Gesamtes Protokol
Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Guten Tag, liebe Gäste! Guten Tag, liebe Regierung! Die
Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
eine amtliche Mitteilung machen. Interfraktionell ist ver-
einbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung
zur Gegenäußerung der Bundesregierung auf Drucksa-
che 18/1966 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines
Achten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes an den
federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirt-
schaft zu überweisen.
Des Weiteren soll der Entwurf eines Gesetzes zur
Stärkung der Tarifautonomie auf Drucksache 18/1558
dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie der
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung
von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auf den
Drucksachen 18/1309 und 18/1576 dem Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft sowie dem Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur
Mitberatung überwiesen werden.
Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? – Ich
höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
schlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zu
dem Vertrag vom 14. April 2014 zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und der Weltgemeinschaft
Reformierter Kirchen.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern, Dr. Günter Krings. – Herr Krings,
Sie haben das Wort.
D
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-ten Damen und Herren! Ich freue mich, dass das Bun-deskabinett heute den vom Bundesminister des Innernvorgelegten Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 14. April2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und derWeltgemeinschaft Reformierter Kirchen beschlossenhat. Mit dem Vertrag wird der Weltgemeinschaft Refor-mierter Kirchen, einer internationalen Dachorganisationvon derzeit 229 nationalen Kirchen in 108 Staaten mitrund 80 Millionen Gläubigen weltweit, die Umsiedlungvon ihrem bisherigen Sitz in Genf in der Schweiz nachHannover und ihre künftige Arbeit in Deutschland er-leichtert.Allein in Deutschland zählen zu den Mitgliedern die-ser Weltgemeinschaft die Evangelisch-reformierte Kir-che mit Sitz in Leer, Ostfriesland, die Lippische Landes-kirche mit Sitz in Detmold, die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen mit Sitz in derGrafschaft Bentheim sowie der Reformierte Bund mitSitz in Hannover. Der Reformierte Bund wiederum ver-tritt eine Vielzahl von einzelnen unierten und reformier-ten Gemeinden, vor allem die unierten Landeskirchender EKD in Deutschland.Zu den Aufgaben des internationalen Dachverbandesgehört unter anderem die Pflege des ökumenischen undinterreligiösen Dialogs, die Erörterung theologischerFragen sowie Missionsarbeit weltweit, bei der die wirt-schaftliche und soziale Gerechtigkeit und die Bewah-rung der Schöpfung im Mittelpunkt stehen. Ich möchtenoch anmerken, dass eine Vielzahl bzw. wohl die großeMehrheit der Mitgliedskirchen und der vertretenen Gläu-bigen eher auf der Südhalbkugel und weniger in Europazu finden sind.Das Exekutivkomitee der Weltgemeinschaft Refor-mierter Kirchen hat bereits im November 2012 entschie-den, seinen Sitz, den es lange in Genf hatte, nach Hanno-ver zu verlegen. Die Evangelisch-reformierte Kirche undder Reformierte Bund in Deutschland haben sich um die-sen Sitz beworben. Die niedersächsische Hauptstadtliegt in unmittelbarer Nähe zur Evangelisch-reformiertenKirche und zur Lippischen Landeskirche, beides Mit-gliedskirchen der Weltgemeinschaft. Außerdem habender Reformierte Bund, die Union Evangelischer Kirchenund die Evangelische Kirche in Deutschland, EKD, be-
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reits seit längerem ihren Sitz in Hannover, sodass bereitsheute von einem Zentrum des Protestantismus inDeutschland gesprochen werden kann. Bei dieser kon-kreten Umsiedlungsfrage zeigte die niedersächsischeLandesregierung unter dem damaligen Ministerpräsiden-ten David McAllister großen Einsatz.Die Bundesregierung begrüßt daher ausdrücklich dieAnsiedlung der Weltgemeinschaft in Hannover. Die Ent-scheidung unterstreicht das positive Verhältnis von Staatund Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, dasauch international Anerkennung findet. Die Bundesre-gierung würde es begrüßen, wenn auch andere kirchlicheinternationale Organisationen in nächster Zeit ihren Sitznach Deutschland verlagerten. Wir würden sie genausowillkommen heißen, wenn sie diesem Beispiel folgenwollen.
– Es müssen nicht gleich alle kommen, Herr Beck. Eskönnen manche auch in anderen Städten bleiben. Aberwir freuen uns über alle, die kommen.Da es bisher noch keine allgemeine gesetzliche Rege-lung über die Ansiedlung von Nichtregierungsorganisa-tionen in Deutschland gibt – ein Gaststaatgesetz ist nochnicht in Kraft –, war es erforderlich, mit der Weltge-meinschaft Reformierter Kirchen einen Vertrag zuschließen, der der Organisation, ihren ausländischenAmtsträgern, Beschäftigten und Gästen bestimmte Son-derrechte einräumt.Die niedersächsische Landesregierung hat im Vorfeldder Vertragsverhandlungen der Weltgemeinschaft alsReligionsgemeinschaft auf ihren Antrag hin den Statuseiner Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Arti-kel 140 unseres Grundgesetzes in Verbindung mit Arti-kel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassungverliehen. Besondere Privilegien, die normalerweise mitdiesem Status verbunden sind, zum Beispiel Steuern vonihren Mitgliedern zu erheben, können von der Weltge-meinschaft als internationaler Dachorganisation prak-tisch nicht genutzt werden.Daher waren bestimmte Erleichterungen für die Nie-derlassung der Weltgemeinschaft und ihre ausländischenBeschäftigten und eingeladenen Gäste zwingend im Ver-trag mit der Bundesrepublik zu regeln. Dazu gehören diekostenlose und zügige Erteilung von Visa für die auslän-dischen Beschäftigten und Gäste der Weltgemeinschaft,die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitelsfür die ausländischen Beschäftigten und ihre unmittelba-ren Angehörigen, der Zugang der unmittelbaren Ange-hörigen zum deutschen Arbeitsmarkt, die von Zöllenund Steuern freie Einfuhr von Möbeln und persönlicherHabe der Beschäftigten, die Erteilung von Sonderaus-weisen durch das Auswärtige Amt und der Zugang zurgesetzlichen Krankenversicherung.Der Vertrag, der sich damit auf Gegenstände bezieht,deren Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten ist, zumBeispiel beim Aufenthaltsgesetz und beim Fünften BuchSozialgesetzbuch, bedarf für sein Inkrafttreten noch derZustimmung des Deutschen Bundestages in Form einesGesetzes, eines Vertragsgesetzes. Ich hoffe, dass alleFraktionen des Bundestages diesen Vertrag nun wohl-wollend prüfen und er zügig ratifiziert werden kann.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Krings. – Ich bitte, zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den so-
eben berichtet wurde. – Volker Beck hat das Wort für
Bündnis 90/Die Grünen.
Man sieht an der regen Beteiligung des Plenums, dass
es sich um kein strittiges Projekt der Bundesregierung
handelt. Man muss sich manchmal fragen, ob die Befra-
gung der Bundesregierung nicht eher für die kontrover-
sen Themen in diesem Hause genutzt werden sollte, in
dem Sinne, dass die Bundesregierung uns von ihrer Poli-
tik überzeugt, wenn wir das noch nicht sein sollten.
Ich habe trotzdem zwei Fragen zu dem Vertragsge-
setz. Im Vorfeld dieser Entscheidung hat der Staatsmi-
nister von Klaeden – er ist uns abhandengekommen und
ist jetzt in der Wirtschaft tätig – Unterstützung der Welt-
gemeinschaft Reformierter Kirchen für den Umzug von
Genf nach Hannover zugesichert. Ich möchte wissen,
welche Unterstützungsmaßnahmen, die jetzt nicht im
Vertrag kodifiziert sind, die Bundesregierung mit der
Weltgemeinschaft erörtert hat und was daraus geworden
ist.
Ein Satz in der Begründung des Vertragstextes hat
mich etwas irritiert. Es wird davon gesprochen, dass der
Vertrag keine Präzedenzwirkung für andere Nichtregie-
rungsorganisationen entfaltet. Es gibt, wie Sie wissen,
eine Diskussion über die Ansiedlung von internationalen
Nichtregierungsorganisationen in der Bundesstadt Bonn.
Das ist Ziel der Bundesregierung und des Bundestages.
Ich verstehe nicht, warum man in einem möglichen Ge-
setz ausschließt, für internationale Organisationen ähnli-
che Regelungen anzubieten, damit die Bundesstadt Bonn
neben Standort für internationale Organisationen der
Vereinten Nationen auch Standort für Organisationen der
Zivilgesellschaft sein kann.
Herr Dr. Krings.
D
Ich beantworte die beiden Fragen gerne. – Wir allewürden uns freuen, wenn sich aufgrund der Tatsache,dass dort schon Einrichtungen vorhanden sind, in Bonn– nicht nur dort, aber gerade auch dort – weitere Nicht-regierungsorganisationen ansiedeln würden – egal, obkirchlich oder nicht kirchlich; beides ist willkommen.Unter dem Stichwort „Präzedenzwirkung“ haben wirdeutlich darauf hingewiesen, dass die Schließung einesVertrages in einer solchen Form zwischen der Weltge-meinschaft Reformierter Kirchen einerseits und der Bun-
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desrepublik andererseits an die Voraussetzung geknüpftwar, dass die Weltgemeinschaft vorher durch das LandNiedersachsen den Status einer Körperschaft des öffent-lichen Rechts verliehen bekommen hat. Nur so konnteman einen Vertrag abschließen, der zwar kein völker-rechtlicher Vertrag ist, aber ein Vertrag sui generis, derTeilelemente enthält, die sonst in völkerrechtlichen Ver-trägen zu finden sind.Beispielsweise habe ich mich dafür eingesetzt – wirhaben es auch so gemacht –, den Vertrag, anders als insolchen Fällen sonst üblich, als Geste gegenüber derWeltgemeinschaft in zwei Sprachen, Deutsch und Eng-lisch, verbindlich vorzulegen; denn die Verhandlungs-partner sprechen vorwiegend Englisch und sollen denVertrag in dieser Sprache erhalten. Auch dafür gab eskeinen Präzedenzfall. Insofern ist es ein besonderesKonstrukt, das aber an den Status einer Körperschaft desöffentlichen Rechts anknüpft. Dieser Körperschaftssta-tus basiert auf der übergeleiteten Vorschrift aus der Wei-marer Reichsverfassung; ihn bekommen eben nur Reli-gionsgemeinschaften. Insoweit sprechen wir von einerfehlenden Präzedenzwirkung.Ich habe eben das Stichwort „Gaststaatgesetz“ ge-nannt. Es ist natürlich denkbar, ein allgemeines Gesetzfür Organisationen zu schaffen, also nicht die Form einesVertragsgesetzes zu wählen. Da ist der Entscheidungs-prozess noch nicht abgeschlossen; es wäre – ohne dajetzt mehr sagen zu wollen – jedenfalls denkbar.Bei der anderen Frage ging es um Vergünstigungenund Privilegien. Die gewährten Vergünstigungen undPrivilegien finden sich im Vertrag: die Möglichkeit einereinfachen Einreise und des Beitritts zu den gesetzlichenKrankenversicherungen. Das sind die wesentlichenDinge, um die es ging.Es gab weiterhin die Frage, ob man den Bedienstetennicht auch eine umfassende Einkommensteuerfreiheitgewähren sollte. Das ist nicht üblich, und wir haben sieauch nicht eingeräumt. Insofern gibt es außerhalb der imVertrag aufgeführten Vergünstigungen keine weiterenBevorzugungen und Privilegien.In der Praxis gab es natürlich schon vorher Hilfen; be-stimmte Dinge wie eine vereinfachte Einreise konntenbereits vor Inkrafttreten des Vertrages in Teilbereichengeregelt werden. Natürlich wird auf der Arbeitsebeneversucht, alles, was unterhalb der Schwelle einer gesetz-lichen Änderung möglich ist, auch möglich zu machen.
Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Sie haben jetzt ein
bisschen länger antworten können, weil Volker Beck
länger gefragt hat. Das ist doch eine ganz pazifistische
Waffengleichheit.
Gibt es weitere Fragen zum Themenbereich, über den
Dr. Krings berichtet hat? – Da sehe ich keine weiteren
Fragen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen
Kabinettssitzung? – Gut, wiederum Volker Beck.
Ich habe keine Frage zur heutigen Kabinettssitzung,
sondern zum Kabinett und zur Politik der Bundesregie-
rung im Allgemeinen; auch das ist in der Geschäftsord-
nung vorgesehen. Dazu frage ich das Bundeskanzleramt.
Ich möchte gerne wissen, an welchen Entscheidungen
über Rüstungsexporte der ehemalige Bundesminister
Niebel bezogen auf die Firma Rheinmetall beteiligt war.
Falls Sie das heute nicht beantworten können, wäre ich
– es unterliegt nicht mehr der Geheimhaltungsbedürftig-
keit, weil es zwangsläufig die letzte Legislaturperiode
betrifft – für eine schriftliche Nachunterrichtung dank-
bar.
Das Wort hat das Bundeskanzleramt.
D
Sehr geehrter Herr Kollege, das Bundeskanzleramt
war in Niebels Entscheidung nicht eingebunden. Sofern
sich Bundesminister an die Bundesregierung in einer
solchen Angelegenheit wenden, ist unsere Grundsatzhal-
tung immer klar: Wir erwarten sinnvollerweise, dass es
nach der Wahrnehmung eines Bundesministeramtes zu
einer Karenzzeit von mindestens einem Jahr kommt.
Wenn sie eingehalten wird, dann ist es nicht die Aufgabe
der Bundesregierung, solche Dinge entweder rechtlich
oder moralisch zu bewerten.
Ihre Rückfrage, Herr Beck.
Nach der Karenzzeit habe ich gar nicht gefragt. Ich
fände es gut, wenn die Bundesregierung endlich eine
entsprechende Regelung im Bundesministergesetz einfü-
gen würde, damit wir ein Verfahren analog zu dem der
Europäischen Union hätten.
Aber das war gar nicht Gegenstand meiner Frage.
Deshalb wiederhole ich meine Frage: An welchen und
wie vielen Entscheidungen bezüglich Rheinmetall war
der ehemalige Bundesminister Niebel, Mitglied des
Bundessicherheitsrates, beteiligt? Diese Informationen
unterliegen nicht mehr der Geheimhaltung, weil die Vor-
gänge der Vergangenheit angehören und erledigt sind.
Darf ich Sie darüber informieren, dass das Bundeskanz-
leramt selbstverständlich durch die Bundeskanzlerin im
Bundessicherheitsrat vertreten ist? Früher war es durch
den Bundeskanzler im Bundessicherheitsrat vertreten.
Das Bundeskanzleramt, bitte.
D
Das ist korrekt. – Die Frage in Bezug auf die Ent-scheidungen werde ich schriftlich beantworten. Aber wirmüssen natürlich sehr genau prüfen, was wir öffentlichbeantworten können.
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Staatsminister Dr. Helge Braun
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Danke schön. – Nächste Fragestellerin ist Katja Keul,
Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. – Einen Teil meiner Frage hat der Kol-
lege Beck schon vorweggenommen. Mir wäre neu gewe-
sen, wenn das Bundeskanzleramt nicht mehr im Bundes-
sicherheitsrat sitzen würde. Ich habe Sie jetzt aber so
verstanden, dass das Bundeskanzleramt nach wie vor im
Bundessicherheitsrat vertreten ist; vielleicht können Sie
das noch einmal bestätigen.
Meine andere Frage ist: Wann ist mit der Vorlage des
schon sehr lange angekündigten Gesetzentwurfs über die
Karenzzeit zu rechnen?
Wieder das Bundeskanzleramt.
D
Das Protokoll wird es ausweisen: Ich habe hier nicht
das Gerücht in die Welt gesetzt, das Kanzleramt sei nicht
mehr im Bundessicherheitsrat vertreten. Eine weiter ge-
hende Antwort erübrigt sich also.
Zum Thema Karenzzeit kann ich Ihnen so viel sagen:
Die Bundesregierung hat keinerlei Zeitplan oder Ähnli-
ches beschlossen.
Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung oder
sonstige Fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen? –
Dem ist nicht so.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Fra-
gestunde um 13.35 Uhr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sit-
zung wieder.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/1920
Die Frage 65 des Kollegen Oliver Krischer wurde
durch die Bundesregierung nachträglich dem Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-
schutz, Bau und Reaktorsicherheit zugeordnet und wird
nach Frage 45 aufgerufen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Zur Beantwortung ist Frau Professor Dr. Maria
Böhmer anwesend, die ich herzlich begrüße.
Frage 1 der Abgeordneten Katrin Kunert wird schrift-
lich beantwortet. Frage 2 des Kollegen Omid Nouripour
wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Jetzt kommen wir zur Frage 3 des Abgeordneten
Andrej Hunko:
Welche einzelnen „Fragen zu einer möglichen Beteiligung
deutscher Standorte der US-Streitkräfte bei Einsätzen von un-
bemannten Flugzeugen“ hat die Bundesregierung an die US-
welchem Grund geht die Bundesregierung trotz der 13-mona-
tigen Nichtbeantwortung ähnlicher Fragenkataloge des Bun-
desministeriums des Innern und des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz davon aus, dass tatsächlich
Antworten eingehen, bzw. auf welche Weise wird sie entspre-
chenden, auch politischen Druck ausüben?
Frau Dr. Böhmer.
D
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter
Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Das Auswärtige Amt hat der Botschaft der Verei-
nigten Staaten von Amerika in Berlin im April 2014 Fra-
gen zu einer möglichen Beteiligung des US Africa Com-
mand und dessen Luftstreitkräftekommando in Ramstein
an Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge übermittelt.
Am 11. Juni 2014 erinnerte das Auswärtige Amt Vertre-
ter von AFRICOM an die Beantwortung der Fragen.
AFRICOM stellte die Beantwortung innerhalb weniger
Wochen in Aussicht.
Danke, Frau Böhmer. – Herr Hunko hat die Möglich-
keit, nachzufragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau
Professor Böhmer.
Ich will noch einmal erläutern, worum es geht. Es gibt
die Debatte um die Beteiligung deutscher Standorte der
US-Streitkräfte, zum Beispiel Ramstein, am US-Droh-
nenkrieg. Wir haben schon über einen längeren Zeitraum
immer wieder Fragen dazu gestellt. Die Antworten, die
wir bekommen haben, sind immer den Fragen ausgewi-
chen. So wurde gesagt, von Ramstein aus würden keine
Drohnen fliegen. Das hatte aber niemand gefragt, son-
dern die Frage ist: Inwiefern sind die Standorte Teil des
US-Drohnenkrieges? Jetzt haben Sie geantwortet, Sie
hätten die US-Seite konkret befragt. Offenbar gibt es
noch keine Antwort; die soll in den nächsten Wochen
kommen. Wir werden dann auch nachfragen. Aber viel-
leicht noch mal die Frage: Rechnen Sie mit einer konkre-
ten Antwort innerhalb der nächsten Wochen?
D
Ja.
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Das ist ja schon einmal eine erfreulich klare Antwort.
Danke. – Dann haben Sie jetzt die zweite Möglich-
keit, nachzufragen, wenn Sie mögen.
Das reicht mir erst mal. Wir werden dann, wenn die
Antwort da ist, noch einmal entsprechend nachfragen. –
Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Frau Böhmer.
Die Fragen 4 und 5 der Kollegin Inge Höger und die
Frage 6 der Kollegin Sevim Dağdelen werden schriftlich
beantwortet.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern.
Die Frage 7 der Kollegin Sevim Dağdelen, die Frage 8
des Kollegen Volker Beck und die Frage 9 des Kollegen
Dr. Konstantin von Notz werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zur Frage 10 der Abgeordneten
Ulla Jelpke. – Sie ist nicht da. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Ich begrüße Christian Lange für die Bundesregierung.
Wir kommen zur Frage 11 der Kollegin Renate
Künast:
Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante
Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ha-
ben?
C
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte die
Frage gerne wie folgt: Die Verhandlungen haben erst be-
gonnen. Die Auswirkungen des sogenannten TiSA-Ab-
kommens werden nach dem vorläufigen Stand der Ver-
handlungen im Bereich des Bundesministeriums der
Justiz und für Verbraucherschutz voraussichtlich nicht
über die bestehenden Verpflichtungen aus dem General
Agreement on Trade in Services, GATS, hinausgehen.
Frau Künast.
Das hört sich ja gut an, Herr Staatssekretär; gleich-
wohl muss man sich dann fragen, wozu eigentlich ver-
handelt wird, wenn dabei am Ende keine Veränderung
herauskommt.
Es geht bei TiSA bekanntlich um Negativlisten. Die
Frage, die ich stellen möchte, ist jetzt: Welche Kriterien
muss zum Beispiel jemand im Dienstleistungsbereich er-
füllen, um seine Aufnahme in einer Negativliste tatsäch-
lich zu erreichen? Da muss ja irgendeine Regelung her-
beigeführt werden.
C
Zunächst einmal kann ich nicht bestätigen, dass nichts
herauskommt. Ich kann hier aber nur Ausführungen zu
dem machen, was unser Haus betrifft, und ich sagte Ih-
nen bereits, dass unser Haus nach dem derzeitigen Stand
davon nicht betroffen ist.
Zu den Zielen gehört in der Tat auch, mehr Dienstleis-
tungsfreiheit für professionelle Beratungsdienstleistun-
gen, zum Beispiel für Anwälte, herzustellen. Für
Deutschland hat aber schon das GATS – ich nannte es
bereits: das Allgemeine Übereinkommen über den Han-
del mit Dienstleistungen – im Verhältnis zu den Partner-
staaten zu Freiheit im grenzüberschreitenden Dienstleis-
tungsverkehr – etwa die Beratung auf dem Gebiet des
jeweiligen nationalen Rechts – im Rahmen der bestehen-
den Zulassungsprüfungen geführt. TiSA wird nach heu-
tigem Stand nicht darüber hinausgehen.
Frau Künast, wenn Sie mögen, haben Sie eine weitere
Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Ja, ich habe noch eine Nachfrage, die sich auf die
Wahrung von Grundrechten und die Daseinsvorsorge be-
zieht. Beschäftigt sich das Justizministerium auch aktiv
mit der Frage, ob TiSA Auswirkungen auf Kosten, zum
Beispiel der Bedarfssicherung, der Wasserversorgung
usw., haben kann? Das alles sind ja Dienstleistungsberei-
che.
Ich gehe einmal davon aus, dass auch das Justiz- und
Verbraucherministerium ein Interesse daran hat, dass es
hier international nicht zu einem Mehr an Dienstleis-
tungsfreiheit kommt und dabei für den Endverbraucher
eine enorme Kostensteigerung entsteht. Wir haben in
Deutschland erlebt, welche Auswirkungen das haben
kann. Denken Sie nur einmal an die deutsche Einheit
und an die Verträge, die in den neuen Bundesländern ab-
geschlossen wurden, an die Art der Liberalisierung und
der Umsetzung; die Menschen haben sich später diesbe-
züglich die Haare gerauft. Das hatte durchaus auch so-
ziale Auswirkungen. Ich gehe davon aus, dass sich das
BMJV auch mit dieser Frage beschäftigt. Hier würde
mich interessieren, was Sie aktiv in diese Verhandlungen
einbringen.
C
Wir beteiligen uns in der Tat aktiv. Zunächst will ichdazu aber sagen, dass sowohl der öffentliche Dienst alsauch die Justiz selbst nicht betroffen sind.Spezielle Vorschriften des Datenschutzes und desVerbraucherschutzes – Letzteres hatten Sie ja angespro-chen – sind nicht im TiSA-Verhandlungspaket enthalten.Die Bundesregierung wird sich aber trotzdem gegen jeg-liche negativen Auswirkungen auf die Schutzbereicheder Bürgerinnen und Bürger aussprechen, und sie tut dasbereits.
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Zusatzfrage von Frau Dröge, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Nachfrage zu
stellen. – Ich habe Ihre Antwort auf die Frage von Frau
Künast zu den Negativlisten nicht richtig verstanden.
Deswegen würde ich hier gerne noch einmal nachfragen.
Sowohl bei TTIP als auch bei CETA als auch bei
TiSA debattieren wir jetzt darüber, ob bei der Liberali-
sierung von Dienstleistungen mit einer Negativliste
– dann würde quasi alles, was nicht in dieser Negativ-
liste enthalten ist, liberalisiert – oder, umgekehrt, mit ei-
ner Positivliste gearbeitet wird. In dieser würden alle Be-
reiche beschrieben, die liberalisiert werden sollen; für
alle anderen Bereiche würden im Rahmen des Abkom-
mens dann erst einmal keine Regelungen getroffen.
Sie verstehen wahrscheinlich, was die unterschiedli-
chen Auswirkungen sind. Wenn zum Beispiel im Falle
einer Negativliste bestimmte Bereiche nicht erfasst wer-
den, fallen sie automatisch unter den Geltungsbereich
von TiSA.
Meine Frage ist: Welche Auffassung vertritt die Bun-
desregierung hier? Sollte es im Rahmen von TiSA eine
Negativliste geben, oder schließen Sie sich eher der Auf-
fassung von Bündnis 90/Die Grünen an, dass man, wenn
man über so etwas redet, eine Positivliste erstellen
sollte? Warum vertritt die Bundesregierung hier welche
Auffassung?
Christian Lange, bitte.
C
Frau Kollegin, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass
ich hier nur über die Dinge Auskunft geben kann, die in
den Ressortbereich des Bundesministeriums der Justiz
und für Verbraucherschutz fallen. Die Antwort auf diese
Frage obliegt nicht unserem Hause, und ich bitte Sie des-
halb, sie an das zuständige Haus zu richten.
Vielen Dank, Herr Kollege Lange.Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Tabea Rößnerwerden schriftlich beantwortet.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums der Finanzen.Die Fragen 14 und 15 der Kollegin SusannaKarawanskij, die Fragen 16 und 17 des KollegenDr. Axel Troost, die Fragen 18 und 19 der KolleginVeronika Bellmann, die Fragen 20 und 21 des KollegenRichard Pitterle und die Frage 22 der Kollegin BrittaHaßelmann werden schriftlich beantwortet.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Arbeit und Soziales.Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Johannes Sellewerden nicht beantwortet, weil der Fragesteller nichthier ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnungvorgesehen.Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Brigitte Pothmer,die Fragen 27 und 28 des Kollegen Markus Kurth unddie Fragen 29 und 30 der Kollegin Sabine Zimmermannwerden schriftlich beantwortet.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.Die Frage 31 der Kollegin Bärbel Höhn wird schrift-lich beantwortet.Nun sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Verteidigung.Die Fragen 32 und 33 der Kollegin AgnieszkaBrugger werden schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.Frau Ferner steht zur Beantwortung zur Verfügung.Die Abgeordnete Dr. Franziska Brantner, die die Frage 34gestellt hat, ist aber nicht anwesend. Das heißt, es wirdkeine Antwort von Frau Ferner geben. Es wird verfah-ren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Gesundheit.Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Maria Klein-Schmeink werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 37und 38 des Kollegen Dr. Harald Terpe werden schriftlichbeantwortet.Wir kommen zur Frage 39 der Kollegin KordulaSchulz-Asche. Auch diese Kollegin ist nicht da. Dasheißt, auch diese Frage wird nicht beantwortet. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Das finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen komisch;denn die Regierung bereitet sich auf die Beantwortungder Fragen vor. Ich finde, dass die Fragesteller und Fra-gestellerinnen anwesend sein sollten oder rechtzeitig Be-scheid sagen sollten, dass ihre Frage schriftlich zu beant-worten ist.Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.Frau Dorothee Bär freut sich schon auf die Beantwor-tung der Fragen. Sie wird aber nicht antworten können,weil auch die Kollegin Steffi Lemke, die Frage 40 ge-stellt hat, nicht da ist und auch nicht um eine schriftlicheBeantwortung gebeten hat. Es wird verfahren, wie in derGeschäftsordnung vorgesehen.Genauso ist es mit der Frage 41 des KollegenMatthias Gastel: Auch er ist nicht anwesend. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. –Frau Bär, Sie müssen also keine Fragen beantworten.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-torsicherheit. Florian Pronold steht zur Beantwortungzur Verfügung. Herzlich willkommen!
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Vizepräsidentin Claudia Roth
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Die Fragen 42 und 43 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl sind schriftlich zu beantworten.Bei der Frage 44 der Abgeordneten Dr. JuliaVerlinden gilt das Gleiche wie vorhin: Sie ist nicht da. Eswird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-hen. – Das tut mir wirklich leid. Dafür möchte ich michbei Ihnen, Herr Pronold, entschuldigen. Sie brauchen dieFrage also nicht zu beantworten.Wir kommen zur Frage 45 des Abgeordneten OliverKrischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. –Das geht wirklich nicht.
– Dann kann man das aber rechtzeitig mitteilen.Wir kommen zur Frage 65 des Abgeordneten OliverKrischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da, warumauch immer. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsord-nung vorgesehen. – Herr Pronold, Sie brauchen keineAntwort zu geben.Die Frage 46 der Kollegin Britta Haßelmann sowiedie Fragen 47 und 48 des Kollegen Dr. André Hahn wer-den schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Bildung und Forschung.Die Frage 49 des Kollegen Kai Gehring wird schrift-lich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung.Die Frage 50 des Kollegen Uwe Kekeritz wirdschriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-lerin und des Bundeskanzleramtes.Klaus-Dieter Fritsche steht zur Beantwortung zurVerfügung. Aber Hans-Christian Ströbele, der die Fra-gen 51 und 52 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Die Frage 53 des Kollegen Andrej Hunko wirdschriftlich beantwortet. Auch bei der Frage 54 der Kolle-gin Ulle Schauws ist schriftliche Beantwortung bean-tragt worden.Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Energie. KolleginGleicke steht zur Beantwortung zur Verfügung.Die Frage 55 der Kollegin Bärbel Höhn wird schrift-lich beantwortet. Auch die Fragen 56 und 57 des Kolle-gen Klaus Ernst werden schriftlich beantwortet.Frau Gleicke darf tatsächlich noch antworten; denndie nächste Fragestellerin ist anwesend.
Ich rufe die Frage 58 der Kollegin Katharina Drögeauf:Hält die Bundesregierung eine öffentliche Debatte überdas geplante Dienstleistungsabkommen TiSA für notwendig,und wenn ja, was hat die Bundesregierung bisher unternom-men, um die Bundesbürgerinnen und -bürger über die Chan-cen, Risiken und Auswirkungen dieses Abkommens zu infor-mieren?Bitte, Iris Gleicke.I
Liebe Frau Kollegin Dröge, die Antwort auf Ihre
Frage lautet wie folgt: Über das geplante plurilaterale
Dienstleistungsabkommen TiSA wird eine öffentliche
Debatte geführt, die von der Bundesregierung begrüßt
wird. Die Bundesregierung hat über Ziele und Inhalte
der Verhandlungen den Bundestag, den Bundesrat, die
Länder und Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisa-
tionen sowie Wirtschaftsverbände in mehreren Informa-
tionsveranstaltungen informiert und wird dies auch wei-
terhin tun.
Darüber hinaus veranstaltet das Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie Workshops mit Vertretern aus
Wissenschaft und Gesellschaft, um die drängendsten
Fragen zu TiSA zu diskutieren. Zuletzt gab es dazu im
April 2013 eine Veranstaltung. Zudem stellt die Bundes-
regierung ausführliche Informationen auf der Homepage
des BMWi bereit.
Auch die EU-Kommission bemüht sich um Transpa-
renz und die Berücksichtigung der Interessen der Öffent-
lichkeit. So fand im September 2013 eine groß angelegte
öffentliche Konsultation statt. Auch das ist im Internet
nachzulesen. Die Adressen gebe ich Ihnen gerne weiter.
Eine Diskussion im Rahmen der Erstellung eines Trade
Sustainability Impact Assessment hat im Mai 2014 statt-
gefunden. Ausführliche Informationen stellt die EU-
Kommission auch auf ihrer Homepage bereit.
Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführli-che Antwort. Ich habe aber noch Nachfragen. Zum einenist die Frage: Wenn das alles so transparent ist, warumkönnen wir dann nicht zum Beispiel das Mandat für dieTiSA-Verhandlungen der Kommission öffentlich mit-einander diskutieren? Es wäre, glaube ich, für die Bevöl-kerung sehr wichtig, das zu wissen. Das Gleiche habenwir bei TTIP und CETA auch schon diskutiert.Das Zweite ist: Wenn man die Medienberichterstat-tung der letzten Woche verfolgt, dann sieht man, dasszumindest die amerikanische Seite die Position vertritt,dass nach Abschluss der TiSA-Verhandlungen die Ver-handlungsdokumente bis zu fünf Jahre Verschlusssacheund damit geheim bleiben sollen. Wie ist das zum einen
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Katharina Dröge
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mit unseren demokratischen Rechten im Parlament ver-einbar, aber zum anderen auch mit dem berechtigten In-teresse der Öffentlichkeit an den Inhalten dieser Ver-handlungen? Wie sieht die Bundesregierung das?Das Dritte ist: Sie haben zum Beispiel zu TTIP beimBMWi einen Beirat eingerichtet, um die Bevölkerung imDetail einzubinden. Haben Sie so etwas auch zu TiSAvor?
Bitte, Frau Gleicke.
I
Ich will noch einmal darstellen, dass wir eine andere
Situation haben als bei TTIP, weil die konsolidierten
Texte an uns übersandt werden. Das ist bei TTIP anders.
Das ist, wie Sie wissen, ein großes Ärgernis. Wir drän-
gen darauf, auch dazu die konsolidierten Verhandlungs-
texte zu bekommen.
Zu TiSA haben wir diese Texte, und sie sind auch bei
EuDoX im Deutschen Bundestag eingestellt. Insofern
kommen Sie an diese Dokumente heran.
Es gibt tatsächlich einen Unterschied, was die Trans-
parenz angeht. Wir führen – ich habe es schon dargestellt –
in regelmäßigen Abständen einiges an Workshops und
Veranstaltungen durch, damit wir uns auch mit den
NGOs, den Ländern, den Gewerkschaften und anderen
über TiSA und die damit verbundenen Probleme aus-
einandersetzen können.
Vielen herzlichen Dank. – Zusatzfrage von Katharina
Dröge.
Noch einmal zur Klarheit: Die Dokumente sollen
nach Vertragsabschluss fünf Jahre unter Verschluss blei-
ben. In den Medien wurde vor zwei Wochen berichtet,
dass die amerikanische Seite möchte: Nachdem TiSA
abgeschlossen ist, sollen die Dokumente fünf Jahre unter
Verschluss bleiben. Würde die Bundesregierung einem
solchen Verfahren zustimmen, ja oder nein?
I
Ich sage es noch einmal: Die konsolidierten Texte lie-
gen uns vor, und wir haben sie auch an den Bundestag
übersandt. Ich weiß nicht, was dabei unter Verschluss ist.
– Da muss ich jetzt passen. Wenn Sie an die Bereitstel-
lung der Texte für die Öffentlichkeit denken, muss ich
nachfragen. Ich bitte um Verständnis.
Vielen herzlichen Dank. – Dann kommen wir zur
Frage 59 der Kollegin Katharina Dröge:
Hielte die Bundesregierung es für hinnehmbar, wenn das
Dienstleistungsabkommen TiSA eine sogenannte Ratchet-
Klausel enthalten würde, die die Rekommunalisierung einmal
privatisierter Dienste rechtlich ausschließen könnte, und wie
wäre eine solche Klausel aus Sicht der Bundesregierung zu
bewerten?
I
Ratchet-Klauseln sollen nach Auffassung der Bundes-
regierung im TiSA-Abkommen nicht vorgesehen wer-
den, wenn dadurch künftige Rekommunalisierungen von
Dienstleistungen erschwert oder verhindert würden.
Frau Dröge, bitte.
Würde die Bundesregierung denn grundsätzlich der
Aufnahme einer Ratchet-Klausel in TiSA zustimmen
und, wenn ja, warum?
I
TiSA ist das Folgeabkommen des GATS-Abkommens
von 1995, und es betrifft eigentlich die Doha-Runde mit
160 Staaten. Nun haben sich 22 Mitglieder, darunter die
EU und Deutschland, zusammengefunden, diese Ver-
handlungen zu führen. Insofern findet das auf einer et-
was niedrigeren Ebene statt.
Bei der Ratchet-Klausel geht es darum, dass man be-
stimmte Sachverhalte, die erreicht worden sind, nicht
mehr rückgängig machen kann. Das heißt, wenn man be-
stimmte Bereiche, auf die sich das Abkommen bezieht,
zusätzlich aufnimmt, dann kann man dies nicht mehr
rückgängig machen. Das scheint mir durchaus sinnvoll
zu sein.
Wir werden aber ganz genau darauf achten, welche
Zugeständnisse wir gerade im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge machen, der eigentlich bei TiSA für
Deutschland und die EU schon im Mandat ausgeschlos-
sen ist. Deshalb muss man genau prüfen, auf welche der
einzelnen Bereiche bei TiSA sich eine solche Klausel
beziehen würde.
Frau Dröge, eine Zusatzfrage?
Eine Zusatzfrage hätte ich noch. – Frau Gleicke, Siehaben gerade gesagt, dass TiSA entstanden ist, weil esim Rahmen der Doha-Verhandlungen keine Fortschrittegibt. Nun ist TiSA ein Klub der Happy Few. Mit einemAnteil von 75 Prozent gilt das zwar nicht für den Bereichdes Welthandels. Aber sehr viele Länder auf der Welt,insbesondere die armen Länder in Afrika, sind bei denTiSA-Verhandlungen nicht dabei. Wenn man sich an-
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Katharina Dröge
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schaut, wie im Rahmen von GATS verhandelt wurde,dann stellt man fest, dass es immer ein Geben und Neh-men gab. Die Entwicklungsländer sollten im Bereich derLiberalisierung von Dienstleistungen Zugeständnissemachen. Dafür sollte es Zugeständnisse zugunsten derEntwicklungsländer im Bereich des Agrarsektors geben.Nun stellt sich die Frage: Warum will man nun einplurilaterales Abkommen wie TiSA schließen, bei demdie Entwicklungsländer gar nicht dabei sind? So lassensich keine Fortschritte bei den Zugeständnissen erzielen.Die Länder, die zusammen einen Anteil von 75 Prozentam Welthandel haben, verhandeln gemeinsam über einwirkungsmächtiges Abkommen, das den anderen Staa-ten nur die Möglichkeit lässt, beizutreten oder nicht bei-zutreten. Ist das nicht das Gegenteil von dem, was imZusammenhang mit GATS gedacht war, und schließt dasnicht gerade die Entwicklungsländer aus, für die wir alsIndustrienation insbesondere im Welthandel verantwort-lich sind?I
Wir wollen niemanden ausschließen. Während der
Verhandlungen gibt es im Übrigen nach wie vor Gesprä-
che und auch Signale – ich bitte um Verständnis, dass ich
darüber nicht genauer berichten darf –, dass weitere Län-
der den Verhandlungen beitreten. Wir befinden uns in ei-
nem relativ frühen Stadium. Insofern wird natürlich da-
rauf geachtet, dass weitere Länder hinzukommen, gerade
Schwellenländer und arme Länder, die durchaus Vorteile
durch solche Abkommen haben. Ich will darauf hinwei-
sen, dass wir auch andere Abkommen mit den betref-
fenden Ländern schließen, um auf bilateraler Ebene
Handelshemmnisse abzubauen und Möglichkeiten zu er-
öffnen.
Vielen Dank, Katharina Dröge. – Eine Zusatzfrage
von Renate Künast.
Da angesprochen wurde, wer an den Verhandlungen
teilnimmt und wer nicht, kann ich zu Ihren letzten Sät-
zen nur sagen: ein Schelm, wer Böses dabei denkt. –
Was halten Sie von der Einschätzung, dass Verhandlun-
gen wie die über TiSA nur das Ziel haben, die Doha-
Runde, die zwar Ende 2001 einen Verhandlungsrahmen
abgesteckt hat, aber bisher zu keinem Erfolg geführt und
nichts Wesentliches beschlossen hat, durch die Vielzahl
exklusiver Verhandlungen, an denen bestimmte Ent-
wicklungsländer gar nicht beteiligt sind, zu umgehen?
Warum komme ich darauf? Weil in der WTO-Runde die
nördlichen Länder bzw. die großen Industriestaaten ein
sehr großes Interesse daran hatten, ihre eigenen Agrarbe-
reiche nicht zu sehr durch Importe aus Schwellen- und
Entwicklungsländern zu belasten und einem schärferen
Wettbewerb auszusetzen. Umgekehrt wollten die Indus-
trieländer die große Freiheit zum Export von Dienstleis-
tungen rund um den Globus für sich erreichen. Daher ha-
ben sich diese Länder zusammengetan und das Ganze
gesperrt. Was halten Sie von der These, dass man das
durch all diese Verhandlungen umgeht und Fakten zum
Beispiel im Dienstleistungsbereich schafft und dass es
dann, wenn andere Staaten mitmachen wollen, heißt:
„Vogel, friss oder stirb; tretet dem bei!“? Damit hätte
man diese Staaten ausgetrickst, wenn es um die Schaf-
fung eines gerechten Welthandels geht.
Frau Gleicke, bitte.
I
Ich will sehr deutlich sagen, dass es nicht Ziel und In-
halt der TiSA-Verhandlungen ist, die öffentliche Da-
seinsvorsorge sozusagen zu privatisieren. Mir geht es
einfach darum, deutlich zu machen, dass es keinen Aus-
schluss gibt. Alle Staaten können sich an den Verhand-
lungen beteiligen. Es gibt weitere Fragen zu diesem
Thema. Wir sind sehr daran interessiert, dass gerade
Schwellenländer und arme Länder diesen Verhandlun-
gen beitreten, weil sie zum Beispiel von Marktöffnungen
profitieren würden. Dass es sich dabei immer um ein Ge-
ben und Nehmen handeln muss, ist richtig. Gleichwohl
verfahren wir hier genauso wie bei den Wirtschaftspart-
nerschaftsabkommen, die wir beispielsweise mit den
AKP-Staaten schließen. Insofern trifft uns Ihr Vorwurf
nicht. Wir sehen das Risiko. Gleichwohl versuchen wir,
andere Staaten an den Verhandlungen zu beteiligen.
Es ist nur eine Zusatzfrage möglich, Frau Künast. –
Deshalb kommen wir nun zu den nächsten Fragen.
Die Frage 60 des Abgeordneten Uwe Kekeritz, die
Frage 61 des Abgeordneten Dieter Janecek und die
Frage 62 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 63. Ich frage die Frage-
stellerin, die leibhaftig hier ist, aber angemeldet hat, sie
wolle die Frage schriftlich beantwortet haben: Möchten
Sie die Frage schriftlich oder mündlich beantwortet ha-
ben?
Mündlich.
Mündlich.Ich rufe die Frage 63 der Abgeordneten Steffi Lemkeauf:Mit welchem Ziel haben der Bundesminister für Wirt-schaft und Energie, Sigmar Gabriel, oder der Bundesministerder Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, in ihrer Rolle als– stellvertretende – Vorsitzende des KfW-Verwaltungsratesdie Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Austra-lien durch die KfW-Tochter IPEX im Rahmen ihrer Verwal-tungsratstätigkeit thematisiert, bzw. ist beabsichtigt, dies in ei-ner der nächsten Sitzungen zu tun – bitte begründen?Iris Gleicke, bitte.
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I
Liebe Kollegin Lemke, auf Ihre Frage antworte ich
wie folgt: Bei der Finanzierung des Kohlehafens Wig-
gins Islands in Australien handelt es sich um ein Markt-
geschäft der KfW-Tochter IPEX aus dem Jahr 2011.
Diese Marktgeschäfte führt die IPEX in eigenem Namen
und für eigene Rechnung durch. Die Gremien der KfW-
Mutter sind daher für den Vorgang nicht zuständig.
Vor diesem Hintergrund bestand zu keiner Zeit Anlass
seitens der KfW, den Verwaltungsrat über dieses Ge-
schäft zu informieren. Eine Thematisierung im Verwal-
tungsrat hat daher nicht stattgefunden. Die Bundesregie-
rung sieht keinen Grund dafür, den Verwaltungsrat mit
einem Vorgang, der ohnehin nicht in seine Zuständigkeit
fällt, drei Jahre nach Abschluss der Finanzierungsver-
träge zu beschäftigen. Sollte der Vorgang etwa im Rah-
men der heute Nachmittag stattfindenden Verwaltungs-
ratssitzung angesprochen werden, so wird die KfW
selbstverständlich zu dem Vorgang Auskunft geben.
Vielen Dank, Iris Gleicke. – Frau Lemke.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Nun ist die öf-
fentliche Diskussion über den Bau und die Finanzierung
von Kohlehäfen rund um das Great Barrier Reef in den
letzten Monaten eine andere geworden, zum einen durch
die Einschätzung der UNESCO, zum anderen durch den
Rückzug verschiedener Banken aus solchen Finanzie-
rungsgeschäften.
Ich habe Ihre Antwort und den Hinweis auf die for-
malen Zuständigkeiten sehr wohl verstanden. Aber es
gibt auch eine politische und eine gesellschaftspolitische
Verantwortung der Bundesregierung. Sehen Sie denn an-
derweitige Möglichkeiten, auf dieses Projekt und auf po-
tenziell weitere Projekte – sprich: Finanzierung generell
von Kohlehäfen in umweltsensiblen Gebieten – Einfluss
zu nehmen?
I
Sie wissen, dass es darum geht, dazu eine Position
auch der Bundesregierung zu finden und auch Einfluss
zu nehmen. Wir haben zugesagt, dass wir dem Parlament
im Herbst dazu den Bericht geben.
Frau Lemke, eine zweite Frage?
Nein, das ist mir für den Moment genug. Danke.
Danke schön. – Ich rufe die Frage 64 der Abgeordne-
ten Dr. Julia Verlinden auf:
Wann wird die Bundesregierung Vorschläge zur Änderung
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung
bergbaulicher Vorhaben – UVP-V Bergbau – vorlegen, und
sind weitere Änderungen am Bergrecht geplant?
Frau Gleicke, bitte.
I
Schönen Dank. – Liebe Frau Kollegin Verlinden, ich
antworte wie folgt: Konkrete Regelungen für Änderun-
gen der UVP-V Bergbau werden derzeit zwischen dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit beraten und sollen zeitnah finalisiert
werden. Daran schließt sich die Beteiligung der Länder
und Verbände an. Nach der Sommerpause wird die Bun-
desregierung voraussichtlich den entsprechenden Ver-
ordnungsentwurf beschließen.
Als weitere bergrechtliche Änderung ist geplant, das
Bergschadensrecht einschließlich der Bergschadensver-
mutung auf Tiefbohrungen und Untergrundspeicher zu
erstrecken sowie strengere bergrechtliche Anforderun-
gen an die Fracking-Technologie festzulegen und den
Umgang mit Flowback und Lagerstättenwasser nach
dem Stand der Technik festzulegen.
Frau Verlinden.
Vielen herzlichen Dank, Frau Gleicke. – Ich würde
gerne nachhaken. Sie sagen, es sollten in Zukunft stren-
gere bergrechtliche Anforderungen an die Fracking-
Technologie selbst eingeführt werden. Können Sie dazu
etwas konkreter werden? Es gibt Diskussionen darüber,
ob man zum Beispiel das Fracking bei Schiefergas aus-
schließen oder verbieten soll. Wie lauten dazu Ihre kon-
kreten Vorschläge, und vor allen Dingen für welche spe-
ziellen Lagerstätten würde das gelten?
I
Wir sind jetzt noch nicht so weit, dass wir die Auswir-
kungen lagerstättenscharf darstellen können. Wir sind im
Moment in der Ressortabstimmung. Ich verstehe Ihren
Fragewunsch, aber verstehen Sie bitte, dass wir während
laufender Verhandlungen zwischen den Ressorts keine
Einzelheiten veröffentlichen.
Haben Sie einen weiteren Fragewunsch? Sie haben
noch eine Frage frei.
Anfang Mai – das liegt schon eine Weile zurück – gabes einen Beschluss der Umweltministerkonferenz. Ichweiß, dass das nicht Ihr Haus betrifft, aber vielleicht gibtes eine Positionierung von Herrn Gabriel zu diesem Be-schluss, der damals einvernehmlich mit allen 16 Landes-umweltministern und Frau Hendricks getroffen wurde,bei dem es genau darum ging, im Schiefergas Frackingauszuschließen.Dürfte ich vielleicht noch eine zweite Frage damitverknüpfen, weil es die Zeit noch erlaubt?
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(C)
(B)
Mit Zustimmung der Frau Staatssekretärin, bitte.
Wenn es bei dieser Technologie darum geht, einzelne
Chemikalien auszuschließen: Wie konkret haben Sie
sich das vorgestellt? In welchen Gebieten würden von
Ihnen vielleicht unterschiedliche Anforderungen vorge-
sehen?
I
Frau Verlinden, das kann ich aus besagten Gründen
im Detail so jetzt nicht beantworten. Ich lasse Ihnen
gerne vom Ministerium schriftliche Informationen zur
Verfügung stellen.
Ob es eine Positionierung, so sage ich jetzt einmal,
des Bundesministers selbst gegeben hat, das weiß ich
jetzt nicht; es entzieht sich meiner Kenntnis.
Vielen Dank, Dr. Verlinden. – Jetzt hat Katharina
Dröge das Wort.
Erst einmal vielen Dank, dass auch ich eine Zusatz-
frage stellen darf. – Ich habe noch eine Frage zum Zeit-
plan. Ich habe einer Meldung von Focus Online vom
29. Juni 2014 entnommen, dass Herr Gabriel angekün-
digt hat, er werde Eckpunkte zum Thema Fracking noch
vor der Sommerpause ins Kabinett einbringen. Bald ist
ja Sommerpause; deswegen meine Frage an Sie: Wann
genau können wir mit diesen Eckpunkten rechnen?
I
Ich habe gerade gesagt: Wir sind derzeit dabei, diese
Eckpunkte mit den betroffenen Ressorts abzustimmen.
Daran schließt sich im Prinzip die Beteiligung der Län-
der und der Verbände an. Wir gehen daher davon aus,
dass wir den entsprechenden Beschluss nach der Som-
merpause im Kabinett fassen können.
Vielen herzlichen Dank. – Frage 65 des Abgeordneten
Oliver Krischer rufe ich nicht auf, da der Fragesteller
nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Ge-
schäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen jetzt zum Ende der Fragestunde, deut-
lich früher als eingeplant.
Ich möchte die Parlamentarischen Geschäftsführer
und Geschäftsführerinnen herzlich bitten, in ihren Frak-
tionen deutlich zu machen: Wenn Regierungsvertreter
und -vertreterinnen in die Fragestunde kommen, um Fra-
gen, die gestellt wurden, zu beantworten, dann ist es kein
angemessener Umgang, wenn die Fragesteller nicht an-
wesend sind, sofern nicht um eine schriftliche Antwort
gebeten wurde. Außerdem verkommt damit ein Stück
weit das wunderbare parlamentarische Mittel der Frage-
stunde. Ich bitte Sie daher herzlich, in Ihren Fraktionen
noch einmal deutlich darauf hinzuweisen, dass derje-
nige, der eine Frage stellt, in der Fragestunde auch im
Saal sein sollte, und zwar just in time. Herzlichen Dank!
Ich hoffe, Sie sind einverstanden, dass wir die Sitzung
jetzt bis 15.35 Uhr unterbrechen; es bleibt uns gar nichts
anderes übrig. Nach der Unterbrechung wird Zusatz-
punkt 1 der heutigen Tagesordnung aufgerufen: Verein-
barte Debatte zur „Bedrohung der regionalen Stabilität
durch das Vorgehen der ISIS-Truppen“.
Vielen Dank, liebe Kollegen und Kolleginnen, und
vielen Dank, liebe Vertreter und Vertreterinnen der Re-
gierung.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Vereinbarte Debatte
Bedrohung der regionalen Stabilität durch
das Vorgehen der ISIS-Truppen
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster
Redner Volker Kauder.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Seit Wochen erreichen uns dramatische Berichteaus dem Irak. Zunächst einmal haben wir alle gedacht, eshandele sich um eine vorübergehende, vielleicht auch re-gionale oder lokale Entwicklung. Aber sehr schnellwurde deutlich, dass es hier um mehr geht.Zunächst haben wir auch gedacht, es beschränke sichdarauf, dass unzufriedene Stammesfürsten und Stämmeim Irak die Regierung unter Druck setzen oder sie garnötigen wollen, die politische Zusammenarbeit zu verän-dern. Dann wurde jedoch immer deutlicher, dass es umwesentlich mehr geht, dass eine Gruppe von Leuten, diewir in ihrer Stärke gar nicht genau ausmachen können,zu einer bedrohlichen Destabilisierung im Irak und zu ei-ner bedrohlichen Destabilisierung in der ganzen Regionbewusst beiträgt.Nachdem zunächst einmal Ausgangspunkt war, dassdie Regierung in Bagdad starke Stämme, die der sunniti-schen Richtung des Islam angehören, bei der Ausübungvon Regierungsgewalt nicht berücksichtigt und dass siesich über diejenigen hinweggesetzt hat, die in Regionenim Irak Bedeutung haben, hat sich schnell herausgestellt,dass es darum geht, ganz neue Machtstrukturen zu schaf-fen, übrigens nicht nur Machtstrukturen zu schaffen,sondern mit diesen Machtstrukturen auch religiösen Ein-
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Volker Kauder
(C)
fluss auszuüben. Dies führt zu einer erheblichen Unruhein der Region Irak/Syrien/Türkei.Wenn da auf einmal ein Kalifat ausgerufen wird, wiewir hören, trägt dies zu einer erheblichen Unruhe in dergesamten islamischen Welt bei. Es gab gleich Wider-spruch von denjenigen im Islam, die sich von irgend-einem Kalifen in einer Region des Irak überhaupt nichtbevormunden lassen wollen. Daran sieht man, welchdramatische Entwicklung sich dort abspielt.Die Frage wird sein: Können wir mit politischenMöglichkeiten eingreifen? Kann es zu einem politischenDialog kommen? Wenn man sieht, mit welcher Brutalitätdiese Gruppe vorgeht, hat man erhebliche Zweifel undmuss sich fragen, ob nicht noch andere Möglichkeiten,Stoppschilder aufzustellen, erforderlich sind.Wenn man hört, was sich in den betroffenen Regionenim Irak abspielt, hat man zunächst die Hoffnung, eskönnte vielleicht doch anders gewesen sein. Aber dieBilder, die uns jetzt erreichen, zeigen, dass dort Men-schen abgeschlachtet werden, dass Kinder hingerichtetwerden und dass in den Regionen, in denen diese isla-mistische Gruppe Macht und Einfluss gewonnen hat, dieMenschen gezwungen werden, nach den Regeln derScharia zu leben. Christinnen werden unter Drohungenaufgefordert, sich ebenfalls zu verschleiern und die Ein-richtungen, die von den neuen Machthabern geschaffenwerden, aufzusuchen. Kinder werden gezwungen, in dieKoranschulen zu gehen. Es ist also eine Situation, dieuns mit großer Sorge erfüllt.Ich glaube, dass wir uns jetzt in der UNO sehr raschdarüber einig werden müssen, wie wir reagieren. Dennsonst führt diese Situation nicht nur zu einer Destabili-sierung in dieser Region, sondern kann sich zu einemmittleren Flächenbrand im Nahen Osten entwickeln. Wirhören, dass sich jetzt der Iran einschalten will; wir hören,dass zum Beispiel Saudi-Arabien Geld fließen lassenwill; vor allem hören wir, dass jetzt auch unter den sun-nitischen Gruppen Streit beginnt. Es wäre eine fataleBotschaft, wenn wir da nicht reagieren würden. Denndort werden nicht nur Christen bedroht, sondern dieExistenz von Tausenden von Menschen ist betroffen.Natürlich wird es die Türkei nicht unberührt lassen,wenn von einem selbstständigen Kurdistan gesprochenwird.Ich selber habe im Augenblick noch keine Vorstellungdavon, was politisch getan werden kann, und warne da-vor, vorschnell militärische Lösungen zu suchen. Ichmuss aber auch sagen: Diejenigen, die jeden Tag bedrohtsind und unter der Situation leiden, sehen die Dinge einbisschen anders. Der Verzicht, auch mit Gewalt Einhaltzu gebieten, betrifft ja nicht in erster Linie diejenigen,die das fordern, sondern der Verzicht geht auf Kosten derMenschen, die dort tagtäglich um ihr Leben fürchtenmüssen. Wir müssen an dieser Situation im Irak deutlichmachen, dass wir es nicht hinnehmen können, dass Ter-rorgruppen machen, was sie wollen.
Denn dies stiftet an und steckt an. Wenn in einer Regioneine Terrorgruppe erfolgreich aktiv sein kann, dann wirdes bald in anderen Regionen andere Gruppen geben, diedas ebenfalls tun.Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns ernsthaftund rasch darüber klar zu werden, wie wir zu einer Sta-bilisierung kommen können. Ich glaube, dass das nurgeht, indem wir der Ausbreitung dieser gewaltbereiten,menschenverachtenden Truppe rasch ein Ende setzen.Herzlichen Dank.
Wolfgang Gehrcke erhält als nächster Redner das
Wort.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Ich glaube, dasswir uns alle die Frage stellen müssen: Was ist eigentlichin den letzten Monaten im Irak und in Syrien passiert,dass sich ein solches Schreckensregime ausbreiten undmilitärisch solche Erfolge erreichen konnte? Das Gebiet,das von ISIS erobert worden ist, reicht von Aleppo bisweit in den Irak; mittlerweile ist ein Drittel des Iraks be-setzt worden. Ich habe mir die Bilder von der Militärpa-rade zur Ausrufung des Kalifats angeschaut. Natürlichhaben solche Bilder immer einen Propagandaeffekt.Aber bei der Parade wurden schwere Waffen vorgeführt,Panzer, Raketen, Haubitzen. Ich habe mir natürlich dieFrage gestellt: Wie kommt diese Truppe in den Besitzvon schweren Waffen?Ich weiß, dass der Irak unmittelbar davon bedroht ist,auseinanderzufallen, zu zerfallen. Über die Folgen – ge-rade wenn man die Geschichte kennt und weiß, dass dieGrenzen alle künstlich sind – müssen wir reden. Wird esein eigenständiges Kurdistan sein? Was wird die Türkeimachen, wenn sich so etwas formiert? Ich weiß, dasssich ISIS besonders gegen die Kurden richtet. WelcheAuswirkungen wird das auf Syrien haben?Mir scheint, Kolleginnen und Kollegen, dass mansich den Zauberlehrling von Goethe noch einmal vorAugen führen muss, auch im Westen: Ich rief die Geisterund werd sie nicht mehr los. – Wer hat diese Geister oderUngeister ISIS gerufen? Müssen wir uns nicht die Fragestellen, ob es stimmt oder nicht stimmt – ich behaupte,dass es stimmt –, dass die Türkei ISIS Unterschlupf ge-währt hat, wir hingegen in der Türkei Patriot-Raketenstationiert haben? Müssen wir uns nicht der Frage stel-len, ob Geld zur Waffenbeschaffung oder Waffen direktaus Saudi-Arabien und Katar geliefert worden sind? Essind enge Verbündete, auch unseres Landes, gewesen,die wir gefördert haben, denen wir Panzer verkauft ha-ben oder verkaufen wollen. Wenn wir diesen Fragen aus-weichen, weichen wir möglichen Gegenmaßnahmen erstrecht aus. Muss nicht eine Schlussfolgerung sein:Deutschland verkauft in Konfliktregionen absolut keineWaffen mehr?
Man muss den Waffenzustrom austrocknen.
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Wolfgang Gehrcke
(C)
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Ich habe mir noch einmal die Rede von CondoleezzaRice – seinerzeit Sicherheitsberaterin von Bush – ange-sehen, die sie nach dem Irakkrieg hielt. Herr Kauder, ichlese hin und wieder auch Ihre Erklärungen.
– Sie geben regelmäßig welche ab. Ich verspreche, dassich sie regelmäßig lesen werde, wenn ich sie bekom-me. – Ich will nur eines sagen: Ich finde, die USA sindabsolut ungeeignet, diese Situation militärisch zu klären.Andere Staaten mit anderen Einflussmöglichkeiten wä-ren geeigneter, um über die Politik Veränderungen her-beizuführen. Ich habe die Rede von Condoleezza Ricegelesen. Deutschland wäre zum Beispiel geeigneter,nicht militärisch, sondern politisch zur Lösung der Situa-tion beizutragen, weil Deutschland in Syrien und im Irakangesehener ist. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.Das ist einfach so. Hier muss man doch nicht auswei-chen. Condoleezza Rice sagte, sie habe im Irak die Ge-burtswehen eines neuen Nahen Ostens gesehen. Wenndas der neue Nahe Osten ist, dann kann man ahnen, wasuns blüht. Für mich ist das nicht der neue Nahe Osten.Ich möchte, dass mehr auf Verständigung gesetztwird. Natürlich muss man Maliki anhalten, mit dem sun-nitischen Bevölkerungsteil besser zusammenzuarbeiten.Aber Maliki war auch der Verbündete Deutschlands. Erwar der Verbündete der EU, er war der Verbündete derUSA. Das ist alles unter ihren Augen und teilweise mitBilligung geschehen. Ich möchte, dass umgesteuertwird. Zum Umsteuern gehört für mich ein Bündnis dersäkularen Kräfte in der Region, ein Bündnis, das Assadnicht ausschließt. Herr Kauder, die Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt plötzlich vernünftigerweise darüber.Warum debattieren wir nicht darüber? Ohne eine Lösungdes Syrien-Konfliktes werden Sie die Probleme im Iraknicht lösen können. Sie sind miteinander verbunden.
Ich möchte, dass über Verhandlungen gesprochenwird. Ich möchte, dass Deutschland eine andere Syrien-Politik betreibt. Ich möchte, dass wir den Flüchtlingenwirklich helfen. Es ist unverantwortlich, dass wir nichtin der Lage sind, rasch Flüchtlinge aus der Region auf-zunehmen. All das geht nicht. Mit Politik kann man Pro-bleme lösen. Ein neuer Irakkrieg wird die Problemenicht lösen, sondern dann werden wir die Islamisten inder Region nur noch stärker machen. Das möchte ichnicht. Auch aus diesem Grunde bin ich gegen einenneuen Irakkrieg und gegen ein militärisches Eingreifender USA.
– Dass ich das bei einer Rede, die ich halte, von HerrnKauder hören darf: „Völlig richtig!“
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Das musste ich am Schluss wiederholen.
Danke sehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner
hat Niels Annen das Wort.
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damenund Herren! Lieber Kollege Gehrcke, Ihre Sehnsuchtnach einer einfachen Lösung ist Ihnen geradezu anzuhö-ren gewesen; aber die gibt es nicht. Ich glaube, wir sinduns einig: Wir haben keine einfache Antwort auf die Si-tuation, mit Sicherheit keine militärische Antwort.
Ich will einen Punkt aufgreifen. Sie haben gesagt: Wirbrauchen jetzt ein Bündnis, das die säkularen Kräfte– Sie haben Herrn Assad explizit erwähnt – mit einbe-zieht. Ich glaube, wir müssen alle Kräfte, die dort eineRolle spielen, mit einbeziehen; dazu gehören HerrAssad, der Iran, die Nachbarländer, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Das ist auch meine Meinung. Nur:Sie erwecken hier den Eindruck, als ob der Vormarsch,mit dem wir alle konfrontiert sind, und seine Wucht, dieuns schockiert hat, nichts mit Assad zu tun hätte. Aberdie Wahrheit ist auch: Präsident Assad trägt einen gro-ßen Teil der Verantwortung für diese Krise.
Die ISIS-Führer sind zum Teil von ihm aus dem Gefäng-nis entlassen worden. Wenn man die Situation beobach-tet und Berichte liest, fällt auf, dass es so gut wie keineKämpfe zwischen Assads Truppen und ISIS gibt. Dasheißt, es ist ein zynisches Kalkül der Regierung in Da-maskus, sich selber als die einzige säkulare Alternativein der Region darzustellen, auch auf Kosten der Men-schen. Insofern gibt es auch hier keine einfache Antwort,Herr Kollege Gehrcke.ISIS ist in der Tat hochmotiviert, extrem gut organi-siert und auch extrem gut finanziert. Trotzdem solltenwir uns von der augenblicklichen Stärke von ISIS nichtin die Irre führen lassen. Denn ein Teil der Wahrheit istnatürlich auch: Die gegenwärtige Stärke kann sich nurentsprechend auswirken, weil die irakische Armee dra-matisch versagt hat, und ISIS kann die große Fläche imMoment nur deshalb überhaupt kontrollieren, weil es einim Grunde genommen geradezu widernatürliches Bünd-nis unterschiedlicher Akteure gibt: Es sind die islamisti-schen Kräfte und die alten Kader der Baath-Partei vonSaddam Hussein, die ideologisch gesehen eigentlichüberhaupt nichts miteinander zu tun haben, unterstütztvon örtlichen Stammesführern.
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4048 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Niels Annen
(C)
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An dieser Stelle muss man ganz klar sagen: Die Ver-antwortung dafür, dass das augenblickliche Bündnis zu-stande kommen konnte, trägt Herr al-Maliki mit seinervöllig verfehlten Politik. Deswegen muss sich im Irak et-was ändern; das können wir hier gar nicht stellvertretendfür den Irak übernehmen. Der Ausschluss eines großen,relevanten Teils der Bevölkerung von der politischenMacht in Bagdad, aber auch von den Ressourcen desLandes – man muss sich nur die Entwicklung der Ar-beitslosigkeit und die Unterentwicklung in den sunniti-schen Gebieten vor Augen führen – muss, so gut dasauch mit der Historie der langjährigen Unterdrückungder schiitischen Mehrheit im Irak zu erklären ist, einEnde finden.
Deswegen bin ich der Meinung: An dieser Stelle ist dasSignal, das die Bundesregierung ausgesandt hat, eindeu-tig und richtig und sollte von diesem Hause unterstütztwerden: Wir sind natürlich bereit, diesen Prozess zu un-terstützen, aber der erste Schritt muss im Irak selbst er-folgen.Ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Natür-lich finden in der Region zurzeit mehrere Stellvertreter-konflikte statt. Einer der großen Stellvertreterkonflikteist der regionale Konflikt zwischen Saudi-Arabien unddem Iran. Beide instrumentalisieren die Religion für ihrepolitischen Interessen. Meine sehr verehrten Damen undHerren, ich glaube, wir müssen sehr vorsichtig sein,wenn wir über diesen Konflikt und seine Nuancen spre-chen. Denn es ist natürlich nicht so, dass dort nur Sunni-ten gegen Schiiten kämpfen. Was wir dort erleben, ist imGrunde genommen eine Weiterentwicklung einer terro-ristischen Strategie quasi unter Laborbedingungen. DieKämpfe zwischen der Al-Nusra-Front in Syrien und in-zwischen auch im Irak auf der einen Seite und ISIS aufder anderen Seite haben dazu geführt, dass die Strategienim Grunde genommen noch erfolgreicher und effektivergeworden sind. Sie haben ihre Strategie quasi auf demSchlachtfeld weiterentwickelt. Das ist aber ein innersun-nitischer Konflikt gewesen. Ebenso hat Herr al-Malikiseinen schiitischen Rivalen, nämlich Herrn al-Sadr, vornicht allzu langer Zeit zum Teil auch mit militärischenMitteln bekämpft. Den Konflikt auf eine rein schiitisch-sunnitische Konfrontation zu reduzieren, geht nicht nuran den Tatsachen vorbei, sondern würde auch die Kräfteausschließen, die wir für einen Versöhnungs- und Ko-operationsprozess brauchen. Insofern wäre das eine fal-sche Sicht auf die Dinge.Unterm Strich muss man sagen: Die internationaleGemeinschaft hat es, nachdem sich der syrische Bürger-krieg zugespitzt hat und die Genf-II-Verhandlungen ge-scheitert sind – das war ein dramatisches Scheitern; miteinem Eingeständnis des UN-Vermittlers Brahimi, demwir für seine Arbeit noch einmal danken müssen –, ver-säumt, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen. Des-wegen kann es im Moment auch gar keine militärischeLösung geben. In dem Augenblick, in dem die Amerika-ner eingreifen würden, würden sie von den Saudis unddem sunnitischen Teil der Bevölkerung, die sich ohnehinausgegrenzt fühlen, sozusagen als die Luftwaffe von al-Maliki wahrgenommen.Es gibt keinen anderen Weg: Wir müssen die regiona-len Akteure an einen Tisch bekommen. Wir sollten dieVereinten Nationen bei ihrer wichtigen Arbeit unterstüt-zen, den politischen Prozess wieder voranzutreiben, aberauch dafür sorgen, dass wir die Nachbarländer, die unterder Last der Flüchtlingsströme und der Instabilität zu-sammenzubrechen drohen, dabei unterstützen, diesenpolitischen Prozess zu überstehen, damit wir nicht eineneue Ordnung bekommen, die darin besteht, dass einKalifat ausgerufen wird und wir am Ende einen al-Qaida-Staat in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ha-ben.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Als nächster Redner hat der Kollege Omid Nouripour
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vor-marsch von ISIS Richtung Mosul war an sich keinegroße Überraschung. Die große Überraschung bestanddarin, dass die irakischen Streitkräfte keinerlei Wider-stand geleistet, ihre Waffen und Uniformen teilweiseeinfach zurückgelassen und die Flucht ergriffen haben.Ich war in der Woche vor dem Vormarsch in Bagdad.Es war bedrückend zu sehen, dass die Straßen leer wa-ren, obwohl 7 Millionen Menschen in dieser Stadt leben.Es gab keinen Stau, und die Basare waren leer. DieHauptverantwortung dafür, dass eine solche Stimmungherrscht – 2010, 2011 gab es noch so etwas wie Nachtle-ben – und dass in diesem Land, in dem es so viel Reich-tum und Wohlstand gibt und gleichzeitig das Geld nichtbei der Bevölkerung ankommt und sich somit keine ent-sprechende gesellschaftliche Dynamik entfaltet kann,trägt Premierminister al-Maliki, der alles dafür getan hat,die Sunniten im Land, teilweise auch die Kurden, vonder Macht auszugrenzen.Die Situation in der Westprovinz Anbar ist seit fast ei-nem Jahr hochdramatisch, sie grenzt an eine humanitäreKatastrophe. Wir haben aber nicht ausreichend hinge-schaut. ISIS hat in dieser Zeit bereits mit der Unterstüt-zung der sunnitischen Clans das Sagen in Anbar gehabtund darauf aufbauend den Marsch nach Norden begin-nen können. Kinder werden erschossen, es finden Mas-senexekutionen statt, Kulturgüter werden geplündert undzerstört – das erinnert sehr stark an die Situation inAfghanistan in den 90er-Jahren.Da nun ein Kalifat ausgerufen wurde – das ist wieeine offizielle Kriegserklärung an Saudi-Arabien –, ist esdoch offenkundig, dass Saudi-Arabien und Iran keineandere Alternative haben, als sich endlich zusammen aneinen Tisch zu setzen und über eine Kooperation zusprechen, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Das
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4049
Omid Nouripour
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Problem ist nur, dass diese Einsicht derzeit auf keinerder beiden Seiten vorhanden ist.Es gibt ein weiteres Problem. Wir haben Anfang die-ses Jahres über eine neue deutsche Außenpolitik gespro-chen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir mehr tunwollen, dass wir mehr Verantwortung übernehmen wol-len. Wir haben uns über den militärischen Aspekt unter-halten, waren uns aber alle einig, dass es um mehr geht.Gerade weil Deutschland 2003 nicht bei der Invasion desIrak dabei war, gerade weil wir viele der fatalen Fehlerder Amerikaner nicht gemacht haben, besitzen wir einehöhere Glaubwürdigkeit. Wir könnten Gehör finden.Stattdessen haben wir in den letzten Wochen und Mona-ten schlicht geschwiegen.Der Außenminister hat gesagt, dass wir nicht an derSeitenlinie stehen dürfen; wir haben es aber getan. Dahilft es auch nicht, wenn der Außenminister sagt, dassder Wandel von innen kommen muss. Herr KollegeAnnen, Sie haben davon gesprochen, dass sich die Situa-tion im Irak selbst verändern muss. Das ist natürlichrichtig; daran gibt es keinerlei Zweifel. Wir sagen janicht, dass man von außen etwas aufoktroyieren kannoder soll; aber nur zuzugucken, wie die deutsche Bun-desregierung es getan hat, und nicht einmal das Wort zuergreifen und nicht Druck auf al-Maliki auszuüben, da-mit er endlich eine inklusive Regierung einsetzt, war einRiesenfehler. Das hat mit all den Ansprüchen, die An-fang des Jahres formuliert wurden, und mit all den da-mals geführten Diskussionen überhaupt nichts zu tun.
Ganz konkret: Deutschland hat im Jahr 2013 aufge-hört, für die Binnenflüchtlinge im Irak Mittel an denUNHCR, an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Na-tionen, zu zahlen mit der Begründung: Wir helfen jetzt inSyrien und in den Nachbarstaaten von Syrien. – 350 000Flüchtlinge gab es damals; das waren alles Syrer. Daswar vollkommen absurd. Ich kann nur hoffen und appel-lieren, dass das beendet wird und endlich wieder Mittelan den UNHCR fließen, damit das Flüchtlingshilfswerkim Irak wenigstens die Leute registrieren kann und eineMindestfürsorge gewährleisten kann. Wir reden mittler-weile über mehr als 1 Million Menschen, die ihre Hei-mat verloren haben und im Irak unterwegs sind.Nächstes Beispiel. Wir wissen, dass ISIS sich unteranderem dadurch finanziert, dass sie Öl aus der ProvinzRakka in Syrien verkaufen. Seitens der EU gibt es beiden Sanktionen gegen Syrien Ausnahmen für Ölfelder,die sich damals in der Hand der Nationalen Koalition be-funden haben sollen. Der Sinn und Zweck war, dass dienichtbewaffnete Opposition Gelder generieren kann.Diese Ölfelder sind aber seit über einem Jahr in derHand von ISIS. Aufgrund dieser Ausnahmen der EUwird Öl auch in die Türkei verkauft. Wenn man bei derBundesregierung nachfragt, warum diese Ausnahmenicht endgültig beendet wird, lautet die Antwort: Wirwissen von nichts. – Die Augen werden einfach ge-schlossen, statt endlich mehr Verantwortung zu überneh-men, statt endlich mehr zu tun.Auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Kurdengibt es bisher nur eine Fehlanzeige. Das ist eine hoch-komplizierte Angelegenheit; das gestehe ich selbstver-ständlich zu. Bei allem Verständnis, das man für die Si-tuation der Kurden haben muss – sie waren eine Oaseder Stabilität in einem Land, von dem man nur noch hof-fen kann, dass es dieses Land weiterhin geben wird –,muss man darauf achten, dass die Tür für einen VerbleibKurdistans als autonome Region im Irak nicht zuge-macht wird. Wir müssen aber auch alles daransetzen,dass die Situation nicht eskaliert. Es muss Druck ausge-übt werden auf die Türkei und auf den Iran, damit die Si-tuation in dieser letzten Oase der Stabilität im Irak nichtweiter eskaliert.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die
vereinbarte Debatte zur Bedrohung der regionalen Stabi-
lität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen.
Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung zur Genehmigung des
Vollzugs eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses
erweitert werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 8 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung
Antrag auf Genehmigung zum Vollzug eines
gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses
Drucksache 18/1990
Der Ausschuss empfiehlt mit den Stimmen aller Frak-
tionen, die entsprechende Genehmigung zu erteilen. Wir
kommen sofort zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Das sind alle Fraktionen. Wer stimmt dagegen? –
Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Auch nie-
mand. Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig
angenommen.
Wir fahren in der Debatte fort. Der Kollege Rüdiger
Veit erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich bin gebeten worden, diese Debatte aus innenpoliti-scher Sicht eventuell ein bisschen zu befördern. Ich willdas in Bezug auf zwei Stichworte gerne tun, einmal zurSicherheitsfrage und zum Zweiten zur Flüchtlingsauf-nahme außerhalb des hier in Rede stehenden Gebietes.Zur Sicherheitsfrage kann ich relativ Aktuelles voneinem Besuch des Präsidenten des Bundesamtes für Ver-
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4050 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Rüdiger Veit
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fassungsschutz heute im Innenausschuss berichten; da eseine öffentliche Sitzung war, kann ich das hier wiederge-ben. Er hat uns unter anderem Folgendes mitgeteilt: AusDeutschland sind nach Syrien zwecks Beteiligung andem Krieg an der Seite der Terroristen, Dschihadisten,Salafisten – wie immer wir sie nennen wollen – bisher320 Personen – die überwiegende Zahl ist im Besitz derdeutschen Staatsbürgerschaft – gereist.Diese Konstellation unterscheidet sich von der ver-gleichbaren im Falle Afghanistan/Pakistan in vielerleiHinsicht. Zunächst einmal waren es damals nur insge-samt 80 Personen. Jetzt sind es, wie gesagt, 320 Perso-nen. Zum Zweiten sind außerordentlich viele jungeLeute dabei, zum Teil 15-, 16-jährige Mädchen. ZumDritten sind es Leute, die dem Bundesamt oder anderenSicherheitsbehörden bisher kaum als wie auch immerverdächtig aufgefallen sind. Vor allen Dingen müssenwir natürlich auch damit rechnen, dass sie nach einereventuellen Teilnahme an kriegerischen Auseinanderset-zungen dort mit einer, sagen wir einmal, nicht nur extre-mistischen, sondern vielleicht sogar verrohten Gesin-nung nach Europa zurückkehren.Das macht den Sicherheitsbehörden große Sorge. DieFachleute sprechen nicht von einer konkreten Gefahr,sondern von einem stärkeren, von einem lauteren Hinter-grundrauschen, das eben diese Aktivitäten widerspiegelt.Sie sind gehalten, zu beobachten, welche dieser Perso-nen zurückkommen. Bisher waren es wohl etwa 20 ander Zahl. Von diesen weiß man relativ sicher, dass siedort auch an kämpferischen Handlungen teilgenommenhaben. Auch ist zu beobachten – ich verweise hier aufden Fall desjenigen, der über Frankfurt eingereist war,um dann in Brüssel dieses scheußliche Attentat zu ver-üben –, dass sie nicht unbedingt wieder beispielsweisenach Frankfurt zurückfliegen, wenn sie von dort ausnach Syrien oder in den Irak – dort kommt dies jetztauch vor – gereist sind. Vielmehr muss man damit rech-nen, dass sie bei ihrer Rückreise auch andere europäi-sche Flughäfen nutzen. Das macht die Sicherheitslagenicht einfacher.Der Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehör-den ist in dem Zusammenhang notwendig und rege. Vonjetzt auf der Hand liegenden Querbemerkungen zur Tä-tigkeit von Diensten auf diesem Gebiet im Allgemeinenoder im Besonderen auch mit Blick über den großenTeich nehme ich jetzt Abstand; sonst habe ich keine Zeitmehr, zum zweiten Punkt zu kommen.Die Flüchtlingsfrage: Wir wissen, dass sich über3 Millionen Menschen außerhalb Syriens und annähernd9 bis 10 Millionen innerhalb Syriens bereits auf derFlucht befinden. Das ist ein furchtbares Elend. Wenn wirbedenken, dass die Bevölkerungszahlen in den Anrainer-staaten durch diese Flüchtlingswelle dramatisch gestie-gen sind – im Libanon beispielsweise mit einer Bevölke-rung von etwas über 4 Millionen gibt es jetzt fast1 Million Flüchtlinge –, dann können wir uns angesichtsder dortigen Strukturen die Situation und das Elend allerBeteiligten, inklusive der aufnehmenden Staaten und ih-rer Infrastruktur, vorstellen. Die stehen kurz vor demKollaps.Deswegen ist es im Wege internationaler Solidaritätnicht nur geboten, dort vor Ort zu helfen, was wir in bei-spielhafter Weise tun – dies ist richtig; ich hoffe, dies istauch im Sinne aller hier im Parlament vertretenen Par-teien –, sondern es ist auch notwendig, sich diesesFlüchtlingselends mit Empathie und Mitgefühl anzuneh-men und dafür zu sorgen, dass zumindest Europa mitseiner Wertegemeinschaft hier einen entsprechendenBeitrag leistet.
Hierzu ist aktuell Folgendes zu vermelden – mit denZahlen will ich Sie nicht allzu sehr im Detail langweilen,aber ich nenne einige, damit die Größenordnungen klarwerden –: Auf – in Anführungszeichen – normalemWege als Asylsuchende sind seit Ausbruch des Kriegesmehr als 30 000 Menschen aus der Region in Deutsch-land angekommen. Wir hatten im Dezember 2013 daserste und dann darauf folgend das zweite Bundespro-gramm zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen mit je-weils 5 000 Personen. Darüber hinaus haben 15 Bundes-länder – es wäre schön, das 16. käme auch noch dazu; esliegt südlich – Länderaufnahmeprogramme gemacht, diein nennenswerter Zahl auch bereits in Anspruch genom-men werden konnten.Eines der wichtigen Details dabei ist die Frage derLebensunterhaltssicherung und insbesondere der Über-nahme von Krankenbehandlungskosten. Da sind wir seitder letzten Innenministerkonferenz ein kleines Stückweiter. Denn klar ist: Die Länder übernehmen auch dieKrankenbehandlungskosten, wenn die hier anwesendenVerwandten die sonstigen Unterhaltskosten übernehmen.Ferner haben wir seit dieser Innenministerkonferenzam 12. Juni 2014 ein weiteres Kontingent von 10 000.Deutschland ist in dieser Frage führend in Europa undauch darüber hinaus. Wir handeln hier auch nicht nachdem Motto, dass wir erst einmal abwarten, was anderetun, bevor wir etwas tun. Wir machen es umgekehrt; dasist in besonderer Weise hoch anzurechnen und zu loben.Wir haben gesagt, dass wir den Anfang machen und hof-fen, dass andere nachkommen. Da unterstützen wir sehrnachhaltig unseren Außenminister, und da unterstützenwir sehr nachhaltig unseren Innenminister, mit Blick aufEuropa, aber auch verbunden mit dem klaren Wort, dassdie bisherige Haltung der übrigen europäischen Staatengegenüber diesem Elend eigentlich – entschuldigen Siedas Wort – schändlich ist.Zum Schluss noch eine Bemerkung, damit deutlichwird, wie schwierig das Ganze ist. Am 27. Juni diesesJahres –
Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
– ja, danke – fand ein High-Level-Meeting in Genfstatt. Dort waren 42 Staaten vertreten, um sich über dieFrage der Entlastung der Region in Bezug auf dasFlüchtlingselend Gedanken zu machen. Wissen Sie, was
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4051
Rüdiger Veit
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dabei herausgekommen ist? Wegen der Kürze der Zeitwarte ich nicht auf Antworten, sondern nenne Ihnen dieZahl: 565 Personen. Da war der Reise- und Verkösti-gungsaufwand höher als das, was als Ergebnis für dievom Elend bedrohten Flüchtlinge herausgekommen ist.Ich sage erneut: Das ist schändlich. Wir sind alle gefor-dert, nicht nur wir, aber auch wir. Und wir können auchein bisschen mehr tun.Danke sehr.
Als nächster Redner hat der Kollege Philipp
Mißfelder das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Zunächst möchte ich zu der Rede desHerrn Kollegen Annen, dessen Ausführungen ich wei-testgehend teile, eine Ergänzung vornehmen. Ich glaubeschon, dass wir es bei ISIS mit einem besonderen Phäno-men zu tun haben, das sich von anderen militärischenKräften unterscheidet. Es ist schon so, dass der funda-mentalistische Islam die Hauptantriebsfeder ist. Es gehtden Menschen, die sich ISIS anschließen – leider sind esauch viele junge Leute, die sich dieser Gruppierung an-schließen –, nicht um die Verteilung von Rohstoffen unddie Bedienung von Interessen, sondern darum, einenGottesstaat zu errichten und eine der schlimmsten Aus-prägungen von Religiosität mit Gewalt zu verbinden.Auch das zu erwähnen, gehört zu dieser Debatte. Dasmacht die Sache für uns im Übrigen schwieriger undnicht einfacher.Die ISIS-Kämpfer stehen nämlich einer 800 000 Sol-daten umfassenden und damit viel größeren Gruppe vonSicherheitskräften aufseiten al-Malikis gegenüber, diedas häufig allerdings nicht aus Überzeugung tun, son-dern deshalb, weil sie arbeitslos gewesen sind, weil sie– schlecht bezahlt – in den Diensten der irakischen Zen-tralregierung stehen, aber keineswegs Überzeugungstä-ter sind und nicht mit der gleichen Inbrunst für die ausunserer Sicht richtige Sache kämpfen, wie die ISIS-Täterdas tun. Insofern ist die Situation schwieriger, als manauf den ersten Blick sieht.Ich habe einen wichtigen Punkt anzumerken, der un-sere Fraktion schon seit längerer Zeit beschäftigt. Wirhatten den Premierminister der Autonomen Region Kur-distan vor über einem Jahr auf einem unserer Fraktions-kongresse zu Gast. Als wir damals über den Irak disku-tiert haben, haben wir immer ein Fragezeichen gesetzt,ob es richtig ist, an der Ein-Irak-Politik – wenn sie mehrals nur eine leere Worthülse sein soll – festzuhalten. Dasdarf man nicht missverstehen und darin automatisch dieBefürwortung der Ausrufung eines unabhängigen undfreien Kurdistans sehen. Eine solche Ausrufung wäre janur möglich, wenn man in Übereinstimmung mit denPartnern in der Region und mit der Türkei vorgehenwürde. Ich sehe nicht, dass der Zeitpunkt dafür gegebenist.Aber eines ist klar: Wenn wir die Aussage, dass dieEin-Irak-Politik – ein Irak unter al-Maliki – für die Zu-kunft dieses Landes entscheidend ist, wie eine Mon-stranz vor uns hertragen würden, dann würden wir se-hen, dass dieses Konzept schon in wenigen Wochengescheitert wäre. Es ist, was den Irak angeht, an der Zeit,neue Konzeptionen zu entwickeln und sich gerade denRegionen zuzuwenden – Herr Nouripour hat das ja dan-kenswerterweise angesprochen –, in denen tatsächlichFrieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratisie-rung herrschen, nämlich dem Nordirak, Kurdistan.Das eigentlich Schlimme an der Entwicklung, die wirauch in Syrien beobachten – von meinem Vorredner istja über die Flüchtlingsproblematik gesprochen wor-den –, ist: Es gibt nicht nur die Flüchtlinge aus Syrien,die nach Jordanien gelangt sind und vorher versucht ha-ben, im Irak Zuflucht zu finden, sondern es gibt auch in-nerhalb des Iraks ein massives Problem der Binnen-flüchtlinge. Dabei handelt es sich vor allem um Christen,die aus dem Süden in den Norden getrieben werden. Ge-rade deshalb ist es uns ein Anliegen, den humanitärenBeitrag zu stärken.Wir haben heute im Ausschuss darüber gesprochen,dass wir mehr tun wollen. Ich glaube, jetzt ist der rich-tige Zeitpunkt, dass sich tatsächlich ganz Europa mehrengagiert, um zu verhindern, dass es in Kurdistan, imNorden Iraks, zu einer humanitären Katastrophe kommt,wie sie in Jordanien aus meiner Sicht schon unmittelbarbevorsteht, meine Damen und Herren.
Was die Verantwortung insgesamt angeht, würde ichnicht sagen, dass Deutschland nur am Spielfeldrand ge-standen hat. Vielmehr spielt Deutschland eine sehr ak-tive Rolle. Ich erinnere mich noch daran, wie schwieriges war, für kurdische Vertreter überhaupt Termine inDeutschland zu bekommen. Die Bundeskanzlerin hat re-gelmäßig den Kontakt gehalten; aber auch unser jetzigerBundesaußenminister hat, auch als die SPD in der Oppo-sition war, hohe Vertreter der Kurden empfangen. Das istnicht überall in Europa so.Ich meine, das ist eine Streitfrage mit Herrn al-Malikigewesen: Lädt man ihn ein, kann es sein, dass er nichtkommt; empfängt man andere Politiker aus dem Irak,beschwert er sich sofort. Wir haben es also wirklich miteinem ganz schwierigen System zu tun in Bagdad. Vordiesem Hintergrund sage ich, dass wir mit Herrn al-Maliki weiterhin zusammenarbeiten wollen.Es ist auch der falsche Zeitpunkt, jetzt – wie in derPresse diese Woche zu lesen war – andere Namen insSpiel zu bringen. Es wäre übrigens ganz falsch, wenn derWesten sie ins Spiel bringen würde, so wie es gestern ineiner englischsprachigen Zeitung stand – weil diese Per-son niemals akzeptiert würde. Das muss im Irak selbstgeklärt werden.
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4052 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Philipp Mißfelder
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Aber ich richte ganz klare Forderungen an Herrnal-Maliki. Eine zentrale Forderung von uns ist, dass er– das hat er bisher nicht getan – alle Religionsgruppen,alle Stämme des Iraks, inklusive der Sunniten und derKurden, an der Regierung beteiligt. Das ist die zentraleVoraussetzung für Frieden und Freiheit im Irak.Dabei kommt noch eines hinzu: Herr al-Maliki wei-gert sich auch, die Verfassung einzuhalten. Er teilt dieÖlgewinne nicht so auf, wie es in der Verfassung steht.Das wäre aber dringend notwendig, um überhaupt Insti-tutionen am Funktionieren zu halten, um überhaupt dasWenige, was an Staatlichkeit im Irak besteht, tatsächlichumsetzen zu können. Insofern ist es eine zusätzliche For-derung – neben der Bildung einer Regierung, bei der alleBevölkerungsteile des Landes eingebunden werden –,dass die Bestimmungen der Verfassung des Irak einge-halten werden. Dieser Appell muss an Herrn al-Malikideutlich gerichtet werden.Herzlichen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Alexander
Radwan das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir haben alle den Arabischen Frühling sehrpositiv gesehen, als er begonnen hat. Inzwischen findenin diesem Haus regelmäßig Debatten und Diskussionenstatt, weil die Region von Monat zu Monat, von Wochezu Woche instabiler wird.Ich muss sagen – auch nachdem ich der Debatte zuge-hört habe –: Ich bin immer dann skeptisch, wenn ich denEindruck habe – meine Wahrnehmung mag falsch sein –,dass auf ein sehr komplexes Thema relativ einfache Ant-worten gegeben werden.Heute beschäftigen wir uns mit der aktuellen Thema-tik ISIS. Aktuell ist sicherlich die intensivere Berichter-stattung in den Medien zu diesem Thema. Dass ISIS eineEntwicklung vom Irak nach Syrien und zurück genom-men hat, konnte man aber schon lange verfolgen; ISISist eine sunnitische Rebellengruppe und eine Abspaltungvon al-Qaida.Wir hatten in diesem Bereich in den letzten Jahreneine historische Konstante: dass unsere Annahmen ge-koppelt sind mit Fehleinschätzungen. Der KollegeNouripour hat in einer der letzten Debatten einmal einenSatz geprägt, der mir sehr gut gefallen hat, nämlich dassdie Fehleinschätzung ist: „Der Feind meines Feindes istmein Freund.“ Das zieht sich wie ein roter Faden durch,und das betrifft insbesondere die Regionalmächte, dieheute erkennen müssen, dass das, was sie sich erhoffthatten, nicht eingetreten ist, und das, was eingetreten ist,zu ihrem Problem wird. Die Ausrufung des Kalifats imIrak führt genau dazu, dass diese Regime jetzt entspre-chend bedroht werden. Das führt nicht nur im Irak zuProblemen, sondern wir sehen uns damit konfrontiert,dass ein Flächenbrand bevorsteht.Diese Woche konnte ich mit dem Botschafter des Li-banon reden. Er hat mir beschrieben – nicht nur ausge-hend von der Flüchtlingsproblematik, die diese Länderzurzeit zu stemmen haben –, was momentan von ISIS indiese Länder hineingetragen wird. Das Gleiche betrifftJordanien, das Gleiche betrifft die Türkei. Darum musseine unserer Aufgaben sein – ich will nicht priorisie-ren –, dass wir diesen Ländern helfen, Stabilität zu hal-ten, dass wir nicht nur an der Lösung der Probleme ar-beiten, sondern auch diese Länder entsprechend stützen.Ein roter Faden ist hier – das haben ja mehrere Red-ner gesagt –, dass wir darauf hinwirken müssen, dass esim Irak zu einem Dialog kommt. Es gibt dort einen Kon-flikt zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden – wobeiwir oft in einer Art und Weise argumentieren, die relativholzschnittartig ist: Sunniten, Schiiten, Kurden – alswenn die Sunniten ein homogener Block wären.
Wir müssen darauf achten und darauf hinwirken, dassden Gemäßigten, den vielen Menschen, die mit demKonflikt nichts zu tun haben, denjenigen, die durch dieseKatastrophe, die diese Entwicklung für sie persönlichdarstellt, möglicherweise radikalisiert werden, geholfenwird, ihnen eine Perspektive gegeben wird. Darum binich auch hier bei unserem Fraktionsvorsitzenden Kauder,der die humanitäre Hilfe und das Elend der Menschenwohl am stärksten angesprochen hat. Wenn wir alsDeutschland und als Europa hier nicht hineingehen undentsprechend unterstützen, wird diese Region keine Sta-bilität finden.Der Dialog beginnt natürlich bei al-Maliki. Wenn eres nicht schafft, dann muss das jemand anderes tun; ichbin hier völlig bei Philipp Mißfelder, dass wir als Westenkeine Personalvorschläge zu machen haben. Wir solltenaber schon klarmachen, was wir von dieser Region undvon den Machthabern in diesen Ländern, aber eben auchim Iran, in Saudi-Arabien und in anderen Einflussmäch-ten erwarten, um hier zum Frieden zu kommen. Sie müs-sen endlich verstehen, dass sie durch entsprechendesHandeln ihre eigene Legitimität und Existenz gefährden.
Ich komme zu einem Punkt, der nicht die oberstePriorität hat. Wir alle sind uns einig, dass militärischeLösungen und Interventionen jetzt keine Option sind.Wir als Europa und als Deutschland – gerade im arabi-schen Raum genießen wir sehr viel Vertrauen und Aner-kennung – müssen uns mit den Machthabern und denVerantwortlichen vor Ort auch Gedanken darüber ma-chen, wie es mit der Region weitergeht, wie es für dieMenschen eine Perspektive geben kann, wenn die Kon-flikte hoffentlich bald ein Stück weit abgebaut sein wer-den. Ein Waffenstillstand bedeutet nämlich noch langenicht, dass sich der Dialog normalisiert, dass die Ange-hörigen unterschiedlicher Religionen friedlich nebenei-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4053
Alexander Radwan
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nander leben und dass die Menschen vor allen Dingen– darum geht es – eine wirtschaftliche und soziale Exis-tenz und Perspektive bekommen.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE
Beschaffungsprogramm von Drohnen für die
Bundeswehr
Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die
Kollegin Christine Buchholz das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Monate-lang hat Frau von der Leyen beharrlich zur Frage derKampfdrohnen geschwiegen. Erst sollte eine breite ethi-sche Debatte her, vorgestern fand nun eine erste öffentli-che Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss dazustatt. Aber: Die erste Fragerunde war noch nicht vorbei,als die Ministerin bereits vor die Medien trat, weil ihrePosition augenscheinlich schon feststand. Dies, Frau vonder Leyen, war keine ernsthafte Debatte.
Sie wollen die Abgeordneten und die Öffentlichkeitüberrumpeln, weil der Widerstand gegen die Aufrüstungder Bundeswehr mit Kampfdrohnen zu groß ist. DieMehrheit der Bevölkerung will diese Waffensystemenicht. Begreifen Sie das endlich!
Kampfdrohnen sind nicht entwickelt worden, um dieeigenen Soldaten zu schützen, wie Sie behaupten. DieUS-Armee hat vor rund zehn Jahren in Afghanistan daserste Mal Kampfdrohnen eingesetzt, um gegnerischeKräfte in abgelegenen Regionen zu töten – dort, wo nurwenige oder gar keine eigenen Truppen am Boden ope-rieren.Seitdem spielen diese Waffensysteme eine immerwichtigere Rolle in den Kriegen, die die US-Armee undihre Verbündeten in Afghanistan, in Pakistan, im Jemenoder in Somalia führen. Es geht um eine Waffe in soge-nannten asymmetrischen Kriegen, in denen Armeennicht Armeen gegenüberstehen, sondern in denen sieAufständische bekämpfen. Dies ist der Sinn hinter dieserTechnologie.Wenn die Bundesregierung die Bundeswehr mitKampfdrohnen ausstattet, dann zieht sie Deutschlandimmer tiefer in solche asymmetrischen Kriege hinein.Das ist skandalös!
Kampfdrohnen sind auch das Mittel der Wahl, um perFernbedienung Menschen umzubringen, die die Ge-heimdienste der Drohnennationen auf Todeslisten ge-setzt haben. Im sogenannten Krieg gegen den Terror die-nen sie dazu, Raketenangriffe in Ländern durchzuführen,in denen die US-Armee selbst gar nicht präsent ist.Die Bundesregierung sagt zwar: „Damit haben wirnichts zu tun“, doch ein von der Bild-Zeitung öffentlichgemachter Sachstandsbericht aus dem Verteidigungsmi-nisterium spricht eine andere Sprache. Darin werdenOperationen außerhalb der Einsatzgebiete der Bundes-wehr ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wenn dasstimmt, machen Sie irgendwann nichts anderes als dieUS-Armee heute.
– Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, Herr Arnold.
Wer verhindern will, dass die Bundeswehr einen Droh-nenkrieg wie die US-Armee führt, der braucht nur eineszu tun: dem Einstieg in die Kampfdrohnentechnologienicht zuzustimmen.
Kommen wir zu dem Mythos, dass Kampfdrohnenpräzise Waffen seien. Kampfdrohnen können ihre Zielegar nicht mit letzter Sicherheit identifizieren. Und zwi-schen Abschussbefehl und Einschlag liegt eine Zeit-spanne von einigen Sekunden. Um bewegliche Zieletrotzdem zu vernichten, werden Raketen mit enormerSprengkraft eingesetzt. Das führt zu einer hohen Zahl zi-viler Toter. Wer Kampfdrohnen einsetzt, der nimmt denTod Unschuldiger mit in Kauf. Und das ist menschen-verachtend.
Wohin führt der Einstieg in diese Technologie? Werin der Anhörung des Verteidigungsausschusses demSachverständigen und Physiker Marcel Dickow zugehörthat, der muss tief besorgt sein. Er erklärte uns, dass dieBeschaffung von Kampfdrohnen zwangsläufig dazuführt, dass sich letztendlich Waffensysteme durchsetzen,in denen am Schluss nicht der Mensch, sondern Compu-ter über Leben und Tod entscheiden;
denn im Rüstungswettlauf um immer wirksamere Droh-nen läuft alles auf die ständige Verkürzung von Entschei-dungs- und Übertragungszeiten hinaus.Eine vollautomatische Kampfdrohne, die selbst ent-scheidet, ist schneller als ein Kampfdrohnenpilot amJoystick, dessen Signale über eine Entfernung von Tau-
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4054 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Christine Buchholz
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senden Kilometern kommen. Deutschland darf nicht indiese Logik einsteigen. Wir dürfen nicht einen Prozessanheizen, an dessen Ende Kampfroboter über Leben undTod entscheiden.
Frau von der Leyen hat nun in der Süddeutschen Zei-tung erklärt, sie plane im ersten Schritt, Kampfdrohnenzu leasen, gekoppelt an konkrete Einsatzmandate. Es ste-hen aber, so Frau von der Leyen, gar keine konkretenEinsätze an. Offenbar geht es darum, einen Blanko-scheck für die Zukunft einzuholen, um in der Zwischen-zeit deutsche Offiziere als Kampfdrohnenpiloten an dengeleasten Systemen in Israel oder den USA ausbilden zulassen. Wenn es die SPD mit ihrer Ablehnung vonKampfdrohnen ernst meint, dann kann sie diesem Vorha-ben nicht zustimmen.Frau von der Leyen, ziehen Sie jetzt die Reißleine!
Wir wollen keine gekauften, aber auch keine geleastenKampfdrohnen. Wir wollen gar keine Kampfdrohnen.
Als nächste Rednerin hat die BundesministerinUrsula von der Leyen das Wort.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin derVerteidigung:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natür-lich spüren wir das Unbehagen vieler Menschen, wennes um Drohnen geht, auch hier im Bundestag. Deshalbwird zu Recht erwartet, dass wir berechtigte Bedenkenaufnehmen, sie in unsere Entscheidung einbeziehen undeine breite Debatte führen. Ich habe deshalb die Anhö-rung des Verteidigungsausschusses am Montag als einenausgesprochen wertvollen Beitrag gesehen. Das war einesehr ausgewogene, besonnene Debatte, die wir gehabthaben.Frau Buchholz, schon seit einem Jahr wird diese De-batte breit geführt.
Ich glaube aber auch, dass diese Debatte heute mit Si-cherheit nicht zu Ende ist, sondern sie wird weiterge-führt werden. Viele andere Länder – es sind über 80 –haben Drohnen. Über ein Viertel dieser Länder hat be-waffnungsfähige Drohnen. Ich möchte heute meine Posi-tion zu diesem Thema darlegen.Ich möchte zunächst einmal ganz pragmatisch skiz-zieren, worum es uns geht. Am 17. Oktober 2013 hat inKunduz der letzte Konvoi das Camp der Bundeswehrverlassen. Das waren 441 Soldatinnen und Soldaten in119 Fahrzeugen – eine kilometerlange Kolonne, die überzwei Tage durch unübersehbares Gelände gefahren ist:eine der größten Operationen der Bundeswehr.Diese Kolonne ist von allen Seiten geschützt gewe-sen. Sie ist vor allem von oben insofern geschützt gewe-sen, als eine Aufklärungsdrohne, die wir geleast haben,das Gelände aus der Vogelperspektive überschaut hat.Wäre diese Kolonne angegriffen worden, so wäre dieserAngriff frühzeitig gesehen worden, aber die Unterstüt-zung der angegriffenen Bodentruppe aus der Luft hättegedauert. Denn es hätten entweder Hubschrauber oderFlugzeuge angefordert werden müssen, um dann die Sol-datinnen und Soldaten am Boden zu unterstützen. Dassind wertvolle Minuten, die Soldatenleben kosten kön-nen, und diese Schutzlücke wollen wir schließen, meineDamen und Herren.
Ich möchte gerne in dieser Debatte vorweg auf zweiPunkte eingehen, die ich wichtig finde. Da ist zunächstimmer, wenn es um das Unbehagen der Bevölkerunggeht, die Vorstellung von einem unbemannten Flugzeug,dass da kein Mensch sei, dass es ein autonomes Systemsei. Das ist falsch. Nach wie vor ist es immer einMensch, der entscheidet, ob eine Waffe ausgelöst wirdoder nicht. Das ist beim Torpedo im U-Boot so. Das istbei der Panzerhaubitze so. Das ist bei der Interkontinen-talrakete und bei der Cruise-Missile so, und das ist beider Drohne nicht anders. Niemals fällt ein Soldat odereine Soldatin beim Einsatz einer Drohne eine einsameEntscheidung. Es ist erst die Anforderung der Truppe amBoden, die Hilfe braucht, die diesen Einsatz der Drohneauslöst. Dann erst entscheiden Soldatinnen und Soldateninnerhalb ganz klar definierter und rechtlich geprüfterEinsatzregeln. Um diesen Rahmen geht es uns. Den wol-len wir setzen.
Weil uns dieser Rahmen, den wir haben, so wichtig ist,und weil wir ihn auch international vorantreiben möch-ten, haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben,dass sich Deutschland für eine völkerrechtliche Ächtungvollautomatisierter – das heißt: autonomer – Waffensys-teme einsetzt. Das muss geächtet werden. Ich sage sehrdeutlich: Der Außenminister hat unsere volle Unterstüt-zung auf diesem schwierigen internationalen Weg.
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Unsere Ableh-nung speist sich auch aus den bekannten Fällen, in denenDrohnen aus großer Distanz gesteuert zur gezielten Tö-tung einzelner Menschen eingesetzt werden, auch unterInkaufnahme, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen.Hierzu möchte ich ganz klar sagen: Die Bundesregie-rung lehnt extralegale völkerrechtswidrige Tötungen ka-tegorisch ab. Das gilt für jedes Waffensystem, meine Da-men und Herren.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4055
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
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Ich sage genauso klar: Mit dem Bedarf der Bundes-wehr, den wir jetzt diskutieren, hat ein solches Vorgehenjetzt und in Zukunft nichts zu tun.
Ich sage das mit so großer Gewissheit, weil die Bundes-wehr eine Parlamentsarmee ist. Es sind wir hier im Haus,die festlegen, wie ein Mandat zum Einsatz aussieht. Esgibt keinen Einsatz der Bundeswehr ohne eindeutigeRegularien zum Einsatz von Waffen. Damit ist auch derEinsatz von Drohnen durch die Bundeswehr nur mög-lich, wenn alle völkerrechtlichen und nationalen Regelnbeachtet werden, und zwar nach Billigung durch denDeutschen Bundestag. Deshalb meine ich: Wer das alsParlamentarierin oder Parlamentarier infrage stellt, derentmündigt sich doch selber. Wir sind es, die die Regelnfestlegen. Es ist die Parlamentsarmee, die wir verteidi-gen.
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist welt-weit im Einsatz, um Sicherheit, Stabilität und Frieden zuverteidigen. Wir alle profitieren davon, dass an 365 Ta-gen im Jahr 24 Stunden am Tag Soldatinnen und Solda-ten ihren Dienst tun: in der Heimat, an den Grenzen desBündnisses und weltweit bei Einsätzen. Sie nehmen da-für Gefahren auf sich, und zwar Gefahren für Leib undLeben. Wir alle wissen, so bitter es auch sein mag: Nichtjeder schwere Konflikt und nicht jeder drohende Völker-mord ist allein mit den Mitteln der Diplomatie und derwirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verhindern. Manch-mal ist auch militärisches Engagement im Rahmen unsererBündnisse gefragt. Dann verleiht erst der persönlicheEinsatz unserer Soldatinnen und Soldaten dem Engagementunseres Landes für Frieden und Sicherheit das, was wirdringend brauchen, nämlich die Glaubwürdigkeit. Des-halb geben unsere Soldatinnen und Soldaten uns viel.Das Wichtigste, was wir ihnen geben können, sind Un-terstützung und eine bestmögliche Ausrüstung, umselbst gegen Gefahren geschützt zu sein. Ein Teil dieserAusrüstung sind auch ferngesteuerte Luftfahrzeuge, diesogenannten Drohnen. Die sollten wir ihnen nicht ver-wehren.
Nun endet der ISAF-Einsatz. Welche Szenarien dieZukunft bringt, wissen wir nicht. Es zeichnet sich zurzeitkein Einsatz ab, der eine Befassung mit den Szenarien,die ich eben geschildert habe, notwendig macht. DieAufklärungsdrohne Heron hat gute Dienste geleistet; siewar jeden Tag im Einsatz. Es spricht viel dafür, dass wireine ähnliche Form für die Übergangszeit wählen. Beieiner Neuentwicklung, die mindestens zehn Jahre in An-spruch nehmen wird, plädiere ich für eine europäischeEntwicklung. Dafür haben wir uns bereits im Koalitions-vertrag und in den Schlussfolgerungen des EuropäischenRats vom Dezember 2013 positioniert. Es sollte ein be-waffnungsfähiges Modell sein, über dessen tatsächlichenbewaffneten oder unbewaffneten Einsatz in jedem Ein-zelfall ein Mandat des Deutschen Bundestages entschei-det. Das bedeutet, dass wir alle immer gefordert sind, dieBalance zu finden zwischen dem, was technisch möglichist, und dem, was ethisch vertretbar ist, hier im Bundes-tag, in der EU, in der NATO und auch in den VereintenNationen.Vielen Dank.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin AgnieszkaBrugger das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauMinisterin von der Leyen, zuerst sind Sie vor Bildernmit reinen Aufklärungsdrohnen geflüchtet. Jetzt fordernSie aber Hals über Kopf, dass Deutschland in Zukunftauch Kampfdrohnen einsetzen soll.
Sie behaupten, es gehe nicht um die Beschaffung vonKillerdrohnen, sondern nur um den Schutz der Soldatin-nen und Soldaten. Das ist ein unredlicher Griff in dierhetorische Trickkiste.
Denn Sie unterstellen damit denen, die zu Recht einenkritischen Blick auf Kampfdrohnen haben, dass ihnender Schutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei.
Wir Grüne haben uns in den letzten Jahren nicht nur fürden Einsatz von Aufklärungsdrohnen ausgesprochen,sondern haben immer wieder, vor allem als der Bedarfgroß war, die schnellere Beschaffung von geschütztenFahrzeugen gefordert. Deshalb möchte ich für die grüneBundestagsfraktion die Unterstellung, dass uns derSchutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei, massiv zu-rückweisen.
Unbenommen ist das Argument des Schutzes – dasgestehe ich zu – gewichtig. Es reicht aber allein bei wei-tem nicht aus, um die Beschaffung von Kampfdrohnenzu rechtfertigen; denn auf den ersten Blick bietet per sejedes neue Waffensystem mehr Schutz. Wer Kampfdroh-nen will, muss klare und präzise Antworten auf dieFrage geben, für welche konkreten Einsatzszenarien ak-tuell diese Technologie, die auch mit vielen Gefahrenund Risiken verbunden ist, benötigt wird.
Frau Ministerin, Ihre Antworten – auch die heutigen hierim Plenum – sind mehr als dünn. Es reicht nicht aus, sichhinter Allgemeinplätzen wie „Das Gefühl von Sicherheitist eine Momentaufnahme“ zu verstecken. Sie räumen
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4056 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Agnieszka Brugger
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auch ein, dass es derzeit keine Einsätze gibt, bei denenaus Ihrer Sicht die Bundeswehr Kampfdrohnen braucht.Der Afghanistan-Einsatz, den Sie genannt haben, läuft inseiner bisherigen Form in diesem Jahr aus.Die Kollegen von der SPD haben gestern und vorges-tern noch behauptet, sie sähen keine Notwendigkeit fürKampfdrohnen, und es gebe mit Blick auf die Hub-schrauber und Kampfflugzeuge derzeit keine Fähigkeits-lücke bei der Bundeswehr. Heute macht sich dann aberder Kollege Arnold schon davon und schwenkt auf denKurs der Ministerin und auch in die Drohneneuphorieder Union ein. Nach dem Abzug der Atomwaffen undden Rüstungsexporten wäre das ein weiteres Mal, dassSie eines Ihrer friedenspolitischen Versprechen aus demWahlkampf über Bord werfen. Liebe Kolleginnen undKollegen von der SPD, kehren Sie um! Stehen Sie zu Ih-rer Überzeugung, und stoppen Sie die Beschaffung vonKampfdrohnen!
Frau Ministerin, wenn Sie die Frage nach konkretenEinsatzszenarien nicht beantworten können, dann wer-den Sie Ihrer Verantwortung als Verteidigungsministerinnicht gerecht. Wir Grüne werden Ihnen ganz sicher kei-nen Blankoscheck für diese hochriskanten Waffensys-teme ausstellen.Sie öffnen auf diese Weise aber auch einer Technolo-gie Tür und Tor, die die Kriegsführung in den nächstenJahren massiv, rasant und unwiederbringlich zu verän-dern droht. Sie marschieren in Richtung Kampfdrohnen,aber aufgrund der rasanten technologischen Entwicklungstehen schon hinter der nächsten Ecke autonome Sys-teme. Viele Experten und Techniker, die sich wirklichgut mit der Materie auskennen, wahrscheinlich besserals wir alle hier im Parlament, warnen uns jetzt schoneindringlich davor, unbemannte Plattformen mit Waffenauszustatten; denn schneller, als wir das vielleicht heuteglauben mögen, finden wir uns in einem grässlichenScience-Fiction-Szenario wieder, in dem nicht mehrMenschen, sondern Maschinen über Leben und Tod ent-scheiden. Vor diesem Risiko darf man nicht die Augenverschließen.
Aber wir brauchen nicht nur ein paar Jahre in die Zu-kunft zu schauen. Auch der Blick zurück offenbart diemit Kampfdrohnen verbundenen Risiken; denn sie kön-nen die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Ge-walt auch auf politischer Ebene senken. Da lohnt derBlick auf die Debatte in den USA. Die US-Administra-tion hat Israel im Jahr 2000 massiv dafür kritisiert, dassIsrael bewaffnete Drohnen für extralegale Tötungen jen-seits von bewaffneten Konflikten einsetzt. Ein paar Jahrespäter war es das Mittel der Wahl des Friedensnobel-preisträgers Obama, und es wurde hundertfach Völker-recht gebrochen. Das zeigt doch auch – das ist ein Punkt,mit dem wir uns kritisch auseinandersetzen müssen –,dass die Verfügbarkeit von bestimmten militärischen Fä-higkeiten auch Auswirkungen auf politische Debatten,moralische Wertvorstellungen und rechtliche Überzeu-gungen haben kann. Auch diese Gefahr darf man nichteinfach ignorieren, Frau Ministerin.
Frau von der Leyen, Sie haben Angst, dass wir hiereine technologische Entwicklung verschlafen. WirGrüne haben die Befürchtung, dass Sie die Büchse derPandora öffnen und eine Aufrüstungsspirale in Gang set-zen, die Sie nicht mehr aufhalten können. Die verführe-rische Verheißung, dass ein neues Waffensystem denKrieg präziser, billiger und sauberer macht, hat sich inder Geschichte schon mehr als einmal als sehr böse undsehr trügerische Illusion entpuppt. Ich garantiere Ihnenschon heute, dass wir in ein paar Jahren an diese vielenDebatten, die wir führen, zurückdenken werden und dassSie sich dann vorwerfen lassen müssen, dass Sie leicht-fertig wichtige Argumente gegen Kampfdrohnen in nai-ver und blinder Technikgläubigkeit einfach vom Tischgewischt haben.Vielen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Rainer Arnold
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Neue Waffentechnik verändert das Kriegsgeschehen.Deshalb ist Sorgfalt und Zeit angesagt und, wenn es seinmuss, Skepsis. Das ist besser als blinder Aktionismus.Das Thema Drohnen ist doppelt belastet in der deut-schen Debatte. Zum einen ist es natürlich durch den Ein-satz der amerikanischen Partner zum gezielten Töten au-ßerhalb von Kriegsgebieten belastet. Außerhalb vonKriegsgebieten ist das nach unserer Meinung völker-rechtswidrig, und wir halten es für wichtig, dies auch zubenennen.
Wir halten es deshalb für wichtig, damit sich nicht imSinne von Gewohnheitsrecht eines Tages alle möglichenanderen Staaten auf dieses vermeintliche Gewohnheits-recht berufen können. Deshalb ist klar: Kein deutscherPolitiker, kein deutscher General dürfte solch einen Be-fehl erteilen. Jeder Soldat hätte nicht nur das Recht, liebeKollegen von den Linken, sondern sogar die Verpflich-tung, einen solchen Befehl im Zweifelsfall abzulehnen.Dies muss man deutlich sagen.
Zum anderen ist dieses Thema natürlich auch durchdie unreflektierte Herangehensweise des Verteidigungs-ministers der alten Regierung belastet. Er wollte nuneinmal hopplahopp von den Amerikanern eine Kampf-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4057
Rainer Arnold
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drohne kaufen. Er ist damit gescheitert. Klar ist: Droh-nen und Waffen sind per se ethisch nie neutral. Deshalbmüssen wir über ethische Fragen diskutieren. Einewurde von der Ministerin zu Recht schon angesprochen– es ist nur eine, aber es ist eine wichtige –: Wie könnenwir verhindern, dass weltweit der Weg in vollautomati-sche Kampfsysteme – das ist nicht nur eine Frage vonDrohnen – gegangen wird? Dazu gehört nicht, dass Sys-teme ihren Weg selbst suchen, dazu gehört nicht, dassFilter elektronisch eingeschaltet werden, um Informatio-nen vorzufiltern, sondern dazu gehört im Kern: Ein Sys-tem ist dann automatisch, wenn eine Waffe nicht auf-grund der Entscheidung eines Menschen, sondernaufgrund eines Algorithmus abgefeuert wird.
Dies wollen wir nicht, und wir sind dankbar, dass derAußenminister und die Bundesregierung in New Yorkaktiv sind und wir dies im Sinne von Rüstungskontrolleeinhegen.
Wir wollten eine breite Debatte. Wir haben im Koali-tionsvertrag bestimmte Absprachen getroffen. Die De-batte ist mit dem heutigen Tage bei weitem nicht abge-schlossen. Aber Entscheidungen müssen sein, und zwardeshalb, weil der derzeitige Leasingvertrag für das israe-lische Drohnenprodukt Heron ausläuft. Die Bundeswehrbraucht selbstverständlich eine Aufklärungsdrohne, undsie muss selbstverständlich über die Fähigkeit verfügen,ihr Wissen über die Bedienung von Aufklärungsdrohnenweiterzuentwickeln. Deshalb plädieren wir dafür, dieKooperation mit Israel zu verlängern. Zur Ehrlichkeitgehört nun einmal – liebe Kollegen, ich kann es Ihnennicht anders sagen –: Wenn wir nicht bei den Chineseneinkaufen wollen, müssen wir bewaffnungsfähige Droh-nen kaufen; denn es gibt auf dem Weltmarkt keine ande-ren.Nun dazu, dass die Kollegin Brugger behauptet hat,ich hätte meine Meinung geändert. Frau Kollegin, ichbin hier für Präzision. Ich sagte immer: Die Bundeswehrhat aktuell keine Fähigkeitslücke. Sollte das derzeitigeAfghanistan-Mandat in ein Ausbildungsmandat umge-wandelt werden, werden wir überhaupt keine Mandats-legitimation erteilt haben, nach der die Bundeswehrschwere Waffensysteme – Kampfflieger, Drohnen undvieles andere – einsetzen dürfte. Wir wissen nicht, wasdie Zukunft bringt; aber aktuell haben wir keine Fähig-keitslücke. Deshalb wollen wir das israelische Produktnur als Aufklärungsdrohne.Wir wissen aber: Das Leben geht weiter, und die Weltwird sich verändern. Europa braucht natürlich die Fähig-keit, unbemannte Flugzeuge zu produzieren; denn das istauch im zivilen Bereich eine Schlüsseltechnologie. Wirbrauchen diese Schlüsseltechnologie auch, weil wirnicht von amerikanischen Technologien abhängig seinwollen. Deshalb ist es im Sinne von Kooperation in Eu-ropa und unserer Vision europäischer Streitkräfte richtig,jetzt damit zu beginnen, Partner für eine gemeinsameEntwicklung zu suchen. Zur Ehrlichkeit gehört, festzu-stellen: Es wird keine Partner geben, die eine reine Auf-klärungsdrohne entwickeln wollen;
sie muss zumindest bewaffnungsfähig sein. Wir Deut-schen werden auf der Strecke, die zu beschreiten mögli-cherweise zehn Jahre dauert, noch viel Zeit haben, überdas Ob und das Wie sorgfältig zu beraten; das gilt auchfür die Mitglieder dieses Hauses. Das ist unsere Auf-gabe, und wir werden dies leisten.Der Schutz der Soldaten ist seit vielen Jahren – da binich ganz bei den Grünen – ein gemeinsames Anliegen imVerteidigungsausschuss. Da lassen wir uns von nieman-dem auseinanderdividieren. Dass das so bleibt, wird unswichtig sein. Wenn sich die Welt so ändern sollte, dasswir einmal ein Mandat erteilen müssen, das die Bundes-wehr legitimiert, Bomben abzuwerfen und Raketen ab-zuschießen – niemand will das –, dann können bewaff-nete Drohnen – das ist doch ganz klar – ein Segmentzum Schutz der Soldaten sein. Ihr Einsatz ist nicht derKönigsweg; er ist auch nicht das einzig Sinnvolle. Wirdürfen den Einsatz von Drohnen nicht überhöhen. Bevorwir ein entsprechendes Mandat erteilen, werden wir überden Einsatz von Drohnen intensiv reden müssen. Ichglaube, wir sollten der Bundeswehr die Dinge, die siebraucht, auch ermöglichen.Außerdem sollten wir reflektieren und uns selbst im-mer wieder fragen: Verändern neue Waffensysteme dieEinsatzschwelle, oder – um es klar zu sagen – fiele esuns leichter, Drohnen in einen Einsatz zu schicken, stattMenschen in einen Bodeneinsatz? Ich glaube, dieGrundvoraussetzung dafür, dass man darauf die richtigeAntwort gibt, ist, dass man diese Frage offen auf denTisch legt und reflektiert. Wenn wir aber genau das tunund uns darüber klar werden, was nicht sein kann undnicht sein darf, dann muss und darf dieses Parlamentmeiner Auffassung nach sich selbst vertrauen. Militäri-sche Einsätze hängen nicht von dem ab, was wir haben,sondern davon, was wir politisch wollen und politischbeschließen. Vertrauen Sie sich doch bitte selbst! Wirkönnen auch den Soldaten der Bundeswehr vertrauen,dass sie Waffensysteme immer nur rechtskonform undmandatskonform einsetzen.Recht herzlichen Dank.
Als nächster Redner hat der Kollege Henning Ottedas Wort.
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4058 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Heute wird deut-lich, wer von den Fraktionen im Deutschen Bundestagseiner Verantwortung als Parlamentarier gerecht wird
und die Interessen unseres Landes und seiner Bürgerin-nen und Bürger und damit auch der Soldatinnen und Sol-daten zu schützen bereit ist. Wir als CDU/CSU-Fraktionsind auf jeden Fall dazu bereit.
Es wird auch deutlich, wer aus rein ideologischenGründen nicht dazu bereit ist.
Bei der heutigen Debatte um ferngesteuerte Luftfahr-zeuge mit Aufklärungsoptiken und der Möglichkeit op-tionaler Bewaffnung geht es um eines: Will der DeutscheBundestag unseren Soldaten im Einsatz die Möglichkeitgeben, sich zu schützen und sich gegebenenfalls wehrenzu dürfen,
oder will der Deutsche Bundestag ihnen diese Möglich-keit verwehren? Ihre Aussage war eben ganz klar. Wennes in der Abwägung darum geht, den Schutz unserer Sol-daten zu gewährleisten oder den Schutz von Terroristen,dann weiß ich, wofür Sie sind; da weiß ich das ganz ge-nau.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Sol-daten im Einsatz – auf der Tribüne sitzen auch Soldaten –sind bereit, Leben und Gesundheit für die Sicherheit un-seres Landes einzusetzen, und wir haben die Verpflich-tung, das zu machen, was möglich ist. Es geht darum,eine Schutzlücke zu schließen, um nichts mehr. Vor al-lem der Afghanistan-Einsatz hat deutlich gezeigt, wiewichtig Drohnen zum Schutz und zur Aufklärung sind.Wenn man in Echtzeit den Feind, der anzugreifen ver-sucht, beim Bau einer Sprengfalle beobachtet, dann istdas ein strategischer Vorteil, der im Endeffekt über Le-ben und Tod entscheiden kann. Durch den Einsatz vonDrohnen haben wir in Afghanistan die Sicherheit unsererSoldaten um ein Vielfaches erhöhen können. 87 Länderauf dieser Erde haben solche Aufklärungsmöglichkeiten;seit 2010 sind 1 700 Einsätze geflogen worden. Heutegeht es darum, ob unbemannte ferngesteuerte Luftfahr-zeuge mit der Fähigkeit der Aufklärung auch über einWirkmittel verfügen können, als Ultima Ratio, sozusa-gen ergänzend. Diese Frage müssen wir beantworten.Ich bin unserer Verteidigungsministerin dafür dank-bar, dass wir nach der Anhörung am Montag heute zu ei-ner Entscheidung kommen. Wir haben mit Experten allevölkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen, alle si-cherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig dis-kutiert. Wir haben ein umfassendes und abschließendesBild bekommen, das uns jetzt zu einer Entscheidung be-fähigt.Es geht darum, ob Drohnen die Gefährdung unsererSoldaten mindern können. Wenn Soldaten angegriffenwerden, wenn sie beschossen werden, müssen sie nachdem jetzigen Stand Hilfe über Fluggeräte herbeirufen.Um diese Schutzlücke, um dieses Abwarten geht es. Werschon einmal in einer lebensbedrohlichen Situation war,der weiß, wie lang Minuten werden können, wenn manauf die Hilfe anderer warten muss. Dieser Zeitunter-schied, der zwischen Leben und Tod entscheidet, soll miteinem solchen Mittel reduziert werden.
Das Argument des Schutzes unserer Soldaten undSoldatinnen muss im Bundestag Bestand haben,
und es muss Priorität haben. In Teilen besteht schlicht-weg ein falsches Bild von solchen ferngesteuerten Luft-fahrzeugen, die zusätzlich eine Bewaffnung wie in ei-nem herkömmlichen Flugzeug bekommen sollen. Diesesfalsche Bild ist durch rechtswidrige vollautomatisierteEinsätze geprägt. Unsere Verteidigungsministerin hateben in ihrer Rede ganz deutlich gemacht, dass es so et-was in Deutschland mit dem Deutschen Bundestag nichtgeben wird, dass wir – im Gegenteil – unseren Soldatin-nen und Soldaten einen klaren Handlungsrahmen geben,aber auch Grenzen setzen. Es gibt überhaupt keinen An-lass, an der Zuverlässigkeit und an den moralischenGrundsätzen der Soldatinnen und Soldaten der Bundes-wehr zu zweifeln.
Wer das tut, der will sie bewusst diskreditieren.
Am Ende der Entscheidung stehen immer mehrere Men-schen, die eine militärische Ausbildung haben, die cha-rakterlich und moralisch gefestigt und geprägt sind. DieWelt ist nun einmal nicht friedlich, und solange sie nichtfriedlich ist, müssen wir Vorsorge betreiben. Das ist auchAusdruck von Verantwortung.Woher kommen denn solche Debatten über dieUkraine, über Russland, über den Nahen und MittlerenOsten, über ISIS? Das macht doch deutlich, dass es eineGefährdungslage gibt. Darauf müssen wir uns womög-lich vorbereiten. Es geht aber immer darum, solche Kri-sen und Konflikte mit Diplomatie zu entschärfen und ei-nen Militäreinsatz nur als Ultima Ratio durchzuführen.Wer das Feuerwehrfahrzeug erst dann beschafft, wenndie Scheune brennt, der handelt zu spät. Verantwortungsieht anders aus.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4059
Henning Otte
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Wir lehnen gesetzes- und völkerrechtswidrige Einsätzemit bewaffneten Drohnen ab; aber wir wollen unserenSoldaten die Möglichkeit geben, die Schutzlücke zuschließen. Daher sind wir für eine zeitnahe Anschaf-fung – zum Schutz unserer Soldaten, für die Sicherheitunseres Landes und unserer Bürgerinnen und Bürger.Herzlichen Dank.
Kollege Otte, ich möchte auch Sie bitten, sich an die
parlamentarischen Gepflogenheiten zu halten, sowohl in
der Wortwahl als auch in der Wahl von Vergleichen.
Jetzt hat als nächster Redner der Kollege Andrej
Hunko das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wirsprechen heute über den Einstieg in bewaffnungsfähigeDrohnen, also über Kampfdrohnen. Die Linke sagt ganzklar Nein zu dieser neuen Entwicklung von Offensiv-waffen.
Die angekündigte breit angelegte Debatte in Politikund Gesellschaft hat nicht stattgefunden. Wir haben amMontag im Verteidigungsausschuss – kurz vor der Som-merpause, am Rande der Fußball-WM – eine interes-sante Anhörung gehabt. Aber das ist noch nicht dieDebatte, die wir brauchen. Wir brauchen eine ernsthaftegesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Es wird viel über die Fürsorge von Soldaten gespro-chen. Das ist natürlich ein berechtigtes Anliegen. Aberich habe manchmal, auch bei den gegenwärtigen Kon-zepten, den Eindruck, dass es hier auch um die Fürsorgeder europäischen Drohnenindustrie geht.
Dreistellige Millionenbeträge sind schon an deutscheRüstungskonzerne geflossen. Ich erinnere daran, dassDeutschland ab 2023 auch bis zu vier Drohnen des TypsGlobal Hawk kaufen will. Die milliardenschweren Rie-sendrohnen gehören dann zwar zur NATO, werden abervon Deutschland finanziert und betrieben. Wie die be-waffnete Drohnenflotte wären sie dann in Schleswig-Holstein stationiert, wo auch schon die Voraussetzungengeschaffen werden.
Das Verteidigungsministerium behauptet, man habesich noch nicht entschieden, ob für die Übergangszeit,für die nächsten zehn Jahre, Drohnen auf dem Markt ge-kauft oder geleast werden sollen. Wahrscheinlich, hörtman aus dem Verteidigungsministerium, sollen Reaper-Drohnen aus den USA geleast werden – Reaper heißtSensenmann; das spricht schon für sich –; aber ab 2023sollen europäische Rüstungskonzerne in der Lage sein,eigenständig europäische Kampfdrohnen zu produzie-ren. Das lehnen wir klar ab.
Diese Übergangszeit ist genau die Zeit, die zum Bei-spiel das deutsch-französische LuftfahrtunternehmenAirbus Defence braucht, um eine solche Drohne zu ent-wickeln. Airbus sitzt hierbei mit dem französischen Un-ternehmen Dassault und dem italienischen UnternehmenAlenia in einem Boot. Fraglich ist nur – das ist gerade inder Diskussion –, ob auch Großbritannien am Bau dieserzukünftigen EU-Langstreckendrohne beteiligt wird undob auch Länder wie die Türkei mitmachen. Die europäi-sche Drohne, die MALE, könnte in rund zehn Jahren inSerienproduktion gehen und mit Überwachungs- undAufklärungssensorik, aber auch mit Raketen bestücktwerden. Gleichzeitig werden bei der EuropäischenUnion alle Weichen gestellt, damit auch andere Regie-rungen zügig über diese bewaffneten Flugroboter verfü-gen können. Frau Verteidigungsministerin, wieso sorgenSie nicht dafür, dass auch in der EU und in der NATOeine breite Debatte über die völkerrechtlichen, verfas-sungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischenFragen stattfindet?
Mehr als 300 Millionen Euro hat die EU bereits in derDrohnenforschung versenkt. Bis 2028 will die EU-Luft-fahrtagentur große Drohnen vollumfänglich in die zivileLuftfahrt integrieren. Dabei geht es nicht nur um Zulas-sung und Zertifizierung großer unbemannter Flugzeuge;geforscht wird auch an der Eignung der bislang nur mili-tärisch genutzten Langstreckendrohnen für polizeilicheund grenzpolizeiliche Zwecke. Auch das ist Teil der De-batte. Es geht nicht nur um Kampfdrohnen, sondern auchdarum, dass Drohnen zum Beispiel zur Grenzsicherungeingesetzt werden sollen.Kampfdrohnen sind als Offensivwaffen konzipiert.Sie senken die politische Hemmschwelle – ich rede jetztnicht vom Soldaten am Joystick – bei der Entscheidungüber Militäreinsätze. Sie führen zur Entgrenzung desKrieges, zeitlich und räumlich. Ich finde, die Bundes-regierung sollte sich in internationalen Organisationendafür einsetzen, dass es eine internationale Konventionzum Einsatz von Drohnen gibt, nicht nur zur Frage dervollautomatisierten Waffen, wie Sie angekündigt haben– was ich begrüße –, sondern auch zur Frage der geziel-ten Tötungen und des Einsatzes von Kampfdrohnen.
Sie haben gesagt, über 80 Länder haben doch Drohnen;über ein Viertel bewaffnungsfähige Drohnen. Auch dasist ein Grund für eine internationale Debatte, um zu einerKonvention zu kommen. Auch in den USA gibt es ge-genwärtig eine sehr kritische Debatte. Daran könnte man
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4060 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Andrej Hunko
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anknüpfen. Die Gelegenheit ist günstig, einen solchenVorstoß zu machen.Ich sage zum Schluss: Ich wünsche mir, dass Wissen-schaftler und Ingenieure ihre Kreativität und ihre Intelli-genz für sinnvolle Projekte einsetzen – für den Umstiegauf erneuerbare Energien, gegen den Klimawandel, ge-gen den Hunger in der Welt –, aber nicht zur Entwick-lung automatisierter Tötungsmaschinen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang
Hellmich das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meinem Vorredner würde ich eine Lektüreempfehlunggeben, nämlich den im Jahr 2011 erschienenen Berichtzur Technikfolgenabschätzung unbemannter Systeme.Viele Fragen, die wir hier diskutieren, werden in diesemBericht angesprochen, und es werden Handlungsemp-fehlungen gegeben. Diese Debatte ist schon älter, sie istnicht aktuell, frisch und ganz neu. Ich glaube, dass wiruns darum kümmern müssen, dass diese Debatte ver-sachlicht und nicht emotionalisiert wird. Die Befürch-tungen, die es in der Gesellschaft gibt – die auch berech-tigt sind und um die man sich kümmern muss –, dürfennicht in einer Art und Weise aufgebläht werden, dass wiram Ende politisch nicht mehr in der Lage sind, damitsachgerecht und ordentlich umzugehen.Worum geht es? Es geht darum, dass ein System be-schafft werden muss, um eine Fähigkeitslücke für eineabsehbare Zeit zu schließen. Es geht um das ThemaÜberwachung mithilfe von MALE-Drohnen. Es geht umeine Entscheidung, die auf europäischer Ebene bereitsgefallen ist, nämlich darum, eine Drohne zu entwickeln,die genau diese Fähigkeiten beinhaltet. Wir sollten unshier nichts vormachen. Eine europäische Entwicklungmit allen unseren Nachbarn, die daran beteiligt sind,wird immer nur im Zusammenhang mit einer Bewaff-nungsfähigkeit möglich sein. In der NATO-Parlamenta-rierversammlung vor nicht allzu vielen Wochen ist dieseFrage diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass die eu-ropäischen Nachbarn und Partner gesagt haben: Ja, eswird eine solche Entwicklung geben, aber die Entschei-dung über die Frage, ob bewaffnet wird oder nicht undwomit, fällt jedes Land für sich alleine, es ist die eigeneKompetenz. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass eseinen Parlamentsvorbehalt gibt, dass das Parlament ent-scheidet, was wir im Falle des Falles tun.
Bitte keine Verengung in der Form, dass wir mit unse-rer Entscheidung oder Nichtentscheidung – ganz egal –international dafür sorgen könnten, dass diese Systemenicht beschafft, nicht bewaffnet würden und nicht unter-wegs wären. Wir alle wissen, dass es anders ist. Diegrößten Abnehmer – nach den Zahlen, die im Momentinternational bekannt sind – sind Indien und Pakistan,Regionen, die gerade dabei sind, sich mit allen Waffen-systemen, die es gibt, aufzurüsten.
Die Frage, wie wir mit der Proliferation umgehen, istfür mich ein ganz entscheidender Punkt, um auf interna-tionaler Ebene bei der präventiven Rüstungskontrolle einProblem einzuhegen, das wir in der Tat haben. Wir wä-ren nicht glaubwürdig und könnten international nichtauftreten, wenn wir nicht deutlich machen könnten, dasswir mit unseren Einsatzregeln zu jedem Zeitpunkt dieRegeln des humanitären Völkerrechtes, des humanitärenKriegsrechts einhalten.
Jede andere Unterstellung führt in die Irre. Ich sage andieser Stelle: Die Unterstellung, dass wir alle nicht in derLage wären, solche Situationen politisch einzuschätzen,kann ich nicht akzeptieren und sie ist auch falsch.
Ich freue mich auch, dass die Ministerin deutlich ge-macht hat, dass die Frage der Bewaffnungsfähigkeit,dass die Frage, wie wir international damit umgehen undwie andere damit umgehen, nach unseren politischenMaßstäben eindeutig abzulehnen ist. Das, was die USAund andere Länder machen,
entspricht nicht den Regeln, die wir einhalten wollen.
Ich plädiere eher dafür, dass wir uns in der präventivenRüstungskontrollpolitik intensiv mit dem Thema derDrohnen und damit, was sie darstellen, was sie tatsäch-lich sind, auseinandersetzen.Wir brauchen eine Regelung im Rahmen des KSE-Vertrages, um eine Begrenzung der Zahl der eingesetz-ten Drohnen europaweit durchzusetzen
und ein Kontrollregime zu haben, welches prüft, wasdenn eigentlich in Europa mit diesen Systemen passiert.Wir brauchen eine Pflicht zur Anmeldung im Rahmender Vereinbarungen des Wiener Dokumentes, weil wir soin der Lage sind, zu sehen, was unsere Bündnispartnereuropaweit eigentlich mit den Drohnen machen. Wirbrauchen eine Verifikationsfähigkeit. Wir brauchen eineAnmeldung der Drohnen im UN-Waffenregister. IhrHinweis, dass sich der Außenminister vor wenigen Wo-chen dafür eingesetzt hat, im Hinblick auf autonomeSysteme international vorzugehen, war richtig; aber esgeht hier nicht um autonome Systeme, sondern um dieSysteme, die in Europa entwickelt werden. Dies zu ver-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4061
Wolfgang Hellmich
(C)
(B)
mischen, ist politisch unredlich und, wie ich glaube,nicht zulässig.
Wir haben internationale Verträge, von denen Droh-nen und das, was sie leisten, bereits erfasst werden, ob esdie Verträge zur Begrenzung der Chemiewaffen und derbiologischen Waffen sind, in denen auf unbemannte Sys-teme Bezug genommen wird, die in diesem Kontext ver-boten sind, ob es um Verträge zu ballistischen Raketenund landgestützten Marschflugkörpern geht. Auch indiese sind UAVs aufzunehmen, denn sie gehören in dasRegime dieser Verträge und können darin erfasst wer-den.Es ist ein Auftrag an die internationale Politik und anunsere Abrüstungspolitik, dafür zu sorgen, dass dieSysteme, die da auf dem Wege sind, eingehegt und ein-gegrenzt werden und die geltenden Regeln letztendlichinternational durchgesetzt werden, nämlich die des hu-manitären Völkerrechtes. Bei uns gelten diese Regeln.Unsere Rules of Engagement, unsere Einsatzregeln, ma-chen sehr deutlich, dass bei jeder menschlichen Ent-scheidung die Gebote der Verhältnismäßigkeit der einge-setzten Mittel, der Zurechenbarkeit der Mittel und derBeschränkung der Mittel zur Anwendung kommen undzur Praxis gehören. Ich glaube, mit diesen Regeln sindwir in der Lage, alle Waffensysteme in einer Art undWeise einzusetzen, die mit dem Völkerrecht vereinbarist. In diesen Regeln wird unterschieden, wie Flugzeuge,Hubschrauber und andere militärische Systeme zum Ein-satz kommen können.Auch mich haben die technologischen Möglichkeitenund Entwicklungen erschreckt. Ich glaube, wir alle sinduns darüber einig, dass alle militärischen Systeme, ganzegal, welche es sind, dann nicht mit unseren Grundsät-zen vereinbar sind, wenn sie letzten Endes nicht der Ent-scheidung des Menschen unterliegen. Sobald eine solcheSituation eintritt, ist die Entwicklung solcher Waffensys-teme abzulehnen.
Vielen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Omid
Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unbe-mannten Systeme verändern die Kriegsführung massiv.Damit geht – das haben Sie, Frau Ministerin, geraderichtig beschrieben – ein großes Unbehagen in der Be-völkerung einher. Es lohnt sich, einmal genauer daraufzu schauen, warum dieses Unbehagen existiert und wo-her es eigentlich kommt, und das im 13. Jahr des War onTerror. Man muss nach Pakistan, nach Jemen, nach So-malia und auf die gezielten Tötungen schauen, die esdort gibt, die alle extralegal sind. Die USA sagen, dassdiese Tötungen nicht extralegal seien, weil sie ein Rechtauf Selbstverteidigung hätten. Nur führt diese Ausle-gung des Rechts auf Selbstverteidigung in der Praxis zueiner Entgrenzung des Krieges.Pakistan. Seit zehn Jahren gab es dort Angriffe; manschätzt die Zahl konservativ auf 350. Es gab mindestens2 500 Tote, darunter 950 Zivilisten und 200 Kinder. Al-lem voran wurden Gebiete in Nordwasiristan getroffen.Die Operationen werden von der CIA geführt; sie wer-den gar nicht vom Militär geführt. Die Praxis ist, dassalle erwachsenen Männer in der Umgebung eines ver-meintlichen Terroristen auch Terroristen sein müssten;dementsprechend wird dort gehandelt. Das hat nicht nurmit dem Völkerrecht nichts zu tun, sondern hat auch einefatale Folge, nämlich dass viele Menschen den Radika-len zulaufen, gerade weil sie – das zeigen viele Studienaus den Gebieten – diese Praxis ablehnen und die Sym-bolik des Einsatzes von Drohnen, nämlich David gegenGoliath, sie dazu antreibt, zu Extremisten zu werden.Das ist eine fatale Entwicklung.
Schauen wir nach Jemen. Auch dort gibt es regelmä-ßig Angriffe; es gab bis zu 500 Tote. Die Mär, dassDrohnen ja so unglaublich präzise seien, ist auch dortdas eine oder andere Mal auf tragische Art und Weiseentkräftet worden, beispielsweise im Dezember 2013:Ein Autokonvoi wurde angegriffen. Es wurden Al-Qaida-Kämpfer darin vermutet, aber es war eine Hochzeitsge-sellschaft. Es gab 12 Tote und 15 Schwerverletzte.Sie haben von Unbehagen gesprochen. Es stellt sichdie Frage, ob diese Art und Weise der Auslegung desVölkerrechts eine rein amerikanische Geschichte ist, jaoder nein. Frau Ministerin, Sie haben gesagt: ExtralegaleTötungen lehnen wir ab. – Das ist ein Satz, den wir allesofort unterschreiben würden. Die Frage ist nur: Wie,wer und vor allem wann wird das einmal gegenüber denAmerikanern formuliert? Wann wird endlich den ameri-kanischen Freunden gesagt, dass diese Praxis komplettindiskutabel ist?
Eine vorläufige Antwort darauf gab es am 28. Märzdieses Jahres. Pakistan und Jemen haben eine Resolutionin den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einge-bracht, mit der sie nichts anderes wollten, als Transpa-renz in Bezug auf Drohnenangriffe herzustellen. DieseResolution ist zwar angenommen worden, aber die USAhaben dagegen gestimmt, und Deutschland hat sich ent-halten.
Das ist nicht unbedingt eine Maßnahme, die Vertrauenschafft. So können wir nur schwer glauben, dass derSatz: „Wir lehnen extralegale Tötungen ab“, auch tat-sächlich umgesetzt wird.
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4062 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Omid Nouripour
(C)
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Es ist immer wieder berichtet worden, dass AFRICOMin Stuttgart der Auswahl und Identifikation von Zielen inAfrika dient. Da reden wir eindeutig von extralegalenTötungen und Völkerrechtsbruch. Die territoriale Souve-ränität von Staaten wird verletzt; das wird aber gegen-über den USA nicht angesprochen. AFRICOM geht vondeutschem Boden aus. Das heißt, es ist nicht nur völker-rechtswidrig, sondern es verstößt auch gegen deutschesRecht. Wir müssen leider feststellen, dass die Bundesre-gierung vor dieser Tatsache ganz fest die Augen ver-schließt.
Der Drohnenpilot Brandon Bryant, der sehr exponiertüber seine Erfahrungen spricht, sagt, dass Ramstein fürden US-Drohnenkrieg in Pakistan und im Jemen so et-was wie die Relaisstation sei und dass die dortige Radar-anlage für die Angriffe von zentraler Bedeutung sei.Auch das ist mit deutschem Recht nicht vereinbar.Als Präsident Obama in Deutschland war, wurde er,wenn ich das richtig sehe, lediglich von Journalisten da-rauf angesprochen. Seine Antwort war nicht, dass daspassiert, er sagte nur, dass die Planungen nicht von deut-schem Boden ausgehen; das hat aber vorher auch nie-mand behauptet. Es ist tragisch, dass niemand nachge-fragt hat und dass die deutsche Bundesregierung einfachweghört, nur weil das Thema nicht angenehm zu seinscheint.Das ist der Grund für das genannte Unbehagen. Dasist der zentrale Grund dafür, dass wir nicht daran glau-ben – auch wenn es immer wieder gesagt und auch inKoalitionsverträge hineingeschrieben wird –, dass extra-legale Tötungen tatsächlich abgelehnt werden. Die Um-gehungsmöglichkeiten sind einfach immens. Von derBundesregierung gehen auch keinerlei Aktivitäten aus,die glaubhaft machen würden, dass es keine Umgehunggeben wird.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ferngesteu-erte Luftfahrzeuge, wie der Heron, den wir in Afghani-stan einsetzen,
sind bereits heute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklä-rung und zum effektiven Schutz unserer Soldatinnen undSoldaten im Einsatz.Vorgestern haben wir in einer öffentlichen Anhörungdes Verteidigungsausschusses erörtert, ob es Sinn macht,unsere Streitkräfte auch mit einer bewaffnungsfähigenDrohne auszurüsten. Ich möchte hierzu Folgendes an-merken.Der Wehrbeauftragte und die Vertreter der Bundes-wehr haben ein eindeutiges Plädoyer für die Beschaf-fung bewaffneter Drohnen abgegeben. Liebe Kollegin-nen und Kollegen, wir sollten auf unsere Soldaten hören;denn sie sind es, die von diesem Parlament in Einsätzegeschickt wurden und ganz sicher auch zukünftig in Ein-sätze geschickt werden.
Unsere Soldatinnen und Soldaten sind diejenigen, dieschwierigste Situationen meistern müssen und imschlimmsten Fall unter Beschuss stehen. Wir hier imDeutschen Bundestag tragen gerade deshalb ein hohesMaß an Verantwortung für diese Männer und Frauen, de-ren Leib und Leben bedroht sein könnten.
Für mich wäre es nicht nachvollziehbar, wenn dieTruppe im Einsatz Fähigkeitslücken hinnehmen müsste,die ihre Sicherheit unnötig gefährden würden. Das darferst recht nicht geschehen, wenn sich in Konfliktregio-nen weder terroristische Kräfte noch Kombattanten anRegeln des humanitären Völkerrechts bzw. des Kriegs-völkerrechts halten. Wenn ich das sage, habe ich ebensowie viele Kolleginnen und Kollegen Bilder aus Afgha-nistan vor Augen: Angriffe mit hinterhältigsten Spreng-fallen und Feuerüberfälle aus dem Hinterhalt.Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, dass derzeitkeine Szenarien für den Einsatz von Drohnen erkennbarsind. Der Frieden in vielen Teilen der Welt ist fragil oderbedroht. Die Aufträge, die dieses Parlament an die Bun-deswehr vergeben hat oder noch vergeben wird, sindvielfältig. Einsatzszenarien – das lehrt uns die jüngsteGeschichte – können sich sehr schnell ändern.Bewaffnete Drohnen liefern gerade in diesen mögli-chen asymmetrischen Konflikten präzise Aufklärungser-gebnisse in Echtzeit und, falls erforderlich, eine schnelleBekämpfung identifizierter Angreifer. Das ist durch her-kömmliche Luftnahunterstützung nicht oder nur sehr be-dingt zu gewährleisten. Eine bewaffnete Drohne wärenach den bekannten Einsatzregeln schon heute ein reindefensives Waffensystem, und zwar ausschließlich.
– Das glaube ich sehr wohl; denn diese Bundeswehragiert mit defensiven Waffensystemen und reagiert nur,wenn unsere Kameradinnen und Kameraden angegriffenwerden.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4063
Ingo Gädechens
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Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dasssich im Zweifelsfall durch präzise Aufklärungsergeb-nisse unerwünschte Kollateralschäden am ehesten ver-meiden lassen.Ich sehe nicht die Gefahr einer Ausweitung oder Ent-grenzung von Waffengewalt. Hinter jeder Drohne – auchdas führte die Ministerin aus – steht ein Team aus erfah-renen Piloten und Aufklärern, das jede Entscheidungnach klar definierten Einsatzregeln sorgsam abwägenmuss.
Wer die Innere Führung und den Geist der Bundeswehrkennt, weiß, dass sie in der Vergangenheit stets überausrestriktiv und verantwortungsvoll, wenn nötig auch ent-schlossen mit ihren Mitteln umgegangen ist. Deshalb ha-ben unsere Soldaten das von der Opposition teilweise ar-tikulierte Misstrauen wirklich nicht verdient.
Die bisherigen Einsatzerfahrungen und rechtlichen Rah-menbedingungen, an die alle deutschen Soldaten im Ein-satz gebunden sind, rechtfertigen Zweifel jedenfallsnicht.Eine durchaus berechtigte Frage, gerade hier im Par-lament, ist, wie bewaffnete Drohnen in Konflikten ein-gesetzt werden sollen. Es ist gar keine Frage – auch dasist mehrfach betont worden –: Völkerrechtswidrige Ein-sätze sind kategorisch abzulehnen. Wir sprechen uns füreine Ächtung von automatisierten Systemen aus. Geradedeshalb rate ich den Damen und Herren der Opposition:Streichen Sie das Bild der Killerdrohne aus Ihrem Kopf.
Das ist nicht das, worüber wir hier heute reden, und dasist auch nicht das, was wir wollen. Wer unsere Bundes-wehr in Auslandseinsätze schickt und diesen notwendi-gen Schutz verweigert, versündigt sich an Soldatinnenund Soldaten.
Das sagte nicht nur der Wehrbeauftragte in der Anhö-rung vorgestern, das sage auch ich.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-
ordneten Gabi Weber, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegenund Kolleginnen! Ich hatte eigentlich vor, meine Rededamit zu beginnen, das, was den Kolleginnen und Kolle-gen von der Bundeswehr hier unterstellt wird – die Bun-deswehr würde handeln wie die USA; das kommt in vie-len Debattenbeiträgen rüber –, zurückzuweisen. NachIhrer Argumentation, Herr Gädechens, ist das für michallerdings ein bisschen schwierig.
Deshalb konzentriere ich mich jetzt erst einmal auf das,was ich ansonsten vorbereitet habe. Der Ablauf dieserDebatte zeigt mir, dass es notwendig ist, diese Debattezu versachlichen; denn mit emotionalen Vorwürfen kom-men wir in dieser Frage einfach nicht weiter.
Deshalb geht es mir wirklich darum, das an einigen Stel-len klarzustellen, damit wir nachher weniger aufgeregtund stärker an der Sache orientiert über die politischeFrage diskutieren können, ob, und, falls ja, welche, Luft-fahrzeuge die Bundesregierung beschaffen oder mietensoll.Worum geht es denn eigentlich? In Afghanistan setztdie Bundeswehr seit 2010 drei israelische Aufklärungs-drohnen ein. Diese unbemannten Flugzeuge – ich sagebewusst: Flugzeuge –
werden von mehreren Piloten aus einem Kommando-stand am Boden gelenkt. Ihre Aufgabe ist es, über einenlängeren Zeitraum, bis zu 24 Stunden, einen Ort odereine Region zu überwachen. Sie beschaffen Informatio-nen, was dort vorgeht und wie die Lage ist. Das ist not-wendig, um beispielsweise Bundeswehrpatrouillen nichtin einen feindlichen Hinterhalt geraten zu lassen oder umStraßen zu überwachen und gegebenenfalls Sprengla-dungen, die dort vergraben wurden, ausfindig und un-schädlich zu machen.Die drei unbemannten Luftfahrzeuge wurden zu-nächst für drei Jahre gemietet, der Vertrag wurde dannmehrmals verlängert. Ab Mai 2015 benötigt die Bundes-wehr eine Nachfolgelösung, damit die militärische Fä-higkeit, eigene Bilder und Erkenntnisse zu bekommen,erhalten bleibt. Logischerweise ist diese Nachfolgelö-sung auf einem technisch höheren Niveau als bisher, da-mit verbunden auch bewaffnungsfähig.
Aber nur, weil sie bewaffnungsfähig ist, heißt das dochnicht, dass man sie auch bewaffnen muss. Diese Auto-matismen muss man einfach zurückweisen. Da habenSie eine Schere im Kopf, die sollten Sie entfernen.
Unserer Meinung nach müssen die nicht bewaffnet sein.Vielmehr sollen sie wie bisher, allerdings mit einer bes-seren Qualität, im Rahmen von Bundeswehreinsätzen inKonfliktgebieten Aufklärung zum Nutzen der eigenenSoldaten und der Zivilbevölkerung leisten.
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4064 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Gabi Weber
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Darüber hinaus benötigt diese Debatte einige weitereKlarstellungen. Konkret: Worum geht es denn nicht?Wenn es um die Bewaffnung geht, wird argumentiert,die eigenen Soldaten müssten aus der Luft unterstütztwerden. Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch.Wir tragen natürlich die Verantwortung, unsere eigenenSoldaten und Soldatinnen in den Einsätzen zu schützen,in die wir sie per Bundestagsbeschluss entsenden.
Wir besitzen aber doch bereits entsprechende Flugzeugeund Hubschrauber, die für viel Geld beschafft wurden.Diese sind nicht zum Anschauen da, sondern um sie ge-gebenenfalls einzusetzen, um genau diesen Schutz zugewährleisten. Das sollten wir in der Diskussion nichtausblenden, wenn wir jetzt so tun, als ob es darum geht,eine riesige Fähigkeitslücke zu schließen, damit die Sol-daten und Soldatinnen dort gesichert sind. Sie sind es.Wir sollten deshalb erst noch einmal genau überprüfen,was wir haben und ob damit nicht die gewünschte Auf-gabe viel besser schon jetzt erfüllt werden kann.Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, überden wir in absehbarer Zeit nicht entscheiden werden, denwir aber in jedem Fall zügig angehen müssen. Auch derNachfolger der aktuell genutzten Heron-Drohne wird pi-lotengesteuert fliegen, höchstens teilautonom bei länge-ren Strecken. Bezogen auf reine Flugmanöver ist gegenAutonomie nichts zu sagen. Seit Jahren steuern Auto-piloten Verkehrsflugzeuge automatisch und sicher zumnächsten Flughafen. Aber bei dem Gedanken, dass einComputer darüber entscheiden soll, ob eine Waffe abge-feuert wird, und dies auch tatsächlich durchführt, stellensich mir allerdings die Nackenhaare auf.
Dies halten wir für absolut nicht sinnvoll. Dies lehnenwir ausdrücklich ab und wollen wir international geäch-tet sehen.
Nicht nur die Frage der Verantwortung bliebe dann un-beantwortet, sondern es wäre auch höchst unethisch,wenn eine Maschine selbsttätig über Gewalt gegen Men-schen entscheiden würde. Die letztendliche Entschei-dung muss immer bei einem Menschen liegen. Dahermuss sich die Bundesregierung jetzt international enga-gieren, um eine Ächtung von autonom agierenden Waf-fensystemen zu erreichen. Die bisher vorbereitendenAnsätze, im Rahmen des Übereinkommens über kon-ventionelle Waffen, CCW, ein Verbot zu erreichen, stim-men mich an dieser Stelle positiv.Ich denke, wir sollten in dieser Debatte die Emotio-nen ein Stück weit herausnehmen und die Kirche imDorf lassen. Wenn es um die Bewaffnung von Drohnengeht, bin ich aus den vorgenannten Gründen sehr skep-tisch.
Aber im Herbst steht eine Entscheidung über moderneunbemannte Überwachungsflugzeuge bevor, wie ge-sagt, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir hatten ja am Montag die Anhörung. ImVorfeld wurde öfters die Frage gestellt, ob denn dieseAnhörung überhaupt zweckmäßig ist, weil doch sowiesodie meisten Abgeordneten schon eine feste Meinung ha-ben, was die Beschaffung von bewaffnungsfähigenDrohnen angeht.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es in der Tat auch beimir so ist, dass ich schon vorher eine feste Meinunghatte
und dass diese Anhörung daran auch nichts geändert hat.Aber ich glaube, dass diese Anhörung trotzdem sehrwichtig war, nicht nur, weil sie interessant war, sondernauch, weil sie die Erkenntnisse vertieft und weil sie vorallem – das ist der eigentliche Wert – zu einer Entdämo-nisierung dieses Themas und zur Versachlichung beige-tragen hat; das kann man in der Berichterstattung derMedien gut nachlesen. Deswegen war diese Anhörungsehr wichtig.Sie hat auch Klarheit und Schärfe gebracht, wenn esdarum geht, welche Begriffe wir eigentlich benutzen. Ichmöchte Ihnen ein Beispiel nennen. Wir reden oft von„unbemannten Systemen“. Dieser Begriff ist falsch. Wa-rum ist dieser Begriff falsch? Weil er suggeriert, dass derMensch aus diesem System herausgenommen wird. Ge-nau das ist bei einer Drohne, so wie wir über sie gespro-chen haben, eben nicht der Fall. Der Mensch ist weiterim System drin. Es ist deswegen auch nicht in Ordnung,wenn man über Vollautomatisierung oder autonome Sys-teme spricht, so zu tun, als handele es sich um Compu-terspiele oder als stünde ein Roboterkrieg kurz bevor.Das ist der Teufel, der an die Wand gemalt wird. Das istunverantwortlich. Das sollten wir unterlassen.Diese Anhörung hat außerdem eines deutlich ge-macht: Neubewertungen nach ethisch-moralischen Stan-dards sind in diesem Fall nicht nötig. Es gibt keinen sub-stanziellen Unterschied zwischen den altbekanntenLenkwaffen, die beispielsweise von Schiffen oder Hub-schraubern aus eingesetzt werden, und Drohnen, so wiewir über sie gesprochen haben. Denn in beiden Fällenentscheidet ein Mensch bzw. entscheiden Menschenüber einen Einsatz.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4065
Florian Hahn
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschaffungvon Drohnen ist auch eine Frage der Verantwortung nachinnen und nach außen: nach außen, weil es auch darumgeht, unseren Bündnispartnern Schutz und Unterstüt-zung zu gewähren – gerade hier sind wir als große Wirt-schaftsnation in einer besonderen Verantwortung –, undnach innen, weil wir eine Fürsorgepflicht für unsere Sol-daten haben. Das heißt, wir sind dafür verantwortlichund verpflichtet, unseren Soldatinnen und Soldaten diebeste Ausrüstung, die möglich ist, zu geben. Wir sindauch verpflichtet, das Risiko für unsere Soldatinnen undSoldaten so gering wie irgend möglich zu halten, wennwir sie in einen Einsatz schicken.
Ein wichtiger Aspekt von verantwortlicher, verant-wortungsbewusster Sicherheitspolitik ist Unabhängig-keit. Deshalb ist es richtig, nicht nur über die Beschaf-fung eines solchen Systems zu diskutieren, sondern auchzu überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, diese Entwicklun-gen selbst durchzuführen, um die Technologie zu verste-hen und beherrschen zu können. Verantwortliche Politikheißt auch, die Beschaffung nicht nur nach aktuellerLage zu planen, sondern auch an das Unwahrscheinlichezu denken, meine Damen und Herren, weil wir sonst im-mer zu spät dran sind.Afghanistan ist ein gutes Beispiel dafür. Niemand hatvor dem 11. September 2001 an einen Einsatz der Bun-deswehr in Afghanistan gedacht oder sich dieses Szena-rio vorstellen können. Deswegen war die Bundeswehrnicht gut ausgerüstet, als sie in diesen Einsatz gegangenist. Es hat – wir mussten das leidvoll erfahren – vieleJahre gebraucht, bis wir ausreichend nachgerüstet haben.Übrigens, die Zurverfügungstellung von Kampfhub-schraubern und die Zurverfügungstellung der Panzer-haubitzen haben mehr Sicherheit gebracht und natürlichauch die Wirkungsmöglichkeiten erhöht. Aber das hatnicht dazu geführt, dass unsere Soldatinnen und Solda-ten unverantwortlich oder gar enthemmter gehandelt hät-ten.Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht einWaffensystem begeht den Bruch von Völkerrecht, son-dern diejenigen, die das System rechtswidrig einsetzen.In Anbetracht des Parlamentsvorbehalts und mit Blickauf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich über-haupt keine Sorge, dass wir Gefahr laufen, solche Sys-teme völkerrechtswidrig einzusetzen, mit Blick auf un-sere Bundeswehr erst recht nicht. Unsere Soldatinnenund Soldaten handeln seit Jahren und Jahrzehnten ver-antwortungsbewusst und nicht leichtfertig oder gar ent-hemmt. Darauf können die Soldatinnen und Soldatenstolz sein, und wir können auf unsere Soldatinnen undSoldaten stolz sein.
Abschließend möchte ich sagen: Es ist richtig, in dieEntwicklung von ferngelenkten, bewaffnungsfähigenDrohnen zu gehen. Bewaffnungsfähig heißt: Die Drohnekann, aber muss nicht bewaffnet sein. Drohnen könnenunsere Soldatinnen und Soldaten schützen. Die Entwick-lung derartiger Drohnen macht Europa, macht Deutsch-land von anderen unabhängig.Herzlichen Dank.
Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde erteile
ich das Wort der Abgeordneten Gisela Manderla, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen undKolleginnen! Nach der Anhörung am Montag und nachder heutigen Debatte, nach der ganzen Bandbreite vonPro- und Kontraargumenten bezüglich der Beschaffungferngesteuerter, bewaffnungsfähiger Luftfahrzeuge, möchteich meinen Beitrag mit einer persönlichen Schilderungbeginnen.Bei meinem ersten Besuch unseres Kontingents inAfghanistan mussten wir in Termes einen Zwischen-stopp einlegen. In der Dämmerung fiel mir auf, dass überdem dortigen Stützpunkt weiße Zeppeline schwebten.Ich habe mich dann nach ihrer Funktion erkundigt underfuhr, dass diese Ballons mit Kameras ausgerüstet sind,um die weitere Umgebung des Lagers zu kontrollierenund mögliche Bedrohungen, etwa die Platzierung vonSprengfallen an den Zufahrtsstraßen, frühzeitig zu er-kennen. Mein zentraler Gedanke in diesem Moment war:Gut, dass es diese Vorrichtung gibt, um unsere Soldatin-nen und Soldaten entsprechend vorzuwarnen und sie da-durch effektiv zu schützen.Jetzt könnten sich Teile dieses Hauses aufregen undsagen: Ein Zeppelin ist doch keine Drohne! – Dasstimmt; aber was ich damit sagen will: Im Grundsatz ste-hen wir bei der Ausstattung unserer Einsatzkontingenteimmer vor der gleichen Frage: Welche Maßstäbe, welcheLeitprinzipien legen wir bei der Entsendung unserer Sol-datinnen und Soldaten an? An dieser Stelle sage ich ganzdeutlich: Die Sicherheit, der Schutz unserer Frauen undMänner im Einsatz, hat oberste Priorität. Das dürfen wirnie aus den Augen verlieren, liebe Kollegen und Kolle-ginnen.
Flankiert wird dieses Leitmotiv, dieser Grundge-danke, von zwei weiteren Eckpfeilern: Das ist einerseitsdie Auftragserfüllung und andererseits die Einhaltungder Einsatzregularien, der sogenannten Rules of Engage-ment. Wenn man die Debatte um die Anschaffung vonferngesteuerten, bewaffnungsfähigen Luftfahrzeugennun einmal auf dieses Spannungsdreieck, auf diese dreiGrundprinzipien projiziert, kommt man nach meinerEinschätzung zu einem eindeutigen Ergebnis.
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4066 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Gisela Manderla
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Erstens kann in Zeiten asymmetrischer Kriege undimmer komplexer werdender Gemengelagen in Kon-fliktregionen jeder Schritt zum Risiko, jedes Objekt zurGefahr werden. Denn eines ist klar: Unsere Gegner hal-ten sich an keine Regeln, kein Grundgesetz und auchkein Völkerrecht; das ist traurige Realität, meine Damenund Herren.
Wenn man sich mit einsatzerfahrenen Soldaten undSoldatinnen unterhält und diese aus Gefechtssituationenberichten, wird einem schnell klar, dass unmittelbarePräsenz von Luftunterstützung von enormer Bedeutungist; denn die direkte Projektion militärischer Mittel in ei-nem Einsatzraum hat auf gegnerische Kräfte immer eineabschreckende Wirkung.Zweitens schließt sich hier unmittelbar an, dass un-sere Soldatinnen und Soldaten ihre Aufträge schnellerund sicherer und damit besser erfüllen können, wenn sieein breites Fähigkeitsspektrum zur Verfügung haben undflexibel auf Bedrohungslagen reagieren können.Drittens nun zu dem Punkt, den die Opposition emo-tional besonders aufgeladen hat: Von extralegalen Tö-tungen war hier die Rede oder gar von der Anschaffungvon Killerrobotern.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Bundeswehr hat– das ist ja wohl unstrittig – mit die strengsten Einsatz-grundsätze weltweit. Dies gilt insbesondere für den Ein-satz von Waffengewalt. Es glaubt doch wohl niemandernsthaft, dass die Bundeswehr ausgerechnet mit diesemWaffensystem anders umgeht als mit allen anderen zu-vor.
Sowohl in der Anhörung am Montag als auch heute,im Rahmen dieser Debatte, ist mehrfach betont worden,dass es sich bei den Systemen eben nicht um autonomhandelnde Roboter handelt, sondern um reguläre, vonSoldaten gesteuerte Waffensysteme.
Vor diesem Hintergrund gelten für ihren Einsatz na-türlich die gleichen Regeln, die gleichen Grundsätze unddie gleichen Befehlsketten. Insofern kann ich im Einsatzdieser militärischen Mittel keine neue Dimension oderQualität erkennen und erst recht kein Ausscheren aus un-seren rechtlichen Einsatzgrundlagen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich komme zumSchluss. Es geht bei der Anschaffung dieser Waffensys-teme darum, unseren Streitkräften einen zusätzlichen,wirkungsvollen, sehr mobilen und schnell einsetzbarenBaustein zur Erweiterung ihres Fähigkeitsspektrums andie Hand zu geben. Wir als mandatierendes Parlamenthaben eine besondere Verantwortung und Fürsorge-pflicht gegenüber unseren Soldaten und Soldatinnen
und dürfen uns dieser Verantwortung daher überhauptnicht entziehen.Gestatten Sie mir abschließend eine grundsätzlicheBemerkung:
Wer sich die Debatten heute und auch am Montag genauangesehen hat, der stellt fest, dass die fast reflexartigeund in Teilen hysterische Panikmache der Opposition
nichts anderes als ein durchsichtiger Versuch ist, einenweiteren Keil zwischen unsere Streitkräfte und unsereZivilgesellschaft zu treiben. Das ist mit uns als CDU/CSU-Fraktion nicht zu machen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung zu
dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg,
Volker Beck , Frank Tempel und weiterer
Abgeordneter
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Drucksachen 18/1475, 18/1948
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Als erster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Ja, nach mehreren Sondersitzungen desInnenausschusses und parlamentarischen Anfragen zudiesem Thema, die – das muss man ja leider sagen – im-mer neue Fragen und Zweifel aufgeworfen haben, Zwei-fel am BKA hinsichtlich der langwierigen Bearbeitungdes kinderpornografischen Materials aus Kanada undZweifel hinsichtlich der Weitergabe von Informationendurch das BKA an die Bundesregierung und auch an die
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4067
Irene Mihalic
(C)
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Spitze der SPD, kann die Arbeit nun endlich beginnen.Darauf aufbauend stellt sich die Frage, ob, wann unddurch wen der ehemalige BundestagsabgeordneteSebastian Edathy möglicherweise frühzeitig von diesenErmittlungen gegen ihn erfahren hat.Es gilt nun, all das so gut es geht aufzuklären. Das istunser parlamentarischer Auftrag, und ich bin sehr froh,dass auch die Union und die SPD diesen Auftrag in denletzten Wochen für sich erkannt zu haben scheinen.
Das ist auch gut; denn das ist unsere Aufgabe als Par-lamentarier, und es ist nicht unsere Aufgabe, eine Mauerum die Vorgänge in der Bundesregierung und in denBundesbehörden aufzubauen. Unser Mandat ist hier ein-deutig die parlamentarische Kontrolle von Regierungs-und Behördenhandeln, wenn es eine Bundeszuständig-keit gibt, und dem kommen wir jetzt nach.Gestatten Sie mir die Bemerkung: Wenn alle Fraktio-nen diesem aufklärerischen Leitbild in den Sitzungendes Innenausschusses schon von Anfang an gefolgt wä-ren, dann müssten wir diesen Untersuchungsausschussheute womöglich nicht einsetzen.Wir möchten jetzt aber auch nach vorne schauen, unddafür war die fachlich fundierte Debatte über die genaueAbfassung des Untersuchungsauftrages wirklich einesehr gute Grundlage. Wir haben dabei Missverständnisseausgeräumt, Formulierungen konkretisiert und Konflikt-punkte weitestgehend beseitigt.Übrig geblieben sind die drei Grundsäulen des ur-sprünglichen Antragstextes: Wir befassen uns jetzt mitden Vorgängen beim BKA von dem Zeitpunkt an, als daskinderpornografische Material aus Kanada im Novem-ber 2011 an das BKA übergeben worden ist. Wir werdengenau schauen, wer wann Einblick genommen hat undnehmen konnte und wie sich die Bearbeitung genau voll-zogen hat. Wir befassen uns mit der Frage, ob, wann unddurch wen der ehemalige Bundestagsabgeordnete Edathyvon Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Poli-zeibehörden erfahren hat oder über einzelne Ermitt-lungsschritte informiert war.Das wird natürlich nicht einfach zu klären sein; das istuns auch klar. Wir wollen aber den mutmaßlichen Perso-nenkreis so gut es geht einengen, damit wir dadurch denkonkreten politischen Handlungsbedarf ermitteln kön-nen. Also, die Frage ist: Was kann, was muss hier in Zu-kunft besser und anders laufen?Außerdem werden wir uns auch mit dem BKA-Beam-ten befassen, dessen Name auf der kanadischen Kunden-liste stand. Dabei geht es uns ganz ausdrücklich nicht umdie Person dieses einzelnen Beamten; Sie haben den Per-sönlichkeitsrechtsschutz angesprochen. Wir wollen aberwissen: Wie und vor allem wie begründet sind BKA undBundesregierung disziplinarrechtlich mit ihm umgegan-gen? Auch interessiert uns natürlich die Frage, ob dieserBeamte in der Bearbeitungsstruktur des BKA vielleichtMöglichkeiten hatte, vorab an für ihn wichtige Informa-tionen zu kommen.All diese Stränge werden wir nun sehr sorgfältig auf-arbeiten. Es ist gut, dass wir noch vor der Sommerpauseloslegen und das Aktenmaterial anfordern können. Dannkönnen wir im Herbst mit der Befragung der Zeugen be-ginnen. Vielleicht gelingt es uns ja, der neuen BKA-Prä-sidentin oder dem neuen BKA-Präsidenten schon zu Be-ginn der Amtszeit eine Empfehlung mit auf den Weg zugeben.Eine Empfehlung kann man schon jetzt abgeben: Werauch immer das Amt übernehmen sollte, der sollte, an-ders als der amtierende BKA-Präsident, das Interessedes Parlaments und der Öffentlichkeit an der Arbeit desBKA und an den Sicherheitsbehörden nicht als lästigePflichtübung abtun.
Transparenz und der Wille zur Kooperation solltenselbstverständlicher Teil des Amtsverständnisses sein.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier al-len Beteiligten für die konstruktive Mitarbeit am Unter-suchungsauftrag noch einmal sehr herzlich danken. Ichwünsche uns allen eine gute, kooperative und umfas-sende Aufklärungsarbeit.In diesem Zusammenhang ganz herzlichen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir be-fassen uns heute mit der Einsetzung des zweiten Unter-suchungsausschusses der laufenden Legislaturperiode.Das ist gewissermaßen der erste richtige Anwendungs-fall der neu in die Geschäftsordnung aufgenommenenBestimmung.Die formalen Voraussetzungen für die Einrichtungdieses Untersuchungsausschusses liegen nach unsererÜberzeugung vor. Die erforderliche Zahl von Abge-ordneten – erforderlich sind 120 Abgeordnete – hat dasentsprechende Petitum unterzeichnet. Wir haben imGeschäftsordnungsausschuss über den Text des Untersu-chungsgegenstandes intensiv beraten.Der zunächst vorliegende Entwurf war nach unsererÜberzeugung aus einer Vielzahl von Gesichtspunktenheraus problematisch. Das galt etwa für die Frage, ob derUntersuchungsgegenstand eigentlich hinreichend be-stimmt ist. Das galt für die Frage, ob die Grundrechteder Betroffenen gewahrt sind. Das galt aber auch für dieFrage, ob die Zahl der Mitglieder dieses Untersuchungs-ausschusses die Mehrheitsverhältnisse dieses Parlamen-tes widerspiegelt.
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4068 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Dr. Stephan Harbarth
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Wir haben uns über all diese Fragen in den vergange-nen Tagen und Wochen ausgetauscht. Wir haben ausmeiner Sicht einen Untersuchungsgegenstand definiert,der den Vorgaben der Verfassung Rechnung trägt. Dasändert nichts daran, dass wir als CDU/CSU-Fraktion imAugenblick nicht erkennen können, warum es diesesUntersuchungsausschusses wirklich bedarf. Wir sind daaber sehr offen. Wir werden deshalb heute nicht dagegenstimmen, sondern wir werden uns enthalten.Wir müssen aber schon zur Kenntnis nehmen, dass imInnenausschuss die in Rede stehenden Vorgänge intensivdebattiert wurden, eine Vielzahl von Fragen gestelltwurde und der BKA-Präsident immer wieder befragtwurde. Deshalb ist aus unserer Sicht im Augenblicknicht erkennbar, was der Untersuchungsausschuss anneuen Erkenntnissen tatsächlich zutage fördern kann.Das ändert aber nichts daran, dass er nun seiner Aufgabenachgehen kann.Nachdem sich dieses Thema einige Monate hingezo-gen hat, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zueiner Klamaukveranstaltung wird, sondern dass es zu ei-ner sachlichen Aufklärung kommt. Das wünsche ich al-len Beteiligten. Ich glaube, unter dem Vorsitz der Kolle-gin Dr. Högl ist der Untersuchungsausschuss in bestenHänden.
Wir sehen für diesen Untersuchungsausschuss immer-hin die Perspektive und die Chance, dass er die öffentli-che Aufmerksamkeit auf das Thema richten möge, daseigentlich dahintersteht. Wir haben im Zusammenhangmit der Edathy-Affäre erlebt, was es in diesem Land anMissständen im Bereich der Kinderpornografie gibt. Dasist intensiv diskutiert worden. Wir sind allerdings in derPolitik in den letzten Jahren bei diesem Thema nichtwirklich weitergekommen.Ich glaube, wir sollten uns bei aller Notwendigkeit zuAufklärung und Diskussionen in dem Untersuchungs-ausschuss immer wieder das unermessliche Leid der be-troffenen Kinder vergegenwärtigen, um das es in denFällen der Kinderpornografie geht. Es geht nicht darum,dass man etwas konsumiert, sich etwas anhört oder an-schaut wie eine Videokassette oder eine CD. Es gehtvielmehr darum, dass von Teilen der Gesellschaft etwaskonsumiert wird, was davor unter schwersten Verbre-chen und Menschenrechtsverletzungen an unschuldigenKindern produziert wurde.
Es ist kein Ruhmesblatt für die Politik in Deutsch-land, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahrennicht vorangekommen sind. Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist es wichtig, dass wir vor allen Dingen in zweiFeldern Fortschritte machen. Zum einen müssen wir dieentsprechenden strafrechtlichen Vorgaben novellieren,damit Verhalten, das in schwerster Form in die Rechteder verletzten Kinder eingreift, auch bestraft werdenkann.Zum Zweiten muss die Polizei mit den Instrumentenausgestattet werden, die sie benötigt, um diese Verbre-chen aufzuklären. Leider ist die Polizei derzeit in vielenFällen nicht in der Lage, weil sie keine entsprechendeHandhabe hat, gerade diese schlimmen Straftaten, die imInternet begangen werden, aufzuklären. Lassen Sie unsdas nicht vergessen. Das ist nach meiner festen Überzeu-gung im Interesse der betroffenen Kinder noch hundert-mal wichtiger als dieser Untersuchungsausschuss.Ich danke noch einmal allen, die konstruktiv an derVorbereitung mitgewirkt haben. Das gilt auch für dieFraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die sehr en-gagiert zu Werke gegangen sind.Vielen Dank.
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Die Diskussionen rund um den FallSebastian Edathy bewerten wir sicherlich alle sehr unter-schiedlich. Aber in der Öffentlichkeit ist erneut der Ein-druck entstanden, dass für herausgehobene Politiker beiStrafverfahren Sonderregelungen gelten.Bis heute steht die Frage im Raum, ob SebastianEdathy eine Vorwarnung erhielt. Die Presse fragt nachwie vor immer wieder danach. Es steht auch die Frageim Raum, ob die Ermittlungen mit Blick auf die Bundes-tagswahl und die darauf folgende Regierungsbildung zu-rückgehalten wurden, um den Skandal abzuwarten.Über diese Diskussionen sind dann noch weitere Fra-gen aufgetaucht, zum Beispiel, warum es im Bundeskri-minalamt bei einem Großverfahren zu kinderpornografi-schem Material grundsätzlich so lange dauert, bisErmittlungen in Gang kommen. Ist es Nachlässigkeit,oder fehlt es vielleicht an Ausstattung oder Personal?Muss man hier nachjustieren? Wie breit ist der Kreis de-rer, die Zugang zu sensiblen Daten haben? Sind die Da-tenschutzmechanismen gerade in solchen Verfahren aus-reichend?Ich bin mir sicher, dass irgendwann auch der Letztebegreift, dass durch solche Fragen das BKA nicht etwaan den Pranger gestellt wird, sondern dass Mechanismenüberprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden sol-len. Das ist übrigens unsere verfassungsmäßige Auf-gabe, nicht wahr, Herr Schuster? Ich habe von IhremPressegespräch heute gelesen.
Als Parlament haben wir eine Kontroll- und Auf-sichtspflicht gegenüber der Exekutive. Das ist unsereAufgabe, der wir im Innenausschuss, aber auch im Un-tersuchungsausschuss nachkommen dürfen.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4069
Frank Tempel
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Ich möchte aber noch einmal betonen, auch um Miss-verständnisse zu vermeiden, dass wir nicht die Aufgabeder Justiz übernehmen wollen. Das heißt, im Untersu-chungsausschuss werden keine Beschuldigten, sondernZeugen gehört. Das ist auch der Opposition sehr be-wusst. Ich bitte, dass uns nicht immer anderes unterstelltwird.Im Idealfall klären wir nämlich nicht nur Vorgängeauf, sondern kommen über den Untersuchungsausschussgemeinsam zu Handlungsempfehlungen. Das ist auchimmer zukunftsweisend.Wer bestimmt denn bisher, wie geregelt ist, was einInnenminister wann durch das BKA zu erfahren hat undwie mit diesen Informationen umgegangen werdenkann? Wie geht ein Minister also in Zukunft mit solchenInformationen um? Welche Eigendynamik entwickelteine solche Information, wenn sie das Innenministeriumverlässt? Dazu brauchen wir auch die aktive Mitarbeitder SPD. Denn hier haben schließlich Einzelpersonendiese Informationen erhalten. Wenn wir die Frage klärenwollen, wie wir in Zukunft damit umgehen, dann müssenwir die Eigendynamik und die Informationen betrachtenund entsprechend werten. Das sollte uns dann Warnungsein. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitwirkendeals Zeugen gehört werden und nicht das Gefühl haben,im Untersuchungsausschuss am Pranger zu stehen.Vier Innenausschusssitzungen haben die angespro-chenen Fragen nicht beantworten können. Ich bin über-zeugt, dass über die Regelung zum Geheimnisverrat, diehier zur Debatte steht, anders diskutiert werden muss alsbisher in der Öffentlichkeit. Wir haben schließlich vorAugen, was passieren kann, wenn sich ein Innenminis-ter, der in herausgehobener Position ist, nicht daran hält,obwohl das für alle Amtsträger – auch ein Innenministerist ein solcher – klar in einem gesetzlichen Paragrafengeregelt ist. Wir müssen das alles immer mit dem Blickdarauf tun, wie wir in Zukunft damit umgehen.Viele Fragen sind noch offen bzw. nicht ausreichendbeantwortet – auch nicht im Innenausschuss –, weil sichviele dort wie Beschuldigte und nicht wie Mitwirkendean einem Aufklärungsprozess vorkamen. Ich bin froh,dass wir nun in dem einzusetzenden Untersuchungsaus-schuss diese Fragen beantworten und dann entsprechendnachjustieren können. Dafür bedanke ich mich. Es gehtum die Frage, wie damit politisch umgegangen wird. Esbesteht jederzeit die Gefahr, dass ein Schwarzer-Peter-Spiel gespielt wird, dass also die Verantwortung immergenau dorthin geschoben wird, wo Behörden oder an-dere Fraktionen politische Verantwortung tragen und inder Bredouille sind. Dieses Spiel dürfen wir hier nichtspielen. Sonst kommt es zu einem schlimmen Kreislauf,und der Untersuchungsausschuss wird sehr unschön. Ichhabe Vertrauen in die Führung des Untersuchungsaus-schusses und glaube, dass wir das Spiel, welches Minis-terium mehr Schuld hatte, erst gar nicht beginnen, son-dern dass wir Antworten für die Zukunft finden.Ich bin froh, dass es beim Untersuchungsauftrag ei-nen Kompromiss gegeben hat, mit dem wir den Untersu-chungsausschuss starten; denn wirkliche Handlungs-empfehlungen können wir nur fraktionsübergreifenderarbeiten. Dafür bedanke ich mich, genauso wie bei denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an diesem Auf-trag mitgearbeitet haben.
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge-
ordneten Uli Grötsch, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sindstartklar. Nachdem der Einsetzungsantrag der Opposi-tion für den 2. Untersuchungsausschuss im Geschäfts-ordnungsausschuss ausführlich beraten wurde, liegt unsder Untersuchungsauftrag nun in etwas veränderter undverfassungsgemäß einwandfreier Form vor. Mein Dankgilt ausdrücklich auch den Kolleginnen und Kollegenvon der Opposition für ihre konstruktive Mitarbeit, umdie notwendigen Änderungen des Antrags vorzunehmen.Dadurch konnten unsere Bedenken, jedenfalls was dieverfassungsrechtliche Zulässigkeit des Untersuchungs-auftrags betrifft, ausgeräumt werden. Ich meine, das istein guter und konstruktiver Auftakt für die Zusammenar-beit im Untersuchungsausschuss.
Wir stellen uns daher – das haben wir immer betont –dem Wunsch der Opposition nach Einsetzung eines Un-tersuchungsausschusses im Zusammenhang mit derOperation Selm des Bundeskriminalamts nicht in denWeg und werden uns natürlich auch aktiv und konstruk-tiv an der Arbeit des Ausschusses beteiligen. Das hat fürmich auch mit Respekt vor den Anliegen der Oppositionzu tun. Erlauben Sie mir, trotzdem ein letztes Mal zu sa-gen, dass wir es für effektiver gehalten hätten, die offe-nen Fragen in weiteren Befragungen des Innenausschus-ses zu klären. Aber sei’s drum! Ich meine, dass wir dasInstrument des Untersuchungsausschusses jetzt auchbestmöglich nutzen sollten.Der Ausschuss wird sich in seiner Arbeit nur mit sol-chen Fragen befassen, die ein parlamentarisches Gre-mium auch untersuchen kann und untersuchen darf. Wirwerden uns mit dem Gang der Operation Selm im Bun-deskriminalamt beschäftigen und noch einmal dieGründe für die lange Dauer der Bearbeitung beleuchten.Wir werden uns mit dem Zusammenwirken mit den Län-dern, insbesondere mit dem Land Niedersachsen und mitder Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminali-tät bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt amMain, befassen. Es ist sicherlich eine Frage der Wahr-nehmung, aber ich meine, dass die Auskünfte, die unsder Präsident sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Bundeskriminalamts im Innenausschuss gegeben ha-ben, für uns, die SPD, klar waren. Mich persönlich las-sen diese Auskünfte vermuten, dass wir keine großartig
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4070 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014
Uli Grötsch
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neuen Erkenntnisse über die Art und Weise der Bearbei-tung im Bundeskriminalamt gewinnen werden.Ich sage auch ganz ausdrücklich, dass ich meine, dassim Untersuchungsausschuss Fingerspitzengefühl gefor-dert sein wird. Das Bundeskriminalamt ist ganz ohneZweifel eine absolute Säule in der Sicherheitsarchitekturunseres Landes.
Die Männer und Frauen beim BKA leisten jeden Taggroßartige Arbeit und haben enormen Anteil daran, dassunser Land sicher ist und auch sicher bleibt.Ich meine, dass es am Ende unserer Untersuchungauch ein deutliches Ergebnis geben muss. Möglicher-weise wird man in diesem Zusammenhang auch übereine Verbesserung der personellen Ausstattung des BKAnachdenken müssen. Wir reden in diesem Zusammen-hang über Deliktbereiche in einem Ausmaß und in einemfachlichen Umfang, der vor ein paar Jahren noch völligundenkbar war.Wir werden uns natürlich auch noch einmal mit derFrage der Informationsweitergabe zum Fall des ehemali-gen Abgeordneten Sebastian Edathy befassen. Dabeischauen wir nicht nur auf die Weitergabe der Informatio-nen durch den damaligen Innenminister, sondern auchauf mögliche Probleme im Bereich des Landes Nieder-sachsen, die eventuell dazu beigetragen haben.Im Fall des ehemaligen BKA-Beamten X werden wirüberprüfen, wer im BKA wann darüber informiert war,dass sich der Name eines BKA-Beamten in den Datender Operation Selm befand, ob und wann er selbst davonerfuhr und ob es unzulässige Einflussnahmen auf dasdienst-, disziplinar- oder strafrechtliche Verfahren gab,mehr aber auch nicht.Ich möchte – das habe ich in meiner ersten Rede zudiesem Thema schon gesagt – noch einmal unterstrei-chen, dass ein Untersuchungsausschuss kein Oberkon-trolleur über einzelne disziplinar- oder strafrechtlicheEntscheidungen ist. Es ist nicht unsere Aufgabe als Ab-geordnete des Deutschen Bundestages, private Verfeh-lungen eines einzelnen Beamten öffentlich zu beleuchtenund zu bewerten.Das bringt mich zu einem letzten Punkt, den ich unsallen für die Arbeit im Untersuchungsausschuss mitge-ben will. Das Thema Kinder- und Jugendpornografie be-rührt viele von uns ganz besonders, egal ob wir Elternsind oder nicht. Hier sind auch noch Gesetzeslücken zubeklagen. Herr Kollege Harbarth, Sie haben gerade da-rauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren in diesemBereich nicht viel getan wurde. Deshalb freut es mich,dass Bundesjustizminister Heiko Maas noch vor der Os-terpause, sozusagen sofort, einen Gesetzentwurf zur Ver-schärfung der Vorschriften über Kinderpornografie undsexuellen Missbrauch vorgelegt hat, und dafür danke ichihm.Vertrauen in die staatlichen Institutionen, Vertrauen indie Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder undVertrauen in den Rechtsstaat in seiner Gesamtheit – dassind für uns alle absolute Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Durch die Klarstellun-gen im Untersuchungsauftrag sind die von uns bemän-gelten Zulässigkeitsprobleme behoben worden. Da ausunserer Sicht ein Untersuchungsausschuss nach wie vornicht das richtige Mittel zur Klärung des vorliegendenSachverhalts ist, wird sich meine Fraktion bei der Ab-stimmung ebenfalls der Stimme enthalten.Aber – das sage ich zum Schluss noch einmal –:Selbstverständlich werden wir aktiv an der Arbeit imUntersuchungsausschuss, der sich im Anschluss gleichkonstituieren wird, mitwirken. Vor der Sommerpausewollen wir auch noch eine Beratungssitzung abhalten, inder wir erste Beweisbeschlüsse fassen werden, um un-sere Arbeit zügig aufnehmen zu können. Um unsere ak-tive Rolle von Anfang an zu unterstreichen, haben wirals Koalitionsfraktionen bereits zwölf Vorschläge zurBeiziehung von Akten an die Opposition übermittelt.Auch ich freue mich auf eine konstruktive und sachlicheZusammenarbeit.Vielen Dank.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
Abgeordneten Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Ich werde heute eine neue Erfahrung machen. Ichhabe mich in diesem Haus als Abgeordneter noch nie beieiner Abstimmung enthalten. Dass ich das tue, wirdheute der Fall sein. Das ist also etwas Neues.Warum ist die Einsetzung dieses Untersuchungsaus-schusses etwas Besonderes? Weil ein Untersuchungsaus-schuss eine ganz besondere Einrichtung ist: Diesem par-lamentarischen Gremium wachsen Ermittlungsrechte zu,die es normalerweise nicht hat. Schwierig ist die Situa-tion hinsichtlich der Trennung der Gewalten: das Parla-ment als Legislative auf der einen Seite und die anderenGewalten in diesem Staate auf der anderen Seite. Unter-suchungsausschüsse sind das schärfste Schwert, das dieOpposition im Parlamentsbetrieb hat. Wir bitten sehr da-rum, dass dieses Instrument nicht stumpfgeschlagenwird. Wir sind dabei, wenn es darum geht, mit diesemAusschuss größtmögliche Effektivität, größtmöglicheAufklärung und größtmögliche Transparenz zu erzielen.Wir haben mit dem Untersuchungsgegenstand bereitsviel Zeit im Innenausschuss verbracht. Wir haben bereitssehr viele Erkenntnisse zutage gefördert. Ich hoffe, dassall diese Vorarbeiten im Innenausschuss nicht Makulaturwerden, dass wir sie nicht noch einmal leisten müssen.Wir wollen die entsprechenden Unterlagen selbstver-ständlich beiziehen.Ich bin mir ganz sicher, dass wir, die Mitglieder die-ses parlamentarischen Untersuchungsausschusses, in
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4071
Michael Frieser
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dem Willen geeint sind, wirklich gemeinsam zu handelnund uns vorbehaltlos an die Arbeit zu machen. Wenn al-lerdings jedes Ausschussmitglied mit einer vorgefasstenMeinung in die Arbeit hineingeht, dann wird es schwersein, dafür zu sorgen, dass dieses Instrument seinen ei-gentlichen, im Grundgesetz verankerten Sinn erfüllt.Erkenntnisse zu gewinnen, ist der eine Teil der Arbeiteines solchen Untersuchungsausschusses. Der – wich-tige – andere Teil ist, den sich aus der Arbeit des Unter-suchungsausschusses entwickelnden Änderungsbedarffestzustellen; ich bin allen Kollegen dankbar, die hierzubeitragen. Nachfragen sind gut und sinnvoll; aber sie ha-ben immer nur dann einen Zweck, wenn man mit der Er-kenntnis, die man aus diesen Fragen gewinnt, als poli-tisch denkender und handelnder Mensch auch etwasanfangen kann.Da stellt sich schon die Frage: Wie konnte es sein,dass die zu betrachtenden zeitlichen Abläufe – sie rei-chen bis hinunter nach Niedersachsen – so lange gedau-ert haben? Vielleicht können sogar entscheidendereFragen wie die nach Zuständigkeiten, nach Verfah-rensabläufen bis hin zu solchen nach materiellem Rechtbehandelt werden. Die Kollegen haben es angeführt: Eskann nicht sein, dass in diesem Land Bilder nackter Kin-der eine Handelsware sind. Wenn wir aufgrund der der-zeitigen Situation gemeinschaftlich zu einer Änderungim materiellen Strafrecht kommen, dann hat dieser Aus-schuss seinen Sinn.
Gerade was die Bekämpfung der Kinderpornografieangeht, wird sich mit und nach diesem Ausschuss zei-gen, ob dieser Staat im Bereich des damit verbundenenstrafrechtlichen Verhaltens schlagkräftig ist und amEnde auch wirklich wehrhaft sein kann. Wenn wir dazubeitragen können, dann wird unsere Mitwirkung alssinnvoll erachtet werden können. Herzlichen Dank den-jenigen, die das Ganze vorbereitet haben! Ich freue michschon auf die Zusammenarbeit.Eines will ich noch sagen: Mit uns wird es kein „Gril-len“ von Mitarbeitern einer Behörde geben. Es geht umMenschen, die Übermenschliches leisten müssen, umMenschen, die ihr ganzes Arbeitsleben mit einer solchenMaterie verbringen und die sich oftmals mit einer sehrgroßen Masse an Informationen, die sie mittlerweile ins-besondere aus dem Ausland erreichen, beschäftigenmüssen. Insofern bitte ich um Zurückhaltung, was dieBehandlung der Mitarbeiter von Behörden betrifft. Dassoll den Aufklärungsbedarf aber sicherlich nicht schmä-lern.Es muss nur klar sein – diese Bitte formuliere ich amEnde meiner Rede –, dass man die gewonnenen Erkennt-nisse auch wirklich in sein Handeln einfließen lässt unddass man nicht an diesen Erkenntnissen vorbei an Ver-schwörungstheorien festhält, getreu der Devise: Wo vielRauch ist, muss irgendwo auch ein Feuer sein, auchwenn der Rauch aus dem etwas heißen Dampf entsteht,den man selber vorher produziert hat. – Ich glaube, die-ser Ausschuss kann das wirklich leisten.Auch wenn dort kein schönes Thema, dessen Aus-gangspunkt ein ehemaliger Kollege ist, behandelt wird,freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Ich habe FrauKollegin Högl gesagt, dass ich hoffe, dass sie ihre gelas-sene, sachlich fundierte Art über die wohl längere Phase,in der dieser Ausschuss arbeiten wird, nicht verliert. Ichhoffe, dass wir ihre Art für eine gedeihliche Zusammen-arbeit nutzen können und dass wir am Ende sagen kön-nen: Dieses Parlament hat diese besondere und nicht all-tägliche Herausforderung angenommen, und wir habenunseren Auftrag wirklich erfüllt.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg und weiterer
Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 18/1948, den Antrag auf Drucksa-
che 18/1475 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen der Fraktion Die Linke
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung
der Fraktion der CDU/CSU und der SPD-Fraktion ange-
nommen. Damit ist der 2. Untersuchungsausschuss der
18. Wahlperiode eingesetzt. Er wird sich um 18.30 Uhr
konstituieren.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Morgen um 9 Uhr findet hier im Plenarsaal eine Ge-
denkstunde aus Anlass des 100. Jahrestages des Beginns
des Ersten Weltkrieges statt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 3. Juli 2014,
10.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.