
lich notwendig, dass Sie gegenüber der deutschen Be-
völkerung und gegenüber der Öffentlichkeit erklären,
warum Sie die Politik machen, die Sie machen, dass Sie
erklären, warum Europa zusammengehalten werden
muss, warum der Euro für uns wichtig ist?
Wäre es nicht notwendig, dass Sie mal klar und deutlich
erklären, warum diese Politik notwendig ist, anstatt im-
mer nur im Verschwurbelten und immer nur im Unklaren
oder schlimmstenfalls in Klischees zu bleiben?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich muss die
griechische Regierung Strukturreformen ergreifen, zum
Beispiel so etwas wie eine vernünftige Steuerverwaltung
einführen und so etwas wie einen vernünftigen Staat
schaffen. Natürlich muss sie sich trauen, sich mit mäch-
tigen, reichen Familienunternehmern wie den Reedern
anzulegen, damit auch die endlich einmal Steuern zah-
len. Aber ausgerechnet Sie, Frau Merkel, die Sie es in
den letzten zehn Jahren noch nie gewagt haben, eine ris-
kante, eine schwierige Reform anzugehen, ausgerechnet
Sie, die Sie meistens noch eine Umfrage abwarten, bevor
Sie sich überhaupt öffentlich äußern, ausgerechnet Sie
sagen, die griechische Regierung müsse mal Härte zei-
gen und mit der griechischen Regierung müsse man mal
hart umgehen. Ist Ihnen das nicht eigentlich selber pein-
lich?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, es
haben ja viele vor, Nein zu sagen.
Man hat den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht mehr in
der Lage sind, eine vernünftige Bewertung dessen vor-
zunehmen, was innerhalb Europas passiert, was inner-
halb der Europäischen Union, innerhalb der Euro-Zone
passiert.
Bei Ihnen gibt es den Wunsch, Griechenland aus dem
Euro zu schmeißen, mit Griechenland einfach, damit das
Ganze zu Ende geht, eine Art Ende mit Schrecken zu in-
szenieren. Ist Ihnen nicht klar, dass, wenn Griechenland
aus dem Euro rausbricht, die Lage in Griechenland noch
schlimmer wird, dass die Lage für die Menschen noch
problematischer wird, wobei die Lage ohnehin schon
schlimm ist, und dass das eben kein Ende mit Schrecken
ist? Es mag vielleicht bei Ihrer eigenen Parteibasis im
Wahlkreis ganz gut klingen, wenn man sagt: Pah, ich
habe es den Griechen mal gezeigt, und ich habe mich ge-
traut, hier mit Nein zu stimmen. Ich habe mich vielleicht
sogar getraut, anders abzustimmen als Herr Kauder. –
Aber ist das irgendwo eine vernünftige Haltung? Glau-
ben Sie ernsthaft, dass damit das Problem gelöst ist?
Was wird am Ende sein, wenn Griechenland aus dem
Euro rausbricht? Dann wird es entsprechend ein humani-
täres Paket für Griechenland geben müssen; denn Grie-
chenland verschwindet ja nicht aus der Europäischen
Union. Griechenland hört ja nicht auf zu sein. Glaubt ir-
gendwer hier im Saal, dass wir es uns leisten können,
mit Griechenland einen gescheiterten Staat in dieser
noch dazu geopolitisch schwierigen Region zu haben?
Deshalb kann ich nur sagen: Geben Sie sich alle einen
Ruck, und sagen Sie zu diesem – wenn auch sehr
schwierigen – Paket Ja!
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11465
Dr. Anton Hofreiter
(C)
(B)
Frau Merkel, merken Sie eigentlich nicht, dass Sie
mit Ihren pragmatischen Trippelschritten, mit diesem
pragmatischen Vor-sich-hin-Wurschteln, das Sie seit
fünf Jahren praktizieren, am Ende nicht weiterkommen?
Ich meine, es klingt im ersten Moment immer gut: Ich
fahre auf Sicht. Die Zukunft ist im Dunkeln.
dass Sie da einmal etwas leisten und damit klar sagen, in
welche Richtung es gehen soll.
Das braucht Europa auch bei weiteren Fragen. Diese
Euro-Krise ist ja nicht einmal das schwierigste Problem,
das wir im Moment in Europa haben. Schauen Sie sich
die Flüchtlingstragödien an, die sich im Moment im Mit-
telmeer, im Nahen Osten, auf den griechischen Inseln er-
eignen! Schauen Sie sich an, wie armselig Europa da
agiert, wie armselig die nationalen Regierungen agieren!
Man kann sich noch nicht einmal über die Verteilung
von einigen Zehntausend Flüchtlingen einigen. Das zeigt
doch, wie notwendig wir einen deutlicheren Zusammen-
halt in der Europäischen Union brauchen, wie sehr wir
eine Vision für Europa brauchen.
Natürlich sehen wir, dass in diesem Paket auch eine
ganze Reihe von Defiziten drinsteckt; denn in diesem
Paket gibt es automatische Ausgabenkürzungen, die am
Ende prozyklisch sind und damit de facto die Krise ver-
längern und nicht aus der Krise herausführen. Natürlich
ist in diesem Paket wieder keine vernünftige Schulden-
erleichterung drin. Dabei wissen doch am Ende alle:
Griechenland wird nicht in der Lage sein, die hohe
Schuldenlast entsprechend zurückzuzahlen. Aber Sie
sind schlichtweg zu feige, diese Wahrheit gegenüber der
deutschen Bevölkerung und hier gegenüber dem Deut-
schen Bundestag zu äußern.
In diesem ganzen Paket stecken natürlich auch noch
Unmengen Wunschdenken drin. Herr Schäuble, Sie ha-
ben wieder von diesen wunderbaren Privatisierungserlö-
sen gesprochen: 50 Milliarden Euro Privatisierungser-
löse. Jetzt mal ehrlich: Sie können doch einigermaßen
mit Zahlen umgehen.
Sie wissen doch selber, dass es diese 50 Milliarden Euro
nie geben wird. Es ist doch reines Wunschdenken, was
Sie hier verbreiten. Seien Sie doch einfach einmal ehrli-
cher!
Seien Sie ehrlich, was den IWF angeht! Der IWF hat
in dem Punkt recht: Wir brauchen eine Schuldenerleich-
terung. Seien Sie entsprechend ehrlich: Es wird diese
50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen niemals
geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion
wird trotz der demokratischen, sozialen und ökonomi-
schen Schwierigkeiten und Irrtümer, die in diesem Paket
stecken, mehrheitlich zustimmen. Aber: Diese Zustim-
mung ist ein Ja zu Europa, ein Ja zu einem europäischen
Kompromiss und kein Ja zu dieser Bundesregierung, die
in den Verhandlungen zum Teil populistisch, zum Teil
uneuropäisch und zum Teil unverantwortlich gehandelt
hat. Wir stimmen zu, weil wir wissen: Wenn das Geld an
Griechenland nicht fließt, dann wird Griechenland aus
dem Euro brechen.
Auch die Linksfraktion muss sich mal fragen, was das
bedeutet. Ja, wir wissen, dass die Lage in Griechenland
für viele Menschen schwierig ist und das Paket die Pro-
bleme am Ende nicht lösen wird. Aber die Alternative ist
einfach schlichtweg noch schlimmer;
die Verheerungen für die griechische Wirtschaft und für
die Menschen in Griechenland wären noch schlimmer.
Deshalb: Geben Sie sich einen Ruck, und üben Sie Soli-
darität mit Griechenland und mit den Menschen in Grie-
chenland!
Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun Volker Kauder
das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen! Wenn wir uns an die letzte Sondersit-
zung und daran, worüber wir da diskutiert haben, um den
11466 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Volker Kauder
(C)
(B)
Weg für Verhandlungen frei zu machen, erinnern, dann
stellen wir fest, dass doch bei vielen eine gewisse Un-
sicherheit herrschte, ob dies tatsächlich zu einem guten
Ergebnis führt. Zu viel ist in den Wochen davor an Dis-
kussionen und an Hin und Her der griechischen Regie-
rung geschehen. Man hat deshalb durchaus Verständnis
haben können, wenn einige gesagt haben: Dies kann gar
nicht zu einem guten Ergebnis führen. – Wenn wir jetzt
aber das Ergebnis anschauen, dann zeigt sich rückbli-
ckend, dass es richtig war, noch einmal den Versuch zu
machen, diese griechische Regierung auf einen richtigen
Weg zu führen.
Wenn man das Ergebnis anschaut, bleiben natürlich
auch Fragen. Wolfgang Schäuble hat darauf hinge-
wiesen, dass die allermeisten Fragen, über die wir zu
entscheiden haben – übrigens nicht nur im politischen
Bereich, sondern auch in anderen Bereichen –, Abwä-
gungsfragen sind, wo es Gründe dafür und Gründe dage-
gen gibt und wo es nicht hundert zu null steht. In diese
Abwägung müssen die folgenden Fragen einbezogen
werden: Welche Konsequenzen hat ein Verhalten, also
ob ich so oder anders entscheide? Welche Möglichkeiten
bietet eine Entscheidung, dem anderen doch noch einmal
zu helfen, über die Hürde zu kommen, die notwendig
ist? Vielleicht bietet eine solche Abwägung auch die
Möglichkeit, Dinge einzubeziehen, die nicht unmittelbar
etwas mit dem Gegenstand zu tun haben, um den es jetzt
geht.
Natürlich stimme ich zu, dass alle den Erfolg Europas
wollen und dass auch diejenigen, die sagen: „Wir kön-
nen diesen Weg jetzt nicht mitgehen“, der Meinung sind,
dass dies dazu dient, dass Europa vorankommt. Aber zur
gleichen Zeit gilt auch, dass wir hier im deutschen Parla-
ment nicht allein im luftleeren Raum entscheiden, son-
dern dass wir in Europa in einer Gemeinschaft sind, wo
die Deutschen zwar ein bedeutendes Wort zu sagen ha-
ben, aber nicht allein sind. Hier gilt es abzuwägen, ob
das, was wir erreicht haben, so weit trägt, dass wir sagen
können: Jawohl, wir gehen diesen Weg mit.
Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass
beim letzten Mal die Finanzminister in der Euro-Gruppe
zu einem großen Teil anderer Meinung waren. Dieses
Mal aber war die Meinung dahin gehend einheitlich,
dass jetzt etwas erreicht worden ist, was tragfähig sein
könnte. Deshalb kommt es auch darauf an, in diesem Eu-
ropa zusammenzubleiben. Deswegen glaube ich, dass es
viele gute Gründe gibt, diesem Antrag, den Wolfgang
Schäuble erläutert hat, jetzt zuzustimmen.
Es gibt sicher aber auch andere Gründe, zuzustim-
men, etwa weil in diesem Europa Aufgaben vor uns lie-
gen, die sich vielleicht als schwerer herausstellen könn-
ten als die Aufgaben, die wir im Augenblick schon als
schwer wahrnehmen. Wir sehen, dass Europa mit dieser
gemeinsamen Entscheidung für Griechenland einen rich-
tigen Weg beschritten hat, nämlich zusammenzubleiben
und eine Lösung zu finden. Für die Menschen – das sage
ich aufgrund meiner vielen Begegnungen und Erfahrun-
gen aus meinem eigenen Wahlkreis – ist Griechenland
ein Thema. Aber es wird nicht am Thema Griechenland,
das für viele abstrakt ist, beurteilt werden, ob wir wirk-
lich die Kraft haben, ein Problem anzupacken und zu lö-
sen, sondern am Thema Flüchtlinge und Asyl, das den
Menschen persönlich immer näher kommt. Hier wird es
darauf ankommen, dass wir nicht nur in Deutschland,
sondern in Europa eine Lösung finden. Ich finde, Europa
muss noch einmal einen energischen Schritt machen. Es
kann nicht heißen: Jetzt haben wir uns mit Griechenland
beschäftigt und sind froh, dass wir jetzt eine Lösung auf
den Tisch gelegt haben, und jetzt ist erst einmal Atem-
pause. – Es muss heißen: Die Gemeinsamkeiten, die wir
für Griechenland gefunden haben, sind erst der Anfang,
um auch Gemeinsamkeiten bei diesem zentralen und
wichtigen Thema des Umgangs mit Flüchtlingen zu fin-
den.
Es wird immer wieder in die Diskussion hineinge-
bracht, dass die Deutschen in Bezug auf Griechenland
besondere Forderungen haben und besonders streng
sind. Herr Hofreiter, Sie haben vorhin gesagt, man wäre
so streng gewesen.
– Ja, aber ich sage Ihnen einmal: Ich bin felsenfest davon
überzeugt, wenn die deutsche Bundesregierung in ihrer
Verhandlungsführung nicht so streng gewesen wäre, hät-
ten wir dieses Ergebnis heute nicht erzielt. Deswegen
war dieser Weg notwendig.
Auf der anderen Seite müssen wir sagen: Wir haben
einen guten Kompromiss gefunden. Jetzt müssen wir in
Europa verlangen, dass wir auch in den Asyl- und
Flüchtlingsfragen zu einem Ergebnis kommen. Wenn
schon international festgestellt wird, dass Deutschland
viele Flüchtlinge aufnimmt, während andere Länder in
Europa dies nicht tun, dann ist das doch eine Herausfor-
derung. Hier muss ich sagen: Europa wird seine Stärke
nicht nur dadurch zeigen, dass wir jetzt in der Euro-Zone
zusammenbleiben. Die Menschen werden die Stärke Eu-
ropas suchen, wenn es darum geht, Möglichkeiten zu
finden, die Probleme beim Thema Flüchtlinge und Asyl
zu lösen, und nicht bei einem anderen Thema.
Hierzu kann ich nur aus leidvoller Erfahrung sagen
– es gibt einige Kollegen, die dies miterlebt haben –: Als
1991/92 die Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewer-
bern enorm gestiegen sind, haben wir uns eine partei-
politische Diskussion geleistet, die zu verheerenden Er-
gebnissen geführt hat. Erst nachdem wir uns diese
Diskussionen geleistet haben, sind wir in die Lage ge-
kommen, miteinander einen guten Kompromiss zu fin-
den.
Deswegen sage ich auch im Hinblick auf die eine oder
andere aktuelle Äußerung: Ich rate allen dringend dazu,
das Thema Flüchtlinge und Asyl nicht zu einem partei-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11467
Volker Kauder
(C)
(B)
politischen Kampffeld zu machen, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Dazu ermahne ich alle.
– Es würde mich schon enttäuschen, wenn dieser Appell
so endete wie jetzt bei Ihnen, Frau Kollegin. Ich habe
doch gerade darauf hingewiesen, dass wir versuchen
müssen und sollen, gemeinsame Lösungen zu finden.
Das ist nicht nur ein Thema der Bundesregierung, das ist
nicht nur ein Thema des Deutschen Bundestages, son-
dern das ist auch ein Thema des Bundesrates und der
Bundesländer. Das ist ein Thema, das uns alle bewegt.
Deswegen setze ich schon darauf – dafür wäre ich sehr
dankbar –, dass wir hier, in dieser Demokratie, bei einer
Herausforderung, die nicht nur CDU/CSU, SPD und an-
dere betrifft, sondern alle betrifft, die Regierungsverant-
wortung in diesem Land haben, zu gemeinsamen Lösun-
gen und Beschlüssen kommen und damit Europa zeigen:
So wie wir handlungsfähig sind, so muss auch Europa
handlungsfähig werden.
Wir haben jetzt beim Thema Griechenland schwierige
Diskussionen auch gerade in meiner Fraktion. Aber ich
sage Ihnen: Letztlich werden wir daran gemessen, ob wir
das Thema Asyl und Flüchtlinge sachgerecht lösen.
Herzlichen Dank.
Carsten Schneider ist der nächste Redner für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte doch noch mal zu dem Thema kommen, über das
wir heute abstimmen werden – nämlich die Frage der
Finanzhilfen für Griechenland in den nächsten drei Jah-
ren –, und zu den Konsequenzen, die sich mit dieser Ab-
stimmung verbinden.
Vor vier Wochen hat der Bundestag der Regierung,
dem Finanzminister einen Verhandlungsauftrag erteilt.
Damals gab es ein sehr uneinheitliches Bild auch im
Bundestag selbst: Ablehnung bei der Linksfraktion, bei
den Grünen war es gemischt – da war alles dabei –, die
Union unsicher. Es ist aber eine der ganz zentralen Fra-
gen in dieser Legislaturperiode, wie unsere Währung,
wie Europa zusammengehalten wird. Ich glaube, dass
das, was wir jetzt als Ergebnis vorliegen haben, viel bes-
ser ist als das, was der Verhandlungsauftrag und die Ver-
abredung der Staats- und Regierungschefs vom Juli vor-
sahen.
Warum ist das so? Was wären die Konsequenzen,
wenn wir hier Nein sagen würden?
Erstens. Die Griechen haben nach einem halben Jahr
der Turbulenzen und des Selbstfindungsprozesses der
Regierung jetzt sehr eindeutig die Kurve gekriegt. Der
Ministerpräsident kämpft um Reformen in seinem Land.
Er hat begriffen, dass sich Griechenland nur selbst hel-
fen kann. Insofern ist es absolut zu begrüßen, dass die
Griechen sowohl die Bekämpfung von Korruption und
Steuerhinterziehung als auch die Wiederbelebung des
wirtschaftlichen Wachstums angehen, indem Struktur-
reformen in diesem Land durchgeführt werden, die dazu
führen, dass es zu mehr wirtschaftlicher Beteiligung in
Freiheit kommt. Das soll endlich gelingen. Das unter-
stützen wir, und das haben wir Sozialdemokraten auch
immer gefordert.
Das Zweite ist: Wir haben eine längere Perspektive.
Wissen Sie, das ist jetzt das dritte Programm. Wir haben
viele Debatten über die Programme geführt, und ich
habe oft im Bundestag gesagt – auch entgegen dem, was
Teile der damaligen schwarz-gelben Regierung gesagt
haben: „Wir geben kein Geld, das kostet alles nichts, es
ist nur ein Paket und dann nie wieder“ –: Es kann durch-
aus sein, dass wir auch über ein drittes Programm reden
müssen; man muss dem klar ins Auge sehen.
Jetzt zitiere ich einmal eine Zeitung, die der SPD
nicht unbedingt nahe steht, Die Welt vom 18. August, die
titelt: „Wie die drei Affen – und das jahrelang“, also:
nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. – Und weiter:
„Unionspolitiker wollten nie über ein drittes Hilfspaket
und einen Schuldenerlass für Athen reden. Nun kommt
wohl beides.“
Ich will nicht ausschließen, dass beides kommt, ins-
besondere was den Schuldenerlass betrifft. Es hängt
auch sehr stark vom Wachstum in Griechenland ab, ob
das notwendig ist. Aber klar ist, dass man mit einer kla-
ren Haltung, mit Überzeugung herangehen muss, auch
mit der Konsequenz, innenpolitisch unangenehme Dinge
zu sagen, also der Bevölkerung zu sagen: Es ist wichtig,
dass wir den Euro – in allen Ländern – behalten. Es ist
unsere Währung, es ist unser Geld. – Damit spielt man
nicht, und schon gar nicht, um innenpolitisch kurzfristig
Erfolg zu erzielen.
Das hat die SPD auch nie getan, sondern wir haben uns
sehr stark – selbst in der Opposition – dafür eingesetzt,
dieses übergreifende europäische Projekt zu vollenden.
Ich will nun aufgreifen, was der Bundesfinanzminis-
ter zu Beginn gesagt hat. Er hat von einer unfertigen
Währungsunion gesprochen. Das stimmt, sie ist unfertig,
weil wir noch in ganz vielen Bereichen Autonomie ha-
ben, insbesondere was die Steuer- und Haushaltspolitik
betrifft. Die Frage, die sich damit für die Zukunft stellt,
lautet: Wie geht es weiter? Gehen wir zurück zu einem
11468 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Carsten Schneider
(C)
(B)
Nationalstaat, oder gehen wir in Richtung eines starken
und gerechten Europas, insbesondere auch bei der Frage
der Besteuerung von Konzernen?
Wir Sozialdemokraten sind ganz klar auf dem Weg,
zu sagen: Wir wollen ein starkes Europa, das diese
Aufgaben, die Herr Kauder hier eben auch zu Recht be-
schrieben hat, bewältigen kann. Das geht nur gemein-
sam, und deswegen ist es richtig, dass wir als Sozialde-
mokraten heute – und deswegen werbe ich auch dafür –
dem Antrag der griechischen Regierung sehr geschlos-
sen stattgeben und ihr helfen wollen, ihr Land in den
nächsten drei Jahren wieder auf Vordermann zu bringen.
Es ist gut, dass der Grexit vom Tisch ist. Es ist gut,
dass den Griechen – entgegen dem ursprünglichen Pro-
gramm – auch noch geholfen wird, indem nämlich in
den nächsten ein, zwei Jahren nicht so viel gespart wer-
den muss – das ist der sogenannte Primärüberschuss –,
sondern es einen langsameren Pfad gibt, auf dem der
Überschuss erbracht werden muss.
Ich habe mich, Herr Gysi, doch einigermaßen über
Ihre Rede gewundert, in der Sie – wie Herr Kauder – ja
auch andere Themen angesprochen haben, aber nicht
das, worüber wirklich zu reden gewesen wäre.
Ich komme noch einmal zu dem Griechenland-Punkt
zurück: Im Februar haben weite Teile Ihrer Fraktion
– das fand ich bemerkenswert – gesagt: Wir stimmen der
Verlängerung des zweiten Hilfspakets zu.
Jetzt lehnen Sie den Antrag der Syriza-Regierung ab,
in dem wir sogar eine Drei-Jahres-Perspektive haben.
Ich will nur einen Punkt herausgreifen: Sie haben ge-
sagt, die Mehrwertsteuererhöhung und -vereinheitli-
chung für die Hotels auf den Inseln wäre wirtschaftspoli-
tisch unsinnig.
Lieber Kollege Schneider, darf der Kollege Ernst eine
Zwischenfrage stellen?
Gleich. Ich will nur den Punkt zu Ende bringen.
Sie haben gesagt, dass das wirtschaftspolitisch unsin-
nig sei. Sehen Sie, in dem MoU stehen viele Sachen, was
das Land wirtschaftspolitisch machen muss. Das sind
viele kluge Dinge,
beispielsweise die Liberalisierung von angestammten
Berufen wie Notaren oder mehr Wettbewerb herzustel-
len. Hier denke ich an die Mövenpick-Steuer, die Hotel-
steuer, die die schwarz-gelbe Regierung damals zur Be-
günstigung der Hotels in Deutschland eingeführt hat.
Damals haben Sie dagegengestimmt. Da waren Sie wie
wir der Auffassung: Es ist unsinnig, das so zu machen. –
Jetzt soll in Griechenland die Steuer erhöht werden, und
Sie sagen, das sei unsinnig.
Das ist keine Logik, das ist auch keine Dialektik – viel-
leicht verstehe ich Sie auch nicht –, es ist jedenfalls un-
sinnig.
Herr Kollege Ernst, noch ein Wort zu den Zinsen: Se-
hen Sie, Herr Gysi hat gesagt, die unabhängige EZB
habe jetzt auf Druck Deutschlands dafür gesorgt, dass
die Zinsen für die Staatsanleihen Deutschlands gesunken
sind, teilweise auf null. Das ist ganz großer Blödsinn.
Denn erstens ist die EZB unabhängig; es gibt keinen
Druck auf sie. Im Gegenteil:
Es ist eher andersherum.
Zum Zweiten. Die Staatsanleihen Deutschlands wer-
den am Markt gehandelt. Das sind insgesamt fast 2 Bil-
lionen Euro. Die werden pro Jahr sechsmal umgeschla-
gen; da geht es um circa 10 Billionen Euro. 80 Prozent
der Investoren sind Ausländer. Die Preise werden am
Markt festgestellt. Ich bin froh, dass wir nicht so viel
Zinsen zahlen müssen wie geplant, dass wir diese
100 Milliarden Euro sparen, sie vielmehr investieren
können und keine Schulden dafür machen müssen. Da-
rüber bin ich froh und nicht wie Sie der Auffassung, wie
Sie es hier gesagt haben, dass wir beim deutschen Sparer
sparen. Das ist doch absoluter Blödsinn.
Wenn überhaupt, dann muss die Zwischenfrage jetzt
gestellt werden, oder die Redezeit ist vorbei. – Bitte
schön, Herr Kollege Ernst.
Danke schön. – Sie haben es so dargestellt, als wür-
den wir den Antrag von Syriza ablehnen. Ich weiß nicht,
ob Ihnen entgangen ist, dass hier der Antrag der Regie-
rung zur Abstimmung steht und nicht der Antrag von
Syriza. – Das ist insofern interessant, als Sie daran den
Unterschied zwischen unserer und Ihrer Politik erkennen
können.
Wir stimmen hier nicht darüber ab – wie der Kollege
Oppermann behauptet hat –, ob wir die „linksradikale
Position“ von Syriza unterstützen – die steht überhaupt
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11469
Klaus Ernst
(C)
(B)
nicht zur Debatte –, sondern wir stimmen über den Weg
ab, den die Bundesregierung also auch mit Unterstüt-
zung der Sozialdemokraten vorschlägt, der dazu beiträgt,
dass das Wachstum in Griechenland weiter geschwächt
wird, der im Ergebnis dazu führt, dass die Steuereinnah-
men in Griechenland weiter sinken werden, was im Er-
gebnis dann wiederum dazu führen wird, dass Griechen-
land nicht in die Lage versetzt wird, seine Schulden
zurückzuzahlen. Darüber stimmen wir ab.
Ich bitte Sie einfach, zur Kenntnis zu nehmen, dass
wir hier in Deutschland nur über Dinge abzustimmen ha-
ben, die wir beeinflussen können. Wir haben die Regie-
rung hier zu kontrollieren und nicht die griechische. Die
Regierung in Deutschland trägt maßgeblich dazu bei, die
Erpressung der griechischen Regierung fortzusetzen, sie
trägt dazu bei, die Austeritätspolitik, die übrigens von
der Sozialdemokratie oft kritisiert wurde, fortzusetzen.
Solch einer Politik können wir nicht zustimmen, obwohl
wir Syriza unterstützen. Das möchte ich in aller Deut-
lichkeit sagen.
Herr Kollege Ernst, zunächst einmal vielen Dank,
dass ich ein paar Bemerkungen zu den Positionen der
Linkspartei machen kann.
Zu Griechenland. Es gab Wachstum in Griechenland;
Finanzminister Schäuble hat zu Recht darauf hingewie-
sen. Für 2015 wurden fast 3 Prozent Wachstum erwartet.
Nachdem dann die Regierung von Herrn Tsipras gewählt
wurde, ist es zurückgegangen.
Es ist auch eindeutig, warum es zurückgegangen ist:
Diese Regierung wusste nicht, ob sie im Euro bleiben
will oder nicht. Sie wollte uns erpressen. Das war die Si-
tuation. Das hat zu großer Verunsicherung geführt. Die
Wahlversprechen, die Syriza gemacht hat – Grundsteuer
soll es nicht mehr geben etc. –, die Sie in Teilen auch
machen, konnten alle nicht eingehalten werden.
Trotzdem haben die Griechen gesagt: Die haben es ver-
sprochen, deswegen zahlen wir jetzt alle keine Grund-
steuer mehr. – Deswegen sind die Steuereinnahmen zu-
rückgegangen. Niemand hat mehr investiert, weil keiner
wusste, ob der Euro bleibt oder nicht.
Die Griechen selbst haben darüber abgestimmt, ob sie
dieser Regierung vertrauen, indem sie ihr Geld von den
Konten geholt haben. Das war eine Abstimmung mit den
Füßen.
Diese Unsicherheit, die ein halbes Jahr gedauert hat,
hat Griechenland extrem viel Zeit und wahrscheinlich
wirtschaftliche und soziale Substanz gekostet. Das war
ein großer Fehler.
Ich stelle fest: Im Februar waren Sie noch für die Ver-
längerung des zweiten Hilfsprogramms.
Das war noch härter als das, über das wir jetzt abstim-
men. Die Primärüberschüsse, die man durch das vorhe-
rige Programm erzielen wollte, lagen bei 3,5 oder
4,5 Prozent. Jetzt reden wir über einen geringeren Pri-
märüberschuss im Jahr 2015 von minus 0,25 Prozent.
Minus! In 2016 beträgt er nicht einmal 1 Prozent. Das
heißt: Griechenland muss weniger sparen als ursprüng-
lich geplant, und dem haben Sie zugestimmt. Ich stelle
fest: Der linksradikale Flügel der Linkspartei und Frau
Wagenknecht haben sich durchgesetzt, nicht der realisti-
sche Flügel, den Sie in Teilen vertreten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der
wichtigen Entscheidung, vor der wir heute stehen, sage
ich: Die Sozialdemokratie wird dem Hilfspaket zustim-
men. Wir werden nachhalten, dass die Reformen in Grie-
chenland auch umgesetzt werden. Ich glaube auch, dass
wir noch mehr für Wachstum in Griechenland tun müs-
sen. Mit einem klaren Kurs und einer klaren Haltung
sind wir für die Zukunft gut gewappnet. Deutschland ist
in den Händen einer Regierung, an der wir Sozialdemo-
kraten beteiligt sind – das zeigt gerade die heutige De-
batte –, gut aufgehoben.
Das Wort erhält nun die Kollegin Gesine Lötzsch für
die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Es ist hier häufig das Wort „Solidarität“ gebraucht
worden. Uns als Linken ist vorgeworfen worden, wir
wären nicht solidarisch mit Griechenland.
Ich werde Ihnen einmal sagen, was wirkliche Solidarität
mit Griechenland bedeuten würde, nämlich eine echte
Schuldenerleichterung; wenn Sie schon das Wort
„Schuldenschnitt“ nicht über die Lippen bekommen.
Das würde echte Solidarität bedeuten.
Solidarität mit Griechenland bedeutet, echte Investi-
tionen zu ermöglichen, zum Beispiel aus unseren im-
mensen Zinsgewinnen. Das wäre Solidarität.
11470 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Dr. Gesine Lötzsch
(C)
(B)
Solidarität hieße: Respekt vor den demokratischen Insti-
tutionen in Griechenland statt Erpressung und Entmün-
digung. Das ist Solidarität.
Man muss dieser Regierung auch einmal Zeit zum
Arbeiten geben. Sie ist seit sechs Monaten im Amt. Am
Sonntag war die Wahl, am Montag haben sie angefan-
gen, zu regieren. Gucken Sie sich einmal an, wie das in
Deutschland ist: Da fängt eine Regierung nach sechs
Monaten im besten Fall an, zu arbeiten. Ich finde, das
muss man anerkennen. Man muss ihnen die Gelegenheit
geben, ihre Programme durchzusetzen. Man sollte nicht
so tun, als müsse man Syriza und Herrn Tsipras überre-
den, die Reichen im Land zu besteuern. Das war ein zen-
traler Punkt seines Wahlprogramms. Alles andere, was
hier behauptet wird, ist eine Diffamierung dieser Partei
und dieser Regierung, und das lassen wir nicht zu.
Ich sage Ihnen: Solidarität bedeutet nicht, Griechen-
land ein Programm aufzuzwingen, das wirtschaftlich fa-
tal ist, das Sozialabbau und Privatisierungen erzwingt.
Das ist keine Solidarität, sondern das Gegenteil von eu-
ropäischer Solidarität.
Bereits mit dem ersten und dem zweiten sogenannten
Hilfspaket hat die Bundesregierung Griechenland an den
wirtschaftlichen Abgrund geführt. Die Zahlen sprechen
eine klare Sprache – ich nenne Ihnen nur zwei –: Die
Kindersterblichkeit in diesem europäischen Land ist um
43 Prozent gestiegen, und über 3 Millionen Menschen
haben keine Krankenversicherung. In Griechenland
herrscht ein humanitärer Notstand. Dieses Land braucht
wirkliche Hilfe und keine Kürzungsdiktate.
Wir hier in Deutschland haben es 2008 doch ganz an-
ders gemacht; das wissen auch Herr Schäuble und Frau
Merkel. Wir haben in der Finanzkrise 2008/2009 eine
völlig entgegengesetzte Entscheidung getroffen. Auf
Vorschlag der Linken – ursprünglich kam er von der Lin-
ken, wurde dann aber von anderen übernommen – wurde
in Deutschland ein großes Investitionsprogramm gestar-
tet. Hinzu kamen die Verlängerung der Bezugsdauer des
Kurzarbeitergeldes und die Einführung der Abwrackprä-
mie.
Ich frage Sie alle: Warum haben die Kanzlerin und
der Finanzminister Griechenland eine Medizin ver-
schrieben, die sie für Deutschland nie akzeptiert hätten?
Nach dem Misserfolg der ersten beiden Programme hätte
sich die Bundesregierung doch sagen müssen: Stopp, das
läuft falsch; hier müssen wir etwas tun. Wenn eine Medi-
zin bei einer Krankheit nicht wirkt, dann ist es doch ab-
solut absurd, zu sagen, dass diese Krankheit dadurch be-
kämpft wird, dass diese Medizin in fünffacher Dosis
verschrieben wird. Nein, wir sagen: Diese falsche Medi-
zin muss endlich abgesetzt werden.
Ich sage Ihnen noch ein Wort zu unseren Zinsgewin-
nen: Diese Zinsgewinne haben dazu beigetragen, dass
wir hier in Deutschland etwas erreichen konnten, womit
sich der Finanzminister gerne schmückt, nämlich die be-
rühmte schwarze Null. Dass diese schwarze Null zu ei-
nem großen Teil aus Zinseinsparungen infolge der
Schuldenkrise resultiert, haben nicht wir ausgerechnet,
sondern das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Halle berechnet, gewiss keine Vorfeldorganisation der
Linken.
Wir haben von der Griechenland-Krise bisher profi-
tiert. Das ist das Gegenteil von Solidarität. Ich finde,
wahre Solidarität besteht darin, Programme aufzulegen,
die erstens die europäische Idee und den europäischen
Zusammenhalt stärken und zweitens dafür sorgen, dass
in Griechenland die Wirtschaft wieder auf die Beine
kommt. Das, was jetzt beschlossen wurde, ist eine große
Hilfe für die Banken, die mit Steuergeldern gerettet wur-
den, und auch eine Hilfe für die herrschende Politik hier
in Deutschland. Jeder muss wissen, worüber wir abstim-
men. Wir stimmen nicht über Hilfen für Griechenland
ab, sondern über ein böses Spiel mit den Menschen in
Griechenland, und dagegen wird die Linke immer kämp-
fen.
Gerda Hasselfeldt ist die nächste Rednerin für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
will nur einige wenige Bemerkungen in die Debatte ein-
werfen.
Erstens. Die griechische Regierung und das griechi-
sche Parlament haben inzwischen offensichtlich den
Ernst der Lage erkannt. Sie sind zu Reformen bereit, ja,
sie haben mittlerweile sogar im Vorgriff auf das Ver-
handlungsergebnis eine ganze Reihe von Gesetzen be-
schlossen. Das alles zeigt: Athen hat begriffen, worum
es geht. In Athen wird verstanden, dass es keinen
schmerzfreien Weg aus dieser Schuldenkrise in Grie-
chenland gibt. Ich finde, es ist an der Zeit, dass auch die
Linke bei uns im Parlament dies endlich begreift.
Zweite Bemerkung. Es bleibt bei dem wichtigen
Grundsatz: Europäische Solidarität kann es nur in Ver-
bindung mit den notwendigen nationalen Reformen ge-
ben, meine Damen und Herren.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11471
Gerda Hasselfeldt
(C)
(B)
Das darf nicht nur auf dem Papier stehen; denn dafür
gibt es gute Gründe:
Erstens wird das Programm keinen Erfolg haben,
wenn nicht auch zügige Reformen durchgeführt werden,
Reformen, die dazu geeignet sind, die Wettbewerbsfä-
higkeit der Wirtschaft wiederherzustellen, die aber auch
dazu geeignet sind, den Staat wieder in Ordnung zu brin-
gen und effizient zu gestalten.
Zweitens ist Europa keine Schuldenunion.
Solidarität bedeutet nicht Übernahme der Schulden und
Vergemeinschaftung der Schulden.
Nicht zuletzt deshalb haben wir uns in unserer Fraktion
seit Jahren immer wieder erfolgreich dagegen gewehrt
– das haben wir auch europäisch durchgesetzt –, dass es
Euro-Bonds und eine Vergemeinschaftung der Schulden
gibt. Jedes Land muss seine Hausaufgaben selbst ma-
chen. Es erfährt vorübergehende Hilfe von uns, aber die
Hausaufgaben müssen selbst gemacht werden. Deshalb
kann es keinen Verzicht auf die notwendigen Reformen
geben.
Drittens. Die Ergebnisse in Spanien, in Portugal, in
Irland zeigen doch, dass dieser Weg – Solidarität in Ver-
bindung mit den notwendigen nationalen Reformen –
richtig und erfolgreich war. Auch die harte Haltung in
Griechenland zeigt, dass dies notwendig ist. Wir haben
ja in Griechenland erlebt, dass dann, wenn der Reform-
druck weg ist, wenn frühere Reformen zurückgenom-
men werden, die wirtschaftliche Entwicklung und die
Stabilität des Landes nachlassen und die Probleme für
die Menschen größer werden. Nur durch den Druck, der
in den letzten Monaten erzeugt wurde, hat sich auch in
Griechenland etwas bewegt. Auszahlungen sind nicht er-
folgt, weil Verabredungen nicht eingehalten wurden. Eu-
ropa hat sich nicht erpressen lassen. Wir haben der grie-
chischen Regierung damals nicht nachgegeben. Nur
deshalb war es auch möglich, dass in der griechischen
Regierung und im griechischen Parlament das notwen-
dige Umdenken eingesetzt hat, das die Grundlage für
dieses Programm ist.
Das trägt eindeutig die deutsche Handschrift. Unser
Bundesfinanzminister und unsere Bundeskanzlerin ha-
ben hieran maßgeblich mitgewirkt. Sie haben sich des-
halb – ich sage das mit voller Überzeugung – um die Sta-
bilität unserer gemeinsamen Währung, um dieses
gemeinsame europäische Haus große Verdienste erwor-
ben.
Eine weitere Bemerkung, meine Damen und Herren.
Dieses Programm ist geprägt von strengeren Auflagen,
von strengeren, intensiveren, engmaschigeren Kontrol-
len. Es wurde in verschiedenen Debattenbeiträgen schon
darauf hingewiesen; deshalb brauche ich das nicht zu
wiederholen. Ich sage nur: Das war und ist auch notwen-
dig, und zwar deshalb, weil durch die verlorenen sechs
Monate in diesem Jahr, durch das bisherige Versäumen
von Reformen durch die griechische Regierung die
Situation nicht besser, sondern schlechter geworden ist.
Es ist auch notwendig, strengere, engmaschigere Kon-
trollen zu machen, weil das Vertrauen in den letzten Mo-
naten durchaus gestört wurde; da brauchen wir uns
nichts vorzumachen. Dieses Vertrauen, das zerstört
wurde, muss jetzt wieder aufgebaut werden. Das ist Sa-
che der griechischen Regierung, und ich hoffe sehr, dass
wir da nicht enttäuscht werden.
Eine vierte Bemerkung will ich machen. Sie betrifft
die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds. Wir
sind fest davon überzeugt, dass der IWF auch künftig
mit an Bord sein muss. Der Internationale Währungs-
fonds hat große, jahrzehntelange Erfahrung in der Be-
wältigung von Staatsschuldenkrisen.
Der Internationale Währungsfonds hat eigene Regeln, er
hat einen unabhängigeren Blick als die europäischen Be-
teiligten.
Aus all diesen Gründen ist die Beteiligung des Interna-
tionalen Währungsfonds auch künftig notwendig.
Der Bundesfinanzminister hat vorhin auf die verfahrens-
mäßigen und rechtlichen Probleme hingewiesen. Der
IWF war an allen Verhandlungen beteiligt, und er hat das
Verhandlungsergebnis auch begrüßt. Das ist eine ganz
wesentliche Grundlage für alles, was weiterhin kommt.
Wir werden das, was Griechenland zu erledigen hat,
bei der ersten Überprüfung im Herbst gemeinsam mit
dem Internationalen Währungsfonds sehr genau über-
prüfen und bei dieser Gelegenheit auch über mögliche
Schuldenerleichterungen sprechen. Man kann über Fris-
ten, über Laufzeiten sicherlich reden; aber ein nominaler
Schuldenschnitt verbietet sich nicht nur rechtlich, son-
dern ist auch politisch nicht geboten. Wir wollen und wir
brauchen keine Schuldenunion in Europa.
Nun bleibt – das ist meine letzte Bemerkung – die
Frage: Behindert dieses Programm eventuell Investitio-
nen und Wachstum? Trägt es dazu bei oder nicht? Ich
will zunächst einmal feststellen: Ein solches europäi-
sches Rettungsprogramm – das gilt nicht nur für dieses
hier – ist kein Investitionsprogramm, sondern ein Pro-
gramm, das dazu dient, dass sich das jeweilige Land
11472 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Gerda Hasselfeldt
(C)
(B)
wieder am Kapitalmarkt finanzieren kann. Der Zugang
zu den Kapitalmärkten ist das Ziel dieses Programms,
und dazu wird befristete Hilfestellung geleistet.
Nun frage ich Sie: Wer wird denn in einem Land in-
vestieren, in dem der Staat nicht funktioniert, in dem die
rechtsstaatlichen Fundamente nicht vorhanden sind, in
einem Land, das verschuldet ist? Ich sage Ihnen: Nie-
mand!
Das hat auch die Situation in Griechenland in den
letzten sechs Monaten gezeigt. Die Grundvoraussetzung
für Investitionen sind doch nicht irgendwelche Pro-
gramme, sondern die Grundvoraussetzung für Investitio-
nen ist, dass der Staat funktioniert, dass er verlässlich ist,
dass es einen verlässlichen, funktionierenden Staatsauf-
bau und ein Staatswesen gibt, durch das sich auch wett-
bewerbsfähige Wirtschaft entfalten kann.
Genau da setzt dieses Programm mit an, nämlich
durch Auflagen hinsichtlich verschiedener Reformen im
Arbeitsmarktbereich, im Steuerbereich, im Verwaltungs-
bereich, im Rentenbereich und in vielen Bereichen mehr.
Das – und nicht allein irgendein Programm – ist der
Schlüssel zu Investitionen. Die Strukturen müssen wie-
der so gesetzt werden, dass sich Investitionstätigkeit ab-
spielt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand hier im
Haus macht sich die Entscheidung leicht. Wir haben ja
nicht nur gestern und heute gerungen, sondern wir disku-
tieren seit langem immer wieder über die Frage: Wie
können wir die Probleme in Griechenland gemeinsam
lösen?
Für mich gilt:
Erstens. Das Prinzip Solidarität und Eigenverantwor-
tung ist in diesem Programm nicht nur gewahrt, sondern
besonders stark ausgeprägt.
Zweitens. Die Auflagen sind strenger, stringenter. Die
Kontrolle ist engmaschiger, was auch notwendig ist.
Drittens. Die Hartnäckigkeit der Bundesregierung hat
sich bewährt. Sie hat dazu geführt, dass in Griechenland
ein Umdenken stattgefunden hat.
Viertens. Dieses Programm ist ein gemeinsames, eu-
ropäisches Programm, dem alle europäischen Länder zu-
stimmen.
Mit all seinen Maßnahmen bietet dieses Programm
eine gute Chance für Griechenland, die Staatsschulden-
krise zu bewältigen. Es ist eine gute Grundlage für eine
weitere positive wirtschaftliche und politische Entwick-
lung in Europa, ja, für weitere wirtschaftliche und politi-
sche Stabilität in Europa. Dies brauchen wir, wenn wir
die anderen Probleme, die gerade angesprochen wurden,
wie beispielsweise die Asylproblematik, gemeinsam lö-
sen wollen. Deshalb empfehle ich Zustimmung.
Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian
Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Am Anfang nur ein Wort zu Ihrer Rede, Herr
Kauder. Sie haben gesagt, Sie wollten das Thema Asyl
und Flüchtlinge nicht parteipolitisch ausschlachten; das
ist auch richtig. Aber genau das haben Sie in Ihrer Rede
gemacht, nämlich das Thema parteipolitisch ausge-
schlachtet. Das finde ich scheinheilig und unwürdig.
Zu Griechenland. Mit diesem dritten Kreditprogramm
wird der Grexit abgewendet. Damit ist auch klar: Ihre
Versuche, Finanzminister Schäuble, Griechenland aus
der Euro-Zone rauszumobben, sind gescheitert, weil Ita-
lien, Frankreich und die EU-Kommission das verhindert
haben. Das ist heute die positive Nachricht im Rahmen
des Beschlusses über dieses Programm.
Mit diesem Programm wird Zeit gekauft. Eine
zentrale Grundvoraussetzung ist aber, dass jetzt die un-
säglichen Grexit-Debatten der letzten Monate wirklich
aufhören, damit Investoren nach Griechenland zurück-
kommen. Deswegen muss für diese Bundesregierung,
die diese Debatte befeuert hat, klar sein: Grexit isch
over. Griechenland bleibt im Euro-Raum – Punkt. Das
muss jetzt die klare Linie der Bundesregierung sein.
Leider haben das viele in der Union noch nicht ver-
standen. Deswegen ist Herr Kauder auch so nervös.
Viele wollen weiterhin den Grexit. Christian von Stetten
schlägt einen eigenen Untersuchungsausschuss vor – ge-
gen die eigene Regierung wohlgemerkt.
Volker Kauder hat die Mitglieder seiner eigenen Frak-
tion bedroht. All das hat nichts genützt. Es gibt weiterhin
rund 60 Abweichler. Man muss klar sehen: In der Union
brennt die Hütte. Diese 60 Abweichler sind ein klares
Misstrauensvotum, nicht nur gegen Volker Kauder, son-
dern auch gegen Angela Merkel.
Der Heilsbringer soll jetzt der IWF sein. Ich finde, da
hat man sich den falschen Propheten ausgesucht.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11473
(C)
Herr Kollege Kindler, darf der Kollege von Stetten,
der sich offenkundig persönlich angesprochen fühlt, eine
Zwischenbemerkung machen?
Ja, gerne.
Bitte.
Herr Kollege, Sie haben gerade behauptet, dass ich ei-
nen Untersuchungsausschuss gefordert hätte. Ich weiß
nicht, wie Sie darauf kommen. Ich kann Ihnen mitteilen
– ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen –, dass ich
gefragt worden bin, warum ich die rechtlichen Fragen
jetzt gelöst haben möchte, und dass ich darauf geantwor-
tet habe: Wir müssen sie heute lösen, weil ich nicht in ei-
nigen Jahren vor einem Untersuchungsausschuss unan-
genehme Fragen gestellt bekommen möchte. Ich habe
mit keinem Wort einen Untersuchungsausschuss gefor-
dert und werde auch der Einsetzung eines solchen Aus-
schusses nicht zustimmen. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis
zu nehmen.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege von Stetten, es ist ziemlich interessant,
dass Sie jetzt deutlich zurückrudern. Aber warum haben
Sie diese Bemerkung eigentlich gemacht? Sie haben das
Wort „Untersuchungsausschuss“ in die Medien gebracht
und klargemacht, dass Sie deutliche Zweifel an Ihrer ei-
genen Regierung bzw. Ihrer eigenen Fraktion haben.
Rund 60 Abgeordnete haben es ebenso gemacht.
Laut Handelsblatt sind 15 Abgeordnete nicht aus ih-
rem Urlaub zurückgekehrt, weil sie heute nicht mit Nein
stimmen wollten, weil sie anscheinend Angst vor Herrn
Kauder und davor haben, dass sie aus den Ausschüssen
entfernt werden. Sie haben gestern nur eine Stunde dis-
kutiert, obwohl Sie so viele Fragen haben.
Deshalb frage ich Sie: Wie nehmen Sie Ihre Verantwor-
tung als frei gewählter Abgeordneter in der Unionsfrak-
tion wahr? Wo machen Sie dort klar, welche Position Sie
haben?
Die letzte Klammer, die Sie, Herr von Stetten, und die
anderen Abweichler mit der gesamten Unionsfraktion
verbindet, ist der Internationale Währungsfonds. Das
Problem ist aber, dass Sie sich einen falschen Heilsbrin-
ger und Propheten ausgesucht haben. Man kann nicht
den Internationalen Währungsfonds weiter an Bord hal-
ten und gleichzeitig seine Botschaft, die richtige Analyse
zur Schuldentragfähigkeit und zur Schuldenerleichte-
rung, ablehnen. Das macht doch keinen Sinn. Das ist wi-
dersprüchlich und peinlich. Es versteht keiner draußen
im Land, warum Sie den Internationalen Währungsfonds
weiter dabeihaben wollen, aber gegen Schuldenerleich-
terungen sind. Diese Position müssen Sie in der Union
klären und sich klar dazu bekennen, dass es bei dem Pro-
gramm Schuldenerleichterungen braucht.
Die Schuldenerleichterung wird sowieso kommen,
mit oder ohne IWF. Das ist jedem klar. Denn eine Ver-
schuldung von 200 Prozent des BIP im nächsten Jahr
nach den Prognosen ist nicht tragfähig. Aus unserer
Sicht wäre es allerdings besser, wenn man das ohne den
IWF macht, weil Europa das Problem alleine lösen kann.
Der IWF sieht höhere Zinsen und geringere Laufzeiten
vor. Damit erhöhen sich die Kreditkonditionen für Grie-
chenland, und die Umschuldung wird erschwert.
Deswegen sagen wir: Wir Grünen glauben an Europa.
Wir glauben, dass der ESM das alleine schaffen kann. Er
hat das notwendige Volumen. Griechenland braucht
zwar eine Schuldenerleichterung, aber lieber ohne den
IWF. Das wäre die bessere Antwort.
Ich finde, gerade in Deutschland muss man verstehen,
dass Schuldenerleichterungen besonders wichtig sind,
damit ein Land und seine Gesellschaft wieder auf die
Beine kommen. Natürlich haben die griechischen Regie-
rungen in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Das
ist völlig unbestritten. Sie haben sich überschuldet und
müssen jetzt Reformen durchführen. Aber das, was die
griechische Regierung gemacht hat, ist nichts im Ver-
gleich zu dem, was Deutschland im letzten Jahrhundert
verbrochen hat, und trotzdem hat es massive Schulden-
schnitte und Schuldenerleichterungen gewährt bekom-
men.
– Warum schreien Sie bei der Union? Man muss doch
einmal auf die historische Wahrheit hinweisen.
Deutschland hat den Vernichtungskrieg angefangen und
die Schoah, die Ermordung der europäischen Juden, zu
verantworten, und trotzdem haben wenige Jahre danach
die Gläubiger, die Länder, denen Deutschland viel Leid
– schreckliches Leid – und Blut gebracht hat, diesem
Land eine große Schuldenerleichterung gewährt, auch
Griechenland übrigens. Deswegen muss man auch auf-
grund der historischen Erfahrung und der historischen
Verantwortung jetzt für eine Schuldenerleichterung für
Griechenland sein. Das ist unsere Aufgabe.
11474 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
(C)
(B)
Herr Kollege Kindler, lassen Sie noch eine Zwischen-
frage des Kollegen Nüßlein zu?
Gerne.
Herr Kollege Kindler, vielen Dank. – Sie reden viel
über Fehler und Verantwortung, im Übrigen auch in his-
torischen Zusammenhängen, die ich persönlich an der
Stelle so nicht sehen möchte.
Ich möchte Sie aber fragen: Wenn Sie über Fehler und
Verantwortung sprechen, würden Sie dann bitte auch
einräumen, dass Griechenland ohne den großen Fehler
der damaligen rot-grünen Bundesregierung gar nicht den
Euro hätte?
Würden Sie bitte dazu einmal Ausführungen machen?
Im Übrigen ist die Aufnahme damals wider besseres
Wissen erfolgt. Ich habe das in diesem Hause schon ein-
mal formuliert.
Im Jahr 2000 hat der Abgeordnete Dr. Gerd Müller,
heute Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, ganz
klar gesagt: Herr Eichel, das war ein schwerer Fehler,
die Griechen in die Euro-Zone aufzunehmen. Die Zahlen
sind gefälscht. – Das belegt, dass immerhin der Abge-
ordnete das damals gewusst hat. Die damalige Bundesre-
gierung will es nicht gewusst haben. Aber wenn Sie über
Fehler und Verantwortung sprechen, dann sollten Sie
auch etwas dazu sagen, dass die rot-grüne Bundesregie-
rung damals den Fehler gemacht hat,
Griechenland gegen besseres Wissen und trotz der schon
damals fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in
die Euro-Zone aufzunehmen.
Erst einmal will ich antworten, dass ich es unglaub-
lich finde, dass Sie die historische Verantwortung
Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg und die Schoah
hier in Abrede stellen wollten und bestreiten, dass es da-
nach einen klaren Schuldenerlass gab.
– Sie können das gerne im Protokoll nachlesen.
Sie haben gesagt, Sie sähen die historischen Zusammen-
hänge anders.
Zu dem zweiten Punkt, den Sie angeführt haben: Man
muss doch einfach klarmachen, dass es keine Entschei-
dung alleine Deutschlands war,
sondern eine Entscheidung der Europäischen Union, der
europäischen Verantwortungsträger, Griechenland in die
Euro-Zone aufzunehmen. Natürlich wissen wir heute,
dass es damals auch falsche Zahlen gab. Aber es ist doch
klar, dass es keine Entscheidung alleine Deutschlands
war, sondern aller europäischen Verantwortungsträger,
das zu machen. Anscheinend sind Sie in der Union im-
mer noch der Meinung, dass Griechenland nicht in der
Euro-Zone sein sollte. Das ist der fundamentale Unter-
schied zu uns. Wir sind der Meinung, dass Griechenland
in der Euro-Zone bleiben sollte und zur Euro-Zone ge-
hört, weil Griechenland zu Europa gehört.
Das Paket, über das wir heute abstimmen und dem
wir Grüne mit großer Mehrheit zustimmen werden, ent-
hält Licht und Schatten. Das muss man, glaube ich, zum
Ende sagen. Zum Licht gehören die Strukturreformen im
Justizbereich und der Kampf gegen die Korruption in der
Steuerverwaltung. Das sind Reformen, die notwendig
sind und die wir als Grüne lange gefordert haben.
Aber es gibt auch Schattenseiten. Gerade die zu gerin-
gen Investitionen sind ein großes Manko in diesem Pa-
ket. Das liegt auch daran, dass die Fehler der Vergangen-
heit mit einer prozyklischen Haushaltspolitik wiederholt
werden. In der Rezession, die Griechenland droht, soll
weiter gekürzt werden. Damit werden wir negative
Wachstumseffekte in Griechenland haben, damit werden
mehr Menschen arbeitslos werden, und damit werden zu
wenige Investitionen nach Griechenland kommen.
Deswegen fordern wir auch, dass das Programm über-
prüft wird – es sind Überprüfungen vorgesehen –, und
wir wollen, dass die Politik des Kaputtsparens, die ge-
scheitert ist, überwunden wird und dass Griechenland
jetzt endlich ein Programm bekommt, das ihm Luft zum
Atmen lässt, ein echtes Investitionsprogramm, damit die
Wirtschaft wieder auf die Beine und das Land wirklich
aus der Krise kommt. Darum muss es jetzt gehen. Des-
wegen werden wir heute dem Programm zustimmen.
Wir werden es aber auch weiter kritisch begleiten und
Veränderungen einfordern.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11475
(C)
(B)
Das Wort erteile ich nun dem Kollegen Norbert
Spinrath für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen haben
viele von uns zahlreiche wütende, teils aufgebrachte E-
Mails oder Briefe von Bürgerinnen und Bürgern anläss-
lich unserer heutigen Debatte erreicht. Es war immer der
gleiche Tenor: Griechenland sei ein Fass ohne Boden, in
dem die europäischen Gelder seit Jahren wirkungslos
versickerten.
Dieses beliebte Sprachbild von all denen, die weitere
Hilfen für Griechenland ablehnen, ist schlichtweg falsch.
Es zeigt aber eines: Es gibt eine hohe Verunsicherung
und einen großen Vertrauensverlust auf allen Seiten.
Richtig bleibt aber, dass Griechenland in den nächsten
drei Jahren bis zu 86 Milliarden Euro an ESM-Finanz-
hilfen erhalten soll. Dieses Geld versickert aber keines-
wegs im Nirgendwo, sondern es fließt in ein ambitio-
niertes Reform- und Sparprogramm.
Das uns heute zur Bewertung vorgelegte MoU enthält
erstmals ein sozialverträgliches Reformpaket, verbunden
mit einem engmaschigen Korsett aus Konditionen und
Überprüfungsmechanismen. Es ist das klarste, es ist das
realistischste Programm der letzten Jahre.
Es bietet nun endlich die Chance, Griechenland zu mo-
dernisieren. Es bietet die Chance, eine leistungsfähige
Verwaltung aufzubauen, eine leistungsfähige Rentenver-
sicherung aufzubauen, eine leistungsfähige soziale Si-
cherung aufzubauen, eine leistungsfähige Gesundheits-
vorsorge aufzubauen, und es gibt dem Land die Chance,
sich zu befähigen, sich selbst – mit der Unterstützung
durch EU-Investitionsprogramme – wieder auf den Pfad
von Wachstum und Beschäftigung zu führen. Es bietet
aber auch die Chance, die schlimmsten sozialen Verwer-
fungen der letzten Jahre umzukehren oder zumindest
deutlich zu lindern.
Es bietet die Chance auf Wachstum in Griechenland,
und das ist es, was das Land braucht. Ohne wirtschaftli-
che Entwicklung, ohne Wachstum ist jede Schuldentrag-
fähigkeitsdiskussion hinfällig.
Es gilt jetzt, diese Chancen zu nutzen. Das gilt für die
Menschen in Griechenland, aber auch für Europa. Des-
halb, liebe Kolleginnen und Kollegen, werde ich diesem
Programm zustimmen. Es muss endlich Schluss sein mit
der unsäglichen Grexit-Debatte, die insbesondere das
Vertrauen zwischen allen Verhandlungspartnern nach-
haltig gestört hat, die aber auch zur Verunsicherung in
der Öffentlichkeit und zu diesen E-Mails und Briefen ge-
führt hat.
Meine Überzeugung ist, dass wir gut daran tun, euro-
papolitisch Konsequenzen aus diesem Vorgang zu zie-
hen. Deutschland darf keine Zweifel mehr aufkommen
lassen, dass die europäische Integration, ihre Wahrung
und Vertiefung, nicht nur Staatsziel ist, sondern immer
und überall auch Grundlage unseres Handelns ist und
bleiben muss.
Wir müssen die Zweifel an der Zuverlässigkeit, die
zum Teil der EU entgegengebracht werden, ernst neh-
men. Wir müssen durch konsequente Weiterentwicklung
diese Zweifel entkräften. Dazu, liebe Kolleginnen und
Kollegen, bedarf es einer Weiterentwicklung der Wirt-
schafts- und Währungsunion, wie sie die Wirtschafts-
minister Deutschlands und Frankreichs, Gabriel und
Macron, und sehr ähnlich auch die Präsidenten der fünf
EU-Institutionen beschrieben haben. Auf Dauer bedarf
es eben auch eines echten europäischen Währungsfonds,
der hinreichend stark ist, europäische Probleme ab-
schließend auch in Europa zu lösen.
Auch wenn wir für die heutige Debatte unseren Ur-
laub unterbrechen mussten, bin ich froh, dass wir heute
in dieser Sondersitzung über das dritte Rettungspaket de-
battieren. Dass es jetzt zu einem schnellen und positiven
Ergebnis gekommen ist, war keineswegs selbstverständ-
lich. Die EU-Institutionen und die griechische Regie-
rung haben in den letzten Wochen ruhig, besonnen, mit
hoher Kompetenz und sehr erfolgsorientiert verhandelt.
Das ist zum Erfolg geworden. Es zeigt aber auch, dass
Europa nur durch solidarisches und geschlossenes Han-
deln die aktuelle Krise bewältigen kann. Dieser Weg
wird kein leichter sein. Griechenland steht vor einer gro-
ßen Herausforderung, die Reformen eben nicht nur als
Gesetze durch das Parlament zu bringen, sondern sie tat-
sächlich auch umzusetzen.
In dem Zusammenhang, Frau Lötzsch: Natürlich war
es ein zentrales Wahlversprechen von Herrn Tsipras,
Steuern einzutreiben. Warum haben sie es denn nicht ge-
macht?
Sie hatten doch sechs Monate lang Zeit dazu.
Nun aber sollten wir auch einmal expressis verbis an-
erkennen, dass das griechische Parlament bereits 40 der
im MoU vereinbarten Maßnahmen beschlossen hat. Die
übrigen 17 sollen bis zum Oktober verabschiedet wer-
den. Es braucht einen langen Atem, bis sich die neue
Handschrift im MoU, die auch eine soziale ist, in der
Realität durchsetzt.
Es zeigt sich aber auch, dass die griechische Regie-
rung Vertrauen schaffen und die positive Dynamik für
sich nutzen muss – gegenüber seinen Bürgerinnen und
11476 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Norbert Spinrath
(C)
(B)
Bürgern, gegenüber Europa. Griechenland muss neue
Strukturen schaffen, muss dabei Misstrauen aufgeben
und Unterstützungsangebote annehmen. Investitionsmit-
tel aus dem MFR und aus dem Juncker-Plan müssen
sinnvoll genutzt werden, und die Wirtschaft in Griechen-
land muss angekurbelt werden, weg ausschließlich vom
Import hin zu einer exportorientierten Wirtschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb komme ich
zu dem Fazit: Das Bild von Griechenland als Fass ohne
Boden taugt nicht dazu, die Situation zutreffend zu be-
schreiben. Griechenland wird in den kommenden Jahren
harte und tiefe Einschnitte in seinen Strukturen und bei
seiner Verwaltung vornehmen müssen, um das ambitio-
nierte Reformkonzept umzusetzen und soziale und wirt-
schaftliche Stabilität zu erreichen. Am Ende gilt aber
dann trotzdem: Manchmal braucht es eben einen langen
Atem, um angestrebte Ziele zu erreichen, oder – um im
Bild zu bleiben –: Das Fass hat einen Boden in einem so-
lidarischen, in einem sozialen Europa.
Manuel Sarrazin ist der nächste Redner für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Merkel, ich habe einen Vorschlag für Sie: Wir ha-
ben ja gelernt, dass es vor dem Hintergrund des Pro-
blems in Ihrer Fraktion mit den 56 Kollegen, die nicht
genau wissen, wie sie abstimmen sollen, für Sie eigent-
lich am besten wäre, wenn Griechenland eine Erfolgsge-
schichte schriebe, wenn es jetzt bergauf ginge, wenn es
Wachstum gäbe und man wieder sagen könnte: Es klappt
doch und alles läuft.
Dann würden vielleicht auch die 56 Kollegen zu der Ein-
sicht kommen, dass man tatsächlich etwas für Griechen-
land tun sollte und der Grexit eine blöde Idee ist. Viel-
leicht ist bei dem Punkt dann sogar noch ein 57. Kollege
dabei. Dazu sage ich gleich noch etwas.
Ich würde Ihnen vorschlagen: Geben Sie Griechen-
land mehr Möglichkeiten für Investitionen und wirklich
essenzielle Schuldenerleichterungen im Oktober, um den
positiven Weg von Herrn Tsipras, den er jetzt beschrei-
ten kann, abzustützen und um Ihre eigene Regierung in
diesem Land zu retten. Das wäre mein Vorschlag für Sie.
Wir haben heute etwas Bemerkenswertes erlebt.
Wenn man sich die Reden angehört hat, die heute ge-
halten wurden – von Herrn Schäuble, von Herrn
Oppermann –, dann stellt man fest: Da fehlte eine Ton-
lage, die in den letzten Monaten so viel zwischen
Deutschland und Griechenland kaputt gemacht hat. Wie
kam das eigentlich? Herr Schäuble, Sie haben heute
extrem rational den Inhalt dieses Pakets vorgetragen, der
Licht und Schatten hat, der aber meiner Ansicht nach
nicht so schlecht ist wie der Deal im Juli; ich glaube, das
sehen Sie vielleicht anders.
Ich glaube, die Essenz Ihrer ruhigen und sachlichen
Rede war, dass Sie sich mit Ihren Vorstellungen eines
zeitweiligen Grexits nicht durchsetzen konnten. Das
analysiert man auch in dem Punkt, dass Sie sich schwer-
getan haben. Warum haben Sie sich mit diesem Deal
denn so schwergetan, wenn er offenkundig zumindest
besser ist als die alten Programme? Weil Sie sich mit
Ihren eigenen Vorstellungen, Griechenland herauszu-
drängen, bei diesem Deal nicht durchsetzen konnten,
und das muss festgehalten werden.
Sie haben auch gesagt: Ein starkes Europa geht über
Verlässlichkeit. – Wenn wir diesen Streit über den Grexit
sozusagen einmal zur Seite packen und sagen, da haben
die Grünen gegen Schäuble gewonnen – man kann es
auch anders diskutieren: vielleicht Merkel gegen
Schäuble oder so –, und wir Ihren Punkt aufgreifen, ein
starkes Europa braucht Verlässlichkeit, dann stimme ich
Ihnen zu,
möchte Ihnen aber sagen: Ich erwarte von dieser Bun-
desregierung Verlässlichkeit, dass das Thema Grexit
damit jetzt auch vom Tisch ist, denn Griechenland
braucht politische Stabilität. Da ist es auch unsere Auf-
gabe, dafür zu sorgen, dass das nicht wieder passiert.
Die letzten Wochen haben uns doch gezeigt, dass Eu-
ropa anders agieren kann als in diesem Kampf nationaler
Interessen,
die auf Gipfeln in einem großen Showdown aufeinander-
krachen und wo es dann Gewinner und Verlierer für die
Debatten zu Hause braucht. Das zeigt, dass, wenn man
Vertrauen in europäische Institutionen und in gemein-
same Verhandlungserfolge hat, man dann auch etwas
erreichen kann, was die Menschen in verschiedenen
Öffentlichkeiten nicht gegeneinander aufbringt. Deswe-
gen müssen wir jetzt endlich die Frage der demokrati-
schen Integration in Europa angehen und die Institutio-
nen, die Europa zusammenführen können – wie das
Europäische Parlament, die Europäische Kommission –,
stärken, damit sie auch in solchen Krisenfragen mehr
Einfluss haben und mehr zu konstruktiven, positiven,
immer noch nicht perfekten, aber besseren Lösungen als
vorher beitragen können.
Danke.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11477
Manuel Sarrazin
(C)
(B)
Das Wort erhält nun der Kollege Ralph Brinkhaus für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Sarrazin, ich finde es rührend, wie Sie um unsere Regie-
rung besorgt sind. Wahrscheinlich ist das die Angst da-
vor, irgendwann einmal selbst Regierungsverantwortung
zu bekommen; denn die Beiträge der Grünen waren
nicht dazu angetan, Hoffnung zu machen, dass das dann
vernünftig läuft.
Meine Damen und Herren, wir können uns hier treff-
lich darüber streiten, was der richtige Weg für Griechen-
land ist; darüber ist in verschiedenen Debattenbeiträgen
gesprochen worden. Es war nicht alles richtig, aber Herr
Gysi hat einen richtigen Satz gesagt; ich gebe das mal
sinngemäß wieder. Herr Gysi, Sie haben gesagt, wenn
wir die Probleme nicht vor Ort lösen, dann kommen die
Probleme zu uns. Das sehen wir momentan auf ganz
verschiedenen Politikfeldern, ob das die Flüchtlinge
sind, die zu uns kommen, oder ob das Sicherheitspro-
bleme oder sonstige Probleme sind. Deswegen scheidet
bei dieser ganzen Beschäftigung mit dem Komplex Grie-
chenland eine Sache aus: dass wir Griechenland hängen
lassen und wir Griechenland sich selbst überlassen. Ich
glaube, das ist auch Konsens in diesem Haus.
Wenn das ausscheidet, dann hat man drei Optionen,
wie man mit Griechenland und seiner Bevölkerung um-
geht. Die erste Option ist: Wir helfen ihnen, nachdem sie
insolvent bzw. in den Bankrott gegangen sind. Zweite
Option: Wir helfen ihnen außerhalb des Euros. Dritte
Option: Wir helfen ihnen innerhalb des Euros.
Es ist so, dass wir uns in der gesamten europäischen
Rettungspolitik dafür entschieden haben, dass es zu-
nächst besser ist, innerhalb des Euros zu helfen. Wir
waren, meine Damen und Herren, darin gar nicht so un-
erfolgreich: bei Spanien, bei Portugal, bei Irland, bei
Zypern und – der Bundesfinanzminister hat es angespro-
chen – bis zum Dezember letzten Jahres auch bei
Griechenland. Die griechische Regierung hat in den letz-
ten Monaten nicht viel Anlass gegeben, um Vertrauen
aufzubauen. Das ist richtig. Das ist überhaupt keine
Frage. Nichtsdestotrotz müssen wir sehen, dass nach
dem Referendum zumindest beim Finanzminister, aber
auch bei dem Ministerpräsidenten eine Verhaltensände-
rung eingesetzt hat. Deswegen kann ich nur nachhaltig
dafür werben, dass wir versuchen, Griechenland inner-
halb des Euro zu helfen. Das Paket, das uns heute vor-
liegt, ist so ausgerichtet, dass wir das schaffen können,
wenn die Griechen mitspielen. Das Paket besteht aus
zwei Teilen.
Der eine Teil ist, dass es netto rund 86 Milliarden
Euro Hilfen für Griechenland gibt, die sich wie folgt zu-
sammensetzen – auch das muss an dieser Stelle einmal
gesagt werden –: 37 Milliarden Euro zur Bedienung der
Altschulden, das heißt, es ist eine Umschuldung, 17 Mil-
liarden Euro für Zinsen auf diese Altschulden. Weiter
geht es um 7 Milliarden Euro für Rechnungen, die die
griechischen Behörden bisher nicht bezahlt haben und
damit unter anderem den griechischen Mittelstand
schwer geschädigt haben. Es geht um die Handkasse
– das sind auch noch einmal 7 Milliarden Euro –, die je-
des Land braucht, um bestehen zu können. Und, Herr
Gysi, es geht um bis zu 25 Milliarden Euro für die Ban-
ken. Ja, 25 Milliarden Euro für die Banken. Wir sind,
meine Damen und Herren, in den letzten fünf Jahren
sehr dafür kritisiert worden, dass wir angeblich die Ban-
ken gerettet haben. Manchmal ist es schwierig, Dinge zu
erklären, aber manchmal kapiert auch eine linke Partei
wie Syriza – wenn der Crash da ist –, was es bedeutet,
wenn man nicht vorausschauend gehandelt hat. Der
Crash war da: Die Banken haben in Griechenland zuge-
macht, die Menschen konnten kein Geld mehr aus den
Geldautomaten bekommen, die Unternehmen konnten
weder im Inland noch im Ausland überweisen. Man hat
gesehen, dass Banken mehr sind als Aktionäre, als Gläu-
biger und Einleger. Banken sind Infrastruktur. Banken
sind die Straßen, die man braucht, damit eine Wirtschaft
bestehen kann. Deshalb ist es wichtig – ob es uns gefällt
oder nicht –, dass wir an dieser Stelle mit den 25 Milliar-
den Euro – vielleicht wird es weniger – die Banken stüt-
zen.
Der zweite Teil des Paketes ist ein sehr ambitioniertes
Reformprogramm. Es ist schon in verschiedenen Reden
darauf hingewiesen worden. Es geht um das Steuer-
system, um das Sozialversicherungssystem, um das
Gesundheitssystem, um ausgeglichene Haushalte, um
Institutionen, die besser funktionieren sollen, um Kor-
ruptionsbekämpfung, um die Öffnung von Arbeitsmärk-
ten und von Produktmärkten. Ich denke, dass wir alle der
Meinung sind, dass dieses Paket, wenn es tatsächlich
umgesetzt wird, dazu geeignet ist, Griechenland wirklich
zu helfen.
Ich will das einmal erläutern. Wenn ich einen Staat zu
sanieren hätte, dann würde ich Folgendes machen: Ich
würde kurzfristige Reformen auf den Weg bringen, die
mir Geld bringen, damit ich handeln kann. Das ist in die-
sem Paket enthalten. Ich würde langfristige Reformen
auf den Weg bringen, damit ich wieder ein Geschäfts-
modell habe, also Verbesserung der Verwaltung, Verbes-
serung der Investitionen, Wirtschaftsförderung. Das ist
in diesem Paket enthalten. Ich würde das Zahlungssys-
tem, das Bankensystem stabilisieren, weil sonst kein
Staat leben kann. Das ist in diesem Paket enthalten. Ich
würde mir die Zeit erkaufen – auch das ist richtig –, um
mir die Gläubiger vom Hals zu halten, damit ich alles
umsetzen kann. Ich würde noch etwas Viertes machen –
darüber stimmen wir heute nicht ab, aber es gehört auch
dazu –: Ich würde Investitionen auf den Weg bringen.
11478 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Ralph Brinkhaus
(C)
(B)
Wir haben über 30 Milliarden Euro europäische Mit-
tel, die nur darauf warten, von Griechenland abgerufen
zu werden für Investitionen unter anderem im Kampf
gegen die Langzeitarbeitslosigkeit. Insofern ist dieses
Paket ein gutes Paket,
wenn es denn umgesetzt wird. Da haben wir natürlich
Zweifel: Wird es denn umgesetzt? Ist die Regierung in
Griechenland so stabil, dass sie die Mehrheit hat, dass
sie auch den Willen hat, das Ganze umzusetzen, wenn es
unterschrieben ist und wenn die erste Tranche geflossen
ist? Die Bundesregierung hat hier Folgendes gesagt:
Leistung nur gegen Gegenleistung. Deswegen ist es auch
so wichtig, dass, bevor die erste Tranche gezahlt wird –
der Kollege Spinrath hat darauf hingewiesen, über
50 Maßnahmen sind im Rahmen der Prior Actions vom
griechischen Parlament schon umgesetzt worden; noch
nicht in der Praxis, auch das gehört zur Wahrheit –, das
Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“ als essenzieller
Bestandteil dieses Paketes sichergestellt ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir
lassen uns gerne von Ihnen beschimpfen, wenn wir sa-
gen: Wir haben an dieser Stelle zu hart verhandelt. Ich
glaube, das ist wichtig, damit dieses Paket erfolgreich
ist.
Insofern ist es auch uns zu verdanken, dass es so ist, wie
es ist.
Trotzdem, meine Damen und Herren, bleiben immer
noch Restzweifel: Wird das Ganze Erfolg haben, oder
wird es keinen Erfolg haben? Diesen Restzweifel kann
ich Ihnen nicht nehmen. Auch ich weiß nicht, was im
Herbst passiert. Ich weiß nicht, ob wir hier irgendwann
wieder stehen und sagen, wir brauchen ein viertes Paket,
ob der IWF sagt, dass es soundso nicht geht, oder ob
eine griechische Regierung eine Reform doch nicht um-
setzt. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist ein langsa-
mer, mühsamer Prozess. Wir haben in der Politik immer
gerne die Schwarz-Weiß-Lösung, bei der man sagt: Jetzt
machen wir etwas, und das funktioniert. Aber das wird
auf europäischer Ebene nie funktionieren. Deswegen ist
es ein mühsamer Prozess, der vor uns steht. Aber ich
glaube, dass es sich am Ende des Tages lohnt, sich auf
diesen Prozess einzulassen und unsere Kraft in diesen
Prozess zu investieren.
Wir müssen an dieser Stelle vielleicht aber auch etwas
selbstkritisch zurückblicken, und zwar insofern, dass es
nicht von ungefähr gekommen ist, dass man im Januar in
Griechenland eine Regierung gewählt hat, die nach un-
seren Maßstäben absurd war und damals auch absurd ge-
handelt hat. Wir müssen selbstkritisch eines sehen: Man
kann den Menschen in einem Land nicht nur sagen: „Ihr
müsst fünf Jahre lang reformieren!“. Es war zwar total
richtig, Reformen einzufordern, weil Griechenland von
einem ganz schlimmen Ausgangspunkt kam. Aber die
Menschen in Griechenland, die im Übrigen nie das Ge-
fühl hatten, dass sie dort ein falsches Leben gelebt hätten
oder alles nicht richtig gewesen wäre, sahen zu Beginn
dieser fünf Jahre kein Licht am Ende des Tunnels; sie sa-
hen nicht, dass sich irgendetwas verbessert. Man muss
auch irgendwie dafür sorgen, dass es kurzfristige Erfolge
gibt. Deswegen ist es wichtig – Kollege Oppermann hat
es angesprochen –, dass in diesem Paket auch Aussagen
zu Mindestlöhnen und zur sozialen Stabilität getroffen
werden. Wir müssen bei allen Paketen, die wir zukünftig
auf den Weg bringen, mehr daran denken; denn wir dür-
fen die Menschen in dem Land, in dem die Reformen
stattfinden, nicht verlieren.
Wenn ich die ganze Sache zusammenfasse, dann sage
ich flapsig – erste Bemerkung –: Griechenland bleibt so
oder so auf unserem Deckel. Zweite Bemerkung: Dieses
Reformpaket ist gut angelegt, auch angesichts der Tatsa-
che, dass wir Griechenland Zeit geben. Dass die Gläubi-
ger das Land nicht angreifen können oder nichts gegen
das Land machen können, ist richtig. Wenn das Paket
denn vernünftig umgesetzt wird. Das ist die Frage, die
niemand klären kann.
Es ist so, dass wir wirklich hart verhandelt haben. Es
ist auch so – das gilt zumindest für die Union –, dass das
Paket, wenn wir es alleine hätten backen können, sicher-
lich an der einen oder anderen Stelle schärfer oder
anders gewesen wäre, dass die Ziele verbindlicher gewe-
sen wären, dass die Zeitpläne ehrgeiziger gewesen wä-
ren. Das ist überhaupt keine Frage. Aber eines ist auch
richtig: Wir sind 19 Länder in der Euro-Zone. Bei
19 Ländern kann man nicht sagen, dass alles so ticken
und laufen muss, wie es in Deutschland für richtig erach-
tet wird. Da muss man Kompromisse eingehen. Ich
glaube, wir als Deutsche sind in einer ganz besonderen
Verantwortung, diese Kompromisse zu organisieren. Wir
sind eines der größten und wirtschaftsstärksten Länder in
Europa. Wenn wir diese Kompromisse nicht organisie-
ren, wer soll es dann machen? Wir haben eine Verant-
wortung für dieses Europa.
Weil das so ist, halte ich dieses Paket – bei allen Be-
denken auch von einigen Kolleginnen und Kollegen aus
meiner Fraktion, die ich respektiere und zum Teil sogar
teile – unter dem Strich für nachvollziehbar und für ver-
tretbar und werbe um Ihre Zustimmung.
Danke schön.
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Heinz-
Joachim Barchmann für die SPD-Fraktion.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11479
(C)
(B)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über die verschiedenen Inhalte des ESM-Programms für
Griechenland wurde heute schon in aller Breite disku-
tiert. Es ist viel über die zahlreichen Maßnahmen ge-
sprochen worden, die Griechenland in den kommenden
drei Jahren umsetzen muss, als Gegenleistung für die
Finanzmittel von bis zu 86 Milliarden Euro. Als Bericht-
erstatter der SPD-Fraktion für Griechenland im Europa-
ausschuss möchte ich hier nicht noch einmal auf die
Zahlen eingehen, die mit dem Programm zusammenhän-
gen, obwohl sie sehr wichtig sind. Ich möchte stattdes-
sen auf Punkte eingehen, die mir zum einen als Sozial-
demokrat und alter Gewerkschafter wichtig sind und mir
zum anderen als einfacher, normaler europäischer Bür-
ger am Herzen liegen.
Aus sozialdemokratischer Sicht möchte ich hier noch
einmal deutlich machen, dass wir das Programm, wie es
jetzt ausgehandelt wurde, als deutlich ausgereifter anse-
hen können als frühere Vorschläge, vor allem deshalb,
weil bei diesem Programm viel stärker auf die sozialen
Auswirkungen der Maßnahmen geachtet wurde, die von
der griechischen Regierung nun umzusetzen sind. Diese
Reformen können die Grundlage für eine vernünftige so-
ziale Basisabsicherung der griechischen Bevölkerung
und auch für einen vernünftigen Zugang der Bevölke-
rung zur Gesundheitsversorgung legen. Die Strukturen,
um diese Grundfunktionen sicherzustellen, werden mit
dem vorliegenden Programm geschaffen. Es geht nicht
mehr nur ums Sparen. Auch die Auswirkungen auf die
Menschen vor Ort werden nun endlich in den Blick ge-
nommen. Dies ist aus meiner Sicht eine klare Abkehr
von der strikten Austeritätspolitik, die über einen viel zu
langen Zeitraum in ganz Europa den Umgang mit der Fi-
nanzkrise beherrscht hat und die auch von der letzten
Bundesregierung mit geprägt wurde.
Dass es hier nun endlich zu Veränderungen mit einem
viel stärkeren Fokus auf soziale Aspekte gekommen ist,
ist nach meinem Dafürhalten ganz besonders den Stim-
men der deutschen und der europäischen Sozialdemo-
kraten zu verdanken. Dafür haben wir uns seit Jahren
starkgemacht.
Die Abkehr von einem strikten Sparkurs und das Er-
öffnen von Perspektiven für die griechischen Bürgerin-
nen und Bürger ist der entscheidende Punkt. Mit dem
neuen Programm werden dringend notwendige Struktur-
veränderungen in Gang gesetzt, von denen Griechenland
hoffentlich langfristig profitieren wird. Mit dem Ziel, ef-
fizientere Verwaltungsstrukturen zu schaffen und ein
transparentes, funktionierendes Steuersystem zu etablie-
ren, werden genau die richtigen Akzente gesetzt. Das
Aufbrechen des oligarchischen und teilweise verkruste-
ten Wirtschaftssystems wird zu mehr Berechenbarkeit,
mehr Stabilität, aber auch zu funktionierenden staatli-
chen Strukturen führen, an denen es in der Vergangen-
heit oft gefehlt hat.
Nur so können Staatseinnahmen generiert und Investitio-
nen nach Griechenland geholt werden; denn eine politi-
sche und verwaltungstechnische Stabilität ist hierfür not-
wendig. Das kann zum Abbau von Massenarbeitslosigkeit
führen. Ein weiteres großes Problem, was ich dabei sehe,
ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die weiter abgebaut
werden muss, von der heute aber überhaupt noch nicht ge-
sprochen wurde; darauf möchte ich noch einmal beson-
ders hinweisen.
Als letzten Punkt möchte ich die aktuelle Situation
der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln ansprechen.
Jeder von uns hat mitbekommen, was auf der Insel Kos
los ist. Die Frage der Flüchtlinge im Mittelmeer ist ein
gesamteuropäisches Problem, das von allen gemeinsam
gelöst werden muss. Griechenland ist aufgrund seiner
geografischen Lage besonders davon betroffen. Die Fi-
nanz- und Verwaltungskrise trägt allerdings zu einer
weiteren Verschärfung der Situation bei. Wenn kein Geld
da ist, können Menschen, die vor Krieg und Elend ge-
flüchtet sind, nicht einmal mit dem Lebensnotwendigen
versorgt werden. Hier ist die europäische Solidarität ge-
fragt, und da müssen auch wir in Deutschland uns fra-
gen, ob wir als europäische Bürger an der einen oder an-
deren Stelle nicht noch mehr tun können. Da bitte ich um
Ihre Unterstützung. Ich denke, das ist eine ganz notwen-
dige Sache, bei der wir Griechenland unterstützen müs-
sen.
Danke schön.
Michael Stübgen ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir hier
vor etwas über vier Wochen – am 17. Juli – eine Sonder-
sitzung hatten, hat mir – ich will es ehrlich zugeben – die
Fantasie gefehlt, mir vorzustellen, dass wir in vier Wo-
chen in der Lage sein würden, über ein Memorandum of
Understanding für Griechenland einschließlich eines
dritten Hilfspakets, das auch nur ansatzweise tragfähig
ist, abzustimmen.
Ich gebe es ehrlich zu: Ich war vor vier Wochen em-
pört darüber, welche europaweite Kampagne gegen Bun-
desfinanzminister Schäuble – auch in Deutschland – lief,
und dies nur deshalb, weil er eine fast triviale Wahrheit
ausgesprochen hat. Er hat nämlich gesagt und argumen-
tiert, dass es, wenn ein Euro-Mitgliedsland – in diesem
Fall Griechenland – fundamental und nachhaltig nicht
bereit sei, die Regeln des Euro-Systems einzuhalten,
wenn es auch nicht bereit sei, und zwar auch noch durch
ein Referendum bestätigt, Reformen vorzunehmen, um
die fiskalische Tragfähigkeit wiederherzustellen, für die-
ses Land keine Zukunft in der Euro-Zone geben werde.
11480 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Michael Stübgen
(C)
(B)
Er hat niemals gesagt, dass dieses Land rausgeworfen
werden soll. Im Übrigen haben 15 der 19 Finanzminister
der Euro-Gruppe dies genauso gesehen und sich dement-
sprechend artikuliert. Ich werfe niemandem vor, dass er
eine andere Meinung hat und sie artikuliert. Nur die Art
und Weise dieser Kritik, die darauf abzielte, die persönli-
che Integrität des Andersdenkenden zu verletzen, hielt
ich für absolut inakzeptabel.
Außerdem war ich bestürzt über die in den Medien
kursierenden öffentlichen Äußerungen von Regierungs-
vertretern aus Italien und Frankreich, gezielt gegen die
deutsche Bundesregierung gerichtet und in einem Ton
und in einer Art und Weise, von der ich hoffte, dass wir
sie in der Europäischen Union nicht haben. Hinzu kam,
dass sich wenige Tage zuvor eine klare Mehrheit der
griechischen Bevölkerung in einem Referendum dafür
ausgesprochen hat, dass sie nicht bereit ist, Reformen
zur Wiedererlangung der fiskalischen Tragfähigkeit um-
zusetzen. Vor diesem Hintergrund hatte ich Schwierig-
keiten, mir vorzustellen, was uns heute zur Abstimmung
vorgelegt wird.
Ich will jetzt aufhören, Ihnen weiter über meine Ge-
mütszustände zu berichten. Ich wollte nur sagen: Es war
auch für mich ein sehr langer Weg vom 17. Juli bis
heute. Heute stehe ich hier und werbe voller innerer
Überzeugung dafür, dass Sie diesem Memorandum of
Understanding und dem dritten Hilfspaket für Griechen-
land zustimmen.
Ich will das an einzelnen Beispielen deutlich ma-
chen. Ich kenne alle Memorandums of Understanding,
die die Euro-Gruppe und Griechenland beschlossen ha-
ben. Das erste Memorandum aus dem Jahr 2010 hat
sich sehr stark dadurch ausgezeichnet, dass wir das
Ausmaß der Krise und die wahre Situation in Griechen-
land maßlos unterschätzt hatten. Das zweite Memoran-
dum Anfang 2012, noch mit Papandreou, wurde nach
dem Sturz des Ministerpräsidenten nicht mehr umge-
setzt. Ende 2012 gab es ein drittes Memorandum of
Understanding – auch dem hat der Bundestag zuge-
stimmt –, das dann umgesetzt wurde, einschließlich ei-
ner deutlich über 50-prozentigen Reduzierung der
Schulden aller privaten Gläubiger.
Ich kann Ihnen sagen: Das Memorandum, das uns
heute zur Beschlussfassung vorliegt, ist nach meiner
Einschätzung das beste, das fundierteste und das eng-
maschigste, das es bisher gab. Es zeigt auch sehr deut-
lich, dass die Euro-Gruppe aus den Fehlern der letzten
Jahre gelernt hat. Ich möchte drei für mich ganz wesent-
liche Punkte dieses Memorandums nennen. Es hat auch
viel mit Fehleinschätzung und Nichtwissen zu tun.
Punkt eins. Höchste Priorität in diesem Memorandum
hat die Unterstützung der sozial Schwächsten in Grie-
chenland. Diese Priorität ist deshalb von so besonderer
Bedeutung, weil es in Griechenland – das können wir
uns in Deutschland gar nicht vorstellen – keine soziale
Grundsicherung gibt. Wenn ein griechischer Arbeitneh-
mer arbeitslos wird, bekommt er für eine befristete Zeit
Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld, aber dann be-
kommt er null Leistungen. Ein Arbeitsloser in Griechen-
land steht also sehr bald vor der existenziellen Frage:
Kann ich meine Familie und mich überhaupt noch ernäh-
ren? Wenn ich null Leistungen empfange, kann ich auch
keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen, dann er-
halte ich im Krankheitsfall nicht die notwendige Versor-
gung. Dieses Leck gibt es in Griechenland übrigens
schon seit Jahrzehnten, also auch schon vor der Finanz-
krise. Diese Problematik ist im vorliegenden Memoran-
dum of Understanding nun adressiert worden, um Grie-
chenland die entsprechende Hilfestellung für den
notwendigen Umbau zukommen zu lassen. Eine soziale
Grundsicherung zu gewährleisten, halte ich für sehr rich-
tig und für sehr angemessen. Das hat meine volle Unter-
stützung.
Ich komme zum zweiten Punkt. Herr Gysi – ich sehe
ihn nicht mehr –
hat heute – ich habe es erwartet – wieder Krokodilsträ-
nen vergossen und gesagt: Dieses dritte Rettungspro-
gramm beinhaltet zum großen Teil die Refinanzierung
und Bedienung vorhandener Schulden. Herr Gysi, Sie
könnten sich auch darüber beschweren, dass ein Auto
fährt. Aber das Wesen eines Autos ist, zu fahren. Das
Wesen des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanis-
mus, ist ganz eindeutig, einen ungeordneten Staatsbank-
rott zu verhindern. Der passiert nämlich dann, wenn man
den Schuldendienst nicht mehr leisten kann. Ungeordne-
ter Staatsbankrott heißt Zusammenbruch sämtlicher So-
zialleistungen eines Staates – ich will das jetzt gar nicht
weiter ausführen –; aber das sagt Herr Gysi nie dazu.
Natürlich ist es das Wesen des ESM, dass wir einen
Staatsbankrott in Griechenland verhindern – in anderen
Ländern haben wir das erfolgreich gemacht –, mit dem
Ziel, dass das Land seine fiskalische Stabilität wiederer-
langt.
Der dritte Punkt – auch da fließen Krokodilstränen,
und es wird regelmäßig gesagt –: Es werden ja bis zu
25 Milliarden Euro für die Banken gegeben, nicht für die
Menschen, sondern für die Banken. – Was die Linken in
diesem Zusammenhang niemals sagen, ist, dass bei den
griechischen Banken, die samt und sonders illiquide sind
und kurz vor dem Bankrott stehen, Millionen von klei-
nen Sparkonten von normalen Griechen geführt werden,
von Rentnern, die ein paar Hundert Euro angespart ha-
ben, und von Familien, die vielleicht ein paar Tausend
Euro angespart haben, um sich etwas leisten zu können.
Bei einem ungeordneten Bankrott dieser Banken, bei ei-
nem ungeordneten Staatsbankrott Griechenlands wäre
das alles weg und stünde auf null. Das heißt, Bankenre-
kapitalisierung ist auch eine soziale Aufgabe, die wir er-
füllen müssen. Deshalb stehe ich ausdrücklich hinter der
Bankenrekapitalisierung.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11481
Michael Stübgen
(C)
(B)
Lassen Sie mich ein Thema noch nennen, das vor al-
len Dingen in meiner Fraktion in der Debatte eine we-
sentliche Rolle gespielt hat, wie ich glaube, zu Recht. Es
geht um die Schuldentragfähigkeit. Es ist richtig, dass
uns bis jetzt noch keine Schuldentragfähigkeitsbestäti-
gung für dieses Programm durch den IWF vorliegt. Es
ist auch richtig, dass gerade meine Fraktion immer klar
kommuniziert hat, dass das Vorliegen dieser Schulden-
tragfähigkeitsbestätigung für uns eine ganz wesentliche
Voraussetzung ist. Ich will Ihnen sagen, warum ich zu
diesem Zeitpunkt trotzdem zustimme, warum ich das für
ausreichend halte.
Punkt eins. Wir wissen – das ist unter Ökonomen um-
stritten, ein bisschen auch beim IWF –, dass die Betrach-
tung allein des Nominalwerts der Schulden im Verhältnis
zum Bruttoinlandsprodukt nicht die gesamte Vielfalt der
fiskalischen Realität abdeckt. Wenn das stimmte, dürfte
es Japan als Industrienation längst nicht mehr geben.
Punkt zwei. Ich halte die Analyse des ESM für sehr
interessant und lesenswert. Darin wird die Schuldentrag-
fähigkeit an der Bruttofinanzierungsquote festgemacht,
also daran, was ein Land in den nächsten 15 Jahren an
Schuldendienstleistungen im Verhältnis zum Gesamt-
haushalt aufbringen muss. Klar ist, dass in den 2020er-
Jahren, also bis 2030, diese Bruttofinanzierungsquote in
Griechenland unter 15 Prozent liegen wird. Das gilt – das
ist nachgewiesen – allgemein als tragfähig. Insofern ist,
denke ich, heute ein ausreichender Ansatz bei der Schul-
dentragfähigkeit da.
Es bleibt aber dabei – Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen –: Für uns ist
eine aktive Beteiligung des IWF, auch eine finanzielle
Beteiligung, unverzichtbar. In wenigen Wochen werden
wir in diesem Hause darüber diskutieren, wie wir im Ok-
tober zu einer Beteiligung des IWF kommen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch zwei
kurze Sätze zu einem Thema –
Nein, einer, Herr Stübgen.
– einer; ich danke für die Großzügigkeit –, das viele
meiner Kollegen umtreibt. Es geht um die Frage: Wie
groß kann eigentlich die Hoffnung sein, dass in Grie-
chenland jetzt alles anders wird, als wir das im letzten
halben Jahr, aber auch in den letzten Jahren erlebt ha-
ben? Ich glaube, es gibt genug Anzeichen dafür, dass es
besser wird. Zum Ersten hat sich die Verhandlungssitua-
tion deutlich verändert. Zum Zweiten gibt es eine breite
Mehrheit im Parlament, eine Nichtregierungsmehrheit,
für diese Reform. Die Prior Actions sind durchweg um-
gesetzt worden. Zum Dritten. Es wird mit allergrößter
Wahrscheinlichkeit im September dieses Jahres Neu-
wahlen in Griechenland geben. Wir werden sehr genau
beobachten können, wie sich die Parteien dort aufstellen.
Herr Kollege, wenn mich mein Eindruck nicht
täuscht – –
Wenn es dazu kommt – was wir alle hoffen –, dass
eine Reformregierung die Mehrheit erhält, werden wir
die Schuldentragfähigkeit erreichen. Wenn nicht, werden
wir, glaube ich, wieder über die Frage eines Verbleibs
Griechenlands in der Euro-Zone diskutieren müssen.
Das will aber keiner von uns.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für die Groß-
mut des Präsidenten.
Das Wort erhält nun Johannes Kahrs für die SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir Sozialdemokraten hatten, was Griechen-
land und die Rettungspakete angeht, immer eine klare
Linie. Die SPD hat sich hier immer solidarisch gezeigt.
Die SPD hat aber auch immer gesagt: Hilfen gibt es nur,
wenn die Griechen ihren Teil dazu beitragen. Das eine
geht nicht ohne das andere. Wenn wir in Deutschland,
wenn wir in Europa leisten, helfen und unterstützen,
dann muss man auch sehen, dass die Griechen ihren Teil
dazu beitragen. – Wenn man sich dieses Hilfspaket an-
schaut, stellt man fest, dass es genau so ist, wie wir es
gefordert haben. Wie es die SPD von Anfang an gefor-
dert hat, so ist es gekommen. Deswegen werden wir, die
SPD, dem auch zustimmen. Das, glaube ich, ist eine gute
Sache.
Wir Sozialdemokraten sind froh, dass dieses Paket, so
wie es hier heute vorliegt, vorliegen kann.
Wenn man sich dann aber anguckt, was der eine oder
andere Kollege hier zu diesem Thema gesagt hat, dann
merkt man, dass Lernprozesse nicht nur in Griechenland
stattgefunden haben, sondern auch in diesem Hohen
Hause. Auch das ist gut, weil wir ja eine lernfähige Ein-
heit sind, weil wir wieder feststellen können, dass man
auch hier dazulernen kann; das haben wir bei vielen
Fraktionen gesehen. Das begrüße ich außerordentlich.
Der Kollege Brinkhaus hat zu Recht gesagt: Wenn wir
helfen, dann kann es sein, dass das nicht das Ende ist. –
Das wiederum ist eine Entwicklung, die man bei der
Union in der Vergangenheit so nie erlebt hat. Der Kol-
lege Brinkhaus hat hier von einem möglichen vierten
Hilfspaket gesprochen. Das kann am Ende alles sein.
11482 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Johannes Kahrs
(C)
(B)
Für uns ist es wichtig, dass die Entwicklung in Griechen-
land positiv ist, dass sie so weitergeht, dass sie sich ir-
gendwann selber tragen kann, und dass es dadurch auch
eine Schuldentragfähigkeit gibt. Das alles kann aber
auch nur funktionieren, wenn die Griechen selber ihren
Teil dazu beitragen.
Der Kollege Kauder hat hier in der letzten Sitzung ge-
sagt, dass Griechenland nur in Griechenland gerettet
wird. Ich glaube, er hat recht. Griechenland wird nur in
Griechenland gerettet – von den Griechen.
Die griechische Regierung hat sich verändert. Sie hat
ihre Positionen geändert. Nachdem der unsägliche Herr
Varoufakis nun nicht mehr Finanzminister ist und Herr
Tsipras gemerkt hat, dass er sich im Parlament neue
Mehrheiten suchen muss, um sein Land zu retten und
das gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen hin-
zubekommen,
haben wir alle jetzt auch den Glauben, dass die griechi-
sche Regierung Griechenland selber retten will, indem
die notwendigen Strukturreformen durchgeführt werden,
ob es nun um das Steuersystem geht, ob man Grund-
buchämter haben will, gegen Korruption oder die über-
bordende Bürokratie vorgehen will oder für ein funktio-
nierendes, finanzierbares Rentensystem sorgen will. Ich
glaube, wir, auch die CDU/CSU, nehmen der griechi-
schen Regierung jetzt ab, dass sie das will.
Das wird man aber nicht in zwei, sechs oder zehn Mo-
naten hinbekommen. Dafür braucht man Jahre. Das ist
ein langwieriger Prozess. Wir im Deutschen Bundestag
werden die griechische Regierung, wenn sie erkennbar
diesen Weg geht und Erfolge vorzeigen kann, unterstüt-
zen, auch wenn das fünf, sechs oder zehn Jahre dauert.
Wir haben nicht nur beim ersten und beim zweiten Hilfs-
programm mitgemacht, sondern wir machen auch jetzt
beim dritten Hilfsprogramm und auch bei einem mögli-
chen vierten mit, wenn wir sehen, dass auch die Grie-
chen ihren Teil tun. Ich glaube, die wirkliche Erkenntnis
in dieser Debatte ist, dass es dafür in diesem Hause eine
große Mehrheit gibt.
Wenn man sich den Kollegen Stübgen, der vor mir
gesprochen hat, angehört hat, dann hat man festgestellt,
dass auch er persönlich einen Weg gegangen ist. Der
Kollege Brinkhaus hat gesagt, man muss dafür sorgen,
dass die Menschen in Griechenland, die unter diesen
Sparprogrammen und unter diesen Reformen leiden
– denn das alles ist nicht einfach –, Licht am Ende des
Tunnels sehen. Wir werden mit dafür sorgen müssen,
dass es dieses Licht am Ende des Tunnels gibt. Nur dann
werden die Menschen in Griechenland diesen Weg mit-
gehen. Nur dann kann auch die griechische Regierung
diesen Weg gehen. Das kriegen wir aber nur gemeinsam
hin, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn man sich vor Augen hält, was der Kollege Gysi
hier unterhaltsamerweise zum Besten gegeben hat, dann
muss man sagen: Die eine Hälfte seiner Rede hat er nicht
über Griechenland geredet, sondern einen Kessel Buntes
präsentiert. Als er dann endlich zum Thema gekommen
ist, hat er es gründlich verfehlt.
Er hat zum Beispiel gesagt, dass es nicht unsere Aufgabe
ist, Banken zu retten. Ehrlich gesagt, wir retten ja nicht
die Banken um der Banken willen; das hat auch der Kol-
lege Stübgen hier gesagt. Wir retten Banken, weil anders
Wirtschaft, weil anders Staat nicht möglich ist, weil
Menschen gespart haben, weil es nur in einem funktio-
nierenden Bankensystem zu wirtschaftlichem Fortschritt
kommt.
Wenn die Banken erst einmal pleite sind, ist es drei-
mal, viermal schwieriger, sie neu aufzubauen – denen
vertraut nämlich kein Mensch mehr –, als wenn man
Banken rettet und guckt, dass sie wieder auf eine ver-
nünftige Spur kommen. Anders kann es doch gar nicht
gehen. Das hat Herr Gysi überhaupt nicht verstanden.
Dann hat Herr Gysi noch etwas gesagt. Dieses Ret-
tungspaket ist ja dazu da, Geld umzuschulden, dauerhaft
zu finanzieren und Banken zu retten. Wir in Europa wol-
len über ein Investitionspaket mit über 35 Milliarden
Euro helfen, mit denen man in Griechenland das Gleiche
macht, was wir in der Krise in Deutschland gemacht ha-
ben, als wir Konjunkturpakete hatten, als wir eine Ab-
wrackprämie hatten, als wir Kurzarbeitergeld beschlos-
sen haben; das wird über dieses Investitionsprogramm
kommen. Herr Gysi hat gesagt, das könnten sich die
Griechen nicht leisten. Wir haben aber in Verhandlungen
in Europa erreicht, dass der Eigenanteil der Griechen
deutlich reduziert worden ist. Er liegt in den meisten
Programmen bei 5 Prozent. Das ist etwas, was es nir-
gendwo anders gibt.
Wenn man das alles zusammenfasst, dann merkt man
meines Erachtens, dass wir Sozialdemokraten, dass diese
Große Koalition ihre Aufgaben gemacht hat, dass es in
Griechenland funktioniert hat: Die Griechen gehen die-
sen Weg. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir
hier heute im Deutschen Bundestag alle solidarisch und
gemeinsam zustimmen. Dass die Linke schon angekün-
digt hat, dass sie die Menschen in Griechenland, dass sie
Griechenland nicht unterstützen will, ist eine Schande.
Das Wort erhält nun der Kollege Klaus-Peter Willsch.
Ich habe mich erst einmal vergewissert, wer hinter
mir sitzt. – Herr Präsident! Liebe Kollegen! Der Grund-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11483
Klaus-Peter Willsch
(C)
(B)
tenor der Debatte, die wir heute führen, von all denen,
die sich für das dritte Rettungspaket aussprechen, lautet:
Athen hat verstanden.
Nun glaube ich, dass man keine große Mühe braucht,
um da ein bisschen Wasser in den Wein zu schütten. Ich
bin bei diesem Freitag nicht dabei gewesen, Herr
Finanzminister, als es ja wohl so eine Art Pfingsterlebnis
gegeben hat. Es ist zwar nicht der Heilige Geist, aber of-
fenbar der stabilitätspolitische Geist ausgegossen wor-
den. Nun müssen wir einmal überprüfen, ob das wirklich
eine breite Erscheinung ist oder ob das ein Momentein-
druck war.
Ich höre nach wie vor von Tsipras, dass er gegen das
spricht, was vereinbart worden ist; er sei dazu erpresst
worden. Ich lese in der Zeitung von seinem Vertrauten
– das ist also keiner von denen, die sich jetzt abspalten
wollen, sondern sein Vertrauter, Staatsminister Nikos
Pappas –:
Die wirtschaftliche Erholung Griechenlands hänge
davon ab, dass die Gläubiger einen „konstanten
Fluss von Finanzmitteln und eine Lösung der
Schuldenfrage“ garantierten.
Dann geht es weiter:
Syriza gehe es weiterhin um Umverteilung von
Mitteln in Griechenland und künftig um Finanzpro-
gramme für diejenigen, die durch die Reformver-
einbarungen von Kürzungen betroffen seien, etwa
die Landwirte.
Es ist uns als wichtiger Erfolg verkauft worden, dass
diese Reform durchgeführt worden ist; hier wird ange-
kündigt, dass sie wieder konterkariert werden wird. –
Dann geht es weiter:
Es gebe keinen Grund, warum Syriza nicht in Eu-
ropa weiter für seine Ziele kämpfen solle, etwa für
eine Rolle der EZB als Garant für alle Staatsschul-
den, sagte Pappas. Er stimme der Idee des ehemali-
gen italienischen Ministerpräsidenten Romano
Prodi zu, dass sich Frankreich und Italien mit ande-
ren Ländern gegen Deutschland verbünden sollten,
…
Ein dankbarer Schuldner klingt in meinen Ohren ein
bisschen anders, und dass hier wirklich der Reformwille
mit Gewalt um sich gegriffen hätte, kann ich daraus auch
nicht ablesen.
Kollege Stübgen hat es dankenswerterweise ange-
sprochen: Wir erwarten die Vertrauensabstimmung in
Kürze, vielleicht schon morgen, wenn hier alles in tro-
ckenen Tüchern ist und die ersten Milliarden überwiesen
sind. Sie wird Herr Tsipras nach allen Vorhersagen, die
man aus Griechenland so hört, verlieren, und dann gehen
wir in den Wahlkampf.
Was Wahlkampf in Griechenland heißt, das haben wir
dieses Jahr doch schon zweimal erlebt, einmal beim
Wahlkampf für das Referendum, das im Übrigen zum
Gegenstand hatte, dass Herr Tsipras die Bevölkerung
aufgerufen hat, Nein zu sagen zu einem Reformpaket,
und auch im Januar/Februar, als das Parlament neu ge-
wählt wurde. Auch da ging es nicht gerade schonend und
mit weichen Bandagen zu, sondern es wurde hart ge-
kämpft.
Das liegt auch ein wenig im Wesen des politischen
Systems von Griechenland. Im Wahlkampf muss man
eine Mehrheit für sich gewinnen, um danach Regie-
rungsämter zu bekommen und seine Hintersassen mit
Regierungsposten und Posten in der staatlichen Industrie
zu versorgen.
Deshalb ist das immer eine entscheidende Phase. Dass in
dieser Zeit der IWF überprüfen soll, ob in Griechenland
alles gut läuft: Mit Verlaub, da fehlt mir wirklich der
Glaube, dass das realistisch ist.
Wir alle – Sie genauso wie ich – werden doch von
vielen Menschen angeschrieben und angesprochen, die
dafür nur noch ein Kopfschütteln übrig haben. Ich meine
auch: Wenn man – jetzt übertrage ich die normale Le-
benserfahrung auf die Politik – zweimal mit Anlauf mit
dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man
einmal gucken, ob es nicht irgendwo eine Tür gibt. In
diesem Fall ist die Tür der Grexit. Das haben Sie, Herr
Finanzminister, vor den Verhandlungen am letzten
Freitag erfreulicherweise sehr ordentlich vorgetragen.
Griechenland wird es im Euro-Raum nicht schaffen.
Wir werden es nicht schaffen, die Euro-Zone mit Gewalt
gegen den Willen der Bevölkerungen zusammenzuhal-
ten, wenn wir es nicht zulassen, dass die Euro-Zone
atmen kann. Das heißt, dass Griechenland den Euro-
Raum verlässt und mit einer eigenen Währung die not-
wendigen Strukturanpassungen währungspolitisch flan-
kieren kann. Nach einer harten Anpassung und Rezes-
sion wird es ein Wachstum erleben, weil der Import
zurückgeht und der Export anzieht. Viele Touristen wer-
den kommen, da der Urlaub in Griechenland günstiger
wird. Anders wird es nicht funktionieren.
Ich will noch eines zu der Frage sagen: Wer zahlt das
alles? In diesem Zusammenhang ist die neue Definition
von Schuldentragfähigkeit ziemlich gefährlich. Wenn
wir eine Grenze von 15 Prozent für Ausgaben für akzep-
tabel halten, dann haben wir es in der Hand, immer neue
Kredite zu geben. Durch eine beliebige Verlängerung
des tilgungsfreien Zeitraums können wir die Schulden-
tragfähigkeit von außen mit Pseudokrediten herstellen.
Was wir wirklich machen, wenn wir Kredite gewäh-
ren und Laufzeiten um 30 oder 50 Jahre erhöhen, ist eine
Schenkung und nichts anderes. Das ist natürlich ein Ver-
stoß gegen das, was wir den Menschen versprochen ha-
ben: Jeder in der Währungsunion muss für seine Schul-
den selbst aufkommen. Es gibt kein Bail-out.
Herr Kollege.
11484 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
(C)
(B)
Zahlen – das ist der letzte Satz, Herr Präsident – wer-
den das nicht einmal mehr unsere Kinder, sondern deren
Kinder und Enkel. Über 2 Billionen Euro an Schulden
haben diese Menschen abzutragen, und jetzt packen wir
noch Schulden anderer drauf. Das ist den nachfolgenden
Generationen gegenüber unverantwortlich. Sagen Sie
bitte Nein.
Letzter Redner in der Aussprache ist der Kollege
Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
stimmen heute nicht über den kommenden Wahlkampf
in Griechenland oder darüber ab, ob sich Herr Tsipras
der Vertrauensfrage stellt.
Wir stimmen heute über einen Antrag der Bundesregie-
rung mit neun Anlagen ab. Ich finde, das, was in den
letzten Tagen vereinbart worden ist und was in diesem
Antrag steht, verdient Respekt.
Ich gebe für mich ganz ehrlich zu: In dem Zeitraum
Ende Juni/Anfang Juli, in dem die griechische Regie-
rung das Volk aufhetzte, in einem Referendum Nein zu
Reformen zu sagen, und das Volk mit Nein stimmte, gab
es für mich zwei entscheidende Momente. Zum einen
waren das die Folgen in Form von Bankenschließungen
und Kapitalverkehrskontrollen. Zum anderen war es die
Tatsache – da widerspreche ich den Grünen ganz aus-
drücklich in ihrem Antrag, das war kein historischer
Fehler –, in einer Debatte zu beleuchten, was für Grie-
chenland ein genereller Grexit oder ein zeitweiliger
Grexit bedeutet hätte.
Es ist meine feste Überzeugung: Wenn in den letzten
Wochen und Monaten von Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble, von der Bundesregierung insgesamt, nicht so
hart verhandelt worden wäre, hätten wir nicht das vorlie-
gende Ergebnis zur Abstimmung. Das ist an dieser Stelle
meine feste Überzeugung.
Lieber Kollege Willsch, an der Grexit-Debatte stört
mich eins: Sie beschreiben nicht die Folgen.
Griechenland bleibt in der Europäischen Union. Grie-
chenland bleibt im Schengen-Raum. Griechenland bleibt
in der NATO.
Ein Kollege hat gestern in der Arbeitsgruppe Haus-
halt den Vorschlag gemacht, die Konditionen, die wir im
dritten Hilfspaket mit Griechenland vereinbart haben,
mit Entwicklungsländern zu vereinbaren. Eine Konditio-
nierung bei Entwicklungshilfe: Das wäre aus meiner
Sicht dann auch die Alternative für Griechenland gewe-
sen. Mich stört an der Debatte, dass man nur ganz einsei-
tig Haare in der Suppe findet und Situationen beschreibt,
ohne auch darauf hinzuweisen, wo dieser Weg hinführen
würde. Das stört mich ganz erheblich, liebe Kolleginnen
und Kollegen.
Den Grünen will ich eines sagen: Sie sprechen davon,
dass Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Wolfgang
Schäuble die Axt an die Grundwerte in Europa gelegt
haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Verständ-
nis von Solidarität in Europa ist, dass sie auch immer mit
eigener Verantwortung verbunden ist. Mein Verständnis
von Hilfe ist Hilfe zur Selbsthilfe, und mein Verständnis
von Europa ist, dass nicht einer die Regeln bestimmt,
wenn man sich in Europa Regeln gibt, sondern dass die
Regeln, die alle vereinbart haben, auch von allen einzu-
halten sind. Das ist mein Verständnis von Europa.
Hier hat die griechische Regierung einen Weg zurück-
legen müssen. Wer sich die Mühe macht, einen Blick in
die Anlage 3 a zu werfen, sieht, dass die Maßnahmen
48 bis 56 – Kollege Poß, Sie nicken – jetzt unter dem
Druck der Quadriga vom griechischen Parlament zu-
rückgenommen werden. Das betrifft die Steueramnestie
für Reiche. Es geht auch zum Beispiel darum, dass die
hellenische Tourismusorganisation keine Grundsteuern
zahlen muss, und um die überzogenen Subventionen für
Kleinerwerbslandwirte und Nebenerwerbslandwirte in
Griechenland. Man musste erst Druck aufbauen, liebe
Kollegin Lötzsch, bis Syriza das zurückgenommen hat,
was sie fehlerhaft im Februar und März beschlossen ha-
ben. Das haben sie nicht von alleine gemacht.
Kollege Hofreiter, Sie sind gegen Ausgabenkürzun-
gen. Das verstehe ich nicht. Sie sind dagegen, dass in
den beiden kommenden Jahren im griechischen Militär-
haushalt eine halbe Milliarde Euro eingespart wird. Ich
bin dafür, dass da gekürzt wird. Wo denn sonst? Wo
sonst soll bei einer Armee von 175 000 Mann gekürzt
werden?
Ich bin aber auch genauso dafür – das will ich ganz
klar und deutlich sagen –, dass im öffentlichen Dienst
die Mindestrenten eingefroren werden. Ich will Ihnen
auch sagen, warum: weil die Renten in Griechenland,
und zwar die Renten im privaten Sektor und die Klien-
telrenten, die über Jahre von Pasok, ND und wem auch
immer im öffentlichen Dienst ausgereicht worden sind,
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11485
Eckhardt Rehberg
(C)
(B)
ganz weit auseinandergehen. Wir haben auch eine Ver-
antwortung gegenüber den Letten, den Esten, den Litau-
ern, den Slowenen und den Slowaken, die deutlich nied-
rigere Mindesteinkommen und ein deutlich niedrigeres
Sozialniveau haben. Deswegen ist es richtig, auch bei
den Klientelrenten in Griechenland einen Stopp für die
nächsten Jahre vorzusehen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen.
Im Memorandum of Understanding sind 58 Maßnah-
men mit 200 konkreten Terminen vorgesehen, von denen
– das halte ich für sehr bemerkenswert – vier Fünftel
heute schon zumindest im Parlament beschlossen, wenn
auch noch nicht umgesetzt worden sind.
Die entscheidende und härteste Bewährungsprobe in
den nächsten Wochen und Monaten wird übrigens die
Umsetzung sein. Deswegen stimme ich dem Kollegen
Thomas Oppermann zu, dass es richtig ist, dass wir
heute nicht über die Verlängerung von Kreditlaufzeiten
und Schuldenerleichterungen reden – ein Haircut ist
überhaupt nicht möglich –, sondern dass wir das erst
dann in den Blick nehmen, wenn die griechische Regie-
rung gezeigt hat, dass sie das, was vereinbart worden ist,
nicht nur im Parlament beschließen lässt, sondern es
auch administrativ umsetzt. Es hilft überhaupt nichts, die
Erhöhung der Mehrwertsteuern für die kleinen Inseln um
30 Prozent zu beschließen. Das Entscheidende ist nicht
der Beschluss im Parlament, sondern dass die Steuern
auch eingenommen werden. Denn nur dann können sie
in den griechischen Haushalt fließen.
Das ist aus meiner Sicht das, was Tsipras und die grie-
chische Regierung jetzt leisten müssen.
Lieber Johannes Kahrs, dieses Hilfspaket war kein
Selbstläufer, und dieses Hilfspaket wird bis 2018 auch
kein Selbstläufer sein. Ich persönlich würde mich sehr
freuen, wenn wir zu Beginn des kommenden Jahres,
ähnlich wie nach einer gewissen Zeit im Falle von Spa-
nien, Irland, Portugal und Zypern, im Haushaltsaus-
schuss die MoUs, die Reviews, zur Kenntnis nehmen
können und keine Stellungnahme abgeben, weil in dem
Fall die Quadriga attestiert, dass das, was beschlossen
wurde, in Griechenland auch umgesetzt wird.
Wenn Sie sich das Memorandum of Understanding in
seiner ganzen Breite anschauen, dann sehen Sie, dass
hiermit eine Basis gelegt worden ist. Hier hat aus meiner
Sicht die Europäische Kommission eine große Verant-
wortung, nicht nur politisch zu agieren, sondern auch
echte technische Hilfe vor Ort zu leisten, und zwar in
den verschiedensten Bereichen. Dann ist eine Chance
gegeben, dass in Griechenland ein moderner, wettbe-
werbsfähiger Staat entsteht.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist relativ wurscht,
welche Partei am Ruder ist. Für mich ist von Interesse,
dass das umgesetzt wird, was mit den europäischen In-
stitutionen vereinbart worden ist.
Schauen wir uns an, was in den letzten sechs, sieben
Monaten gelaufen ist. Griechenland war 2010 pleite,
weil die Griechen völlig über ihre Verhältnisse gelebt ha-
ben. Griechenland hatte ein Haushaltsdefizit von 15 Pro-
zent, im Jahre 2010 eine Schuldenquote von 150 Pro-
zent. Griechenland war Schritt für Schritt auf dem Weg
zur Besserung. Der Direktor des ESM hat das im Mai in
beeindruckender Weise hier bei uns dargestellt. Grie-
chenland war auf dem Weg der Besserung, und auch im
dritten und vierten Quartal 2014 war Licht am Ende des
Tunnels.
Ich bin ähnlich wie du, Johannes, der Meinung, dass
der unselige Finanzminister Varoufakis ruhig Motorrad
fahren oder in seinem Häuschen seine Zeit verbringen
soll. Das soll mir recht sein. Da können die Bunten in
Europa schreiben, was sie wollen; das stört mich nicht.
Ich hoffe, dass in Griechenland jetzt wirklich Verantwor-
tung von der griechischen Regierung wahrgenommen
wird und dass sie in erster Linie an die zurückliegenden
Wochen und Monate denkt und begreift, was es heißt,
wenn Banken schließen müssen und Kapitalverkehrs-
kontrollen eingeführt werden müssen. Das Entschei-
dende ist, dass dieses Paket jetzt in Griechenland ver-
antwortungsvoll umgesetzt wird. Meine persönliche
Überzeugung ist, dass man dann auch in Griechenland
Wachstum und Beschäftigung schaffen kann.
Ein Abschlusswort, Herr Kollege Gysi. Ich gebe Ih-
nen einen guten Rat. Ich beziehe mich auf die 35 Milliar-
den Euro, die Griechenland von der Europäischen Union
bekommt. Entweder wir zahlen nur 5 Prozent, oder die
5 Prozent werden von der Europäischen Investitions-
bank übernommen. Was Sie zu den Investitionen in
Griechenland erzählt haben, ist der größte sachliche Un-
fug, den ich je im Deutschen Bundestag gehört habe.
Herzlichen Dank.
Zu einer persönlichen Erklärung zur Aussprache er-
hält jetzt der Kollege Nüßlein das Wort.
Anschließend habe ich noch eine wichtige Mitteilung
zu machen. Insofern besteht durchaus Gelegenheit, sich
noch einen Augenblick auf die Plätze zu setzen. Danach
kommen wir zu der namentlichen Abstimmung.
Bitte, Herr Kollege Nüßlein.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr
Kollege Kindler hat mich im Rahmen dieser Debatte in
dieselbe Ecke wie Holocaustleugner gestellt. Ich möchte
das hier an dieser Stelle auf das Schärfste zurückweisen.
Herr Kollege Kindler, weder der Kontext Ihrer Einlas-
sung noch der Kontext meiner Zwischenfrage gab dazu
Anlass. So etwas tut man auch nicht in schärfster rhetori-
11486 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Dr. Georg Nüßlein
(C)
(B)
scher und argumentativer Bedrängnis, nicht unter Kolle-
gen und nicht unter Demokraten.
Sie dürfen davon ausgehen, dass ich mir der histori-
schen Verantwortung Deutschlands absolut bewusst bin.
Sie dürfen aber auch davon ausgehen, dass ich sehr wohl
der Auffassung bin, dass Deutschland jedenfalls für die
Schuldenmisere in Griechenland nichts kann, dass wir
aber eine Verantwortung dafür tragen, diese Problematik
im Interesse Europas zu lösen.
Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen, Herr Kindler,
und würde mich freuen, wenn wir uns im Anschluss in
einem persönlichen Gespräch noch einmal austauschen
könnten. Über eine Entschuldigung würde ich mich auch
freuen.
Vielen herzlichen Dank.
Ich schließe damit unsere Aussprache.
Bevor wir jetzt zu den Abstimmungen kommen, habe
ich noch einen wichtigen praktischen Hinweis mit Blick
auf die Arbeitsfähigkeit der Büros und auch der Kolle-
ginnen und Kollegen, die sich in den nächsten Wochen
vermutlich nicht dauerhaft in Berlin aufhalten wollen
und müssen.
Wie wir bereits mehrfach mitgeteilt haben, wird ab
morgen Abend mit dem Neuaufsetzen der IT-Systeme
des Bundestages begonnen. Während der notwendigen
Arbeiten, die wir hoffen bis einschließlich des Wochen-
endes im Kern erfolgreich durchführen zu können, so-
dass wir im Laufe des kommenden Montags hoffentlich
wieder in vollem Umfang arbeitsfähig werden, kann na-
turgemäß die Bundestags-IT nicht zur Verfügung stehen.
Wir haben gestern Abend erneut in einer E-Mail an
alle Kolleginnen und Kollegen und Büros darauf hinge-
wiesen, was beim Wiederanfahren des Systems am
Montag zu beachten ist. Bei der ersten Anmeldung an
das neue System ab Montag werden Sie bzw. die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter im Büro aufgefordert, das
Passwort zu ändern. So, das setzt voraus, dass einer da
ist – ganz praktisch.
An Parlakom-Geräten in den Büros in Berlin und in
den Wahlkreisbüros werden Sie über die Anmeldemaske
durch das Passwortänderungsverfahren geführt, das Ih-
nen von auch früher üblichen Passwortänderungen be-
kannt sein sollte. Insofern handelt es sich hier weder um
ein ungewöhnliches noch um ein aufwendiges Verfah-
ren. Aber es ist ein unverzichtbares Verfahren, wenn
man im System arbeiten will.
Ein bisschen komplizierter ist die Passwortänderung
für die persönlichen Smartphones oder Tablets. Dafür
gibt es eine Anleitung für die verschiedenen Gerätetypen
im Intranet unter „Aktuelles“. Hier empfehle ich, sich
gegebenenfalls diese Empfehlungen und Handhabungen
auszudrucken.
Jedenfalls würde ich gerne vermeiden, dass nach den
erheblichen und bemerkenswerten Anstrengungen, die
viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den vergange-
nen Wochen vorgenommen haben, ich ab Mitte der Wo-
che verzweifelte Anrufe von Kolleginnen und Kollegen
bekomme, sie hätten gehört, ab Montag wäre das System
wieder verfügbar, sie kämen nur nicht rein. Deswegen
wäre es schon ganz gut, wenn die dafür erforderlichen
Voraussetzungen auch individuell bzw. in den Büros ge-
troffen würden. Wenn es dazu Fragen oder Probleme
gibt, steht Ihnen unser IT-Support unter der bekannten
Durchwahlnummer 117 auch über das Wochenende zur
Verfügung.
So, und nun kommen wir zur Abstimmung über den
Antrag des Bundesministeriums der Finanzen auf den
Drucksachen 18/5780 und 18/5788 zur Einholung eines
zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages,
der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer
Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinba-
rung über ein Memorandum of Understanding zwischen
der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabi-
litätsmechanismus.
Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass der
Antrag auch die Zustimmung zur Auszahlung der ersten
Tranche der Finanzhilfe an Griechenland in Höhe von
26 Milliarden Euro beinhaltet. Darüber muss also nicht
etwa erst zu einem späteren Zeitpunkt gesondert abge-
stimmt werden.
Im Übrigen nehmen wir zahlreiche persönliche Erklä-
rungen zur Abstimmung, die wir erhalten haben, in be-
währtem Verfahren zu Protokoll.1)
Wir stimmen nun auf Verlangen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD über den Antrag namentlich ab. Ich
bitte um einen Hinweis der Schriftführerinnen und
Schriftführer, ob die Urnen jeweils doppelt besetzt sind.
Ich gucke einmal von links über die Mitte nach rechts. –
Es sieht so aus. Dann eröffne ich hiermit die Abstim-
mung.
Ist ein Mitglied im Saal anwesend, das seine Stimme
noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht erkennbar.
Dann schließe ich hiermit die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Da wir nur eine namentliche Abstim-
mung haben, wird das vermutlich zügig gehen, sodass
diejenigen, die ganz gespannt auf das Ergebnis dieser
Abstimmung warten, sich nicht allzu lange gedulden
müssen, bis wir es vorliegen haben.2)
1) Anlagen 2 bis 5
2) Ergebnis Seite 11487 C
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11487
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 18/5789. Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Das sind
ein paar mehr. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Ent-
schließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich für einige Minuten die Sit-
zung und teile Ihnen dann das Ergebnis mit.
Vorsichtshalber weise ich schon jetzt darauf hin, dass
die nächste Sitzung des Bundestages voraussichtlich am
Dienstag, dem 8. September 2015, stattfinden wird. Ge-
hen Sie davon aus, dass das der späteste denkbare Ter-
min ist. Sie bekommen aber rechtzeitig die entsprechen-
den Informationen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums
der Finanzen zur Stabilitätshilfe zugunsten Griechen-
lands mit: abgegebene Stimmen 585. Mit Ja haben ge-
stimmt 454, mit Nein haben 113 Kolleginnen und Kolle-
gen gestimmt, enthalten haben sich 18. Damit ist der
Antrag angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 584;
davon
ja: 453
nein: 113
enthalten: 18
Ja
CDU/CSU
Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Norbert Brackmann
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Thorsten Frei
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Stefan Heck
Mechthild Heil
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Thorsten Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Markus Koob
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Stephan Mayer
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller
Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt
Gabriele Schmidt
Patrick Schnieder
Nadine Schön
11488 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer
Christina Schwarzer
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Dr. Frank Steffel
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel
Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg
Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß
Sabine Weiss
Karl-Georg Wellmann
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Elisabeth Winkelmeier-
Becker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner
SPD
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding
Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil
Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir
Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Axel Schäfer
Dr. Nina Scheer
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula Schulte
Swen Schulz
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr. Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck
Volker Beck
Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Stephan Kühn
Christian Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11489
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein
CDU/CSU
Thomas Bareiß
Manfred Behrens
Veronika Bellmann
Peter Beyer
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Cajus Caesar
Thomas Dörflinger
Hermann Färber
Dr. Thomas Feist
Klaus-Peter Flosbach
Michael Frieser
Alexander Funk
Dr. Thomas Gebhart
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Olav Gutting
Dr. Stephan Harbarth
Matthias Hauer
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Frank Heinrich
Mark Helfrich
Uda Heller
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Hubert Hüppe
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Alois Karl
Jens Koeppen
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Carsten Linnemann
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Tim Ostermann
Sylvia Pantel
Eckhard Pols
Albert Rupprecht
Jana Schimke
Ronja Schmitt
Bernhard Schulte-Drüggelte
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Tino Sorge
Dr. Wolfgang Stefinger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Stephan Stracke
Arnold Vaatz
Ingo Wellenreuther
Marian Wendt
Peter Wichtel
Klaus-Peter Willsch
Dagmar G. Wöhrl
Emmi Zeulner
SPD
Marco Bülow
Thomas Jurk
Jeannine Pflugradt
Peer Steinbrück
DIE LINKE
Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller
Petra Pau
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Azize Tank
Alexander Ulrich
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Hans-Christian Ströbele
Enthalten
CDU/CSU
Wilfried Lorenz
Dr. Andreas Nick
Ulrich Petzold
DIE LINKE
Stefan Liebich
Thomas Nord
Harald Petzold
Richard Pitterle
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Uwe Kekeritz
Sylvia Kotting-Uhl
Monika Lazar
Steffi Lemke
Beate Müller-Gemmeke
Lisa Paus
Corinna Rüffer
Dr. Harald Terpe
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Ta-
gesordnung.
Die nächste Sitzung des Bundestages berufe ich hier-
mit auf Dienstag, den 8. September 2015, ein, soweit
nicht zwischenzeitlich andere Mitteilungen erfolgen.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
ein paar hoffentlich ruhige, besinnliche und erholsame
Tage.