Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich und rufe unseren ersten Tagesordnungspunkt,
den Tagesordnungspunkt 1, auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Bundesministergesetzes und des Ge-
setzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentari-
schen Staatssekretäre.
Hierzu erteile ich dem Bundesinnenminister für sei-
nen einleitenden Bericht das Wort. Wenn es, wie abseh-
bar, Fragen dazu gibt, wäre ich im Übrigen dankbar,
wenn mir die Geschäftsführer die Wortmeldungen aus
den Fraktionen jetzt schon mitteilten; dann kann man
diese schon ein bisschen vorsortieren.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
dem vom Präsidenten genannten Gesetzentwurf wird ge-
regelt, dass amtierende und ehemalige Mitglieder der
Bundesregierung anzuzeigen haben, wenn sie beabsich-
tigen, innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausschei-
den aus der Bundesregierung einer Erwerbstätigkeit oder
sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen
Dienstes nachzugehen.
Die angestrebte Beschäftigung kann dann untersagt
werden, wenn durch ihre Aufnahme öffentliche Interes-
sen beeinträchtigt werden können. Die Untersagung soll
in der Regel ein Jahr nicht überschreiten. In Ausnahme-
fällen kann der Zeitraum bis zu 18 Monate betragen.
Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidung über die
Untersagung auf Empfehlung eines beratenden Gre-
miums. Die Bundesregierung schlägt dieses Gremium
vor. Der Bundespräsident soll dieses Gremium dann er-
nennen. Die Mitglieder dieses Gremiums – drei Perso-
nen – sollen Funktionen an der Spitze staatlicher oder
gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben
oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen
Amt verfügen. Die Entscheidung der Bundesregierung
wird mit der Empfehlung des beratenden Gremiums ver-
öffentlicht.
Wird die angestrebte Beschäftigung untersagt, besteht
jedenfalls für die Dauer der Karenzzeit ein Anspruch auf
Übergangsgeld.
Das Gesetz gilt selbstverständlich auch für den Bun-
deskanzler oder die Bundeskanzlerin sowie für die Parla-
mentarischen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre.
Mit dem Gesetzentwurf wird ein transparentes Ver-
fahren geschaffen, in dem Anzeigepflichten während
und nach dem Amtsverhältnis sowie Untersagungsmög-
lichkeiten der Beschäftigung nach Ende des Amtsver-
hältnisses innerhalb einer Karenzzeit eingeführt werden.
Mit dem Gesetz soll der Anschein einer voreinge-
nommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karrie-
reaussichten oder durch die private Verwertung von
Amtswissen nach dem Ausscheiden aus dem Amt ver-
hindert werden. Zugleich schützen die Vorschriften den
Betroffenen vor Unsicherheiten und ungerechtfertigter
Kritik, insbesondere dann, wenn das beratende Gremium
und das Kabinett sagen: Hier ist kein Interessenkonflikt
zu befürchten.
Das beendet meinen einführenden Bericht.
Vielen Dank. – Ich bitte nun zunächst um Wortmel-
dungen zu dem vorgestellten Thema der heutigen Kabi-
nettssitzung.
Die erste Wortmeldung hat die Kollegin Wawzyniak.
Herr de Maizière, erlauben Sie mir, bevor ich meineFrage stelle, einen gewissen Unmut auszudrücken. Ges-tern haben wir in der Süddeutschen Zeitung einen Teildes Gesetzentwurfes lesen können. Er ist zitiert worden.Nach § 48 Absatz 2 der Gemeinsamen Geschäftsord-nung der Bundesministerien ist es eigentlich üblich, dassder Gesetzentwurf den Fraktionen zur Verfügung gestellt
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Halina Wawzyniak
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wird. Nach meinem Kenntnisstand haben wir ihn nichtbekommen. Das ist, vorsichtig gesagt, suboptimal.Meine Frage ist: Sie haben gesagt, dass es sich umeine Kannregelung handelt. Mich interessiert, warum Siesich für eine Regelung entschieden haben, nach der dieangestrebte Beschäftigung untersagt werden kann, undwarum Sie nicht zunächst eine Pflichtkarenzzeit einge-führt haben, also eine Umkehrung des Verhältnisses inder Form, dass sozusagen ein Wechsel genehmigt wer-den kann. Jetzt soll es nur möglich sein, diesen Wechselzu untersagen. Warum dieses Verhältnis?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Abgeordnete, wir haben den Anwendungsbe-reich breit gewählt. Deswegen folgt daraus eine Kannre-gelung. Was meine ich damit? Der Anwendungsbereichbezieht sich auf Erwerbstätigkeiten, die alle entgeltli-chen, auch freiberufliche oder selbstständige Tätigkeitenumfassen, aber auch sonstige Beschäftigungsverhält-nisse, also auch unentgeltliche Tätigkeiten. Das giltselbstverständlich auch in Fällen, in denen ein Ministeroder eine Ministerin in seinen oder ihren ehemaligen Be-ruf zurückkehrt. Wenn der Bereich so weit gefasst ist,dann ist es nicht sinnvoll, eine zwingende Karenzzeiteinzuführen.Das ist im Übrigen ein Eingriff in das in Artikel 12Grundgesetz verankerte Grundrecht, die Freiheit der Be-rufsausübung. Das muss natürlich auch verhältnismäßigsein.Wenn wir den Wechsel von der Politik in die Wirt-schaft, der Wirtschaft in die Politik oder anderen öffent-lichen oder privaten Bereichen in die Politik wollen undnicht nur Berufspolitiker haben wollen, die keinerlei Be-rufserfahrung haben, dann kommt es nicht darauf an,dass man überhaupt keine Tätigkeit mehr ausübt, nach-dem man Mitglied der Bundesregierung war, sondern eskommt darauf an, ob ein Interessenkonflikt vorliegt– das ist der entscheidende Punkt –, ob also zu befürch-ten ist, dass aus der Tätigkeit in der Bundesregierung einbesonderer Vorteil erwächst oder ob aus den Beziehun-gen aufgrund der Mitgliedschaft zur Bundesregierungbesondere Vorteile für den zukünftigen Arbeitgeber ent-stehen. Dieser Interessenkonflikt soll verhindert werden;nur der. Deswegen ist eine solche Kannregelung sehrpräzise und sehr sinnvoll.
Ich erinnere noch einmal an unser Zeitregime: jeweils
eine Minute. Da es viele Fragen gibt, gibt es auch viele
Möglichkeiten, zu antworten.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch, Herr
Minister, für die Ausführungen. – Meine Frage lautet:
Warum wird die in der Europäischen Kommission
geltende Karenzzeitregelung für ausgeschiedene Kom-
missionsmitglieder von 18 Monaten bei dem heute ver-
abschiedeten Gesetzentwurf der Bundesregierung unter-
laufen? Warum haben Sie sich für einen Regelzeitraum
von 12 Monaten entschieden?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Die Regelung der Europäischen Kommission war für
uns ein maßgeblicher Punkt. Wir haben in diesem Ge-
setzentwurf vor allen Dingen eine strenge Anzeige-
pflicht geregelt, von der ich nicht genau weiß, ob sie in
der Kommission auch so streng ist. Dies soll auch zu
Rechtssicherheit für den Betroffenen führen. Vor diesem
Hintergrund ist die Sollbestimmung von einem Jahr bis
zu maximal 18 Monaten, glaube ich, eine richtige Abwä-
gung zwischen dem Wunsch von jemandem, der aus der
Bundesregierung ausscheidet oder als Parlamentarischer
Staatssekretär ausscheidet, wieder in seinen alten Beruf
zurückzukehren oder einen neuen Beruf auszuüben, und
der Verhinderung der Erweckung des Anscheins einer
Interessenverknüpfung.
Das A und O – das hat die Abgeordnete der Linken
schon gefragt – ist: Machen wir eine strenge Frist ohne
Ermessen, oder machen wir eine Kannregelung, die auf
den Interessenunterschied abstellt?
Wenn man eine Kannregelung macht, die auf den In-
teressenkonflikt abstellt, dann muss man auch bei der
Dauer der Karenzzeit flexibel sein: Es kann weniger als
ein Jahr sein, es kann aber auch bis zu 18 Monaten sein.
Die Tatsache, dass wir uns durch ein Gremium beraten
lassen und dessen Empfehlung auch veröffentlicht wird,
zeigt, dass im Einzelfall eine kluge Abwägung erfolgen
muss und wird.
Herr Minister, bei uns ist die Zeitvorgabe nicht ganz
so flexibel wie die Regelung, die Sie gerade vorstellen.
Deswegen will ich noch einmal daran erinnern.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Okay, ich antworte kürzer.
Die nächste Frage hat die Kollegin Sitte.
Herr Minister, meine Frage bezieht sich auf die drei-köpfige Kommission, die am Ende beraten soll, Empfeh-lungen geben soll. Da gab es ja mal eine Ethikkommis-sion; ich weiß jetzt nicht genau, wie sie am Ende indiesem Gesetz bezeichnet wird. Warum haben Sie sichfür dieses Konstrukt entschieden, und welche Verbind-lichkeit wird die Empfehlung der Kommission vor die-sem Hintergrund am Ende wirklich haben?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Wir haben uns für diese Konstruktion entschieden,damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Bundesregie-rung über ehemalige Kollegen sozusagen alleine ent-
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
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scheidet. Es sollte ein auswärtiges Element hinzukom-men, aber, ehrlich gesagt, nicht der Deutsche Bundestag;denn es geht da ja um eine Entscheidung der Bundesre-gierung. Über die Frage der Interessenkollision bei Ab-geordneten nach ihrem Ausscheiden muss der DeutscheBundestag entscheiden. In der Kommission sollen aberLeute sein, die mit der Materie vertraut sind, die Bundes-minister waren, die andere öffentliche Einrichtungen ge-leitet haben. Durch die Tatsache, dass eine Empfehlungder Kommission zwingend vorliegen muss und veröf-fentlicht wird, und aufgrund der Qualität der Leute, diein ihr vertreten sind, wird diese Empfehlung ein ziemlichüberragendes Gewicht bekommen.
Frau Keul.
Vielen Dank. – Herr Minister, ich wollte an dieser
Stelle ursprünglich die Frage nach den Sanktionen stel-
len, die verhängt werden, wenn jemand eine Tätigkeit
ausübt, bei der eine Interessenkollision besteht. Aber
jetzt habe ich eine ganz andere Frage: Sie haben ja ge-
rade davon gesprochen, dass es ein Übergangsgeld ge-
ben soll. Ist es denn ein zusätzliches Übergangsgeld oder
ein verlängerter Bezug des Übergangsgeldes, oder ist es
das ganz normale Übergangsgeld, das jedem Minister
zusteht?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Es ist das ganz normale Übergangsgeld, dessen Be-
zugsdauer aber gegebenenfalls bei kurzen Amtszeiten
für die Dauer der Karenzzeit entsprechend verlängert
wird – kein zusätzliches Geld.
Zur ersten Frage, die Sie nicht gestellt haben, aber
gerne gestellt hätten, will ich gerne sagen: Es gibt keine
Sanktionen. Die öffentliche Kritik wird schon ihre Wir-
kung entfalten.
Frau Kassner.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr In-
nenminister de Maizière, ich habe die Frage: Wie würde
sich der Wechsel der Parlamentarischen Staatssekretärin
im Verkehrsministerium zum Verband kommunaler Un-
ternehmen gestalten, falls dieses Gesetz mit den entspre-
chenden Karenzzeiten schon in Kraft wäre?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Die Parlamentarische Staatssekretärin Reiche ist noch
gar nicht gewählt. Deswegen stellt sich die Frage nicht.
Es käme dann auf die Abwägung im Einzelfall an.
Jedenfalls will ich sagen: Wir haben die Tätigkeit im
öffentlichen Dienst insoweit ausgenommen, weil wir da-
von ausgehen, dass der öffentliche Dienst per se gemein-
wohlorientiert ist. Nehmen wir mal an, ein Parlamentari-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann wird
man ja keine Karenzzeit und auch kein solches Verfah-
ren verlangen. Oder nehmen wir an, ein Minister über-
nimmt eine andere öffentliche Funktion, wird Präsident
der Bundesbank oder so: Da wird man auch keine Ka-
renzzeit verlangen; das ist ja öffentlicher Dienst. Anders
verhält es sich bei Bundesbeteiligungen; da gilt die Re-
gelung. Der VKU ist als Verein organisiert. Von daher
wäre das schon einmal keine Tätigkeit im öffentlichen
Dienst.
Kollege Beck.
Herr Minister, Sie haben gerade gesagt: Sanktionen
sind keine vorgesehen. Ich bin mir unsicher, wie man
§ 6 b des Gesetzentwurfs
in dem Falle auslegen müsste, dass jemand die Tätigkeit
eben nicht anzeigt und sie antritt. Ist es dann nach § 6 b
trotzdem möglich, dass die Bundesregierung, wenn sie
Kenntnis davon erhält, dass jemand eine Tätigkeit ange-
treten hat, entscheidet, ihm diese zu untersagen? An-
sonsten wäre ja der Ehrliche der Dumme: Er meldet
seine geplante Tätigkeit an, erhält dann von der Bundes-
regierung die Untersagung für eine Zeit von 12 oder im
Einzelfall auch 18 Monaten, während der andere, der
einfach mit Chuzpe den Vertrag unterschreibt und die
Tätigkeit antritt, unter Umständen weiter tätig sein kann,
auch während der Karenzzeit.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Herr Abgeordneter Beck, ich lese § 6 b des Gesetz-
entwurfes als eigenständige Regelung. Eine Untersa-
gung kann demzufolge auch erfolgen, wenn keine An-
zeige vorgelegen hat; denn sonst wäre die entsprechende
Entscheidung in der Tat von der Anzeigepflicht abhän-
gig. Aber das können wir im Laufe der Gesetzesberatun-
gen sicher noch einmal klarstellen.
Kollege Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Innenminister,ich möchte Sie fragen, was die Gründe dafür waren, dasssich die Bundesregierung für eine Anzeigepflicht mitgrundsätzlicher Genehmigung entschieden hat und nichtfür eine Genehmigungspflicht mit grundsätzlichem Tä-tigkeitsverbot?
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Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Herr Abgeordneter, ich habe die Frage nicht ganz ge-nau verstanden.
Es ist aber so: Die Bundesregierung weiß nicht genau,was ein ehemaliger Bundesminister tut. Es muss auchmöglich sein, dass ein ehemaliger Bundesminister odereine ehemalige Bundesministerin Gespräche über einemögliche Tätigkeit führt. Diese müssen ja nicht zum Er-folg führen. Deswegen ist die Anzeigepflicht – das er-gibt sich aus der Begründung – an einen gewissen Kon-kretisierungsgrad geknüpft; das ist auch richtig so. Es istvon daher richtig, als ersten Anknüpfungspunkt die An-zeige des Betroffenen vorzusehen statt eine Ermittlungs-befugnis der Bundesregierung gegenüber ehemaligenMitgliedern, die anbahnende Gespräche führen.
Kollege Krischer.
Herr Bundesminister, seit wann ist der Bundesregie-
rung der mögliche Wechsel der Parlamentarischen
Staatssekretärin Katherina Reiche zum VKU bekannt?
Welche Konsequenzen hätte das, wenn die Regelungen,
die im neuen Gesetzentwurf enthalten sind, bereits gel-
ten würden, bzw. gibt es in der aktuellen Situation schon
Konsequenzen in Bezug auf die mögliche Tätigkeit der
Kollegin Katherina Reiche?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Einen Teil der Fragen habe ich schon in meiner Ant-
wort auf die Frage einer Kollegin der Linken beantwor-
tet.
Wann das der Bundesregierung insgesamt bekannt
war, weiß ich nicht. Mir, als federführendem Minister,
war das seit einigen Tagen aus der Presse bekannt; vor-
her wusste ich das nicht. Die Überlegungen hinsichtlich
einer Karenzzeit hingegen entstammen der Koalitions-
vereinbarung und entsprangen aus Gesprächen, die wir
im vergangenen Herbst geführt haben. Der erste Entwurf
eines solchen Gesetzes ist lange vor Weihnachten erar-
beitet worden. Wir sind auch in die Ressortabstimmung
gegangen, und zwar lange vor dem von Ihnen genannten
Vorgang. Von daher sehe ich da keinen Zusammenhang –
jedenfalls nicht vonseiten der Bundesregierung.
Frau Baerbock.
Herr Minister, daran anknüpfend, da die Frage nach
einer Karenzzeit und Verhalten von Politikern nicht nur
die Regierung, sondern auch die Politik im Allgemeinen
betrifft, die Frage: Inwieweit ist für den Übergangszeit-
raum, bis das Gesetz in Kraft tritt, innerhalb der Bundes-
regierung eine Selbstverpflichtung vorgesehen, damit
kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes nicht sozusa-
gen noch einmal schnell ein nahtloser Übergang erfolgen
kann? Inwieweit wirken Minister, die derzeit einen sol-
chen Schritt in Erwägung ziehen, an der Gesetzgebung
mit?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Die Minister, die im Amt sind, planen nicht schon
jetzt ihre Erwerbstätigkeit nach dem Ausscheiden, weil
sie ja die Absicht haben, möglichst lange Mitglied der
Bundesregierung zu bleiben;
von daher verstehe ich die Frage nicht.
– Das mag sein. Sie müssten in dem Fall später ihre An-
zeigepflicht wahrnehmen.
Ich möchte gerne grundsätzlich auf Ihre Frage ant-
worten. Viele der vorgesehenen Regelungen wären nicht
nötig gewesen, wenn sich manche in der Vergangenheit
– und da denke ich durchaus an prominente Vertreter der
ehemaligen Bundesregierung – anders verhalten hätten.
Dann wäre eine solche Regelung nicht nötig.
– Ja, die Mitglieder der Bundesregierung und die Parla-
mentarischen Staatssekretäre der aktuellen Bundesregie-
rung wissen, was sich gehört.
Frau Wawzyniak.
Ich würde die Bundesregierung gerne fragen, warumsie sich nicht für eine angemessene, erforderliche undrechtskonforme Regelung entschieden hat, die so ausse-hen könnte, dass sich die Karenzzeit an der Dauer desAmtes, dem sich daraus ergebenden Anspruch auf Über-gangsgeld und der Ressortzuständigkeit orientiert. Dannhätten Sie auch nicht das Problem mit dem Übergangs-geld, das Sie angesprochen haben, und müssten nicht§ 14 Absatz 2 Bundesministergesetz ändern, der dasÜbergangsgeld an den Zeitraum der Wahrnehmung desAmtes koppelt. Nach Ihrem Vorschlag würde es – dashaben Sie auch gesagt – ein zusätzliches Übergangsgeld
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geben. Insofern bin ich auf Ihren Vorschlag zur Ände-rung von § 14 Absatz 2 Bundesministergesetz gespannt.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Ich glaube, dass die Regelung, die wir vorgeschlagenhaben, viel flexibler ist als die starre Abstellung auf dieAmtszeit. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn einMinister nur kurze Zeit im Amt gewesen ist – diesen Fallhatten wir vor kurzem –, dann hielte ich es, obwohl ernur wenige Monate im Amt war, für ein Problem, wenner meinetwegen im Landwirtschaftsbereich eine Er-werbstätigkeit übernehmen würde. Dagegen würde derjetzige Landwirtschaftsminister, der viele Jahre Staatsse-kretär im Verteidigungsministerium gewesen ist, meinesErachtens nicht ohne Weiteres, wenn er jetzt aus demAmt schiede, eine Tätigkeit im Rüstungsbereich über-nehmen können, weil er ganz lange Staatssekretär imVerteidigungsministerium war. Das heißt, es kommtnicht auf die Länge der Amtszeit an, sondern es kommtdarauf an, ob ein Interessenkonflikt zu befürchten ist.Außerdem muss man berücksichtigen, dass die Längeder Amtszeit auch ein bisschen mit dem Lebensalter zu-sammenhängt. Normalerweise ist, wenn man 65 Jahreoder älter ist – bei Herrn Schäuble ist das immer etwasanders –, der Wunsch, erwerbstätig zu sein, geringer.
Aber in der Regel ist die Lebenszeit länger als die
Amtszeit.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Ja, aber wenn man mit 40 Jahren ausscheidet, ist das
Interesse an einer Erwerbstätigkeit größer, als wenn man
mit 60 Jahren ausscheidet. Deswegen ist die Länge der
Amtszeit da kein richtiges Kriterium.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. – Herr Minister, ich möchte noch ein-
mal zurückkommen auf die Unterscheidung 12 bzw. 18
Monate, weil das aus meiner Sicht nicht hinreichend dar-
gelegt wurde. Deshalb frage ich Sie ganz konkret zur
Abgrenzung: Sie sagen, dass die Karenzzeit in der Regel
12 Monate dauern soll und im Einzelfall, in schweren
Fällen 18 Monate. Was müssen wir uns darunter vorstel-
len?
Reden wir zum Beispiel über die seit der letzten Le-
gislaturperiode ausgeschiedenen Mitglieder: Pofalla,
Niebel, jetzt Frau Reiche.
Mich würde Folgendes interessieren: Würden Sie sagen,
dass das schwere Fälle sind – von Klaeden könnte ich
noch nennen –, bei denen man annehmen würde, dass
eine Karenzzeit von 18 Monaten gerechtfertigt ist, weil
klar ist, dass das Insiderwissen – ich sage das jetzt mit
meinen Worten – aus der Tätigkeit in der Regierung für
das Unternehmen, in das sie wechseln, sehr relevant
ist? – Ich meine, Herr Niebel war Mitglied des Bundes-
sicherheitsrates und ging zur Rüstungsindustrie. Herr
Pofalla war im Kanzleramt in federführender Funktion
für die Bahn zuständig und ging jetzt zur Bahn. Wie
muss ich mir vor diesem Hintergrund die Abwägung
– 12 oder 18 Monate – vorstellen?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Ich möchte zu den Einzelfällen nicht Stellung neh-
men. Wir würden dann ja auch eine Empfehlung des be-
ratenden Gremiums bekommen. Aber in der Tat ist für
die Bemessung der Dauer dieser Untersagung der Nut-
zen des im Amt erworbenen Wissens ein Kriterium, und
zwar das entscheidende.
Frau Kassner.
Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr deMaizière, Sie hatten auf meine Frage geantwortet, dassFrau Reiche noch nicht gewählt sei. Deshalb möchte ichmeine Frage wiederholen und sie allgemein formulieren,damit auch die Besucher hier im Saal und andere erfah-ren, wie man sich das vorstellen kann: Was passiert,wenn ein Mitglied der Bundesregierung ausscheidet undin absehbarer Zeit eine Tätigkeit übernimmt, die nichtdem öffentlichen Dienst zuzuordnen ist? Was muss dapassieren?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Ich zitiere aus der Begründung, Frau Abgeordnete.Dort heißt es:Die Anzeigepflicht entsteht, sobald die Absicht,eine Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung aufzu-nehmen, ein konkretes Stadium erreicht hat. Einsolches ist erreicht, wenn Vorbereitungen für dieAufnahme einer Beschäftigung getroffen werden,insbesondere wenn Verhandlungen über ein Be-schäftigungsverhältnis vor dem Abschluss stehenoder wenn beabsichtigt ist, auf ein angebotenes Be-schäftigungsverhältnis einzugehen.Das heißt, die Nachfrage von irgendeinem Verband oderirgendeinem Unternehmen: „Könnten Sie sich vorstel-len, bei uns zu arbeiten?“, reicht noch nicht aus. Wennman aber darauf eingehen will und fragt: „Wann soll esdenn losgehen? Was ist mein Aufgabenprofil? Wie wirddas bezahlt?“, dann soll vor dem Abschluss der Verhand-lungen, also bevor vollendete Tatsachen geschaffen wer-den, die Anzeigepflicht entstehen. All das wird sich ineiner Spruchpraxis erweisen.
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Frau Keul.
Ich möchte an meine vorherige Frage bezüglich des
Übergangsgeldes anknüpfen. Sie hatten erklärt, dass es
durchaus länger gezahlt wird, wenn eine solche Tätigkeit
nicht genehmigt wird. Das verstehe ich nicht ganz. Sie
sagen – theoretisch ist es natürlich so –, dass sich alle
Mitglieder der Bundesregierung an Recht und Gesetz
halten. Der Missbrauch liegt aber sozusagen auf der
Hand: Wenn ich mir eine Tätigkeit suche, die offensicht-
lich mit einer Interessenkollision verbunden ist, und mir
diese untersagt wird, dann bekomme ich länger Über-
gangsgeld. Das kann eigentlich nicht die Konsequenz
sein; denn ich kann mir doch jederzeit, wenn mir eine
Tätigkeit aufgrund einer Interessenkollision untersagt
wird, eine andere Tätigkeit suchen; denn ich bin ja nicht
erwerbsunfähig.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Wenn man eine andere Tätigkeit wahrnimmt, gibt es
auch kein Übergangsgeld. So würde ich das jedenfalls
auslegen:
Wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder
sonstigen Beschäftigung untersagt, so wird das
Übergangsgeld
– das Übergangsgeld, nicht irgendein anderes –
für die Dauer der Untersagung gewährt.
Wenn man dann eine andere gut bezahlte Tätigkeit
annimmt, gibt es auch kein Übergangsgeld. Das ergibt
sich auch aus den allgemeinen Regelungen über die In-
anspruchnahme des Übergangsgeldes. Dafür muss ich
hier keine sonstigen Regelungen vorsehen.
Herr Kollege Beck.
Wir haben ja noch keine Erfahrungen dazu, aber Ihr
Haus wird sich natürlich mit großer Expertise Gedanken
gemacht haben, wann was der Fall sein soll, also wann
zum Beispiel eine Untersagung erfolgt. Dazu habe ich
eine konkrete Nachfrage. Sie schreiben in § 6 b, dass Tä-
tigkeiten in den Angelegenheiten oder Bereichen nicht
ausgeübt werden dürfen, in denen das Mitglied der Bun-
desregierung während seiner Amtszeit tätig war. Das
Gleiche gilt dann analog für Parlamentarische Staatsse-
kretäre.
Deshalb habe ich die abstrakte Frage, ob ein Parla-
mentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur, wenn er zum Verband kom-
munaler Unternehmen gehen würde, nicht unter diese
Regelung fallen würde. Zu den kommunalen Unterneh-
men gehören ja Verkehrsunternehmen und Energieunter-
nehmen. In meiner Heimatstadt betreibt die GEW das
lokale Energieunternehmen und auch eine Telefongesell-
schaft. Das betrifft also die digitale Infrastruktur.
Herr Kollege Beck, Sie achten bitte auf die Redezeit.
Würde ein solcher Fall unter diese Regelung fallen?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Das ist jetzt die Variante einer schon zweimal gestell-
ten Frage. Ich könnte auch abstrakt die Frage stellen, ob
dann, wenn ein Landesumweltminister Bundesminister
würde und hauptamtlicher Geschäftsführer der Verbrau-
cherverbände wäre, auch eine Interessenkollision zu ver-
muten wäre.
Der Punkt ist: Weil wir das nicht im Vorhinein wis-
sen, haben wir – so machen das Juristen – einen unbe-
stimmten Rechtsbegriff formuliert und dann ein Verfah-
ren gewählt, das zu einem sicheren Ergebnis führt. In
diesem Fall heißt das: Wir haben das Gremium und das
Kabinett, und die Entscheidung wird veröffentlicht.
Dann wird sich das herausstellen. Ob dann die Auf-
sichtsratstätigkeit für ein Unternehmen, das Energielei-
tungen herstellt, unter die Regelung fallen würde oder
nicht, müsste man im Einzelfall sehen.
Ich habe jetzt noch einmal Wortmeldungen von Frau
Wawzyniak, Frau Haßelmann, Herrn Petzold und Frau
Keul. Da waren jetzt, teilweise schon mit erkennbar
großzügiger Auslegung des Fragerechts, Fragemöglich-
keiten gegeben. Ich habe den Eindruck: Dann ist es auch
für heute gut, zumal wir über ein Gesetzesvorhaben re-
den, über das am Ende nicht die Regierung, sondern der
Deutsche Bundestag zu beschließen hat, sodass sich
manche der Nachfragen und Konkretisierungswünsche
in diesem Gesetzgebungsverfahren ausdrücken können. –
Frau Wawzyniak.
Bevor ich die Frage stelle, möchte ich zunächst Fol-gendes sagen: Nach dem Ministergesetz ist es so, dassman, wenn man sechs Monate Minister war, sechs Mo-nate lang Übergangsgeld bekommt. Ich bin gespannt,wie es dann bei einem Jahr Karenzzeit ohne Übergangs-geld sein soll. Sie haben ja das Übergangsgeld gesagt.Zweitens will ich sagen, dass ich es ausgesprochentraurig finde, dass wir offensichtlich die einzige Fraktionsind, die diesen Gesetzentwurf nicht kennt. Aber dasscheint offensichtlich der Umgang zu sein.Ich komme zu meiner Frage. Nach dem Gesetzent-wurf soll ja eine Tätigkeit untersagt werden, wenn dasöffentliche Interesse beeinträchtigt wird. Nach unsererAnsicht ist das öffentliche Interesse grundsätzlich beein-trächtigt, wenn das Insiderwissen aus der Regierungstä-
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tigkeit in ein privatwirtschaftliches Unternehmen mitge-nommen wird. Habe ich Sie also richtig verstanden, dasses grundsätzlich eine Karenzzeit gibt, weil bei einemMinisterwechsel oder einem Regierungswechsel immerein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und da dasöffentliche Interesse beeinträchtigt wäre? Ist das grund-sätzlich geplant, aber Sie wollen es nur nicht so genausagen?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Nein, das kann ich nicht bestätigen. – Ich möchte aberdie Gelegenheit nutzen, um zu sagen, dass es relativ we-nige Bundesländer gibt, die eine solche Regelung haben.Das Bundesland, in dem Sie seit vielen Jahren mitregie-ren, hat eine solche Regelung für Landesminister nochnicht getroffen.
Frau Haßelmann.
Das macht es in der Sache nicht besser, Herr de
Maizière.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Nein, das ist klar.
Ich meine, die Tatsache, dass Sie seit 14 Monaten von
der Opposition getrieben werden, endlich einen Gesetz-
entwurf vorzulegen, gehört auch zur Wahrheit.
Ich habe eine ganz konkrete Frage: Wenn Sie sagen,
dass das der Rahmen für das Gesetz ist, dass Sie diesen
Entwurf jetzt in die parlamentarischen Beratungen geben
wollen – das scheint ja jetzt Ihre Absicht zu sein –, beab-
sichtigen Sie dann, Frau Katherina Reiche für den Fall,
dass sie heute zur Hauptgeschäftsführerin des Verbandes
kommunaler Unternehmen gewählt wird, ihren Ge-
schäftsbereich zu entziehen? Denn sie ist ja im Ministe-
rium für Verkehr tätig. Dort ist sie für Regionalisierungs-
mittel, für Entflechtungsmittel, für digitale Wirtschaft
etc. zuständig. Nach den von Ihnen gesetzten Maßstäben
müsste das dann die logische Konsequenz sein.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Ich will zunächst etwas zu den 14 Monaten sagen:
14 Monate für eine neue Bundesregierung finde ich an-
gesichts der Tatsache, dass es 50, 60 Jahre lang keine
solche Regelung gegeben hat, nicht besonders langsam.
Das muss ich so sagen.
Das ist überhaupt die erste Regelung dieser Art. Diese
Bundesregierung hat sich entschlossen, das zu machen,
und zwar ohne Druck der Opposition; denn es steht
schon in der Koalitionsvereinbarung. Das finde ich gut.
Jetzt zu Ihrer Frage: Das hat mit der Anwendung des
Gesetzes nichts zu tun. Vielmehr muss für den Fall, dass
sich das ergibt, der zuständige Minister entscheiden, ob
er Konsequenzen zieht oder nicht.
– Weil der Minister die Aufteilung der Zuständigkeiten
zwischen den Parlamentarischen Staatssekretären und
beamteten Staatssekretären nach der Ressorthoheit im
eigenen Haus vornimmt. So ist das.
Herr Petzold.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Innenminister,
ich möchte Sie bitten, uns noch einmal die Zusammen-
setzung dieser Kommission, die befinden soll, kurz zu
beschreiben.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Nach dem Gesetzentwurf sollen die Mitglieder Funk-
tionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher
Institutionen wahrgenommen haben, also nicht mehr im
Amt sein, oder über Erfahrung in einem wichtigen politi-
schen Amt verfügen. Sie werden auf Vorschlag der Bun-
desregierung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode des
Deutschen Bundestages vom Bundespräsidenten berufen
und sind ehrenamtlich tätig. Die Mitglieder dieses Gre-
miums sind auch nach ihrem Ausscheiden zur Ver-
schwiegenheit über die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt
gewordenen Angelegenheiten verpflichtet.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Bundes-
regierung wird diese Mitglieder nicht erst zu Beginn der
nächsten Legislaturperiode berufen, sondern natürlich
sofort nach Inkrafttreten.
– Das sind ganz einfache Menschen, die diese Erfahrung
haben. Wir denken an die Zahl drei. Auch das wird na-
türlich öffentlich mitgeteilt. Hoffentlich sind es ganz ein-
fache Menschen.
Es wird nicht ganz einfach sein, drei ganz einfacheMenschen in diesem Land zu finden; aber dem sehen wirdann mit Interesse entgegen. – Frau Kollegin Keul.
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Herr de Maizière, wir hatten ja beide in der letzten
Legislatur des Öfteren die Gelegenheit, uns mit dem Sol-
datengesetz zu beschäftigen. Da gibt es ja eine ähnliche
Regel. In § 20 a des Soldatengesetzes ist eine Anzeige-
pflicht von fünf Jahren vorgesehen. Bei einer Interessen-
kollision kann eine entsprechende Tätigkeit für fünf
Jahre untersagt werden. Wer dagegen verstößt, erhält
Disziplinarmaßnahmen bis hin zu Strafverfahren. Aber
dort ist die Logik: Wenn ich aufgrund von Interessenkol-
lisionen innerhalb der fünf Jahre eine Tätigkeit nicht
ausüben darf, erhalte ich nicht etwa eine Entschädigung,
sondern muss mir schlicht einen anderen Job suchen. Ich
verstehe Sie jetzt so, dass es hier nicht vergleichbar gere-
gelt werden soll.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Das verstehen Sie richtig. Das Übergangsgeld wird
für die Zeit der Untersagung verlängert; das ist kein zu-
sätzliches. So ist es.
– Die Dauer wird verlängert.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Das ist offenkundig nicht der Fall.
– Kabinettssitzung? – Okay, Frau Sitte, bitte schön.
Danke schön. – Wenn das, was ich gelesen habe, rich-
tig ist, dann haben Sie sich heute im Kabinett mit einem
Gesetzentwurf im Hinblick auf ausreisende Dschihadis-
ten beschäftigt. – Jetzt nicken Sie; dann kann ich meine
Frage also stellen.
Im Kontext dieser ganzen Diskussion ist immer wie-
der – ich weiß natürlich nicht, ob dazu auch etwas in die-
sem Gesetzentwurf steht – über den Ausweisentzug ge-
sprochen worden. Nun habe ich mich gefragt: Wie kann
das eigentlich mit dem Grundgesetz zusammenpassen?
Da war ich dem früheren Präsidenten des Bundesverfas-
sungsgerichts Hans-Jürgen Papier sehr dankbar, der öf-
fentlich gesagt hat, er halte das für rechtlich fragwürdig.
Ausreisefreiheit sei ein zentrales Menschenrecht, sagte
er und fügte hinzu – ich zitiere –:
Ich darf daran erinnern, dass Diktaturen gerade die
Ausreisefreiheit mit allen, auch militärischen Mit-
teln zu unterbinden versuchen.
Niemand dürfe aus vagen Verdachtsgründen daran ge-
hindert werden, das Land zu verlassen. Dies wäre weder
mit dem Grundgesetz noch mit der Europäischen Men-
schenrechtskonvention vereinbar.
Nun frage ich Sie – unabhängig davon, ob dazu etwas
in dem Gesetzentwurf steht; erst recht natürlich, wenn
dazu etwas drinsteht –: Wie stehen Sie zu dieser Aus-
sage?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Darf ich das beantworten? Das war nämlich nicht Ge-
genstand der Kabinettsberatung, Herr Präsident. Aber
ich beantworte die Frage gerne.
Bitte.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Gut, ich darf. – Wir haben heute auf Vorschlag meines
Kollegen Maas in der Tat beschlossen, den Paragrafen
im Strafgesetzbuch zum Thema Reisen zu erweitern.
Den anderen Gesetzentwurf, über den Sie gesprochen
haben, habe ich vor einigen Wochen im Rahmen einer
Regierungsbefragung erläutert. Wir hatten am letzten
Freitag die erste Lesung exakt dieses Gesetzentwurfes.
Dessen ungeachtet beantworte ich die Frage wie
folgt: Ich teile die Auffassung von Herrn Professor
Papier ausdrücklich nicht. Ich finde es richtig, dazu bei-
zutragen, dass aus Deutschland kein Terrorismus in die
Welt exportiert wird. Schon nach geltendem Recht kön-
nen die Ausreise mittels eines Passes und die Ausreise
generell untersagt werden, wenn eine Gefahr für die öf-
fentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt. Insofern hätte
dieses Petitum schon viel früher erfolgen müssen.
Eine Nachfrage? – Frau Sitte.
Nur um die Peinlichkeit von mir zu nehmen: Ich habe
mich im Kern meiner Frage auf genau diesen Gesetzent-
wurf bezogen. Wenn man googelt und zu ungenau hin-
schaut, passieren solche Fehler manchmal.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Alles klar.
Danke.
Das muss nicht beantwortet werden. – KollegeKoenigs, dazu?
– Nicht dazu.Zu einer Frage an die Bundesregierung zu einem an-deren Thema hat sich Frau Pothmer gemeldet. WeitereWortmeldungen notiere ich gerne.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7983
(C)
(B)
Ich habe eine Frage zu den Mindestlohnregelungen.
Es ist ja so, dass ganz offensichtlich sowohl innerhalb
der Bundesregierung als auch innerhalb der Koalitions-
fraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen darüber
bestehen, wann die Mindestlohnregelungen überprüft
oder ob sie gar ausgesetzt werden sollen. So sagt Bun-
desarbeitsministerin Nahles, dass sie eine Prüfung bis
zum Sommer dieses Jahres vornehmen will, die Bundes-
kanzlerin spricht von einer Überprüfung bis Ostern die-
ses Jahres, und die CSU will sogar ein Moratorium, was
die Kontrollen betrifft. Ich frage die Bundesregierung:
Kann sie uns heute und hier zusichern, dass es kein Kon-
trollmoratorium geben wird und dass die Überprüfung
der Regelungen zum Mindestlohn wie vorgesehen am
1. März dieses Jahres in vollem Umfang stattfinden
kann?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Herr Präsident, jetzt muss ich eine Frage zur Ge-
schäftsordnung stellen. Ich habe sie so verstanden, dass
sich die Befragung eines Mitglieds der Bundesregierung
auf das bezieht, was heute im Kabinett erörtert worden
ist. Das Thema Mindestlohn ist heute nicht erörtert wor-
den. Wenn daraus jetzt eine allgemeine Regierungsbefra-
gung werden soll, was ja in der Diskussion ist – –
Nein, nein, nein. Das ist nicht in der Diskussion. Das
ist geltende Geschäftsordnung.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Gut, dann will ich die Frage gerne beantworten.
Ich möchte sagen: Die Bundesarbeitsministerin hat
erklärt, dass sie sich alle Regelungen, die mit der Umset-
zung des Mindestlohngesetzes zusammenhängen, im
Einzelnen ansehen und gegebenenfalls Vorschläge zur
Änderung machen will. So lange gilt das Gesetz.
– Ich habe gesagt: Es ist ein Gesetz in Kraft getreten,
und das gilt.
Kollege Koenigs.
Herr Minister, ist heute im Kabinett die gesetzliche
Grundlage für das Deutsche Institut für Menschenrechte
beschlossen worden?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Nein.
– Ja. Das stand nicht auf der Tagesordnung.
Frau Kollegin Keul, Sie wollen jetzt sicher fragen,
warum das nicht auf der Tagesordnung stand.
Herrn Lammert interessiert das offensichtlich sehr.
Soll ich diese Frage jetzt stellen? Dann müssten Sie
mich aber hinterher noch einmal drannehmen. Ich denke,
wir alle wissen, warum dieses Thema nicht auf der Ta-
gesordnung stand.
Ich möchte Sie Folgendes fragen: Sie haben heute im
Kabinett ja auch über Strafverschärfungen im Hinblick
auf die Reisetätigkeit und die Terrorismusfinanzierung
gesprochen. Wir kennen bisher nur den Referentenent-
wurf und hatten jede Menge Fragen dazu, über die wir
im Rechtsausschuss ausführlich gesprochen haben und
die ich in diesem Kreise gar nicht wiederholen will. Das
ist ein sehr komplexes verfassungsrechtliches Problem.
Wie kam es aber eigentlich, dass das plötzlich schon
kabinettsreif war? Das ging jetzt doch ein bisschen
schnell. Wie viele Bundesländer haben bisher zum Bei-
spiel die Gelegenheit genutzt, Stellung zu diesem Ge-
setzentwurf zu nehmen?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Über die Einzelheiten der Länderanhörungen kann
ich jetzt keine Auskunft geben. Ich kann Ihnen aber sa-
gen, dass mein Kollege Maas ursprünglich angekündigt
hatte, den Gesetzentwurf schon im Januar 2015 vorzule-
gen. Jetzt ist es der 4. Februar geworden.
Das ist auch überhaupt keine neue Angelegenheit; wir
haben darüber schon im September, Oktober, November
letzten Jahres diskutiert. Die Ressortabstimmung ge-
schah zügig, was angesichts der Terrorlage auch ange-
messen war. Deswegen haben wir das heute beschlossen.
Frau Haßelmann.
Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben gerade schonauf die Frage meiner Kollegin Pothmer eine knappe Ant-wort gegeben. Mich interessiert in diesem Zusammen-
Metadaten/Kopzeile:
7984 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Britta Haßelmann
(C)
(B)
hang die Antwort auf die Frage: Planen Sie, Veränderun-gen im Hinblick auf das Thema „Bürokratieaufwand undEvaluation“ vorzunehmen, oder planen Sie, Veränderun-gen sehr grundsätzlicher Art – das wurde auch von derCSU durch Herrn Seehofer angekündigt – in Bezug aufganze Komplexe des Gesetzes vorzunehmen?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Abgeordnete Haßelmann, es macht wenig Sinn,jetzt von dem nicht zuständigen Minister Aussagen da-rüber zu erwarten, wenn die zuständige Ministerin sagt,dass sie sich den gesamten Sachverhalt – Ehrenamt,Sport, soziales Engagement und Ähnliches – erst einmalangucken will. Wenn die zuständige Ministerin sich dasangeguckt hat und wenn wir darüber in der Regierungberaten haben, dann wird meine Kollegin Nahles, so wieich sie kenne, einen klugen Vorschlag dazu machen.
Frau Hänsel, bitte schön.
Danke schön. – Herr Minister, gestern wurden dem
Innenministerium 7 000 Unterschriften gegen ein mögli-
ches deutsch-mexikanisches Sicherheitsabkommen über-
geben. War das Sicherheitsabkommen in irgendeiner
Weise heute Thema der Kabinettssitzung? Wenn nicht:
Bis wann soll es nach den Planungen Thema sein?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Frau Abgeordnete, mir ist das Thema natürlich wohl-
bekannt. Ich bin auch von Abgeordneten des Deutschen
Bundestages darauf angesprochen worden. Zusammen
mit dem Auswärtigen Amt verhandeln wir sowohl mit
Mexiko als auch mit ganz vielen anderen Ländern über
Sicherheitsabkommen, bei denen es um die Zusammen-
arbeit mit den Sicherheitsbehörden geht.
Ich habe aber die Bitte zur Kenntnis genommen, dass
dieses Abkommen mit Mexiko auch angesichts der dor-
tigen Zustände nicht zügig abgeschlossen wird, und wir
sind mit dem Auswärtigen Amt darüber im Gespräch,
dass dieses Abkommen alles andere als eilbedürftig ist.
Frau Pothmer noch einmal.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, können
Sie uns hier heute zusichern, dass die 1 600 Stellen, die
die Finanzkontrolle Schwarzarbeit erhalten soll, um den
gesetzlichen Mindestlohn zu überprüfen, der Finanzkon-
trolle Schwarzarbeit in vollem Umfang zur Verfügung
gestellt werden,
insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass
der Finanzminister öffentlich die Auffassung vertreten
hat, dass es sinnvoller wäre, einen Teil dieser Stellen zur
Verbrechensbekämpfung zu nutzen und der Polizei zur
Verfügung zu stellen, als einen solchen bürokratischen
Aufwand in Bezug auf den Mindestlohn zu betreiben?
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:
Nein.
– Nein, Sie haben gefragt, ob ich das zusichern kann.
Deswegen war meine Antwort: Nein. Über den Einsatz
der Zollbeamten, die ja noch gar nicht da sind, entschei-
det der Bundesfinanzminister. Deswegen möchte ich für
den Bundesfinanzminister keine Zusicherung in die eine
oder andere Richtung abgeben.
Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. – Vielen Dank
an den Innenminister.
Ich schließe hiermit die Regierungsbefragung.
Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/3887
Ich rufe, wie üblich, die mündlichen Fragen in der
Reihenfolge der Geschäftsbereiche der Bundesregierung
auf, die Ihnen aus den Unterlagen bekannt ist. Ich be-
ginne mit dem Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz. Zur Beantwortung steht der Kollege
Christian Lange zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Tom Koenigs auf:
Welcher inhaltliche Dissens liegt den seit September 2014
andauernden Ressortverhandlungen bzw. der Arbeit der Ko-
alitionsarbeitsgruppe zur gesetzlichen Grundlage für das
Deutsche Institut für Menschenrechte e. V., DIMR, zugrunde?
C
Vielen Dank, Herr Präsident. Wenn Sie gestatten,
möchte ich gerne die Fragen 1, 2 und 3 wegen des Sach-
zusammenhangs gemeinsam beantworten.
Wenn die Beteiligten damit einverstanden sind
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7985
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
– denen ich natürlich feierlich die entsprechende Anzahlihrer Nachfragen zusage –, rufe ich demgemäß die Frage 2des Kollegen Tom KoenigsWelche Ressorts innerhalb der Bundesregierung habenKlärungsbedarf, Bedenken oder Vorbehalte gegen den Gesetz-entwurf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für dasDIMR aus dem Bundesministerium der Justiz und für Ver-braucherschutz?und die Frage 3 des Kollegen Volker Beck auf:In welcher Form sind zum gegenwärtigen Stand dieRechtsform und die Beibehaltung der Unabhängigkeit – dasAufgabenfeld – des DIMR zwischen den Ressorts der Bun-desregierung bzw. den Koalitionsfraktionen von CDU/CSUund SPD streitig?C
Wunderbar. – Dann will ich die drei Fragen wie folgt
beantworten: Die Beratungen innerhalb der Koalition
dauern derzeit noch an. Eine hierzu gebildete Arbeits-
gruppe der Koalition prüft derzeit verschiedene Optio-
nen hinsichtlich der für ein Nationales Menschenrechts-
institut nach den Pariser Prinzipien angemessenen
Rechtsform ebenso wie die Frage des Umfangs der Auf-
gaben des Instituts. Dabei verfolgen Ressorts und Koali-
tionsfraktionen gemeinsam das Ziel, bei der Schaffung
einer stabilen Grundlage für das Deutsche Institut für
Menschenrechte e. V. die Unabhängigkeit des Instituts
uneingeschränkt zu erhalten, wie es den Pariser Prinzi-
pien entspricht.
Bitte schön, Herr Kollege Koenigs.
Danke sehr für diese sehr aufschlussreiche Antwort. –
Treffen Berichte zu, dass das Bundeskanzleramt das Ver-
fahren angehalten hat, nachdem die Ressortabstimmung
schon einvernehmlich abgeschlossen war?
C
Herr Kollege, da Sie das Bundeskanzleramt anspre-
chen und der Kollege hier gerade sitzt, möchte ich die
Frage gerne ans Kanzleramt abgeben.
Ich bin begeistert.
Herr Staatsminister.
D
Könnten Sie die Frage bitte wiederholen? Ich habe
gerade nicht aufgepasst.
Das ist schon in Ordnung. Die Frage war nicht an ihn
gerichtet.
Gerne. Ich habe zu leise gesprochen. – Treffen Be-
richte zu, dass das Bundeskanzleramt das Verfahren an-
gehalten hat, nachdem die Ressortabstimmung schon
einvernehmlich abgeschlossen war?
D
Beim Deutschen Institut für Menschenrechte? – Das
kann ich Ihnen nicht bestätigen. In dem Moment, in dem
die Ressortabstimmung einvernehmlich abgeschlossen
wird, kommt es in der Konsequenz logischerweise zur
Befassung im Kabinett. Aus der Tatsache, dass das
Thema noch nicht im Kabinett war, können Sie schlie-
ßen, dass die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlos-
sen ist.
Hat die Bundeskanzlerin bzw. das Bundeskanzleramt
Bedenken gegen den Gesetzentwurf des Bundesjustizmi-
nisters?
D
Die Bundesregierung insgesamt befasst sich gerade
mit dem Thema und befindet sich in der Ressortabstim-
mung. Aus der Tatsache, dass diese noch nicht abgeschlos-
sen ist, können Sie ersehen, dass in der Bundesregierung
noch nicht über alle Punkte dieses Gesetzentwurfs Ein-
vernehmen besteht. Sofern das noch nicht der Fall ist,
gehört aber die Frage, welche Bedenken das im Einzel-
nen sind und von welchem Bundesministerium diese
oder ob sie vom Bundeskanzleramt artikuliert werden,
zum exekutiven Eigenverantwortungsbereich der Bun-
desregierung.
Kollege Beck.
Ich wende mich an das Bundesjustizministerium, weiles um die fachliche Frage geht, inwiefern den PariserKriterien bei dem Gesetzentwurf Rechnung getragenwerden soll oder kann. Teilen Sie meine Rechtsauffas-sung, dass es mit den Pariser Kriterien nicht vereinbarwäre, beschränkte man die Zuständigkeit des Institutesauf folgende Tätigkeiten: entweder auf Ersuchen der be-treffenden Behörden oder in Ausübung einer enumerati-ven Befugnis, die eine selbstständige Stellungnahme zuMenschenrechtsverletzungen im In- und Ausland nichtmehr zulassen würden? Wenn nein: Worauf gründen SieIhre Rechtsauffassung bezüglich der Pariser Kriterien?
Metadaten/Kopzeile:
7986 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
(C)
(B)
C
Herr Kollege, ich will Ihnen zunächst einmal sagen,
wie nach unseren Vorstellungen die Unabhängigkeit des
Instituts umgesetzt werden soll. Die Unabhängigkeit des
Instituts wird nach unserer Auffassung dadurch gewähr-
leistet, dass die von unserem Haus entwickelte gesetzli-
che Grundlage weitgehend den Status quo des derzeit
bestehenden Deutschen Instituts für Menschenrechte ab-
bildet. Damit bildet die gesetzliche Grundlage außerdem
den einstimmigen Bundestagsbeschluss aus dem Jahr
2000 ab, durch den das Institut ursprünglich gegründet
wurde. Der Entwurf greift so die Tatsache auf, dass an
der Unabhängigkeit des Instituts bisher keine Zweifel
laut geworden sind.
Entsprechend dem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr
2000 bleibt das Institut für Menschenrechte ein eingetra-
gener Verein. Diese Rechtsform hat sich in der Praxis
bewährt und ermöglicht es dem Institut, entsprechend
den Pariser Prinzipien unabhängig zu arbeiten. Durch
die Struktur eines Vereins, der verschiedenen Mitglie-
dern offensteht, ist unserer Auffassung nach die ge-
forderte pluralistische Zusammensetzung des Instituts
gewährleistet – alles Voraussetzungen der Pariser Prinzi-
pien. Außerdem gibt es im Rahmen des Vereinsrechts
keine Rechtsaufsicht. Das ist ein ganz wesentlicher
Punkt, der sich aus den Pariser Prinzipien ergibt. Die
Kontrolle wird grundsätzlich von der Mitgliederver-
sammlung ausgeübt.
Kollege Beck.
Das hat nicht meine Frage beantwortet, sondern Sie
haben eine nicht gestellte Frage beantwortet. Ich habe
Sie nach Ihrer Rechtsauffassung gefragt, weil es im Be-
reich des parlamentarischen Raumes und der Bundesre-
gierung auch andere Entwürfe gibt, die offensichtlich im
Vergleich mit Ihren Vorschlägen diskutiert werden, die
ich durchaus unterstützenswert finde. Aber wenn diese
Vorschläge in der Bundesregierung offensichtlich nicht
abgestimmt werden können und keine Kabinettsreife er-
reichen, dann ist die Frage, ob dem entgegenstehende
Vorstellungen überhaupt mit den Pariser Kriterien ver-
einbar sind. Deshalb frage ich Sie noch einmal, ob Sie
mit mir der Auffassung sind, dass eine Beschränkung
der Tätigkeit des Institutes auf bloße Behördenersuchen
und eine enumerativ beschränkte Aufzählung von Be-
kanntmachungen, menschenrechtlichen Verträgen und
Vereinbarungen dem nicht gerecht wird. Denn in Ihrem
Entwurf wird durchaus richtig festgestellt, dass ein un-
abhängiges Menschenrechtsinstitut selbstständig zu
Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland Stel-
lung beziehen können muss. In diesem Zusammenhang
will ich nur wissen, ob wir darüber die gleiche Rechts-
auffassung haben, und vielleicht, weil Sie das gerade an-
gesprochen haben – –
Nein, Herr Kollege Beck. Sie reden jetzt schon deut-
lich über die Zeit.
Okay, dann soll er das erst einmal beantworten. Ich
habe noch mindestens zwei Nachfragen. Ich bin Frage-
steller.
C
Ich habe Ihnen deshalb unseren Entwurf vorgetragen,
weil wir der Auffassung sind, dass nur durch unseren
Entwurf den Pariser Kriterien Genüge getan wird. Da-
raus können Sie den Umkehrschluss selbst ziehen, Herr
Kollege.
Nur zur Geschäftslage, Herr Kollege Beck: Sie haben
eine Frage; zu der haben Sie jetzt zwei Zusatzfragen ge-
stellt. Das entspricht völlig unserem Reglement.
– Richtig, und dazu hat der Kollege Koenigs sich auch
noch einmal zu Wort gemeldet. Er bekommt nachher
auch noch einmal das Wort. Dazwischen bekommt Frau
Jantz das Wort, und es gibt eine ganze Reihe weiterer
Nachfragen.
Herr Präsident! Ich möchte an die Frage eines Kolle-
gen anschließen und meine Frage direkt an Herrn Braun
richten. Sie haben ausgeschlossen, dass die Einbringung
des Referentenentwurfs ins Kabinett seitens Ihres Hau-
ses verhindert wurde, bzw. Sie haben ausgeschlossen,
dass Ihr Haus dafür verantwortlich ist. Daran schließt
sich meine Frage an. Sie haben ein bisschen verklausu-
liert dargestellt, dass ein Ministerium dafür verantwort-
lich ist, also dass die Ressortabstimmung entgegen der
Annahme nicht stattgefunden habe. Ich bitte Sie, dazu
noch einmal ganz genau Stellung zu beziehen, zumal wir
auch beispielsweise der Süddeutschen Zeitung und wei-
teren Medien eindeutig entnehmen konnten, dass die
Verhinderung aus Ihrem Hause kam.
D
Liebe Frau Kollegin, ich bitte Sie um Verständnis. Ichhabe nichts ausgeschlossen, sondern ich habe darauf hin-gewiesen, dass die Bundesregierung als ein Kollegialor-gan grundsätzlich dann zu dem Regelungsinhalt einesGesetzentwurfs Stellung nimmt, wenn sie darüber Einig-keit erzielt und das dadurch dokumentiert hat, dass sieihn im Bundeskabinett beschlossen hat. Das ist beimEntwurf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage fürdas Deutsche Institut für Menschenrechte noch nicht derFall. Es gibt einen Gesetzentwurf des zuständigenMinisteriums. Die Ressortabstimmung ist eingeleitet,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7987
Staatsminister Dr. Helge Braun
(C)
(B)
und sie ist noch nicht abgeschlossen. Die Frage, warumsie noch nicht abgeschlossen ist, welche Ministerienoder ob das Bundeskanzleramt dagegen Einwände hattenund welcher Natur diese sind, gehört naturgemäß zumexekutiven Verantwortungsbereich der Bundesregie-rung. Dazu nehmen wir öffentlich und auch gegenüberdem Bundestag keine Stellung, sondern erst dann, wenndie Bundesregierung als Ganzes sich dazu eine Meinunggebildet hat. Deshalb kann ich weder einzelne Ministe-rien noch das Bundeskanzleramt davon ausnehmen oderkonkret einschließen, sondern das muss unseren weite-ren Beratungen so lange anheimgestellt werden, bis dervorliegende Gesetzentwurf Kabinettsreife hat.
Ich bitte noch einmal, die Ein-Minuten-Regelung im
Blick zu behalten. – Nächste Frage: Frau Haßelmann.
Vielen Dank. – Meine Frage richtet sich an Herrn
Braun vom Kanzleramt und bezieht sich auf die Frage
von Herrn Koenigs. Herr Braun, ich will Ihnen noch ein-
mal die Gelegenheit geben, wahrheitsgemäß zu antwor-
ten. Sie haben das so kategorisch ausgeschlossen. Hat
das Kanzleramt den Gesetzentwurf angehalten?
D
Die Frage, welche Organisationseinheit innerhalb der
Bundesregierung Bedenken gegen einen Gesetzentwurf
hat, der infolgedessen seine Kabinettsreife noch nicht er-
hält, ist nicht Gegenstand unserer öffentlichen Äußerun-
gen, sondern gehört zum Kernbereich exekutiver Eigen-
verantwortung.
Frau Barley.
Ich habe eine inhaltliche Frage zu dem Gesetzent-
wurf. Sieht er konkrete Aufgabenzuweisungen an das
Deutsche Institut für Menschenrechte vor, und, wenn ja,
welche sind das?
C
Frau Kollegin, der Gesetzentwurf greift die Aufgaben
auf, die dem Deutschen Institut für Menschenrechte
durch den Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2000 über-
tragen worden sind. Diese gelten ihrerseits wiederum auf
der Basis der Prinzipien von Paris. Nach dem Bundes-
tagsbeschluss wird das Institut tätig insbesondere im Be-
reich der Öffentlichkeit über die Menschenrechtslage im
In- und Ausland. Es trägt durch Forschung zur Qualifi-
zierung der Menschenrechtsarbeit bei, betreibt Politikbe-
ratung und menschenrechtsbezogene Bildungsarbeit im
Inland, tauscht sich mit vergleichbaren Einrichtungen im
Ausland aus und begleitet verschiedene internationale
Menschenrechtsmechanismen. Der Gesetzentwurf über-
nimmt diese Aufgabenbeschreibung.
Herr Koenigs.
Meine Frage richtet sich wiederum an den Kollegen
Braun. Es ist abzusehen, dass die Bundesregierung den
A-Status nicht wird halten können; denn bereits im März
beschließt die Kommission über den Status. Was plant
denn die Bundeskanzlerin, um die drohende Blamage
durch den Verlust des A-Status abzuwenden?
D
Die Zuständigkeit für das Thema liegt im Bereich des
Justizministeriums. Natürlich hat die Bundesregierung
als Ganzes ein großes Interesse, den A-Status zu erhal-
ten. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir so rechtzeitig
die notwendigen Schritte innerhalb der Bundesregierung
einleiten, dass wir im Ergebnis ein Signal senden kön-
nen, das uns den A-Status erhalten lässt.
Herr Koenigs.
Da dies aber so drängt und die Kanzlerin die Richtli-
nienkompetenz hat, müsste sich die Kanzlerin doch nun
einmischen. Sonst sind die Fristen nicht einzuhalten. Da
sich die verschiedenen Ministerien untereinander strei-
ten, ist das doch der Moment, in dem die Kanzlerin ih-
rerseits sagen sollte: Jetzt kommt einmal in die Puschen! –
Warum macht sie das nicht?
D
Sie können davon ausgehen, dass im Augenblick die
gesamte Bundesregierung – das schließt die Bundes-
kanzlerin selbstverständlich genauso ein wie die betei-
ligten Ressortminister und die anderen Vertreter des
Bundeskanzleramts – daran arbeitet, den A-Status zu er-
halten.
Kollege Fechner.
Herr Staatssekretär Lange, ich habe eine Frage zu den
Pariser Prinzipien. Soll im Institut eine Vielfalt von ge-
sellschaftlichen Gruppen repräsentiert sein? Im Vorfeld
gab es Kritik, weil das derzeit nicht der Fall sein soll.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
C
Ich beurteile die aktuelle Situation so, Herr Kollege,dass inzwischen die geforderte gesellschaftliche Vielfalterreicht ist. Ich sage bewusst „inzwischen“, weil es dies-bezüglich im Jahr 2008, also vor fast sieben Jahren, tat-sächlich einmal Kritik vom Akkreditierungsausschussgab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verein allerdings nur
Metadaten/Kopzeile:
7988 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Parl. Staatssekretär Christian Lange
(C)
(B)
14 Mitglieder. Der Akkreditierungsausschuss hat diesenPunkt später nicht noch einmal beanstandet. Das decktsich mit meiner Sicht auf die Vielfältigkeit der Vertre-tung. Das Problem ist aus unserer Sicht gelöst. Mittler-weise ist die Zahl der Vereinsmitglieder auf 60 ange-wachsen. Mitglieder sind – wie gefordert – eine ganzeBandbreite von Organisationen, die an der Förderungund dem Schutz der Menschenrechte beteiligt sind. Werderzeit Mitglied ist, kann man auf der Internetseite desInstituts sehen.Nach unseren Vorstellungen können sich außerdemalle natürlichen und juristischen Personen mit Bezugzum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte zumZweck der Aufnahme an das Kuratorium des DeutschenInstituts für Menschenrechte wenden.Natürlich können auch die Mitglieder des Kurato-riums Vereinsmitglieder vorschlagen. Ich erwähne dasdeshalb, Herr Kollege, weil im Kuratorium schon immerzwei Mitglieder dieses Hauses sitzen, sodass wir alleauch hier direkt im Bundestag Ansprechpartner haben,die wir mit Ideen, wer noch vertreten sein sollte, anspre-chen können.
Kollege Wiese.
Ich habe ebenfalls eine Frage an Herrn Staatssekretär
Lange. Vielleicht können Sie Stellung dazu nehmen,
welche Aufgabe das Deutsche Institut für Menschen-
rechte nach den Pariser Prinzipien wahrnehmen sollte.
Können Sie das einmal darlegen?
C
Herr Kollege, die Pariser Prinzipien befassen sich in
einem eigenen Abschnitt damit, welche Zuständigkeiten
und Aufgaben eine nationale Menschenrechtsinstitution
haben soll. Wichtig ist hier vor allem das Recht, der Re-
gierung, dem Parlament und anderen Organen in bera-
tender Eigenschaft Empfehlungen, Vorschläge und Be-
richte vorzulegen. Des Weiteren sollen die Aufgaben die
Information der Öffentlichkeit, die Bildungsarbeit im In-
land und wissenschaftliche Forschung und Publikationen
umfassen.
Die Pariser Prinzipien lassen dabei an verschiedenen
Stellen deutlich erkennen, dass sich die nationalen Men-
schenrechtsinstitutionen maßgeblich mit der Menschen-
rechtslage im Inland befassen. So heißt es dort unter an-
derem, dass sie die Aufgabe haben, Berichte über die
allgemeine Lage der Menschenrechte im Land zu erstel-
len und die Regierung auf Fälle von Menschenrechtsver-
letzung im ganzen Land aufmerksam zu machen.
Kollege Bartke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Lange, auch von mir noch eine Frage zu den Pariser
Prinzipien. Können Sie benennen, was aus Ihrer Sicht
die wichtigsten Punkte der Pariser Prinzipien insbeson-
dere in Bezug auf das Deutsche Institut für Menschen-
rechte sind?
C
Die wichtigsten Punkte der Pariser Prinzipien sind
aus meiner Sicht die, die sich direkt auf die Unabhängig-
keit beziehen. Die nationale Menschenrechtsinstitution,
hier also das Deutsche Institut für Menschenrechte, muss
von der Regierung unabhängig sein. Sie darf also nicht
Weisungen der Regierung unterworfen sein. Auch jeder
andere Mechanismus, der das Institut de facto den Wün-
schen oder Anweisungen einer Regierung unterwerfen
würde, ist nicht erlaubt. Außerdem muss die Institution
nach den Pariser Prinzipien über ausreichende Finanz-
mittel verfügen. Schließlich verlangen die Pariser Prinzi-
pien auch, dass die nationalen Institutionen im nationa-
len Recht abgesichert sind, also die gefragte gesetzliche
Grundlage haben.
Herr Schwabe.
Ich habe eine Frage an das Bundeskanzleramt. Ich
will Ihnen natürlich sehr gerne abnehmen und glaube
auch, dass es so ist, dass Sie sich der Bedeutung bewusst
sind und Sie natürlich alles tun wollen, um außenpoliti-
schen Schaden von Deutschland abzuwenden, und auch
dafür sorgen, dass unsere Glaubwürdigkeit in Menschen-
rechtsfragen international nicht untergraben wird, gerade
angesichts des Vorsitzes im UN-Menschenrechtsrat.
Vielleicht können Sie uns den Zeitplan darlegen. Wie
sind eigentlich die entsprechenden Zeitpläne in Genf?
Wenn ich es richtig verstehe, steht dort eine Entschei-
dung Mitte März an. Wann ist aus Ihrer Sicht eigentlich
die letzte Möglichkeit, dass aus Deutschland ein Signal
kommt, das uns international in die Situation bringt, dass
der A-Status erhalten bleiben kann?
D
Diese konkreten fachlichen Fragen, wie es in Genf
weitergeht, muss Ihnen der Kollege aus dem zuständigen
Ressort beantworten. Aber wir alle in der Bundesregie-
rung sind uns der Eilbedürftigkeit des Vorhabens be-
wusst, und deshalb arbeiten wir auch intensiv an einer
Einigung.
Kollege Beck.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7989
(C)
(B)
Darf ich zwei Fragen auf einmal stellen?
Vielleicht sind nach der ersten Frage alle offenen
Punkte beantwortet.
Es geht um zwei unterschiedliche Fragestellungen.
Teilt das Justizministerium die Auffassung, dass eine
Zuordnung des Deutschen Instituts für Menschenrechte
zu einem Geschäftsbereich innerhalb der Bundesregie-
rung in Konflikt mit den Pariser Kriterien zum Thema
Unabhängigkeit stünde, und, wenn nein, wie begründen
Sie Ihre Haltung?
C
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-
cherschutz ist der Auffassung, dass nur der Vereinssta-
tus, wie wir ihn derzeit haben, den Pariser Prinzipien
entspricht, und dementsprechend haben wir unseren Ge-
setzentwurf ausgestaltet. Der Grund dafür liegt darin,
dass wir vermeiden müssen, dass es eine Fach- und
Rechtsaufsicht gibt. Diese Fach- und Rechtsaufsicht
wird durch die Rechtsform „e. V.“ vermieden. Deshalb
haben wir diesen Vorschlag gemacht. Das entspricht im
Übrigen der Praxis hier in der Bundesrepublik.
Zweite Nachfrage, Herr Beck.
Ich habe eine Frage zu den Folgen, wie sie das Kanz-
leramt schon angesprochen hat. Welche Staaten haben
den A-Status nach den Pariser Kriterien in der Vergan-
genheit verloren bzw. nicht erreicht? Ich habe ein gewis-
ses Verständnis, wenn Sie das jetzt nicht sagen können;
dann hätte ich diese Frage aber gerne schriftlich beant-
wortet.
C
Die Antwort kann ich Ihnen gerne schriftlich liefern;
die nötigen Informationen sind vorhanden.
Kollege Hoffmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Frage an
den Staatssekretär Lange. Der Status wird ja durch das
ICC verliehen. Nun wurden Institutionen in Afghanistan,
Nigeria, Venezuela, Aserbaidschan und Russland im
A-Status akkreditiert. Welche Aussagekraft hat demnach
dieser Status für die Bewertung der Lage der Menschen-
rechte in einem Land?
C
Keine. Der Status gibt vielmehr nur wieder, welche
Rechtsstellung das Institut hat und welche Rechte damit
verbunden sind. Das ist auch unser Ziel. Deswegen wol-
len wir den A-Status erhalten. Ich kann Ihnen einmal
darstellen, was das alles für Folgen hat, wenn man den
A-Status hat bzw. wenn man ihn nicht mehr hat:
Zum einen ist der A-Status ein internationales Güte-
siegel, das unterstreicht, wie ernsthaft die Beobachtung
des Menschenrechtsschutzes in dem jeweiligen Land
durch die Institution erfolgt. Würde in dieser Zeit das
Deutsche Institut für Menschenrechte herabgestuft, wäre
dies für viele Gegner der Bundesrepublik auf UN-Ebene
ein willkommenes Argument, zu sagen, Deutschland be-
obachte den Menschenrechtsschutz im eigenen Land
selbst nicht mehr ausreichend. Den damit verbundenen
außenpolitischen Schaden wollen wir – es ist schon er-
wähnt worden – abwenden.
Zum anderen folgen dem A-Status wichtige Mitwir-
kungsrechte auf UN-Ebene. Nur Institutionen mit dem
A-Status haben Teilnahme- und Rederecht im UN-Men-
schenrechtsrat. Sie dürfen im UPR-Verfahren – das ist
das Überprüfungsverfahren des UN-Menschenrechtsrats
für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen – einen
eigenen Bericht zur Menschenrechtslage in ihrem Staat
einreichen.
Außerdem haben Institute mit A-Status das Recht auf
Teilnahme an allen Fachausschüssen zu Menschen-
rechtspakten der Vereinten Nationen und können dort ei-
gene Parallelberichte über die Umsetzung des jeweiligen
Menschenrechtspakts in ihrem Heimatstaat vorlegen.
Zudem geht durch den Verlust des A-Status die Möglich-
keit verloren, auf die Akkreditierungspolitik des dafür
zuständigen International Coordinating Commitee, ICC,
überhaupt Einfluss zu nehmen. Auch das wollen wir si-
cherstellen.
Herr Kollege Brunner.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage an Sie,
Herr Staatssekretär, geht in die gleiche Richtung – sie
überschneidet sich mit der des Kollegen Hoffmann –:
Welche Zeitschiene ist erforderlich, um den Verlust des
A-Status und damit die von Ihnen dargestellten Folgen
für die Bundesrepublik Deutschland, Stichwort „Ein-
flussnahme der Bundesrepublik Deutschland und die da-
mit verbundenen Menschenrechtsfragen“, zu vermei-
den?
C
Herr Kollege, der Akkreditierungsausschuss tagt EndeMärz. Wir haben diesen Termin fest im Blick. Ich gehedavon aus, dass ein Gesetzentwurf, wenn die Koalitions-arbeitsgruppen zu einem Ergebnis kommen, schnell aufden Weg gebracht werden kann, zum Beispiel im Wegeeines fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs. Ein sol-
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7990 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Parl. Staatssekretär Christian Lange
(C)
(B)
cher Gesetzentwurf ist nicht zustimmungspflichtig; dasheißt, der Bundesrat kann dieses Vorgehen nicht aufhal-ten. Wir sind der Auffassung, dass wir diesen föderalenAspekt dem Akkreditierungsausschuss durchaus vermit-teln können.
Frau Hänsel.
Danke schön, Herr Präsident. – Bei mir klingen jetzt
schon ein wenig die Ohren, wenn ich hier Fragen höre,
die sozusagen die Bedeutung des A-Status relativieren
wollen. Deshalb meine Nachfrage ans Bundeskanzler-
amt: Teilt das Bundeskanzleramt die Meinung, dass es
unbedingt wichtig ist, den A-Status des Deutschen Insti-
tuts für Menschenrechte zu erhalten, und dass man nicht
anfangen darf, das unter Verweis auf andere Länder zu
relativieren?
D
Die Bundesregierung als Ganzes strebt den Erhalt des
A-Status an.
Weitere Nachfragen liegen zu diesem Komplex nicht
mehr vor. Wir kommen jetzt aber natürlich noch zu den
Fragen der Kollegin Britta Haßelmann, die sicher impli-
zit, mindestens teilweise, beantwortet sind. Aber viel-
leicht will der Staatssekretär noch etwas Ergänzendes sa-
gen; sicher will die Kollegin noch etwas nachfragen.
Ich rufe zunächst die Frage 4 der Kollegin
Haßelmann auf:
Ist für die Kabinettssitzung am 25. Februar 2015 die Ver-
abschiedung eines Gesetzentwurfs zur Schaffung einer ge-
setzlichen Grundlage für das DIMR vorgesehen?
C
Ich beantworte die Frage gern. Da die Tagesordnung
für den 25. Februar 2015 noch nicht vorliegt, kann ich
Ihnen diese Frage nicht beantworten.
Dann kommen wir zur Frage 5 der Kollegin
Haßelmann:
chen Grundlage für das DIMR stattgefunden?
C
Die Frage beantworte ich wie folgt: Ich habe in der
angesprochenen Fragestunde darauf hingewiesen, dass
die Ressortabstimmung noch läuft.
Nachfrage, Kollege Beck. – Ach so, Frau Haßelmann;
bitte, ja gern.
Genau. Ich habe auch noch eine Nachfrage, wie von
Ihnen schon angekündigt.
Meine Frage richtet sich wieder ans Kanzleramt. –
Herr Braun, Sie haben meinem Kollegen Koenigs bei
der Beantwortung gerade zugesichert, dass wir das mit
dem Gesetzentwurf bis März hinkriegen. Das ist not-
wendig, damit wir den A-Status nicht verlieren, weil
Ende März die Konferenz stattfindet, auf der darüber
entschieden wird. Der Kollege Lange hat gesagt: Auf der
Tagesordnung der Kabinettssitzung am 25. Februar steht
das Thema bislang nicht. – Deshalb meine Frage: Beab-
sichtigt die Bundesregierung, dieses Thema in Form ei-
nes Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung der Kabinetts-
sitzung am 25. Februar oder am 4. März zu setzen? Das
sind die beiden letzten Möglichkeiten, einen Gesetzent-
wurf vor der internationalen Entscheidung Ende März
ins parlamentarische Verfahren zu bringen.
D
Sehr geehrte Frau Kollegin, mir tut es leid, dass ich
Ihrem Anspruch, Ihnen mehr zu erzählen, nicht gerecht
werden kann. Aber solange die Ressortabstimmung noch
nicht abgeschlossen ist, kann auch kein Termin für die
Beratung im Kabinett festgelegt werden. Der wird in al-
ler Regel am Montag der laufenden Woche für den je-
weiligen Mittwoch bestimmt. Ein konkreter Kabinetts-
termin steht dementsprechend derzeit noch nicht fest.
Aber wenn die Befassung im Kabinett in den Sternen
steht, wie können Sie meinem Kollegen Koenigs dann
versichern, dass wir den Termin für den Erhalt des A-Sta-
tus Ende März halten? Das würde nur funktionieren,
wenn die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin in der
Frage wahrgenommen wird. Das haben Sie verneint,
aber gleichzeitig zugesichert: Wir halten den Termin im
März. – Sie haben mir jetzt gesagt, Sie könnten nichts
dazu sagen, ob in den beiden Kabinettssitzungen, die
vorher stattfinden, das Thema beraten wird oder nicht.
Dann trifft doch die Aussage, die Sie gerade getroffen
haben, nicht zu.
D
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ichmir das, was Sie mir schon in Ihren Fragen unterstellen,ausdrücklich nicht zu eigen mache. Das Grundproblemist, dass Sie hier die ganze Zeit zu einem Sachverhalt
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7991
Staatsminister Dr. Helge Braun
(C)
(B)
fragen, der noch nicht die Kabinettsreife hat und überden die Bundesregierung Ihnen deshalb weder zum Re-gelungsumfang noch zum Zeitplan so detailliert Aus-kunft geben kann, wie Sie das gern möchten. Das ist einesinnvolle Regelung im Sinne auch einer sachgerechtenArbeit. Deshalb kann ich Ihnen nicht sagen, welche Res-sorts oder Personen sich an welcher Stelle wie eingelas-sen haben. Deshalb kann ich Ihnen auch zum Zeitplanweder positiv noch negativ etwas sagen. Die Bundesre-gierung entscheidet im Zuge jeder Kabinettssitzung, obdas Thema dort aufgerufen wird, und das hängt davonab, ob bis dahin die offenen Fragen geklärt sind und da-mit die Ressortabstimmung abgeschlossen ist.
Aus den Auskünften ergibt sich eigentlich konklu-
dent, dass das Thema, wenn es der Regierung so wichtig
ist, wie dargestellt, in einer der beiden nächsten Kabi-
nettssitzungen behandelt werden muss.
Nachfrage des Kollegen Beck.
Mit Blick auf die Anregung des Präsidenten: Kann
uns die Bundesregierung angesichts der internationalen
Sitzungen zum Erhalt des A-Status im März sagen, wie
und wann sie das Beratungsverfahren abschließen will,
um den Termin im März nicht zu reißen, weil das die un-
mittelbare Folge hätte, dass wir den A-Status verlieren?
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie das auf jeden Fall ver-
meiden wollen. Dann müssen Sie ja eine Vorstellung ha-
ben, wie Sie dieses Ziel beratungstechnisch erreichen. –
Sie sind gefragt, Herr Staatsminister.
D
Ich sage es noch einmal: Ich kann Ihnen über die Ab-
läufe dazu innerhalb der Bundesregierung keine Aus-
kunft geben. Warten Sie das doch einfach mal ab. Wir
sind gerne bereit, dann im Deutschen Bundestag auch
Rede und Antwort zu stehen. Wir streben an, den A-Sta-
tus zu erhalten. Den konkreten Kabinettsberatungster-
min können wir Ihnen derzeit nicht mitteilen.
Damit sind die Fragen zu diesem Geschäftsbereich er-
schöpft.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Die Frage 6 der Abgeordne-
ten Sabine Zimmermann wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 7 der
Abgeordneten Sabine Zimmermann, die Fragen 8 und 9
des Abgeordneten Kurth sowie die Frage 10 der Abge-
ordneten Bellmann werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Die Frage 11 der Abge-
ordneten Brugger wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend. Die Fragen 12 und 13 der Abgeordneten Kunert
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Gesundheit. Hier steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Frau Widmann-Mauz zur
Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 14 der
Kollegin Scharfenberg auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung konkret zu tun, um
die in der vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung,
Karl-Josef Laumann, in Auftrag gegebenen und vorgestellten
Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
der Bundesagentur für Arbeit zur Vergütung in den Pflegebe-
rufen „Was man in den Pflegeberufen in Deutschland ver-
dient“ aufgezeigten eklatanten Lohnunterschiede zwischen
den Berufsgruppen der Kranken- und der Altenpflegekräfte
einerseits und die regionalen Unterschiede in der Bezahlung
sowohl von Kranken- als auch von Altenpflegekräften ande-
rerseits anzugleichen?
A
Frau Kollegin Scharfenberg, auf Grundlage der ge-setzlichen und tariflichen Regelungen sind die Entschei-dungen über die Höhe der Vergütungen und die Arbeits-zeit in den Arbeitsverträgen zwischen den einzelnenPflegeeinrichtungen und den Beschäftigten zu treffen.Der Gesetzgeber hat eine Reihe von Regelungen mitBezug auf die Vergütungen getroffen. Das Bundesminis-terium für Arbeit und Soziales hat aufgrund von Ent-scheidungen der Pflegekommission durch die Pflege-arbeitsbedingungenverordnung geregelt, dass derMindestlohn für Beschäftigte in der Pflege ab 1. Januar2015 um 40 Cent je Stunde auf 9,40 Euro pro Stunde inden alten Bundesländern einschließlich Berlin und um65 Cent je Stunde auf 8,65 Euro pro Stunde in den neuenBundesländern – ohne Berlin – steigt. In zwei Schrittensoll er bis zum Januar 2017 weiter steigen und dann10,20 Euro pro Stunde im Westen und 9,50 Euro proStunde im Osten betragen.Ab 1. Oktober soll zudem der Kreis derer, für die derPflegemindestlohn gilt, deutlich ausgeweitet werden.Dann sollen zusätzlich auch die in Pflegebetrieben be-schäftigten Betreuungskräfte von demenziell erkranktenPersonen, Alltagsbegleiterinnen und -begleiter sowieAssistenzkräfte vom Mindestlohn profitieren. Seit dem1. Januar gilt zudem der allgemeine gesetzliche Mindest-lohn von 8,50 Euro auch für Hilfskräfte, die in Pflege-einrichtungen arbeiten, so zum Beispiel für Küchen-kräfte, für die keine Vergütungsregeln im Rahmen vonTarifverträgen gelten.Der Gesetzgeber hat zudem mit dem ersten Pflege-stärkungsgesetz die Anerkennung der Wirtschaftlichkeitvon tariflicher und kirchenarbeitsrechtlicher Entlohnung
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7992 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz
(C)
(B)
der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen in Vergütungs-vereinbarungen ab dem 1. Januar gesetzlich festge-schrieben. Für Pflegeeinrichtungen werden damit An-reize gesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterentsprechend zu entlohnen. Gleichzeitig erhalten dieKostenträger ein Nachweisrecht, dass die finanziellenMittel auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankom-men. Das gilt sowohl für Pflegefachkräfte als auch fürPflegehilfskräfte.Im Rahmen der „Ausbildungs- und Qualifizierungs-offensive Altenpflege“ haben sich Verbände, Kostenträ-ger und Gewerkschaften dazu bekannt, dass eine leis-tungsgerechte Vergütung der Pflegekräfte für dieAttraktivität des Berufsfeldes wichtig und im Rahmender Vergütungs- und Tarifverhandlungen stärker zu be-rücksichtigen ist.
Frau Kollegin Scharfenberg.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Meine erste
Nachfrage ist: Nach welchen Kriterien soll denn künftig
geprüft werden – das hat der Pflegebevollmächtigte
Karl-Josef Laumann in einer Pressemitteilung zur Studie
zur Vergütung in der Pflege vorgeschlagen –, ob ein an-
gemessener Lohn auch tatsächlich gezahlt wird? Was ist
ein angemessener Lohn, und sollen die Pflegekassen das
regelmäßig oder nur anlassbezogen überprüfen?
A
Frau Kollegin Scharfenberg, ich habe bei der Beant-
wortung Ihrer Frage gerade ausgeführt, dass das Pflege-
stärkungsgesetz den Kostenträgern die Möglichkeit gibt,
nachzuprüfen, ob Tariflohn gezahlt wird; das steht den
Kostenträgern offen. Ansonsten werden die Vergütungs-
vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern getroffen
und sind dadurch auch nicht in dem Maße durch den Ge-
setzgeber kontrollierbar.
Die Studie zur Vergütung in der Pflege hat gezeigt,
dass es eine enorme Schieflage im Verhältnis zwischen
der Vergütung in der Krankenpflege und der Vergütung
in der Altenpflege gibt. Meine Frage ist daher: Was soll
denn strukturell in der Altenpflege bzw. bei der Vergü-
tung in der Altenpflege geändert werden, damit Alten-
pflegekräfte flächendeckend mehr verdienen?
A
Zunächst einmal ist diese Studie ein wichtiger Beitrag
dazu, dass in Bezug auf die Vergütungsbedingungen
Transparenz entsteht. Dazu hat diese Studie einen wich-
tigen Beitrag geleistet; denn dadurch sind den verant-
wortlichen Vertragspartnern sowohl die Vergütungs-
unterschiede zwischen der Altenpflege und der
Krankenpflege als auch die regionalen Unterschiede
stärker bewusst geworden.
Interessant an der Studie ist auch die Höhe des An-
teils der Teilzeitkräfte; denn das Gesamtvergütungs-
niveau hängt natürlich sehr von der wöchentlichen Ar-
beitszeit ab. Hier hat die Bundesregierung bereits in der
Vergangenheit durch die „Initiative Neue Qualität der
Arbeit“ wichtige Hilfestellungen gegeben, zum Beispiel
bei der Gestaltung von Dienstplänen bei den Einrich-
tungsträgern. Sie richtet sich nach den Wünschen der
Beschäftigten, sowohl in familiärer Hinsicht als auch in
Bezug auf deren persönliche und berufliche Lebensge-
staltung, und orientiert sich gleichzeitig an den Wün-
schen der betroffenen Pflegenden nach mehr Vollzeit-
kräften und Vollzeitstellen und gibt ihnen wichtige
Hilfestellungen.
Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Elisabeth
Scharfenberg:
Hält die Bundesregierung nach wie vor an der Strategie
fest, eine generalistische Pflegeausbildung umzusetzen, wie
vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef
Laumann, in der Pressemitteilung zur Studie über die Vergü-
tung in den Pflegeberufen gefordert, und welche Einschät-
zung hat die Bundesregierung dazu, wie sich die gemeinsame
Ausbildung auf die Entwicklung der Löhne für den Bereich
der Kranken- und der Altenpflege entwickeln wird?
A
Frau Kollegin Scharfenberg, auf Ihre Frage antworteich wie folgt: Die Bundesregierung erarbeitet derzeit ei-nen Entwurf für ein Pflegeberufegesetz, durch das dieAusbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- undKrankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkran-kenpflege zu einer neuen, generalistisch ausgerichtetenPflegeausbildung zusammengeführt werden. Dabei wirdan die Vorarbeiten der letzten Legislaturperiode ange-knüpft, die gemeinsam mit der Arbeits- und Sozialminis-terkonferenz der Länder diskutiert worden sind.Es werden die Grundlagen für ein einheitliches Be-rufsbild Pflege geschaffen, das sich den Anforderungenan die Pflege der Zukunft anpasst. Es gilt, den jungenMenschen, die sich für den Pflegeberuf entscheiden, einequalitativ hochwertige und zeitgemäße Ausbildung zubieten, die dem breiten beruflichen Spektrum und denEntwicklungen in der Gesellschaft und im Gesundheits-wesen Rechnung trägt und Entwicklungspfade öffnet.Die Verantwortung für die Vereinbarung der Höhe ange-messener tariflicher Vergütungen obliegt auch weiterhinden Tarifvertragsparteien.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Meine ersteNachfrage ist: Welche Auswirkung hätte denn nach Ein-schätzung der Bundesregierung eine generalistischeAusbildung auf den Fachkräftemangel im ArbeitsfeldAltenpflege?
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7993
(C)
(B)
A
Frau Kollegin Scharfenberg, neben einer weiteren
Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes durch zu-
sätzliche Entwicklungsmöglichkeiten und die Aufwer-
tung des Berufsfeldes geht es insbesondere um eine qua-
litative Verbesserung der Pflegeausbildung und eine
umfassende Modernisierung ihrer Inhalte.
Die Idee einer vereinheitlichten Pflegeausbildung ist
im Übrigen auch nicht neu. Fachpolitische Forderungen
zielen seit langem auf diese Neukonzeption der Pfle-
geausbildung im Sinne eines generalistischen Berufspro-
fils ab. Modellvorhaben haben gezeigt, dass eine dreijäh-
rige einheitliche Pflegeausbildung im Sinne eines neuen
allgemeinen Pflegeberufs gerade die Kompetenzen be-
sonders vermittelt, die angesichts zunehmend komplexer
werdender Pflegesituationen und unterschiedlichster
Pflegekontexte besonders notwendig sind.
Die vereinheitlichte Pflegeausbildung wird auch eine
Antwort auf die Herausforderungen der demografischen
Entwicklung, der Alterung der Gesellschaft, sein. Es ent-
stehen neue Pflegebedarfe, und zwar in den Kranken-
häusern und in den Pflegeeinrichtungen. Darauf reagiert
die neue Pflegeausbildung. Das kommt den Pflegenden
und den zu Pflegenden zugute. Ein einheitliches Berufs-
bild Pflege verstärkt außerdem insbesondere das berufli-
che Selbstverständnis der Pflegefachkräfte im Kontext
anderer Gesundheitsfachberufe und führt damit auch zu
einer stärkeren beruflichen Identifikation.
Unterschiedliche Tätigkeitsfelder in der Pflege er-
möglichen es den Pflegenden auch, den Umfang ihrer
Berufstätigkeit an ihre persönliche Entwicklung und Le-
benssituation anzupassen. Das ist insbesondere in der
Kranken- und Altenpflege wichtig.
Bitte achten Sie auf die Zeit.
A
Zudem leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, dass
die Ausbildung kostenfrei ist, was bisher insbesondere in
der Altenpflege in einzelnen Bundesländern ein erhebli-
ches Problem darstellt.
Vielen Dank. – Die Studie zur Vergütung in der
Pflege hat ganz deutlich gezeigt, dass in der Kranken-
pflege mehr verdient wird als in der Altenpflege, dass
Fachkräfte in der Altenpflege etwa so viel verdienen wie
Hilfskräfte in der Krankenpflege. Das ist eine erhebliche
Schieflage. Ist nicht zu befürchten, dass eine Ausbil-
dung, die generalistisch für mehrere Pflegeberufe quali-
fiziert, die ausgebildeten Pflegekräfte dahin treiben wird,
wo besser bezahlt wird, mit den entsprechenden Folgen
für die schlechter entlohnten Bereiche, sprich: für die
Altenpflege?
A
Frau Kollegin Scharfenberg, diese Entwicklung be-
fürchten wir nicht. Im Gegenteil. Wir erhoffen uns durch
die generalistische Pflegeausbildung eine insgesamt stär-
kere Attraktivität der Pflegeberufe in der Alten- wie in
der Krankenpflege. Angesichts des drohenden Fachkräf-
temangels sind dieses Mehr an Attraktivität und die hö-
heren und besseren Qualifikationen, die in allen Einsatz-
bereichen erforderlich sind, die beste Gewähr dafür, dass
wir in allen Bereichen eine deutliche Verbesserung der
Vergütungssituation dauerhaft bewerkstelligen können.
Frau Zimmermann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Widmann-Mauz,
ich habe eine Frage zum Koalitionsvertrag. Dort heißt
es, dass es ein einheitliches Berufsbild mit einer gemein-
samen Grundausbildung und einer darauf aufbauenden
Spezialisierung für die Alten-, Kranken- und Kinder-
krankenpflegeausbildung geben soll. Meine Frage ist:
Soll diese Spezialisierung Teil der dreijährigen Ausbil-
dung sein, oder soll die Spezialisierung nach der Ausbil-
dung stattfinden?
A
Frau Kollegin Zimmermann, das entsprechende Be-
rufsgesetz befindet sich derzeit in der Ressortabstim-
mung innerhalb der Bundesregierung. Sobald diese Ab-
stimmung abgeschlossen ist, werde ich Sie darüber
gerne an dieser Stelle oder im Ausschuss ausführlich in-
formieren.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf. Die Fra-gen 16 und 17 der Abgeordneten Sabine Leidig, die Fra-gen 18 und 19 des Abgeordneten Herbert Behrens sowiedie Frage 20 des Abgeordneten Oliver Krischer werdenschriftlich beantwortet.Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-torsicherheit auf. Die Frage 21 des Abgeordneten AndréHahn wird schriftlich beantwortet.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Bildung und Forschung auf. Die Fragen 22 und23 des Abgeordneten Jens Spahn sowie die Frage 24 derAbgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden ebenfallsschriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht derParlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtelzur Verfügung.
Metadaten/Kopzeile:
7994 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Präsident Dr. Norbert Lammert
(C)
(B)
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Uwe Kekeritzauf:Inwiefern treffen die Schilderungen im Nachrichtenmaga-
beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung, Dr. Friedrich Kitschelt, die damalige Abtei-lungsleiterin U. M. in ihrem Büro aufgesucht und in aggressi-ver Weise aufgefordert habe, die Bewertung ihrer Mitarbeite-rin G. H. abzusenken, und wie hat sich das daraufhin erfolgteGespräch zwischen U. M. und dem Bundesminister Dr. GerdMüller im Ministerbüro zugetragen, wo U. M. den Bundes-minister über den – aus ihrer Sicht – Versuch der „Nötigung“durch den Staatssekretär Dr. Friedrich Kitschelt in Kenntnisgesetzt hat?Ha
Kann ich beide Fragen zusammen beantworten?
Dann rufe ich auch die Frage 26 des Abgeordneten
Uwe Kekeritz auf:
Kann das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung plausibel darlegen, wie der erst
wenige Wochen im Amt befindliche Nachfolger von U. M.
die Mitarbeiterin G. H. objektiver beurteilen kann als deren
langjährige Vorgesetzte U. M., und welche Konsequenzen er-
wägt der Bundesminister Dr. Gerd Müller, sollte die Staatsan-
waltschaft tatsächlich Klage gegen den Staatssekretär
Dr. Friedrich Kitschelt wegen Nötigung erheben oder diesen
gar verurteilen?
Ha
Herr Kollege Kekeritz, zwei ganz klare Antworten:
Erstens. Die in der von Ihnen zitierten Berichterstattung
erhobenen Vorwürfe sind unbegründet.
Zweitens. Das Beurteilungsverfahren lief nach den
Grundsätzen ab, wie sie von der Bundeslaufbahnverord-
nung festgelegt sind.
Bitte, Herr Kekeritz.
Verstehe ich Sie richtig, Herr Fuchtel, dass es das Ge-
spräch zwischen Frau Müller und dem Herrn Minister
nicht gab? Was wurde von Herrn Minister Müller tat-
sächlich an Frau Müller zurückgespiegelt? Inwieweit
war das Gespräch zwischen Frau Müller und Herrn
Kitschelt vorher mit dem Minister abgesprochen?
Ha
Ich habe Ihnen noch nicht gesagt, dass ich dazu keine
Ausführungen mache. Ich wollte Ihnen erst einmal ein-
leitend sagen, wie der Rahmen aussieht.
Ich möchte Ihnen weiter sagen, dass ich als Dienst-
herr eine Fürsorgepflicht gegenüber allen Bediensteten
des Hauses habe. Des Weiteren habe ich im Interesse der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Datenschutz zu
wahren. Zudem habe ich die Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass am heutigen Tage kein Präzedenzfall geschaffen
wird, wonach künftig alle Gespräche, Benotungen und
Konkurrenzen in Ministerien, die es täglich gibt, in die-
sem Plenum zur Debatte kommen.
Kann ich also davon ausgehen, dass die Staatsanwalt-
schaft von sich aus nicht ermitteln wird?
Ha
Sie versuchen hier, mit Suggestivfragen irgendwelche
Ergebnisse zu erzielen. Wir zwei sind schon zu lange
alte Hasen, als dass dies klappen könnte.
Insofern sage ich Ihnen: Es gab natürlich ein Ge-
spräch zwischen Frau Müller, der Abteilungsleiterin,
und Herrn Dr. Kitschelt. Dies diente der Übergabe der
Urkunde zur Bestellung der Frau Müller zur Ministerial-
direktorin auf Lebenszeit. Es gab auch ein Gespräch
zwischen Frau Müller und dem Minister, dessen zentra-
ler Gegenstand die Frage der Besetzung einer internatio-
nalen Spitzenposition war. Abschließend darf ich Ihnen
sagen: Aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen und Leis-
tungen wurde dieser Ministerialdirektorin vom BMZ die
einflussreiche, multilaterale Position einer Exekutivdi-
rektorin bei der Weltbank – es ist im internationalen Be-
reich eigentlich die einflussreichste Position – übertra-
gen.
Herr Staatssekretär, achten Sie bitte auf die Zeit. –
Herr Kekeritz, Sie haben zwei Fragen gestellt. Jetzt kön-
nen Sie zur zweiten Frage wiederum zwei Zusatzfragen
stellen.
Ich stelle eine Frage, die in die gleiche Richtung geht.
Ich möchte jetzt von Ihnen ganz allgemein wissen: Wie
viele solcher Umbewertungen sind in Ihrem Hause
schon vorgekommen, und inwieweit gibt es öfter
Schwierigkeiten bei der Bewertung von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern? – Das betrifft nicht den Daten-
schutz; denn es geht mir nicht um Namen, sondern um
Zahlen.
Ha
Ich habe Ihnen hier schon klar gesagt, wie das Verfah-ren aussieht. Es gibt eine Bundeslaufbahnverordnungund eine Verordnung für die Bewertung. Sie müssen ein-gehalten werden. Das betrifft alle Beamten, die eine an-dere Verwendung bekommen sollen und können oderbeispielsweise vor einer Beförderung stehen. Dann mussjedes Mal ein solches Verfahren durchgeführt werden.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7995
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
(C)
(B)
Ich betone nochmals, dass ich nicht all die Fälle zäh-len kann. Denn das würde bedeuten, dass wir die Büro-kratie in den Ministerien weiter ausbauen müssten, unddas kann nicht einmal in Ihrem Interesse sein.
Außerdem hätte die Redezeit dafür auch nicht mehr
zur Verfügung gestanden. – Jetzt hat der Kollege
Kekeritz noch eine letzte Zusatzfrage.
Genau. – Ich habe das Gefühl, dass Sie mir die
Frage 26 eigentlich nicht richtig beantwortet haben. Es
stellt sich die Frage, inwieweit die Bewertung einer Mit-
arbeiterin, eines Mitarbeiters durch jemanden korrigiert
werden kann, der überhaupt nicht in diesem Bereich tä-
tig war. Wie ist so etwas möglich?
Ha
Sie können vielleicht von außen nicht beurteilen, wer
da tätig war und wer nicht. Es ist eine Bewertung, die im
Hause vorgenommen werden muss. Dazu darf ich Ihnen
schlichtweg sagen: Hier handelt es sich um den Kernbe-
reich exekutiver Eigenverantwortung des Ministeriums.
Das gilt nicht nur für mein Ministerium, sondern es ist
generell so. Das ist auch der Grund dafür, dass bisher
keine Debatte über eine solche Materie stattgefunden hat
und die Debatte heute die erste dieser Art gewesen wäre.
Frau Hänsel.
Danke schön. – Herr Staatssekretär, offensichtlich
stimmt bei den Vorgängen etwas nicht. Sonst würde das
ja nicht solche Wellen schlagen, sonst würde auch keine
Mitarbeiterin den Rechtsweg beschreiten wollen. Das
heißt, Sie können das nicht wegdiskutieren und sagen:
„Wir haben hier innere Abläufe, und das wird hier nicht
diskutiert“, zumal Good Governance ein sehr beliebtes
Schwerpunktthema der Entwicklungszusammenarbeit
der Bundesregierung ist. Sie sprechen immer von Good-
Governance-Kriterien usw. Dann kommt es mit Blick
auf die Glaubwürdigkeit natürlich schlecht, wenn man
im eigenen Ministerium solche Fälle hat, die doch sehr
fragwürdig sind.
Bisher haben Sie nicht plausibel erklärt, warum nicht
eine langjährige Mitarbeiterin eine Bewertung vor-
nimmt, sondern jemand, der viel kürzer im Ministerium
arbeitet und daher die Arbeit der Kollegin gar nicht in
ausreichendem Maße beurteilen kann. Meine Frage: Zie-
hen Sie denn irgendwelche Schlüsse daraus, um diese
Sache zu heilen?
Ha
Sehen Sie, ich bin 20 Jahre lang aktiver Anwalt gewe-
sen. Deswegen passe ich auf jeden Buchstaben auf. Mir
gefällt an Ihrer Wortmeldung schon nicht, dass Sie statt
von „Fall“ von „Fällen“ sprechen. Dazu gibt es selbst
nach der Presseverlautbarung des betreffenden Magazins
keinen Anlass. Daher entnehme ich Ihrer Frage, dass es
Ihnen eher um Agitation geht als um die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter in dem betroffenen Haus.
Zu diesem Geschäftsbereich sehe ich keine weiteren
Nachfragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-
lerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 27 des
Kollegen Christian Kühn sowie die Frage 28 des Kolle-
gen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 29
der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 30 und 31
der Kollegin Katharina Dröge sowie die Frage 32 des
Kollegen Oliver Krischer werden schriftlich beantwor-
tet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amts. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Roth zur Verfügung.
Die Frage 33 der Kollegin Agnieszka Brugger wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Mos-
nen der syrischen Opposition sowie Regierungsvertreter teil-
nahmen, und welche Organisationen und Persönlichkeiten der
syrischen Opposition haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung an der Konferenz teilgenommen?
Ich danke Ihnen herzlich, Herr Präsident. – Herr Kol-lege Gehrcke, Sie beziehen sich auf die Syrien-Konfe-renz in Moskau, die vom 26. bis 29. Januar auf Einla-dung der russischen Regierung stattfand. Vonseiten dersyrischen Opposition wurden ausdrücklich keine Orga-nisationen, sondern nur Einzelpersönlichkeiten eingela-den. Inwieweit diese eingeladenen Persönlichkeiten wie-derum Organisationen nahestehen, die als gewaltfrei,oppositionell und demokratisch zu bezeichnen sind, istinnerhalb der syrischen Opposition umstritten.Die angereisten Personen bilden nur einen sehr klei-nen Ausschnitt aus dem Spektrum der syrischen Opposi-tion ab. Eine offizielle Liste seitens der russischen Re-gierung liegt uns nicht vor, aber wir haben recherchiertund im Netz eine Liste der Teilnehmer gefunden. Ichbiete gerne an, Ihnen diese Liste im Anschluss an dieFragestunde zur Verfügung zu stellen. Vonseiten derNichtregierungsorganisationen haben etwas mehr als
Metadaten/Kopzeile:
7996 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Staatsminister Michael Roth
(C)
(B)
30 Personen teilgenommen. Die Namen haben wir auf-geführt, aber ich kann keinen Anspruch auf Vollständig-keit erheben.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, ich bin natürlich dankbar, wenn
Sie mir diese Liste geben. Ich war so frei, sie mir eben-
falls aus dem Netz zu ziehen. Wir können ja gucken, ob
wir die gleiche haben; das unterstelle ich einmal.
Zu meiner Frage. Wie bewertet die Bundesregierung
die Ergebnisse dieser Konferenz in Moskau? Dass die
Konferenz stattgefunden hat, ist auch von der UNO sehr
positiv beurteilt worden. Dass man Einzelpersonen und
nicht Organisationen einlädt, halte ich für diplomatisch
sehr schlau; sonst hätte sie nämlich nicht stattgefunden.
Im Ergebnis hat sie, glaube ich, ein Zehnpunktepro-
gramm gezeitigt. Ich würde gerne wissen, ob die Bun-
desregierung sich mit diesen Ergebnissen auseinander-
gesetzt hat und wie Sie sie bewerten?
Herr Kollege Gehrcke, der Bundesregierung liegen
derzeit keine direkten Informationen vor. Das heißt, ich
müsste mit Ihnen allein auf der Grundlage von Medien-
berichterstattung ins Gespräch kommen. Wir haben auch
noch keine Informationen von den Veranstaltern bzw.
von den Teilnehmern der Konferenz.
Worauf wir uns beziehen können, das sind die ab-
schließenden Äußerungen des russischen Mediators
Witalij Naumkin, der eine eigene Interpretation des Kon-
senses der Teilnehmer vorgenommen hat, der elf Punkte
umfasst. Herr Präsident, wenn es die Zeit erlaubt, dann
kann ich die elf Punkte gerne vortragen.
Das erlaubt die Zeit sicher nicht.
Dann müsste der Kollege Gehrcke noch einmal nach-
fragen und sich dazu ins Benehmen setzen.
Im Übrigen wissen Sie, Herr Kollege, dass sich die
Bundesregierung seit der blutigen Niederschlagung der
Bürgerproteste im Jahr 2011 stets für eine politische Lö-
sung des Syrien-Konflikts eingesetzt hat. Für uns ist aber
das Kommuniqué von Genf 2012 die wesentliche
Grundlage. Für uns spielen die Vereinten Nationen als
Schirmherr dieses schwierigen Prozesses die zentrale
Rolle.
Herr Gehrcke.
Herr Staatsminister, ich bin nächste Woche in Mos-
kau. Ich biete Ihnen an, die Informationen mitzubringen.
Ich habe mich heute im Außenministerium angemeldet,
um Informationen zu erhalten. Ich biete Ihnen an: Im
Austausch für die Liste bringe ich Ihnen Informationen
mit. Dann können wir uns darüber unterhalten.
Ich frage vor dem Hintergrund der immer grausiger
werdenden Ereignisse in Syrien – dieser Tage die Ver-
brennung des jordanischen Piloten bei lebendigem Leibe
und die Enthauptung des japanischen Journalisten –: Ist
es nicht notwendig, mit aller Kraft alle politischen For-
mationen, die gegen IS in Stellung gehen können, zu-
sammenzubringen und in diese Richtung sehr viel Druck
zu entwickeln?
Ich kann Ihnen in Ihrer Bewertung zustimmen: Was
wir derzeit erleben, ist grauenhaft und entsetzt uns im-
mer wieder aufs Neue. Es fällt auch mir schwer, Worte
dafür zu finden.
Ich bin natürlich immer an einem guten Miteinander
mit dem Bundestag interessiert. Sollten Sie Informatio-
nen haben, können Sie uns diese natürlich gerne zur Ver-
fügung stellen.
Mit Blick auf die notwendigen Gespräche und den
politischen Dialog will ich noch einmal darauf hinwei-
sen, dass Gespräche zwischen den Oppositionellen ei-
nerseits und der syrischen Regierung andererseits selbst-
verständlich notwendig sind. In diese Gespräche müssen
aber alle wichtigen Oppositionsgruppen institutionell
eingebunden werden. Für die Bundesregierung gehört
auch die Nationale Koalition dazu. Ohne diese Einbezie-
hung sehen wir kaum Aussicht auf Erfolg.
Frau Hänsel.
Danke. – Herr Staatsminister, ich habe noch eineNachfrage. Sie sagten gerade, dass Sie auf das UN-For-mat fokussieren. Aber Sie bewegen sich natürlich auchaußerhalb des UN-Formats in diesem Club der FreundeSyriens. Dort pflegen Sie – zumindest war das in denletzten Jahren so – enge Kontakte zur Opposition. AusIhrer Sicht hat er mittlerweile den legitimen Anspruch,die Regierung zu stellen. Für Sie ist Assad ja gar nichtmehr der legitime Vertreter Syriens. Zumindest sah dieletzte Bundesregierung das so. Ich weiß nicht, ob Sie dasauch so sehen. Wer ist für Sie legitimer Ansprechpartnerin Syrien, und welche Initiativen ergreift der Club derFreunde Syriens für eine Konfliktlösung? Über Kontaktemit der Opposition usw. hört man überhaupt nichts. Viel-leicht könnten Sie ein paar Sätze dazu sagen. Wie arbei-tet im Moment eigentlich der angehängte Treuhandfondsmit immerhin 30 Millionen Euro? Vielleicht könnten Sieein paar Punkte erläutern. Wenn Sie nicht alles beant-worten können, nehme ich gerne auch eine schriftlicheAntwort.Danke.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015 7997
(C)
(B)
Wenn Sie das wünschen, Frau Kollegin, biete ich na-
türlich an, Ihnen eine breite Information schriftlich zu-
kommen zu lassen. Im Vorgriff darauf will ich auf die
zentrale Rolle des Beauftragten der Vereinten Nationen
hinweisen, Staffan de Mistura. Wir stehen in sehr engem
Kontakt mit dem Beauftragten, weil er für uns einer der
entscheidenden Akteure ist, wenn es darum geht, die
verschiedenen Gruppierungen an einen Tisch zu bringen.
Unsere Erwartung an die derzeitige syrische Regie-
rung ist eindeutig, weil bislang jeglicher Beitrag zu einer
Dialoglösung fehlt. Ich will ein paar Punkte nennen, die
wesentlich sind, um den von uns geforderten politischen
Prozess zu erleichtern. Dabei geht es nicht um den mili-
tärischen Prozess. Es geht unter anderem um die Freilas-
sung von politischen Gefangenen, es geht um die Ein-
stellung der Bombardierung von Zivilisten, und es geht
vor allem natürlich darum, dass die VN-Resolutionen
zur humanitären Hilfe in Syrien unverzüglich umgesetzt
werden.
Ich rufe jetzt die Frage 35 des Kollegen Gehrcke auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Konferenz-
teilnehmer sich auf einen Zehnpunkteplan einigten, der die
Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien fordert, den Rück-
tritt von Staatspräsident Baschar al-Assad nicht mehr als Vor-
bedingung für eine Beteiligung an einer Übergangsregierung
nennt und die ausländische Intervention im syrischen Konflikt
verurteilt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesre-
gierung aus dieser Entwicklung im Hinblick auf eine Unter-
stützung der geplanten Fortsetzung der Gespräche zwischen
der syrischen Regierung und der syrischen Opposition in
Moskau?
Herr Präsident, ich bin davon ausgegangen, dass ich
diese Frage schon beantwortet habe.
Dann erkundige ich mich einmal beim Kollegen
Gehrcke, ob er das auch so sieht.
Ich kann sie aber noch einmal beantworten.
Ich wollte Ihnen die Chance geben – ich würde sie
auch gerne hören –, die elf Punkte vorzutragen. Genau
darauf bezieht sich diese Frage. Ich spreche allerdings
von zehn Punkten. Wahrscheinlich ist ein elfter Punkt
hinzugekommen, den ich auch gerne hören würde.
Dafür stehen genau 100 Sekunden zur Verfügung. –
Bitte schön.
Ich will es ganz kurz machen. Schon in meinen einlei-
tenden Erläuterungen habe ich darauf hingewiesen, dass
wir noch keine Information von den Veranstaltern und
Teilnehmenden hatten. Ich kann mich also nur auf die
Pressekonferenz beziehen. Dort sind die sogenannten
Moskauer Prinzipien erwähnt worden.
Ich will jetzt schnell die elf Punkte vortragen:
Erstens. Einhaltung der Souveränität, Eintracht und
territorialen Integrität Syriens.
Zweitens. Der Kampf gegen den internationalen Ter-
rorismus in all seinen Formen.
Drittens. Die Beilegung der Krise im Land mit friedli-
chen politischen Mitteln. Hierbei wurden auch die Prin-
zipien des Genfer Kommuniqués vom 30. Juni 2012 er-
wähnt.
Viertens. Die Bestimmung der Zukunft Syriens durch
freie demokratische Willensbekundung des syrischen
Volkes.
Fünftens. Die Unzulässigkeit einer Einmischung von
außen in die inneren Angelegenheiten Syriens.
Sechstens. Die Gewährleistung der Kontinuität staat-
licher Einrichtungen.
Siebtens. Die Gewährleistung des Friedens durch um-
fassende Teilnahme aller Schichten des syrischen Volkes
am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben des
Landes.
Achtens. Die Hoheit des Gesetzes und die Gleichheit
aller gegenüber dem Gesetz.
Neuntens. Die Unzulässigkeit ausländischer militäri-
scher Präsenz in Syrien ohne Zustimmung der Regie-
rung.
Zehntens. Die Beendigung der Okkupation der Go-
lanhöhen.
Elftens. Die Aufhebung der gegen das syrische Volk
verhängten Sanktionen.
Das sind die elf Punkte.
Damit ist die Zeit auch erschöpft. Der Kollege
Gehrcke hat aber noch eine Zusatzfrage.
Ich finde, Herr Staatsminister, das, was dort in Mos-
kau erarbeitet worden ist, ist ein recht vernünftiges Pro-
gramm. Ein ähnliches Programm ist jetzt auch in Kairo
auf einer Konferenz erarbeitet worden. Kann das die
Bundesregierung nicht auch ihrerseits als Vorlage gegen-
über dem Vertreter der Vereinten Nationen nehmen,
wenn es darum geht, die Unterstützung Deutschlands für
eine nicht gewaltsame Lösung der Syrienfrage, soweit es
überhaupt möglich ist, aktiver zu betreiben? Syrien ver-
schwindet aus den Schlagzeilen, auch aus unserer Poli-
tik. Das darf nicht sein.
Ich habe schon eingangs deutlich gemacht, dass ers-tens jeder Beitrag, der den notwendigen politischen Pro-zess voranbringt, von uns erwünscht ist und dass wir ihnzweitens selbstverständlich auch unterstützen. Wir sind
Metadaten/Kopzeile:
7998 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Februar 2015
Staatsminister Michael Roth
(C)
aber ebenso der Auffassung, dass die gesamte Breite derOpposition Syriens einbezogen werden muss. Drittenssind wir der Auffassung, dass die zentralen Gesprächeunter dem Dach der Vereinten Nationen geführt werdensollen. Für uns bleibt das Kommuniqué von Genf dafürdie Grundlage. Wenn Russland einen konstruktiven Bei-trag zu leisten vermag, ist dieser willkommen.
Die Fragen 36 und 37 der Abgeordneten Sevim
Dağdelen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern auf. Die Frage 38 des Abgeordneten
Volker Beck wird schriftlich beantwortet.
Damit schließen wir auch die heutige Fragestunde.
– Ich habe jedenfalls keine Wortmeldung registriert.
– Wir treffen uns dann nach Schluss der Sitzung beinahe
unauffällig am Rande des Plenums.
Ich bedanke mich bei allen Anwesenden und berufe
die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf mor-
gen, Donnerstag, den 5. Februar 2015, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.