Protokoll:
18090

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 90

  • date_rangeDatum: 4. März 2015

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:45 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/90 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 90. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Jahresab- rüstungsbericht 2014; weitere Fragen . . . . . 8535 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8535 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8536 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8536 B Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 8536 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8536 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8537 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8537 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8537 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8537 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8537 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8538 A Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 8538 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8538 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8538 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8539 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 8539 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8539 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8539 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8540 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8540 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8540 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8541 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8541 B Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 8541 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8541 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8542 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8542 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8542 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8542 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8543 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8543 B Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . 8543 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8543 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8544 D Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8545 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8545 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/4139 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8545 A Mündliche Fragen 1 und 2 Martina Renner (DIE LINKE) Übergabe aller Akten an den Generalbun- desanwalt und Offenlegung der Identitäten sämtlicher V-Personen im Zusammenhang mit dem wiederaufgenommenen Ermitt- lungsverfahren zum Oktoberfestattentat Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8545 C Zusatzfragen Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 8545 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8546 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8546 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8546 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8547 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8547 B Mündliche Frage 3 Klaus Ernst (DIE LINKE) Umgehung des gültigen Tarifvertrages zwi- schen Deutscher Post AG und Verdi im Zu- sammenhang mit der Gründung der Toch- tergesellschaft Delivery Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8547 D Zusatzfrage Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 8547 D Mündliche Frage 4 Klaus Ernst (DIE LINKE) Umgehung bestehender Mitbestimmungs- rechte durch die Deutsche Post AG im Zu- sammenhang mit der Gründung der Toch- tergesellschaft Delivery Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8548 A Zusatzfragen Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 8548 B Mündliche Frage 8 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verkehrspolitische Modellversuche an der Bundesautobahn 9 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8548 D Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8549 B Mündliche Frage 20 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reduktion der CO2-Emissionen bis 2020 Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8550 A Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8550 B Mündliche Frage 21 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einrichtung eines Leseraums zur Einsicht in vertrauliche TTIP-Dokumente in der Berliner US-Botschaft Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8550 D Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8551 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8551 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 III Mündliche Frage 23 Heike Hänsel (DIE LINKE) Kauf von Rüstungsgütern mit Geld aus den Rettungspaketen für Griechenland Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8552 A Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8552 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8552 D Mündliche Frage 24 Heike Hänsel (DIE LINKE) Ausbildung ukrainischer Einheiten durch die US-Armee ab März 2015 Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8553 B Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8553 C Mündliche Frage 32 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausspähung der Chips in SIM-Karten, Reisepässen und Personalausweisen durch die Geheimdienste NSA und GCHQ in den Jahren 2010 und 2011 Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8554 B Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8554 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 8555 B Mündliche Frage 33 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung und derzeitiger Stand der Ge- winnung, Verarbeitung und Auswertung von Massendaten aus dem Internet durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8555 C Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8556 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD: Auswirkung der Ermordung des russischen Politikers Boris Nemzow auf die Politik Russlands . . 8556 C Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 8556 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 8557 B Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . 8558 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8559 B Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 8560 A Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8561 B Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8562 B Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8563 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 8564 C Dr. Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 8565 C Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 8566 C Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8567 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8568 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 8569 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Fi- nanzhilfen zugunsten Griechenlands; Verlän- gerung der Stabilitätshilfe – Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungsme- chanismusgesetzes auf Verlängerung der be- stehenden Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik (89. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8569 C Anlage 3 Mündliche Frage 5 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Austausch mit EU-Nachbarstaaten über eine rechtssichere Formulierung der neuen Gentechnikanbauverbote Antwort Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8570 B IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 Anlage 4 Mündliche Frage 6 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Beratung des Landes Sachsen-An- halt bei dessen Klage gegen erweiterte Haf- tungsregelungen im Gentechnikgesetz durch Professor Dr. Hans-Georg Dederer Antwort Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8570 C Anlage 5 Mündliche Frage 7 Andrej Hunko (DIE LINKE) Schlussfolgerungen zur Gefahrenabwehr im Luftverkehr aus einem Bericht zu Stö- rungen der zivilen Flugsicherung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8570 D Anlage 6 Mündliche Frage 9 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Freigabe von Busspuren für Elektroautos gemäß Elektromobilitätsgesetz in bestimm- ten Kommunen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8571 A Anlage 7 Mündliche Frage 10 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung der steuerlichen Sonderab- schreibung für Elektroautos Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8571 A Anlage 8 Mündliche Frage 11 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fälle unbeabsichtigten Wegrollens eines Zuges am Kölner Hauptbahnhof zwischen 1996 und 2005 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8571 B Anlage 9 Mündliche Frage 12 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erweiterung der Signaltechnik für den Fil- dertunnel nach einem Schlichterspruch Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8571 C Anlage 10 Mündliche Fragen 15 und 16 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Entwicklung des Schienenverkehrslärms im oberen Elbtal in den letzten zwei Jahren und Maßnahmen zur Lärmsenkung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8571 D Anlage 11 Mündliche Frage 17 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützungsmöglichkeiten zur Siche- rung der ukrainischen Atomanlagen Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8572 C Anlage 12 Mündliche Frage 18 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhältnis der Arbeiten beim Projekt Schacht Konrad zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Deutschen Gesell- schaft zum Bau und Betrieb von Endlagern Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8572 D Anlage 13 Mündliche Frage 19 Katrin Kunert (DIE LINKE) Prüfung gesetzlicher Bestimmungen zur Be- rücksichtigung der Interessen des Sports in immissionsschutzrechtlichen Konfliktlagen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 V Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8573 A Anlage 14 Mündliche Frage 22 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesamtsumme der „Winterreserve“ in den kommenden drei Jahren und davon profi- tierende Unternehmen Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8573 B Anlage 15 Mündliche Frage 25 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zunehmende Flüchtlingsströme von Pakis- tan nach Afghanistan Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8574 A Anlage 16 Mündliche Frage 26 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der als Berater in den Norden Afghanistans entsendeten deutschen und internationalen Polizeibeamten Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8574 C Anlage 17 Mündliche Frage 27 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Verhaftung des ukrainischen Journalisten Ruslan Kotsaba in der Westukraine am 8. Februar 2015 durch den ukrainischen Geheimdienst Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8574 C Anlage 18 Mündliche Frage 28 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Aussagen des Staatssekretärs Dr. Ole Schröder in der Fragestunde vom 25. Februar 2015 zum Dogan-Urteil und zur Familienzusammenführungsrichtlinie Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8574 D Anlage 19 Mündliche Frage 29 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Teilnahme von in Deutschland lebenden Karikaturisten am holocaustrelativieren- den Karikaturenwettbewerb des Iran Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8575 B Anlage 20 Mündliche Frage 30 Katrin Kunert (DIE LINKE) Nichtaufnahme unbegleiteter minderjähri- ger Flüchtlinge in Fußballvereine der vier höchsten Ligen laut FIFA-Regeln Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8575 C Anlage 21 Mündliche Frage 31 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Kenntnisnahme des Einleitungsschrei- bens der Europäischen Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren wegen un- zulässiger Binnengrenzkontrollen vom 16. Oktober 2014 durch die Bundestagsab- geordneten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8576 B Anlage 22 Mündliche Frage 34 Andrej Hunko (DIE LINKE) Vorlage der Berichte bzw. Bewertungen zur Gefährdung und Abwehr von Drohnen VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8576 C Anlage 23 Mündliche Frage 35 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Austausch zwischen dem Bundeskriminal- amt und der Polizei des Landes Nordrhein- Westfalen über Verfahren oder Produkte zum polizeilichen Jamming unerwünschter Drohnen Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8577 A Anlage 24 Mündliche Frage 36 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Anforderung sogenannter Advance Pas- senger Information von Fluggesellschaften durch die Bundespolizei Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8577 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8535 (A) (C) (D)(B) 90. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 Beginn: 13.01 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8569 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 04.03.2015 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.03.2015 Dr. Brandl, Reinhard CDU/CSU 04.03.2015 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 04.03.2015 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 04.03.2015 Funk, Alexander CDU/CSU 04.03.2015 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.03.2015 Gottschalck, Ulrike SPD 04.03.2015 Groneberg, Gabriele SPD 04.03.2015 Hajduk, Anja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 04.03.2015 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 04.03.2015 Klare, Arno SPD 04.03.2015 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 04.03.2015 Kühn (Dresden), Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 04.03.2015 Dr. Malecha-Nissen, Birgit SPD 04.03.2015 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 04.03.2015 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.03.2015 Schimke, Jana CDU/CSU 04.03.2015 Dr. Schröder (Wiesbaden), Kristina CDU/CSU 04.03.2015 Spinrath, Norbert SPD 04.03.2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 04.03.2015 Tank, Azize DIE LINKE 04.03.2015 Weiss (Wesel I), Sabine CDU/CSU 04.03.2015 Zimmermann, Pia DIE LINKE 04.03.2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Finanzhilfen zugunsten Griechen- lands; Verlängerung der Stabilitätshilfe – Ein- holung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i.V.m. § 3 Absatz 2 Nummer 2 des Stabilisierungs- mechanismusgesetzes auf Verlängerung der be- stehenden Finanzhilfefazilität zugunsten der Hellenischen Republik (89. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 4) Ich stimme dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, die Finanzhilfefazilität für die Hellenische Re- publik um bis zu vier Monate zu verlängern, zu. Ich setze dabei voraus, dass – es hierbei ausschließlich um eine Verlängerung der Bereitstellungsfrist im Rahmen der ansonsten unver- ändert weiterbestehenden Hilfsvereinbarung zwi- schen der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität, EFSF, und Griechenland geht, damit das jetzt lau- fende Anpassungsprogramm eine Chance hat, erfolg- reich abgeschlossen zu werden, – in dieser Verlängerungszeit jede unkonditionierte Brückenfinanzierung ausgeschlossen ist und deshalb noch offene Auszahlungen erst erfolgen, wenn die im bestehenden Memorandum of Understanding und im Programm des IWF festgeschriebenen Bedingungen zum erfolgreichen Abschluss des Programms ausrei- chend erfüllt sind, Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 8570 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 (A) (C) (D)(B) – die in der von Griechenland jetzt vorgelegten Liste enthaltenen Reformbereiche spezifiziert, unter ande- rem durch einen Zeitplan ergänzt und dabei von den als Troika bekannt gewordenen Institutionen auf die Vereinbarkeit mit dem heutigen Programm überprüft werden, um eine ausreichende Erfüllung der Pro- grammbedingungen und einen erfolgreichen Ab- schluss der laufenden Programmüberprüfung zu er- möglichen, – der erfolgreiche Abschluss dieser Programmüberprü- fung eine erneute Prüfung der Schuldentragfähigkeit mit einschließt mit dem Ziel, die Gesamtverschul- dung bis zum Jahr 2020 auf einen tragfähigen Stand abzusenken – soziale Maßnahmen mit fiskalischen Auswirkungen können deshalb nur in Abstimmung mit den als Troika bekannt gewordenen Institutionen umgesetzt werden; die vereinbarten Fiskalziele sind einzuhalten –, – die Hellenische Republik ihren Rückzahlungsver- pflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, einschließ- lich der Griechischen Darlehensvereinbarung von 2010 und des mit der EFSF geschlossenen Kreditver- trages von 2012, vertragsgemäß nachkommt, – Verhandlungen über eine etwaige Anschlussvereinba- rung für die Zeit nach der viermonatigen Verlänge- rung mit dem Ziel, den Marktzugang Griechenlands wiederherzustellen, nur geführt werden, wenn die be- stehenden Beteiligungsrechte der nationalen Parla- mente gewahrt sind. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 5): Hat sich die Bundesregierung mit Österreich (vergleiche www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/30381. html) und gegebenenfalls anderen europäischen Nachbarstaa- ten, die eine einheitliche, flächendeckende Umsetzung der neuen Gentechnikanbauverbote anstreben, bereits konkret über die rechtssichere Formulierung solcher Anbauverbote ausgetauscht, und, wenn ja, welche Erkenntnisse haben sich daraus ergeben? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt- schaft steht auf Fachebene in informellen Kontakt mit Vertretern der österreichischen Regierung über die Um- setzung der sogenannten Opt-out-Änderungsrichtlinie in nationales Recht. Die informellen Gespräche haben er- geben, dass nach derzeitiger Planung die Gesetze für Anbauverbote und -beschränkungen in Österreich von den Bundesländern erlassen werden, die auch die kon- kreten Anbauverbote und -beschränkungen auf der Grundlage dieser Gesetze erlassen würden. Um zu ver- meiden, dass die Gesetze der Bundesländer zu unter- schiedlich ausfallen, wird erwogen, eine Vereinbarung nach Artikel 15 a der österreichischen Bundesverfassung zu schließen. Die Diskussion über die Umsetzung ist in Österreich noch nicht abgeschlossen. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 6): Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Pro- fessor Dr. Hans-Georg Dederer, der im Auftrag des Bundes- ministeriums für Bildung und Forschung ein Gutachten er- stellt hat, das praktisch sämtliche Umsetzungsmöglichkeiten der neuen Gentechnikanbauverbote als rechtsunsicher und nicht mit dem Welthandelsrecht vereinbar bewertet, das Land Sachsen-Anhalt bei dessen Klage gegen erweiterte Haftungs- regelungen im Gentechnikgesetz vor dem Bundesverfas- sungsgericht, BVerfG, beraten hat (siehe Urteil des BVerfG vom 24. November 2010 – 1 BvF 2/05), und welche Grund- lage hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt- schaft für die Aussage von Bundesminister Christian Schmidt, dass „sämtliche Bundesländer ein Verbot von Gentechnik- Pflanzen anstreben“ (siehe www.rp-online.de/wirtschaft/ gentechnik-novelle-legt-hohe-huerden-fuer-verbot-fest-aid-1. 4899806), insbesondere im Hinblick auf die Länder Sachsen- Anhalt und Sachsen? Nach Auskunft von Herrn Professor Dr. Hans-Georg Dederer hat dieser zu keinem Zeitpunkt die Regierung von Sachsen-Anhalt im Hinblick auf deren gegen das Gentechnikgesetz gerichteten Normenkontrollantrag be- raten oder vertreten. Die Länder haben erklärt, dass sie sich für Anbauver- bote von gentechnisch veränderten Pflanzen aussprechen, zum Beispiel anlässlich der Agrarministerkonferenz am 5. September 2014 und der Umweltministerkonferenz am 24. Oktober 2014. Im Beschluss des Bundesrates vom 11. April 2014 (Drucksache 58/14) heißt es dazu: „Der Bundesrat spricht sich bei der Umsetzung einer sol- chen Regelung in nationales Recht dafür aus, – dass vorrangig national einheitliche Verbote ausge- sprochen werden können und – dass in den Ländern Verbote ausgesprochen werden können, wenn die Bundesregierung von der Verbots- möglichkeit keinen Gebrauch macht.“ Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 7): Welche Schlussfolgerungen zur Gefahrenabwehr im Luft- verkehr zieht die Bundesregierung aus dem seit Dezember 2014 vorliegenden, aber von der Kommission unveröffent- lichten Bericht „Detection losses in Central Europe on the 5th and 10th of June 2014“ zu Störungen der zivilen Flugsicherung im gesamten östlichen Alpenraum durch eine unbekannte ex- terne Störquelle zivilen oder militärischen Ursprungs, und welche weiteren Anstrengungen unternehmen deutsche oder nach Kenntnis der Bundesregierung auch österreichische Be- hörden, um die Ursache für weiterhin auftretende Störungen zu beseitigen oder wenigstens aufzuklären? Die Europäische Kommission wird nach einer Prü- fung des Abschlussberichtes der EASA eine Reihe von Empfehlungen an die Mitgliedstaaten adressieren. Die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8571 (A) (C) (D)(B) Bundesregierung unterstützt diesen Prozess und die wei- tere Umsetzung auf europäischer Ebene. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 9): Sind dem Bundesministerium für Verkehr und digitale In- frastruktur Kommunen bekannt, die beabsichtigen, gemäß Elektromobilitätsgesetz, EmoG, Busspuren für Elektroautos freizugeben? Derzeit werden zum Beispiel in Braunschweig und in Dresden durch Simulationen die Funktionsfähigkeit und Machbarkeit der Freigabe von Busspuren für Elektro- fahrzeuge im Kontext der Integration von motorisiertem Individualverkehr und öffentlichem Personennahverkehr geprüft. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 10): Geht die Bundesregierung davon aus, dass die im Aktions- programm Klimaschutz und im Nationalen Aktionsplan Ener- gieeffizienz angekündigte steuerliche Sonderabschreibung, Sonder-AfA, für Elektroautos noch dieses Jahr eingeführt wird? Zur Einführung einer Sonderabschreibung für Elek- trofahrzeuge sind intensive Abstimmungen zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen erforder- lich, da einer entsprechenden Gesetzesinitiative auch der Bundesrat zustimmen muss. Ob und wann ein entspre- chender Gesetzentwurf vorliegen wird, ist daher noch nicht abzusehen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 11): Wie viele Fälle unbeabsichtigten Wegrollens eines Zuges ereigneten sich nach Kenntnis der Bundesregierung am Köl- ner Hauptbahnhof im Zeitraum von 1996 bis 2005, bitte ge- naue Daten angeben? Im nachgefragten Zeitraum von 1996 bis 2005 ist der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes, EUB, ein Fall bekannt geworden, bei dem ein Zug in Köln Hauptbahnhof unbeabsichtigt ins Rollen gekommen ist. Dabei handelte es sich um ein Ereignis am 28. Dezember 2003 um 10.18 Uhr bei Zug 717. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 12): Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass die Deut- sche Bahn AG angibt, erst am 9. Dezember 2012 unter Ein- fluss des Schlichterspruchs ihre Planungen für den Fildertun- nel (PFA – Planfeststellungsabschnitt – 1.2) dahin gehend geändert zu haben, dass die bis dahin alleinig vorgesehene ETCS-Signalisierung – ETCS: European Train Control Sys- tem – durch konventionelle Ks-Signaltechnik – Ks: Kombina- tionssignal – als Rückfallebene ergänzt wurde (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 12, Plenarprotokoll 18/87), obwohl bereits in den am 19. August 2005 durch das Eisenbahn-Bundesamt planfestgestellten Plan- feststellungsunterlagen festgelegt wurde, dass „bei Ausfall der ETCS/LZB oder für Fahrten von Zügen ohne entspre- chende ETCS-/LZB-Fahrzeugeinrichtungen … als Rückfall- ebene das Ks-System eingesetzt“ wird (Planfeststellungs- unterlagen zu PFA 1.2: Anlage 1: Erläuterungsbericht, Teil III: Beschreibung des Planfeststellungsabschnitts, Seite 19)? Nach Angaben der Deutschen Bahn AG war bis zum Zeitpunkt der Schlichtung eine Ks-Signalisierung nur als Rückfallebene, wie in der Planfeststellung gefordert, ge- plant. Nach der Schlichtung wurde in der Planung eine Voll- ausstattung mit Ks-Signalen vorgenommen, dadurch wurde die Leistungsfähigkeit der Strecken für Züge mit einer Geschwindigkeit bis zu 160 Stundenkilometer un- abhängig vom aktiven Sicherungssystem – ETCS oder Ks – gewährleistet. Damit stellt das Ks-Signalsystem für Züge, die maxi- mal 160 Stundenkilometer schnell sind, nicht nur eine Rückfallebene dar, sondern auch eine vollwertige Regel- betriebsebene. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Fragen 15 und 16): Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Lärm durch den Schienenverkehr im oberen Elbtal (von Schöna bis Meißen) in den letzten zwei Jahren entwickelt, und inwieweit sieht die Bundesregierung Notwendigkeiten und Möglichkei- ten, die Lärmemissionen für die Anwohnerinnen und Anwoh- ner des oberen Elbtals (weiter) zu senken? Was hat die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren zur Senkung des Lärms infolge des Schienenverkehrs im oberen Elbtal getan, und was wird sie diesbezüglich in den Jahren 2015 und 2016 tun? Die Fragen 15 und 16 werden wegen ihres Sachzu- sammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Rahmen des freiwilligen Lärmsanierungspro- gramms des Bundes wurden im oberen Elbtal seit 2004 an rund 1 800 Wohneinheiten mehr als 5 600 Lärm- schutzfenster eingebaut und über 50 Dach- und Fassa- densanierungen durchgeführt. Des Weiteren wurden die Gleisstrecken in Wehlen, Rathen und Königstein im Jahr 2011 aus den Mitteln des Konjunkturpakets II mit inno- 8572 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 (A) (C) (D)(B) vativen Schienenstegdämpfern ausgestattet. Im Rahmen des Sonderprogramms Lärmschutz Schiene des Bundes- ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wur- den 2013 zwischen Pirna und Bad Schandau rund 50 Iso- lierstöße am Gleis entfernt, die aufgrund einer neu in Betrieb genommenen elektronischen Stellwerkstechnik nicht mehr erforderlich waren. Damit konnten die von den Anwohnern als störend empfundenen Klopfgeräu- sche reduziert werden. Darüber hinaus wurden die Bremsbeläge der Doppelstockwagen der S-Bahnlinie S 1 Meißen–Dresden–Schöna erneuert. Damit wurde eine erhebliche Lärmminderung erreicht. Im Zusammenhang mit dem derzeit in Realisierung befindlichen viergleisigen Ausbau des Abschnittes Coswig–Dresden-Neustadt im Zuge des Verkehrsprojek- tes Deutsche Einheit Nummer 9, ABS Leipzig–Dresden, erfolgt Lärmschutz im Rahmen der Lärmvorsorge durch aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen. Der vier- gleisige Ausbau soll voraussichtlich Ende 2016 im We- sentlichen abgeschlossen sein. Zudem ist vorgesehen, im Bereich Coswig eine inno- vative Mini-Lärmschutzwand mit einer Höhe von 38 Zentimetern unmittelbar am Gleis auf einer Länge von insgesamt 2,2 Kilometern zu erproben. Die beson- dere Situation hinsichtlich der erforderlichen Einbau- breite einer Lärmschutzwand – die Strecke liegt in diesem Bereich in Dammlage und im Zuge einer Eisenbahnbrü- cke – hatte die Suche nach einer Lösung erheblich er- schwert. Mit der Neuentwicklung einer Mini-Lärmschutz- wand wird erstmalig eine für diesen Bereich einsetzbare Lärmschutztechnik ermöglicht. Die Errichtung ist im Zeitraum Juni 2015 bis August 2016 vorgesehen. Die Lärmminderung an der Quelle durch Umrüstung der Bremsbeläge der vorhandenen Güterwagenflotte führt im Gegensatz zu konventionellen Lärmschutzmaß- nahmen, die nur punktuelle Wirkung haben, zu einer flä- chendeckenden Lärmreduzierung. Damit wird der Schallpegel des Rollgeräuschs eines Güterwagens um bis zu 10 Dezibel reduziert, was wahrnehmbar einer Hal- bierung der Lärmbelastung entspricht. Zum Fahrplanwechsel 2012/2013 wurde ein lärmab- hängiges Trassenpreissystem, laTPS, eingeführt. Eck- punkte sind eine laufleistungsabhängige Bonuszahlung als Zuwendung des Bundes an die Wagenhalter in Höhe von 50 Prozent auf die fiktiven Mehrkosten für die Um- rüstung auf LL-Bremssohlen. Seit dem 1. Juni 2013 erhebt die DB Netz AG eine lärmabhängige Entgelt- komponente – Malus – zusätzlich zum regulären Tras- senentgelt, wenn der Zug nicht zu mindestens 90 Prozent aus leisen Güterwagen besteht. Der Malus wurde am 14. Dezember 2014 von 1,5 Prozent auf 2 Prozent des Trassenpreises angehoben. Aus den Mehreinnahmen wird die DB Netz AG an die Eisenbahnverkehrsunter- nehmen, die umgerüstete leise Güterwagen einsetzen, ei- nen laufleistungsabhängigen Bonus zahlen. Nach 2020 sollen keine lauten Güterwagen mehr auf dem Strecken- netz in Deutschland fahren dürfen. Im Jahr 2016 wird der Stand der Umrüstung evaluiert. Sollten bis zu diesem Zeitpunkt nicht mindestens die Hälfte der in Deutschland verkehrenden Güterwagen lärm- arm sein, sind nach dem Koalitionsvertrag noch in dieser Wahlperiode ordnungsrechtliche Maßnahmen zu veran- lassen. Zudem sollen auf europäischer Ebene Initiativen ergriffen werden, indem sich Deutschland für die Ein- führung eines EU-Programms zur Förderung der Um- rüstmehrkosten sowie für ein EU-weites Verbot lauter Güterwagen einsetzt. Im Ergebnis wird die Lärmminde- rung für die Anwohner im Verlauf der kommenden Jahre deutlich spürbar werden. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 17): Welche Unterstützungsmöglichkeiten seitens Deutsch- lands zur Sicherung der ukrainischen Atomanlagen haben sich abschließend bei der Prüfung durch die Bundesregierung er- geben (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bun- destagsdrucksache 18/3521), und welche genauen Handlungs- optionen ergeben sich daraus für die Bundesregierung, Bun- desbehörden oder nach Auffassung der Bundesregierung für Forschungs- und Sachverständigenorganisationen – bitte um Erläuterung zu den einzelnen Handlungsoptionen? Die Bundesregierung hat in dem in der Beantwortung der Bundestagsdrucksache 18/3354 beschriebenen Rah- men konkrete Projekte identifiziert und die dafür not- wendigen Mittel aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts bereitgestellt. Die Betreuung der Projekte soll durch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicher- heit gGmbH, GRS, erfolgen. Das zwischenstaatliche Einverständnis der ukrainischen Regierung soll in einem von deutscher Seite bereits eingeleiteten Verbalnoten- wechsel erfolgen, liegt aber momentan noch nicht vor. Die GRS wird vom Auswärtigen Amt vertraglich mit der Projektdurchführung beauftragt. Die Vertragsverhand- lungen werden voraussichtlich bald abgeschlossen sein. Auf Basis des erwähnten Verbalnotenwechsels mit der Ukraine wird die GRS ihrerseits Vereinbarungen zur Durchführung der Projekte mit den jeweiligen ukraini- schen Partnern abschließen und dann sofort mit der Um- setzung beginnen. Es handelt sich um Projekte im Bereich der nuklearen Sicherung. Mit einem Projekt sollen die Detektionskapa- zitäten der ukrainischen Grenztruppen verbessert wer- den. Mit zwei weiteren Projekten sollen Sicherungsein- richtungen an ukrainischen Kernkraftwerken ertüchtigt werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 18): Wie war das spätere anteilige Verhältnis an in Eigenstän- digkeit durchgeführten Arbeiten beim Projekt Schacht Konrad zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Deut- schen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH, DBE, das bei der letzten Organisationsun- tersuchung etc. festgestellt worden ist (in Abgrenzung zu dem Verhältnis von etwa 35 zu 65 Prozent, das laut der Antwort Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8573 (A) (C) (D)(B) der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 52 auf Bun- destagsdrucksache 18/3711 für die schon weiter zurücklie- gende Planungsphase ermittelt wurde; vergleiche in oben ge- nannter Antwort die Aussage: „Mit dem Projektfortschritt und Übergang in die Realisierungsphase steigt der Anteil der DBE, da dieser die Ausführung obliegt“)? Die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern, DBE, wird für den Bund im Rahmen des Endlagerprojektes Schacht Konrad als Erfüllungsgehilfe nach § 9 a Absatz 3 Satz 2 des Atomgesetzes tätig. Mit dem Projektfortschritt in der Realisierungsphase – Um- setzung des Planfeststellungsbeschlusses durch über- und untertägige Errichtungsmaßnahmen – steigt der Leistungsanteil der DBE bis auf 78 Prozent an. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 19): Mit welchem zeitlichen Fahrplan gedenkt die Bundes- regierung sicherzustellen, dass die Prüfung einschlägiger ge- setzlicher Bestimmungen mit dem Ziel einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Sports in immissions- schutzrechtlichen Konfliktlagen mit einem tragfähigen Ergeb- nis zum Abschluss gebracht wird? Der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode sieht die Überprüfung der Sportanlagenlärmschutzverordnung vor. Diesem Auftrag sowie einem Bundesratsbeschluss zur Ergänzung der Sportanlagenlärmschutzverordnung um eine Länderöffnungsklausel und Forderungen der Sportverbände und der kommunalen Spitzenverbände misst das Bundesumweltministerium sehr große Bedeu- tung bei. Deshalb hat das Bundesumweltministerium hierzu am 29. September 2014 ein Fachgespräch mit Ländern und Verbänden durchgeführt. Am 14. Januar 2015 hat sich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit der Sportanlagenlärmschutzverordnung befasst. Auf dieser Sitzung habe ich den aktuellen Stand der Überlegungen zu Änderungen der Sportanlagenlärmschutzverordnung vorgestellt. Nach jetzigem Planungsstand ist vorgesehen, die Prüfung der Änderungsvorschläge zur Sportanlagen- lärmschutzverordnung innerhalb des Bundesumwelt- ministeriums bis Ende Juli 2015 abzuschließen. Im An- schluss soll das Rechtsetzungsverfahren zu daraus resultierenden Änderungen der auf § 23 Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gestützten Sportanla- genlärmschutzverordnung eingeleitet werden. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 22): Von welcher Gesamtsumme geht die Bundesregierung bei der „Winterreserve“ in den kommenden drei Jahren – bitte einzeln aufschlüsseln – aus, und welche Unternehmen haben davon seit dem Inkrafttreten der „Winterreserve“ profitiert? Der Bedarf an Netzreserve wird in jährlichen System- analysen von den Übertragungsnetzbetreibern geprüft und von der Bundesnetzagentur bestätigt. Für die Winter 2015/2016 sowie 2017/2018 hat sich folgender Reserve- bedarf ergeben: 6 000 Megawatt im Winter 2015/2016, 7 000 Megawatt im Winter 2017/2018. Die Feststellung des Reservebedarfs sowie die Systemanalysen sind auf der Webseite der Bundesnetzagentur abrufbar. Der Win- ter 2016/2017 ist derzeit Gegenstand der Systemanaly- sen, die zum 1. April der Bundesnetzagentur vorgelegt und zum 1. Mai von ihr bestätigt werden. Die Gesamtkosten für die Netzreserve können gegen- wärtig nur – auf Grundlage bereits geschlossener Ver- träge – grob abgeschätzt werden. Genaue Zahlen sind erst nach Ablauf der Verpflichtungsperiode unter Einbe- ziehung etwaiger Kosten für den Einsatz der Reserve verfügbar. Dies zugrunde gelegt, ist für den Winter 2015/2016 mit etwa 120 Millionen Euro für die gesamte kontrahierte Reserveleistung in Höhe von 6 000 Mega- watt – In- und Ausland – zu rechnen. Für den Winter 2017/2018 werden nach gegenwärtigem Stand etwa 130 Millionen Euro für die gesamte zu kontrahierende Reserveleistung in Höhe von 7 000 Megawatt – In- und Ausland – erwartet. Die Kontrahierung für diesen Zeit- raum ist gegenwärtig allerdings noch nicht abgeschlossen. In den vergangenen Jahren waren Kraftwerke folgen- der Unternehmen als Reservekraftwerke unter Vertrag.1) Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass für die in Deutsch- land befindlichen Anlagen die reine Kostenerstattung nach § 13 a EnWG i. V. m. der Reservekraftwerksver- ordnung gilt. Tabelle 1: Reservekraftwerke 2011/2012, 2012/2013, 2013/2014 Erzeugungsunternehmen Deutsche ResKw nach § 13 a EnWG – Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG – E.on Kraftwerke GmbH – Großkraftwerk Mannheim AG – Stadtwerke Karlsruhe ResKw im Ausland – Energieversorgung Niederösterreich AG (AUT) – Verbund AG (AUT) Tabelle 2: Reservekraftwerke 2014/2015 Erzeugungsunternehmen Deutsche ResKw nach § 13 a EnWG – Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG – E.on Kraftwerke GmbH – Großkraftwerk Mannheim AG – EnBW Energie Baden-Württemberg AG ResKw im Ausland – Energieversorgung Niederösterreich AG (AUT) – ENEL (IT) – Edison (IT) 1) Eine Aufschlüsselung nach Kraftwerken kann nachgereicht wer- den. Eine Aufschlüsselung der Zahlungen an die Kraftwerke/Be- treiber ist nicht möglich, da dies Betriebs- und Geschäftsgeheim- nisse sind. 8574 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 (A) (C) (D)(B) Tabelle 3: Reservekraftwerke 2015/2016 Erzeugungsunternehmen Deutsche ResKw nach § 13 a EnWG – Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG – E.on Kraftwerke GmbH – EnBW Energie Baden-Württemberg AG ResKw im Ausland – Energieversorgung Niederösterreich AG (AUT) – Energie AG (AUT) – Verbund AG (AUT) – GDF Suez (FR + IT) – ENEL (IT) – Axpo Trading AG (CH) – Alpiq (CH) Anlage 15 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 25): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über zuneh- mende Flüchtlingsströme von Pakistan nach Afghanistan, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung in dieser Hinsicht? Die Bundesregierung erhebt keine eigenen Daten zu Flüchtlingsströmen zwischen Afghanistan und Pakis- tan. Erkenntnissen der Vereinten Nationen und der Inter- nationalen Organisation für Migration, IOM, zufolge ist derzeit ein Anstieg von Flüchtlingen aus Pakistan nach Afghanistan zu verzeichnen. Dabei handelt es sich vor allem um zurückkehrende Afghanen, die oft unregistriert sind. Seit Jahresbeginn sind 37 400 afghanische Flücht- linge aus Pakistan zurückgekehrt. Die Zahl der afghani- schen Flüchtlinge in Pakistan beträgt circa 3 Millionen, davon sind circa 1,9 Millionen registriert. In Gesprächen mit der pakistanischen Regierung erin- nert die Bundesregierung an Pakistans Selbstverpflich- tung zum Prinzip der freiwilligen Rückkehr. Deutschland unterstützt Afghanistan und Pakistan so- wohl im Rahmen der VN – IOM, Flüchtlingshilfswerk UNHCR – als auch bilateral. In Pakistan liegt dabei der Fokus auf dem Ausbau so- zialer und wirtschaftlicher Infrastrukturen in Siedlungs- gebieten der Flüchtlinge sowie dem Kapazitätsaufbau der zuständigen pakistanischen Behörden; 30,6 Millio- nen Euro seit 2009. In Afghanistan unterstützt die Bundesregierung vor allem im Rahmen humanitärer Hilfe für Rückkehrer und Binnenvertriebene – 4,8 Millionen Euro seit 2012 – so- wie durch Beiträge an UNHCR, IOM und Internationa- les Rotes Kreuz; 8 Millionen Euro seit 2013. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 26): Wie viele deutsche und internationale Polizeibeamte sind als Berater im Norden Afghanistans nach Kenntnis der Bun- desregierung derzeit entsandt, und hält die Bundesregierung diese Zahl für ausreichend, um dem afghanischen Ausbil- dungsbedarf gerecht zu werden? Im Norden Afghanistans, das heißt ohne den Standort Kabul, sind derzeit 14 deutsche Polizeibeamte und nach Kenntnis der Bundesregierung 7 internationale Polizei- beamte als Berater im Rahmen der EUPOL Mission, European Union Police Mission in Afghanistan, tätig. Afghanistan ist mittlerweile für die Ausbildung der Polizei selbst verantwortlich. Aus Sicht der Bundesregierung ist die genannte Zahl daher angemessen, um den verbleibenden Beratungsbe- darf sicherzustellen. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 18/4139, Frage 27): Inwieweit hat die Bundesregierung gegenüber der ukraini- schen Regierung bezüglich der Verhaftung des ukrainischen Journalisten Ruslan Kotsaba aus Iwano-Frankiwsk in der Westukraine am 8. Februar 2015 durch den ukrainischen Geheimdienst interveniert, der selbst ein Unterstützer des Maidan war, sich aber gegen die Mobilisierungsaktion der ukrainischen Armee sowie die Fortsetzung des Krieges im Osten des Landes ausgesprochen hat und wegen vermeintli- chen Hochverrats gefangen gehalten wird, wobei ihm bei Ver- urteilung bis zu 15 Jahre Gefängnis drohen (www.tages schau.de/ausland/ruslankotsaba-103.html), und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Kriegsdienst- verweigerung als Form des zivilen Ungehorsams in demokra- tischen Rechtsstaaten nicht strafrechtlich relevant sein darf, sondern ein gesetzlich verbrieftes Bürgerrecht sein muss? Der Bundesregierung sind die Festnahme von Herrn Kozaba und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bekannt. Sie wird das Verfahren gegen ihn aufmerksam beobach- ten, wobei sie erwartet, dass die ukrainischen Gerichte und Behörden die einschlägigen rechtsstaatlichen Stan- dards einhalten und insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung bei der Bewertung der Handlungen von Herrn Kozaba angemessen berücksichtigen werden. Hinsichtlich des Rechts auf Kriegsdienstverweige- rung weist die Bundesregierung darauf hin, dass es auch in der Ukraine für Kriegsdienstverweigerer eine gesetzli- che Regelung gibt, einen Ersatzdienst abzuleisten. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 28): Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8575 (A) (C) (D)(B) Räumt die Bundesregierung ein, dass die Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, in der Fragestunde vom 25. Februar 2015 (Plenarprotokoll 18/87, Seite 8226) falsch waren, wo- nach sich Deutschland im Zusammenhang der Familienzu- sammenführungsrichtlinie angeblich „erst im Pilotverfahren“, noch nicht im Vertragsverletzungsverfahren befinde und der Europäische Gerichtshof im Dogan-Urteil „klar gesagt“ habe, „dass es weiterhin möglich“ sei, einen Sprachnachweis beim Nachzug zu assoziationsberechtigten türkischen Staatsange- hörigen „einzufordern, dass wir aber eine weiter gehende Härtefallregelung brauchen“ – bitte zu beiden Punkten aus- führen –, und was folgt daraus, dass sich entgegen der Ant- wort des Parlamentarischen Staatssekretärs auf meine mündliche Frage 38 (Plenarprotokoll 18/87, Seite 8224) die Ausführungen des Generalanwalts am Europäischen Gerichts- hof, Maciej Szpunar, vom 28. Januar 2015 zur Unzulässigkeit von Sprachtests im Zusammenhang von Integrationsmaßnah- men ausdrücklich doch auch auf die Familienzusammenfüh- rungsrichtlinie bezogen (siehe zum Beispiel Randnummern 45, 46 und 85 der Stellungnahme des Generalanwalts, bitte ausführen)? Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder bezog sich auf das Pilotverfahren 3395/12/ELAR, in dem die Umsetzung der in der Frage- stellung angesprochenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, in der Rechtsache Dogan (C-138/13) überprüft wurde. Dieses Pilotverfahren wurde geschlos- sen. Ein Vertragsverletzungsverfahren ist – worauf in der Antwort zutreffend hingewiesen wurde – bisher nicht eingeleitet worden. Die Bundesregierung prüft derzeit etwaigen gesetzli- chen Anpassungsbedarf beim Sprachnachweis zum Ehe- gattennachzug. Soweit auf die Ausführungen des EuGH-Generalan- walts Szpunar vom 28. Januar 2015 Bezug genommen wird, handelt es sich um das EuGH-Verfahren C-579/13. Wie auch schon in der Antwort zu Ihrer Frage Nummer 29 vom 25. Februar 2015 angegeben, handelt es sich um ein Verfahren aus den Niederlanden, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstel- lung der langfristig Aufenthaltsberechtigten und in diesem Zusammenhang reine Inlandssachverhalte – Nachweis niederländischer Sprachkenntnisse und grundlegende Kenntnisse über die Gesellschaft von Drittstaatenange- hörigen, die die Rechtsstellung eines langfristig Aufent- haltsberechtigten im Sinne der Richtlinie 2003/109 be- reits erworben haben – betrifft. Eine Vergleichbarkeit mit der Frage des Nachweises von Sprachkenntnissen vor Einreise im Rahmen des Ehegattennachzugs nach deutschem Recht ist dementsprechend nicht ohne Weite- res gegeben. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4139, Frage 29): Hat die Bundesregierung Kenntnis über in Deutschland le- bende Karikaturisten, die am holocaustrelativierenden Karika- turenwettbewerb des Iran teilnehmen, und welche konkreten rechtlichen Schritte sind dagegen aus Sicht der Bundesregie- rung möglich? Der Bundesregierung liegen bisher keine Erkennt- nisse zur Teilnahme in Deutschland lebender Karikatu- risten an diesem Karikaturenwettbewerb vor. Im Hinblick auf mögliche rechtliche Schritte ist da- rauf hinzuweisen, dass die Teilnahme an dem Wettbe- werb durch Herstellung und Einreichung einer Karikatur grundsätzlich der durch Artikel 5 Absatz 3 des Grundge- setzes geschützten Freiheit der Kunst, die sich nicht nur auf die schöpferische Tätigkeit selbst, sondern auch auf die Darbietung und Verbreitung des Werks bezieht, un- terfällt. Die Kunstfreiheit kennt keinen Gesetzesvorbe- halt. Sie ist deshalb aber nicht jeder Beschränkung ent- zogen, sondern findet vielmehr ihre Grenze an anderen durch das Grundgesetz geschützten Rechten und Verfas- sungsgrundsätzen. Eine solche verfassungskonforme Grenze ist § 130 des Strafgesetzbuchs, der die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts unter Strafe stellt. Ob und inwieweit diese Norm ihre begren- zende Wirkung entfalten kann, hängt allein von dem je- weils eingereichten Beitrag ab und lässt sich nicht allge- mein beurteilen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 30): Wie beurteilt die Bundesregierung den Fakt, dass laut FIFA-Regeln – FIFA: Fédération Internationale de Football Association – ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nicht in einen Fußballverein eintreten kann, wenn die Mann- schaft der Erwachsenen im Klub in einer der vier höchsten Li- gen spielt, da die Zustimmung der Eltern nicht vorliegt, ob- wohl er einen vom Gericht bestellten Vormund hat und somit der Verdacht des dubiosen Spielervermittlers unbegründet ist, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung hierbei, um die Integration von unbegleiteten minderjährigen Flücht- lingen durch den Fußballsport weiter zu fördern (Süddeutsche Zeitung vom 23. Februar 2015)? Nach dem Grundsatz der Autonomie des organisier- ten Sports haben Vereine und Verbände das Recht, ihre eigenen inneren Angelegenheiten selbstständig und in eigener Verantwortung zu regeln. Sie unterliegen nicht der Disposition der Bundesregierung. Unabhängig davon sieht die Bundesregierung den im Raum stehenden Artikel 19 des FIFA-Reglements be- züglich Status und Transfer von Spielern, der dem Schutz von Minderjährigen aufgrund der dort bestehen- den besonderen Schutzbedürfnisse dient, grundsätzlich positiv. Aufgrund dieses bestehenden Schutzbedürfnisses sind internationale Vereinswechsel oder Erstregistrierun- gen minderjähriger Fußballspieler deshalb streng gere- gelt und lediglich in engen Ausnahmefällen zulässig. Eine solche Ausnahme ist nur mit Zustimmung des für diese Aufgabe von der FIFA-Kommission für den Status von Spielern eingesetzten Ausschusses möglich. Das Gesuch um Zustimmung ist vom Verband, der den Spieler registrieren will, zu stellen. Der Verband muss dabei verschiedene Unterlagen wie beispielsweise den 8576 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 (A) (C) (D)(B) internationalen Freigabeschein, die Geburtsurkunde des Spielers, eine Wohnsitzbestätigung des Spielers und der Eltern, einen Unterkunfts-/Betreuungsnachweis sowie eine elterliche Ermächtigung vorlegen. Nach den der Bundesregierung zur Verfügung stehen- den Informationen fehlten im vorliegenden Einzelfall verschiedene Unterlagen, die für die Erteilung eines Spielerpasses seitens der FIFA erforderlich sind. Ob es sich hierbei unter anderem auch um ein Problem der vor- mundschaftlichen Genehmigung handelte, ist nicht be- kannt. Insofern liegen der Bundesregierung auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass die FIFA jedenfalls tat- sächlich zwischen der Zustimmung der Eltern oder des gesetzlich bestellten Vormundes unterscheidet. Aus Sicht der Bundesregierung wird die elterliche Zustim- mung durch eine entsprechende Zustimmung des Vor- mundes hinreichend ersetzt. Die Bundesregierung sieht im Sport großes Potenzial, um die Integration von Menschen mit Migrationshinter- grund erfolgversprechend und grundsätzlich leichter als in anderen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern. Sie begrüßt daher alle Maßnahmen, die die Integration und Teilhabe im Bereich des Sports fördern. Vor diesem Hin- tergrund fördert die Bundesregierung im Bereich des Sports seit nunmehr 25 Jahren das Programm „Integra- tion durch Sport“, in dem rechtmäßig und auf Dauer in Deutschland lebende Ausländer für regelmäßiges Sport- treiben sowie für ehrenamtliches Engagement im Verein gewonnen werden. Darüber hinaus hat der Deutsche Fußball-Bund die Bundesregierung darüber unterrichtet, dass er Gemein- sam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Mi- gration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, derzeit Informationsbroschüren für Ver- eine und Verbände zu diesem Themenkomplex erarbeitet und parallel hierzu eine offizielle Anfrage bei der FIFA gestellt hat, wie insbesondere mit verfolgten Flüchtlin- gen im Rahmen des internationalen Freigabeprozesses umgegangen werden soll. Die Bundesregierung wird diese Entwicklung auf- merksam verfolgen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/4139, Frage 31): Mit welcher Begründung verweigert die Bundesregierung den Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine Kenntnis- nahme des Einleitungsschreibens der Europäischen Kommis- sion zum Vertragsverletzungsverfahren vom 16. Oktober 2014 wegen unzulässiger Binnengrenzkontrollen (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 18/3996), ob- wohl es in § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union (EUZBBG, „Grundsätze der Unterrichtung“) heißt, dass „umfassend“ zu Angelegenheiten der EU berichtet werden soll, in § 3 Absatz 2 EUZBBG, dass sich die Unterrichtung insbesondere auf „Stellungnahmen“ der Kommission erstreckt, und in § 4 Absatz 1 EUZBBG, dass alle bei der Bundesregierung eingehenden Dokumente der Or- gane der EU dem Deutschen Bundestag übersandt werden sol- len, sodass nach meiner Auffassung offenkundig ist, dass es sich um eine ungewollte Regelungslücke handelt, wenn in § 4 Absatz 6 EUZBBG nur Richtlinien und nicht Verordnungen erwähnt werden (bitte ausführlich begründen, auch, warum eine Übersendung des Einleitungsschreibens nicht nach § 3 in Verbindung mit § 4 Absatz 1 EUZBBG erfolgt)? § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bun- desregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union, EUZBBG, in Verbin- dung mit § 4 Absatz 1 EUZBBG regeln die allgemeinen Grundsätze der Unterrichtungspflicht der Bundesregie- rung gegenüber dem Deutschen Bundestag. Eine spe- zielle Regelung zur Unterrichtungspflicht der Bundes- regierung in Vertragsverletzungsverfahren ist in § 4 Absatz 6 EUZBBG vorgesehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ist diese auf die „ausgebliebene, un- vollständige oder fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien durch den Bund“ beschränkt. Bereits aus rechtssystema- tischen Gründen kann daher nicht auf die allgemeinen Unterrichtungsgrundsätze zurückgegriffen und so die spezielle Regelung des § 4 Absatz 6 für Vertragsverlet- zungsverfahren erweitert werden. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 34): Wann sollen nach gegenwärtigem Stand die beiden Be- richte bzw. Bewertungen zur Gefährdung und Abwehr von Drohnen vorliegen, die in der Deutsch-Französischen Kom- mission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtun- gen und in einer Bund-Länder-Projektgruppe zur „potenziel- len Schadwirkung und der Abwehr von unbemannten Luftfahrzeugen“ erarbeitet werden (vergleiche Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 18/3608 und auf meine mündliche Frage 38, Plenarprotokoll 18/72), und bei bzw. mit welchen Firmen oder Behörden wurde vom Bundeskriminal- amt der „Sachstand zu möglichen Gefährdungsszenarien“ und Verfahren zur „kontrollierten Zwangslandung“ erhoben bzw. Marktsichtungen vorgenommen? Zu einem derartigen Bericht liegen der Deutsch-Fran- zösischen Kommission für Fragen der Sicherheit kern- technischer Einrichtungen, DFK, keine Erkenntnisse vor. Eine abschließende Bewertung der für die Siche- rung von Kernkraftwerken zuständigen französischen Behörden steht noch aus. Der zweite Zwischenbericht der Bund-Länder-Pro- jektgruppe „UAV“ – „Detektion und Abwehr von zivilen Unmanned Aerial Vehicles“ – wird dem Unterausschuss Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung, UA FEK, zur Frühjahrssitzung am 18./19. März 2015 in Münster vorgelegt. Sachstanderhebungen wurden bei folgenden Firmen durchgeführt: Fa. Rheinmetall AG, Airbus Space and Defense, ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, DeDrone GmbH, MDBA Germany. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. März 2015 8577 (A) (C) (D)(B) Folgende Behörden wurden einbezogen: Über die Teilnehmer der Bund-Länder-Projektgruppe „Detektion und Abwehr von zivilen Unmanned Aerial Vehicles, UAV“ hinaus gab es Kontakte zur Bundeswehr sowie zu niederländischen und britischen Polizeibehör- den, DLOS, CAST. Verfahren zur „kontrollierten Zwangslandung“ wur- den in der Vergangenheit lediglich informatorisch ange- sprochen. Eine weiter gehende Informationserhebung hat nicht stattgefunden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 35): Über welche Verfahren oder Produkte – bitte die Herstel- ler benennen – zum polizeilichen „Jamming“ von uner- wünschten Drohnen haben sich das Bundeskriminalamt und die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen ausgetauscht (Plenarprotokoll 18/72), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den dort betrachteten Verfahren oder Technologien? Im Rahmen einer Versuchsreihe des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste Duisburg wurden Fragen zum Verfahren „Jamming“ von Funkfernsteuerungen ausgetauscht. Das Bundeskriminalamt hat die Versuchs- reihe an einem Tag begleitet. Erste Tests sind durchge- führt worden. Für eine genaue Bewertung sind noch wei- tere systematische Erprobungen erforderlich. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) (Drucksache 18/4139, Frage 36): In welcher Häufigkeit fordert die Bundespolizei von den Fluggesellschaften auf der Basis einer Lagebewertung bei ausgewählten ankommenden Flügen über EU-Außengrenzen sogenannte Advance Passenger Information, API-Daten, an (Bundestagsdrucksache 18/2972, bitte, wenn möglich, einen täglichen Durchschnittswert angeben), und nach welchem Verfahren wird ausgewählt, wann, von wem oder für welche Flüge die API-Daten angefordert werden? Auf der Grundlage von § 31 a des Bundespolizeige- setzes fordert die Bundespolizei bei allen ankommenden Flügen API-Daten aller jeweiligen Passagiere an, wenn der Ausgangsflughafen auf einer Liste mit Herkunfts- flughäfen in einer Reihe von Drittstaaten steht, die vom Bundespolizeipräsidium in Potsdam festgelegt wird. Bei der Entscheidung über die Aufnahme eines bestimmten Herkunftsflughafens berücksichtigt das Bundespolizei- präsidium in Konsultation mit anderen Sicherheitsbehör- den die folgenden Kriterien: Erkenntnisse über uner- laubte Einreisen und unvorschriftsmäßig ausgewiesene Passagiere aus dem jeweiligen Drittstaat; Erkenntnisse über von dem jeweiligen Drittstaat ausgehende terroristi- sche Risiken. Die Liste wird regelmäßig – turnusmäßig und auch anlassbezogen – überprüft und gegebenenfalls aktuali- siert. Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 90. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Befragung der Bundesregierung TOP 2 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zur Auswirkung der Ermordung des russischen Politikers Nemzow Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich und rufe unseren Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat uns als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Jahresabrüstungsbericht
2014.

Für den einleitenden Bericht steht der Bundesaußen-
minister Frank-Walter Steinmeier zur Verfügung. Anschlie-
ßend werden Fragen dazu und gegebenenfalls sonstige
Fragen an die Bundesregierung aufgerufen.

Herr Minister, bitte schön.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute hat das Bundeskabinett den 32. Jahresabrüstungs-
bericht der Bundesregierung verabschiedet. Wie Sie wis-
sen, fällt dieser Bericht in eine außen- und sicherheits-
politisch äußerst brisante Zeit: Konflikte in der Ukraine,
in Syrien und im Irak sowie der Vormarsch von Terror-
gruppen wie ISIS im Mittleren Osten oder Boko Haram
in Afrika. Wir sind mit einer Vielzahl von internationa-
len Krisen konfrontiert, wie es in der jüngeren Vergan-
genheit geradezu beispiellos ist.

Was den Einsatz der OSZE im Rahmen der Ukraine-
Krise angeht, wird deutlich, welch große Bedeutung der
Rüstungskontrollpolitik in der Tat zukommt. Es wird
aber auch klar, mit welchem Einsatz und welchen Risi-
ken sie verbunden ist. Denken Sie zum Beispiel an die
Geiselnahme deutscher und internationaler Inspektoren
im Frühjahr 2014 in der Region von Luhansk, die am
Ende glücklich ausgegangen ist. Ich will die Gelegenheit
nutzen, um allen beteiligten Soldatinnen und Soldaten
sowie den zivilen Helferinnen und Helfern an dieser
Stelle für ihren Einsatz recht herzlich zu danken.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Dank an die Bundeswehr will ich auf ihre Hilfe,
Unterstützung und maßgebliche Rolle bei der Vernich-
tung von Chemiewaffen aus Syrien ausweiten. In Kürze
werden hier in Deutschland in der Tat die letzten Reste
von insgesamt 360 Tonnen Senfgas aus syrischen Che-
miewaffenbeständen vernichtet sein. Gerade jetzt, wo in
Syrien die neue Bedrohung der ISIS-Banden wütet, wird
vielleicht umso deutlicher, wie unendlich wichtig es ist,
dass wir diese Waffen – hoffentlich noch rechtzeitig –
aus der Welt geschafft haben.

Auch in den Iran-Verhandlungen gibt es vorsichtige
Anzeichen für Hoffnung. Wer die Verhandlungen der
letzten zehn Jahre in Erinnerung hat, der muss zugeben
– das wurde auch gestern in Genf gesagt –: In den neun
Jahren zuvor sind wir nicht so weit gekommen wie in
den letzten zwölf Monaten. – Zum ersten Mal habe ich
den Eindruck, dass auch die iranische Seite wirklich
ernsthaft mit dem Ziel eines Abschlusses verhandelt. Es
sind nicht alle Hürden überwunden. Aber angesichts des
bisherigen Fortschritts lohnt es sich, um auch die letzten
Hürden in Angriff zu nehmen. Man muss hoffen, dass
Mut, Kreativität, aber auch Bereitschaft aufseiten des
Iran, tatsächlich auf Atomwaffen zu verzichten, ausrei-
chen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das sind Krisen-
herde, auf die wir natürlich aktuell reagieren müssen.
Aber zugleich müssen wir uns fragen: Ist es eigentlich
Zufall, dass so viele und so komplexe Krisen zur glei-
chen Zeit stattfinden? Ich glaube, es entladen sich syste-
matisch Spannungen in einer Welt, in der uns bekannte
internationale Ordnungsstrukturen an Prägekraft verlo-
ren haben und die auf der einen Seite enger zusammen-
wächst, in der auf der anderen Seite Gegensätze umso
häufiger aufeinanderprallen. Deutschland ist als global
vernetztes Land wie kein anderes auf den Erhalt bzw. die
Stärkung einer regelbasierten Ordnung angewiesen. Des-
halb bemühen wir uns um die Stärkung der internationa-
len Ordnung.

In diesem Zusammenhang sehe ich auch das heutige
Thema Abrüstung. Ganz bewusst habe ich deshalb ges-
tern den Weg nach Genf angetreten und habe dort vor
der Abrüstungskonferenz geredet. Aufgrund der Abrüs-





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

tung entstehen seit Jahrzehnten Verträge, Prozesse und
Bausteine der internationalen Ordnung. Vor zwei Mona-
ten trat der internationale Waffenhandelsvertrag ATT in
Kraft, ein Meilenstein für die internationale Regulierung
von Rüstungsexporten, insbesondere von Kleinwaffen.
Genauso wie viele andere Fälle zeigt dieser Fall: In der
Abrüstung findet seit Jahrzehnten das wichtigste Prinzip
für die internationale Ordnung umfassend Anwendung,
nämlich der Multilateralismus. Die Abrüstung ist Teil
der Arbeit an der internationalen Ordnung und Teil der
Arbeit bei der Schaffung internationaler Regeln, die wir
erneuern und stärken müssen.

Zum Schluss. In diesem Hohen Hause genießt die Ar-
beit für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbrei-
tung seit Jahren einen hohen Stellenwert und breite Un-
terstützung von allen Seiten. Dafür bedanke ich mich
und setze darauf, dass dies auch im größeren Kontext der
internationalen Friedensordnung und in den wahrhaftig
schwierigen Fragen, die noch auf uns zukommen wer-
den, der Fall sein wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000100

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe bereits eine

ganze Reihe von Wortmeldungen notiert und bitte die
Geschäftsführer, zu helfen, dass wir niemanden überse-
hen. Als Erster Herr van Aken.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809000200

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr

Steinmeier. – Abrüstung fängt bekanntlich zu Hause an;
sonst findet sie gar nicht statt. Ich finde erwähnenswert,
dass Sie in Ihren Ausführungen, aber auch bei den
Schwerpunkten Ihres Jahresrüstungsberichtes 2014 zum
Beispiel auf die Nuklearwaffen im Iran hinweisen, aber
nicht auf die in Deutschland.

Ich frage Sie, Herr Steinmeier: Sind die amerikani-
schen Atomwaffen mittlerweile aus Deutschland abge-
zogen, oder sind sie immer noch in Büchel stationiert?
Ich weiß, dass der ehemalige Bundesaußenminister Herr
Westerwelle dies wenigstens zum Thema gemacht hat.
Er hat zwar überhaupt nichts getan, hat es aber wenigs-
tens zum Thema gemacht. Davon finde ich bei Ihnen gar
nichts mehr wieder. Heißt das, dass sie weg sind oder
dass Sie das Thema aufgegeben haben? Sie müssen sich
hier selbst einmal an die Nase fassen. Was tut die Bun-
desregierung für die nukleare Abrüstung nicht nur im
Iran – es ist völlig richtig, was dort passiert –, sondern
auch in Deutschland?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000300

Herr Minister.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herzlichen Dank für die Frage. – Das Thema ist kei-
neswegs aufgegeben. Es ist nach wie vor virulent, aber
es ist ebenso schwierig wie in den letzten Jahren. Die
Bundesregierung setzt sich – das wissen Sie; die meisten
wollen es auch wissen – gegenüber den USA und Russ-
land dafür ein, dass Verhandlungen zu verifizierbarer und
vollständiger Abrüstung im substrategischen Nuklearbe-
reich tatsächlich beginnen. Erfolgreiche Abrüstungs-
gespräche schaffen die Voraussetzung dafür, dass der
Abzug der in Deutschland und Europa stationierten tak-
tischen Atomwaffen tatsächlich stattfindet. Wir selbst
sind in der Frage unverändert engagiert. Das Auswärtige
Amt hat gerade erst im letzten Jahr, im März 2014, ge-
meinsam mit der Stiftung Wissenschaft und Politik ein
internationales Seminar veranstaltet, bei dem Experten
darüber diskutiert haben, auf welche Weise und in wel-
chen Schritten nichtstrategische Nuklearwaffen unter
russischer und amerikanischer Beteiligung abgerüstet
werden können. Immerhin: Das Gute daran war, dass
sich Russen und Amerikaner an dieser Debatte beteiligt
haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000400

Frau Finckh-Krämer.


Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):
Rede ID: ID1809000500

Ich habe drei kurze Fragen. Die erste Frage zur Nicht-

verbreitungs- und Abrüstungsinitiative, NPDI. Wird es
dazu vor der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffen-
sperrvertrag ein Außenministertreffen geben, und, wenn
ja, mit welchen Themen bzw. welchem Ziel?

Zweitens, Vertrag über den Offenen Himmel. Wie ist
der Stand bei der Beschaffung eines eigenen deutschen
Beobachtungsflugzeuges?

Drittens, der sogenannte P-5-Prozess, der nach der
letzten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperr-
vertrag entstanden ist. Welche Bedeutung für die Über-
prüfungskonferenz misst die Regierung diesem Prozess
bei?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Erstens. Was ein Außenministertreffen vor der nächs-
ten Konferenz angeht, so wird noch geprüft, ob das sinn-
voll ist. Es macht, glaube ich, nur Sinn, die Außenminister
zusammenzubringen, wenn wir von der Expertenebene
das Signal bekommen, dass es Fortschritte auf der Ar-
beitsebene gegeben hat. Um es in aller Offenheit zu sa-
gen: Das ist bisher noch nicht der Fall. Insofern ist die
Frage nach dem Treffen der Außenminister noch nicht
abschließend mit Nein zu beantworten; aber es muss sich
bis dahin noch etwas bewegen.

Zweitens. Was die Anschaffung eines eigenen Über-
wachungsflugzeugs angeht, so ist dazu bisher keine ab-
schließende Entscheidung innerhalb der Bundesregie-
rung getroffen.

Drittens. Der P-5-Prozess geht voran. Er widmet sich
den Fragen, die eben in der ersten Frage von Herrn van
Aken schon angesprochen worden sind, und weiteren
noch offenen Fragen, insbesondere der Frage, wie wir
die Staaten, die zwar Atomwaffenstaaten, aber nicht Un-





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

terzeichner des Atomwaffensperrvertrages sind, nach
und nach in das Kontrollregime einbeziehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000600

Frithjof Schmidt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke. – Herr Außenminister, Sie haben in Ihrem
Vortrag auch die Bedeutung von Kleinwaffen angespro-
chen, gerade auch die Proliferation von Kleinwaffen.
Die Bundesregierung selbst sagt, dass gerade Staaten mit
fragiler Staatlichkeit besonders unterstützt werden soll-
ten. Welche konkreten Überlegungen gibt es, den Export
von Kleinwaffen restriktiv zu gestalten? Gibt es Fort-
schritte bei der Markierung von Kleinwaffen? Gibt es
Überlegungen, bestimmte Staaten oder Staatengruppen
zu listen und dann generell den Export von Kleinwaffen
dorthin nicht mehr zu genehmigen? Welche konkreten
Schritte zur Umsetzung der Beschränkung von Klein-
waffenexporten wollen Sie also unternehmen?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Zunächst zu unserem multilateralen Engagement, das
durchaus über die Grenzen unseres eigenen Landes hi-
naus anerkannt wird. Deutschland hat in den wichtigsten
multilateralen Foren – dazu gehören natürlich zuvörderst
die Vereinten Nationen, aber auch die OSZE – durch in-
haltliche und finanzielle Beiträge nicht nur zur Verbesse-
rung der Kontrolle des illegalen Handels, sondern auch
– Waffen sind ja im Verkehr – zum besseren, sicheren
Umgang mit Kleinwaffen ein hohes Profil erworben. Bei-
spiel dafür ist der Einsatz beim letzten Staatentreffen zum
VN-Kleinwaffenaktionsprogramm für den vermehrten
Gebrauch neuer Technologie zur Sicherung von Klein-
waffen vor Diebstahl und unberechtigter Benutzung;
dazu gehört auch die Kennbarmachung der Herkunft von
Waffen.

Das Auswärtige Amt engagiert sich mit über 5 Millio-
nen Euro bei konkreten Projekten zur weltweiten Umset-
zung der Vorgaben des Kleinwaffenaktionsprogramms.
Die wichtigen Partner sind dabei das Abrüstungsbüro
der Vereinten Nationen, die OSZE und die NATO.

In dem Abrüstungsbericht selbst, der Ihnen vorliegt,
sind verschiedene Projekte aufgeführt, die wir bilateral
unterstützen, zum Beispiel die langfristige Förderung ei-
ner nationalen Kleinwaffenkommission an der Elfen-
beinküste, aber auch Projekte in anderen afrikanischen
Staaten, wo Kleinwaffen ein großes Problem sind.

Ansonsten darf ich darauf hinweisen, dass sich diese
Bundesregierung nicht nur einer größeren Transparenz
beim Rüstungsexport, sondern auch einer sehr nachhalti-
gen Kontrolle möglicher Empfängerländer, gerade be-
züglich des Missbrauchs von Kleinwaffen, verschrieben
hat.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000700

Ich möchte noch einmal auf die Zeitvorgaben auf-

merksam machen. Ich weiß, dass es bei komplexen The-
men ein bisschen schwierig ist, diese einzuhalten. Aber
es gibt so viele Nachfragen, dass gegebenenfalls ergän-
zende Informationen noch bei der Beantwortung der
nächsten oder übernächsten Frage vermittelt werden
können. – Frau Vogler ist die nächste Fragestellerin.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809000800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich

möchte an das anknüpfen, was Sie eben gesagt haben.
Wie verträgt es sich mit dem Engagement der Bundes-
regierung gegen die weitere Verbreitung von Kleinwaf-
fen, dass kürzlich bei einem Besuch des Wirtschafts-
staatssekretärs Beckmeyer in Indien auch die Firma
Heckler & Koch Teil der Delegation gewesen ist? Wie
verträgt sich die Tatsache, dass viele Mitglieder dieses
Hauses und auch Mitglieder der Bundesregierung noch
kurz vorher beim Red Hand Day gegen den Einsatz von
Kindersoldaten eingestanden sind, damit, dass die Bun-
desregierung offensichtlich den Export von Kleinwaffen
durch die Beteiligung dieser Firma an der Wirtschafts-
delegation fördert, und zwar in ein Land, in dem nach-
weislich Minderjährige in bewaffneten Konflikten ein-
gesetzt werden? Wie verträgt sich das mit der von Ihnen
gerade postulierten Transparenz, dass genau dieser Teil
der Staatssekretärsreise vor der Öffentlichkeit geheim
gehalten wurde?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich nehme an, dass Sie diese Frage unmittelbar an
Herrn Staatssekretär Beckmeyer richten wollen. – Wenn
das nicht der Fall ist, dann antworte ich Ihnen gerne wie
folgt: Ich begrüße es sehr, dass sich viele Abgeordnete
nicht nur an der Red-Hand-Diskussion beteiligen, son-
dern auch Gesicht zeigen und deutlich machen, dass sie
den Export und die Benutzung von Kleinwaffen in fal-
schen Händen möglichst gering halten, wenn nicht sogar
ausschließen wollen.

Was die Reise von Angehörigen der Bundesregierung
in Drittländer angeht: Bei den Reisen von Ministern und
Staatssekretären sind neben Abgeordneten des Deut-
schen Bundestages Delegationen – in meinem Fall
häufig Kulturdelegationen –, selbstverständlich auch
Wirtschaftsdelegationen, dabei. Daran ist, finde ich,
überhaupt nichts auszusetzen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809000900

Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809001000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister,

Sie haben in Ihrem kurzen Bericht ein paarmal den Iran
angesprochen. Mich interessiert, ob Sie die Auffassung
Ihres Kabinettskollegen Gabriel teilen, der im Hinblick
auf den Blogger Badawi am Wochenende gesagt hat,
dass man Herrn Badawi am besten helfen könne, indem
man öffentlich nicht über den Fall spricht. – Das ist auch
eine versteckte Kritik an dem unglaublich starken Enga-
gement von Amnesty International und vieler internatio-
naler NGOs, die den Fokus der Öffentlichkeit auf die
dramatische Situation dieses Bloggers in Bezug auf die





Britta Haßelmann


(A) (C)



(D)(B)

Menschenrechtsverletzungen gerichtet haben. Daher in-
teressiert mich: Teilen Sie die Auffassung von Herrn
Gabriel, dass wir das lieber ausschweigen sollten? – Das
betrifft allerdings Saudi-Arabien und nicht den Iran.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich glaube, Sie unterstellen Herrn Gabriel etwas, was
er so gar nicht zum Ausdruck bringen wollte. Wenn Sie
mit Ihrer Frage zum Ausdruck bringen wollen, dass es
nur einen richtigen Weg gibt, um den Bedrängten und
– wie in diesem Fall – den Geschlagenen zu helfen, dann
will ich Ihnen sagen: Ich habe gerade gestern Nachmit-
tag in Genf ganz offen mit Amnesty International ge-
sprochen. Es ging nicht nur um den von Ihnen genannten
Fall, sondern auch um die unterschiedlichen Möglich-
keiten und Wege, die wir nehmen müssen, um solchen
Menschen in ihrer jeweiligen Situation zu helfen.

Jenseits der etwas plakativen Gegenüberstellungen,
was richtig ist, die öffentliche Pressekonferenz oder der
Versuch, die Kontakte in diese Regionen oder diese Län-
der zu nutzen,


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht mein Thema!)


wissen die NGOs sehr genau, dass wir sowohl sichtbar
machen müssen, welches Schicksal einzelnen Menschen
in dieser Region droht, als auch andere Möglichkeiten
nutzen müssen, die nicht jeder zur Verfügung hat, um auf
das Schicksal derjenigen anzusprechen und möglichst
Besserung zu erreichen. Ich glaube, das eine gegen das
andere auszuspielen, bringt nichts und hilft insbesondere
den Menschen dort nicht.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehe ich ja genauso!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001100

Kollege Mützenich.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1809001200

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich finde es sehr ange-

messen, dass wir heute noch einmal daran erinnern, dass
Deutschland einen sehr wichtigen Beitrag bei der Ver-
nichtung der syrischen Chemiewaffen geleistet hat,
umso mehr, als sich eine Fraktion mehrheitlich nicht zu
einem Ja durchringen konnte. Das zeigt im Grunde ge-
nommen, dass die Abrüstung sehr stark zur Schau ge-
stellt wird, dann aber, wenn es hart auf hart kommt, eine
Zustimmung verweigert wird.

Mich interessiert, Herr Bundesaußenminister, wie
Deutschland gerade hier eine weitere Unterstützung der
Vereinten Nationen bei dem gemeinsamen internationa-
len Anliegen betreffend Abrüstung und Rüstungskon-
trolle leisten kann. Vielleicht können Sie insbesondere
darauf noch einmal Bezug nehmen, dass wir leider vor
einigen Monaten erleben mussten, dass durch die Anne-
xion der Krim auch das Budapest-Abkommen verletzt
wurde, wodurch möglicherweise der Verbreitung der
Atomwaffen Vorschub geleistet wurde, weil damals die
Ukraine im Zusammenhang mit dem Budapest-Abkom-
men die russischen Atomwaffen nach Moskau zurückge-
geben hat. An diesen Anlass und diesen Zusammenhang
muss man immer wieder erinnern.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Vielen Dank für die Erinnerung an zurückliegendes
Abstimmungsverhalten, das manchmal merkwürdig
kontrastiert mit den Vorwürfen, die an uns oder die Bun-
desregierung gerichtet werden. – Ich erinnere daran, dass
wir seit Beginn der Regierungstätigkeit unablässig dafür
geworben haben, dass trotz der schwieriger gewordenen
Zeiten zum Beispiel ein Militärbündnis wie die NATO
das Thema Abrüstung nicht als Projekt verwirft, wohl
wissend, dass es im Augenblick nur schwer voran-
kommt. Wir haben beim letzten NATO-Gipfel im
Grunde genommen noch einmal die Formulierung auf-
rechterhalten, dass die in der NATO verbündeten Staaten
über mehr Transparenz und gegenseitige Kontrolle bei
Rüstungsverfahren miteinander ins Gespräch kommen;
dieses Angebot gilt auch für Russland.

Aus den Gründen, die eben genannt worden sind, dem
Völkerrechtsverstoß bei der Annexion der Krim, dem
Verstoß gegen das Budapester Abkommen, sind wir jetzt
in einer Situation, die auch gestern in der Genfer Abrüs-
tungskonferenz eine große Rolle gespielt hat. Das alles
hat in kurzer Zeit so viel Vertrauen zerstört, dass wir auf
vielen anderen Wegen, selbst da, wo in letzter Zeit
leichte Fortschritte erkennbar waren wie beim Umgang
mit spaltbarem Material, im Augenblick zurückfallen.
Insofern müssen wir uns bei der Entschärfung der
Ukraine-Krise möglichst auf eine politische Lösung kon-
zentrieren, um auf anderen Feldern der Rüstungspolitik,
der Rüstungskontrollpolitik und der Abrüstungspolitik
wieder voranzukommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001300

Frau Brugger.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Minister, ich
würde gern an eine Frage anknüpfen, die der Kollege
van Aken gestellt hat. Ich freue mich, zu hören, dass sich
die Bundesregierung dem Ziel des Abzugs der US-
Atombomben aus Deutschland noch verpflichtet fühlt.
Das konnte man in den letzten Monaten nicht so stark
wahrnehmen. Es ist auch sicherlich gut, dass Sie Ver-
handlungen zwischen den USA und Russland unterstüt-
zen wollen, auch wenn sie derzeit als nicht besonders
wahrscheinlich erscheinen. Trotzdem gibt es weitere
Fragen, die damit zusammenhängen und bei denen sich
die Bundesregierung endlich einmal positionieren
müsste; denn die USA modernisieren ihre Atomwaffen.
Davon sind auch die in Büchel gelagerten betroffen.

Für Deutschland stellt sich ganz konkret die Frage,
wie sich die Bundesregierung zu diesen Modernisie-
rungsplänen verhält. Wird es dadurch, dass diese Waffen
für Milliardenbeträge modernisiert werden, nicht un-
wahrscheinlicher, dass diese Waffen abgezogen werden?





Agnieszka Brugger


(A) (C)



(D)(B)

Ich frage auch vor dem Hintergrund, dass es in den USA
eine Debatte darüber gibt, dass sich die Staaten, in denen
diese Waffen gelagert sind, an den Kosten beteiligen sol-
len. Dazu, dass Deutschland Bundeswehrpiloten entspre-
chend ausbildet und den Tornado als Trägermittel für ei-
nen möglichen Abwurf dieser Waffen bereitstellt – diese
Modernisierung würde viele Millionen kosten –, hüllt
sich die Bundesregierung aber in Schweigen. Ich glaube,
es wäre wichtig, die Position der Bundesregierung dazu
zu hören; auch das hat etwas mit Glaubwürdigkeit zu
tun.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001400

Ich darf noch einmal alle Beteiligten bitten, gelegent-

lich auf die Lampen zu schauen, die der zeitlichen
Orientierung dienen sollen. – Herr Minister.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Abrüstungspolitik hat auch etwas mit Glaubwürdig-
keit zu tun, und ich versuche, Ihnen hier nichts vorzuma-
chen. Deshalb sage ich: Es bleibt ein langfristig anzu-
strebendes Ziel, möglichst eine nuklearwaffenfreie Welt
zu schaffen und auf dem Weg dahin den deutschen Bo-
den von Nuklearwaffen zu befreien. Aber es muss ver-
handelt werden. Niemand kann sich Abrüstungsziele
herbeiwünschen, sondern sie müssen, auch hinsichtlich
der Nuklearwaffen, politisch durchgesetzt, also in Ver-
handlungen erreicht werden. Das ist so einfach nicht
möglich.

Auch wenn Sie daraus einen Vorwurf ableiten, ist es,
glaube ich, verantwortungsvolle Außenpolitik, wenn wir
bezüglich der Ziele, die wir kurzfristig leider nicht errei-
chen können, nicht täglich mahnend an die Öffentlich-
keit treten, sondern uns auf die Bereiche konzentrieren,
in denen wir etwas bewegen können. Deshalb sage ich
noch einmal, genauso wie in meiner Antwort auf die vo-
rangegangene Frage: Wer nicht zur Kenntnis nimmt,
dass der Ukraine-Konflikt im Augenblick der Konflikt
ist, der uns an vielen anderen außen- und verteidigungs-
politischen Verabredungen mit Russland hindert, der
sieht nicht, wie bedrohlich dieser Konflikt für die wei-
tere Entwicklung ist, auch in der Abrüstungspolitik. Des-
halb müssen wir im Augenblick leider viel Zeit und
Engagement auf die Lösung dieses Konflikts verwen-
den. Ob der Abzug von substrategischen Nuklearwaffen
dadurch leichter wird, kann ich Ihnen nicht versprechen;
aber das Ziel gerät nicht dadurch aus den Augen, dass
wir uns im Augenblick auf noch drängendere Konflikte
konzentrieren müssen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001500

Herr Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809001600

Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich bin friedlich ge-

stimmt in diesen Saal gekommen. Nach der Frage des
Kollegen Mützenich möchte ich zum Ausdruck bringen,
dass ich der Meinung bin, dass wir hier verabreden soll-
ten, über den Jahresabrüstungsbericht im Plenum ge-
meinsam und seriös zu diskutieren.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das finde ich auch!)


Eine solche Debatte fände ich völlig richtig. Dazu gehö-
ren dann auch unser Abstimmungsverhalten und vieles
andere. Wir brauchen völlige Offenheit. Es wäre unse-
riös, sich schon jetzt intensiv zum Jahresabrüstungsbe-
richt zu äußern, den wir gerade erst erhalten haben.

Ich möchte einer Grundthese, die der Herr Außen-
minister vorgetragen hat, in Form einer Frage widerspre-
chen. Für mich gehört zur Abrüstung immer auch die
Bereitschaft zur einseitigen Abrüstung. Wenn man Pro-
zesse voranbringen will, muss man bereit sein, in be-
stimmten Bereichen einseitig voranzugehen, um andere
dazu zu bewegen, dasselbe zu tun. Herr Außenminister,
der Vorstand Ihrer Partei hat beschlossen, ein Konzept
für eine neue Entspannungs- und Ostpolitik vorzulegen.
Das Gleiche hat der Vorstand meiner Partei beschlossen.
Meinen Sie nicht auch, dass es Teil der Abrüstungspoli-
tik ist, über Entspannungs- und neue Ostpolitik gerade
jetzt zu diskutieren? Sie sagen zu Recht – damit komme
ich zum Ende meiner Frage –, dass die Ukraine vieles
blockiert, was eigentlich notwendig ist.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich bin nicht nur der Meinung, dass wir darüber dis-
kutieren müssen, sondern ich diskutiere darüber, auch
auf öffentlichen Veranstaltungen, und es gibt Papiere der
SPD dazu. Am liebsten würde ich die Frage an Sie zu-
rückgeben und Sie fragen: Glauben Sie wirklich, dass
der Aufruf nach einseitiger Abrüstung in der jetzigen
Situation, in der sieben Jahrzehnte nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs einseitig durch Russland Grenzen
verschoben werden, richtig ist? Glauben Sie, dass das
das richtige Fundament ist für einseitige Schritte seitens
der NATO, des Westens?

Insofern kann ich nur sagen: Es ist leider ein bisschen
komplizierter. Wenn es uns gelingt, den gegenwärtigen
Konflikt zu entschärfen, wäre das viel. Damit sind wir
noch lange nicht bei einer politischen Lösung. Aber um
das in den letzten zwölf Monaten verlorengegangene
Vertrauen wiederaufzubauen, werden wir möglicher-
weise Jahre brauchen. Bevor das nicht erreicht ist, be-
fürchte ich, werden die Staaten, die wir meinen, zu ein-
seitigen Schritten nur sehr schwer bereit sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001700

Herr Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809001800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister,

Sie hatten vorhin neben der Ukraine noch ein anderes
Thema erwähnt, nämlich die aktuelle Diskussion um den
Iran. Ich komme gerade aus Washington, wo man in den
letzten Tagen sehr viel über eine Rede diskutiert hat und
vor allen Dingen über die Differenzen des israelischen
Premierministers und des amerikanischen Präsidenten
hinsichtlich der Frage, wie der Verhandlungsstand zum
Iran-Deal einzuschätzen ist. Das Einzige, worüber man





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)

sich einig ist, ist, dass ein „bad deal“ schlimmer ist als
kein Deal.

Jetzt ist aber natürlich die Frage – das ist ja da auch
strittig –: Welche Kriterien setzt man an, um zu sagen,
dass es ein hinreichender oder guter Deal ist? Ich würde
gerne die Position der Bundesregierung dazu erfragen.
Denn es ist ja ein zentraler Punkt, dass man, um weitere
atomare oder nukleare Aufrüstung in dieser Region zu
verhindern, hier zu einem Ergebnis kommen muss. Ich
würde gerne wissen, welche Vorstellungen von Anforde-
rungen an einen solchen Deal Sie haben, also etwa hin-
sichtlich Break-out-Zeit für den Iran, Vertragsdauer ei-
ner solchen Vereinbarung –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809001900

Herr Beck.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Rot heißt „Zeit ist um“!)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809002000

– oder Rückbau der jetzt vorhandenen Fähigkeiten

und nuklearen Möglichkeiten des Iran.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Beck, Sie kommen gerade aus den USA. Ich
werde in wenigen Tagen auf dem Weg in die USA sein.
Dort besteht in der Tat großes Interesse, über unsere, die
deutsche Haltung zu dem gegenwärtigen Stand der Iran-
Verhandlungen zu sprechen.

Ich habe vorhin eine Tendenz angedeutet, und ich
sehe, dass es sich lohnt, die jetzt verbleibenden dreidrei-
viertel Monate, die wir noch bis zur Jahresmitte haben,
zu nutzen. Klar muss sein: Es wird darüber hinaus keine
weitere Verlängerung des Verhandlungsszenarios geben,
weder der Iran ist dazu bereit noch die Amerikaner noch
Dritte. Insofern gilt es jetzt. Was in den nächsten drei-
dreiviertel Monaten nicht gelingt, wird danach nicht
mehr gelingen. Wir werden dann in einer weiteren Re-
gion Zuspitzungen erleben. Dies würde ich gerne ver-
meiden. Deshalb beteilige ich mich auch nicht an diesen
schlagwortartigen Auseinandersetzungen, wie sie gerne
in der Öffentlichkeit geführt werden. Ein bisschen ge-
hört dazu auch die These: Ein schlechter Deal ist noch
schlechter als gar kein Deal.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt sogar Obama!)


Denn man muss sich ja fragen: Wer ist wirklich auf der
Suche?

Dahinter steckt ja ein Vorwurf, den ich nur ungern tra-
gen möchte, nämlich dass irgendjemand bereit wäre, ei-
nen schlechten Deal abzuschließen. Deshalb sage ich
auch in öffentlichen Reden in Israel immer: Es wird kei-
nen guten und keinen schlechten Deal geben, es wird nur
ein Verhandlungsergebnis geben, das ausschließt, dass
sich der Iran in den Besitz von Atomwaffen bringen
kann. Dafür gibt es verschiedene Kriterien, die in Bezug
zueinander stehen. Und ich plädiere tatsächlich dafür,
dass wir nicht jedes dieser Kriterien öffentlich diskutie-
ren.

Vielen Dank.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002100

So, ich habe jetzt noch Wortmeldungen von Frau

Hänsel, Frau Keul, Frau Höger, Frau Brugger und Herrn
van Aken notiert. Damit würde ich gerne die Fragen zu
diesem Bericht abschließen, zumal es noch weitere an-
gemeldete Fragen an die Bundesregierung zu der heuti-
gen Kabinettssitzung gibt und wir uns jetzt schon dem
Ende des Zeitformats, das üblicherweise für die Regie-
rungsbefragung vorgesehen ist, nähern. Wir verlängern
sie dann entsprechend.

Für diese weiteren jetzt angemeldeten und genannten
Fragen halte ich dann aber an unserem Zeitregime für
die Fragen und für die Antworten fest: jeweils eine Mi-
nute, danach Ende.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Abdrehen notfalls!)


So, Frau Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809002200

Danke schön, Herr Präsident. – Es geht hier jetzt ja

um den Jahresabrüstungsbericht. Gleichzeitig, Herr
Minister, erleben wir, dass in der öffentlichen Diskus-
sion massiv die Forderung nach Aufrüstung erhoben
wird, vor allem nach mehr Geld für Militärausgaben. Die
NATO-Mitgliedstaaten sollen 2 Prozent ihres BIP pro
Jahr für Rüstung bzw. für Militär ausgeben. Meine
Frage: Wie beurteilen Sie diese Bestrebungen der
NATO? Denken Sie, dass sie in irgendeiner Form zur
Abrüstung beitragen? Es geht ja auch um die Moderni-
sierung von Waffen usw.

Gleichzeitig erleben wir einen Aufwuchs der Präsenz
von NATO-Truppen in den Nachbarstaaten Russlands
und auch die Verbringung von Kriegsmaterial bzw. von
Waffen in diese Region. Wie wollen Sie denn angesichts
dieses Gebarens der NATO und ihrer Mitgliedstaaten
verhindern, dass es zu einer neuen Aufrüstungsspirale in
Europa kommt?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich muss zugeben: Bei dieser Frage ist es schwer, die
Nerven zu behalten.


(Peer Steinbrück [SPD]: Wohl wahr!)


Als ob die Aufrüstung vom Westen ausgegangen sei! Sie
vergessen bei der ganzen Beschreibung der gegenwärti-
gen Entwicklung – auch ich wünschte mir, sie verliefe
anders –, dass dem etwas vorangegangen ist.


(Peer Steinbrück [SPD]: Sehr richtig!)


Die Korrektur von Grenzen hat, wie ich vorhin gesagt
habe, sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges stattgefunden, und zwar durch Annexion der
Krim. Dem Nachbarland Russlands, der Ukraine, ist ein
Teil des Staatsgebietes entrissen worden. Sie beklagen





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

sich aber im Wesentlichen darüber, dass es zu einer ver-
stärkten Präsenz, nicht einmal einer Aufrüstung, der
NATO am Ostrand des NATO-Gebietes – übrigens nicht
darüber hinaus – gekommen ist.

Die NATO bewegt sich also im Rahmen des vertrag-
lich Zulässigen, und zwar im Rahmen des Auftrages, den
sie hat und der darin besteht, ihre Mitglieder tatsächlich
zu schützen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002300

Vielen Dank.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Insofern kann ich nur sagen: Ich kann verstehen, dass
Sie das Thema Aufrüstung gerne als Thema der NATO
adressieren möchten.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Na, was ist denn mit den 2 Prozent? Sie haben dazu nichts gesagt!)


Nur: Ich befürchte, in Wahrheit ist es ein bisschen an-
dersherum.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach ja?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002400

Frau Keul.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809002500

Herr Minister, wir sind uns ja völlig einig über die

Bedeutung von Abrüstungsmaßnahmen auch als vertrau-
ensbildende Maßnahmen, gerade in der heutigen Zeit.
Aber genauso einig dürften wir uns über die Bedeutung
der Vereinten Nationen in der heutigen Zeit sein. Deswe-
gen frage ich Sie, wie es vor diesem Hintergrund dazu
passt, dass Sie im Auswärtigen Amt – das haben wir ge-
rade gehört – umstrukturiert haben. Die Abteilung „Ab-
rüstung“ ist zu einer Unterabteilung geworden und mit
der Abteilung „Vereinte Nationen“ zusammengelegt
worden. Können Sie uns versichern, dass die dadurch
freiwerdenden Mittel dem Thema Abrüstung erhalten
bleiben?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich darf Ihnen versichern: Mit finanziellen Mitteln hat
das überhaupt nichts zu tun. Die für Abrüstung zur Ver-
fügung stehenden Mittel werden in keiner Weise einge-
schränkt. Mit Unterstützung des Hohen Hauses werde
ich auch in den kommenden Haushaltsverhandlungen
darum bemüht sein, die Mittelausstattung weiter zu ver-
bessern.

Die Zusammenfügung der beiden Kompetenzen „In-
ternationale Ordnung“ und „Abrüstung“ stellt keine Ab-
wertung beider Teile dar, sondern nach meiner festen
Überzeugung – ich freue mich darüber, dass das in den
meisten Expertenkommentaren, wie ich vernommen
habe, genauso gesehen wird – eine Verbesserung und
Aufwertung.
Dass es eine eigenständige Abrüstungsabteilung gab,
stammt im Grunde genommen aus einer Zeit, in der wir
noch in Ost-West-Kategorien gedacht haben. Inzwischen
haben wir andere Konfliktlagen. Darum habe ich in mei-
nen Eingangsbemerkungen vorhin gesagt: Abrüstung
liefert im Grunde genommen Bausteine für den Bau ei-
ner neuen und hoffentlich stärkeren internationalen Ord-
nung. Deshalb gehören diese Bereiche zusammen, auch
aufgrund der Kompetenzen, die in der Abteilung „Inter-
nationale Ordnung“ vorhanden sind. Ich finde, das war
eine richtige Entscheidung. Ich bin dankbar dafür, dass
die meisten in der Öffentlichkeit das so sehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002600

Frau Höger.


Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809002700

Vielen Dank. – Herr Steinmeier, Sie haben auf die

Fragen nach Abrüstung bisher nicht konkret geantwor-
tet. Sie haben keine konkreten Ziele benannt und nicht
gesagt, wo die Bundesregierung wirklich abrüsten will.
Sie haben nur mit Verweis auf Russland erwähnt, dass
jetzt keine Zeit für Abrüstung ist. Sie legen uns somit
heute einen Abrüstungsbericht vor – wir alle haben ihn
noch nicht gelesen –, der wohl nur aus Sprechblasen be-
steht. Was ist mit der Verpflichtung, pro Jahr im Umfang
von 2 Prozent des BIP aufzurüsten, die die NATO be-
schlossen hat? Was ist mit den neuen Panzern, die Frau
von der Leyen beschaffen möchte? Ist das Aufrüstung
oder Abrüstung? Wir fordern Abrüstung. Damit fängt
man zu Hause an.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Regierungsbefragung! Eine Frage hat ein Fragezeichen am Ende des Satzes! – Gegenruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Kollege Beck, zuhören! Ein bisschen aufpassen, Kollege Beck!)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich finde, wenn Sie fragen und ich antworte, dann
sollten Sie meine Antworten wenigstens zur Kenntnis
nehmen. Wenn Sie meine Antworten zur Kenntnis ge-
nommen haben, dann verstehe ich nicht, wie Sie sagen
können, dass ich auf Ihre Fragen bisher nicht geantwor-
tet habe. Im Gegenteil!

In der Vorbemerkung habe ich gesagt: Fast unerwartet
und im Vergleich zu den Jahren davor überraschend ist
uns in einem Feld eine Abrüstungsmaßnahme in einer
Größenordnung gelungen, mit der niemand gerechnet
hätte, nämlich die Vernichtung von Chemiewaffen in
Syrien. Das war sogar mit der Bereitschaft Syriens ver-
bunden, dem internationalen Chemiewaffenabkommen
beizutreten. Gelänge uns – jetzt muss ich im Konjunktiv
sprechen – eine Vereinbarung mit dem Iran, wäre das
von der Bedeutung her ein noch größerer Beitrag zur
weltweiten Rüstungskontrolle und Abrüstung.

Wer vor diesem Hintergrund sagt, ich würde nicht
konkret auf Ihre Fragen antworten, der, finde ich,


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Na, was?)






Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

spricht nicht ganz die Wahrheit.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was ist denn nun mit den 2 Prozent Aufrüstung in der NATO? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Was ist denn nun mit den 2 Prozent?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002800

Frau Brugger.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Herr Minister, nochmals vielen Dank.
Leider muss auch ich behaupten, dass Sie auf meine
Frage nicht geantwortet haben. Ich habe vorhin nämlich
nicht nach der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des
Abzuges der US-Atomwaffen aus Deutschland gefragt,
sondern nach der Position der Bundesregierung zu den
US-amerikanischen Modernisierungsplänen, wodurch
diese Waffen ja leistungsfähiger gemacht werden sollen.
Ich habe gefragt, wie sich das auf die Wahrscheinlichkeit
des Abzuges auswirkt und was das finanziell für die
Bundesrepublik heißt – auch vor dem Hintergrund, dass
die SPD das in den vergangenen Jahren ebenfalls sehr
stark kritisiert und gesagt hat: Wir wollen nicht die Trä-
germittel für noch leistungsfähigere Atomwaffen moder-
nisieren. Das widerspricht auch dem Ziel, diese Waffen
abzuziehen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da muss er jetzt wieder im Konjunktiv antworten!)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Vielleicht wissen Sie hier mehr als ich. Nach allem,
was ich weiß und was mir an Informationen vorliegt, soll
es keine technischen Verbesserungen im Sinne von
Reichweitenverlängerung und optimierter Einsatzmög-
lichkeit geben, sondern einen lebensverlängernden Aus-
tausch von Materialien, die sozusagen technisch an ihr
Lebensende gekommen sind.

Insofern ist das, was Sie in Ihrer Frage unterstellen,
nämlich dass wir vor einer neuen Aufrüstungsrunde ste-
hen, schlicht und einfach nicht mit den Informationen
übereinstimmend, die ich zur Verfügung habe.


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die SPD noch letztes Jahr behauptet!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809002900

Herr van Aken.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809003000

Herr Steinmeier, um auf den letzten Punkt einzuge-

hen: Ihre Informationen sind da offenbar tatsächlich
nicht ganz korrekt. Es geht auch um eine Erweiterung
der Einsatzszenarien dieser taktischen Atomwaffen. Sie
sollten sich da noch einmal ordentlich briefen lassen.
Das wird dann tatsächlich etwas anderes sein als das,
was bis jetzt dort in Büchel steht.
Ich habe aber eine ganz andere Frage, bei der es um
Drohnen und vollautomatische bzw. vollautonome Waf-
fen geht. Das erwähnen Sie auch in den Schwerpunkten
Ihres Jahresabrüstungsberichtes.

Ich habe mit Freude vernommen, dass Sie sich für
eine internationale Ächtung der vollautonomen Waffen-
systeme einsetzen. Hier würde mich interessieren: Was
heißt das konkret? Sind Sie als Bundesregierung auch
bereit, hier einen einseitigen Schritt zu machen und die
Entwicklung, den Bau und den Einsatz vollautonomer
Waffensysteme zu verbieten?

Viel spannender finde ich aber, dass Sie im gleichen
Satz im Jahresabrüstungsbericht schreiben, dass das von
den Drohnen völlig zu trennen ist. Das kann ich über-
haupt nicht verstehen; denn Sie wissen genauso gut wie
ich, dass bewaffnete Drohnen und Kampfdrohnen


(Abg. Jan van Aken [DIE LINKE] wird das Ende seiner Redezeit angezeigt)


– ich bin in fünf Sekunden fertig, Herr Lammert – das
Einsatzszenario verändern und dass so natürlich neue
Kriege möglich werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003100

Jetzt sind wir in der elften Sekunde.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809003200

Sie haben die Frage verstanden, Herr Steinmeier.

Ich bedanke mich.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003300

Bitte.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Ihn lassen Sie aber immer länger reden!)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Ich habe die Frage verstanden, aber ich bin nicht ganz
einverstanden mit der Unterstellung, dass es notwendi-
gerweise ein und dasselbe ist, wenn wir von Drohnen
und vollautonomen Waffensystemen reden. Das ist mög-
licherweise die Sprachregelung in Ihrer Fraktion, aber in
den internationalen Debatten, an denen ich mich betei-
lige, wird hier sehr wohl ein Unterschied gemacht.

Vollautomatische Waffensysteme sind Systeme, die
dem Soldaten die Entscheidung darüber, ob auf den
roten Knopf gedrückt wird oder nicht, abnehmen. Das ist
bei Drohnen nicht notwendigerweise der Fall. Drohnen
– jedenfalls die, die heute im Einsatz sind – können das
nicht und sollen das nach unserer Auffassung auch nicht
können. Deshalb haben wir diesem Punkt schon im Ko-
alitionsvertrag eine sehr herausgehobene Bedeutung zu-
gemessen und dort in Bezug auf die vollautomatischen
Waffensysteme sehr sorgfältig formuliert. Wir entwi-
ckeln sie auch nicht. Insofern, glaube ich, besteht kein
Anlass zur Sorge.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003400

Vielen Dank. – Jetzt haben sich zu anderen Themen

der heutigen Kabinettssitzung der Kollege Wunderlich
und die Kollegin Hein zu Wort gemeldet. – Herr Kollege
Wunderlich.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809003500

Vielen Dank, Herr Präsident. – In der heutigen Kabi-

nettssitzung ging es auch um den Fünften Zwischenbericht
der Bundesregierung zur Evaluation des Kinderförde-
rungsgesetzes. Nun wissen wir seit diesem Zwischen-
bericht – er liegt uns ja inzwischen vor –: Es fehlen
185 000 Kitaplätze. Die Qualität der Kitas wird darin
überhaupt nicht diskutiert. Uns steht möglicherweise ein
Kitastreik bevor, weil die Beschäftigten mit den Arbeits-
bedingungen unzufrieden sind: zu wenig Personal, zu
große Gruppen.

Durch alle Medien geistert ja immer wieder, dass das
Sondervermögen für den Kitaausbau um 550 Millionen
Euro aufgestockt wird. Diese Maßnahme ist ja schon
längst beschlossen, aber trotzdem fehlen Plätze. Und bis
die weiteren 30 000 Betreuungsplätze realisiert sind,
werden die Kinder der jetzigen Hortkinder selbst schon
einen Anspruch auf einen Kitaplatz haben. Ich frage
jetzt: Was plant die Bundesregierung über die bereits be-
schlossenen Maßnahmen hinaus, um dem Anspruch ins-
besondere im Hinblick auf Umfang und Qualität der
Kinderbetreuung gerecht zu werden?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003600

Herr Minister.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Die Frage unterstellt ein wenig, dass wir bisher nicht
auf Qualität geachtet hätten.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ist so! Das unterstelle ich nicht, das behaupte ich!)


Das ist schlicht und einfach nicht wahr. Wir haben durch
die Maßnahmen, die wir seit 2004 zur Verbesserung der
Betreuungssituation eingeleitet haben, inzwischen
300 000 Kinder mehr in der Betreuung und 65 000 Kin-
der mehr als noch 2013. Insofern geht der Aufwuchs
schneller voran, als das in den Jahren davor der Fall war.

Vergleicht man die Betreuungsquoten für die unter
Dreijährigen, so stellt man fest: Die Quote ist von
17,6 Prozent im Jahr 2008 auf 32,2 Prozent gestiegen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Im Berchtesgadener Land nicht!)


Sie haben recht: Das reicht noch nicht. Eigentlich brau-
chen wir eine Betreuungsquote von 41,5 Prozent.

Aber was nicht eingetreten ist, ist, dass die Auswei-
tung der Quantität zulasten der Betreuungsqualität ge-
gangen ist. Es hat keine Absenkung des Qualifikations-
niveaus beim pädagogischen Personal gegeben,


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Oh! Oh!)

was viele bei dem beschleunigten Aufwuchs befürchtet
haben. Es hat auch keine Verschlechterung des Personal-
schlüssels gegeben.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Lassen Sie! Jetzt wird eh alles falsch! Lassen Sie es ruhig!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003700

Die Redezeit ist sowieso abgelaufen, sodass der

Streit, ob das alles, teilweise oder gar nicht falsch ist,
müßig ist.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ist ja schlimm, was da jetzt kommt!)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Wenn Sie die Antwort nicht hören wollen, hätten Sie
das vorher sagen können. Dann hätte ich verzichtet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber falsche Antworten brauche ich auch nicht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809003800

Frau Hein hat die nächste Frage.


Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809003900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich

frage trotzdem noch einmal nach der Qualität, und zwar
anhand der Personalschlüssel. In dem Zwischenbericht
heißt es, im Durchschnitt komme auf 4,1 Kinder eine
Lehrkraft. Wir wissen aber alle, dass die Personalstan-
dards in den östlichen Ländern deutlich schlechter als in
den westlichen Ländern sind. Wir alle wissen auch, dass
in den westlichen Ländern deutlich mehr Plätze fehlen
als in den östlichen Ländern.

Ich frage Sie: Wie wollen Sie bei der derzeitigen
Personalsituation verhindern, dass sich die Personal-
schlüssel am Ende doch noch verschlechtern, um den
quantitativen Ausbau hinzubekommen, dass also die
Personalschlüssel eher den östlichen Standards angegli-
chen werden, anstatt dass umgekehrt die östlichen Stan-
dards den westlichen Standards angeglichen werden?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Viele haben am Beginn unseres Vorhabens zum Aus-
bau der Kinderbetreuung vorausgesagt, dass das notwen-
digerweise zum Absinken des Qualifikationsniveaus
führen müsse. Viele haben vorausgesagt, dass das zu ei-
ner negativen Veränderung bei den Personalschlüsseln
führen würde. Beides ist nicht eingetreten. Seien Sie ver-
sichert: Wir werden auch beim Ausbau der noch fehlen-
den 8, 9 oder 10 Prozent darauf achten, dass das Quali-
tätsniveau nicht sinkt.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deshalb treten die Kitabeschäftigten auch in den Streik! Ja, klar!)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809004000

Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809004100

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister,

ganz kurze Frage zur Kabinettssitzung: Wie erklären Sie
sich, dass das Programm zur energetischen Gebäudesa-
nierung, dessen Abgesang nun eingeleitet wurde, nicht
auf der Tagesordnung des Kabinetts stand? Der Stopp
für den geplanten Steuerbonus wird ja dazu führen, dass
wir die Klima- und Energieziele, die wir uns gesetzt ha-
ben, nicht einhalten werden.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Nicht alles, was heute nicht auf der Tagesordnung
war, ist deshalb als Ziel aufgegeben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das meiste!)


Das gilt auch für die energetische Gebäudesanierung. Ich
kann versichern, dass der Vizekanzler und zuständige
Minister für Wirtschaft und Energie nicht nur besorgt
sein wird, sondern sich auch darum kümmert, dass es
eine Anschlussregelung geben wird. Details dazu liegen
zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vor, aber sie
wird kommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809004200

In der Abteilung drei unserer Regierungsbefragung

gibt es die Möglichkeit, sonstige Fragen an die Bundes-
regierung zu richten. – Herr Kollege Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809004300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Im aktuellen Spiegel

steht, dass Sie, Herr Steinmeier, was ich außerordentlich
begrüße, sich mit der Bitte an Frau Grütters gewandt ha-
ben, die Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische
Gedenkstätten in Dresden weiter zu finanzieren. Diese
Gedenkstätte hat eine Dokumentationsstelle, bei der man
sich nach sowjetischen Kriegsgefangenen erkundigen
kann und über deren Verbleib Auskunft erhält, ähnlich
wie dies früher auch beim Suchdienst des Internationa-
len Roten Kreuzes in Bad Arolsen für NS-Opfer war.
Diese Stelle wird nun aktuell nicht mehr finanziert; An-
fragen werden seit Wochen nicht mehr beantwortet.

Ich möchte wissen, ob Sie innerhalb der Bundesregie-
rung eine Lösung für die Finanzierung sehen und ob Sie
es im 70. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
für ein richtiges Zeichen halten, wenn diese Stelle ihre
Arbeit nicht fortsetzen kann. Das ist ja vielleicht auch
ein wenig Begleitmusik bei allen außenpolitischen
Schwierigkeiten, die gegenüber Russland und der
Ukraine bestehen, sodass man ein bisschen darauf ach-
ten sollte, welche Zeichen man setzt.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Vielen Dank. – Richtig ist, dass die Finanzierung bei
der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien in die-
sem Jahr ausläuft. Gleichwohl spielt das Thema im
deutsch-russischen Verhältnis im Augenblick eine wach-
sende Rolle, weil auf russischer Seite wenig Verständnis
dafür herrscht, dass im 70. Jahr nach Kriegsende die For-
schungen, jedenfalls im gegenwärtigen Format, nicht
weiter finanziert werden; sie könnten möglicherweise
über das Bundesarchiv oder andere vergleichbare Ein-
richtungen weiter finanziert werden.

Wir sind gegenwärtig bemüht, eine Lösung zu finden,
und werden dazu sicherlich auch in der nächsten Woche
noch einmal zusammenkommen. Ich selbst habe großes
Interesse, dass es eine Lösung geben wird.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie uns da auf dem Laufenden halten könnten!)


– Ja, gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809004400

Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809004500

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Außenminister,

meine Frage bezieht sich auf ein außenpolitisches
Thema. Ich würde gern Ihre Einschätzung zu der Agen-
tur zur Modernisierung der Ukraine hören, an der ja die
Kollegen Steinbrück und Wellmann aus dem Deutschen
Bundestag beteiligt sein sollen und die privat von drei
Oligarchen aus der Ukraine finanziert wird, die nicht un-
bekannt sind. Dazu interessiert mich Ihre Einschätzung
als Außenminister, welche Bedeutung dies sowohl für
uns als auch für die Ukraine hat.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Wir haben vorhin über die außenpolitische Dimension
gesprochen, und ich habe gesagt, prioritär sind im Au-
genblick die Entschärfung des militärischen Konfliktes
und die Einleitung von Schritten zur politischen Lösung.

Aber wir sollten nicht vergessen: Das große Thema
der kommenden zwölf Monate wird, wenn uns die Ent-
schärfung tatsächlich gelingt, die wirtschaftliche Stabili-
sierung sein, die aus mindestens zwei Dimensionen be-
steht: erstens der Reformarbeit innerhalb der Ukraine
und zweitens der Unterstützung durch die internationale
Staatengemeinschaft, die EU, die Vereinigten Staaten,
den IWF und andere, die möglicherweise in Betracht
kommen. Für dieses Vorhaben, die Modernisierung und
Reform der eigenen Wirtschaft, braucht die Ukraine in-
ternationale Unterstützung.

Dazu, was mit diesem Gremium, das Sie eben ge-
nannt haben, im Einzelnen an Vorhaben und Ideen ver-
bunden ist, weiß ich nicht mehr als das, was auch Sie aus
der Zeitung wissen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809004600

Wir sind damit am Ende der Regierungsbefragung.

Vielen Dank, Herr Minister.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


(Widerspruch der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Habe ich eine Frage übersehen?


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Von meinem Kollegen Koenigs!)


Herr Minister, dürfen wir die Frage des Kollegen
Koenigs noch aufrufen? – Bitte schön, Herr Koenigs.


Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809004700

Danke sehr, Herr Präsident. – Herr Minister, ist heute

über die rechtliche Grundlage des Deutschen Instituts für
Menschenrechte im Kabinett ein Beschluss gefasst wor-
den? Wenn nein, was ich befürchte: Ist dem Kabinett
klar, welche Blamage uns da droht?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Zum zweiten Teil der Frage: ja. Zum ersten: in den
nächsten Wochen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809004800

Eigentlich hätte diese Frage etwas eher gestellt wer-

den müssen, Herr Koenigs, nämlich im Rahmen der Fra-
gen zur heutigen Kabinettssitzung. Aber wir sind groß-
zügig, und wir haben es so oder so jetzt im Protokoll.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 2:

Fragestunde

Drucksache 18/4139

Wir rufen die mündlichen Fragen in der üblichen Rei-
henfolge auf.

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Justiz-
ministeriums. Zur Beantwortung steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Christian Lange zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Martina Renner auf:
Sind dem Generalbundesanwalt für das wiederaufgenom-

mene Ermittlungsverfahren zum Oktoberfestattentat inzwi-
schen alle beim Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, und
beim Bundesnachrichtendienst, BND, vorhandenen Akten
und Quellenmeldungen zum Komplex übergeben worden?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809004900


Herr Präsident, liebe Kollegin Renner, ich würde
gerne, wenn Sie erlauben, wegen des Sachzusammen-
hangs die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantworten. Ge-
statten Sie das?


(Martina Renner [DIE LINKE]: Ja!)


– Wunderbar. Dann mache ich das gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809005000

Dann rufe ich auch die Frage 2 auf:

Sind dem Generalbundesanwalt für das wiederaufgenom-
mene Ermittlungsverfahren zum Oktoberfestattentat die Iden-
titäten sämtlicher V-Personen des BfV und der Landesämter
für Verfassungsschutz und des BND im Komplex offengelegt
worden?
C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809005100


Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
hat am 11. Dezember 2014 entschieden, die Ermittlun-
gen wegen des Oktoberfestattentats vom 26. September
1980 wieder aufzunehmen. Anlass hierfür sind die An-
gaben einer bislang nicht bekannten Zeugin. Bei einer
Befragung hat sie Aussagen getroffen, die auf bislang
unbekannte Mitwisser hindeuten könnten. Die Ermitt-
lungen werden sich nicht auf die Zeugin beschränken.
Der Generalbundesanwalt wird allen Ansatzpunkten er-
neut und umfassend nachgehen.

Der Generalbundesanwalt hat mit Schreiben vom
17. Februar dieses Jahres sowohl das Bundesamt für
Verfassungsschutz wie auch den Bundesnachrichten-
dienst um umfassende Mitteilung dort vorliegender Er-
kenntnisse sowie um Auflistung der dortigen Aktenbe-
stände mit Bezug zum Sprengstoffanschlag auf dem
Oktoberfest in München am 26. September 1980 gebe-
ten. Eine Entscheidung über eine Anforderung konkreter
Aktenteile wird auf Grundlage der entsprechenden Ant-
worten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des
Bundesnachrichtendienstes getroffen werden.

Inwieweit die Ermittlungen im Einzelnen die Offenle-
gung der Identität von V-Personen erfordern, wird der
Generalbundesanwalt zu gegebener Zeit prüfen. Grund-
lage hierfür werden insbesondere die Antworten auf die
oben genannten Erkenntnisanfragen sein, die der Gene-
ralbundesanwalt zeitgleich neben dem Bundesamt für
Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst
auch an alle Landesämter für Verfassungsschutz gerich-
tet hat.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809005200

Bitte schön, Ihre Zusatzfragen.


Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809005300

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, so er-

freulich es ist, dass die Generalbundesanwaltschaft die
Wiederaufnahme beschlossen hat und, was längst über-
fällig war, endlich wenigstens als Option von der Einzel-
täterthese abweichen will, so schwierig finde ich Ihre
Antwort insofern, als ich in einer Kleinen Anfrage zu
den im BfV und BND vorliegenden Akten gefragt habe.
Dort gibt es sowohl Bestände zur Wehrsportgruppe
Hoffmann als auch zum Oktoberfestattentat selbst, und
es wird auch auf Quellenmeldungen zum Oktoberfestat-
tentat hingewiesen. Sie werden allerdings in der Antwort
auf die Kleine Anfrage nicht weiter präzisiert. Ich denke,
das sind wichtige Beweismittel, die beim Bundesamt
nicht nur angefragt werden sollten, sondern dringend
beigezogen werden müssen, damit sich der Generalbun-
desanwalt weitere Tatbeteiligte – auch in der Tatvorbe-
reitung – und einen möglichen auch organisatorischen
neonazistischen Hintergrund dieser Terrortat deutlicher
erschließen kann. Warum ist da noch nicht mehr passiert,
obwohl eigentlich klar ist, was im BfV und im BND zu
der Sache vorliegt?






(A) (C)



(D)(B)

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809005400


Frau Kollegin, der Generalbundesanwalt hat sich erst
vor zwei Wochen, am 17. Februar dieses Jahres, mit der
Bitte um umfassende Auskunft an den Bundesnachrich-
tendienst und an den Verfassungsschutz gewandt. Die
Antworten liegen noch nicht vor. Ich bitte, diese abzu-
warten. Danach kann ich Ihnen gerne Bericht erstatten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809005500

Weitere Zusatzfrage.


Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809005600

Ich habe tatsächlich noch zwei weitere Zusatzfra-

gen. – Wir haben das Thema auch schon im Justizaus-
schuss besprochen. Auch dort wurde die Frage der
Quellenmeldungen bzw. Akten im BfV, BND oder mög-
licherweise MAD schon erörtert. Mir erscheint es relativ
spät, dass man sich erst jetzt schriftlich an die entspre-
chenden Sicherheitsbehörden gewandt hat. Warum ist da
so viel Zeit verflossen? Diese Frage stellt sich ja nicht
nur aus der Materie selbst, sondern auch aus dem Zu-
sammenhang heraus, dass wir heute, nach der Terrorse-
rie des NSU, einen anderen Blick auf die Aktenführung
in den entsprechenden Behörden haben.

Meine zweite Frage wäre: Inwieweit erwägt der
GBA, ähnlich wie es das BKA im Kontext einer soge-
nannten NSU/NSDAP-CD getan hat – das BKA ist
selbst ins BfV nach Köln gegangen und hat in den dort
hinterlegten Materialien, also CDs oder Schriften, auch
Quellenberichten, zu möglichen neuen Beweismitteln
recherchiert –, zum Beispiel auch im BfV selbst nach
möglichen weiteren Beweismitteln im Zusammenhang
mit dem Oktoberfestattentat zu suchen?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809005700


Frau Kollegin, Sie wissen, dass der Generalbundesan-
walt allen anderen neuen Hinweisen nachgehen wird.
Das hat er sowohl in den von Ihnen genannten Aus-
schusssitzungen als auch öffentlich erklärt. Dem hat
mein Haus nichts hinzuzufügen. Was die einzelnen Er-
mittlungsschritte anbelangt, nach denen Sie mehr oder
weniger gefragt haben, so wissen Sie, dass die Bundes-
regierung zu einzelnen Schritten eines noch nicht ab-
geschlossenen Ermittlungsverfahrens nicht Stellung
nimmt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809005800

Sie hatten noch eine weitere Frage? – Nicht. Dann ist

Frau Keul jetzt an der Reihe.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809005900

Vielen Dank. – Zu dem Komplex des Oktoberfest-

attentats habe ich die Nachfrage, ob das Bundesjustizmi-
nisterium der Auffassung ist, dass der Verfassungsschutz
dann, wenn V-Leute konkret unter Mordverdacht stehen,
Auskunft über diese V-Leute an die Ermittlungsbehör-
den weitergeben muss.
C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809006000


Sie wissen, Frau Kollegin, dass die Bundesregierung
zu spekulativen Fragen nicht Stellung nimmt.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht spekulativ! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nichts daran war spekulativ!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809006100

Herr Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, ich hatte schon einmal mehrere
schriftliche Fragen zu diesem Komplex gestellt. Die ha-
ben Sie nur zu einem ganz geringen Teil beantwortet;
insbesondere haben Sie nicht die Frage beantwortet, ob
der Rechtsextremist, der in Niedersachsen ein bzw. meh-
rere größere Waffenlager seinerzeit unterhalten hat, der
dann festgenommen wurde und im Gefängnis unter mys-
teriösen Umständen umgekommen ist, Mitarbeiter einer
Verfassungsschutzbehörde gewesen ist. Können Sie der
Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag sagen,
warum dieses Faktum, das Sie mir nicht benannt haben
– Sie haben die Frage nicht beantwortet, ob er das war –,
nach so vielen Jahrzehnten immer noch eine geheimhal-
tungsbedürftige Information sein soll?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809006200


Herr Kollege, auch hier kann ich nur wiederholen,
dass wir uns zu den Verfahren, die der Generalbundesan-
walt durchführt, erst nach abgeschlossenen Ermittlungen
äußern. Zu einzelnen Verfahrensschritten äußern wir uns
ebenfalls nicht. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass
ich Ihre Frage insofern nicht beantworten kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809006300

Frau Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809006400

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Es kann sein,

dass Sie jetzt Amtshilfe des Kollegen Krings brauchen.
Ich mache Sie nur darauf aufmerksam.

Haben Sie Kenntnis davon, ob beim BND oder auch
im Bundesamt für Verfassungsschutz, nachdem die Wie-
deraufnahme der Ermittlungen angeordnet wurde, ent-
sprechende Arbeitsgruppen oder Organisationen gebil-
det wurden, die sämtliches Material, welches infrage
kommt, noch einmal daraufhin sichten, ob gegebenen-
falls Beweismittel, die sie benötigen, die aber noch un-
ausgewertet sind oder irgendwo gelagert werden – wir
haben im Fall „Corelli“ Parallelen –, in diesen Ämtern
zur Verfügung stehen und jetzt in dieses laufende Ermitt-
lungsverfahren eingeführt werden können?

Meine zweite Frage in diesem Zusammenhang: Ist
man in Kontakt mit den gegebenenfalls noch lebenden
V-Mann-Führern aus der damaligen Zeit? Befragt man
gegebenenfalls auch diese? Auch hier haben wir eine





Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)

NSU-Parallele; denn offensichtlich sind Führer von ge-
wichtigen V-Leuten im NSU-Komplex erst in den Jahren
2014 und 2015 nach neuen Aspekten befragt worden.

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809006500


Liebe Frau Kollegin Pau, Sie fragen immer wieder
nach einzelnen Ermittlungsschritten des Generalbundes-
anwaltes, zu denen wir nicht Stellung nehmen können.
Was die Frage nach der Amtshilfe des Bundesinnen-
ministers anbelangt, hat mir der Kollege gerade zugeru-
fen, dass er dazu, jedenfalls spontan, nicht Stellung neh-
men kann.


(Petra Pau [DIE LINKE]: Dann gibt es eine neue Frage!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809006600

Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809006700

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, für mich er-

schließt sich nicht, warum Sie die Frage meiner Kollegin
nicht beantworten. Frau Keul hat eine ganz konkrete
Frage gestellt, und zwar nach der Auffassung des Bun-
desjustizministeriums und nicht nach irgendwelchen
Spekulationen. Sie hat ganz klar nach einem Sachverhalt
und der Bewertung des Justizministeriums gefragt. Ich
möchte Sie bitten, jetzt dazu etwas zu sagen.

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809006800


Frau Kollegin, ich habe Ihrer Kollegin Keul korrekt
geantwortet, dass auf eine Wenn-dann-Frage,


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe keine Wenn-dann-Frage gestellt!)


die sich im Augenblick nicht stellt und die im Übrigen
auf Ermittlungen Bezug nimmt, das Bundesministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz nicht Stellung
nimmt.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir werden uns wohl beschweren müssen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809006900

Herr Kollege Wunderlich.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809007000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch ich muss da

nachhaken. Meine Kollegin Pau hat überhaupt nicht
nach Ermittlungsschritten des Generalbundesanwalts ge-
fragt. Sie hat nach „Kenntnis der Bundesregierung“ ge-
fragt: ob der Bundesregierung bekannt ist, dass beim
Bundesnachrichtendienst oder beim Verfassungsschutz
Arbeitsgruppen gebildet worden sind, die diese Akten
sichten und zusammenstellen etc. pp., wie es in ähnlich
gelagerten Fällen auch schon der Fall war. Da gab es
keine Ermittlungen vom Generalbundesanwalt, sondern
die Kenntnis der Bundesregierung zu den mutmaßlich
gebildeten Arbeitsgruppen in den Behörden.
C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1809007100


Darauf habe ich Ihnen geantwortet, dass mir der Kol-
lege aus dem Bundesinnenministerium, der hier sitzt, zu-
gerufen hat, dass er dazu nicht Stellung nehmen kann.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Also keine Kenntnis! Danke!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809007200

Ich sehe hierzu jetzt keine weiteren Nachfragewün-

sche.

Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekre-
tärin Anette Kramme zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Klaus Ernst auf:
Würde sich die Bundesregierung der Meinung der Ge-

werkschaft Verdi anschließen, dass die Praxis der Deutschen
Post AG, befristeten Beschäftigten, deren Arbeitsverträge zum
31. März 2015 auslaufen, eine schlechter bezahlte unbefristete
Anstellung in der neu gegründeten Tochtergesellschaft Deli-
very anzubieten und damit den gültigen Tarifvertrag zwischen
Deutscher Post AG und Verdi zu umgehen, einen Fall von Ta-

(vergleiche www.welt.de, „Post plant Zweiklassen-Gesellschaft bei Paketboten“, online unter: http:// bit.ly/1Fs6yKx)


Ich bitte die Staatssekretärin Kramme, die Frage zu
beantworten.

A
Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1809007300


Gerne, Herr Präsident. – Herr Ernst, mir fällt es im-
mer schwer, Fragen zu beantworten, die im Konjunktiv
gestellt sind. Aber ich versuche einmal, Ihre Frage zu
übersetzen. Ich vermute, Sie fragen, ob sich die Bundes-
regierung einer Kommentierung der Gewerkschaft Verdi
zu tariflichen Vorgängen bei der Post AG anschließt.

Die Vorgänge und ihre Beurteilungen liegen in der
Verantwortung der Tarifvertragsparteien. Mit Rücksicht
auf die grundgesetzlich gewährte Tarifautonomie kom-
mentiert die Bundesregierung grundsätzlich keine Ta-
rifauseinandersetzungen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809007400

Bitte schön, Herr Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809007500

Dann muss ich einfach die Feststellung treffen, dass

die Post zum Teil im Eigentum des Bundes ist. Kann ich
davon ausgehen, dass es der Bundesregierung egal ist,
dass die Post, die zum Teil im Eigentum des Bundes ist,
einen großen Teil ihrer Beschäftigten ausgliedert,
schlechter bezahlt? Wie ist das in Einklang zu bringen
mit der Aussage der Bundesregierung, die Tarifautono-
mie zu stärken? Ist das nicht ein eklatanter Punkt, an
dem die Tarifautonomie unterlaufen wird und an dem die
Bundesregierung offensichtlich zusieht, wie das pas-
siert?






(A) (C)



(D)(B)

A
Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1809007600


Herr Ernst, Sie wiederholen nur Ihre Frage. Ich kann
an dieser Stelle wieder nur antworten, dass die Bundes-
regierung Tarifauseinandersetzungen nicht kommentiert.

Im Übrigen nehmen Sie die Frage 4 vorweg. Aber ich
kann Frage 4 mit Einverständnis des Präsidenten gerne
jetzt schon beantworten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809007700

Von mir aus gerne. Herr Ernst hat dann entsprechend

viele Zusatzfragen.

Ich rufe also die Frage 4 des Abgeordneten Klaus
Ernst auf:

Welche Schritte plant die Bundesregierung angesichts des
Vorhabens der Deutschen Post AG, bestehende Mitbestim-
mungsrechte und Tariflöhne durch die Tochtergesellschaft
Delivery zu umgehen, um „mit einer klugen Arbeitsmarkt-
politik die Weichen für … eine starke Sozialpartnerschaft von
Arbeitgebern und Gewerkschaften“ zu stellen, wie im Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigt?

Bitte schön, Frau Kramme.

A
Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1809007800


Auch an dieser Stelle kann ich nur antworten, dass die
Bundesregierung nicht in Tarifauseinandersetzungen
eingreift, im Übrigen ihre Arbeitsmarktpolitik fortsetzt,
die wir durchaus erfolgreich mit dem Tarifpaket gestartet
haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809007900

Herr Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809008000

Ich möchte Sie einfach darauf hinweisen, dass es sich

hier nicht um die Kommentierung einer Tarifauseinan-
dersetzung handelt, sondern um die Rolle der Bundesre-
gierung als Miteigentümer der Deutschen Post. Sehe ich
es richtig, dass Sie sich weigern, Ihrer Funktion als Ar-
beitgeber bei der Deutschen Post in der Weise gerecht zu
werden, dass Sie dem Deutschen Bundestag Rechen-
schaft darüber ablegen, welche Politik die Bundesregie-
rung bei der Post eigentlich betreibt?

A
Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1809008100


Herr Ernst, Sie bezeichnen das Ganze unter Bezug-
nahme auf Verdi als „Tarifflucht“ und als Verstoß gegen
einen Tarifvertrag. Insoweit sind dann allerdings tatsäch-
lich die Tarifvertragsparteien zuständig, können gegebe-
nenfalls Klagen einreichen etc. Wir befinden uns also
tatsächlich in der Situation einer Tarifauseinanderset-
zung. Diese kommentiert die Bundesregierung nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809008200

Weitere Frage, bitte schön.

Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809008300

Frau Staatssekretärin, Sie sollen ja auch nicht die Ta-

rifauseinandersetzung kommentieren, sondern das Ver-
halten der Bundesregierung gegenüber einem Unterneh-
men, das sich im Eigentum des Bundes befindet und in
dem es Aufsichtsratsmitglieder gibt, die von der Bundes-
regierung maßgeblich beeinflusst werden. Ich nehme zur
Kenntnis, dass Sie nicht bereit sind, dieses Verhalten des
Arbeitgebers – nicht das Verhalten der Tarifparteien,
sondern ein Verhalten, für das Sie als Bundesregierung
Mitverantwortung haben – vor dem Deutschen Bundes-
tag zu diskutieren. Oder liege ich da jetzt falsch?

A
Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1809008400


Herr Ernst, Sie treffen eine eigene Bewertung. Das
steht Ihnen an dieser Stelle natürlich frei. Es handelt sich
im Übrigen nach Auffassung der Bundesregierung um
die laufenden Geschäfte eines Unternehmens.


(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer weiteren Nachfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809008500

Ich glaube, dass Sie bereits vier Zusatzfragen gestellt

haben, Herr Ernst.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ist das schon so?)


– Ja, das ist so.

Weitere Wortmeldungen dazu sehe ich nicht.

Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die
Fragen 5 und 6 des Kollegen Ebner werden schriftlich
beantwortet.

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Ferlemann zur Verfügung.

Die Frage 7 des Kollegen Hunko wird schriftlich be-
antwortet.

Dann rufe ich die Frage 8 des Kollegen Krischer auf:
Aus welchem Grund werden vom Bundesministerium für

Verkehr und digitale Infrastruktur gleich drei verkehrspoliti-
sche Modellversuche – Ladesäulen für Elektroautos, selbst-
fahrende Autos, Warnhinweise für Geisterfahrer – an der
Bundesautobahn 9 durchgeführt, und welche konkreten Be-
dingungen weist diese Autobahn im Unterschied zu anderen
Autobahnen in Deutschland auf, die die Durchführung von
diesen Modellversuchen hier sinnvoll erscheinen lassen –
bitte für jeden der drei genannten Modellversuche einzeln er-
läutern?

Herr Ferlemann, bitte schön.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1809008600


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich gebe folgende Antwort auf die
Frage:

Im Straßenverkehr nimmt die digitale Kommunika-
tion einen zunehmend größeren Stellenwert ein. Durch





Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann


(A) (C)



(D)(B)

den Einzug neuer Technologien und Kommunikations-
systeme in moderne Fahrzeuge findet eine Vernetzung
statt, die neue Möglichkeiten eröffnet und Mobilität im
Individualverkehr verändert. Um die sich daraus erge-
benden Herausforderungen strukturiert und zielgerichtet
analysieren zu können, wird ein digitales Testfeld Auto-
bahn eingerichtet, auf dem die Wirkungen von Innova-
tionen einzeln, aber auch im Zusammenspiel bewertet
werden können. Unter anderem sollen hier automati-
sierte Fahrfunktionen erprobt werden. Das ist nicht das
autonome Fahren; das fahrerlose Fahren ist nicht Gegen-
stand dieser Erprobung.

Das Testfeld soll auf der BAB 9 zwischen München
und Nürnberg eingerichtet werden. Bei der BAB 9 han-
delt es sich um eine hochbelastete Autobahn, die zwei
Metropolregionen miteinander verbindet. Sie ist auf
zahlreichen Abschnitten mit moderner Verkehrsbeein-
flussung ausgestattet, die von einer leistungsfähigen Ver-
kehrsrechnerzentrale aus gesteuert wird.

Das Projekt „Schnellladen auf der A 9“ wird im Rah-
men des Schaufensters Bayern-Sachsen ELEKTRO-
MOBILITÄT VERBINDET umgesetzt. Es war nicht
Gegenstand einer individuellen Vorauswahl durch das
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruk-
tur, sondern Teil eines umfassenden Gesamtpakets der
Bewerbung der Bundesländer Bayern und Sachsen im
Rahmen des Wettbewerbs zum Schaufensterprogramm
des Bundes 2012. Vergleichbare Projekte bzw. Maßnah-
men gibt es auch in anderen Regionen bzw. an anderen
Bundesautobahnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809008700

Herr Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809008800

Herr Staatssekretär Ferlemann, herzlichen Dank für

diese Ausführungen. – Ich habe nach drei konkreten Pro-
jekten gefragt – das basiert auf Pressemitteilungen Ihres
Hauses –: selbstfahrende Autos, Ladesäulen/Elektromo-
bilität und Warnanlagen für Geisterfahrer. Alle wurden
von Ihnen in Verbindung mit der A 9 kommuniziert.

Sie haben jetzt dargelegt: Dieser Autobahnabschnitt
hat besondere Belastungen, weist eine besondere Tech-
nik auf. – Ich würde sagen: Wir haben in Deutschland
wahrscheinlich Dutzende Autobahnabschnitte, auf die
ähnliche Kriterien zutreffen. Warum konzentrieren Sie
das an einer Stelle? Wieso werden mehrere Dinge, die
nicht in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen – mir
kann niemand erläutern, was Elektromobilität mit Geis-
terfahrern zu tun haben soll, außer dass beides auf Autos
bezogen ist –, auf diesem Streckenabschnitt gemacht,
und warum werden die Versuche nicht an anderen Stre-
ckenabschnitten gemacht?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1809008900


Wir können die Versuche – da haben Sie recht – auch
auf anderen Streckenabschnitten machen. Es gibt auf an-
deren Strecken andere Versuche zur Elektromobilität.
Hier ist es so, dass wir elektronisch versuchen wollen,
Geisterfahrer vom Falschfahren abzuhalten. Weil wir die
technologische Ausstattung an dieser Strecke haben und
das sehr gut darstellen können, wollen wir es an dieser
Strecke ausprobieren. Das schließt aber nicht aus, dass
wir Modellprojekte auch noch an anderen Autobahnstre-
cken machen, wo gegebenenfalls ähnliche technologi-
sche Voraussetzungen bestehen. Nur: Hier ist es beson-
ders gut für diese Modellprojekte.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809009000

Bitte.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809009100

Noch eine weitere Nachfrage: Wäre das Ministerium

in der Lage, uns eine Auflistung zu geben, welche weite-
ren Modellprojekte an anderen deutschen Autobahnen
stattfinden, damit wir anhand einer Gesamtübersicht se-
hen können, welche Modellprojekte in welchen anderen
Regionen bzw. an welchen anderen Autobahnen es gibt?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1809009200


Das Auskunftsrecht des Parlaments ist unendlich. Der
Aufgabe wollen wir uns gerne stellen. Es handelt sich al-
lerdings um eine sehr große Arbeit. Ich gebe ein Bei-
spiel: An der A 2 testen wir, ob wir mit Telematik nicht
deutlich geringere Unfallzahlen erreichen und die Ver-
kehrsmenge deutlich stärker beeinflussen können. Das
geschieht in diesem Streckenzug über ein ganzes Bun-
desland – in diesem Fall das schöne Niedersachsen –
hinweg.

Es gibt viele Projekte, die wir auf den Autobahnen
durchführen. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen alle mögli-
chen Modellprojekte aufzuzeigen. Das ist allerdings, wie
schon gesagt, eine erhebliche Arbeit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809009300

Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Stephan Kühn wer-

den ebenso wie die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten
Matthias Gastel schriftlich beantwortet.

Dann kommen wir zu den Fragen 13 und 14 des Kol-
legen Herbert Behrens. – Er ist nicht anwesend. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Die Fragen 15 und 16 des Kollegen Dr. André Hahn
werden schriftlich beantwortet.

Wir sind dann mit diesem Geschäftsbereich fertig.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit.

Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Sylvia Kotting-
Uhl werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 19
der Kollegin Katrin Kunert.

Ich rufe nun die Frage 20 der Kollegin Höhn auf:
Hält die Bundesregierung weiterhin am Ziel fest, wonach

sie eine „Halbierung der CO2-Emissionen der Bundesregie-
rung einschließlich Geschäftsbereich bis 2020 gegenüber

(Maßnahmenprogramm „Nachhaltigkeit“ vom 6. De Präsident Dr. Norbert Lammert zember 2010)





(A) (C)


(D)(B)

wurde bis zum Jahr 2014 bereits erreicht?

Herr Staatssekretär Pronold, bitte.

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1809009400


Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte
Frau Höhn, das Ziel der „Halbierung der CO2-Emissio-
nen der Bundesregierung einschließlich Geschäftsbe-
reich bis 2020 gegenüber 1990“ wurde im Maßnahmen-
programm „Nachhaltigkeit“ der Bundesregierung am
6. Dezember 2010 beschlossen. Dies knüpft an die
Selbstverpflichtungserklärung der Bundesregierung vom
18. Oktober 2000 an.

Zahlen zu Emissionen von Treibhausgasen für 2014
liegen bislang generell nicht vor, daher auch nicht für
den Bereich der Bundesregierung. Laut „Energie- und
CO2-Bericht Bundesliegenschaften“ des damaligen Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
aus dem Jahr 2012 wird für die Dienstliegenschaften des
Bundes, also die unmittelbare Bundesverwaltung, eine
Senkung der CO2-Emissionen um 66 Prozent gegenüber
1990 ausgewiesen. Der Bericht soll in diesem Jahr durch
unser Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit als energetischer Sanierungsfahr-
plan Bundesliegenschaften vorgelegt werden. Für 2014
wird ein weiterer Rückgang der CO2-Emissionen in un-
seren Liegenschaften erwartet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809009500

Frau Höhn.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809009600

Danke, Herr Präsident. – Hier geht es um eine Vor-

bildfunktion. In diesem Sinne möchte ich gerne auf ei-
nen Artikel hinweisen, der gestern in der taz stand. Die
Überschrift dieses Artikels lautet: „Schlupflöcher beim
Klimaschutz“. In dem Artikel geht es um einen internen
E-Mail-Verkehr bezüglich der Umweltministerkonfe-
renz, die jetzt auf EU-Ebene stattfinden wird. Offen-
sichtlich ist es so, dass das Wirtschafts- und das Finanz-
ministerium Schlupflöcher eruiert haben. Mit allen
diesen Schlupflöchern würde der Bedarf nach Emissi-
onsreduzierungen bei Verkehr, Landwirtschaft und
Haushalten – so wird aus diesen internen Mails zitiert –
„sich um etwa 47 bis 103 Prozent verringern“.

Ist dem Ministerium dieser interne E-Mail-Verkehr
des Finanz- und Wirtschaftsministeriums bekannt – ja
oder nein?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1809009700


Mir ist er zumindest nicht bekannt. Auch in der Vor-
bereitung auf die Beantwortung dieser Frage ist er mir
nicht bekannt geworden. Den Hinweis auf den Pressebe-
richt nehme ich zur Kenntnis. Ich kann Ihnen aber versi-
chern, dass in unserem Hause geplant ist, den Gebäude-
bestand weiterhin energetisch zu optimieren. Hierfür
haben wir Nachhaltigkeitskriterien, die wir sehr ernst
nehmen. Wir wollen ohne Rechentricks eine bessere
CO2-Einsparung im Gebäudebestand erreichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809009800

Frau Höhn, bitte.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809009900

Können Sie denn einfach einmal ganz konkret sagen,

wie viele und welche Ministerien inklusive Kanzleramt
Ökostrom beziehen?

Fl
Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1809010000


Ich kann Ihnen nur anbieten, die Antwort auf diese
Frage nachzureichen. Dies gehört meines Wissens nach
zu den Aufträgen, die im Rahmen des energetischen Sa-
nierungsplanes bearbeitet werden. Wir werden entspre-
chende Ergebnisse noch dieses Jahr vorlegen. Wenn es
möglich ist, werde ich das eruieren und Ihnen die Ant-
wort umgehend zukommen lassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809010100

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwor-
tung steht der Parlamentarische Staatssekretär Uwe
Beckmeyer zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Ab wann wird nach Informationen der Bundesregierung

der Leseraum zur Einsicht in vertrauliche TTIP-Dokumente
– TTIP: Transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen
der Europäischen Union und den USA – in der Berliner US-
Botschaft eingerichtet sein, und plant die Bundesregierung, an
die US-amerikanische Botschaft auch die Namen nationaler
Parlamentarier als Zugangsberechtigte zu übermitteln, wie
dies die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Transpa-
renzinitiative vorgeschlagen hat?

Herr Staatssekretär, bitte schön.

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809010200


Frau Höhn, Sie stellen eine Frage zum Thema TTIP
und zur Einrichtung von Leseräumen in der US-Bot-
schaft. Die Antwort der Bundesregierung lautet wie
folgt: Wie andere Mitgliedstaaten hat auch die Bundes-
regierung dem US-Handelsbeauftragten eine Liste von
Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern übermit-
telt, die Zugang zum Leseraum erhalten sollen, und
dabei auch gefordert, Abgeordneten des Deutschen
Bundestages Zugang zu den konsolidierten TTIP-Ver-
handlungstexten zu ermöglichen. Bislang liegt allerdings
keine Rückmeldung der US-Seite vor.

Auf Wunsch des Deutschen Bundestages ist die Bun-
desregierung auch bereit, Namen nationaler Parlamenta-
rier an die USA zu melden. Allerdings ist derzeit offen,
ob von der US-Seite nationalen Parlamentariern der Zu-
gang zu Leseräumen gewährt wird.






(A) (C)



(D)(B)


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809010300

Herr Präsident, darf ich noch eine Nachfrage stellen?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809010400

Ja, klar.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809010500

Okay, danke. – Heute Abend findet eine Veranstal-

tung des Landwirtschaftsministeriums zum Thema TTIP
statt. Nach der Eröffnung durch den Minister ist ein Vor-
trag von Friedrich Merz als Gastredner zum Thema
„TTIP – Chancen für eine neue Partnerschaft mit den
USA“ vorgesehen. Nun wissen wir, dass Friedrich Merz
seit 2005 für die Kanzlei Mayer Brown LLP arbeitet, die
sich unter anderem auf internationale Schiedsverfahren
spezialisiert hat. Halten Sie das für eine vertrauensbil-
dende Maßnahme?

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809010600


Ich denke, dass er möglicherweise auch aufgrund sei-
ner vielen anderen Funktionen an dieser Veranstaltung
teilnimmt. Mir obliegt es nicht, dies weiter zu kommen-
tieren. Ich bin nicht der Verantwortliche für Herrn Merz.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809010700

Nein, aber der Bundesregierung! Sie sind ein Vertre-

ter der Bundesregierung. Aber ich habe ja kein Recht auf
eine gute Antwort, sondern ich kriege hoffentlich noch
eine gute Antwort.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809010800

Aber Sie haben das Recht auf eine Zusatzfrage. Bitte

schön.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809010900

Meine zweite Zusatzfrage lautet: Wir wissen, dass es

bei CETA Bereiche gibt, die liberalisiert werden sollen.
Es gibt Negativlisten, die die Bereiche umfassen, die von
der Liberalisierung ausgenommen werden. Jetzt bittet
die EU-Kommission ihre Mitglieder, einige dieser Aus-
nahmen wieder von der Liste zu nehmen, zu schauen,
was andere Mitgliedstaaten gemeldet haben, und darauf
zu achten, dass möglichst wenig Bereiche auf diese Ne-
gativliste kommen. Wie sieht das die Bundesregierung?
Wird sie hier Abstriche machen, was die Ausnahmen bei
CETA angeht?

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809011000


Die aktuelle Situation bei CETA ist wie folgt, liebe
Frau Kollegin: Im Grunde befinden wir uns in einer ab-
geschlossenen Verhandlungssituation, in der es ein nach-
trägliches Verhandeln als solches nicht gibt. Gleichwohl
gibt es natürlich einen Prozess des Legal Scrubbings, in
dem wir uns zurzeit befinden. Wir werden als Bundesre-
gierung alle unsere Möglichkeiten ausnutzen, und zwar
in dem Sinne, den wir gegenüber den Ausschüssen und
dem Parlament auch artikuliert und vertreten haben. Der
Minister ist an dieser Stelle prononciert befragt worden
und hat auch prononcierte Antworten gegeben. Wir wer-
den unsere Möglichkeiten ausnutzen und die deutsche
Interessenlage nachdrücklich vertreten. Dazu gehört
möglicherweise auch das, was Sie angesprochen haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809011100

Herr Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, das ist zwar nicht mein Fachge-
biet. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, werden
in der US-Botschaft endlich Dokumente zur Kenntnis-
nahme zur Verfügung gestellt. Jetzt geht es darum, dass
auch deutsche Parlamentarier davon Kenntnis bekom-
men können. Da verstehe ich nicht: Hat die Bundesre-
gierung diese vertraulichen Unterlagen nicht? Warum
stellt die Bundesregierung diese vertraulichen Unterla-
gen den Abgeordneten nicht direkt zur Verfügung? Das
gehört doch zu ihren Verpflichtungen.

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809011200


Herr Abgeordneter Ströbele, es ist etwas komplizier-
ter, als Sie es in Ihrer Frage dargestellt haben. Wir haben
den Abgeordneten des Deutschen Bundestages bereits
zwei Komplexe zur Verfügung gestellt. Das sind faktisch
Papiere über Ergebnisse von abgeschlossenen Verhand-
lungen. Zurzeit finden wir EU-Papiere mit – parallel
dazu – noch nicht ausverhandelten US-Texten vor. Die
US-Seite hat öffentlich und gegenüber der Kommission
Bedenken geäußert und gesagt, dass sie die US-amerika-
nischen Verhandlungstexte zurzeit nicht öffentlich kom-
muniziert wissen möchte. Das ist die aktuelle Lage. Vor
dieser Situation stehen wir.

Nun gibt es eine Verabredung mit Brüssel, dass mög-
licherweise über US-Botschaften Leseräume eingerich-
tet werden. Ich persönlich sage Ihnen an dieser Stelle:
Aus meiner Sicht ist es eine Zumutung, von europäi-
schen und deutschen Repräsentanten zu verlangen, in ir-
gendwelche Leseräume zu gehen. Eigentlich gehört es
sich, solche Papiere dem Parlament direkt zur Verfügung
zu stellen. Das ist unser Verständnis davon, wie wir un-
sere Arbeit tun und tun wollen.

Es ist unser Ziel, dass Europa die Konsultationen mit
den USA vorantreibt. Unsere Position ist – das vertreten
wir auch gegenüber der Europäischen Kommission –,
dass die deutschen Vertreter mit Nachdruck darauf hin-
weisen, dass in dieser Frage Klarheit hergestellt werden
muss.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809011300

Es liegen hierzu keine weiteren Zusatzfragen vor. –

Mit diesem Thema, Herr Kollege Ströbele, sind wir re-
gelmäßig im Ältestenrat befasst. Mein Eindruck ist, dass
wir da keine unterschiedliche Interessenlage vertreten
und sicherstellen, dass das Parlament über den jeweili-
gen Verhandlungsstand zeitnah und authentisch unter-
richtet wird.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A)



(D)(B)

Die Frage 22 des Kollegen Oliver Krischer wird
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 23 der Abgeordneten Heike Hänsel
auf:

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
Fakt, dass mit Geld aus den Rettungspaketen für Griechen-
land Rüstungsgüter in Milliardenhöhe von Rüstungsfirmen

(www.rtdeutsch.com/2845/inland/deutscherwaffendeal-mit-griechenland-beteiligte-packen-aus/)


U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809011400


Frau Kollegin Hänsel, Sie fragen mit Blick auf Grie-
chenland nach der Finanzierung von Rüstungsgütern.
Ich antworte für die Bundesregierung wie folgt: Der
Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor,
dass Griechenland derzeit neue Kaufverträge über Rüs-
tungsgüter in Milliardenhöhe, wie Sie es formuliert ha-
ben, abschließt, die mit Geld aus den Rettungspaketen fi-
nanziert werden sollen.

Der Bundesregierung liegt eine Pressemitteilung ei-
nes deutschen Unternehmens vor, aus der hervorgeht,
dass Griechenland 2014 einen Vertrag über den Kauf
von Panzermunition aus deutscher Produktion im Wert
von 52 Millionen Euro abgeschlossen hat. Bei der be-
stellten Munition handelt es sich um die Erstausstattung
für die von Griechenland gekauften Panzer des Typs
Leopard 2. Ein etwaiger Antrag auf Ausfuhrgenehmi-
gung würde nach den Politischen Grundsätzen der Bun-
desregierung für den Export von Kriegswaffen und sons-
tigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 2000 sowie den
geltenden Gesetzen und Bestimmungen zur Rüstungs-
exportkontrolle beurteilt werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809011500

Frau Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809011600

Danke schön. – Dann frage ich noch einmal ganz kon-

kret: Können Sie ausschließen, dass die griechische Re-
gierung in der Vergangenheit, seitdem sie im Hilfspro-
gramm der Euro-Gruppe ist, Geld aus ihrem Budget für
Rüstungskäufe ausgegeben hat?

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809011700


Aktuell liegen mir dazu keine Erkenntnisse vor.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809011800

Eine weitere Zusatzfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809011900

Ich möchte dazu die Information geben, dass viele

Rüstungskäufe Griechenlands bei deutschen Firmen mit
massiven Schmiergeldzahlungen in Verbindung standen.
Hier hätte ich gerne eine Bewertung der Bundesregie-
rung, wie sie diese massiven Schmiergeldzahlungen und
die Rolle der deutschen Rüstungsfirmen im Zusammen-
hang mit den Rüstungskäufen der griechischen Regie-
rung in den letzten Jahren – auch während des Hilfspro-
grammes – bewertet. Macht sich die Bundesregierung
im Zusammenhang mit dem Memorandum zum Hilfs-
programm dafür stark, dass keinerlei weitere Rüstungs-
käufe mit diesen Geldern getätigt werden?

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809012000


Frau Hänsel, wir haben bereits diverse Fragen zu die-
sem Thema schriftlich beantwortet. Ich will Ihnen gerne
die Haltung der Bundesregierung, wie sie in den schrift-
lichen Antworten zu diesem Thema vorgetragen worden
ist, erneut vortragen. Wir verfolgen mit Aufmerksam-
keit, was in Medienberichterstattungen über den Vorwurf
rechtswidriger Zahlungen zu lesen ist.

Sollten Zweifel an der Zuverlässigkeit eines der ge-
nannten Unternehmen bestehen, u. a. aufgrund be-
lastbarer und konkreter Anhaltspunkte für straf-
rechtlich relevantes Fehlverhalten,

so werden wir, denke ich, handeln; dann wäre eine sol-
che Ausfuhrgenehmigung nicht gegeben.

Die Bundesregierung sieht hierzu vor dem Hinter-
grund der bekannten Informationen jedoch derzeit
keine Veranlassung. Auch der Ausschluss von öffent-
lichen Aufträgen … ist vergaberechtlich nur mög-
lich, wenn eine rechtskräftige Verurteilung … vor-
liegt; der Ausschluss aufgrund eines mutmaßlichen
Gesetzesverstoßes ist nicht zulässig.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809012100

Frau Keul, bitte sehr.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809012200

Ich habe eine Nachfrage und bin der Bundesregierung

bezüglich der Kenntnisse über die U-Boot-Käufe Grie-
chenlands gerne behilflich. Parallel dazu, dass wir hier
im Mai 2010 über die ersten Hilfen für Griechenland dis-
kutiert haben, wurden im Hintergrund neue Verträge
über den Kauf von U-Booten der Howaldtswerke-Deut-
sche Werft verhandelt. Diese sind nach Verabschiedung
des ersten Rettungspakets gekauft worden:

Von 2002 bis 2013 kaufte der griechische Staat vier
U-Boote der Howaldtswerke-Deutsche Werft im
Wert von 1,14 Milliarden Euro. Dazu 170 Panzer
vom Typ Leopard-2 im Wert von 1,7 Milliarden Euro
sowie dutzende Militärfahrzeuge von Mercedes
Benz. Heute besitzt Griechenland mehr Panzer als
Frankreich, Deutschland und Großbritannien zu-
sammen.

Meine Frage bezieht sich auch auf den EU-Verhal-
tenskodex für Waffenausfuhren. Darin sind bestimmte
Kriterien angelegt. Kriterium acht besagt: Die wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit des Landes sollte bei der
Genehmigung von Exporten berücksichtigt werden.
Können wir uns jetzt darauf verlassen, dass wenigstens
zukünftig – ab jetzt – keine Exporte von Rüstungsgütern
nach Griechenland mehr genehmigt werden, die die
Staatsschulden dieses Landes noch weiter erhöhen wür-
den?

(C)







(A) (C)



(D)(B)

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1809012300


Frau Abgeordnete, weil Sie im Grunde wiederum un-
terstellen, dass das Geld gezahlt worden ist, um damit
Rüstungsgüter zu bezahlen, will ich als Erstes feststel-
len: Die Euros haben keine Bänder. – Früher haben wir
immer gesagt: Die Mark hat keine Bänder. Insofern: Es
entzieht sich meiner Kenntnis, womit was bezahlt wor-
den ist. Dass es solche Verkaufsprozesse gegeben hat, ist
in den Medien nachzulesen; da haben Sie recht. Mit wel-
chen Mitteln bezahlt worden ist,


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf jeden Fall mit Schulden!)


entzieht sich meiner Kenntnis,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden doch nicht verschenkt!)


weil ich über den tatsächlichen Staatshaushalt Griechen-
lands zu wenig Kenntnisse besitze.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Den kennen Sie doch nun inund auswendig!)


Was ich feststellen kann und muss, ist: Es gibt Politi-
sche Grundsätze der Bundesregierung für den Export
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus
dem Jahr 2000. Das ist im Grunde der zu beachtende und
auch vom Wirtschaftsministerium genutzte Maßstab für
die Beurteilung der Ausfuhr von Rüstungsgütern. Inso-
fern haben wir hier Griechenland so zu behandeln wie
einen NATO-Staat; denn Griechenland ist und bleibt
Mitglied der NATO. Insofern haben wir hier eine klare
Rechtssetzung, an die wir uns halten.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der EU-Waffenhandelskodex gilt aber auch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809012400

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-

tigen Amtes.

Ich rufe Frage 24 der Kollegin Hänsel auf:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus

der Absichtserklärung, dass die US-Armee ukrainische Ein-
heiten, wie es am 11. Februar 2015 der Oberkommandeur der
US-Streitkräfte in Europa, Ben Hodges, für März 2015 ange-

(http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/02/11/us-militaer-bildet-ab-maerz-ukrainischesoldaten-aus/)

schau.de/ausland/ukraine-ausbildung-101.html; bitte begrün-
den)?

Frau Professor Böhmer.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1809012500


Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich
beantworte Ihnen die Frage: Der Bundesregierung sind
die Ankündigungen des US-Militärs bekannt. Darüber
hinausgehende Kenntnisse zu Einzelheiten der geplanten
Ausbildungskooperation hat sie nicht. Die Bundesregie-
rung setzt sich gemeinsam mit der US-Regierung für
eine politische Lösung des Konflikts ein. Grundlage da-
für ist die vollständige Umsetzung der Minsker Verein-
barung.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809012600

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Nun haben die

USA angekündigt, dass sie ein Bataillon von Fallschirm-
jägern in die Ukraine entsenden und auch ukrainische
Artillerieeinheiten ausbilden wollen. Hier geht es also
um eine militärische Ausbildung der ukrainischen Ar-
mee. Deshalb möchte ich noch einmal ganz konkret
nachfragen: Wie passt das zu Ihrer Aussage, dass Sie
sich gemeinsam mit den USA für eine politische Lösung
einsetzen wollen? Inwiefern erleichtert die militärische
Ausbildung der ukrainischen Armee vonseiten der US-
Regierung eine politische Lösung, oder wirkt sie nicht
umgekehrt weiterhin eskalierend?

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1809012700


Frau Kollegin, ich kann für die Bundesregierung nur
erneut betonen: Für uns ist klar, dass es für diesen Kon-
flikt keine militärische Lösung gibt. Daher setzen wir
uns mit allem Nachdruck für eine politische Lösung ein.
Das spiegelt sich in unserem Handeln wider. Das spie-
gelt sich in der Initiative der Bundeskanzlerin wider. Das
spiegelt sich auch im nachdrücklichen Einsatz unseres
Bundesaußenministers wider. Sie wissen, dass allein
deshalb die jüngsten Minsker Vereinbarungen zustande
gekommen sind, und ich kann nur an alle Partner appel-
lieren, diese Minsker Vereinbarungen auch wirklich um-
zusetzen.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809012800

Wenn Sie sagen, dass es eine enge Abstimmung mit

dem NATO-Partner USA gibt, heißt das dann, dass die
Bundesregierung ihr Einverständnis gegeben hat, dass
die US-Regierung Soldaten zur Unterstützung der mili-
tärischen Ausbildung in die Ukraine schickt? Ich frage
Sie ganz konkret: Ist die Bundesregierung damit einver-
standen?

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1809012900


Frau Kollegin, wenn ich schon am Anfang sage, dass
uns die Ankündigungen bekannt sind, wir aber keine da-
rüber hinausgehenden Kenntnisse haben, dann erschließt
sich doch, dass die von Ihnen gestellte Frage nur mit
Nein beantwortet werden kann. Wir haben keine Kon-
takte, wir sind auch nicht gefragt worden.

Ich möchte eines hinzufügen: Mir liegt eine Meldung
von Reuters von gestern vor, in der es heißt:

Russland unterstützt die Separatisten im Osten der
Ukraine nach Einschätzung des US-Militärs mit
etwa 12 000 Soldaten.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Tolle Quelle!)


Es handle sich um eine Mischung aus russischen
Militärberatern, Bedienpersonal für Waffen und
Kampftruppen …

Ich glaube, mehr brauche ich nicht zu zitieren.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809013000

Weitere Zusatzfragen hierzu gibt es nicht.

Die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Omid
Nouripour sowie die Frage 27 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern.

Die Frage 28 der Abgeordneten Sevim Dağdelen, die
Frage 29 des Abgeordneten Volker Beck, die Frage 30
der Abgeordneten Katrin Kunert und die Frage 31 der
Abgeordneten Ulla Jelpke werden schriftlich beantwor-
tet.

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:

Welche Sofortmaßnahmen ergreift die Bundesregierung
nach den Berichten, dass die Geheimdienste National Security
Agency, NSA, und Government Communications Headquar-
ters, GCHQ, 2010/2011 die Chips, „Encryption Keys“, in
SIM-Karten von Telekommunikationsgeräten sowie mutmaß-

(vergleiche www.handelsblatt.com, aufgerufen am 20. Februar 2015)

lers Gemalto weder kurzfristig festgestellt noch durch Ver-

(vergleiche www.chip.de, aufgerufen am 26. Februar 2015)

nun der Gefahr zu begegnen, dass diese Dienste auch Kom-
munikation von Personal in Bundesregierung und Bundesbe-
hörden mit bislang als sicher geltenden Geräten ausforschen
sowie Dokumente mit solchen Chips missbrauchen können,
und inwieweit waren unter Umständen auch deutsche Stellen
an der erstgenannten Ausspähung zusammen mit jenen aus-
ländischen Diensten beteiligt?

Zur Beantwortung steht Staatssekretär Krings zur
Verfügung.

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809013100


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal
vielen Dank dafür, dass Sie – im Gegensatz zu den ande-
ren sechs Fragestellern, deren Fragen schriftlich beant-
wortet werden – bei der Stange geblieben sind und dass
ich die Gelegenheit bekomme, Ihre Frage mündlich zu
beantworten. Das tue ich gerne.

In Ihrer Frage geht es um den sogenannten Gemalto-
Hack, also um den vermeintlichen oder tatsächlichen
Angriff auf SIM-Karten, worüber wir alle in den Medien
gelesen haben. Ich darf dazu wie folgt antworten: Es ist
bekannt, dass handelsübliche, nur durch schwache Ver-
schlüsselungsverfahren geschützte Mobilfunktelefonie
mit gewissen Aufwänden abgehört werden kann. Für die
Übertragung von sensiblen Informationen in der Bun-
desverwaltung ist derartige Mobilfunktelefonie daher
nicht geeignet, sofern keine zusätzlichen Schutzmaßnah-
men ergriffen werden.

In der Bundesverwaltung werden – um derartigen Ri-
siken zu begegnen – für die sensible Kommunikation
seit Jahren moderne und vom BSI zugelassene Kommu-
nikationsgeräte eingesetzt, mit denen sicher verschlüs-
selt und folglich gesichert kommuniziert werden kann.
Die Sicherheit dieser Geräte ist nach hier vorliegenden
Kenntnissen durch den genannten Angriff nicht beein-
trächtigt. SIM-Karten des Herstellers Gemalto werden in
diesen Geräten nämlich nicht eingesetzt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809013200

Herr Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, ich finde es ja schön, was Sie für
die Bundesregierung und die Bundesbehörden gesagt ha-
ben. Aber gerade gestern oder heute, glaube ich, ging
eine Meldung durch die Zeitungen, dass selbst bei soge-
nannten Kryptotelefonen, von denen ich auch eines
besitze und über das auch der Vorsitzende eines Parla-
mentarischen Untersuchungsausschusses offensichtlich
verfügt, der Verdacht besteht, dass jemand versucht hat,
sich da Zutritt zu verschaffen. Damit nicht genug: Als er
das dann zur Untersuchung zum BSI nach Bonn ge-
schickt hat, ist dieses Päckchen sogar noch von irgendje-
mandem geöffnet worden.

Die Frage ist also: Woher nehmen Sie die Sicherheit,
dass die SIM-Karten, die in diesen Telefonen angeblich
noch über das Normale hinaus gesichert sein sollen,
auch funktionieren?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809013300


Sie haben ja ganz konkret danach gefragt, ob es
Sofortmaßnahmen im Anschluss an den sogenannten
Gemalto-Hack gibt. Darauf habe ich geantwortet, dass
wir diese SIM-Karten nicht benutzen, sondern andere In-
strumente nutzen, die davon nicht betroffen sind, die
auch höheren Sicherheitsanforderungen genügen, die
kryptieren. Niemand kann eine hundertprozentige Si-
cherheit geben; das ist, glaube ich, auch ganz klar. Bei
Fragen der IT-Sicherheit und -Absicherung befinden wir
uns natürlich in einer Art Katz-und-Maus-Spiel: Wir
versuchen, immer stärkere Sicherheitsmaßnahmen ein-
zubauen, und umgekehrt gibt es verschiedenste Akteure
von außen, die versuchen, diese Sicherheitsmaßnahmen
zu durchbrechen. Insofern gibt es natürlich keine hun-
dertprozentige Sicherheit.

Aber zu dem, was von Ihnen hier als konkreter Sach-
verhalt noch einmal zitiert worden ist, also dem, was die
in den Niederlanden sitzende und in Frankreich produ-
zierende Firma als Angriff offenbar hat erleiden müssen,
wobei nicht klar ist, wie erfolgreich dieser Angriff war,
gibt es auch unterschiedliche Aussagen. Diese Art von
Angriff betrifft die Handys und Kommunikationsmittel
innerhalb der Bundesregierung, nach denen Sie gefragt
haben, nicht; da können Sie sicher sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809013400

Eine weitere Zusatzfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun behauptet ja die Firma Gemalto, dass sie es bei
ihren Chips ausschließt, nachdem sie es überprüft hat.





Hans-Christian Ströbele


(C)



(D)(B)

Dies wird aber von Fachleuten bestritten; die Quellen
habe ich in meiner Frage genannt. Welche Auffassung
hat denn die Bundesregierung dazu? Kann diese Aus-
kunft der Firma Gemalto überhaupt stimmen? Kann man
in kurzer Zeit tatsächlich feststellen, ob so etwas millio-
nenfach passiert ist oder nicht?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809013500


Die Aussage der Firma Gemalto geht in die Richtung:
Wir wurden zwar als Unternehmen angegriffen; aber nur
unsere Bürokommunikation ist angegriffen wurde, nicht
unsere Fertigungsteile. Man konnte zwar offenbar in un-
sere Bürosysteme hineingehen oder hat es jedenfalls ver-
sucht; aber da, wo diese SIM-Karten produziert worden
sind – die sind ja das sensible Teil, das auch in vielen
deutschen Handys eingebaut ist –, hat der Angriff nicht
stattgefunden, jedenfalls nicht erfolgreich. – So die Aus-
sage der Firma Gemalto.

Wir sind zurzeit in Gesprächen und in intensiver Ab-
stimmung mit unseren Partnerbehörden in den Nieder-
landen, wo die Firma ihren Sitz hat, und in Frankreich,
wo die Produktionsstätten sind, um dies zu verifizieren
oder zu falsifizieren. Noch können wir Ihnen also keine
Antwort darauf geben, ob die Aussage von Gemalto zu-
trifft oder nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809013600

Frau Hänsel.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809013700

Danke schön. – Ich habe noch einmal eine generelle

Frage, weil ich es natürlich als etwas absurd empfinde,
dass Sie sich jetzt hier in die Einzelheiten des Forschens
hineinbegeben müssen, wie man diese SIM-Karten viel-
leicht wieder sicher machen kann usw. Wie bewertet
denn die Bundesregierung eigentlich die Meldungen,
dass es vonseiten des US-amerikanischen und des briti-
schen Geheimdienstes dieses Knacken der SIM-Cards
gegeben hat? Ich habe in den Medien eigentlich so gut
wie keine Bewertungen, Stellungnahmen der Bundesre-
gierung gelesen. Vielleicht können Sie mich da noch ein-
mal auf den aktuellen Stand bringen. Wie ist die politi-
sche Bewertung dieses Vorgehens der Geheimdienste?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809013800


Ich habe eben darauf hingewiesen, dass wir bisher
nicht einmal wissen, wie erfolgreich dieser Angriff be-
zogen auf die SIM-Karten war. Das Gleiche gilt für die
Urheberschaft dieses Angriffs. Natürlich gibt es Vermu-
tungen, die auch in den Medien kursieren. Da gibt es ja
die üblichen Verdächtigen, die dann genannt werden,
vielleicht mit Anhaltspunkten, vielleicht auch ohne An-
haltspunkte. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht
sagen, wo die Urheberschaft eines solchen Angriffes zu
sehen ist, zumal wir gar nicht wissen, welches Ausmaß
er angenommen hat.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809013900

Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Ströbele auf:

Welche Angaben macht die Bundesregierung zur Entwick-
lung und zum derzeitigen Stand der „automatisierten und sys-
tematischen Gewinnung, Verarbeitung und Auswertung von
Massendaten aus dem Internet“, wie „zentral“ vor allem etwa
„Kontaktlisten und Beziehungsgeflechte in … sozialen Netz-
werken wie Facebook, Twitter oder YouTube“, durch das
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), welches solche
selbst so formulierte Überwachung im Rahmen seiner neuen
Referatsgruppe „Erweiterte Fachunterstützung Internet“ Be-
richten zufolge (www.netzpolitik.org vom 26. Februar 2015)

mindestens seit 2013 betreibt, und inwieweit berücksichtigt
das BfV dabei – neben politischen Bedenken dagegen – auch
die Rechtslage, dass es keine Massendaten über solche Kom-
munikation abfangen darf, sondern sich lediglich gemäß § 3
des Artikel-10-Gesetzes (G 10) die Überwachung von (zum
Beispiel E-Mail-)Verbindungen einzelner Teilnehmer durch
die G-10-Kommission genehmigen lassen darf?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809014000


Herr Präsident! Herr Kollege Ströbele! Meine Damen
und Herren! In der Frage geht es um eine Arbeitseinheit
beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Einleitend möchte
ich eine Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz vom 26. Juni 2014 zur Einrichtung der in der
Frage thematisierten Referatsgruppe „Erweiterte Fach-
unterstützung Internet“, EFI, zitieren:

Ziel ist es, die bereits vorhandenen Daten besser
auszuwerten. Im Bereich der digitalen Kommunika-
tion handelt es sich dabei um Daten, die das BfV
gemäß seinen Befugnissen nach dem G 10-Gesetz
bereits erhoben hat. Die Datenerhebungsgrundlage
selbst wird dadurch nicht ausgeweitet.

Das BfV führt Telekommunikationsüberwachungs-
maßnahmen ausschließlich bezogen auf Einzelpersonen
und auf Grundlage des § 3 G-10-Gesetz oder des § 8 a
Absatz 2 Nummer 4 des Bundesverfassungsschutzgeset-
zes – Auskunftsersuchen zu Telekommunikationsver-
kehrsdaten – durch. Zwingende Voraussetzung für beide
Maßnahmen ist das Vorliegen bestimmter einzelner
Kommunikationskennungen. Das sind beispielsweise
Rufnummern oder E-Mail-Adressen, die überwacht wer-
den sollen. Zudem müssen die entsprechenden materiel-
len Voraussetzungen gemäß § 3 G-10-Gesetz bzw. § 8 a
Bundesverfassungsschutzgesetz im Einzelfall vorliegen.
Bei jeder einzelnen Maßnahme bedarf es der Prüfung
und Zustimmung durch die G-10-Kommission als unab-
hängigem parlamentarischem Kontrollorgan. Dement-
sprechend führt das Bundesamt für Verfassungsschutz
gerade keine massenhaften, anlasslosen, verdachtsunab-
hängigen oder sonst ungezielten Maßnahmen gegen eine
Vielzahl oder beliebige Grundrechtsträger durch.

Die genannte Referatsgruppe „Erweiterte Fachunter-
stützung Internet“ befindet sich im Aufbau. Ein entspre-
chender Aufbaustab wurde am 1. April 2014 gegründet.
Die Arbeit der Referatsgruppe – das gilt insbesondere
für die Auswertung und Analyse von Internetdaten, zum
Beispiel der Kommunikation in sozialen Netzwerken –
basiert ausschließlich auf Daten, die auf geltender
Rechtsgrundlage erhoben werden.

(A)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809014100

Herr Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden?
Sie behaupten, dass lediglich die Daten aus Facebook
und den anderen sozialen Netzwerken analysiert und
verarbeitet werden, die vorher aufgrund einer Anwei-
sung der G-10-Kommission erhoben wurden?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809014200


Es gibt keine strategische Netzüberwachung, wie wir
das aus den USA gehört haben. Das Bundesamt für Ver-
fassungsschutz ist nicht die NSA. Beide haben ganz un-
terschiedliche Herangehensweisen. Das dürfen Sie ruhig
für bare Münze nehmen. Das heißt, dass es immer eine
konkrete Rechtsgrundlage gibt. Ich habe das G-10-Ver-
fahren angesprochen. Die Daten, die auf Basis dieser
Rechtsgrundlage vor einigen Monaten oder einigen Jah-
ren erhoben wurden, sollen durch diese Referatsgruppe
besser ausgewertet und analysiert werden können.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will das noch einmal präzisieren: Es werden keine
persönlichen Daten aufgenommen, ausgewertet und
möglicherweise gespeichert, deren Erhebung nicht durch
die G-10-Kommission angeordnet und legitimiert
wurde?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1809014300


Ich habe die Norm eben zitiert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, § 3! Das weiß ich!)


Nach meinem Kenntnisstand sind alle Daten im Rahmen
eines G-10-Verfahrens erhoben worden. Wichtig ist – ich
sage das, um nicht aufs Glatteis zu geraten –, dass über-
all eine Rechtsgrundlage vorhanden sein muss. Nach
meinem Kenntnisstand ist das ein G-10-Verfahren. Es
mag auch Rechtsgrundlagen geben, bei denen ein G-10-
Verfahren nicht erforderlich ist. Aber alle Daten, die auf
Basis der bisherigen Rechtsgrundlage, die im Rahmen
eines rechtsstaatlichen Verfahrens erhoben werden konn-
ten, sollen jetzt mithilfe dieser neuen Arbeitseinheit aus-
gewertet werden. Das ist eine Umorganisation innerhalb
des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Daten, die oh-
nehin auf rechtmäßiger Grundlage erhoben werden, wer-
den nun vor dem Hintergrund des aktuellen Standes der
Erkenntnisse und mit moderner Technik ausgewertet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1809014400

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Frage 34 des Abgeordneten Andrej Hunko und
die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Hubertus
Zdebel werden schriftlich beantwortet.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Wir unterbrechen die Sitzung bis zum Beginn der Ak-
tuellen Stunde, bis 15.30 Uhr.


(Unterbrechung von 14.49 bis 15.35 Uhr)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809014500

Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD

Auswirkung der Ermordung des russischen
Politikers Boris Nemzow auf die Politik Russ-
lands

Ich eröffne die Aussprache. – Als erster Redner hat
der Abgeordnete Dr. Gernot Erler für die SPD-Fraktion
das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1809014600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern haben wir Abschied vom russischen Opposi-
tionspolitiker Boris Nemzow genommen. Es war ein ein-
drucksvoller Akt der Trauer, als Tausende von russi-
schen Menschen an dem aufgebahrten Leichnam im
Andrej-Sacharow-Zentrum in Moskau vorbeizogen, um
Boris Nemzow die letzte Ehre zu erweisen. Viele von ih-
nen haben dafür stundenlang in der Kälte ausharren müs-
sen. Es waren auch zahlreiche Ausländer dabei, darunter
Teilnehmer aus allen 28 EU-Staaten.

Ich habe als Vertreter der Bundesregierung an der
Panichida, der russisch-orthodoxen Totenmesse, für
Boris Nemzow teilgenommen, gemeinsam mit unseren
ehemaligen Bundestagsmitgliedern Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger und Wolfgang Gerhardt von der FDP
sowie dem deutschen Botschafter von Fritsch.

Unser allererster Gedanke der Anteilnahme gilt der
Familie, den Angehörigen und den Freunden von Boris
Nemzow, aus deren Mitte er plötzlich und unerwartet
durch einen feigen und heimtückischen Mord herausge-
rissen wurde. Dann fällt unser Blick auf den Verlust, den
diese vier Kugeln der russischen Opposition, aber auch
ganz Russland zugefügt haben.

Ich habe Boris Nemzow persönlich schon Anfang der
90er-Jahre als blutjungen Gouverneur von Nischnij
Nowgorod mit seinem unbändigen Lockenkopf, mit sei-
ner schwarzen Lederjacke, von der er sich nie trennen
wollte, und seiner Reformbegeisterung, mit der er westli-
che Investoren für seine Region zu gewinnen versuchte,
kennengelernt. Persönlich war er in diesen Jahren erfolg-
reich. Er stieg 1997/98 zum Vize-Ministerpräsidenten
auf, aber auch er wurde wie seine wirtschaftsliberalen
Mitstreiter Gajdar, Tschubajs, Jawlinskij und andere Op-
fer einer tragischen Entwicklung, dass nämlich die Men-
schen in Russland die ersten Schritte zur Demokratie
und Marktwirtschaft als Verlust ihrer sozialen Sicherheit
verbunden mit Rubelabsturz und Nichtzahlung von Löh-
nen und Gehältern erleben mussten.





Dr. h. c. Gernot Erler


(A) (C)



(D)(B)

Diese Schulterlast konnte die Reformergeneration
von Nemzow nie mehr abwerfen. Da half auch nicht die
Gründung immer neuer oppositioneller Parteien, die
eher zur Zersplitterung beitrugen. Boris Nemzow hat
sich trotzdem nie entmutigen lassen. Er wurde zu einer
unerschrockenen Stimme der Kritik am politischen Esta-
blishment. Er machte all denen Mut, die sich ein künfti-
ges Russland ohne Demokratie, ohne Bürgerrechte, ohne
Freiheitsrechte nicht vorstellen konnten. Zuletzt hat er
schonungslos die aktuelle Ukraine-Politik von Präsident
Putin öffentlich angegriffen. Vielleicht musste er deshalb
sterben. Es gibt viele Spekulationen. Sich an ihnen zu
beteiligen, hat keinen Sinn.

Aber eines ist mit Händen zu greifen: Dieser zynische
Mord hat etwas mit der künstlich aufgeheizten und ag-
gressiven Atmosphäre in einem Land zu tun, in dem sich
NGOs mit internationalen Verbindungen selber zu aus-
ländischen Agenten erklären müssen und in dem der Prä-
sident alle, die seinen Kurs kritisieren, als Nationalverrä-
ter und Anhänger einer fünften Kolonne ins Abseits
stellt. Wo ein unerklärter Krieg im Nachbarland geführt
wird, können Nationalverräter nicht geduldet werden.
Eine solche Sprache allein kann tödliche Folgen haben,
wenn sie unbequeme Stimmen kriminalisiert und letzt-
lich für vogelfrei erklärt. Deswegen ist es unverzichtbar,
die russische Führung aufzufordern, alles nur Mögliche
zu veranlassen, um den Mörder und seine Hintermänner
dingfest zu machen und vor Gericht zu stellen.


(Beifall im ganzen Hause)


Aber es ist ebenso unverzichtbar, eine Änderung der
gesellschaftlichen Atmosphäre einzufordern, die Hem-
mungen abbaut, auf vermeintliche Vaterlandsverräter
loszugehen, auf Bürgerinnen und Bürger, die in Wirk-
lichkeit nur von ihrem verbrieften Recht, eine andere
Meinung zu haben und diese auch öffentlich kritisch zu
äußern, Gebrauch machen. Von dieser Debatte im Deut-
schen Bundestag sollte – das wünschte ich mir – ein star-
kes politisches Signal in diese Richtung ausgehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809014700

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809014800

Danke sehr, Herr Präsident. – Ich glaube, dass es ge-

stattet sein muss, zu Beginn dieser Debatte ein Wort über
die eigenen Gefühle zu sagen. Die Nachricht vom Mord
an Boris Nemzow – ich denke, dass man den Begriff
„Mord“ benutzen muss


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ja, welchen denn sonst?)


und nicht nur von „Tod“ reden darf – hat bei mir Entset-
zen, Nachdenklichkeit, den Versuch, etwas innezuhalten,
Fassungslosigkeit und Trauer ausgelöst. Ich denke, es
war richtig, dass sich der Bundestag entschlossen hat,
heute eine Aktuelle Stunde dazu durchzuführen, damit
wir darüber reden.

Ich möchte gern, dass die Bürgerinnen und Bürger in
Russland verstehen, dass diese Aktuelle Stunde nicht ge-
gen sie gerichtet ist, sondern dass wir im Rahmen dieser
Aktuellen Stunde Trauer und Nachdenken mit ihnen tei-
len wollen. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger
Russlands nicht belehren, sondern wir möchten mit ih-
nen zusammen auf eine Veränderung des politischen Kli-
mas hinwirken. Das ist mir sehr wichtig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will sehr deutlich sagen, was ich von der russi-
schen Regierung und vom russischen Präsidenten er-
warte. Präsident Putin muss das einlösen, was er gestern
in der Öffentlichkeit gesagt hat. Er sagte, dass dieser
Mord eine Schande ist. Ich erwarte von ihm und von der
russischen Regierung – das würde ich von jeder Regie-
rung in der Welt erwarten –: Es muss aufgeklärt werden,
und zwar rasch und mit rechtsstaatlichen Mitteln – das
betone ich ausdrücklich: mit rechtsstaatlichen Mitteln –,
und es müssen Transparenz und Öffentlichkeit geschaf-
fen werden. Das ist das, was man von der russischen Re-
gierung und von Präsident Putin erwarten muss. Ich
möchte, dass der Deutsche Bundestag zu einer Entwick-
lung in diese Richtung beiträgt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist bestimmt nicht entscheidend, was wir dazu mei-
nen. Es ist entscheidend, dass in Russland verstanden
wird, dass es um die Verfasstheit des Landes geht, dass
es um die Verfasstheit Europas geht, dass es um die Zu-
kunft Russlands geht. Wenn man das betont, dann bleibt
es dabei: Wenn dieser Mord nicht aufgeklärt wird, dann
behält Russland eine offene Wunde. Eine offene Wunde
sollte Russland aber nicht behalten. Deswegen müssen
dieser Mord und all seine Umstände aufgeklärt werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin kein Freund
von Verschwörungstheorien – noch nicht einmal dann,
wenn sie in meiner eigenen Umgebung verbreitet wer-
den –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


weil sie meistens überhaupt nichts erklären.


(Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Ja, ja! Nur von Ihren eigenen!)


Ich finde auch alle Verschwörungstheorien rund um die-
sen Mord unnütz. Ich bin der Auffassung, dass es, wenn
man die Ansprüche stellt, die Sie gestellt haben, nicht
klug ist, ein Klima zu bereiten, in dem von Anfang an





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)

feststeht, dass am Ende Putin schuld ist, nur er und kein
anderer.


(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Das ist keine Aufklärung und sorgt nicht für ein Nach-
denken über das gesellschaftliche Klima.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Aufklärung und aufklärerisches Wirken.
Aufklärerisches Wirken muss nach vorne gerichtet sein.
Ich will Ihnen einige Punkte nennen, die für mich unver-
zichtbar sind. Angesichts der aktuellen Situation möchte
ich betonen: Man muss zur Entspannung zurückkehren,
auch wenn das heute fast unmöglich erscheint. Man
braucht innenpolitische Entspannung in Russland, und
man braucht politische Entspannung in Europa. Das
wäre ein vernünftiger Weg. Wir sollten darauf hinwir-
ken, dass alle Vereinbarungen von Minsk umgesetzt
werden.

Im Krieg um die Ukraine und in der Ostukraine darf
es nicht wieder zu offener Gewalt kommen, weil Gewalt
immer auch staatliche Gewalt in den entsprechenden
Ländern zeitigt, und das war die Voraussetzung dafür,
dass so etwas wie der Mord an Boris Nemzow in Russ-
land passieren konnte. Entspannung ist heute denkbar,
und die Ergebnisse von Minsk könnten ein Weg zur Ent-
spannung sein.


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Da können Sie die Bundesregierung ja mal loben!)


Ich denke sehr darüber nach und bitte Sie, sich in
diese Richtung auch ein Stück weit selbst zu überprüfen:
Die Isolation und die Selbstisolation Russlands müssen
dringend aufgehoben werden. Isolation und Selbstisola-
tion führen immer zu innenpolitischen Verschärfungen
und Verengungen. Ich glaube, dass wir Russland einen
Weg zurück nach Europa weisen und die Tore weit auf-
machen müssen, weil das und nichts anderes demokrati-
siert.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Ihnen in dieser Situation auch gerne
sagen: Wenn der Deutsche Bundestag Verstand und
Courage hat, dann müssen wir die Visafrage erneut auf
die Tagesordnung setzen. Ich möchte, dass wir die russi-
schen Bürgerinnen und Bürger einladen. Kommt in un-
ser Land! Kommt nach Europa! Wir haben eine gemein-
same Gestaltungsaufgabe in Europa. Wir müssen eine
neue Ostpolitik und eine europäische Entspannungspoli-
tik entwickeln.

Wenn wir so damit umgehen, ein Stück weit innehal-
ten und nicht immer mehr zuspitzen, dann könnte der
Mord an Boris Nemzow ein Signal zur Umkehr werden.
Diese Umkehr ist in Europa dringend notwendig.

Das wollte ich Ihnen sagen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809014900

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Dr. Franz Josef Jung, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1809015000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten
Freitag wurde der russische Regimekritiker Boris
Nemzow in unmittelbarer Nähe des Kremls heimtückisch
ermordet. Herr Erler hat darauf hingewiesen: Er wurde
gestern unter Teilnahme von Tausenden Bürgerinnen
und Bürgern zunächst aufgebahrt und dann beigesetzt.

Ich denke, wir sind uns in diesem Parlament einig,
dass wir erwarten, dass dieser hinterhältige Mord umfas-
send aufgeklärt wird und die Täter zur Verantwortung
gezogen werden. Täter, Auftraggeber und Motive des
Verbrechens dürfen aus unserer Sicht nicht wieder im
Dunkeln bleiben, wie das beispielsweise bei den Morden
an Anna Politkowskaja, an Natalja Estemirowa und an
Aleksandr Litwinenko geschehen ist.

Ebenso, denke ich, müssen wir uns über die Auswir-
kungen der Ermordung von Boris Nemzow auf die Poli-
tik in Russland unterhalten. Ich finde, hier ist es schon
von Bedeutung, dass der konfrontative Kurs von Prä-
sident Putin gegenüber den Regierungsgegnern und Op-
positionellen ein Klima von Hass und Hysterie geschaffen
hat – unterstützt durch die entsprechenden Staatsmedien,
die hier Aggression und Feindschaft schüren –, ein
Klima, das hier letztlich den dunkelsten Kräften in die
Hände spielt. Deshalb ist es, denke ich, dringend not-
wendig und geboten – auch im Interesse Russlands –,
dass Präsident Putin dafür sorgt, dass dieses Klima der
Repression beendet wird und die Freiheitsrechte der
Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich finde schon, dass der
Mord an Boris Nemzow ein besonderes und bezeichnen-
des Licht auf die innere Entwicklung Russlands wirft.
Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit
und Bürgerrechte werden unterdrückt. Von einem lupen-
reinen Demokraten kann wahrlich keine Rede sein.

Wer in Russland Präsident Putin und sein Regime kri-
tisiert, der muss den Sicherheitsapparat nicht nur persön-
lich fürchten, sondern er muss auch damit rechnen, dass
seine Nächsten in Gefahr geraten, wie es das Beispiel
des Bruders des Kremlkritikers Nawalnyj zeigt, und er
muss mit den Schlägern des sogenannten Anti-Maidan
rechnen, die jede Opposition gegen Präsident Putin mit
Gewalt im Keim ersticken.

Die Tatsache aber, dass in Moskau am vergangenen
Sonntag Zehntausende im Rahmen eines Trauermar-
sches für Boris Nemzow auf die Straße gegangen sind,
macht deutlich, dass es viele mutige Bürger in Russland
gibt, die gegen dieses Klima der Einschüchterung ihre
Stimme erheben und auf die Straße gehen. Ich denke,





Dr. Franz Josef Jung


(A) (C)



(D)(B)

diese mutigen Bürgerinnen und Bürger haben unsere So-
lidarität und unsere Unterstützung verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Politik der Repression, des Rechtsbruchs oder
auch der kriegerischen Auseinandersetzung in der
Ukraine schadet aus meiner Sicht Russland. Deshalb
wäre es im Interesse Russlands, wenn Präsident Putin
eine derartige Politik beendete, die Freiheitsrechte um-
fassend gewährleistete, das Minsker Abkommen in die
Tat umsetzte und partnerschaftliche Beziehungen zu Eu-
ropa wieder aufnähme.

Der wirtschaftliche Niedergang Russlands zeigt aus
meiner Sicht, wie notwendig es ist, diese falsche und un-
demokratische Politik zu beenden. Wir wollen ein demo-
kratisches, ein modernes, ein freiheitliches Russland, mit
dem wir gut zusammenarbeiten können. Hier gilt die
Hoffnung von Boris Nemzow, die auch gestern viele
Menschen zum Ausdruck gebracht haben: Russland wird
frei sein – im Interesse der Menschen, im Interesse der
Sicherheit, im Interesse von Frieden und Freiheit in Eu-
ropa.

Besten Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809015100

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Marieluise Beck, Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Boris Efimowitsch Nemzow war ein brillanter Kopf. Er
war widerständig und unerschrocken. Er war ein Volks-
tribun, und – ich glaube, das darf ich sagen – er war auch
ein Draufgänger. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
Sie hieß: in der Wahrheit leben – ohne Rücksicht auf Ge-
fahr und ohne Rücksicht auf das eigene Leben. Und er
wusste, dass er in Gefahr war.

Die Liste der Menschen, die für ihre Aufrichtigkeit in
den vergangenen Jahren ermordet wurden, ist lang – viele
sind schon genannt worden –: Anna Politkowskaja,
Natalja Estemirowa – ich habe sie noch hier in Berlin
getroffen –, Stanislaw Markelow, Sergej Magnitskij. All
diese Morde sind nie aufgeklärt worden. Diese Wunden,
Herr Kollege Gehrcke, sind alle noch offen. Alle diese
Menschen stehen für den Wunsch nach Wahrheit, Frei-
heit und Gerechtigkeit. Sie stehen für ein anderes Russ-
land und für eine Alternative zu der Machtpyramide, an
deren Spitze Präsident Putin steht.

Der eindrucksvolle Gedenkzug für Boris Nemzow
zeigt uns, dass in der russischen Gesellschaft mehr Le-
bendigkeit und Widerspruchsgeist stecken, als Putins
Propaganda uns glauben lassen will. Auch wir selber
sollten an diese Kräfte glauben und nicht zu zaghaft sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Nemzow war in ungewöhnlich jungem Alter – der
Kollege Erler hat das schon gesagt – Gouverneur und
später Vizepremier unter Jelzin und mit Aufgaben be-
traut, die eigentlich eine „Mission impossible“ waren. In
diesen tumultuösen Zeiten wurden auch viele Fehler ge-
macht: Viele Menschen gerieten in Not, und die Oligar-
chen konnten ihr System in vielen rechtsfreien Räumen
errichten.

Tatsächlich schien es so zu sein, als würde mit Putin
die Ordnung in das Land zurückkehren. Doch heute wis-
sen wir, dass seine Herrschaft zu einem System aus Ge-
heimdienst und Oligarchie geworden ist, überwölbt von
Korruption, die alles zusammenhält. In diesem System
muss jeder etwas abbekommen. Dazu gehört auch Will-
kür – ohne Chance auf Gerechtigkeit, ohne eine freie
Justiz, an die sich Bürgerinnen und Bürger wenden kön-
nen.

Dieses System hat auch immer schon zu Gewalt ge-
griffen – daran erinnern wir uns nicht mehr so gut –: der
Krieg in Tschetschenien – er war gnadenlos –, der Krieg
in Georgien und jetzt der in der Ukraine.

Je deutlicher wurde, dass Putin kein Modernisierer ist
und dass ihm die ökonomische Modernisierung nicht ge-
lingt, desto stärker baute er an seiner Propagandama-
schine, an den Feindbildern von äußeren und inneren
Gegnern, und desto schärfer wurde die Repression. Die
Bürgergesellschaft im eigenen Land – das konnte man
Jahr für Jahr sehen – wurde immer stärker stranguliert;
kritische Nichtregierungsorganisationen sollten gezwun-
gen werden, sich selber mit der stalinistischen Figur des
„ausländischen Agenten“ zu belegen.

Derzeit rollt in der Duma das nächste Gesetz an, näm-
lich das Verbot der Zusammenarbeit mit unerwünschten
Organisationen. Das ist der nächste Strangulierungs-
schritt, der in der Pipeline ist, und die Feindpropaganda
durchdringt das ganze Land.

Nun hat Präsident Putin heute selber den Mord an
Boris Nemzow als einen politisch motivierten bezeich-
net. Was bedeutet das? Es legt vielleicht offen, dass es
tatsächlich die Vertikale der Macht schon gar nicht mehr
gibt, sondern dass sie beginnt, Putin zu entgleiten, hin zu
Kräften, die nationalistischer, die extremistischer sind,
hin zu einer kruden Mischung aus Nationalbolschewis-
mus und faschistoiden Tendenzen. Eine Person mit zwei
Namen steht für diese Kombination, nämlich Strelkow
und Girkin. Es kann sein, dass Putin bereits ein Teil sei-
nes Apparates zu entgleiten beginnt und dass diese
Schüsse direkt vor der Kremlmauer auch eine Botschaft
an ihn gewesen sind. Ebenso kann er einen Kadyrow
nicht mehr steuern; auch Kadyrow ist ihm schon entglit-
ten. Wenn wir heute auf Russland und auf diesen entfes-
selten Hass schauen, so stellen wir fest, dass er tatsäch-
lich zu einem Drama für das russische Volk selber
geworden ist.

Putin hat das Land in diese Isolation geführt. Keiner
von uns weiß derzeit, wie und durch wen das Land wie-
der zurück auf den Weg in die europäische Familie und





Marieluise Beck (Bremen)



(A) (C)



(D)(B)

in unser gemeinsames Haus Europa findet. Aber Boris
Nemzow war einer der profiliertesten Oppositionspoli-
tiker Russlands; er hatte Pläne für die Rückkehr in die
Duma, und er war eine Hoffnung für viele Bürgerinnen
und Bürger, weil er so ganz unterschiedslos gegen Kor-
ruption vorgegangen ist. Nun ist dieser mögliche Oppo-
nent nicht mehr da.

Wir sollten – das ist unsere Aufgabe – all diejenigen
Menschen treffen und sie ermutigen, die ohne Ansehen
der eigenen Person diese zarten Pflänzchen der Bürger-
gesellschaft in Russland trotz aller Widerstände auf-
rechterhalten, und dies – da gebe ich dem Kollegen
Gehrcke recht – ohne umständliche und teure Visaproze-
duren, wir sollten sie reisen lassen, wir sollten sie als un-
sere Partner begreifen. Das wäre die beste Art, Boris
Nemzow zu ehren.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809015200

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Karl-Georg Wellmann, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1809015300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt

viele Merkwürdigkeiten bei diesem Mord unter den Au-
gen des Kreml, in der sensibelsten russischen Sicher-
heitszone schlechthin, unter Augen, denen sonst über-
haupt nichts entgeht. Hängen Sie da mal ein Plakat auf;
es ist in Sekunden wieder weg. Exakt zum Tatzeitpunkt
versperrt ein Müllauto die Sicht, exakt zum Tatzeitpunkt
sind 15 Überwachungskameras ausgeschaltet, weil sie
angeblich gewartet werden. Wie idiotisch ist denn dieses
Märchen, meine Damen und Herren? Ein FSB-Sicher-
heitschef, der dies verantwortete, wäre nicht einen Tag
länger im Amt, wenn er so etwas machte.

Von der Kollegin Beck und dem Kollegen Jung wurde
schon auf das völlig vergiftete Meinungsklima hinge-
wiesen, in dem Hass und Verfolgung gegen Andersden-
kende blühen und sich natürlich einige ermutigt fühlen,
den Ruhm und die Größe Russlands durch solche Mord-
taten wiederherzustellen.

Meine Damen und Herren, Russlands Regierung und
eine Mehrheit der Bevölkerung sehen sich in einem ver-
meintlichen Abwehrkampf gegen äußere Feinde, und ihr
Präsident will nicht zulassen, dass die Ehre Russlands
von Feinden beleidigt wird. Die Frage ist, wie wir jetzt
eigentlich auf so etwas reagieren.

Ich möchte vorsichtig daran erinnern, dass das Ver-
hältnis zu Russland in erster Linie eine außenpolitische
Fragestellung ist. Es geht leider nicht darum, menschlich
sehr verständlichen Regungen der Empörung und des
Abscheus Genüge zu tun, sondern darum, wie wir au-
ßenpolitisch damit umgehen und praktische Politik be-
treiben können. Das hat für mich zwei Konsequenzen.
Erstens. Wir müssen immer darauf achten, dass wir
die Diplomatie nicht vernachlässigen. Russland ist und
bleibt unser größter östlicher Partner. Für Russland gilt
übrigens umgekehrt: Wir sind und bleiben dessen größ-
ter westlicher Partner.

Wir müssen auch darauf achten, dass unsere Außen-
politik nicht durch Empfindungen und Gefühle geleitet
wird, so schwierig das manchmal ist. Wir tun das an an-
derer Stelle auch nicht, zum Beispiel gegenüber China,
wo die Menschenrechtslage noch schwieriger ist als in
Russland.

Zweitens. Wir müssen leider von unserer Konver-
genzvermutung, also von unserer Sicht der Dinge, dass
andere Staaten so werden wie wir, wenn wir nur lange
genug mit ihnen zusammenarbeiten, Abschied nehmen.
Wir haben keinen Hebel zur Durchsetzung unserer
Werte. Wir müssen aufpassen, dass unsere Verstörung
über die Zustände in Russland nicht auf die Außenpolitik
durchschlägt. Die Akzeptanz unserer Werte durch andere
darf nicht Bedingung für unsere Außenpolitik sein. An
dieser Erkenntnis kommen wir leider nicht vorbei; sonst
können wir zwei Drittel der Staaten dieser Welt nicht
mehr besuchen oder mit ihnen den Kontakt aufrechter-
halten.

Wir haben sehr oft über den Begriff der „wertebezo-
genen Außenpolitik“ gesprochen. Aber damit geraten
wir – wir sehen das in der Ukraine, in Belarus und in
Russland – leider zu oft auf Traumpfade statt auf Wege,
die in die Zukunft führen. Wir werden von außen leider
wenig verändern. Wo das versucht wurde, ist es meistens
furchtbar schiefgegangen: in Libyen, Irak, Syrien und
anderswo. Viele Probleme, die wir jetzt haben, sind aus
der Vorstellung entstanden, wir könnten einen Regime
Change bewirken.

Die russische Innen- und Außenpolitik ist nicht mit
den Anforderungen des 21. Jahrhunderts kompatibel.
Man glaubt in Russland offenbar, einen äußeren und in-
neren Feind zu brauchen. Das ist – das sage ich ganz
deutlich – kein Zeichen der Stärke, sondern der Schwä-
che.

Gestern hat der russische Finanzminister, Herr
Siluanow, die Haushaltsplanung für die nächsten drei
Jahre vorgestellt. Ich empfehle sehr, sich das anzugu-
cken. Er höchstpersönlich, nicht etwa die CIA oder je-
mand anderes, erklärt, dem Staat gehe das Geld aus; sie
müssten das Haushaltsbudget kürzen und nicht nur die
Rüstungsausgaben senken, sondern auch Renten und So-
zialleistungen kürzen. Die Wirtschaft schrumpft dieses
Jahr um 3 Prozent. Die Inflationsrate beträgt 16 Prozent,
und es gibt, so der russische Finanzminister, einen Kapi-
talabfluss von 30 Milliarden Dollar im ersten Quartal
dieses Jahres. Bezogen auf das ganze Jahr rechnet er mit
90 Milliarden bis 100 Milliarden Dollar. Das kennzeich-
net exakt den Schwächezustand, in dem sich Russland
befindet und der nur zu einem kleinen Teil durch Sank-
tionen verursacht wurde.

Das moralische Koordinatensystem in Russland ist
durcheinandergeraten. Vor allem das steht der dringend
notwendigen Modernisierung Russlands entgegen, ist





Karl-Georg Wellmann


(A) (C)



(D)(B)

aber mit Mitteln unserer Außenpolitik nicht zu ändern.
Ich habe keine Sorgen: Die westliche Wirtschaftskraft
und Innovationskraft sind denjenigen Russlands haus-
hoch überlegen. Wir müssen uns darüber keine Sorgen
machen, sondern nur auf die veränderte Lage reagieren.
Wenn man auf russischer Seite glaubt, ökonomische
Schwäche durch militärische Kraftmeierei kompensieren
zu können, so müssen wir uns auch sicherheitspolitisch
darauf einstellen, und ich habe den Eindruck, dass wir
das tun.

Der Vorrang der Diplomatie in der Außenpolitik gibt
uns im Verhältnis zu Russland vor, erstens die Lage re-
alistisch zu beurteilen und die notwendigen Schlüsse zu
ziehen und zweitens Russland weiter das Angebot einer
Zusammenarbeit zu machen, sofern selbstverständlich
die Regeln der europäischen Nachkriegsordnung einge-
halten werden. Dies tut die Bundesregierung offensicht-
lich, auch wenn das Gedränge auf der Regierungsbank
im Moment nicht gerade furchterregend ist.


(Heiterkeit und Beifall der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir werden deshalb die aktuelle Krise gemeinsam mit
unseren Freunden und Verbündeten bestehen. Daran
habe ich keinen Zweifel.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809015400

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Stefan Liebich, Fraktion Die Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1809015500

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Un-

sere Reden klingen heute sehr ähnlich, und in einer sol-
chen Debatte muss das nichts Schlechtes sein. Wenn Au-
ßenminister Steinmeier und auch viele andere sagen,
dass das Wichtigste ist, dass die Urheber dieses Verbre-
chens gefunden und in einem transparenten und rechts-
staatlichen Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden
müssen, dann benennen sie das, was jetzt notwendig ist.
Trotzdem klingt hier bei vielen Rednern ein gewisser
Zweifel an. Herr Jung hat das angesprochen, auch Frau
Beck hat das angesprochen. Die Liste derjenigen, die ihr
Leben in Russland bereits verloren haben, ist genannt
worden. Man muss natürlich besorgt sein, ob die Aufklä-
rung dieses Mordes gelingt. Nur dadurch wird es mög-
lich sein, den jeweiligen Mutmaßungen, die es jetzt auf
allen Seiten gibt, etwas entgegenzusetzen.

Auch ich möchte, wie Herr Erler es am Beginn seiner
Rede gemacht hat, darüber sprechen, wie sich das Klima
in Russland entwickelt hat. Ich denke, das gehört zu die-
sem Thema; denn das raue Klima in Russland in diesen
Tagen ist der Nährboden, auf dem diese Gewalt entsteht.
Ich möchte jemanden zitieren, der Russland und Moskau
deutlich besser kennt als ich: Wladimir Kaminer hat die-
ser Tage im ZDF ein Interview gegeben, das sehr deut-
lich war. Sie kennen Wladimir Kaminer: in Moskau ge-
boren, in Berlin Erfinder der „Russendisko“.

Er sagte: Menschen sterben. Zuerst wurde in der
Ukraine scharf geschossen, und Tausende Russen und
Tausende Ukrainer haben dort ihr Leben gelassen, und
jetzt wird auch vor dem Kreml scharf geschossen. Die
Macht der vom Staat gelenkten Medien trägt ganz sicher
daran Schuld. Beinahe jede Woche, jeden Tag wird die
politische Opposition diffamiert. Sie haben jede ver-
nünftige Kritik an der Politik der Regierung gleich als
Heimatverrat abgestempelt und haben diese Menschen
als fünfte Kolonne und als amerikanische Spione ge-
schmäht. Durch diese Propaganda, durch diese unsägli-
che Propaganda, die alles Böse in den Menschen hervor-
gerufen hat, Homophobie, Fremdenfeindlichkeit, diese
Hetze gegen westliche Werte, drehen viele Menschen
durch. – So hat Kaminer es beschrieben.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Ja, es ist schrecklich, dass so ein Klima in Russland
entstanden ist, und das hat Konsequenzen. Lew
Schlossberg, der Verleger der Zeitung Pskovskaya
Guberniya, wurde am 29. August letzten Jahres kranken-
hausreif geprügelt. Die drei Angreifer wurden nicht
identifiziert. Elena Klimowa, die Gründerin des Online-
portals Children 404, das sich um lesbische, schwule
und Transgender-Jugendliche kümmert, wurde wegen
„Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Bezie-
hungen“ angeklagt. Auch Folter ist ein Thema in Russ-
land. Im aktuellen Jahresbericht von Amnesty Interna-
tional heißt es zu Russland:

Nach wie vor wurden Menschen gefoltert und miss-
handelt, ohne dass die Täter mit Bestrafung rechnen
mussten.

Folter, deren Straflosigkeit, Einschränkung der Mei-
nungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Hass-
propaganda gegen Andersdenkende und Minderheiten –
das gibt es nicht nur in Russland, aber das gibt es auch
dort. Wir messen nicht mit zweierlei Maß. Wir kritisie-
ren das, wo immer es geschieht.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, es ist
richtig, Kritik zu üben, und es ist notwendig, Kritik zu
üben, aber – da möchte ich an Herrn Wellmann anknüp-
fen – wir werden Nachbarn bleiben, wer immer dort oder
hier gerade regiert. Wir müssen einen Weg finden, mitei-
nander umzugehen, auch wenn es manchmal nicht leicht
ist. Da erscheint es mir notwendig, dass Gesprächska-
näle genutzt und nicht geschlossen werden. Es ist ein
Fehler aus meiner Sicht, die G-8-Runde in eine G-7-
Runde zu verwandeln, es ist ein Fehler aus meiner Sicht,
den NATO-Russland-Rat gerade dann zu suspendieren,
wenn man ihn am dringendsten braucht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Stefan Liebich


(A) (C)



(D)(B)

Ich finde es richtig, dass sich die Obleute im Auswär-
tigen Ausschuss und der Vorsitzende des Auswärtigen
Ausschusses entschieden haben, gerade jetzt die Duma
und auch die Rada zu besuchen. Es ist notwendig, weiter
im Gespräch zu bleiben.

Ich möchte mit einem Punkt schließen, den Herr
Gehrcke und Frau Beck hier angesprochen haben. Wir
können selber etwas tun. Wir sollten endlich die Visa-
freiheit einführen. Wir haben das in der letzten Wahl-
periode diskutiert, und wir waren schon ziemlich weit.
Es geht nicht um ein Lob für Wladimir Putin oder für
seine Regierung. Weltanschauung entsteht dadurch, dass
man sich die Welt anschauen kann. Ich denke, wir soll-
ten diese Chance den Russinnen und Russen einräumen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Haben wir keine Angst vor unseren Nachbarn, öffnen
wir uns!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809015600

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten

Franz Thönnes, SPD-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1809015700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Schüsse auf Boris Nemzow waren ein kaltblütiger und
kalkulierter Mord. Dieser Mord macht es schwierig für
eine friedliche Entwicklung in Russland, er macht es
schwierig für einen gesellschaftlichen Veränderungspro-
zess, der notwendig ist, und er macht es auch schwierig
für uns, mit einem Russland umzugehen, in dem ein der-
artiges Klima herrscht.

Wir denken an Boris Nemzow heute, an seine Fami-
lienangehörigen, mit denen wir trauern, und an seine
mutigen Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Russland.
Unser Mitgefühl ist bei ihnen. Boris Nemzow ist mit sei-
nem Tod auch ein Opfer des in den letzten Jahren sich
zunehmend verschlechternden Klimas geworden.

Die Vorredner haben darauf hingewiesen: wachsender
Nationalismus, Wahrheiten, Unwahrheiten, Halbwahr-
heiten, Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und
der Medienrechte, die Unterdrückung von zivilgesell-
schaftlichen Bewegungen bis hin zu der Notwendigkeit,
sich zu einem ausländischen Agenten zu erklären, wenn
man bürgerrechtlichen Selbstverständlichkeiten nach-
kommen will. Hinzu kam der propagandistische und me-
diale Aufbau einer Mehrheitsmeinung, die diejenigen,
die nur etwas abweichen, die Fragen stellen, die etwas
infrage stellen, die andere Vorschläge haben, am Ende zu
Staats- oder Volksfeinden erklärt.

Medienberichten nach soll der angesehene ehemalige
Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin dazu gesagt
haben, der Mord an Boris Nemzow zeige, dass die Ge-
sellschaft krank vor Hass sei. Das sind Worte, die aus
Russland selbst kommen und den Zustand beschreiben.
Ich will mich nicht wie andere auch – es ist gut, dass wir
das nicht machen – an irgendwelchen Spekulationen
über mögliche Täter beteiligen. Die Aufklärung und die
Strafverfolgung liegen bei den verantwortlichen Behör-
den in Russland selbst. Ich hoffe, dass die Aufklärung
diesmal konsequenter und ergebnishaltiger erfolgt als
bei den Morden im politischen Bereich, die wir in den
vergangenen Jahren erlebt haben.

Auch deswegen stellt sich jetzt die Frage, die heute an
uns alle gestellt wird: Welche Auswirkungen hat dies auf
die Politik Russlands? Daran knüpft nämlich der Titel
unserer heutigen Debatte an. Ich habe hier keine Glasku-
gel vor mir. Vielmehr glaube ich, wir müssen bei dem
Versuch, dies zu beantworten, natürlich auf die Ge-
schichte der letzten acht bis zehn Jahre zurückblicken.
Aber ich will auch dazu sagen: Keiner von uns, auf bei-
den Seiten, kann behaupten, zu jeder Zeit an jedem Tag
alles richtig und nichts falsch gemacht zu haben. Umso
mehr knüpfe ich an dem an, was jetzt eine gute Grund-
lage ist, nämlich am Minsker Abkommen vom 12. Fe-
bruar 2015. Dieses Abkommen sollte uns die Möglich-
keiten geben, schrittweise in eine friedlichere Zukunft in
Europa zu gehen. Das, was die vier Staatschefs, aus
Frankreich, aus der Ukraine, aus Russland und die Bun-
deskanzlerin, Frau Dr. Merkel, unterzeichnet haben, ist
eine gute Grundlage als Ergänzung zu dem Maßnahmen-
paket und als Hilfe zu dessen Umsetzung.

Weil das die erste Debatte dazu ist, die wir nach dem
12. Februar 2015 führen, will ich an dieser Stelle der
Bundesregierung, der Bundeskanzlerin, dem Bundes-
außenminister einen großen Dank sagen für die Beharr-
lichkeit der Bemühungen, hier eine neue Vereinbarung
zustande zu bringen, die eine gute Grundlage für eine
friedlichere Entwicklung bietet.


(Beifall im ganzen Hause)


In dieser Vereinbarung heißt es unter anderem:

Die Staats- und Regierungschefs bekennen sich un-
verändert zur Vision eines gemeinsamen humanitä-
ren und wirtschaftlichen Raums vom Atlantik bis
zum Pazifik auf der Grundlage der uneingeschränk-
ten Achtung des Völkerrechts und der Prinzipien
der OSZE.

Das ist das, was wir mit russischen Kolleginnen und
Kollegen diskutieren müssen: Wie soll das ausgefüllt
werden? Was bedeutet das konkret für uns? Wie stärken
wir gemeinsam die OSZE? Wie kommen wir gemeinsam
dazu, diese Vorstellungen auch umzusetzen? – Das ist
nicht nur eine Frage von Putin. Dies ist auch eine Frage
für die Parlamentarier, dies ist eine Frage, die ebenso in
die Gesellschaften hinein gestellt werden muss.

Das bedeutet, neues Vertrauen zu entwickeln, und das
bedeutet, daran zu arbeiten, wie wir es jetzt in der OSZE
machen, wenn wir Ende dieses Monats in der Pfalz mit
ukrainischen Kollegen, mit russischen Kollegen, mit
deutschen Kollegen, mit französischen Kollegen zusam-
menkommen und auch vor dem Hintergrund von Kriegs-
erfahrungen diskutieren, wie sich eine friedlichere Zu-





Franz Thönnes


(A)



(D)(B)

kunft entwickeln kann. Vielleicht setzen wir das im
Herbst in der deutsch-dänischen Grenzregion fort.

Das bedeutet auch, mehr Besuche zu organisieren,
mehr Diskussionen mit Parlamentariern durchzuführen.
Das bedeutet, gemeinsame Interessen auszuloten, damit
wieder Kalkulierbarkeit entsteht, damit man weiß, was
der andere denkt und wie der andere denkt und welche
Zukunftsperspektiven man hat und wie Konflikte fried-
lich gelöst werden können. Eigentlich sollte das im
40. Jahr nach Helsinki eine der Hauptaufgaben sein, die
zu erfüllen sind.

Die 6 000 deutschen Unternehmen, die gut 1 000
deutsch-russischen Schulpartnerschaften, die 90 deutsch-
russischen Städtepartnerschaften, die Weiterentwicklung
des Petersburger Dialoges, all das können gute Grundla-
gen sein, die auch nicht aufs Spiel gesetzt werden dür-
fen. Deswegen bin ich sehr dafür, dass auch die Hinder-
nisse ausgeräumt werden. Das ist jetzt keine Idee nur
von den Kolleginnen und Kollegen der Linken oder auch
der Grünen. Vielmehr waren wir Außenpolitiker uns alle
gemeinsam einig; schließlich haben wir schon in den
vergangenen Jahren in einer Arbeitsgruppe gemeinsam
dafür gearbeitet, dass Visaliberalisierung und Visafrei-
heit stattfinden müssen,


(Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


damit die Menschen kennenlernen können, wie Gesell-
schaften funktionieren, damit man unterschiedliche
Wahrheiten und unterschiedliche Sichtweisen kennen-
lernt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809015800

Herr Kollege.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1809015900

Deswegen will ich schließen: –


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809016000

Gut.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1809016100

– Der Tod von Boris Nemzow mahnt nicht nur Russ-

land, sondern er mahnt die Verantwortlichen in Russ-
land, dass es Sicherheit in einer Gesellschaft nur geben
kann, wenn ein Klima des guten Umgangs und der Of-
fenheit da ist, wo Regierung und Opposition um den
richtigen Weg streiten, wo sich die Zivilgesellschaft frei
und ohne Angst und ohne Repression bewegen kann und
wo die Menschen ihre Bürgerrechte nutzen können. Da-
ran gilt es zu arbeiten, und darüber gilt es mit russischen
Kolleginnen und Kollegen sehr intensiv zu diskutieren.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809016200

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Jürgen Trittin, Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1809016300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Boris

Nemzow, das war heimtückischer Mord. Hier ist jemand
umgebracht worden – das lässt uns fassungslos zurück –
wegen seines politischen Wirkens, wegen seiner Über-
zeugung. Wir wissen nicht, wer dafür verantwortlich ist.
Wir sind pessimistisch, ob das aufgeklärt werden wird,
aber wir beharren auf der Forderung, dass es eine rück-
haltlose und umfassende Aufklärung geben muss.

Wir wissen aber auch, in welchem gesellschaftlichen
Klima dieses passiert ist. Die Abgrenzung Russlands
nach außen spiegelt sich in einer innergesellschaftlichen
– nicht nur innerstaatlichen – Feinderklärung gegen alles
Abweichende wider.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


Und dann gehört das ganze System dazu: dass die Pres-
sefreiheit nicht mehr gewährleistet ist, dass kritische
Medien verstaatlicht, gleichgeschaltet oder so unter
Druck gesetzt wurden, dass sie schließen mussten. Dazu
gehört, dass diejenigen, die bei der dritten Amtseinfüh-
rung von Präsident Putin beim „Marsch der Millionen“
zu Tausenden auf die Straße gegangen sind – viele von
denen haben bei den ersten beiden Wahlen noch Putin
gewählt –, massiv kriminalisiert worden sind, wie es
Alexej Nawalnyj geschehen ist.

Dann fragt man sich, wie es kommen kann, dass es
unter solchen Bedingungen nach wie vor so ist, dass
Putin, ja, die Zustimmung einer breiten Mehrheit der Be-
völkerung – manche sagen: 85 Prozent – hat. Aber es gilt
der Satz „Propaganda tötet“. Das stand auf einem der
Plakate beim Gedenkmarsch am Sonntag. – Das ist der
Kern des Problems. Boris Nemzow wusste das sehr gut.
Er hat gesagt:

… die Zensur muss beendet werden, damit die
schreckliche Propaganda aufhört. Die Lügen haben
der russischen Bevölkerung den Verstand geraubt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Das war übrigens einer seiner letzten Sätze, nur knapp
vier Stunden vor seinem Tod.

Was heißt das – Sie haben ja recht, Herr Thönnes; wir
können nicht in eine Glaskugel gucken, aber wir können
uns das selber fragen – für eine Politik in Europa, die zu
Recht immer wieder betont hat, dass Russland ein Part-
ner, kein Gegner ist, die von der Erkenntnis, ich glaube,
aller Fraktionen dieses Hauses, ausgeht, dass es Sicher-
heit und Frieden in Europa nur mit und nicht gegen
Russland geben wird? Ich glaube, es müssen auch Posi-
tionen überprüft werden.

Manche haben gesagt: Putin, war das nicht ein Fort-
schritt gegenüber Jelzin, da er doch das Chaos beendet

(C)






Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)

hat? Ja, er hat das Chaos beendet; nur: Wenn man die
Bandenkriege der Oligarchen durch eine Tyrannei und
die umfassende Macht des Geheimdienstes beendet,


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


dann herrscht noch keine Ordnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ordnung herrscht erst auf der Basis des Rechts.

Es hat diejenigen gegeben, die gesagt haben: Man
muss Russland wirtschaftlich öffnen, und dann entsteht
so etwas wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nord Stream!)


Dieser Mechanismus ist in Russland widerlegt worden.
Die politische Legitimation hat sich abgelöst vom wirt-
schaftlichen Wohlergehen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kein Wandel durch Annäherung!)


Ich glaube, das zeigt uns: Wir müssen uns in unserer
Politik gegenüber Russland auch ein Stück überprüfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt nicht, dass man alles glauben muss, was von
Russland kommt: die Märchen von der Einkreisung, das
„sie“ und „wir“, mit dem Putin sich rechtfertigt. Es ist
nicht wahr, dass es ein böser Akt der Aggression gewe-
sen ist, dass die baltischen Staaten der NATO beigetreten
sind. Vielmehr ist dies mit Zustimmung Russlands, der
höchstpersönlichen Zustimmung Wladimir Putins, und
zusammen mit der Einrichtung des NATO-Russland-Ra-
tes geschehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage auch – da mag ich mich von manchen Stim-
men jenseits des Atlantiks unterscheiden – sehr deutlich:
Wir haben kein Interesse an einem wirtschaftlich ruinier-
ten Russland. Ein „wirtschaftliches Wettrüsten“ liegt
nicht in unserem Interesse. 145 Millionen Russen, die
sich von Europa ausgegrenzt und abgegrenzt fühlen –
das kann nicht in unserem Interesse sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen gilt für uns: Ja, machen wir die Tore auf, ste-
hen wir nicht nur zu Minsk 2, sondern reißen wir endlich
die bisher praktizierte Form der Visapolitik ein, öffnen
wir uns den russischen Bürgerinnen und Bürgern, schaf-
fen wir Luft unter der Miefglocke, unter dieser Beton-
decke der Propaganda, die über Russland gelegt worden
ist!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Ich will ausdrücklich sagen: Ich halte den Vorschlag
der Bundeskanzlerin, des Bundesaußenministers und des
Bundeswirtschaftsministers für richtig, so etwas wie
eine Freihandelszone zu schaffen. Ich finde es fahrlässig,
wenn in der Europäischen Kommission versucht wird,
die Frage des Handels aus dem Zusammenhang der As-
soziierung mit der Ukraine herauszunehmen. Das ist das
falsche politische Signal.

Aber ich füge hinzu: Freihandel wird es nachhaltig
und dauerhaft nur dort geben, wo die Herrschaft des
Rechts gilt. Das gilt nicht automatisch. Wir müssen offen
sein gegenüber den russischen Bürgerinnen und Bür-
gern, aber auch fest auf der Grundlage des Rechts und
der Menschenrechte stehen. So geht Europa.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809016400

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1809016500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Tod von
Boris Nemzow ist der Opposition in Russland – insbe-
sondere der außerparlamentarischen Opposition – eine
Identifikationsfigur genommen worden. Der russischen
Bevölkerung ist Hoffnung genommen worden – Hoff-
nung auf die Aussicht, sich zivilgesellschaftlich in der
Opposition für ein besseres Russland engagieren zu kön-
nen.

Er war kein Angehöriger der Nomenklatura, sondern
jemand, der sich, ausgehend von Tschernobyl 1986, um
Missstände in Russland gekümmert hat. Ihm lag Korrup-
tionsbekämpfung und Bekämpfung von Machtmiss-
brauch von Anfang an am Herzen. Nun ist er der vorläu-
fig letzte politisch Ermordete in einer langen Kette.
Namen wurden genannt; ich erwähne nur: Politkowskaja
und Magnitskij. Er war jemand, der sich im Bewusstsein
engagiert hat, Risiko auf sich nehmen zu müssen und
– auch wider Willen – Identifikationsfigur zu sein.

Wir haben heute geradezu fraktionsübergreifend ein
Signal nach Russland gesendet. Am 25. September 2001
hat Putin von dieser Stelle aus die gemeinsame europäi-
sche Kultur beschworen. Er hat seinerzeit – sicherlich
noch unter dem Eindruck des 11. September – Sicher-
heitsherausforderungen angesprochen. Auch im Jahr
2007, wo er in München sprach, deutete er an, dass er
Felder der Zusammenarbeit sieht. Er hat sich von dem
seinerzeit von Gorbatschow vorgeschlagenen „gemein-
samen Haus Europa“ nicht nur verabschiedet, sondern
die russische Gesellschaft von den europäischen Werten
der Toleranz, der Meinungsvielfalt und vor allen Dingen
der Rechtsstaatlichkeit abgegrenzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir zeigen
heute in Richtung Russland, dass wir noch Hoffnung für
die russische Zivilgesellschaft sehen, dass wir nicht wol-





Roderich Kiesewetter


(A) (C)



(D)(B)

len, dass Russland in eine Diktatur der Dunkelheit und
der Unterdrückung zurückfällt.

Die russische Außenpolitik läuft Gefahr, sich noch
mehr zu isolieren. Der Mord hat gezeigt, dass das Ge-
waltmonopol – wer auch immer dafür verantwortlich
ist – offensichtlich nicht in den Händen des Rechtsstaa-
tes liegt, sondern dass der russische Staat durch das
Klima der Unterdrückung, das er geschaffen hat, zuge-
lassen hat, dass so etwas passieren konnte.

Ich beteilige mich nicht an Verschwörungstheorien.
Wir müssen aber Antworten finden, Antworten, mit de-
nen wir uns nicht auf das Niveau der gegenwärtigen rus-
sischen Politik begeben. Diese Antworten müssen – ich
sage das ganz bewusst – asymmetrisch sein. Unser Au-
ßenminister und unsere Bundeskanzlerin haben bereits
Antworten gegeben, die deutlich machen, dass wir auf
Verhandlungen setzen und dass wir gegenüber Russland
klarmachen: Es geht darum, Rechtsstaatlichkeit und
Menschenwürde durchzusetzen. Vielleicht müssen wir
mit Blick auf den Europarat andere Antworten geben als
in den letzten Monaten: Möglicherweise muss man
Russland dort Sitz und Stimme wiedergeben und es zur
Verantwortung ziehen. Möglicherweise muss man den
Europarat beauftragen, entsprechende Untersuchungen
durchzuführen, und auch den europäischen Menschen-
gerichtshof einbeziehen.

Es ist heute mehrfach das Thema der Visaliberalisie-
rung angesprochen worden. Das ist kein Wert an sich.
Aber: Was wirkt denn mehr, als wenn junge russische
Menschen, Wissenschaftler, junge Familien, die Chance
haben, für einige Wochen Mitteleuropa kennenzulernen,
zu spüren, was es heißt, in einer Stadt wie Berlin, Mün-
chen oder Paris Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Viel-
falt zu erleben und kein Klima der Unterdrückung? Es
stimmt mich auch sehr nachdenklich, wenn in einer
Stadt mit 12 Millionen Einwohnern aus Anlass der Er-
mordung Nemzows gerade einmal 50 000 Menschen auf
die Straße gehen, während in Paris, das deutlich kleiner
ist, 2 Millionen Menschen gegen die Anschläge gegen
Charlie Hebdo und jüdische Einrichtungen demonstrie-
ren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Ant-
wort kann nur heißen: Fortsetzung der Verhandlungen,
Verschärfung der Sanktionen, Aufklärung des Verbre-
chens, Stärkung der russischen Zivilgesellschaft und
– mit Blick auf unsere eigene Gesellschaft – uns aufzu-
stellen gegen die Desinformation und Propaganda Russ-
lands, die nicht Meinungsvielfalt ist, sondern die Verhin-
derung von Meinungsvielfalt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
uns den Weg, den die Bundeskanzlerin und Außenminis-
ter Steinmeier mit dem Minsker Abkommen eingeschla-
gen haben, fortsetzen. Das Minsker Abkommen muss
umgesetzt werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809016600

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Dr. Fritz Felgentreu, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Fritz Felgentreu (SPD):
Rede ID: ID1809016700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein cha-

rismatischer, ein glaubwürdiger Oppositionsführer ist
am vergangenen Freitag in Moskau in Sichtweite des
Kremls ermordet worden. Boris Nemzows gewaltsamer
Tod ruft allen, die an den Geschehnissen in Russland
und der Entwicklung des Landes Anteil nehmen, die an-
deren in Erinnerung, die unter nie befriedigend geklärten
Umständen dort und im Ausland zu Tode gekommen
sind und die durch ihre oppositionelle Haltung gegen-
über der Staatsmacht miteinander verbunden waren. Es
war deswegen gut und richtig, dass mehrere Kollegen
heute – Frau Beck, Herr Jung, Herr Kiesewetter – an
Persönlichkeiten wie Anna Politkowskaja und Natalja
Estemirowa erinnert haben.

Die starke öffentliche Reaktion in Russland selbst
– die Menschen in Moskau sprechen davon, dass weit
mehr als die offiziell geschätzten 20 000 an dem Trauer-
zug für Nemzow teilgenommen haben – und die Re-
aktionen von Präsident Putin und Ministerpräsident
Medwedew zeigen, dass der Tod Nemzows ein Ereignis
von besonderer Bedeutung ist. Theorien über die Urhe-
ber und die Nutznießer kursieren reichlich, die einen mit
der Tendenz, die Staatsmacht, ihre selbsternannten Hel-
fershelfer und letztlich Präsident Putin für Nemzows Tod
verantwortlich zu machen. Andere tragen Entlastungsan-
griffe, Gegenangriffe vor. Es hat überhaupt keinen Sinn,
dass wir uns an solchen Mutmaßungen beteiligen.

Für uns ist doch wichtig, zu prüfen und darüber nach-
zudenken, was gerade diesen Mord zu diesem Zeitpunkt
so bedeutungsvoll erscheinen lässt. Uns allen ist doch
klar – das zeigt auch das von Herrn Liebich angeführte
Zitat von Kaminer –, dass der Ukraine-Konflikt den
Rahmen dafür abgibt. Es ist dieser Konflikt, dem Präsi-
dent Putin seinen zurzeit großen Rückhalt in der russi-
schen Bevölkerung verdankt. Und es ist dieser Konflikt,
weswegen Nemzow den Präsidenten immer wieder mit
scharfen Worten angegriffen hat. Er war einer der weni-
gen, die das wagten. Schon dieser Umstand genügt, um
die Trauer um Nemzow auch mit Wut und Misstrauen
aufzuladen.

Stark muss der Mord an Nemzow aber auch auf dieje-
nigen wirken, die von außen auf Russland schauen und
denen sich seit Beginn des Ukraine-Konflikts der er-
schreckende Eindruck vermittelt, dass dieser große
Nachbar unberechenbar geworden ist. Dies sind außer
der Ukraine selbst vor allem die baltischen Staaten, be-
sonders Estland und Lettland. Diese kleinen Länder, die
seit den livländischen Kriegen im 16. Jahrhundert als
Russlands Tor zur Ostsee zum Imperium gehörten, kön-
nen ja gar nicht anders, als die Geschehnisse in der
Ukraine auch als unmittelbare Bedrohung für ihre junge
Unabhängigkeit aufzufassen. In beiden Ländern gibt es
nennenswerte russischsprachige Minderheiten, die als





Dr. Fritz Felgentreu


(A) (C)



(D)(B)

Vorwand für eine hybride Kriegsführung nach dem Vor-
bild der Besetzung der Krim herhalten könnten. Jedes
Signal der Instabilität aus Moskau wird hier aufmerksam
registriert, immer verbunden mit der Frage, ob irgend-
wann der Punkt erreicht ist, an dem sie zur Zielscheibe
einer Regierung werden, die mit einem auswärtigen
Konflikt ihre inneren Probleme zuzudecken versucht.
Diese Sorge motiviert unterschwellig die Außen- und
Bündnispolitik im Baltikum seit seiner Unabhängigkeit.
Hier liegt doch der Grund für das Streben in die NATO,
das zugleich von russischer Seite als schlagender Beleg
für deren Einkreisungstheorie angeführt wird.

Hier liegt auch der Grund, warum Estland vor acht
Tagen seine Unabhängigkeit mit einer Militärparade aus-
gerechnet in der russischsprachigen Grenzstadt Narva
gefeiert und dazu auch britische und amerikanische Sol-
daten eingeladen hat.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das war schlau!)


Es ging darum, sich selbst, der eigenen Bevölkerung und
natürlich auch dem potenziellen Gefährder, Herr
Gehrcke, zu signalisieren, dass Estland im Notfall eben
nicht alleine dastünde. Am folgenden Tag, heute vor ei-
ner Woche, antwortete Russland dann auf diese NATO-
Parade zum estnischen Nationalfeiertag mit grenznahen
Manövern.

Heute treffen sich in Riga die Außen- und Verteidi-
gungsexperten der europäischen Parlamente und unterstrei-
chen so auf Einladung der lettischen Ratspräsidentschaft
die Solidarität der EU mit den baltischen Mitgliedstaa-
ten. Mitten in diesem sensiblen Umfeld erreicht uns die
Nachricht vom Mord an Boris Nemzow.

Meine Damen und Herren, in einer solchen Zeit, in
der das scheinbar Festgefügte bedrohlich zu wanken be-
ginnt, ist es an uns, durch eine Politik der Verlässlichkeit
unseren Verbündeten Rückhalt zu geben. Mit Sanktionen
reagiert Europa auf die Verletzungen der völkerrechtli-
chen Sicherheitsgarantien für die Ukraine und auf die
Verletzung der KSZE-Schlussakte, und die NATO hat
den Aufbau einer Eingreiftruppe beschlossen, die in der
Lage sein wird, sehr schnell auf jede Bedrohung in Ost-
europa zu reagieren. Beides ist richtig. Wir zeigen damit,
dass wir Unrecht nicht hinnehmen, uns selbst aber an das
gebunden fühlen, was die NATO mit Russland verein-
bart hat. Ob es ausreicht, muss die Zukunft zeigen.

Die EU wird immer bestrebt sein, Russland für eine
europäische Friedensordnung zurückzugewinnen.
Europa braucht ein nach innen wie nach außen stabiles,
in sich ruhendes Russland als zuverlässigen Partner.
Aber die Ermordung des bedeutenden Oppositionsfüh-
rers Nemzow trägt nicht dazu bei, Vertrauen in den russi-
schen Staat und seine Führung wiederaufzubauen. Wir
wollen uns deshalb umso mehr wünschen, dass dieser
Staat die Kraft findet, das Verbrechen vollständig aufzu-
klären.

Dem Toten selbst, der eine in vielfältiger Hinsicht be-
eindruckende Persönlichkeit war, sei aus dem Deutschen
Bundestag mit Worten Puschkins für seine Lebensleis-
tung gedankt. Boris Nemzow hat „in grausamer Zeit die
Freiheit gepriesen“ – „w swoj schestokij wek on wosslawil
swobodu“ –, und er hat dafür mit seinem Leben bezahlt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809016800

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1809016900

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Der Name Boris Nemzow reiht sich in eine
lange Liste von motivierten und engagierten Politikern,
Journalisten und Bürgerrechtlern ein. Ich halte es für
richtig und angemessen, ihre Namen immer wieder, auch
in dieser Aktuellen Stunde, zu wiederholen, um ihrer zu
gedenken: Sergej Juschenko, Paul Klebnikov, Aleksandr
Litwinenko, Anna Politkowskaja, Stanislaw Markelow,
Natalja Estemirowa. Sie alle mussten für ihre kritischen
Worte mit ihrem Leben bezahlen.

Kurz vor seinem Tod gab Nemzow dem Radiosender
Moskauer Echo sein letztes Interview. Darin übte er
scharfe Kritik am Kreml. Er verurteilte die Annexion der
Krim als Verletzung des Völkerrechts, die Sanktionen,
denen Russland ausgesetzt ist, und die damit verbundene
Kapitalflucht – all das wegen Putins unsinniger Aggres-
sion gegen die Ukraine, so Nemzow. Redefreiheit, Ge-
dankenfreiheit, Versammlungsfreiheit – für diese Frei-
heitsrechte musste er sterben.

Der Mord an Nemzow beleuchtet schonungslos den
aktuellen Zustand Russlands. Die russische Gesellschaft
ist tief gespalten. Es gibt eine winzige Minderheit, die
auf hemmungslose Weise ihren Reichtum demonstriert,
und demgegenüber eine überwältigende Mehrheit der
russischen Bevölkerung, die in trostloser Armut lebt.
Doch jegliche Diskussion darüber, jegliche Kritik wird
im Keim erstickt. Durch die Kriminalisierung der Oppo-
sition bei gleichzeitiger Stärkung nationalistischer
Kräfte entsteht ein aggressives Klima von Hass und Hys-
terie. Der Kollege Vaatz wies mich gerade auf ein Zitat
des Vizedekans der Moskauer Hochschule hin. Dieser
sagte zum Tod von Nemzow allen Ernstes: „Ein Mist-
stück weniger“, meine verehrten Kolleginnen und Kolle-
gen. So viel, um Ihnen ein Bild zu geben von dem Hass
und der Hysterie in diesem Russland von heute. Wie
kann ein Dekan einer Hochschule so etwas sagen?

Das ist der Nährboden, auf dem politischer Mord ge-
deiht. Wer immer diesen Mord begangen haben mag:
Die politische Verantwortung für dieses Klima trägt das
herrschende Regime im Kreml. Dabei darf nicht überse-
hen werden, dass die gewaltige staatliche Propaganda-
maschinerie in der Bevölkerung durchaus Wirkung
zeigt. Die klassische Rhetorik vom Freund-Feind-Den-
ken mündet in einer Selbstisolation Russlands, in einer
Abschottungspolitik, weil man sich von ausländischen
Feinden bedroht fühlt. Der erfolgreiche Kampf gegen





Dr. Hans-Peter Uhl


(A) (C)



(D)(B)

die vorgegebene Dekadenz des Westens mit den damit
verbundenen Wertvorstellungen kann allein durch das
russische Volk geführt werden; das ist der Gegenstand
der Propaganda. Es heißt, der russische Bär werde von
allen bedroht und von den Truppen der NATO einge-
kreist. „Die ganze Welt hat sich gegen unser Russland
verschworen“, so wird dort geredet.

Jeder vernünftige Mensch erkennt das Zerrbild der
Wirklichkeit. Dennoch bleibt uns nichts anderes übrig
– mehrere Redner, und zwar parteiübergreifend, haben
dies zu Recht gefordert, und das ist auch gut so –, als den
Dialog mit Russland zu suchen, den Dialog mit den
Herrschenden, aber besser noch: den Dialog mit den Be-
herrschten, mit der Zivilgesellschaft. Das müssten wir
tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dabei kommt der Reform des Petersburger Dialogs eine
entscheidende Bedeutung zu.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das macht ihr gerade kaputt!)


Das ist das Format – das ist von einigen zu Recht gesagt
worden –, das wir jetzt für eine konstruktive Verständi-
gung brauchen.

Deutschland hat ein Interesse an einem gesunden
Russland. Deutschland hat ein Interesse an einem Russ-
land in Frieden und Freiheit in einem zusammenwach-
senden Europa; alles andere wäre töricht. Hoffnung und
Mut, immer neue Anläufe zu wagen, gibt der Protest-
marsch Zehntausender von Bürgern am letzten Sonntag
in Moskau. Wir sollten nicht beklagen, dass es nur we-
nige Zehntausend waren. Bei diesem Klima von Hass
und Hysterie ist das kein Wunder. Wir sollten froh sein,
dass es so viele waren, die den Mut und die Zivilcourage
aufgebracht haben, auf die Straße zu gehen. Diese Men-
schen mit ihren Fahnen, die Patrioten Russlands dürfen
wir in Europa nicht enttäuschen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809017000

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-

ordneten Bernhard Kaster, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1809017100

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Seit etwa 17, 18 Jahren reise ich regelmä-
ßig in unterschiedlichster Funktion – auch privat – nach
Russland. In diesen Tagen muss ich oft an eine Begeg-
nung aus dem Jahre 1998 denken: In einer Kellerwoh-
nung in Moskau hatte sich eine Gruppe aus der Region
Trier/Luxemburg spontan mit der Touristenführerin ge-
troffen, die uns vorher die Stadt nahegebracht hat. Ich er-
innere mich daran, mit welcher Begeisterung diese junge
Frau davon sprach, in ihrem Land endlich wieder frei re-
den zu können. Sie hielt 1998 förmlich eine politische
Rede. Vor allen Dingen war sie davon überzeugt – das
sagte sie damals –, dass dies Russland auch nie wieder
zu nehmen sei. Unsere Touristenführerin hat sich aller-
dings gewaltig getäuscht, und ich gebe zu, ich auch.

Der hinterhältige politische Mord an Boris Nemzow
führt der Welt erneut vor Augen, in welchem innenpoliti-
schen Klima sich Russland wieder befindet. Mehr denn
je drohen gesellschaftliche Spaltungen, Ausgrenzungen
und Repressalien für alle diejenigen, die dem Haupt-
strom jetzt nicht mehr folgen. So viele Nachrichten, die
uns aus Russland erreichen, sind schlichtweg bedrü-
ckend, vor allen Dingen für die Menschen, die eine enge
Beziehung zu diesem Land haben. Wir empfinden es als
bedrückend, was wir dort hören. Wir ringen in Europa
mit der unberechenbar gewordenen Außenpolitik Putins.

Doch auch im Innern hat sich vieles verändert: rück-
wärts und nicht zum Guten gewandt. Viele Menschen in
Russland leiden unter dieser Politik des letzten Jahrhun-
derts. Russland ist wieder an einem Punkt angekommen,
an dem es eben gefährlich ist, im Land frei zu reden.
Trotz des wachsenden nationalen Stolzes, den man vor
Ort in Russland jetzt tatsächlich erleben kann, bin ich
davon überzeugt, dass die Kreml-Spitze kein Spiegelbild
der russischen Gesellschaft ist. Die russische Gesell-
schaft war schon seit langem und ist auch heute weiter
als die Kreml-Spitze und ihr Präsident. Man muss nur
mit Studenten, mit der Wirtschaft, mit NGOs, mit denen,
die Zusammenarbeit miteinander pflegen, sprechen.

Im Umgang mit Russland bleiben nur Gespräche und
Diplomatie. Gestern und heute sind Kollegen der russi-
schen Duma bei uns im Bundestag zu Gast gewesen. Wir
halten diesen Kontakt auch vor Ort in Russland. Wir su-
chen den Dialog mit Gesprächspartnern, mit unseren
Kollegen in der Duma, aber auch außerhalb der Duma
mit der Opposition, mit NGOs. Diese Gespräche und
Kontakte mit der Opposition, mit kritischen Medien und
Gesellschaftsgruppen werden wir unbeirrt fortsetzen.
Bei allen Schwierigkeiten, die dabei oft entstehen, und
gerade in einem Klima der wachsenden Angst müssen
wir alle diejenigen stärken, die weiterhin in Russland für
Freiheit und Demokratie eintreten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor zwei Jahren wa-
ren wir bereits alarmiert, als die Büros der Konrad-
Adenauer-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung – im
Visier war auch das Goethe-Institut – durchsucht und
Unterlagen und Computer beschlagnahmt wurden. Zu
genau diesem Zeitpunkt war ich damals in Moskau. Ich
habe erlebt, dass es meinen Gesprächspartnern aus der
Wirtschaft, aus der kommunalen Administration und von
NGOs schlichtweg peinlich war, was sich damals dort
abgespielt hat.

Aktuell sind wir erneut mit einem solchen Fall kon-
frontiert. Einem Vertreter einer unserer politischen Stif-
tungen soll die Arbeit in Russland unmöglich gemacht





Bernhard Kaster


(A) (C)



(B)

werden. Mit Thomas Schneider von der Konrad-
Adenauer-Stiftung hat Russland diesmal ausgerechnet
den Leiter eines Projektes, das die Förderung des Dia-
logs zwischen der Europäischen Union und Russland
zum Ziel hat, mit einem Einreiseverbot für viele Jahre
belegt. Dieses Projekt wendet sich vor allem dem Ju-
gendaustausch zu. Das ist ein ganz fatales Signal. Das ist
ein Schlag ins Gesicht aller, die sich abseits der großen
politischen Differenzen um ein friedliches Miteinander
der Völker bemühen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gerade in Anbetracht dieser großen Differenzen auf
politischer Ebene gewinnt der Austausch im Bereich der
Zivilgesellschaft an Bedeutung. Viele Kolleginnen und
Kollegen haben das in der heutigen Debatte gesagt. Sie
haben den Jugendaustausch, die Zusammenarbeit der
Universitäten, die Städtepartnerschaften, all das, was wir
da haben, angesprochen. In diesem Bereich gibt es ange-
sichts der derzeitigen Situation aber viel Verunsiche-
rung. Diejenigen, die sich in diesem Bereich engagieren,
müssen wir ermutigen und stärken, weil gerade dieser
Austausch in dieser Zeit so wichtig ist.

Der brutale Mord an Boris Nemzow muss aufgeklärt
werden. Wir müssen den Dialog mit all denjenigen stär-
ken, die nach wie vor mutig für Demokratie, Freiheit und
Völkerverständigung eintreten und für die es jetzt so viel
schwerer geworden ist.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1809017200

Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde, aber erst am

Anfang der Klärung grundlegender Fragen, die die Red-
nerinnen und Redner heute, wie ich finde, in sehr ein-
dringlicher und nachdrücklicher Weise angesprochen ha-
ben.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Ich denke, die Aktuelle Stunde, wie wir sie heute durch-
geführt haben, tut dem Deutschen Bundestag sehr gut.
Ich möchte für uns sagen: Der Deutsche Bundestag wird
die Aufklärung dieses Verbrechens, des Mordes an Boris
Nemzow, mit wachen Augen weiterverfolgen. – Danke.


(Beifall im ganzen Hause)


Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 5. März 2015,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.