Protokoll:
18022

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 22

  • date_rangeDatum: 19. März 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:49 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/22 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 22. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung 2013 nach § 7 des Geset- zes zur Einsetzung eines Nationalen Nor- menkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1687 A Dr. Helge Braun, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1687 B Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1688 A Dr. Helge Braun, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1688 B Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1688 C Dr. Helge Braun, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1688 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksachen 18/814, 18/835 . . . . . . . . . . . . . 1689 C Dringliche Frage 1 Andrej Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des Ausgangs der Volksab- stimmung über einen Anschluss der Krim an Russland Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1689 D Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1689 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1690 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1690 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1690 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1690 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 1691 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . 1691 C Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1691 C Dringliche Fragen 2 und 3 Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) Medienberichte über den Einsatz einer Drohne über der Krim Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1692 B Zusatzfragen Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 1692 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1692 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1692 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1693 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1693 B Mündliche Frage 1 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Europarechtskonforme Ausgestaltung der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1693 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1694 A Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 1694 D Mündliche Frage 8 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Angriffe auf jüdische Bürger und Einrich- tungen in der Ukraine Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1695 A Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1695 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 1696 B Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1696 D Mündliche Frage 9 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Zusammenarbeit zwischen der ukraini- schen Partei Swoboda und der Kampf- gruppe Rechter Sektor mit der NPD Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1697 A Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1697 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1698 A Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1698 B Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1698 C Mündliche Frage 16 Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Situation von Flüchtlingen mit Behinde- rungen in Deutschland Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1699 A Mündliche Fragen 20 und 21 Martina Renner (DIE LINKE) Änderung der polizeilichen Dienstvor- schriften sowie der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1699 C Zusatzfragen Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1699 D Mündliche Frage 31 Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Informationen für Flüchtlinge mit Behin- derungen zu sozialrechtlichen Unterstüt- zungsleistungen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1700 D Zusatzfragen Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1701 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1701 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1702 B Mündliche Frage 34 Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung von Eltern mit Behinderung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1702 D Zusatzfragen Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1703 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1703 B Mündliche Frage 35 Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus der Studie „Strukturelle und finanzielle Hindernisse bei der Um- setzung der interdisziplinären Frühför- derung“ Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1703 D Mündliche Frage 36 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung der Arbeitsstättenverord- nung zur Gewährung barrierefreier Ar- beitsplätze Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1704 A Zusatzfrage Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1704 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 III Mündliche Frage 37 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durch die „Initiative Inklusion“ geschaf- fene Arbeits- und Ausbildungsplätze Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1705 A Zusatzfragen Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705 D Mündliche Frage 39 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1706 A Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1706 C Mündliche Frage 40 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dauerhafter Lohnkostenzuschuss für Men- schen mit Behinderung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1707 B Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1707 B Mündliche Fragen 41 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung der Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1707 D Zusatzfragen Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1708 C Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1709 B Mündliche Frage 42 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reformbedarf bei der Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1709 C Zusatzfragen Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1710 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1710 D Mündliche Frage 56 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme des Rechts auf angemessene Vorkehrungen in das Allgemeine Gleichbe- handlungsgesetz Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1711 B Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1711 C Mündliche Frage 57 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwurf der Fünften Antidiskriminie- rungsrichtlinie der EU Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1712 A Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1712 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutsch- land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1712 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1712 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 1713 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1715 B Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . 1716 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1717 B IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 1718 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 1720 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1721 B Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1722 C Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1723 D Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 1724 D Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1726 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1727 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1727 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1729 A Anlage 2 Mündliche Frage 2 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Novelle des Bundesberggesetzes Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1729 C Anlage 3 Mündliche Frage 3 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelungen zu Klagen im CETA-Invest- mentkapitel Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1729 C Anlage 4 Mündliche Frage 4 Klaus Ernst (DIE LINKE) Abänderung oder Aufkündigung bestehen- der bilateraler Investitionsschutzverträge Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1729 D Anlage 5 Mündliche Frage 5 Klaus Ernst (DIE LINKE) EU-Staaten mit Investitionsschutzabkom- men mit den USA Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1730 A Anlage 6 Mündliche Frage 6 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Export deutscher P99-Pistolen nach Kolum- bien ohne Ausfuhrgenehmigung Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1730 B Anlage 7 Mündliche Frage 7 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Strategie im Hinblick auf das Konflikt- geschehen in Somalia Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1730 C Anlage 8 Mündliche Frage 10 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Verfassungskonformität der Übergangs- regierung in der Ukraine Antwort Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1731 A Anlage 9 Mündliche Frage 11 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Anzahl der Feststellungen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1731 B Anlage 10 Mündliche Frage 13 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neonazistischer Hintergrund einer V-Per- son mit Decknamen „Tarif“ des Bundes- amts für Verfassungsschutz Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 V Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1731 C Anlage 11 Mündliche Frage 14 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Aufenthaltserlaubnis für syrische Flücht- linge mit in Deutschland lebenden Ver- wandten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1732 C Anlage 12 Mündliche Frage 15 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Unbegrenzte Aufnahme von syrischen Flüchtlingen bei hier lebenden Verwandten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1733 A Anlage 13 Mündliche Fragen 17 und 18 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausübung des Wahlrechts von Analphabe- ten und betreuten Personen Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1733 B Anlage 14 Mündliche Frage 19 Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von Gewaltopfern mit Behinderung bei der Umsetzung der EU- Opferschutzrichtlinie Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1734 A Anlage 15 Mündliche Frage 22 Herbert Behrens (DIE LINKE) Entschädigungspflicht bei Verspätungen im Luftverkehr Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1734 B Anlage 16 Mündliche Frage 23 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verschiebung der Kindergelderhöhung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1734 C Anlage 17 Mündliche Frage 24 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Anpassungen beim Kinderfreibetrag und beim Kindergeld Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1734 D Anlage 18 Mündliche Frage 25 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Kaffee Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1735 A Anlage 19 Mündliche Frage 26 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steuerpflichtige Versicherungsleistungen des ADAC Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1735 B Anlage 20 Mündliche Frage 27 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inanspruchnahme von Steuerermäßigun- gen und Pauschbeträgen aufgrund einer Behinderung VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1735 C Anlage 21 Mündliche Fragen 28 und 29 Susanna Karawanskij (DIE LINKE) Reformpaket für Lebensversicherungen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1736 A Anlage 22 Mündliche Frage 30 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung des Behinderungsbegriffs im SGB IX Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1736 D Anlage 23 Mündliche Frage 32 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deckung der Aufwendungen des Lebens- unterhalts von Studierenden mit Behinde- rung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1737 A Anlage 24 Mündliche Frage 33 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Situation von Verbänden mit Beratungs- angeboten nach dem Peer-Prinzip für be- hinderte und chronisch erkrankte Men- schen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1737 C Anlage 25 Mündliche Frage 38 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Integration von Menschen mit Behinde- rung in den Arbeitsmarkt Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1738 A Anlage 26 Mündliche Fragen 43 und 44 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte und Weiterentwicklung der Werkstätten- mitwirkungsverordnung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1738 C Anlage 27 Mündliche Fragen 45 und 46 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Umsetzung der im Bericht zum Fachkräf- tekonzept formulierten Ziele und Steige- rung der Attraktivität bestimmter Berufs- gruppen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1739 A Anlage 28 Mündliche Frage 47 Azize Tank (DIE LINKE) Prüfungsprozess zur Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1740 B Anlage 29 Mündliche Frage 48 Azize Tank (DIE LINKE) Gewährleistung der Rechte auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 1740 C Anlage 30 Mündliche Frage 49 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Regelungen zum Im- port von Schweinefleisch im Freihandels- abkommen mit Kanada (CETA) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 VII Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1740 D Anlage 31 Mündliche Fragen 50 und 51 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Ausweisung des im Natura-2000-Gebiet befindlichen Dauergrünlands als „umwelt- sensibles Dauergrünland“ Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1741 A Anlage 32 Mündliche Frage 52 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gespräche mit Interessenvertretern für die Branche der Grünen Gentechnik in der EU Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1741 D Anlage 33 Mündliche Frage 53 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-Saatgutverordnung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1742 B Anlage 34 Mündliche Frage 54 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Landeinsätze gegen Piraten im Rahmen des Atalanta-Mandats Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1742 C Anlage 35 Mündliche Frage 55 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenführung von Leistungen zur Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen im SGB VIII Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1742 D Anlage 36 Mündliche Frage 58 Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rolle der Krankenversicherungsträger im trägerübergreifenden Rehabilitationspro- zess Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1743 A Anlage 37 Mündliche Frage 59 Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1743 C Anlage 38 Mündliche Frage 60 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgaben der UN-Behindertenrechtskon- vention zur Vermeidung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1743 D Anlage 39 Mündliche Frage 61 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von medizinischen Zentren für Menschen mit Behinderung Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744 B Anlage 40 Mündliche Frage 62 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stärkung der gemeindenahen Gesundheits- versorgung für Menschen mit Behinderung VIII Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744 C Anlage 41 Mündliche Frage 63 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeits- begriffs Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744 D Anlage 42 Mündliche Frage 64 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stärkung des Rechts auf gleichgeschlecht- liche Pflege Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1744 D Anlage 43 Mündliche Frage 65 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserung der Versorgung von Men- schen mit Behinderung mit Heil- und Hilfs- mitteln Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1745 A Anlage 44 Mündliche Frage 66 Pia Zimmermann (DIE LINKE) Erhöhung des Beitragszuschlags zur Pfle- geversicherung für Kinderlose Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1745 C Anlage 45 Mündliche Frage 67 Pia Zimmermann (DIE LINKE) Einbindung des ehrenamtlichen Engage- ments in die häusliche Pflege Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1745 C Anlage 46 Mündliche Frage 68 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Unterbindung von Anwendungsbeobach- tungen bei Arzneimitteln zu Marketing- zwecken Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1745 D Anlage 47 Mündliche Frage 69 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pkw-Maut für wegen einer Behinderung von der Kraftfahrzeugsteuer befreite Pkw- Besitzer Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746 A Anlage 48 Mündliche Fragen 70 und 71 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Barrierefreiheit von Bahnhöfen und Fern- bussen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746 A Anlage 49 Mündliche Fragen 72 und 73 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Barrierefreiheit im Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746 D Anlage 50 Mündliche Fragen 74 und 75 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss des TTIP-Abkommens auf lärm- bedingte Betriebsbeschränkungen für Flug- häfen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 IX Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1748 A Anlage 51 Mündliche Frage 76 Herbert Behrens (DIE LINKE) Verlängerung des Nachtflugverbots am künftigen Hauptstadtflughafen BER Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1748 B Anlage 52 Mündliche Frage 77 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Behinderten- und altersgerechter Wohn- raum Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB . . . . . . . . . . . 1748 C Anlage 53 Mündliche Fragen 78 und 79 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forschungsprojekt „Wohnen im Alter“; KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB . . . . . . . . . . . 1749 A Anlage 54 Mündliche Frage 80 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Teilnahme von Betreiber- bzw. Hersteller- vertretern an Sitzungen der Reaktor- Sicherheitskommission und deren Fach- ausschüssen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB . . . . . . . . . . . 1749 D Anlage 55 Mündliche Frage 81 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kündigung der Mitgliedschaft bundeseige- ner Unternehmen und Einrichtungen in Vereinigungen der Atomlobby Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1750 A Anlage 56 Mündliche Fragen 82 und 83 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Chancengleichheit für Studierende und Nachwuchswissenschaftler mit Behinde- rung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1750 B Anlage 57 Mündliche Fragen 84 und 85 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklungspolitische Maßnahmen zur Inklusion und Einbringung des Themas Behinderung in die Post-2015-Debatte Antwort Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1750 D Anlage 58 Mündliche Fragen 86 und 87 Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Barrierefreiheit und Inklusion bei Maß- nahmen und Projekten der Entwicklungs- zusammenarbeit Antwort Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1751 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1687 (A) (C) (D)(B) 22. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Beginn: 13.00 Uhr
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    (D) Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1497 D, Tabelle 1 ist wie folgt zu lesen: Antibiotikaklassen 2011 2012 3. Generation Cephalosporine 2,057 (0,1 Prozent) 2,346 (0,1 Prozent) 4. Generation Cephalosporine 1,427 (0,1 Prozent) 1,399 (0,1 Prozent) Fluorchinolone 8,247 (0,5 Prozent) 10,382 (0,6 Prozent) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1729 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 19.03.2014 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.03.2014 Bär, Dorothee CDU/CSU 19.03.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 19.03.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 19.03.2014 Ernstberger, Petra SPD 19.03.2014 Evers-Meyer, Karin SPD 19.03.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 19.03.2014 Dr. Gebhart, Thomas CDU/CSU 19.03.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.03.2014 Hampel, Ulrich SPD 19.03.2014 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 19.03.2014 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 19.03.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.03.2014 Noll, Michaela CDU/CSU 19.03.2014 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.03.2014 Rupprecht, Albert CDU/CSU 19.03.2014 Rüthrich, Susann SPD 19.03.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 19.03.2014 Schummer, Uwe CDU/CSU 19.03.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 19.03.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.03.2014 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 2): Wie ist der Zeitplan für die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigte Novelle des Bundesberg- gesetzes, und welche konkreten inhaltlichen Änderungen sol- len im Gesetz vorgenommen werden (insbesondere im Hin- blick auf Gewässerschutz und unterirdische Raumplanung)? Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vor, nach der die Genehmigung zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas oder Erdöl mit der Fracking-Technologie zwingend die Durchfüh- rung einer Umweltverträglichkeitsprüfung voraussetzt. Bei dieser Prüfung stehen die Aspekte des Gewässer- und Trinkwasserschutzes im Vordergrund. Im Hinblick auf die unterirdische Raumplanung strebt die Bundes- regierung in Bezug auf die Berücksichtigung verschiede- ner Nutzungskonkurrenzen eine Verbesserung der Da- tengrundlagen an. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 3): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Analysten Marc Maes vom Seattle to Brussels Network (http://eu-secret deals.info/upload/2014/03/S2B-Marc-Maes-CETA-Investment_ Response-to-DG-Trade-claims-March-7-2014_v2.pdf; Seite 4 Nr. 2), dass die im CETA-Investmentkapitel enthaltene Most Favoured Nations Clause so angewendet werden kann, dass Investoren sich bei möglichen Klagen künftig auf jeglichen bilateralen Investitionsschutzvertrag beziehen können, also denjenigen „aussuchen“ können, bei dem das Unternehmen die größten Chancen auf Erfolg der Klage sieht, und wenn ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus? Die Verhandlungen zum Investitionskapitel sind noch nicht abgeschlossen. Eine Aussage zu den Auswirkun- gen der Meistbegünstigungsklauseln ist daher derzeit nicht möglich. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/814, Frage 4): Gibt es innerhalb der Bundesregierung Pläne, eigene bila- terale Investitionsschutzverträge abzuändern oder aufzu- kündigen, angesichts ihrer kritischen Haltung (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 32 der Abgeordneten Johanna Voß auf Bundestagsdrucksache 17/14439) zu einem Investor-Staat-Schiedsverfahren inner- halb des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP und nachdem bereits einige Staaten wie Südafrika, Ecuador und Anlagen 1730 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) Bolivien entsprechende Entscheidungen getroffen haben (ver- gleiche www.sierraclub.ca/en/main-page/multiple-countries- rejecting-investor-state-dispute-settlement; bitte begründen)? Nein. Die bilateralen Investitionsschutzverträge der Bundesrepublik Deutschland haben sich nach der Auf- fassung der Bundesregierung bewährt. Investor-Staat- Schiedsverfahren haben dazu beigetragen, dass deutsche Investoren die Beachtung der Schutzstandards durch das Anlageland geltend machen konnten. Südafrika und Bo- livien haben zwar die bilateralen Investitionsschutzver- träge mit Deutschland gekündigt. Andere Länder wie China streben dagegen den Abschluss weiterer Investi- tionsabkommen mit Investor-Staat-Schiedsverfahren an. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/814, Frage 5): Haben nach Kenntnis der Bundesregierung nur solche EU- Staaten bereits ein Investitionsschutzabkommen einschließ- lich des Investor-Staat-Schiedsverfahrens mit den USA, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht in der OECD waren (bitte die einzelnen Staaten auflisten), und in- wiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung vor diesem Hintergrund falsch, von bereits existierenden „Präzedenzfäl- len innerhalb der EU“ zu sprechen, wie es Rupert Schlegel- milch, Direktor der Direktion B der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, beim Besuch des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages am 10. Februar 2014 getan hat? Der Bundesregierung ist bekannt, dass mehrere EU- Mitgliedstaaten bilaterale Investitionsverträge mit den USA geschlossen haben, unter anderem Bulgarien (un- terzeichnet am 23. September 1992), Estland (unter- zeichnet am 19. April 1994), Kroatien (unterzeichnet am 13. Juli 1996), Lettland (unterzeichnet am 13. April 1995), Litauen (unterzeichnet am 14. Januar 1998), Po- len (unterzeichnet am 21. März 1990), Slowakei (unter- zeichnet am 22. Oktober 1991), Rumänien (unterzeich- net am 28. Mai 1992) und Tschechien (unterzeichnet am 10. Dezember 2003). Über den Inhalt dieser Verträge lie- gen der Bundesregierung aber keine Informationen vor. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 6): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umstände, unter denen P-99-Pistolen des Ulmer Waffenunter- nehmens Walther ohne Ausfuhrgenehmigung nach Kolum- bien gelangt sind, und was unternimmt sie, um diesen Fall aufzuklären (vergleiche Deutsche Welle vom 27. Februar 2014)? Der Bundesregierung sind die entsprechenden Presse- meldungen bekannt. Sie geht den erhobenen Vorwürfen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nach. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Ab- geordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 7): Welche Gesamtstrategie verfolgt die Bundesregierung im Hinblick auf das Konfliktgeschehen in Somalia, und welche diplomatischen, zivilen und entwicklungspolitischen Maßnah- men werden vonseiten der Bundesregierung ergriffen, um die Konfliktursachen zu bearbeiten (bitte einzeln aufschlüsseln)? In dem komplexen Konfliktgeschehen in der Bundes- republik Somalia überschneiden sich Auseinanderset- zungen zwischen Akteuren auf der zentralstaatlichen Ebene mit denen auf regionaler oder lokaler Ebene so- wie Konflikte zwischen Angehörigen verschiedener Clans und Subclans. Hinzu kommen militant-kriminelle Aktivitäten diverser nicht ideologischer Akteure sowie der Kampf zwischen der radikalislamistischen Terror- gruppe al-Shabaab und vergleichsweise „säkularen“ und moderaten Kräften. Es besteht jedoch in Somalia sowie international Ei- nigkeit darüber, dass fehlende Sicherheit und der weit- gehende Zerfall staatlicher Institutionen die wohl wich- tigsten Konfliktursachen darstellen. Diese behindern maßgeblich ein Eindämmen der Konflikte. Entsprechend sind die Bemühungen der internationa- len Gemeinschaft, unter anderem der Vereinten Natio- nen, der Europäischen Union und der Afrikanischen Union, vor allem darauf gerichtet, zur Herstellung grund- legender Sicherheit und funktionierender staatlicher Strukturen in Somalia beizutragen. In diese Bemühun- gen reihen sich die Beiträge der Bundesregierung ein. Die Bundesregierung engagiert sich in erster Linie im Verbund mit ihren EU-Partnern. Leitlinie hierbei ist der „Strategische Rahmen für das Horn von Afrika“, den die EU sich 2011 gegeben hat. Die EU ist in diesem Rahmen nicht nur im Bereich des somalischen Institutionenauf- baus aktiv, unter anderem im Sicherheitsbereich durch die Ausbildungs- und Beratungsmission der Europäi- schen Union für Somalia, EUTM Somalia, die erhebli- chen finanziellen Beiträge zur Mission der Afrikani- schen Union in Somalia, AMISOM, sowie durch Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Die EU ist vielmehr auch wichtigster Geber im Bereich der Ent- wicklungszusammenarbeit mit Somalia. Für entwick- lungspolitische Aktivitäten vor allem in den Bereichen gute Regierungsführung – unter anderem Rechtsstaat- lichkeit, Förderung zivilgesellschaftlicher Organisatio- nen –, wirtschaftliche Entwicklung – unter anderem Dürreresilienzmaßnahmen, Bewässerung – und Bildung wurden im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungs- fonds im Zeitraum 2008 bis 2013 rund 521 Millionen Euro bereitgestellt. Auch Deutschland ist neben seinem Engagement im Sicherheitsbereich auf entwicklungspolitischem und hu- manitärem Gebiet – unter anderem Minenräumung – so- wie im Hinblick auf die Wahlen 2016 im Bereich der Demokratieförderung aktiv. So hat die Bundesregierung bei der Brüsseler Somalia-Konferenz im September Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1731 (A) (C) (D)(B) 2013 EZ-Maßnahmen in Höhe von circa 90 Millionen Euro zugesagt. Darüber hinaus wird mithilfe deutscher Einzahlungen von rund 2,5 Millionen Euro in den AMISOM Trust Fund derzeit unter anderem die Ent- wicklung des somalischen Mediensektors unterstützt. Dabei liegt der Fokus der Maßnahmen besonders auf der Einrichtung und Professionalisierung des VN-Radiosen- ders Bar Kulan sowie der Beratung für den Kapazitäts- aufbau somalischer Medien im Rechts- und Verwal- tungsbereich. 2013 hat die Bundesregierung am Horn von Afrika humanitäre Projekte mit einem Volumen von rund 20 Millionen Euro gefördert, einschließlich ent- wicklungsfördernder und strukturbildender Übergangs- hilfe. Das Engagement Deutschlands und der EU im Si- cherheitsbereich ist somit eingebettet in einen umfassen- den Ansatz zur Stärkung der staatlichen und zivilgesell- schaftlichen Strukturen Somalias, zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur humanitären Hilfe für die soma- lische Bevölkerung. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Ab- geordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 10): Ist die derzeitige De-facto-Regierung in der Ukraine nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsgemäß zustande ge- kommen? Am 27. Februar 2014 wählte das Parlament der Ukraine einen neuen Premierminister und bestätigte eine neue Regierung. Beide Beschlüsse wurden mit breiter Mehr- heit gefasst. Die Bundesregierung sieht keinen Grund, an der Verfassungsmäßigkeit dieser Beschlüsse zu zwei- feln. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 11): Wie viele Feststellungen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit waren zuletzt im Register der Entschei- dungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten eingetragen (bitte so genau wie möglich nach dem Grund bzw. der jeweili- gen Rechtsgrundlage unterscheiden sowie nach den fünf wichtigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren)? Eine Erfassung von Fällen des Verlustes der deut- schen Staatsangehörigkeit ist erst seit Einführung des Registers der staatsangehörigkeitsrechtlichen Entschei- dungen, EStA, nach § 33 des Staatsangehörigkeitsgeset- zes, StAG, vorgesehen, der am 28. August 2007 in Kraft getreten ist. Seither werden alle Entscheidungen zu Staatsangehörigkeitsurkunden, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StAG, und zum gesetzlichen Verlust der Staatsangehörigkeit, § 33 Abs. 2 Nr. 2 StAG, im Register EStA erfasst. Das Register EStA enthält aber auch Entscheidungen, die nach dem 31. Dezember 1960 getroffen worden sind, § 33 Abs. 1 Nr. 3 StAG. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder zwar gemäß § 33 Abs. 3 StAG verpflichtet sind, die jeweili- gen Entscheidungen unverzüglich an das Register EStA zu melden, eine tagesaktuelle Meldung jedoch nicht in allen Fällen erfolgt. Im Register EStA waren zum Stichtag 16. März 2014 insgesamt 2 849 Entscheidungen zum Verlust der deut- schen Staatsangehörigkeit eingetragen. Diese teilen sich wie folgt auf: 2 237 Verlustfälle nach § 25 StAG – An- nahme einer anderen Staatsangehörigkeit –, 7 Verlust- fälle nach § 26 StAG – Verzicht –, 8 Verlustfälle nach §§ 18 bis 24 StAG – Entlassung auf Antrag –, 14 Ver- lustfälle nach § 27 StAG – Annahme als Kind durch einen Ausländer –, 19 Verlustfälle nach § 28 StAG – Wehrdienst in fremden Streitkräften –, 13 Verlustfälle nach § 17 Nr. 5 RuStAG a. F. i. V. m. Art. 16 des Grund- gesetzes – Legitimation durch einen Ausländer, bis 31. Dezember 1974 –, 17 Verlustfälle nach § 17 Nr. 6 RuStAG a. F. i. V. m. Art. 16 des Grundgesetzes – Ehe- schließung mit einem Ausländer, bis 31. März 1953 –, 268 Verlustfälle nach § 29 StAG – Optionspflicht –, 266 Verlustfälle aus sonstigen Verlustgründen. Eine Differenzierung der Verlustfälle nach ausländi- schen Staatsangehörigkeiten erfolgt nicht. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 13): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung bezüglich des mehrfach vorbestraften Neonazis M. D. v. D., den das Bun- desamt für Verfassungsschutz, BfV, von 1994 bis 2003 als V- Mann, VM, „Tarif“ führte, dessen Akte sein mutmaßlicher VM-Führer „Lingen“ 2011 weisungswidrig schreddern ließ und den das BfV nach dem NSU-Trio in Niedersachsen for- schen ließ (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seiten 759, 761, 773, 777), vor allem, dass dessen VM-Führer „Alex“ 1998 an- gebotene Hinweise zum Versteck des NSU-Trios bei D. expli- zit abgelehnt habe (vergleiche den Spiegel vom 24. Februar und 1. März 2014) und der D. dem BfV zwecks Billigung so- wie Finanzierung antisemitische Hetzschriften vor deren Pro- duktion vorlegte, derentwegen der niedersächsische Amts- richter Dr. Wilfried Kraft den D. im Herbst 2000 wegen Volksverhetzung zu Haft verurteilte, und bleibt die Bundes- regierung weiter bei der Aussage, das BfV habe weder V- Leute im direkten Umfeld des NSU-Trios geführt noch die Akten zum VM „Tarif“ deshalb schreddern lassen, um heikle Details über dessen Tun geheim zu halten, etwa wenn das BfV dem D. noch nach dieser Verurteilung bis mindestens 2003 weiteren Lohn sowie Auslagen bezahlte, außer für die oben genannten Hetzschriften auch dafür, dass D. als NPD-Kandi- dat am 20. April 2002 zu „Führers Geburtstag“ Nazis zu ei- nem Drohmarsch vor das Haus jenes Richters aufrief unter der Parole „Weg mit Richter Dr. Kraft“, weshalb jener nebst Fa- milie lange Polizeischutz erhielt (Weser-Kurier vom 3. März 2014, „Richter zweifelt am Rechtsstaat“: „Das macht mich fassungslos“)? Die mündliche Frage knüpft im Wesentlichen an die Berichterstattung des Spiegel vom 23. Februar diesen Jahres (Der Spiegel 9/2014, S. 40 ff.) an. Der ehemalige VM „Tarif“ hat gegenüber dem Spiegel angegeben, von einer Person aus dem Umfeld des Trios gefragt worden 1732 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) zu sein, ob er die drei nach deren Untertauchen verste- cken könnte. Hiervon soll der VM „Tarif“ seinerzeit sei- nen V-Mann-Führer beim Bundesamt für Verfassungs- schutz, BfV, unterrichtet haben, der ihm jedoch eine Absage erteilt hätte. Damit ist die Frage laut geworden, ob das BfV eine Chance verstreichen ließ, das Trio vor Beginn der Mordserie dingfest zu machen. Da die Akte des VM auch zu den am 11. November 2011 im BfV vernichteten VM-Akten gehört, ist daraufhin die Mut- maßung wieder laut geworden, die Vernichtung der Ak- ten sei doch – entgegen der Bewertung der Bundes- regierung – zum Zweck der Vertuschung unliebsamer Wahrheiten erfolgt. Die Bundesregierung ist diesen Vorwürfen selbstver- ständlich umgehend nachgegangen. Die fraglichen ge- schredderten Akten zum VM „Tarif“ konnten schon für den NSU-Untersuchungsausschuss weitestgehend wie- derhergestellt werden und wurden diesem vollumfäng- lich zugänglich gemacht. Aus diesen ergeben sich keine Hinweise, die die Behauptungen des VM „Tarif“ stützen würden. Auch die beteiligten Personen im BfV haben die Behauptungen auf Befragung hin deutlich zurückge- wiesen. Die in der Frage benannten, vom VM „Tarif“ erhobe- nen Vorwürfe sind derzeit aber auch Gegenstand laufen- der Ermittlungen des Generalbundesanwaltes, GBA. So hat insbesondere zu dem in der Frage geschilderten Sachverhalt am 10. März 2014 eine Vernehmung des ehemaligen VM durch die Bundesanwaltschaft stattge- funden. Wir sind uns sicherlich einig darin, dass man die Vorwürfe jetzt gründlich ausermitteln und den Erfolg dieser Ermittlungen auch nicht gefährden sollte. Deshalb möchte die Bundesregierung von weiteren Stellungnah- men zum Sachverhalt an dieser Stelle absehen. Dies muss auch trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtli- chen Pflicht der Bundesregierung geschehen, Informa- tionsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen. In diesem Fall tritt nach konkreter Abwägung der betrof- fenen Belange das Informationsinteresse des Parlamen- tes hinter das verfassungsrechtliche Gebot zurück, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden. Eine weitergehende Auskunft könnte gegebenenfalls Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln, weshalb aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt, dass vorliegend das betroffene Interesse der Allgemein- heit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung, vergleiche dazu BVerfGE 51, 324 (343 f.), Vorrang vor dem parlamenta- rischen Informationsinteresse hat. Zudem wird dem BfV in der genannten Medienbe- richterstattung vorgeworfen, „Tarif“ bei der Herausgabe einer neonazistischen Zeitschrift, dem „Sonnenbanner“, unterstützt und finanziert zu haben. Was nähere Details der Zusammenarbeit mit dem BfV betrifft – hierzu ge- hört auch der Umgang mit Publikationen des VM „Ta- rif“–, kann in einer öffentlichen Fragestunde des Bun- destages keine Auskunft gegeben werden. Die Antwort auf die Frage ließe Rückschlüsse auf den operativen Kernbereich der Nachrichtendienste zu. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich zu sol- chen Fragen ausschließlich im dafür zuständigen Parla- mentarischen Kontrollgremium äußert. Im Übrigen bleibt die Bundesregierung weiterhin bei ihren in der Frage wiedergegebenen Aussagen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/814, Frage 14): Für wie viele syrische Flüchtlinge wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Aufnahmeprogramme der Länder die Aufnahme bei Verwandten angemeldet – bitte nach Bundesländern und Aufnahme über Länderanordnun- gen/Regelung nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes differenzie- ren –, und in wie vielen Fällen wurde eine Aufenthaltserlaub- nis erteilt? Eine Abfrage bei den Ländern hat folgendes Ergebnis erbracht: Im Rahmen der Bundesländeraufnahmeprogramme sind zum 28. Februar 2014 2 272 Visa erteilt worden. Landesaufnahmeprogramme Anträge (Anzahl der Personen) Vorab- zustimmung der Auslän- derbehörde Aufenthalts- erlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG BW k. A. 600 k. A. BY - - - BE k. A. 215 k. A. BB k. A. 13 k. A. HB k. A. 30 k. A. HH 266 134 k. A. HE 229 147 19 MV 9 5 k. A. NI k. A. 951 204 NW 27.800 „Inte- ressenbe- kundungen“ über eine Te- lefonhotline k. A. k. A. RP 250 k.A. k. A. SL 162 k. A. k. A. ST 77 k. A. k. A. SH k. A. 131 k. A. SN k. A. 141 k. A. TH k. A. 88 9 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1733 (A) (C) (D)(B) Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/814, Frage 15): Inwieweit wird sich die Bundesregierung für eine unbe- grenzte Aufnahme von syrischen Flüchtlingen bei ihren hier lebenden Verwandten einsetzen, und welche konkreten Schritte für eine weitere Aufnahme syrischer Flüchtlinge bei hier lebenden Verwandten oder aus humanitären Gründen sind derzeit geplant? Der Schwerpunkt der Hilfe Deutschlands für syrische Flüchtlinge wird in der Krisenregion geleistet. Die Un- terstützung Deutschlands seit dem Jahr 2012 beträgt rund 483 Millionen Euro, davon 252,7 Millionen Euro humanitäre Hilfe, 163,9 Millionen Euro strukturbildende Übergangshilfe/bilaterale Unterstützung – Bundesminis- terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung – und 66,4 Millionen Euro Krisenbewältigung. Das Technische Hilfswerk leistet vor Ort, insbeson- dere in Flüchtlingslagern in Jordanien und Nordirak/Er- bil, Hilfe durch die Bereitstellung der Wasserversor- gung. Durch die Hilfe vor Ort erreicht man weitaus mehr Menschen, als dies durch Flüchtlingsaufnahme möglich ist. Deutschland nimmt bereits jetzt allein im Rahmen der humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes circa zwei Drittel aller syrischen Flüchtlinge weltweit außer- halb der Krisenregion auf, die im Zuge von humanitären Aufnahmeprogrammen Schutz finden. Der Bund hat im Rahmen seiner humanitären Aufnahmeprogramme be- wusst auf die Voraussetzung der Lebensunterhaltssiche- rung verzichtet, um auch besonders schutzbedürftigen Syrern, die keine – wohlhabenden – Verwandten in Deutschland haben, die Teilnahme am Programm zu er- möglichen. Ergänzend haben 15 Bundesländer Landesaufnahme- programme für Syrer mit Verwandten in Deutschland aufgelegt. Bayern hat kein Landesaufnahmeprogramm. Unter der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung durch einen Verpflichtungsgeber in Deutschland erhalten so weitere Tausende von Syrern die Möglichkeit, in Deutschland Schutz zu finden. Diese Landesanordnungen wurden bereits verlängert. Kontingente sind derzeit nur von Baden-Württemberg und dem Saarland festgelegt worden. Der Bund hat die Verwandtenaufnahme durch die Länder begrüßt und sein Einvernehmen dazu erteilt. Bund und Länder erörtern derzeit, unter welchen Voraussetzungen weitere syrische Flüchtlinge aufgenommen werden können, wenn die bis- herigen Kontingente der Bundesaufnahmeprogramme erfüllt sind. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Fragen der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 17 und 18): Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form wird die Bun- desregierung wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart „rechtliche Hemmnisse bei der Aus- übung des Wahlrechts für Analphabeten und Betreute ab- bauen“? Welche Alternativen zu einer ersatzlosen Streichung des in § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes genannten Ausschlusstat- bestandes sieht die Bundesregierung, um den automatischen Wahlrechtsausschluss von Personen zu beenden, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, und wann wird sie die entsprechende Streichung vorschlagen, falls sie keine Alternativen sieht? Fragen des Wahlrechts sind nach langjähriger Staats- praxis Sache des Deutschen Bundestages; die Bundesre- gierung bringt hierzu üblicherweise keine Initiativen ein. Ihre Fragen betreffen die Wahlrechtsausschlüsse nach § 13 Bundeswahlgesetz. Nach dieser Vorschrift sind un- ter anderem Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, für die durch richterliche Entscheidung im Einzelfall zur Besorgung aller Angelegenheiten dauerhaft ein Betreuer bestellt werden musste, sowie Personen, die sich auf- grund richterlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, weil sie im Zustand der Schuld- unfähigkeit eine rechtswidrige Tat begangen haben und von ihnen infolge ihres Zustands erhebliche rechtswi- drige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die All- gemeinheit gefährlich sind. Betroffen sind von diesen Regelungen also nicht etwa alle Menschen, für die eine Betreuung besteht, und schon gar nicht alle Menschen mit Behinderungen oder Analphabeten, die selbstverständlich wählen können und für die in der Bundeswahlordnung bereits Hilfestellun- gen bei der Stimmabgabe vorgesehen sind. Der Bundesregierung ist die Diskussion über die Wahlrechtsausschlüsse bekannt. Diese Diskussion hat al- lerdings aufgezeigt, dass es über den betroffenen Perso- nenkreis viele Vermutungen und kaum belastbare Fakten gibt. Es ist zum Beispiel unbekannt, wie viele Personen überhaupt von den Wahlrechtsausschlüssen betroffen sind. Deshalb hat die Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechts- konvention beschlossen, eine Studie in Auftrag zu ge- ben, in der die tatsächliche Situation behinderter Men- schen bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts untersucht und Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Partizipation von Menschen mit Behin- derungen entwickelt werden. Nach einem europaweiten Vergabeverfahren hat die Bundesregierung diese Studie im Dezember 2013 an ein interdisziplinär besetztes Team von Wissenschaftlern vergeben. Die Studie soll der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag als wissenschaftliche Grundlage für die Beantwortung der Frage dienen, ob es vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention mit Blick auf die Ausübung des aktiven und passiven Wahl- rechts bei bestimmten Gruppen von Menschen mit Be- hinderungen Handlungsbedarf gibt. Daher wird die Stu- die auch ihren Blick auf Unterstützungsmaßnahmen richten, die Menschen mit Behinderungen bei der Aus- übung ihres Wahlrechts helfen können. Gegebenenfalls können sich hieraus auch Hinweise auf geeignete Unter- stützungsmaßnahmen für die Gruppe der Analphabeten 1734 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) ableiten lassen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie, mit denen Ende 2015 zu rechnen ist, kann eine fundierte Entscheidung über gesetzliche Änderungen er- folgen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 19): Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um bei der Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie (Richtlinie 2004/81/EG) die spezifischen Bedürfnisse von Gewaltopfern mit Behinderung angemessen zu berücksichtigen? Für die Bundesregierung ist der Opferschutz im Straf- verfahren ein wichtiges Anliegen. Dabei muss auf Opfer von Gewalt und auf verletzte Personen mit Behinderun- gen besondere Rücksicht genommen werden. Daher begrüßt die Bundesregierung es ausdrücklich, dass die Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU gerade auch die besondere Schutzbedürftigkeit von Gewaltopfern und Menschen mit Behinderungen im Blick hat. Bereits die Erwägungsgründe der Richtlinie mahnen die Rück- sichtnahme auf die besonderen Belange dieser Opfer- gruppe an. Zudem hält die Richtlinie die Mitgliedstaaten dazu an, Maßnahmen zur frühzeitigen Ermittlung und Berücksichtigung besonderer Schutzbedürfnisse von Op- fern zur Verfügung zu stellen. Hier wird besondere Auf- merksamkeit für die Belange von Opfern geschlechtsbe- zogener Gewalt, Gewalt in engen Beziehungen oder sexueller Gewalt sowie von Opfern mit Behinderungen gefordert. Die Bundesregierung wird diese Vorgaben bei der Umsetzung der Opferschutzrichtlinie umfassend berück- sichtigen. Ihr ist an einer zeitnahen und vollständigen Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht gelegen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Kelber auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Druck- sache 18/814, Frage 22): Wie bewertet die Bundesregierung den vom EU-Minister- rat vorgelegten Gegenvorschlag zu dem vom Europaparla- ment verabschiedeten Kompromisspapier bezüglich des Verordnungsvorschlages KOM(2013) 130 hinsichtlich der dort vorgeschlagenen Regelung, Fluggesellschaften von der Entschädigungspflicht zu entbinden, sofern Verspätungen im Luftverkehr auf Herstellerfehler zurückzuführen sind, und wie wird sich die Bundesregierung in gegebenenfalls stattfinden- den Trilogverhandlungen hinsichtlich dieser Frage positionie- ren? Die EU-Kommission hat am 13. März 2013 einen Vorschlag zur Änderung der Fluggastrechteverordnun- gen (EG) Nr. 261/2004 und 2027/97 vorgelegt. Das Europäische Parlament hat am 5. Februar 2014 seine Stellungnahme zu diesem Vorschlag beschlossen. Die Beratungen des Rates der Europäischen Union zu dem Vorschlag der EU-Kommission dauern noch an. Sie wer- den mit der allgemeinen Ausrichtung abgeschlossen. Die griechische Ratspräsidentschaft strebt die allgemeine Ausrichtung für Juni 2014 an. In den Beratungen des Rates der Europäischen Union wird auch die Haftungsbefreiung der Luftfahrtunterneh- men im Fall außergewöhnlicher Umstände thematisiert, die bereits nach geltendem Recht gegenüber dem Aus- gleichsanspruch bei Annullierung und Verspätung von Flügen haftungsbefreiend wirken können. Zu diesen au- ßergewöhnlichen Umständen können bereits nach gel- tendem Recht in der Konkretisierung durch die Recht- sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestimmte technische Probleme an dem Flugzeug zäh- len, wenn sie Grund für die Annullierung oder Verspä- tung waren. Auch die Beratungen zu dieser Thematik dauern im Rat der Europäischen Union noch an. Trilogverhandlungen werden nicht von den Mitglied- staaten, sondern von der EU-Ratspräsidentschaft, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament ge- führt. Ein Trilog kann erst nach der allgemeinen Aus- richtung des Rates der Europäischen Union erfolgen. Wie sich die Bundesregierung bei der Abstimmung der Ratsposition im Trilog positionieren wird, kann erst nach Vorliegen der allgemeinen Ausrichtung festgelegt wer- den. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 23): Wie begründet die Bundesregierung die von ihr beabsich- tigte Verschiebung der Kindergelderhöhung (Süddeutsche Zeitung vom 11. März 2013) auf das Jahr 2016, und wie lässt sich diese Maßnahme mit dem Ziel vereinbaren, die Kinder- armut in Deutschland zu bekämpfen? Das Meinungsbild über mögliche und denkbare zu- künftige Gestaltungen hinsichtlich des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind das Bundesfami- lienministerium und das Bundesfinanzministerium über Veränderungen der Familienleistungen im konstruktiven Gespräch. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 24): Hält es die Bundesregierung für verfassungsrechtlich zu- lässig, den im zuletzt vorgelegten Neunten Existenzmininum- bericht festgestellten Anpassungsbedarf beim Kinderfreibe- trag ab dem Veranlagungsjahr 2014 nicht im Jahr 2014, sondern in einem späteren Jahr umzusetzen (vergleiche dpa- Meldung vom 12. März 2014, „Schäuble: Prüfen spätere An- hebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag“), und ist es zu- treffend, dass die Bundesregierung in den Jahren 2014 und 2015 keine Erhöhung des Kindergeldes vornehmen wird? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1735 (A) (C) (D)(B) Das Meinungsbild über mögliche und denkbare zu- künftige Gestaltungen hinsichtlich des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind das Bundesfami- lienministerium und das Bundesfinanzministerium über Veränderungen der Familienleistungen im konstruktiven Gespräch. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 24): Aus welchem Grund erfolgt gemäß § 1 Abs. 2 des Kaffee- steuergesetzes lediglich eine Besteuerung von Röstkaffee und löslichem Kaffee, jedoch keine Besteuerung von rohen Kaf- feebohnen, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Kaffee insbesondere in Form von Tabs im On- linegeschäft sicherzustellen? Die Kaffeesteuer knüpft als besondere Verbrauch- steuer an den Verbrauch von Kaffee an. Sie ist in ihrem Wesen auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuer- schuldner auf den End- oder Letztverbraucher angelegt. Rohkaffee wird in der Regel nicht an diesen Personen- kreis abgegeben. Er dient vielmehr als Vorprodukt für die Herstellung von Röstkaffee, löslichem Kaffee oder kaffeehaltigen Waren, die wiederum nach den Bestim- mungen des Kaffeesteuergesetzes der Kaffeesteuer un- terliegen. Diese Waren stehen – im Gegensatz zu Roh- kaffee – dem End- oder Letztverbraucher grundsätzlich zur Verfügung. Die gewerbsmäßige Beförderung von gemahlenem Röstkaffee in Form von Kaffeetabs, -pads bzw. -kapseln in das Steuergebiet unterliegt der Kaffeesteuer. Wer Kaf- fee aus einem anderen Mitgliedstaat an Privatpersonen im Steuergebiet liefert, hat dies vorher dem zuständigen Hauptzollamt anzuzeigen und eine im Steuergebiet an- sässige Person als Beauftragten zu benennen. Darüber hinaus sind im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens Si- cherheit für die im Steuergebiet entstehende Steuer zu leisten sowie über die Warenbewegungen Aufzeichnun- gen zu führen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 26): Wie viele Millionen Euro Versicherungsteuer hätte die Bundesregierung geschätzt zugunsten des Bundeshaushalts vom ADAC e. V. erhalten müssen, seit dieser entsprechend steuerpflichtige Versicherungsleistungen – wie Unfall/Pan- nenhilfe, Rechtsschutz/Krankenversicherung, Luftrettung etc. – vor Jahrzehnten anzubieten begann, und was unternahm die Bundesregierung seither sowie vor allem seit bayerische Betriebsprüfer sie explizit auf diesbezügliche „Anhaltspunkte für Steuerhinterziehung“ der ADAC-Verantwortlichen hinge- wiesen hatten (vergleiche den Spiegel vom 9. März 2014), um eine Strafverfolgung Letzterer sowie die vollständige rasche Beitreibung der offenen Versicherungsteuer zugunsten des Bundeshaushalts sicherzustellen? Antwort zum ersten Teil der Frage: Ob eine Versiche- rungsteuerpflicht überhaupt besteht, lässt sich nur an- hand konkreter Sachverhalte bestimmen. Das Eingehen auf Einzelfälle verbietet allerdings das Steuergeheimnis. Antwort zum zweiten Teil der Frage: Das Bundeszen- tralamt für Steuern – BZSt – ist die für die Verwaltung der Versicherungsteuer zuständige Finanzbehörde. Dies beinhaltet unter anderem die Durchführung von Außen- prüfungen einschließlich der Auswahl der zu Prüfenden. Das BZSt ist auch die sachlich zuständige Behörde für die Ermittlung von Steuerstraftaten, soweit die Versiche- rungsteuer betroffen ist. Das BMF übt insoweit nur die Rechts- und Fachaufsicht aus. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 27): Wie viele Personen haben in den letzten zehn Jahren je- weils Behindertenpauschbeträge nach § 33 b des Einkommen- steuergesetzes (EStG) und Außergewöhnliche Belastungen durch behinderungsbedingte Ausgaben nach § 33 EStG gel- tend gemacht, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bun- desregierung daraus hinsichtlich der Angemessenheit der Pauschbeträge? Nach den jährlichen Einkommensteuerstatistiken 2004 bis 2009 haben in diesen Jahren jeweils zwischen 3,5 bis 3,8 Millionen Steuerpflichtige einen Behinder- tenpauschbetrag nach § 33 b Abs. 3 EStG in Anspruch genommen. Neuere statistische Daten liegen noch nicht vor. In wie vielen Fällen über den Behindertenpauschbe- trag hinaus bzw. an dessen Stelle eine behinderungsbe- dingte außergewöhnliche Belastung gegen Einzelnach- weis gemäß § 33 EStG geltend gemacht wurde, geht aus der amtlichen Statistik nicht hervor. Richtig ist, dass die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen seit 1975 der Höhe nach zwar unverän- dert geblieben sind. Parallel sind seither aber viele an- dere Verbesserungen und Erleichterungen eingetreten, die die Pauschbeträge im genannten Kontext nicht als unangemessen erscheinen lassen. Während bis ein- schließlich 2007 der Steuerpflichtige bei allen behinde- rungsbedingten Krankheitskosten wählen musste, ob er seine Aufwendungen durch Einzelnachweise und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 EStG geltend macht oder aber den Pauschbe- trag nach § 33 b EStG in Anspruch nimmt, werden ab 2008 durch die Pauschbeträge nur noch die behinde- rungsbedingten Mehraufwendungen abgegolten. Dies sind Aufwendungen, die für die Hilfe bei den gewöhnli- chen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen er- höhten Wäschebedarf anfallen. Alle übrigen Krankheits- kosten können neben dem Behindertenpauschbetrag zu- 1736 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) sätzlich nach § 33 EStG geltend gemacht werden, auch wenn sie behinderungsbedingt entstanden sind. Bei den Pauschbeträgen für behinderte Menschen handelt es sich also nur um eine Vereinfachungsregel, die den Einzelnachweis bestimmter Aufwendungen ent- behrlich werden lässt; der Nachweis höherer tatsächli- cher Kosten ist aber jedem Steuerpflichtigen möglich. Damit berücksichtigt die Regelung auch Kostensteige- rungen ausreichend flexibel. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen der Abgeordneten Susanna Karawanskij (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Fragen 28 und 29): Inwieweit ist die in Medien (vergleiche Süddeutsche Zei- tung vom 10. März 2014, „Bundesregierung will Lebensversi- cherer unterstützen“) zu vernehmende Meldung zutreffend, dass bei dem Reformpaket für Lebensversicherungen der Tag der Verabschiedung im Kabinett als Stichtag genommen wer- den soll, wodurch die Versicherten dann keine Chance mehr hätten, ihre Verträge vorzeitig zu kündigen, um die bislang geltende hälftige Beteiligung an den Bewertungsreserven zu retten, und nach welchen Kriterien könnte im Detail eine potenzielle Regelung ausgestaltet sein, nach der in einer soge- nannten Niedrigzinsphase die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren gekürzt oder ausgeschlossen wird und bei steigenden Zinsen „automatisch wieder die aktuelle Regelung“ mit der 50-pro- zentigen Beteiligung an den Bewertungsreserven greifen soll (vergleiche A. Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, in: boerse-online.de vom 10. März 2014, „Bundesregierung plant Reformpaket für Le- bensversicherung“)? Vorausgesetzt, die Beteiligung der Versicherungsgemein- schaft an den Bewertungsreserven wird gekürzt oder ganz ab- geschafft, wie bewertet die Bundesregierung zum derzeitigen Stand die in der Debatte befindlichen potenziellen Gegenleis- tungen der Versicherungsbranche im Einzelnen (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 10. März 2014, „Bundesregierung will Lebensversicherer unterstützen“, speziell im Abschnitt „Politik fordert Gegenleistungen der Versicherer“), und wie positioniert sich die Bundesregierung zur Kritik an der poten- ziellen Regelung, wonach es zu einer Ausschüttungssperre an Aktionärinnen und Aktionäre kommen soll, sobald ein Versi- cherungsunternehmen seine Garantiezusagen an die Kundin- nen und Kunden nicht einhalten kann, was aber insofern pro- blematisch sei, weil ein Unternehmen, das sich in einer solch dramatischen Schieflage befindet, in der es keine Garantiezu- sagen mehr erfüllen kann, ohnehin vom Markt gehen muss, wodurch es sowieso keine Dividenden mehr an Aktionärinnen und Aktionäre auszahlen darf (vergleiche Deutschlandfunk vom 12. März 2014, „Geschenk an die Lobby“)? Zu Frage 28: Die Bundesregierung beabsichtigt, einen Gesetzent- wurf vorzulegen, der Lösungsvorschläge zum Umgang mit den Folgen des langanhaltenden Niedrigzinsumfeldes für die Lebensversicherung enthält und generationenge- recht im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähig- keit und Stabilität der Lebensversicherungen vorsieht. Ein entsprechender Auftrag ist bereits im Koalitionsver- trag enthalten. Welche Maßnahmen im Einzelnen konkret geeignet und notwendig sind, wird augenblicklich von der Bun- desregierung geprüft. Bis dahin steht sein Inhalt noch nicht fest. Das gilt auch für die Frage, ob der Entwurf eine Stich- tagsregelung vorsehen wird. Ich verweise in diesem Zu- sammenhang auf die bekannte Tatsache, dass bei einer vorzeitigen Kündigung einer Versicherung in der Regel Abzüge erfolgen. Zu Frage 29: Im augenblicklichen Zinsumfeld muss darauf geachtet werden, dass ökonomisch ungerechtfertigte Mittelab- flüsse bei Versicherern im erforderlichen Umfang verhin- dert werden. Das betrifft insbesondere Ausschüttungen an Investoren, die Überschussbeteiligung der Versicherten und die Abschluss- und Verwaltungskosten der Versiche- rer. Notwendig ist daher ein ausgewogenes Maßnahmen- paket, das Beiträge der Versicherer, des Versicherungs- vertriebs und der Versichertengenerationen einfordert. Welcher Art die jeweiligen Beiträge konkret sein wer- den, steht, wie bereits in meiner Antwort zu Ihrer vorhe- rigen Frage ausgeführt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Betonen muss ich aber, dass von einer „dramatischen Schieflage“ der Lebensversicherung nicht die Rede sein kann. Zum einen besitzen die Versicherer aus der Ver- gangenheit noch genügend höher verzinste Kapitalanla- gen und zum anderen nimmt der Anteil der Verträge mit hohen garantierten Leistungen kontinuierlich ab. Es ist aber auch offensichtlich, dass eine Situation, in der ein Lebensversicherungsunternehmen eine höhere Mindest- verzinsung garantiert hat, als es selbst durch neue Kapi- talanlagen erzielen kann, auf Dauer nicht tragbar ist. Es besteht aus meiner Sicht kein Zweifel, dass die Versiche- rer diese Lage bewältigen können, wenn sie sich verant- wortungsbewusst verhalten. Der Gesetzgeber ist zum Handeln aufgerufen, um die Unternehmen hierzu anzu- halten und um zu gewährleisten, dass die berechtigten Erwartungen der Versichertengemeinschaft nicht ent- täuscht werden. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 30): Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Landesregierun- gen, dass der Behinderungsbegriff im Neunten Buch Sozial- gesetzbuch vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechts- konvention überarbeitet werden muss (vergleiche 90. ASMK- Protokoll), und zu welchem Zeitpunkt wird sie in diesem Fall einen Überarbeitungsvorschlag vorlegen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Be- hinderungsbegriff in § 2 des Neunten Buches Sozialge- setzbuch, SGB IX, der wortgleich mit § 3 Behinderten- gleichstellungsgesetz, BGG, ist, den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1737 (A) (C) (D)(B) Er lautet wie folgt: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesund- heit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zu- stand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Derzeit überprüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen einer wissenschaftlichen Eva- luation des Behindertengleichstellungsgesetzes, ob der Behinderungsbegriff gleichwohl einer Anpassung be- darf. Sollte sich Änderungsbedarf ergeben, wird dieser in Gesetzgebungsverfahren der laufenden Legislatur- periode einfließen. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage des Abgeordneten Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 32): Über welche existenzsichernden Leistungen können Stu- dierende mit Behinderungen behinderungsbedingt höhere Aufwendungen des Lebensunterhalts decken, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf? Auch Menschen mit Behinderungen haben grundsätz- lich ein uneingeschränktes Anrecht darauf, bei entspre- chender Befähigung ein Studium ihrer Wahl, auch zur beruflichen Weiterbildung, aufnehmen und absolvieren zu können und im Bedarfsfall die hierzu notwendigen behinderungsspezifischen Unterstützungsleistungen wie persönliche Assistenz oder technische Hilfsmittel zu er- halten. Hierfür sind die für die Hochschulbildung verant- wortlichen Kultusverwaltungen der Länder und Hoch- schulen in der vorrangigen Pflicht. Sie haben in Bedarfs- fällen die individuell erforderlichen studienbegleitenden Hilfen an Studierende mit Behinderungen zu leisten und sind die richtigen Adressaten für eine Verbesserung der Situation behinderter Studierender. Durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz, BAföG, wird der typische ausbildungsbedingte Lebens- unterhalt finanziert. Behinderungsbedingte Mehrkosten werden jedoch nicht durch das Bundesausbildungsförde- rungsgesetz abgedeckt. Kosten für studienbezogene Hilfsmittel, Kommunikations- und Studienassistenzen sowie Unterstützungen der Mobilität werden gegebenen- falls über die Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch übernommen. Die Eingliederungshilfe übernimmt jedoch nicht die Finanzierung behinderungsbedingt anfallender Mehrbe- darfe zum Lebensunterhalt, weshalb Studierende mit Be- hinderungen auf anderweitige Sozialleistungen angewie- sen sind, wie zum Beispiel auf Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz- buch oder auf Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch So- zialgesetzbuch. Auch vor dem Hintergrund dieses komplexen Zusam- menwirkens verschiedener Sozialleistungen wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, die Schnittstellen der ver- schiedenen Sozialgesetzbücher zueinander sowie dieje- nigen zum Bundesausbildungsförderungsgesetz syste- matisch aufzuarbeiten und besser miteinander zu verzahnen. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage des Abgeordneten Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 33): Ist der Bundesregierung bekannt, ob Verbände behinderter Menschen, die Beratung zu Rechtsansprüchen behinderter und chronisch erkrankter Menschen nach dem Peer-Prinzip anbieten und damit sowohl eine Beratung gewährleisten, die unabhängig von Interessen der Leistungsträger und -anbieter ist, als auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Selbst- bewusstseins und Selbstbestimmungsrechts behinderter Men- schen leisten, vor teilweise existenziellen Finanzierungspro- blemen stehen und daher beständig mit der Situation konfrontiert sind, ihre Arbeit nicht aufrechterhalten zu kön- nen, und wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesre- gierung, hier Verbesserungen herbeizuführen? Die Bundesregierung ist sich der Situation von Ver- bänden der Selbsthilfe behinderter und chronisch kran- ker Menschen durchaus bewusst. Es liegt nahe, dass es bei der Verbandsarbeit vielfach auf das persönliche – und in der Regel ehrenamtliche – Engagement der Ver- bandsvertreterinnen und Verbandsvertreter sowohl bei der politischen Teilhabe als auch bei den Leistungen und Angeboten bei Beratung, Aufklärung und Information ihrer Mitglieder ankommt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und anderen Zuwendungen sind in der Regel sehr knapp be- messen. Zur Stärkung der finanziellen Situation der Verbände stehen der Bundesregierung jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung. So werden beispielsweise mit den Mitteln aus der Ausgleichsabgabe, die im Aus- gleichsfonds nach § 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX, vom Bundesministerium für Arbeit und Sozia- les verwaltet werden, überregionale Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Förderung der Teilhabe schwer- behinderter Menschen am Arbeitsleben gefördert. Die Verbände können sich hier als Projektnehmer engagieren oder sich an Projekten von Forschungsinstituten, Uni- versitäten und anderen Institutionen beteiligen. Weitere Ressorts, wie das Bundesministerium für Ge- sundheit, BMG, oder das Bundesministerium für Fami- lie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, können im Rahmen ihrer Zuständigkeit ebenfalls Projekte der Ver- bände fördern. 1738 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) Anlage 25 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 38): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Men- schen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt zu inte- grieren, und wie sollen diese Maßnahmen umgesetzt werden, um unnötige Bürokratie zu vermeiden? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, für Men- schen mit Behinderungen mehr Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Dazu wurden im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention insbe- sondere folgende Maßnahmen auf den Weg gebracht: Zentrales beschäftigungspolitisches Element des Na- tionalen Aktionsplans ist die „Initiative Inklusion“, mit der mit insgesamt 140 Millionen Euro aus dem Aus- gleichsfonds die berufliche Orientierung von schwerbe- hinderten Jugendlichen, die Ausbildung junger und die Beschäftigung älterer schwerbehinderter Menschen so- wie die Inklusionskompetenz der Kammern der Wirt- schaft gefördert werden. In Ergänzung dazu wurde im Oktober 2013 mit den maßgeblichen Arbeitsmarktakteuren die Inklusionsiniti- ative für Ausbildung und Beschäftigung vereinbart. Sie umfasst ein Bündel an verschiedenen Maßnahmen und Kampagnen, die eigenverantwortlich, aber auch in Ko- operation durchgeführt werden. Neben den Spitzenver- bänden der Wirtschaft BDA, DIHK und ZDH, dem DGB, der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen sind auch die Integrationsämter der Länder und die Ver- bände behinderter Menschen daran beteiligt. Im Mittelpunkt dieser Initiative steht die verstärkte Sensibilisierung von Betrieben und Unternehmen für das Arbeitskräftepotenzial und die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung. Mit vielen Aktivitäten sol- len Arbeitgeber verstärkt davon überzeugt werden, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein Gewinn für das Unternehmen ist. Einen weiteren Schwerpunkt der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung bildet das Programm zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen mit einem finanziellen Volumen von 50 Millionen Euro, das sich an die Agentu- ren für Arbeit, die gemeinsamen Einrichtungen und die zugelassenen kommunalen Träger richtet. Damit werden Konzepte mit fortschrittlichen und strategisch sinnvollen Ansätzen für eine existenzsichernde und nachhaltige be- rufliche Integration von schwerbehinderten Menschen gefördert. Das Programm ergänzt das bestehende umfangreiche Instrumentarium, das der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der Integration von Menschen mit Behin- derungen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Arbeitgeber können zum Beispiel Ausbildungs-, Ein- gliederungszuschüsse oder Zuschüsse zur behinderten- gerechten Ausgestaltung von Ausbildungs- und Arbeits- plätzen erhalten. Menschen mit Behinderung können unter anderem mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, Aus- und Weiterbildungen gefördert und mit dem Gründungs- zuschuss bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätig- keit oder durch eine Kraftfahrzeughilfe unterstützt wer- den. Die Förderung orientiert sich dabei an dem Grundsatz: So viel Allgemeines wie möglich, so viel Spezielles wie nötig. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 43 und 44): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen der Bundesvereinigung der Landesarbeitsge- meinschaften der Werkstatträte e. V., BVWR, zur Weiterent- wicklung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (verglei- che Positionspapier vom Juni 2012), und wann wird sie die Verordnung in Zusammenarbeit mit der BVWR im Sinne der Stärkung der Mitwirkungsrechte der Werkstatträte und einer rechtlichen und finanziellen Sicherung der überregionalen Werkstattratsvertretungen weiterentwickeln? Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Tatsache, dass Werkstätten für behinderte Men- schen nur denjenigen behinderten Menschen offen stehen, von denen erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teil- nahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden (§ 136 Abs. 2 SGB IX), insbesondere vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang auftretenden sozialversicherungsrechtlichen Schlechterstellung des ausge- schlossenen Personenkreises, und wann wird sie diesbezüg- lich tätig werden? Zu Frage 43: Die Bundesregierung hat im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angekündigt, mit den Werkstatträten in einen Dialog über die Erfahrungen mit der am 1. Juli 2001 in Kraft ge- tretenen Werkstätten-Mitwirkungsverordnung zu treten. Vor diesem Hintergrund haben in 2012 und 2013 insge- samt drei Veranstaltungen mit der Bundesvereinigung der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte als der überregionalen Interessenvertretung der Werkstatt- räte und der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen stattgefunden. Bei den Diskussionen haben sich Themenschwer- punkte für eine mögliche Weiterentwicklung der Werk- stätten-Mitwirkungsverordnung herausgestellt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird diese Punkte in naher Zukunft mit den Ländern und mit den Verbänden besprechen. Auf der Grundlage der Er- gebnisse dieser Gespräche wird dann über die notwendi- gen Änderungen in der Werkstätten-Mitwirkungsverord- nung zu entscheiden sein. Zu Frage 44: Die Bundesregierung wird dieses Anliegen im Zu- sammenhang mit der Erarbeitung eines Bundesteilhabe- gesetzes für Menschen mit Behinderungen in der laufen- den Legislaturperiode des Deutschen Bundestages prüfen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1739 (A) (C) (D)(B) Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksa- che 18/814, Fragen 45 und 46): Welche konkreten zentralen Schritte, Maßnahmen, Gipfel etc. plant die Bundesregierung in den kommenden zwei Jah- ren, um die im Fortschrittsbericht 2013 zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung angekündigten Ziele bzw. Pfade umzu- setzen – bitte entsprechende Terminierung benennen –, und inwieweit sollen daraus gesetzgeberische Initiativen folgen (diese bitte konkret benennen)? Inwiefern sieht die Bundesregierung die Wirtschaft in der Pflicht, durch bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen die Attraktivität bestimmter Berufsgruppen zu erhöhen, und welches sind die 20 Berufsgruppen, bei denen nach Ansicht der Bundesregierung am stärksten Handlungsbedarf besteht? Zu Frage 45: Die Bundesregierung hat 2011 das Fachkräftekonzept beschlossen, das mit seinen fünf Sicherungspfaden die Fachkräftebasis langfristig sichern soll. Es enthält Indi- katoren und Zielmarken, deren Erreichung durch einen jährlichen Fortschrittsbericht überprüft wird. Der Fort- schrittsbericht 2013 weist auf respektable Fortschritte hin und identifiziert weiteren Handlungsbedarf. Die er- griffenen Maßnahmen der Bundesregierung, um die Fachkräftesicherung weiter voranzutreiben, werden ebenfalls im Fortschrittsbericht für jeden einzelnen Si- cherungspfad aufgezeigt. Hierzu gehören neben dem zielgerichteten Einsatz ge- setzlicher Instrumentarien unter anderem die folgenden Maßnahmen: der Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige, für den der Bund bis 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro und anschließend jährlich 845 Mil- lionen Euro Betriebskostenzuschüsse zur Verfügung stellt; der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräf- tenachwuchs; der Hochschulpakt, für den zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger insgesamt über 10 Milliar- den Euro Bundesmittel zur Finanzierung der ersten bei- den Programmphasen bereitstehen; die im Februar 2013 gestartete Initiative „AusBILDUNG wird was – Spät- starter gesucht“, die für drei Jahre angesetzt ist; das BA- Programm WeGebAU – Weiterbildung Geringqualifi- zierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unter- nehmen –, für das im Jahr 2014 rund 280 Millionen Euro bereitstehen; die BA-Initiative IFlaS – Initiative zur Flankierung des Strukturwandels –, für die im Jahr 2014 rund 400 Millionen Euro zur Verfügung stehen; die Ini- tiative „Inklusion“, die bis zum Jahr 2018 umgesetzt wird und für die rund 140 Millionen Euro aus dem Aus- gleichsfonds zur Verfügung stehen; die im Juni 2012 ge- startete Fachkräfteoffensive mit dem Inlandsportal www.fachkräfte-offensive.de und dem Willkommen- sportal www.Make-it-in-Germany.com, die für das Thema Fachkräftesicherung sensibilisiert und für unter- schiedliche Zielgruppen – Arbeitgeber und Beschäftigte – spezifische Informationen bündelt und auch 2014 fortge- setzt wird; das Innovationsbüro „Fachkräfte für die Re- gion“, das die regionalen Netzwerke zur Fachkräftesi- cherung identifiziert, berät und unterstützt und in 2014 fortgeführt wird; die Initiative „Neue Qualität der Ar- beit“, die sich zusammen mit Sozialpartnern, Kammern, Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft für eine höhere Qualität der Arbeit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen engagiert und auch in 2014 weiterläuft; das Kompetenzzentrum Fach- kräftesicherung; die auf das Ausbildungs-, Berufs- und Beschäftigungsfeld der Altenpflege fokussierte „Ausbil- dungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“, Lauf- zeit 2012 bis 2015; das ESF-Programm „unternehmens- Wert: Mensch“, das auch in der neuen ESF- Förderperiode ab 2015 im gesamten Bundesgebiet fort- gesetzt werden soll; die Berufseinstiegsbegleitung, für die ab der ESF-Förderperiode 2014 die Kofinanzierung im Rahmen verfügbarer ESF-Mittel des Bundes geplant ist und bei der neben den bisherigen Modellschulen ab 2015 auch die Modellschulen der BMBF-Bildungsket- teninitiative einbezogen werden; die „Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“, mit der in sprachpädagogischer Bildungsarbeit qualifi- zierte Fachkräfte gefördert werden und die bis 2014 läuft; das Projekt „JUGEND STÄRKEN: 1.000 Chan- cen“, das in 2014 und 2015 fortgeführt wird; das Förder- programm „Integration durch Qualifizierung“, das 2014 fortgesetzt und um ein mit ESF-Mitteln kofinanziertes Qualifizierungsprogramm im Kontext des Anerken- nungsgesetzes ab 2015 ausgebaut werden soll; das Son- derprogramm MobiPro-EU – Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa –, für das – vorbehaltlich des parlamentarischen Verfahrens – der Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2018 auf insge- samt 359 Millionen Euro ausgeweitet werden soll; die Fortsetzung der Förderung des Berufsqualifizierungs- portals bis Ende 2015; das Unternehmensprogramm „Er- folgsfaktor Familie“, das auch in 2014 weiterläuft; die Initiative „Ressourcen stärken – Zukunft sichern: Er- werbsperspektiven für Mütter mit Migrationshinter- grund“, die 2014 als ESF-Programm weiterentwickelt werden soll; das ESF-Modellprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“, das auch in 2014 mit neuen Schwer- punkten fortgeführt wird; das Programm „Haus der klei- nen Forscher“, das auch 2014 fortgesetzt wird, das Pro- gramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ für außerschulische Maßnahmen der kulturellen Bildung, für das ab 2013 insgesamt rund 230 Millionen Euro zur Verfügung stehen; das Programm „Passgenaue Vermitt- lung Auszubildender an ausbildungswillige Unterneh- men“, das auch 2014 fortgesetzt wird. CDU, CSU und SPD haben sich zudem im Koali- tionsvertrag auf eine Weiterentwicklung des Teilzeit- rechts verständigt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer, die sich zum Beispiel wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befriste- ten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, soll sicher- gestellt werden, dass sie wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können. Dazu wird ein Anspruch auf be- fristete Teilzeitarbeit geschaffen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können damit Erwerbsarbeit und Pri- vatleben besser vereinbaren. Unternehmen bleiben qua- lifizierte Fachkräfte erhalten. 1740 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 46: Bei folgenden 20 Berufsgruppen zeigt sich nach der aktuellen Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit vom Dezember 2013 ein Fachkräftemangel: Ingenieure Metallbau und Schweißtechnik, Ingenieure Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe, Fachkräfte und Spezialisten Mechatronik und Automatisierungstechnik, Ingenieure Mechatronik und Automatisierungstechnik, Fachkräfte Energietechnik, Ingenieure Elektrotechnik, Ingenieure technische Forschung und Entwicklung, In- genieure Konstruktion und Gerätebau, Fachkräfte und Spezialisten Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima- technik, Ingenieure Ver- und Entsorgung, hochqualifi- zierte Experten im Bereich Informatik, hochqualifizierte Experten Softwareentwicklung, Spezialisten im techni- schen Eisenbahnbetrieb, Fachkräfte zur Überwachung und Wartung der Eisenbahninfrastruktur, Fachkräfte zur Überwachung und Steuerung des Eisenbahnverkehrsbe- triebs, Fahrzeugführer Eisenbahnverkehr, examinierte Fachkräfte und Spezialisten in der Gesundheits- und Krankenpflege, Humanmediziner, examinierte Fach- kräfte Altenpflege und Meister Orthopädie-, Rehatech- nik und Hörgeräteakustik Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen sind eine wichtige Stellschraube, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Beides sind wichtige Aufgaben der Tarifpart- ner. Es liegt daher im Interesse der von Engpässen be- troffenen Branchen und Betriebe, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Azize Tank (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 47): Welche konkreten rechtlichen und politischen Sachver- halte sind die Ursache für den seit mehreren Jahren andauern- den und bis heute nicht abgeschlossenen Prüfungsprozess der Bundesregierung (vergleiche zuletzt auch die Antworten der Bundesregierung auf meine mündlichen Fragen 77 und 78, Plenarprotokoll 18/19, Anlagen 45 und 46), die ein Hindernis bei der Umsetzung sozialer Menschenrechte durch eine sofor- tige Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum UN-Sozial- pakt darstellen, und wann gedenkt die Bundesregierung, ihren Prüfungsprozess abzuschließen? Die zukünftige Spruchpraxis des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist nach wie vor nur eingeschränkt einzuschätzen. Darüber hi- naus fehlen immer noch allgemeine Bemerkungen zu ei- nigen Artikeln des UN-Sozialpakts. Diese sind jedoch grundlegend für die rechtliche Prüfung der Wirkung möglicher Individualbeschwerden, die im Fakultativpro- tokoll vorgesehen sind. Jene allgemeinen Bemerkungen werden voraussichtlich in diesem Jahr vom UN-Aus- schuss verabschiedet und sind dann von der Bundes- regierung zunächst zu bewerten. Eine konkrete Aussage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prüfungsprozesses ist daher derzeit nicht möglich. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Azize Tank (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 48): Welche konkreten rechtlichen und politischen Maßnah- men will die Bundesregierung ergreifen, um die durch den Europäischen Ausschuss für soziale Rechte in seinen im Ja- nuar 2014 veröffentlichten Schlussfolgerungen – Conclusions XX-2 (2013) – festgestellte Unvereinbarkeit der deutschen Staatenpraxis bezüglich der Gewährleistung der darin enthal- tenen Rechte auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen aus Art. 3 § 1 – Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften be- treffend selbstständig Beschäftigte – sowie des Rechts auf so- ziale Sicherheit aus Art. 12 § 4 b – Gleichbehandlung ver- schiedener Staatsbürger hinsichtlich der Ansprüche aus der sozialen Sicherheit – zügig zu beheben? Die Bundesregierung kann aus einem laufenden und noch nicht abgeschlossenen Berichtsverfahren derzeit keine Folgerungen über zu ergreifende Maßnahmen zie- hen. Die Bundesregierung hat im Dezember 2012 ihren 30. Bericht zur Anwendung der Europäischen Sozial- charta an den Sachverständigenausschuss des Europarats übersandt. Dieser hat seine aus dem 30. Bericht gezoge- nen Schlussfolgerungen am 29. Januar 2013 veröffent- licht und den Vertragsstaaten erstmals bekanntgegeben. Damit wird das weitere Verfahren zu den Staatenberich- ten eröffnet, bei dem den Vertragsstaaten wiederum die Gelegenheit eingeräumt wird, zu den Schlussfolgerun- gen mündlich und schriftlich Stellung zu nehmen und möglicherweise durch den Sachverständigenausschuss erhobenen Vorwürfen zu begegnen. Die nächste Sitzung des Sachverständigenausschus- ses wird voraussichtlich vom 19. bis 23. Mai 2014 statt- finden. Allerdings liegt für diese Sitzung noch keine Ta- gesordnung vor, sodass die Erörterungen zu Deutschland eventuell auch erst im Herbst 2014 stattfinden können. Damit hat sich für Deutschland bisher keine Gelegenheit ergeben, zu den Schlussfolgerungen des Sachverständi- genausschusses Stellung zu nehmen. Das weitere Ver- fahren bleibt abzuwarten. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 49): Wie bewertet die Bundesregierung angesichts des erheb- lich niedrigeren Erzeugerpreisniveaus (www.misereor.de/ file admin/redaktion/Studie_System_billiges_Schweinefleisch.pdf; Tabelle Seite 15 unten) die Einräumung von 81 000 Tonnen zollfreier Quote für den Import von kanadischem Schweine- fleisch im CETA (www.actionplan.gc.ca/en/page/ceta-aecq/ technical-summary), und in welchem Ausmaß wird der da- durch steigende Preis- und Wettbewerbsdruck aus Sicht der Bundesregierung zu einer weiteren Beschleunigung des Höfe- sterbens von bäuerlichen Familienbetrieben in Deutschland führen? Bezüglich der Auswirkungen eines Handelsabkom- mens im Agrarbereich liegen Berechnungen des Thünen- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1741 (A) (C) (D)(B) Instituts vor, die allerdings eine vollständige Liberalisie- rung des Handels zwischen der EU und Kanada, auch für Schweinefleisch, unterstellen. Auf dieser Basis werden für die Land- und Ernährungswirtschaft in der EU-27 aufgrund sehr geringer Produktionswertänderungen für primäre Agrarprodukte (-0,3 Prozent) und verarbeitete Nahrungsmittel (+0,5 Prozent) keine nennenswerten wirtschaftlichen Auswirkungen erwartet. Für den Be- reich Schweine- und Geflügelfleisch ist nach der Be- rechnung auch bei voller Liberalisierung in der EU nur mit einer marginalen Produktionsreduzierung in Höhe von 0,1 Prozent zu rechnen. Da Geflügelfleisch in dem vorliegenden Vertragsent- wurf vollständig von der gegenseitigen Marktöffnung ausgenommen ist und für Schweinefleisch nur ein quo- tierter Zugang eröffnet ist, dürften die tatsächlichen Ef- fekte jedoch noch niedriger ausfallen. Auf dieser Basis rechnet die Bundesregierung durch CETA nicht mit einem steigenden Preis- und Wettbe- werbsdruck im Bereich Schweinefleisch und auch nicht mit messbaren Auswirkungen auf die bäuerliche Be- triebsstruktur. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Fragen 50 und 51): Warum hat die Bundesregierung im Gesetzentwurf zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz in Art. 15, Dauergrün- land in bestimmten Gebieten, das in Natura-2000-Gebieten befindliche Dauergrünland zu 100 Prozent als „umweltsen- sibles Dauergrünland“ ausgewiesen, und wie begründet sie diese vollumfassende Ausschöpfung der von der Europäi- schen Kommission (Verordnung (EU) Nr. 1305/2013) vorge- schlagenen Gebietskulisse? Welche ökonomischen Folgen für die in diesen Gebieten wirtschaftenden Agrarbetriebe hätte diese 100-prozentige Ausweisung als „umweltsensibles Dauergrünland“, und wel- che ökologischen Folgen würden damit einhergehen? Zu Frage 50: In der Direktzahlungsverordnung wird erläutert, dass eines der Ziele der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, GAP, in der Verbesserung ihrer Umweltleistung besteht, indem die Direktzahlungen eine obligatorische „Ökolo- gisierungskomponente“ erhalten, durch die dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungs- methoden unionsweit unterstützt werden. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten 30 Prozent der Mittel im Rahmen ihrer nationalen Obergrenzen für Direktzah- lungen dazu verwenden, dass den Betriebsinhabern zu- sätzlich zur Basisprämie eine jährliche Zahlung für verbindlich zu beachtende Bewirtschaftungsmethoden gewährt wird, die vorrangig sowohl klima- als auch um- weltpolitische Ziele verfolgen. Bei diesen Bewirtschaf- tungsmethoden sollte es sich um einfache, allgemeine, nicht vertragliche, jährliche Maßnahmen handeln, die über die Cross Compliance hinausgehen und die mit der Landwirtschaft im Zusammenhang stehen, wie Anbau- diversifizierung, Erhaltung von Dauergrünland und der Errichtung von Flächen im Umweltinteresse. Im Inte- resse des Umweltnutzens von Dauergrünland und insbe- sondere der Bindung von Kohlenstoff sollten Vorkehrun- gen zum Erhalt von Dauergrünland getroffen werden. In diesem Zusammenhang sehen die EU-Vorschriften zum Dauergrünlanderhalt vor, dass die Mitgliedstaaten in Ge- bieten, die unter die Richtlinie 92/43/EWG, FFH-Richtli- nie, oder die Richtlinie 2009/147/EG, Vogelschutzrichtli- nie, fallen, also in den Natura-2000-Gebieten, umweltsensible Gebiete festlegen müssen, die auch Moore und Feuchtgebiete zu umfassen haben. In diesen Gebieten sind die Umwandlung sowie das Pflügen von Dauergrünland verboten. Insgesamt hat Dauergrünland im Vergleich zu Acker- land grundsätzlich erhebliche Vorteile für den Natur-, Wasser-, Klima-, Boden- und Landschaftsschutz. Ein ge- nereller Schutz des Dauergrünlandes in ökologisch wert- vollen Gebieten, wie dies Natura-2000-Gebiete darstel- len, ist daher sowohl aus naturschutzfachlicher Sicht als auch aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes sinn- voll. Auch der Aspekt der Verwaltungsvereinfachung spricht für diese Vorgehensweise. Denn die Einführung einer enger abgegrenzten Kulisse wäre mit einem zusätz- lichen Verwaltungsaufwand verbunden, der von den Bundesländern abgelehnt wird. Zudem hat sich bei der Anhörung zum Gesetzentwurf kein Bundesland für eine alternative Lösung ausgesprochen. Zu Frage 51: Das „umweltsensible Dauergrünland“ in Natura-2000- Gebieten unterliegt einem Umwandlungs- und einem Pflugverbot. Dies bedeutet für die hiervon betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe eine Einschränkung ihrer betrieblichen Flexibilität. So hat das Umwandlungsver- bot zur Folge, dass ein innerbetrieblicher Nutzungs- wechsel von Dauergrünland zu Ackerland auch dann nicht möglich ist, wenn in demselben Umfang Dauer- grünland neu angelegt würde. Ferner werden die Mög- lichkeiten zur Grünlanderneuerung eingeschränkt. Ein Pflügen von Dauergrünland mit anschließender Wieder- ansaat wird auf den betroffenen Flächen nicht mehr zu- lässig sein. Eine Grünlanderneuerung ist aber dennoch möglich (zum Beispiel bei einer flachen Bodenbearbei- tung mit anschließender Direktsaat). Wie bereits in der Antwort zu Ihrer ersten Frage erläutert, sind die positi- ven ökologischen Folgen erheblich. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 52): Welche Gespräche haben in den vergangenen zwölf Mo- naten zwischen der Ebene der Staatssekretäre sowie Leitun- gen von Bundesministeriumsabteilungen bzw. -referaten einerseits und Vertretern von Herstellern gentechnisch verän- derter Pflanzen (DuPont-Pioneer, Bayer, BASF, KWS, Mon- santo etc.) sowie Vertretern von Verbänden oder Organisatio- 1742 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) nen, welche als Interessenvertretungen für die Branche der Grünen Gentechnik fungieren, andererseits über die Situation der Grünen Gentechnik in der EU inklusive der Frage anste- hender Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflan- zen stattgefunden, und welche Fragen bzw. Themen wurden in diesen Gesprächen behandelt? Mit der vorliegenden Frage knüpfen Sie an Ihre Frage aus der Fragestunde am 19. Februar 2014 an, in der Sie sich nach den Gesprächen der Bundeskanzlerin und der Bundesminister mit Herstellern von gentechnisch verän- derten Pflanzen und deren Interessenvertretern erkundig- ten. Sie bitten nunmehr um dezidierte Angaben zu weite- ren Gesprächen von Vertretern der Bundesregierung. Eine Liste der Gespräche, die auf Ebene der Staats- sekretärinnen und Staatsekretäre mit Vertreterinnen und Vertretern der angesprochenen Kreise geführt wurde, war wegen der notwendigen Ressortbefragung und des Regierungswechsels in der Kürze der vorgegebenen Zeit nicht rechtzeitig zu erstellen und wird daher nachgelie- fert. Darüber hinaus pflegt die Ebene der Leiter und Leite- rinnen der Abteilungen und der Referate der Bundes- ministerien aufgabenbedingt mit einer Vielzahl von Ak- teuren grundsätzlich in allen Politikbereichen Kontakt. Eine lückenlose Aufstellung aller in dem angefragten Zeitraum stattgefundenen Gespräche im Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik ist insofern nicht möglich. Der angesprochene Personenkreis steht grundsätzlich mit allen Vertretern mit berechtigtem Interesse im Aus- tausch. Darunter fallen persönliche Gespräche sowie Te- lefonate mit Vertretern unter anderem von Verbänden, Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Bürgerinitia- tiven. Eine Verpflichtung zur Erfassung entsprechender Daten – zum Beispiel Erfassung sämtlicher Veranstal- tungen, Sitzungen und Gesprächstermine – besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 53): Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Scheitern des bisherigen Entwurfs der EU-Saatgutverordnung für ihre zukünftige Politik in diesem Bereich, und welche Initiativen wird die Bundesregie- rung bei der Neugestaltung eines Verordnungsentwurfs ergrei- fen, um die Vermarktungsmöglichkeiten alter oder nicht- homogener Sorten bzw. von Erhaltungssorten zu verbessern sowie Einschränkungen von Landwirte- und Züchterprivile- gien zu verhindern? Für die Bundesregierung ist das Scheitern des ur- sprünglichen Entwurfs nachvollziehbar. Dieser Entwurf wurde aber zwischenzeitlich von den Fachexperten der Mitgliedstaaten in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates der EU intensiv diskutiert. Die dabei bislang un- terbreiteten Änderungsvorschläge berücksichtigen nach Auffassung der Bundesregierung viele der vom Europäi- schen Parlament, EP, kritisch angemerkten Punkte. Aus Sicht der Bundesregierung wäre es deshalb gut, wenn sich EP und Rat noch auf einen gemeinsamen Text eini- gen könnten. Eine Neugestaltung des ursprünglichen Entwurfs im Hinblick auf die Verbesserung der Ver- marktungsmöglichkeiten alter und nicht homogener Sor- ten bzw. Erhaltungssorten scheint anhand der in der Rats-AG eingebrachten Änderungen erreichbar. Vom vorliegenden, zum Bereich des Saatgutrechts ge- hörenden Vorschlag sind übrigens Einschränkungen von Landwirte- und Züchterprivilegien nicht zu befürchten. Landwirte- und Züchterprivilegien sind Gegenstand des gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts. Die EU-Kom- mission plant, dazu frühestens Ende 2015 einen Ände- rungsvorschlag zu unterbreiten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 54): Wie häufig sind seit der Erweiterung des Atalanta-Man- dats, das seit dem Jahr 2012 auch Einsätze an Land umfasst, Kräfte der Mission an Land gegen Piraten vorgegangen, und mit welchem Ziel geschah das jeweils? Die Erweiterung des Atalanta-Mandats im Jahr 2012 beinhaltete in Ergänzung zu den bereits bestehenden Op- tionen das „Wirken gegen Piraterielogistik am Strand (Disruption of Pirate Logistic Dumps)“. Diese Operationsart zielt darauf ab, den Piraten durch Zerstörung ihrer Ausrüstung das Gefühl des „sicheren Rückzugsraums“ am Strand zu nehmen und ihnen die Vorbereitungen für Piraterieüberfälle zu erschweren. Diese Einsatzform unterliegt allerdings sehr hohen Auf- lagen, um den Schutz Unbeteiligter zu gewährleisten. Bislang wurde dieses Vorgehen durch Kräfte der Opera- tion Atalanta einmalig angewandt und führte im Mai 2012 zur Zerstörung mehrerer Piratenboote und Außen- bordmotoren. Als bedeutsam ist hierbei vor allem die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme durch den Verlust des Sicherheitsgefühls der Piraten am Strand he- rauszustellen. Anlage 35 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 55): Welche Bedingungen müssen aus Sicht der Bundesregie- rung erfüllt sein, damit die Zusammenführung von Leistungen zur Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen unter dem Dach des Achten Buches Sozialgesetzbuch – sogenannte große Lö- sung SGB VIII – zu einer Verbesserung der Situation behin- derter Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern führt, und in welcher Form wird die Bundesregierung die „große Lösung“ weiter vorantreiben? Für die Bundesregierung ist wesentliche Bedingung, dass sich die Leistungen für Kinder und Jugendliche pri- mär an der Lebenslage „Kindheit und Jugend“ und den Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1743 (A) (C) (D)(B) individuellen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientieren. Zudem müssen alle mit der Umsetzung der „großen Lösung im SGB VIII“ verbundenen Fragen ge- klärt sein. Die Bundesregierung prüft die im Abschlussbericht der von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und der Jugend- und Familienministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe „Inklusion von jungen Menschen mit Be- hinderungen“ offengebliebenen Fragen, um auf einer verlässlichen und qualifizierten Grundlage mit allen Be- teiligten über die Umsetzung der „großen Lösung im SGB VIII“ entscheiden zu können. Anlage 36 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 58): Welche Verantwortung tragen die Krankenversicherungs- träger im trägerübergreifenden Rehabilitationsprozess, und in welchem Umfang werden sie dieser nach Ansicht der Bundes- regierung gerecht? Die gesetzlichen Krankenkassen erbringen Leistun- gen zur medizinischen Rehabilitation, wenn die Leistun- gen medizinisch erforderlich sind und keine anderen Rehabilitationsträger wie etwa Träger der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung vorrangig zuständig sind. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlim- merung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist es wichtig, dass die erforderlichen Leistungen möglichst nahtlos ineinander greifen. Nach Durchführung einer medizinischen Rehabilitation können zum Beispiel wei- terführende Maßnahmen zur Sicherung des Rehabilita- tionserfolges wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle- ben oder am Leben in der Gemeinschaft angezeigt sein, für die die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nicht zuständig sind. Um ein nahtloses Ineinandergreifen zu ermöglichen, sieht das für die Rehabilitationsträger übergreifend geltende Recht, das Neunte Buch Sozialge- setzbuch, den Abschluss gemeinsamer Empfehlungen der Rehabilitationsträger der verschiedenen Sozialleis- tungsbereiche vor. Es soll eine Koordinierung und ein Zusammenwirken der Leistungen erreicht werden. Derzeit wird auf der Ebene der Bundesarbeitsgemein- schaft für Rehabilitation eine Gemeinsame Empfehlung zur Erkennung und Feststellung des Teilhabebedarfs, zur Teilhabeplanung und zu Anforderungen an die Durch- führung von Leistungen zur Teilhabe überarbeitet. Die Ge- meinsame Empfehlung fasst die bisherigen Gemeinsamen Empfehlungen „Einheitlichkeit/Nahtlosigkeit“, „Frühzei- tige Bedarfserkennung“, „Teilhabeplan“ und „Verbesse- rung der gegenseitigen Information und Kooperation“ zu- sammen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind an dieser Über- arbeitung beteiligt und nehmen damit und durch die Anwendung der Empfehlungen wie auch die übrigen Re- habilitationsträger ihre Verantwortung im trägerüber- greifenden Rehabilitationsprozess wahr. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 59): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Pro- bleme bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung, insbesondere hinsichtlich der Barrierefrei- heit und der Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten, zu behe- ben, und welche Maßnahmen wird sie dazu ergreifen? Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung bereits in der letzten Legislatur- periode einen Nationalen Aktionsplan beschlossen. Die- ser sieht unter anderem vor, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem Bundes- ministerium für Gesundheit, der Bundesärztekammer und den Verbänden behinderter Menschen ein Konzept zur Sensibilisierung des medizinischen Personals für die Belange behinderter Frauen und Männer erarbeitet und umsetzt. Außerdem sieht der Aktionsplan vor, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der Ärzteschaft ein Ge- samtkonzept vorlegt, das dafür Sorge trägt, dass in den nächsten zehn Jahren weitere Artpraxen barrierefrei zu- gänglich werden. Derzeit prüft die Bundesregierung, welche Anreize gesetzt werden können, um die Anzahl barrierefreier Einrichtungen zu erhöhen. Infrage kommen günstige Kreditbedingungen oder andere Formen der Förderung. Die im Einzelnen zuständigen Fachressorts befinden sich hierzu im Dialog und werden zeitnah Ergebnisse vorlegen. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 60): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonven- tion zur Vermeidung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen? Die UN-Behindertenkonvention enthält keine aus- drücklichen Vorgaben zur Vermeidung ärztlicher Zwangsmaßnahmen. In Art. 25 der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Verpflichtung vorgesehen, dass auch Menschen mit Behinderungen in eine Behandlung nach vorheriger Auf- klärung frei einwilligen sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts zu Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug darf auch ein Einwilligungsunfähiger über das Ob und Wie einer Behandlung, der er unterzogen wird, grundsätzlich 1744 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) nicht im Unklaren gelassen werden. Vor diesem Hinter- grund sieht § 630 e Abs. 5 BGB vor, dass auch der ein- willigungsunfähige Patient in das Behandlungsgesche- hen einzubeziehen ist. Ihm sind entsprechend seinem Verständnis die wesentlichen Umstände der vorgesehe- nen Maßnahme zu erläutern, soweit er aufgrund seines Entwicklungszustandes und seiner Verständnismöglich- keiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Darüber hinaus enthält Art. 14 „Freiheit und Sicher- heit der Person“ der UN-Behindertenkonvention Vorga- ben zum Freiheitsentzug von Menschen mit Behinderun- gen. Diese Vorgaben sind bundesrechtlich umgesetzt. Die zwangsweise Unterbringung in einer geschlosse- nen Anstalt gegen den Willen des Betroffenen greift in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Sie stellt eine Freiheitsentziehung dar, über die grundsätz- lich ein Richter zu entscheiden hat. Erfolgt eine Unter- bringung im Eilfall ohne richterliche Anordnung, ist un- verzüglich eine richterliche Entscheidung über die weitere Freiheitsentziehung herbeizuführen (Art. 104 Abs. 2 Satz 1, 2 GG). Als Möglichkeiten freiheitsentziehender Unterbrin- gung kommen insbesondere die zivilrechtliche und die öffentlich-rechtliche Unterbringung in Betracht. Die zivilrechtliche Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ist gemäß § 1906 Abs. 1 BGB nur unter engen Voraussetzungen zulässig, beispielsweise bei Ei- gengefährdung. Sie bedarf darüber hinaus grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1906 Abs. 2 BGB). Im Übrigen gilt, dass für die Durchführung der öffent- lich-rechtlichen Unterbringung ebenso wie für das Recht der ärztlichen Berufsübung die Länder zuständig sind. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 61): Wann und wie wird die Bundesregierung die im Koali- tionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigten medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behin- derung einführen? Es ist beabsichtigt, eine Gesetzesänderung für die im Koalitionsvertrag vorgesehene Regelung zu Behand- lungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen noch in diesem Jahr einzuleiten. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird sich die geplante Regelung an der für sozialpädia- trische Zentren geltenden Vorschrift des § 119 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch orientieren. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 62): Was wird die Bundesregierung zur Stärkung der gemein- denahen Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinde- rungen unternehmen, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Die medizinische Versorgung von Menschen mit Be- hinderungen ist ein wichtiges gesundheitspolitisches An- liegen. Zur weiteren Verbesserung der Versorgungslage werden die Vorschriften stetig weiterentwickelt. Daher sieht der Koalitionsvertrag für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen vor, medizinische Behandlungszentren analog zu den so- zialpädiatrischen Zentren zur (zahn-)medizinischen Be- handlung (neuer § 119 c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V) zu schaffen. Dies wird das Versorgungsangebot für Menschen mit Behinderung weiter verbessern. Die kassenärztlichen Vereinigungen haben den Auf- trag zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Ver- sorgung. Hierzu gehört insbesondere auch die angemes- sene und zeitnahe Zurverfügungstellung fachärztlicher Versorgung, die auch den Belangen von Menschen mit Behinderung ausreichend Rechnung tragen muss. In die- sem Sinne schreibt auch die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vor, dass zur Si- cherstellung der vertragsärztlichen Versorgung behinder- ter Menschen bei der Bedarfsplanung vor allem im Hin- blick auf Neuzulassungen die Barrierefreiheit besonders zu beachten ist (vergleiche § 4 Abs. 1 Satz 3 BPL-RL). Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 63): Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im Zuge der Erarbeitung des Bundesteilhabegesetzes und der gleichzeiti- gen Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs keine neuen Verwerfungen zulasten der Leistungsbezieher entste- hen? Die Bundesregierung wird im Rahmen der regie- rungsinternen Abstimmung der angeführten Reformvor- haben dafür Sorge tragen, dass keine Verwerfungen zu- lasten der Leistungsbezieher entstehen. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 64): Plant die Bundesregierung – wie von der Allianz der deut- schen Nichtregierungsorganisationen in ihrem Bericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutsch- land gefordert – eine Stärkung des Rechts auf gleichge- schlechtliche Pflege, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1745 (A) (C) (D)(B) Die Belange geschlechtsspezifischer Unterschiede sind durch den Wortlaut des Elften Buches Sozialgesetz- buch, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, insbeson- dere durch die Regelungen in §§ 2 und 11 bereits ausrei- chend berücksichtigt. Danach haben die Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege, ob in der ambulanten oder stationären Pflege, nach Mög- lichkeit Berücksichtigung zu finden. Dort ist auch aus- drücklich verankert, dass den Pflegebedürftigen so zu helfen ist, dass sie trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges Leben führen können, das der Würde des Menschen entspricht. Die Pflegeeinrichtungen haben si- cherzustellen, dass Inhalt und Organisation eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschen- würde gewährleisten. Die gesetzlichen Regelungen im SGB XI sind insgesamt geeignet, geschlechtsspezifi- schen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 65): Was plant die Bundesregierung zur Verbesserung der teil- habeorientierten Versorgung von Menschen mit Behinderung mit Heil- und Hilfsmitteln, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Aufgrund der im Recht der gesetzlichen Krankenver- sicherung bestehenden Vorschriften haben Versicherte einen umfassenden Anspruch auf die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Umfasst ist die Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohen- den Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allge- meine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens an- zusehen oder durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Ände- rung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfs- mitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch sowie die zur Vermeidung unvertretbarer gesundheitlicher Risiken er- forderlichen Wartungen und technischen Kontrollen. Auch die Versorgung mit Heilmitteln ist umfassend. Sie werden von der Krankenkasse geleistet, wenn Heil- mittel notwendig sind, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwer- den zu lindern, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit füh- ren würde, zu beseitigen, einer Gefährdung der gesund- heitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Zu den Heilmit- teln gehören Maßnahmen der physikalischen Therapie – zum Beispiel Krankengymnastik –, der Ergotherapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie der podo- logischen Therapie. Die Versorgung mit Heilmitteln muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Im Koalitionsvertrag ist für Arznei- und Heilmittel vorgesehen, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen bis Ende 2014 durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und kassenärztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden. Unberechtigte Regressforderungen bei Retaxationen gegenüber Heilmittelerbringern sollen un- terbunden werden. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Pia Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 66): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sie den Bei- tragszuschlag zur Pflegeversicherung für Kinderlose erhöhen wird, um damit den geplanten Pflegevorsorgefonds aufzusto- cken bzw. um damit Finanzierungslücken der Pflegeversiche- rung zu füllen? Die Bundesregierung orientiert sich bei der anstehen- den Reform der Pflegeversicherung an den Vorgaben des Koalitionsvertrages, die eine Erhöhung des Beitragszu- schlags Kinderloser nicht vorsehen. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Pia Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 67): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß des Beauf- tragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege, Karl-Josef Laumann, im Bereich der häuslichen Pflege das ehrenamtli- che Engagement stärker als bisher einzubinden, wie er es am 26. Februar 2014 in einem Interview mit der Zeitung Die Welt vorgeschlagen hat – insbesondere vor dem Hintergrund, dass schon jetzt viele Angehörige kaum Anerkennung und finan- zielle staatliche Unterstützung bei der Pflege ihrer Angehöri- gen im häuslichen Bereich erhalten, und welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung in diesem Zusammen- hang? Die Bundesregierung plant, auf der Grundlage des Koalitionsvertrages auch die häusliche Pflege und das ehrenamtliche Engagement zu stärken und in diesem Zu- sammenhang unter anderem niedrigschwellige Entlas- tungsangebote für Pflegebedürftige und deren pflegende Angehörige auszubauen. Das Ehrenamt in der Pflege wird dadurch weiter gestärkt und in seiner Bedeutung weiter aufgewertet. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Druck- sache 18/814, Frage 68): Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf der euro- päischen Ebene Bestrebungen, Anwendungsbeobachtungen zu Arzneimitteln, die vorwiegend Marketingzwecken dienen, effektiver zu unterbinden, als dies derzeit in Deutschland durch die Vorgaben in § 67 Abs. 6 des Arzneimittelgesetzes geregelt ist? 1746 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) Nein, der Bundesregierung sind keine Initiativen be- kannt, mit denen im europäischen Recht die Anforderun- gen für Anwendungsbeobachtungen verschärft werden sollen. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/814, Frage 69): Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Pkw-Be- sitzerinnen und -Besitzer, die aufgrund einer Behinderung keine oder nur 50 Prozent Kraftfahrzeugsteuer bezahlen, durch die geplante Pkw-Maut nicht zusätzlich belastet wer- den? Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Kon- zept zur Einführung einer mit EU-Recht in Einklang stehenden Pkw-Maut nach der im Koalitionsvertrag fest- gelegten Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutsch- land stärker belastet wird als heute. Diese Aussage gilt selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderung. Über spezifische Ausgestaltungsmerkmale können der- zeit allerdings noch keine Aussagen gemacht werden. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 70 und 71): Wie wird die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD formulierte Ziel, die Zahl der barrierefreien Bahnhöfe zu erhöhen, umsetzen, und wie lange wird es nach Einschätzung der Bundesregierung dauern, bis alle Bahnhöfe in Deutschland barrierefrei sind? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um einheitliche Standards bei der Barrierefreiheit von Fern- bussen sicherzustellen, und wen sieht sie in der Pflicht, die Barrierefreiheit an Haltestellen herzustellen? Zu Frage 70: Eigentümerin und Bauherrin der Personenbahnhöfe und damit auch bei der Herstellung der Barrierefreiheit der Personenbahnhöfe ist die DB Station&Service AG, ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG, DB AG. Die DB AG hat gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung, EBO, in enger Zusammenar- beit mit den Verbänden der Behindertenselbsthilfe zwi- schenzeitlich das zweite Programm zur Herstellung von Barrierefreiheit aufgestellt. Das Programm wurde am 27. April 2012 vorgestellt. Es soll im Sinne eines umfassenden Ansatzes eine Viel- zahl von Maßnahmen für mobilitätseingeschränkte oder kleine Personen, Blinde oder sehbehinderte Personen so- wie hörbehinderte Personen umfassen. Einzelheiten dazu finden sich auf der Homepage der DB AG. Der Bund stellt den Eisenbahninfrastrukturunterneh- men, und so auch der DB Station&Service AG, im Rah- men der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, Mittel für Investitionen in das Bestandsnetz zur Verfügung. Auf dieser Basis ist die DB Station&Service AG ermächtigt, Bundesmittel auch zur Finanzierung von Investitionen zur Herstellung der Barrierefreiheit der In- frastruktur einzusetzen. Zu Frage 71: Die technischen Anforderungen an Omnibusse sind europaweit in der Richtlinie 2001/85/EG festgelegt. Dies gilt auch für die Anforderungen an die Barrierefreiheit. Ein darüber hinausgehender Bedarf für einheitliche Standards ist derzeit nicht zu erkennen. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leis- tungsfähigkeit die öffentlichen Straßen einschließlich der Haltestellen – unabhängig davon, ob sie von Fern- buslinien bedient werden – in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu un- terhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Dabei haben sie die Belange behinderter und anderer Men- schen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung ergibt sich für den jeweiligen Straßenbaulastträger aus dem Bundes- fernstraßengesetz oder den Straßen- und Wegegesetzen der Länder. Für das Unternehmen, das Fernbuslinienverkehr be- treibt, ist derzeit eine solche Pflicht nicht ersichtlich. Es liegt allerdings im Interesse des Unternehmens, mit sei- nem eigenwirtschaftlichen Verkehrsangebot einen mög- lichst großen Kundenkreis anzusprechen. Dafür ist eine verkehrssichere und kundenfreundliche Gestaltung wichtig. Gerade angesichts der demografischen Ent- wicklung und der damit einhergehenden Zunahme mobi- litätseingeschränkter Personen sollte dabei auch eine weitreichende Barrierefreiheit angestrebt werden. Die Betreiber von Fernbuslinien sollten sich daher mit den zuständigen Baulastträgern in Verbindung setzen und hier gemeinsam Verbesserungen anstreben. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 72 und 73): Inwiefern hält es die Bundesregierung für mit der Fahr- gastrechteverordnung der Europäischen Union vereinbar, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nach meiner Kenntnis an vielen Bahnhöfen in Deutschland auch nach vor- heriger Anmeldung in den (frühen) Morgen- und (späten) Abendstunden sowie an einigen Bahnhöfen auch an Wochen- enden keine Unterstützung beim Ein-, Um- oder Ausstieg er- halten, und was wird sie tun, damit diese Personengruppe mit jedem Zug reisen kann, der am entsprechenden Bahnhof hält? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Barrierefreiheit im Flug- und Schiffsverkehr zu erhö- hen? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1747 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 72: Die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ver- langt, dass der Bahnhofsbetreiber einer Person mit einer Behinderung oder eingeschränkter Mobilität in einem mit Personal besetzten Bahnhof für kostenlose Hilfeleis- tung in einer Weise zu sorgen hat, dass die Person in den abfahrenden Verkehrsdienst einsteigen, zum Anschluss- verkehrsdienst umsteigen und aus dem ankommenden Verkehrsdienst aussteigen kann, für den sie eine Fahr- karte erworben hat. In einem nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhof haben das Eisenbahnunternehmen und der Bahnhofs- betreiber sicherzustellen, dass leicht zugängliche Infor- mationen über die nächstgelegenen mit Personal aus- gestatteten Bahnhöfe und über direkt verfügbare Hilfeleistungen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität angezeigt werden. Eisenbahnunternehmen, Bahnhofsbetreiber, Fahrkar- tenverkäufer oder Reiseveranstalter haben alle erforder- lichen Maßnahmen zu ergreifen, um Meldungen des Hilfsbedarfs entgegennehmen zu können. Der Hilfsbe- darf ist im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazi- täten zu gewähren. Darüber hinaus sind Eisenbahnen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, verpflichtet, Programme zur Gestaltung von Bahnanla- gen und Fahrzeugen zu erstellen mit dem Ziel, eine mög- lichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Sie sind weiterhin verpflichtet, diese Pro- gramme dem Bundesministerium für Arbeit und Sozia- les, BMAS, mitzuteilen. Zu Frage 73: Barrierefreie Mobilität für ältere sowie für behinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen hat für die Bundesregierung eine hohe Bedeutung, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels künftig noch wachsen wird. Seit dem 26. Juli 2008 haben in Deutschland mobili- tätseingeschränkte und behinderte Flugreisende durch die europäische Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugrei- senden mit eingeschränkter Mobilität umfangreiche und deutlich verbesserte Rechte. Flughäfen und Fluggesell- schaften sind zu weitreichenden Unterstützungs- und In- formationsleistungen verpflichtet, die die Vorbereitung und Durchführung einer Flugreise erleichtern. Zugleich wird in dieser Verordnung festgelegt, dass die Bedürf- nisse bei der Gestaltung von neuen Flughäfen und bei neuen und neu einzurichtenden Flugzeugen soweit wie möglich zu berücksichtigen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Herstellung der Barrierefreiheit ein dynamischer Prozess ist, der nur schrittweise und unter Berücksichtigung des Verhältnis- mäßigkeitsgrundsatzes vollzogen werden kann. Auf- grund der langen Lebensdauer vorhandener und noch nicht barrierefrei konzipierter Infrastruktureinrichtungen und Flugzeugkabinen kann der Nachhohlbedarf nur schrittweise erfüllt werden. Bauliche und sonstige Anla- gen, Verkehrsmittel und Kommunikationseinrichtungen können nur sukzessive so gestaltet werden, dass sie für behinderte oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Flug- reisende ohne besondere Erschwernis nutzbar sind. Eine Ausstattung beispielsweise mit rollstuhlgerechten Toilet- ten ist bereits durch diverse Bauordnungen gewährleis- tet. Allerdings betreffen Fragen des Innendesigns von Flugzeugkabinen, wie zum Beispiel die Breite von Tü- ren und Gängen, Sitzabstände und die Zugänglichkeit von Bordtoiletten den Bereich der Erstellung und des Er- lasses von technischen Vorschriften für die Musterzulas- sung. Hier haben Deutschland und die übrigen europäi- schen Mitgliedstaaten seit April 2008 keine originäre Zuständigkeit mehr. Mit der Verordnung (EG) Nr. 216/ 2008 wurde der europäischen Kommission die Zustän- digkeit übertragen, Durchführungsvorschriften für die Bereiche Lufttüchtigkeit, Flugbetrieb, Lizenzierung und Sicherheit von Drittlandfluggerät zu erlassen. Für Binnenfahrgastschiffe auf dem Rhein gibt es seit 2004 neue technische Anforderungen. Bei der Ausarbei- tung der Vorschriften bildete die Frage der Gestaltung von Bereichen für Personen mit eingeschränkter Mobi- lität einen wesentlichen Bestandteil. Alle seit dem 1. Ja- nuar 2006 neu gebauten Fahrgastschiffe müssen be- stimmte Voraussetzungen bei der Gestaltung ihrer Fahrgasträume erfüllen (zum Beispiel bei den Ausgän- gen, Türen, Treppen und Aufzügen, Decks, Toiletten). Bereits in Betrieb befindliche Schiffe müssen innerhalb bestimmter Zeiträume nachgerüstet werden. Mit Inkraft- treten der Neufassung der Binnenschiffsuntersuchungs- ordnung vom 6. Dezember 2008 am 1. Januar 2009 wur- den in Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/87/EG die Vorschriften für Schiffsneubauten auf allen Bundeswasserstraßen ausgedehnt. Mit der Sechsten Schiffssicherheitsanpassungsverord- nung gibt es schon seit 2003 auch im Seeschiffverkehr Bestimmungen zum barrierefreien Zugang zu Diensten, zur Nichtdiskriminierung und zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Entsprechend der Richt- linie 2009/45/EG über Sicherheitsvorschriften und -nor- men für Fahrgastschiffe sind demnach geeignete Maß- nahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass für Personen mit eingeschränkter Mobilität ein sicherer Zu- gang zu Fahrgastschiffen und Fahrgasthochgeschwindig- keitsfahrzeugen gewährleistet ist. In Anlehnung an vergleichbare Regelungen im Luft- und Eisenbahnverkehr werden auch im Schiffsverkehr die Rechte von mobilitätseingeschränkten und behinder- ten Schiffsreisenden europaweit gestärkt. Die EU-Ver- ordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnen- schiffsverkehr zur Schifffahrt sieht unter anderem spezifische Rechte und Hilfeleistungen für diese Perso- nen vor. Zur Umsetzung wurden in Deutschland im Dezember 2012 insbesondere das EU-Fahrgastrechte- Schifffahrt-Gesetz, EU-FahrgRSchG, und die EU-Fahr- gastrechte-Schifffahrt-Verordnung, EU-FahrgRSchV, geschaffen. Zudem wurde als Anlaufstelle für eine frei- willige Schlichtung bei Beschwerden von Fahrgästen ge- genüber ihrem Vertragspartner die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, söp, mit Sitz in Berlin 1748 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) zertifiziert. Das Eisenbahnbundesamt, EBA, wurde als Durchsetzungsstelle für Fälle von Verstößen gegen die Vorgaben der EU-Verordnung und der gesetzlichen Re- gelungen benannt, um die Einhaltung der Fahrgastrechte im Schiffsverkehr zu gewährleisten. Die Bundesregierung wird vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention weiterhin den Dialog mit Unternehmen der Wirtschaft suchen, um das Quali- tätsmerkmal des universellen Designs weiter zu verbrei- ten und, wo erforderlich, die stärkere Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen ansprechen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 74 und 75): Ist die Frage von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen Gegenstand der laufenden Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Festle- gung von Nachtflugverboten und anderen Betriebsbeschrän- kungen durch den Abschluss der TTIP beeinflusst wird? Zu Frage 74: Die Frage von lärmbedingten Betriebsbeschränkun- gen auf Flughäfen ist nicht Gegenstand der laufenden Verhandlungen. Zu Frage 75: Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Fest- legung von Nachtflugverboten und anderen Betriebsbe- schränkungen durch den Abschluss der TTIP beeinflusst wird. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 76): Wird die Bundesregierung, als Vertreterin des Gesellschaf- ters Bund in der Gesellschafterversammlung der Flughafenge- sellschaft Berlin-Brandenburg, einen vom Gesellschafter Brandenburg eingebrachten Antrag auf Verlängerung des Nachtflugverbots am künftigen Hauptstadtflughafen BER für den Zeitraum 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr mittragen, und wenn nein, wie begründet die Bundesregierung eine möglicher- weise ablehnende Haltung gegenüber der Ausweitung des Nachtflugverbots durch eine entsprechende Änderung der Be- triebsgenehmigung? Der Gesellschafter Bund übt sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Flughafen Berlin Bran- denburg GmbH, FBB, aus. Beschlüsse der Gesellschafter- versammlung im Zusammenhang mit dem BER-Projekt bedürfen nach dem Gesellschaftsvertrag einer Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen. Zum Be- schlussantrag des Gesellschafters Land Brandenburg über eine Anweisung der Geschäftsführung der FBB zur Beantragung einer Änderung der Betriebsgenehmigung bei der zuständigen Genehmigungsbehörde über die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nachtflugregelung des bestandskräftigen Planergänzungsbeschlusses „Lärm- schutzkonzept BB“ vom 20. Oktober 2009 hinaus ist noch keine Gesellschafterversammlung berufen worden. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 77): Wie fördert die Bundesregierung bezahlbaren barriere- freien Wohnraum insbesondere in studentischen Großstädten, und welche Maßnahmen plant sie angesichts des immer grö- ßer werdenden Bedarfs an behinderten- und altersgerechtem Wohnraum? Infolge der Föderalismusreform I haben seit 2007 die Länder die ausschließliche Zuständigkeit für die Wohn- raumförderung. Der Bund zahlt den Ländern bis Ende 2019 jährlich 518,2 Millionen Euro Kompensationsmit- tel. Die Verwendung der Kompensationsmittel ist nach dem Grundgesetz seit 2014 auf „investive Zwecke“ be- schränkt. Bis 2013 wurden die Mittel je nach politischer Schwerpunktsetzung von den Ländern auch für den bar- rierefreien Neubau preisgünstiger Wohnungen, die Mo- dernisierung des Bestands und den Bau von Altenhei- men eingesetzt. Diese Möglichkeit steht den Ländern aufgrund der Weitergewährung der Kompensationsmittel weiterhin offen. Dazu gehört auch der Bau von Studen- tenwohnraum. Die Schaffung von mehr bezahlbarem und generatio- nengerechtem Wohnraum wird von der Bundesregierung weiterhin unterstützt. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass zur Förderung des generationengerechten Umbaus ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ aufge- legt wird. Es soll mit Investitionszuschüssen ausgestattet werden und das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergänzen. Im CO2-Gebäudesanierungsprogramm soll bei zusätzlichen Maßnahmen zum Barriereabbau ein Förder- bonus verankert werden. Nach Auslaufen des im Rahmen des Konjunkturpa- kets I von vornherein bis zum 31. Dezember 2011 befris- teten Bundesprogramms „Altersgerecht Umbauen“ hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, seit dem 1. Ja- nuar 2012 in der Darlehensvariante ein zinsverbilligtes Eigenmittelprogramm „Altersgerecht Umbauen“ aufge- legt. Das Zuschussprogramm ist entfallen. Bis Ende 2013 haben Bund und KfW zusammen den Umbau von insgesamt rund 121 000 altersgerechten Wohnungen ge- fördert. Davon entfallen auf die Laufzeit des Bundespro- gramms 82 500 Wohnungen. Auch für die Schaffung von bezahlbarem und ener- gieeffizientem Wohnraum für Studierende stehen die Programme der KfW zur Verfügung. Neben der demo- grafischen Entwicklung und dem Wohnen im Alter ist Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1749 (A) (C) (D)(B) auch die Initiative zur Schaffung von studentischem Wohnraum in dieser Legislaturperiode ein wichtiges Handlungsfeld in dem geplanten „Bündnis für bezahlba- res Wohnen und Bauen“. Anlage 53 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Fragen des Abgeordneten Christian Kühn (Tübin- gen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 78 und 79): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Wohnen im Alter“ des ehemaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung, die für Deutschland bis zum Jahr 2020 einen Be- darf an 3 Millionen barrierefreien bzw. barrierereduzierten Wohnungen prognostizieren, und in welcher Form koordiniert sich die Bundesregierung mit den Bundesländern, um den Be- stand solcher Wohnungen zu steigern? Wie viele Bundesmittel wurden in den letzten drei Jahren für das Programm der KfW Bankengruppe „Altersgerecht Umbauen“ bereitgestellt – bitte nach Kredit- und Zuschuss- linie und Jahren aufschlüsseln –, und wie hoch waren die ab- gerufenen Mittel – bitte nach Kredit- und Zuschusslinie und Jahren aufschlüsseln? Zu Frage 78: Nach Auslaufen des im Rahmen des Konjunkturpa- kets I von vornherein bis zum 31. Dezember 2011 befris- teten Bundesprogramms „Altersgerecht Umbauen“ hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, seit dem 1. Ja- nuar 2012 in der Darlehensvariante ein zinsverbilligtes Eigenmittelprogramm „Altersgerecht Umbauen“ aufge- legt. Das Zuschussprogramm ist entfallen. Bis Ende 2013 haben Bund und KfW zusammen den Umbau von insge- samt rund 121 000 altersgerechten Wohnungen ge- fördert. Davon entfallen auf das Bundesprogramm 82 500 Wohnungen. Auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des For- schungsprojekts „Wohnen im Alter“ wird die Bundes- regierung die Schaffung von mehr generationengerechtem Wohnraum weiterhin unterstützen. Der Koalitionsver- trag sieht vor, dass zur Förderung des generationenge- rechten Umbaus ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ aufgelegt wird, das mit Investitionszuschüs- sen ausgestattet wird und das bestehende KfW-Darle- hensprogramm ergänzen soll. Im CO2-Gebäudesanie- rungsprogramm soll bei zusätzlichen Maßnahmen zum Barriereabbau ein Förderbonus verankert werden. Ge- meinschaftliche Wohnformen älterer Menschen sollen modellhaft gefördert werden. Die Förderung des altersgerechten Umbaus ist auch in das am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Altersvorsorge- Verbesserungsgesetz – sogenannter „Wohn-Riester“ – aufgenommen worden. Damit erhalten förderberech- tigte selbstnutzende Eigentümer die Möglichkeit, die Förderung für die bauliche Vorsorge im Alter einzuset- zen. Die Schaffung von altersgerechtem Wohnraum wird auch in der sozialen Wohnraumförderung der Länder un- terstützt. Infolge der Föderalismusreform I haben diese seit 2007 die ausschließliche Zuständigkeit für die so- ziale Wohnraumförderung. Der Bund stellt ihnen jedoch bis Ende 2019 hierfür Kompensationsmittel in Höhe von 518,2 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Die Ver- wendung der Kompensationsmittel ist nach dem Grund- gesetz allerdings seit 2014 nur noch auf „investive Zwe- cke“ beschränkt; sie müssen seitdem nicht mehr für die soziale Wohnraumförderung eingesetzt werden. Im Ko- alitionsvertrag wird allerdings die Erwartung geäußert, dass die Länder diese Mittel weiterhin zweckgebunden für den Bau neuer Sozialwohnungen, neue Sozialbin- dungen sowie für die sozialverträgliche Sanierung des Wohnungsbestandes einsetzen. Die Mittel wurden bis 2013 je nach politischer Schwerpunktsetzung von den Ländern auch für den bar- rierefreien Neubau preisgünstiger Wohnungen, die Mo- dernisierung des Bestands und den Bau von Altenhei- men eingesetzt. Diese Möglichkeit steht den Ländern aufgrund der Weitergewährung der Kompensationsmittel weiterhin offen. Die demografische Entwicklung und Wohnen im Al- ter sind auch ein wichtiges Handlungsfeld für das ge- plante Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen. Zu Frage 79: Die Bundesregierung hat im Jahr 2011 bei Titel 661 08, Darlehensprogramm, Programmmittel in Höhe von 80 Millionen Euro bereitgestellt; davon wurden 64 Mil- lionen Euro in Anspruch genommen. Bei Titel 891 02, Zuschuss, wurden 2011 Programmmittel in Höhe von 20 Millionen Euro bereitgestellt; davon wurden 13,635 Millionen Euro in Anspruch genommen. In den Jahren 2012 und 2013 wurden keine Pro- grammmittel bereitgestellt. Auf die Antwort zu Frage 78 wird verwiesen. Anlage 54 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 80): Kann die Bundesregierung bestätigen, dass bei der 104. und 112. Sitzung des Fachausschusses Druckführende Komponenten und Werkstoffe der Reaktor-Sicherheitskom- mission, RSK, sowie bei der 75. Sitzung des RSK-Fachaus- schusses Anlagen- und Systemtechnik jeweils zwei bzw. bei Letzterer sechs Betreiber-/Herstellervertreter zugegen waren, und jeweils wie viele Betreiber-/Herstellervertreter waren ähnlich wie bei den oben genannten drei RSK-Fachausschuss- sitzungen in der letzten Wahlperiode bei weiteren Sitzungen der RSK oder ihrer Fachausschüsse zugegen, die in der Ant- wort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/815 noch nicht genannt wurden? Die RSK-Geschäftsstelle bestätigt, dass die in der Frage genannte Anzahl von Betreiber-/Herstellervertre- tern in den genannten Sitzungen der Ausschüsse der Re- aktorsicherheitskommission, RSK, teilgenommen hat. Die Teilnahme fand im Rahmen einer Anhörung statt. 1750 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 (A) (C) (D)(B) Daher wurden diese Sitzungen in der Antwort auf Ihre schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/815 nicht aufgeführt, die sich ausdrücklich auf die Anwesen- heit bei Sitzungen „abgesehen von Anhörungen“ bezog. In der letzten Wahlperiode haben nach Angabe der RSK-Geschäftsstelle insgesamt 74 Sitzungen der RSK und ihrer Ausschüsse stattgefunden, in denen 225 Be- treiber-/Herstellervertreter zwecks Anhörung zugegen waren. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stefan Müller auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 81): Was waren jeweils die genauen Beweggründe für die drei in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestags- drucksache 18/668 genannten Kündigungen der bundeseige- nen Deutschen Bahn AG, des vom Bund getragenen Helmholtz-Zentrums München – Deutsches Forschungszen- trum für Gesundheit und Umwelt GmbH und der bundeseige- nen Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Ent- sorgungs-GmbH bei den in der genannten Drucksache jeweils genannten Vereinigungen, und wie hoch waren die in der ge- nannten Drucksache nicht aufgelisteten Mitgliedsbeiträge der bundeseigenen AVR GmbH Jülich im VGB PowerTech e. V. jeweils in den letzten zehn Jahren (zur Tatsache der Mitglied- schaft vergleiche Tätigkeitsberichte des VGB PowerTech e. V.)? Über die genauen Beweggründe für die auf Bundes- tagsdrucksache 18/668 genannten Kündigungen bei den dort genannten Vereinigungen durch die Deutsche Bahn AG, das Helmholtz-Zentrum München für Umwelt und Gesundheit und die Wiederaufarbeitungsanlage Karls- ruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH sowie über die nicht aufgeführten Mitgliedsbeiträge der AVR Jülich GmbH im VGB Powertech e. V. liegen der Bundesregie- rung keine Informationen vor. Innerhalb der zur Beant- wortung einer mündlichen Frage zur Verfügung stehen- den Frist war es nicht möglich, die Vereinigungen einzeln abzufragen. Die gewünschten Informationen werden nach erfolgter Befassung der Vereinigungen nachgereicht. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 82 und 83): Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, auch im Zu- sammenwirken mit den Ländern, die Erkenntnisse des Pro- jekts „Diskriminierungsfreie Hochschule. Mit Vielfalt Wissen schaffen“ in den Hochschulen zu verankern, und wie wird die Bundesregierung künftig die Hochschulrektorenkonferenz un- terstützen, um die Chancengleichheit für Studierende mit Be- hinderung zu sichern? Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung auf- grund der Ausführungen im zweiten Bundesbericht zur Förde- rung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderungen, und wie be- absichtigt sie die darin aufgezeigten Erkenntnislücken zu schließen? Zu Frage 82: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, unterstützt seit vielen Jahren insbesondere im Bereich Studium und Behinderung den bundesweiten Monitoring-Prozess aller Akteure im Hochschulbereich. Darüber hinaus trägt das BMBF im Rahmen der Ressort- forschung durch Studierendenbefragungen wie der So- zialerhebung, dem Studierendensurvey und der bundes- weiten Studie „beeinträchtigt studieren“ dazu bei, die Daten als Grundlage für künftig erforderliche Maßnah- men im Themenfeld „Diskriminierungsfreie Hochschu- len“ den zuständigen Akteuren zur Verfügung zu stellen. Für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen, die dazu dienen, die teilweise noch vorhandenen strukturel- len und direkten Diskriminierungen an Hochschulen weiter abzubauen, sind entsprechend der verfassungs- rechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder sowie der Eigenständigkeit der Hochschulen die Hochschulen vor Ort zuständig. Zu Frage 83: Die Bundesregierung ist sich der lückenhaften Daten- lage zur Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderung bewusst. Bei Verfügbarkeit der dafür erfor- derlichen Haushaltsmittel plant die Bundesregierung die Datengewinnung zum wissenschaftlichen Nachwuchs deutlich zu verstärken. Dabei ist unter anderem vorgese- hen, die Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderung zu untersuchen. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Fra- gen des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 84 und 85): Wie ermittelt die Bundesregierung mittlerweile angesichts der Ankündigung im Aktionsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, einen ent- sprechenden Ansatz zu entwickeln, inwiefern Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestaltet sind, und wie hoch ist der Anteil der entwicklungspolitischen Maßnahmen, die inklusiv sind (bitte in Prozent und absolut angeben)? Inwiefern wird das Thema „Behinderung“ vonseiten der Bundesregierung in die Post-2015-Debatte eingebracht, und inwieweit werden Menschen mit Behinderung in den Ent- wicklungsländern als Akteure, zum Beispiel durch Selbstver- tretungsorganisationen, im Prozess berücksichtigt? Zu Frage 84: Die Bundesregierung hat durch die Verabschiedung des Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Be- hinderungen verschiedene Prozesse in Gang gesetzt, um Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit inklusi- ver zu gestalten. Dies betrifft viele Sektoren und Länder, in denen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit tä- tig ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1751 (A) (C) (D)(B) Als Grundlage der Prüfung von Vorhaben dient das übersektorale Konzept „Menschenrechte in der deut- schen Entwicklungspolitik“, das auch die Inklusion von Menschen mit Behinderungen umfasst. In Bezug auf die Erfassung und Evaluierung von inklusiven Vorhaben werden Evaluierungsinstrumente entwickelt. Das BMZ verfolgt einen zweigleisigen Ansatz zur In- klusion von Menschen mit Behinderungen in der Ent- wicklungszusammenarbeit – spezifische und Quer- schnittsvorhaben – und förderte in den Jahren 2009 bis 2013 spezifische Projekte mit einem Volumen von rund 50 Millionen Euro zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in Entwicklungslän- dern. Aktuelle Daten zu Vorhaben mit inklusiven Bestand- teilen können bei Bedarf ermittelt werden. Zu Frage 85: Die Bundesregierung setzt sich auf internationaler Ebene aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behin- derungen ein, dies sowohl durch Vorhaben der Entwick- lungszusammenarbeit als auch in VN-Debatten und Pro- zessen. Dazu gehört unter anderem die konstruktive Mitarbeit bei den jährlichen Vertragsstaatenkonferenzen der Kon- vention über die Rechte von Menschen mit Behinderun- gen oder Sitzungen der Sozialentwicklungskommission. Die Bundesregierung hat eine auf Menschenrechten basierte und inklusive Zusammenarbeit beim Gipfeltref- fen der Vereinten Nationen zum Thema „Behinderung und Entwicklung“ 2013 unterstrichen. Sie setzt sich glei- chermaßen hierfür ein bei der laufenden Open Working Group on Sustainable Development Goals. Die deutsche Position zur Post-2015-Debatte verweist explizit auf die Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen und finanziert bereits Forschungsaktivi- täten zur Inklusion – ein bislang unerforschtes Gebiet. Zudem fördert die Bundesregierung den Austausch mit und die Stärkung von Selbstvertretungsorganisationen und ihrer Netzwerke, zum Beispiel durch Dialogforen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Fra- gen der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fra- gen 86 und 87): Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Baumaßnah- men, die durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden, in den Partnerländern barrierefrei und in- klusiv ausgeführt werden? Inwiefern werden zivilgesellschaftliche Antragsteller bei durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung geförderten Projekten, etwa durch den Titel „Förderung der entwicklungspolitischen Bildung“, dazu aufgefordert, ihre Projekte inklusiv zu planen und umzuset- zen? Zu Frage 86: Das BMZ-Konzept „Menschenrechte in der deut- schen Entwicklungspolitik“ (2011) – verbindlich für alle Institutionen der deutschen staatlichen Entwicklungszu- sammenarbeit – umfasst den in den Menschenrechtskon- ventionen verankerten besonderen Schutz und die ge- zielte Förderung der Rechte benachteiligter bzw. diskriminierter Gruppen. Hierunter fallen Menschen mit Behinderungen. Einzelne Maßnahmen: Für die Erarbeitung der Länderstrategien des BMZ besteht eine entsprechende Arbeitshilfe zur Umsetzung des Menschenrechtsansatzes. Für die Erstellung von Programmvorschlägen durch die Durchführungsorganisationen – KfW, GiZ, PTB, BGR – ist die Prüfung der jeweils relevanten menschen- rechtlichen Risiken und Wirkungen im Vorfeld aller Vor- haben und für alle Module der deutschen staatlichen EZ verpflichtende Aufgabe. Hierzu erstellter BMZ-Leitfaden zur Berücksichti- gung von menschenrechtlichen Standards und Prinzi- pien, einschließlich Gender, bei der Erstellung von Pro- grammvorschlägen der deutschen staatlichen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit berück- sichtigt Barrierefreiheit. Speziell GIZ und KfW: Inklusion und Barrierefreiheit werden bei Neubau, Erweiterung, Renovierung und Son- derbauten systematisch geprüft. Die Freigabe erfolgt nur nach vorheriger Prüfung von Konzept, Planung, Aus- schreibung und Bau der zuständigen Abteilungen. Die KfW berücksichtigt dies in den Finanzierungsvereinba- rungen, unter anderem durch Vorgaben für Gutachter und Guchtachterinnen. Zu Frage 87: Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft unter Nutzung aller Kooperationsmöglichkeiten ist ein wichti- ges Handlungsfeld im Rahmen des BMZ-Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Die für die Kooperation mit der Zivilgesellschaft ver- antwortliche Vorfeldinstitution Engagement Global setzt sich in verschiedenen Programmen in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren für die Inklusion von Jugendlichen und Erwachsenen ein. Die Organisation strebt die Verbesserung von Barrierefreiheit und Inklu- sion in den Programmabläufen an. 22. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Befragung der Bundesregierung TOP 2 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zu Laufzeiten für Atomkraftwerke Anlagen
Gesamtes Protokol
Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802200000

Einen schönen guten Tag! Bitte nehmen Sie Platz. Die

Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung
2013 nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Na-
tionalen Normenkontrollrates.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Dr. Helge
Braun. – Bitte schön.

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1802200100


Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den Bericht
zum Bürokratieabbau 2013 behandelt und beschlossen.
Das Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normen-
kontrollrates verpflichtet uns, jährlich einen solchen Be-
richt abzugeben.

Wenn Sie sich den Bericht ansehen, stellen Sie fest,
dass sich seit 2006, als wir das Thema Bürokratieabbau
institutionell auf den Weg gebracht haben, vieles verän-
dert hat. Wir haben zahlreiche Verfahren etabliert. Dazu
gehören die Einsetzung des Normenkontrollrates und die
damit verbundene Bewertung aller neuen Gesetzesvor-
haben. Hinzu kommt, dass wir – diese Regelung ist seit
März 2013 in Kraft – alle neuen Gesetzesvorhaben nach
Ablauf von zwei Jahren einer Ex-post-Evaluierung un-
terwerfen. Wir wollen uns schrittweise alle Gesetzesvor-
haben ansehen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie
einen Erfüllungsaufwand von über 1 Million Euro bedeu-
ten. Auf diese Weise wollen wir auch in der Bestandsge-
setzgebung vermeidbare Bürokratiekosten identifizieren
und nach Möglichkeit beseitigen.

Im Bericht sind viele Zahlen zu finden. Das liegt zum
Beispiel daran, dass wir in den letzten Jahren den Büro-
kratiekostenindex eingeführt haben, der die Bürokratie-
kosten im engeren Sinne erfasst. Der Bürokratiekosten-
index lag im Jahr 2012 bei einem Wert von 100,27, im
Jahr 2013 bei 100,31. Das ist eine Steigerung um 0,04.
Das heißt, die Bürokratiekosten sind im Wesentlichen
konstant geblieben; es hat nur eine kleine Steigerung der
laufenden Belastungen gegeben.

Wenn wir uns anschauen, was das in absoluten Zahlen
heißt und wie sich die Entwicklung des Erfüllungsauf-
wands auf die Wirtschaft, die Verwaltung und die Bürge-
rinnen und Bürger auswirkt, stellen wir fest, dass die
Wirtschaft im Jahr 2013 eine Zunahme ihres laufenden
Erfüllungsaufwands um 1,6 Milliarden Euro, die Ver-
waltung um 245 Millionen Euro und die Bürgerinnen
und Bürger um 472 Millionen Euro zu verzeichnen hat-
ten.

Wenn man sich ansieht, welcher der größte Brocken
innerhalb des Ganzen ist, dann stellt man fest, dass die
Energieeinsparverordnung die größten Kosten verur-
sacht hat. Man muss allerdings dazusagen, dass zum Er-
füllungsaufwand nicht nur die Bürokratiekosten, son-
dern auch die Investitions- und Maßnahmenkosten, die
durch dieses Gesetzgebungsverfahren entstehen, gehö-
ren. Das heißt, dass zum Beispiel die Kosten, die sich
durch die energetische Sanierung von Gebäuden für die
Wirtschaft ergeben, in die Berechnung einfließen. Die
Energieeinsparungen, die wir dadurch erzielen wollen,
und der politische Zweck dieser Gesetzgebung stehen
also den Kosten gegenüber.

In Zukunft wollen wir uns den verschiedenen Lebens-
bereichen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirt-
schaft auch in Form eines Lebenslagenmodells nähern.
Auf diese Weise wollen wir überprüfen, wie sich Le-
benslagen, in denen die Bürger in besonderem Maße mit
Bürokratie konfrontiert werden, zum Beispiel beim Kauf
eines Autos, bei einer Geburt oder im Falle eines Nach-
lasses, auswirken und wie man die Bürokratie in solchen
Lebenslagen durch das Zusammenspiel unterschiedli-
cher Rechtsakte reduzieren kann.

Sie finden in dem Bericht auch zahlreiche Beispiele
aus dem Bereich der Pflegeleistungen und anderer So-
zialleistungen. Hier haben wir Projekte auf den Weg ge-
bracht, mit denen Vereinfachungen bei der Gesetzge-





Staatsminister Dr. Helge Braun


(A) (C)



(D)(B)

bung erreicht werden sollen. Einige Projekte sind im
Jahre 2013 abgeschlossen worden; andere, die besonders
erfolgreich waren, werden im Jahr 2014 fortgesetzt.

Insofern kann man resümieren, dass es bei einer im
Jahr 2013 im Wesentlichen auf unverändertem Niveau
fortgesetzten Belastung von Bürgern, Verwaltung und
Wirtschaft mit Bürokratie noch zahlreiche Projekte gibt,
mit denen wir etwas verändern wollen. Aber natürlich
gibt es auch neue Regelungsvorhaben, die den Bürokra-
tieaufwand möglicherweise erhöhen. Die Bundesregie-
rung wird im Mai ein Arbeitsprogramm verabschieden,
mit dem wir weitere Projekte mit dem Ziel des Bürokra-
tieabbaus auf den Weg bringen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802200200

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu

stellen, über den gerade berichtet wurde. Es hat sich der
Kollege Grund gemeldet. Bitte schön.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1802200300

Vielen Dank, Herr Staatsminister, für Ihren Bericht

über die Arbeit des Normenkontrollrates und über die
Einsparungen, die für die Verwaltung, die Bürger und
die Wirtschaft damit verbunden sind. Wie muss man sich
das konkret vorstellen? Wie nimmt der Normenkontroll-
rat Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren oder auf
dessen Ergebnis? Wie fließt dies wiederum in das Ge-
setzgebungsverfahren ein? Also: Wie sieht die Arbeit ei-
gentlich konkret aus?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1802200400


Vielen Dank. – Die Bundesregierung hat Empfehlun-
gen für die einzelnen Ressorts herausgegeben. Jedes
Ressort muss jetzt bereits bei der Erstellung eines Ge-
setzgebungsverfahrens den Erfüllungsaufwand konkret
beziffern und diesen bei der Vorlage des Gesetzestextes
transparent machen. Darüber hinaus wird der Erfül-
lungsaufwand vor der Verabschiedung im Kabinett und
zukünftig auch nach der Verabschiedung im Bundestag
nachberechnet, sodass für jeden, der im Deutschen Bun-
destag eine Entscheidung trifft, aber auch für die Bevöl-
kerung transparent wird, wie hoch der Erfüllungsauf-
wand des jeweiligen Gesetzes ist. In der nächsten Woche
werden wir für den Deutschen Bundestag, die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten wie auch die
Verwaltung, eine Veranstaltung durchführen, in der der
Normenkontrollrat, das Statistische Bundesamt und das
Bundeskanzleramt über die verschiedenen Berichts- und
Mitteilungsformen informieren, damit Sie als Abgeord-
nete diese Informationen in die Beratungen des Gesetz-
gebungsverfahrens und in Ihre Entscheidung einbezie-
hen können.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802200500

Vielen Dank. – Jetzt eine Frage des Kollegen

Dr. Gambke.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister,
Sie haben in Ihren Ausführungen davon gesprochen,
dass Bürokratie aufgebaut worden ist. Ich fand die ein-
leitenden Worte bemerkenswert; denn Sie haben die
Verfahren beschrieben, die wir gehabt haben. Ich als
Mittelstandsbeauftragter meiner Fraktion sage: Bürokra-
tieaufbau ist im Moment das Thema des Mittelstands.
Sie selber haben darauf hingewiesen, dass zu über
60 Prozent die Unternehmen betroffen sind.

Nun zu meiner Frage. Wir hatten 2007 das Ziel, die
Bürokratiekosten um 25 Prozent zu senken. Wie Sie
eben ausgeführt haben, hatten wir leider im letzten Jahr
einen Anstieg der Bürokratiekosten in Höhe von
1,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Erfüllungsauf-
wand, also ein Umstellungsaufwand, in Höhe von 4 Mil-
liarden Euro. Das ist eine erhebliche Summe. Meine
Frage an Sie: Hat die Bundesregierung sich mit der
Frage befasst, wie jetzt neue Ziele gesetzt werden kön-
nen? Wie lauten diese quantitativen Ziele, und für wel-
chen Zeitraum gelten sie?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1802200600


Vielen Dank. – Sie haben richtig darauf hingewiesen,
dass wir in den vergangenen Jahren den Erfüllungsauf-
wand für die Wirtschaft um 25 Prozent reduziert haben.
Das war eine große Anstrengung. Zu der Reduzierung
haben zwei Bereiche maßgeblich beigetragen: Der eine
ist der Bereich der Bilanzierungsregeln bei den Unter-
nehmen, in dem eine Entlastung von über 2 Milliarden
Euro stattgefunden hat. Der andere ist der Bereich der
elektronischen Rechnungsstellung, wo ein Teil der Ent-
lastung der Wirtschaft zwar frühzeitig mit der Gesetzge-
bung bilanziert worden ist; aber die Entlastungwirkung
hält in dem Maße an, wie die elektronische Rechnungs-
stellung in der Realität der Unternehmen ankommt. Das
heißt, es gibt durch das Projekt der Reduzierung der Kos-
ten aus gesetzlichen Informationspflichten um 25 Prozent
bis heute Entlastungswirkungen.

Wenn man in die Zukunft schaut, muss man mit Blick
auf diejenigen, die sich mit Bürokratieabbau beschäfti-
gen, eines sehr deutlich sagen: Man kann natürlich im-
mer überlegen, ob ein Gesetz den jeweiligen Erfüllungs-
aufwand rechtfertigt. So hat der Deutsche Bundestag die
von der Bundesregierung novellierte Energieeinsparver-
ordnung befürwortet, weil wir Klimaziele und politische
Ziele erfüllen wollen und das Ganze in der Sache für
richtig halten. Dem Erfüllungsaufwand stehen – ganz
abgesehen von den ökologischen Zielen – ökonomische
Vorteile durch Energieeinsparung gegenüber. Insofern ist
es die Aufgabe derer, die sich mit dem Bürokratieabbau
beschäftigen, nicht alle Regelungen der Zukunft generell
infrage zu stellen, sondern zu schauen: Kann man den
politisch erwünschten Zweck möglicherweise einfacher
erreichen? Nach dem deutlichen Abbau der Bürokratie
in der Anfangszeit lautet die Aufgabe jetzt, in laufenden
Gesetzgebungsverfahren den Zuwachs an Bürokratie
nach Möglichkeit zu verhindern oder zu begrenzen.
Neue Projekte, mit denen wir den Bürokratieaufwand





Staatsminister Dr. Helge Braun


(A) (C)



(D)(B)

der Unternehmen, deren Zukunft uns natürlich am Her-
zen liegt, deutlich reduzieren wollen, werden wir dann in
dem neuen Arbeitsprogramm der Bundesregierung vor-
stellen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802200700

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich sehe keine

weiteren Fragen zu diesem Themenbereich.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


– Herr Dr. Gambke.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe noch eine Frage. Ich stelle aber zunächst
fest, dass Sie meine Frage nach einem neuen quantitati-
ven Ziel nicht beantwortet haben.

Zu meiner Frage. Wir haben uns im Zusammenhang
mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch mit
dem Thema der Hotelsteuer beschäftigt; unter diesem
Stichwort ging es um den verminderten Mehrwertsteuer-
satz für Übernachtungen. Wir wussten im Vorfeld, dass
das zu erheblichen Bürokratiekosten führt, sowohl für
die Gewerbetreibenden, also die Hotels, als auch für die
Bürger. Das konnte dadurch umgangen werden, dass die
Koalitionsfraktionen und nicht die Regierung dieses Ge-
setz eingebracht haben. Plant die Bundesregierung eine
Ausweitung des Auftrags des Normenkontrollrates auf
Gesetzentwürfe der Fraktionen, um in Zukunft zu ver-
hindern, dass Fraktionen den schönen Beschluss, Ge-
setze nach ihren Bürokratiekosten zu bewerten, umge-
hen können?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1802200800


Der Normenkontrollrat ist ein Gremium zur Unter-
stützung der Bundesregierung. Natürlich kontrolliert
nicht die Bundesregierung den Bundestag, sondern um-
gekehrt. Aber ich habe eben angedeutet, dass wir – das
ist sicherlich in Ihrem Sinne – beabsichtigen, in Zukunft
den Erfüllungsaufwand von Gesetzen nach der endgülti-
gen Verabschiedung nochmals zu berechnen, um trans-
parent zu machen, welche Belastungen durch das rechts-
kräftige Gesetz tatsächlich für die Bürgerinnen und
Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung entstehen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802200900

Vielen Dank. – Gibt es Fragen zu anderen Themen

der heutigen Kabinettssitzung? – Ich sehe, das ist nicht
der Fall. Damit beenden wir den Bereich der Themen der
heutigen Kabinettssitzung.

Gibt es darüber hinaus weitere Fragen an die Bundes-
regierung? –


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da gibt es viele!)


Ich sehe, das ist auch nicht der Fall.

Dann unterbreche ich die Sitzung bis zur Fragestunde
um 13.35 Uhr.

(Unterbrechung von 13.13 bis 13.35 Uhr)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802201000

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene

Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksachen 18/814, 18/835

Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 der
Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen
auf Drucksache 18/835 auf.

Für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts be-
antwortet heute der Staatsminister Michael Roth die Fra-
gen.

Ich rufe die dringliche Frage 1 des Abgeordneten
Hunko auf:

Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung an-
gesichts des Ausgangs der Volksabstimmung über einen An-
schluss der Krim an Russland auf die Sicherheitslage in
Deutschland und durch die in diesem Zusammenhang ver-
hängten bzw. geplanten Sanktionen gegen Russland auf die
wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, die Stabilität der
Euro-Zone bzw. die Volkswirtschaften der Europäischen
Union?

Herr Staatsminister Roth, bitte schön.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802201100

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Herr Kollege

Hunko, ich will noch einmal daran erinnern, dass sich
die Europäische Union bei ihren Maßnahmen und Sank-
tionen auf ein dreistufiges Verfahren verständigt hat. Ge-
mäß dem jüngsten Beschluss vom 17. März 2014 greift
nun die Stufe 2, das heißt, gegen 21 Personen aus der
Ukraine und aus Russland sind Einreiseverbote ausge-
sprochen worden, und deren Vermögen wurden einge-
froren.

Die Bundesregierung sieht derzeit weder Beeinträch-
tigungen der Sicherheitslage in Deutschland noch nen-
nenswerte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Ent-
wicklung in Deutschland, in der Euro-Zone oder in der
Europäischen Union.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802201200

Herr Kollege Hunko.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802201300

Vielen Dank. – Herr Kollege Roth, in der letzten Wo-

che waren Außenminister von Staaten, die gerade aus
der Krise herausgekommen sind oder bei denen es den
Anschein hat, dass sie jetzt aus der Krise herauskom-
men, zu Besuch hier im Bundestag, und sie haben diese
Sorgen ebenfalls geäußert. Würden Sie auch ausschlie-
ßen, dass es Auswirkungen auf die Stabilität in der Euro-
Zone haben könnte, wenn es nach den jetzt umgesetzten
Sanktionen zu einer Sanktionsspirale käme und der Kon-
flikt über diese Sanktionen weiter eskalieren würde, oder
wäre das eine reale Gefahr?






(A) (C)



(D)(B)


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802201400

Es gibt keinen Sanktionsautomatismus, Herr Kollege

Hunko. Die Bundesregierung und die Europäische
Union insgesamt sind nach wie vor zuvörderst um eine
diplomatisch-politische Lösung bemüht. Wir wollen de-
eskalieren und nicht eskalieren.

Der nächste Europäische Rat am morgigen Donners-
tag wird im Lichte der jüngsten Entwicklung auf der
Krim, aber auch vor dem Hintergrund der russischen
Entscheidung, sich die Krim einzuverleiben, über wei-
tere Schritte nachdenken. Es gibt derzeit aber noch kei-
nerlei konkrete Überlegungen, Wirtschaftssanktionen
auszusprechen. Ich müsste hier also spekulieren, und das
möchte ich nicht.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802201500

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Gehrcke

das Wort.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802201600

Schönen Dank. – Herr Staatsminister, ich möchte Sie

gerne fragen, ob aus Ihrer Sicht eine Aufkündigung der
Zusammenarbeit mit Russland bei der Vernichtung der
syrischen Chemiewaffen und Auswirkungen auf die Ver-
handlungen mit dem Iran über das Atomprogramm in
dem Sanktionskatalog vorgesehen sind und wie sich die
Bundesregierung dazu verhält.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802201700

Es gibt eine klare Priorität der Bundesregierung – da-

ran arbeiten wir Tag und Nacht –, nämlich auf politi-
schem Wege und auf diplomatischem Wege zur Deeska-
lation beizutragen. Wir haben auch das Ziel, dass
– unabhängig von weiteren Maßnahmen – die Ge-
sprächskanäle mit Russland offen gehalten werden. Ich
habe den Eindruck, dass diese Position innerhalb der
Europäischen Union auf große Zustimmung stößt.

Im Übrigen wissen Sie, dass wir für die Lösung von
einer Reihe von internationalen Problemen – Sie haben
einige angesprochen – weiterhin auf Russland angewie-
sen sind. Unabhängig davon gibt es aber ein klares, deut-
liches Signal der Bundesregierung und der Europäischen
Union: Was Russland bezüglich der Krim getan hat, ver-
stößt gegen das Völkerrecht und ist absolut inakzeptabel.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802201800

Kollege Krischer hat jetzt Gelegenheit, eine weitere

Frage zu stellen.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802201900

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staats-

minister, es hat in der vergangenen Woche und in der
Woche davor zwei große Geschäfte von deutschen Un-
ternehmen gegeben: zum einen die Transaktion der
Firma Wintershall, die im Rahmen eines Asset-Tauschs
Gasspeicheranteile an Gazprom verkauft hat, und zum
anderen die Entscheidung von RWE, ihre Öl- und Gas-
fördertochter an einen russischen Investor zu verkaufen,
und zwar zu einem überraschend hohen Kaufpreis und
– wenn man die gesamte Verhandlungsdauer dieses
Kaufs betrachtet – zu einem interessanten Zeitpunkt.

Meine Frage ist: Welche Position hat die Bundes-
regierung zu diesem Thema, und erachtet sie es als not-
wendig, in irgendeiner Weise bei diesen Geschäften ein-
zugreifen, zu prüfen, zu handeln?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802202000

Unabhängig davon, wie wir zu solchen wirtschaftli-

chen Entscheidungen der Privatwirtschaft stehen, gibt es
für die Bundesregierung derzeit keine Möglichkeiten,
einzugreifen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802202100

Frau Kollegin Keul.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802202200

Vielen Dank. – Wenn wir jetzt über Sanktionen oder

Einschränkungen im Handel sprechen, dann ist der erste
Bereich, der mir dazu einfällt, der Bereich der Rüstungs-
exporte. Jetzt frage ich: Gedenkt die Bundesregierung
die Lieferung eines gesamten Gefechtsübungszentrums
nach Russland durch die Firma Rheinmetall zu stoppen?
Ist dieses Geschäft möglicherweise durch eine Hermes-
bürgschaft abgesichert? Wie wird das dann in der Praxis
abgewickelt?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802202300

Liebe Frau Kollegin, auch wenn in der Öffentlichkeit

immer wieder anderes behauptet wird: Faktisch werden
bereits jetzt keinerlei Ausfuhrgenehmigungen für Rüs-
tungsgüter nach Russland mehr erteilt. Das gilt ins-
besondere auch für Dual-use-Güter mit einem mili-
tärischen Verwendungszweck. Darüber hinaus hat die
Bundesregierung eine Überprüfung der bislang schon er-
teilten Ausfuhrgenehmigungen eingeleitet und wird
dann, wenn dies erforderlich ist, die entsprechenden
Schritte einleiten. Das gilt auch für die konkreten Fälle,
die Sie eben benannt haben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802202400

Frau Kollegin Beck.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Staatsminister, angesichts des hohen Tempos der
Veränderungen in der Ukraine, mit denen kaum jemand
gerechnet hat, und der sich daraus ergebenden Tatsache,
dass wir die handelnden Personen und Parteien oft nicht
wirklich gut kennen, möchte ich Sie fragen, wie die Bun-
desregierung die Übergangsregierung in Kiew und die
Beteiligung der Partei Swoboda daran einschätzt. Haben
wir es dort mit faschistischen Kräften und einer Regie-
rung zu tun, der faschistische Parteien angehören?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802202500

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die Bundesregierung

hat wie die Europäische Union insgesamt ein Interesse
an einer möglichst inklusiven Regierung, die möglichst
alle gesellschaftlichen Kräfte, die der Rechtsstaatlichkeit





Staatsminister Michael Roth


(A) (C)



(D)(B)

und der Demokratie verpflichtet sind, einbezieht. Ich
weiß, dass es insbesondere in Deutschland eine kontro-
verse Diskussion über die Rolle von Swoboda gibt.
Diese Partei ist an der Regierung beteiligt und stellt zwei
Minister. Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen
möchte ich nicht von einer faschistischen Partei spre-
chen. Es ist zweifellos eine rechtspopulistische, nationa-
listische Partei, aber es ist keine faschistische, eindeutig
antisemitische Partei. Im Übrigen – das wissen Sie; da
teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesta-
ges – ist es deutsche Tradition: Wir verabscheuen und
verurteilen den Antisemitismus überall. Wir setzen uns
auch in der Ukraine für eine Aufklärung der Gewalttaten
auf dem Maidan, aber auch anderswo ein. Swoboda ist
nach unseren Erkenntnissen – auch nach den Gesprächen
mit der Zivilgesellschaft in der Ukraine, insbesondere
mit den Vertretern der jüdischen Gemeinde – zwar eine
rechtspopulistische und nationalistische, aber keine fa-
schistische Partei.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802202600

Herr Dr. Neu.


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802202700

Herr Staatsminister, der Kollege Gehrcke hatte gerade

eine Frage gestellt, die Sie etwas unpräzise beantwortet
haben. Es geht darum, ob angesichts des Instrumenten-
köfferchens, in denen die gerade ausgearbeiteten Sank-
tionen enthalten sind, auch der Abzug aus Afghanistan,
bei dem Russland eine Rolle spielen wird, und der Iran
Thema sind. Ja oder nein?

Danke.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802202800

Herr Kollege Neu, wir befinden uns derzeit noch in

der Stufe 2 des sogenannten Sanktionsmechanismus. Die
Stufe 3, die Sie ansprechen, ist überhaupt noch nicht im
Gespräch. Wir befinden uns hier im spekulativen Be-
reich. Es bedürfte dafür auch eines gesonderten Be-
schlusses des Europäischen Rates.

Derzeit investieren wir unsere gesamte Kraft, unser
Engagement, aber auch unsere Kreativität darauf, wei-
tere Sanktionen zu verhindern. Ich habe auch den Ein-
druck, dass es darüber in der Europäischen Union eine
intensive Diskussion gibt. Denn wir müssen uns die
Frage stellen, wer welchen Preis für welche Sanktion
zahlt und ob wir das, was wir uns wünschen, mit den
entsprechenden Sanktionen wirklich erzielen können.
Insofern kann ich Ihnen noch nichts Konkretes sagen,
weil es diese konkrete Diskussion noch nicht gibt.

Einen Instrumentenkoffer mit Sanktionen, den Sie an-
gesprochen haben, gibt es weder bei der Bundesregie-
rung noch bei der Europäischen Union.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802202900

Herr Kollege Petzold.

Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802203000

Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden,

dass es innerhalb der Bundesregierung noch gar keine
Vorstellung über die Stufe 3 gibt?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802203100

Es gibt selbstverständlich eine Reihe von Überlegun-

gen, aber es gibt noch keine Beschlüsse. Über die würde
ich Sie dann informieren, wenn sie anstehen. Derzeit ha-
ben wir eine klare Priorisierung. Wir wollen unter allen
Umständen vermeiden, dass es zu einer weiteren Eskala-
tion kommt. Denn die sogenannte dritte Stufe greift erst
dann, wenn die Eskalationsspirale sich weiterdreht. Ich
meine, dass es derzeit noch ein Fenster für diplomatische
Bemühungen gibt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802203200

Herr Kollege Mützenich.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1802203300

Danke schön. – Herr Staatsminister, wenn ich die Fra-

gen insbesondere der Vertreter der Linksfraktion richtig
verstehe, besteht ein großer Konsens im Haus, dass wir
daran mitwirken wollen, die Chemiewaffen in Syrien zu
vernichten. Wir werden wahrscheinlich in den nächsten
Wochen Gelegenheit haben, in diesem Zusammenhang
Äußerungen der Linksfraktion zu einer gemeinsamen
Haltung zu hören.

Ich würde gerne darauf Bezug nehmen, was Sie ge-
sagt haben. Es ist nicht nur Auffassung der Bundesregie-
rung, dass die Ereignisse auf der Krim in den letzten
Stunden und Tagen und die Handlungen unterschiedli-
cher Personen, aber auch von Institutionen in Russland
nicht nur nicht akzeptabel, sondern auch völkerrechts-
widrig sind. Vielleicht kann die Bundesregierung auch
hier noch einmal dokumentieren, dass dies keine Einzel-
meinung Deutschlands ist, sondern dass Russland mit
seiner Position und Haltung mittlerweile auch innerhalb
der Europäischen Union, des Europarats und insbeson-
dere – das ist für uns sehr wichtig – des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen isoliert ist.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802203400

Herr Kollege Mützenich, ich bin Ihnen dankbar für

diesen Hinweis und die damit verbundene Frage, weil
sie mir die Chance eröffnet, eines deutlich zu machen:
Es geht nicht um die Position „Der Westen gegen Russ-
land“. Ich will auch keinem unterstellen, in den Katego-
rien des Kalten Krieges zu argumentieren. Sie haben
völlig recht: Russland ist aufgrund seines völkerrechts-
widrigen Vorgehens gegen die Ukraine und insbesondere
der Einverleibung der Krim völlig isoliert. Es gibt eine
klare Positionierung des Sicherheitsrates. Es gibt eine
klare Positionierung im Europarat. Es gibt derzeit – auch
und gerade in dieser Stunde – Bemühungen in der
OSZE. Es gibt nicht zuletzt eine klare, einmütige Posi-
tionierung der Europäischen Union.

Das alles macht deutlich: Es geht nicht um „den Wes-
ten gegen Russland“, sondern um das Handeln der der
Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten





Staatsminister Michael Roth


(A) (C)



(D)(B)

Welt. Ich will das zwar nicht im Namen aller Mitglied-
staaten der Vereinten Nationen sagen. Aber es gibt ein
klares Bekenntnis, das verdeutlicht, dass das, was Russ-
land derzeit tut, auf deutlichen Widerspruch in der Welt-
gemeinschaft stößt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802203500

Vielen Dank.

Ich rufe nun die dringliche Frage 2 des Abgeordneten
Dr. Alexander S. Neu auf:

Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über den
Einsatz einer nach Medienberichten am 13. oder 14. März
2014 über der Krim abgefangenen, auf einem Standort der
US-Armee in Bayern stationierten Drohne des Typs Hunter
MQ-5B, unter anderem darüber, aus welcher Quelle die öf-
fentlich gewordenen Informationen über diese angeblich ab-
gefangene Drohne ursprünglich stammten, wer diese den Me-
dien zugänglich machte, von wem die Drohne gegebenenfalls
abgefangen wurde, wo bzw. in wessen Gewahrsam sie sich
seither befindet, ob diese Drohne mit Aufklärungstechnik

(welcher?) ausgestattet bzw. ob sie waffenfähig bzw. bewaff-

net (womit?) war, und war die Bundesregierung über diesen
Einsatz vorab informiert, bzw. welche weiteren Erkenntnisse
über diesen Einsatz hatte sie in dessen Vorfeld?

Bitte, Herr Staatsminister Roth.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802203600

Danke, Frau Präsidentin. – Ich möchte die dringlichen

Fragen 2 und 3 im Zusammenhang beantworten.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802203700

Sind Sie damit einverstanden, Herr Dr. Neu? – Dann

rufe ich auch noch die dringliche Frage 3 auf:
Sofern die Bundesregierung über einen dieser Aspekte

keine Erkenntnisse besitzt, was hat sie unternommen, um ent-
sprechende Erkenntnisse zu erlangen, bzw. sofern dies nicht
geschehen ist, aus welchem Grund wurde nicht versucht, Er-
kenntnisse zu erlangen?

Bitte, Herr Staatsminister Roth.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802203800

Herr Kollege Neu, um das den Kolleginnen und Kol-

legen zu erläutern, die nicht so im Bilde sind wie Sie:
Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten betreiben auf
den Truppenübungsplätzen in Grafenwöhr und Hohen-
fels in Bayern zu Übungszwecken einige unbewaffnete,
unbemannte Flugzeuge des Typs Hunter, also Drohnen.
Diese haben eine Reichweite von 260 Kilometern. Um
von Bayern in die Ukraine zu kommen, müssten unge-
fähr 2 000 Kilometer zurückgelegt werden. Insofern
halte ich das deutliche und sofortige Dementi des US-
Verteidigungsministeriums, dass es sich dabei nicht um
Drohnen des Typs Hunter gehandelt haben kann, für
mehr als nachvollziehbar.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802203900

Herr Kollege Neu, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802204000

Sie gehen also davon aus, dass diese Drohnen sozusa-

gen keinen Zwischenstopp in Polen, Rumänien oder Un-
garn machen können, um aufgetankt zu werden?

Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802204100

Uns liegt ein deutliches Dementi der Vereinigten

Staaten vor. Wir haben keine weiteren Erkenntnisse.
Meine Ingenieurskunst reicht nicht aus, um Ihre Frage so
zu beantworten, dass sie vielleicht in das Schema passt,
das Sie von mir erwarten.


(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ich erwarte kein Schema, sondern eine Auskunft! Danke!)


– Die habe ich Ihnen auch gegeben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802204200

Vielen Dank. – Das Wort zu einer Frage hat jetzt der

Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Frau Präsidentin. – Sie gehen jetzt davon aus,
dass es sich um eine Drohne des Typs Hunter handelt.
Nehmen wir einmal an, dass es eine Drohne eines ande-
ren Typs war, möglicherweise sogar eine bewaffnete
Drohne. Geben Sie mir recht, dass eine solche Drohne in
Deutschland starten und auch bis in die Ukraine fliegen
könnte und dass es in der Vergangenheit schon vorge-
kommen ist, dass solche Drohnen von Deutschland aus
in eine andere Richtung, nämlich in Richtung Afrika,
eingesetzt worden sind?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802204300

Herr Kollege Ströbele, die Frage des Kollegen Neu

bezieht sich auf eine Information von The Voice of
Russia. Demzufolge soll die russische Rüstungsagentur
am 14. März behauptet haben, dass ein unbemanntes
US-Flugzeug des Typs Hunter bei einem Aufklärungs-
flug auf der Krim-Halbinsel abgefangen worden sei. Ich
habe nur darauf hingewiesen, dass in Bayern solche
Drohnen stationiert sind, dass es aber technisch unmög-
lich ist, bei einer Reichweite von 260 Kilometern von
Bayern in die Ukraine zu kommen. Insofern handelt es
sich hier um eine grobe Spekulation, die ich nicht weiter
befeuern möchte.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802204400

Frau Kollegin Beck.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Staatsminister, angesichts der besorgniserregen-
den militärischen Handlungen auf der Krim und der gro-
ßen Sorge der internationalen Gemeinschaft, dass sich
der nächste militärische Akt in der Ostukraine ereignet,
frage ich Sie, ob Sie Informationen bestätigen können,
dass im Dorf Strilkowe, also auf kontinental-ukraini-
schem Gebiet, mehrere Kampfhubschrauber russischer
Herkunft gelandet und gepanzerte Fahrzeuge russischer
Herkunft einschließlich 60 Soldaten stationiert sind, die
eine Gasverdichtungsstation besetzt haben?






(A) (C)



(D)(B)


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802204500

Sie wissen, Frau Kollegin Beck, dass die Lage insbe-

sondere in der Ostukraine, aber auch im Süden der
Ukraine mehr als instabil ist und dass es dort eine Reihe
von Gefährdungen gibt. Ich möchte mich jetzt ausdrück-
lich nicht auf Ihr Beispiel beziehen, weil mir die entspre-
chenden Erkenntnisse im Detail dazu fehlen.

Nicht zuletzt veranlasst uns diese doch sehr fragile,
gefährliche Lage dazu, nach Kräften dazu beizutragen,
dass es die entsprechende Monitoring-Kommission der
OSZE alsbald gibt – gerade heute finden die Verhand-
lungen statt –, um dafür Sorge zu tragen, dass mithilfe
der OSZE, eines Partners, der den Menschenrechten ver-
pflichtet ist, die derzeitige Lage vor Ort aufgeklärt wird,
damit wir nicht nur auf informelle Berichte angewiesen
sind.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802204600

Gelegenheit zu einer weiteren Frage hat jetzt die Kol-

legin Vogler.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802204700

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister,

bereits seit über einer Woche erreichen uns immer wie-
der Berichte über verstärkte Aktivitäten von NATO-
Truppen im östlichen Polen, insbesondere in der masuri-
schen Region. In diesem Kontext würde mich schon in-
teressieren, was der genaue Auftrag dieser Truppen ist
und inwieweit und in welcher Form die Bundesregierung
diese Aktivitäten unterstützt.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802204800

Frau Kollegin, Sie haben zu Recht darauf hingewie-

sen, dass es sich um mögliche Aktivitäten der NATO in
Polen handelt und nicht in der Bundesrepublik Deutsch-
land. Insofern kann ich Ihre Frage nicht beantworten,
weil das nicht in den Zuständigkeitsbereich des Auswär-
tigen Amts fällt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802204900

Kollege Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802205000

Herr Staatsminister, angesichts dieser auch von den

Kollegen beschriebenen militärischen Entwicklung
möchte ich noch einmal auf die Frage zurückkommen,
die Sie mir eben beantwortet haben. Sie sagten, dass Sie
keinerlei rechtliche Möglichkeit sehen, auf Geschäfte
der RWE oder der Wintershall AG Einfluss zu nehmen
oder in irgendeiner Weise aktiv zu werden. Deshalb
meine konkrete Nachfrage.

In § 4 des Außenwirtschaftsgesetzes wird eine ganze
Reihe von Gründen genannt, in denen die Bundesregie-
rung in Vertretung der Bundesrepublik aktiv werden
kann. Da ist zum Beispiel von einer Störung des friedli-
chen Zusammenlebens der Völker die Rede, da ist von
einer Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundes-
republik die Rede. Meine Frage: Interpretiere ich Sie
richtig, dass diese Gründe, die in § 4 des Außenwirt-
schaftsgesetzes genannt werden, auf die Geschäfte der
RWE bzw. der Wintershall AG keine Anwendung fin-
den?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802205100

Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich wieder-

holt für ein gemeinsames Vorgehen – ich hatte bislang
immer den Eindruck, dass dies auch von einer sehr brei-
ten Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen wird –
und eine gemeinsame Strategie der Europäischen Union
ausgesprochen. Das heißt, das, was wir tun oder auch
nicht tun, ist in eine Strategie der Europäischen Union
eingebettet. Wir werden nicht zuletzt am kommenden
Donnerstag auf dem Europäischen Rat darüber sprechen
müssen, wie wir mit der jüngsten Entscheidung Russ-
lands umzugehen haben, ob wir im Bereich der zweiten
Stufe verbleiben.

Aber wir sind noch weit davon entfernt, über die
dritte Stufe konkret zu verhandeln, geschweige denn,
diese zu beschließen. Ich will wiederholen: Das setzt
nämlich einen weiteren dezidierten Beschluss des Euro-
päischen Rates voraus. Es geht also hier um eine ge-
meinsame Anstrengung, um gemeinsame Maßnahmen,
die von der Europäischen Union insgesamt verabredet
werden. Ich hielte es für nicht besonders überzeugend,
wenn hier einzelne Mitgliedstaaten vorpreschten und
einzelne, nationalstaatliche Maßnahmen ergreifen wür-
den.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802205200

Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Nachfragewün-

sche. Damit sind auch die dringlichen Fragen 2 und 3 be-
antwortet.

Wir kommen zu den Fragen auf Drucksache 18/814.
Ich rufe sie in der üblichen Reihenfolge auf.

Als Erstes behandeln wir den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Be-
antwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Uwe Beckmeyer zur Verfügung.

Zunächst rufe ich die Frage 1 des Abgeordneten
Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, auf:

Welche Treffen gab es zwischen der Europäischen Kom-
mission und Vertretern der Bundesregierung bezüglich einer
europarechtskonformen Ausgestaltung der Besonderen Aus-
gleichsregelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz, bitte nach
Inhalt und Terminen aufschlüsseln, und welchen inhaltlichen
Vorschlag zur europarechtskonformen Ausgestaltung hat die
Bundesregierung der Europäischen Kommission diesbezüg-
lich unterbreitet?

Herr Kollege Beckmeyer.

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1802205300


Ich beantworte die Frage wie folgt: Es gab und gibt
zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung
zahlreiche Gespräche bezüglich einer europarechtskon-
formen Ausgestaltung der Besonderen Ausgleichs-
regelung im EEG. Nähere Informationen zu Daten bzw.
Gesprächsinhalten und zu inhaltlichen Vorschlägen der
Bundesregierung können nicht übermittelt werden, da





Parl. Staatssekretär Uwe Beckmeyer


(A) (C)



(D)(B)

die Verhandlungen der Bundesregierung noch nicht ab-
geschlossen sind.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802205400

Herr Kollege Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802205500

Herr Kollege Beckmeyer, herzlichen Dank für die

Antwort. – Diese Antwort verwundert mich etwas. Denn
wenn man in Verhandlungen geht, hat man erst einmal
eine Position; das kennen wir alle aus dem Bereich der
Tarifverhandlungen. Deshalb erstaunt mich, dass die
Bundesregierung bei diesem Thema offensichtlich gar
keine Position zu haben scheint. Wenn man in eine Ver-
handlung geht, dann muss man doch eine Position ha-
ben. Mich würde interessieren, mit welcher konkreten
Position die Bundesregierung in die Verhandlungen ge-
gangen ist. Dass Sie über den Verhandlungsfortschritt
natürlich nicht im Detail berichten können, kann ich
nachvollziehen. Das ist sicherlich ein interner Prozess.
Aber mich interessiert die grundsätzliche Position.

Gestern gab es Medienberichte, wonach 65 Branchen
von der Ökostromumlage ausgenommen sein sollen.
Können Sie bestätigen oder dementieren, dass eine sol-
che Zahl im Raume steht und am Ende Teil einer Verein-
barung mit der EU-Kommission wird?

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1802205600


Herr Kollege Krischer, Sie haben danach gefragt,
welche Treffen es zwischen der Europäischen Kommis-
sion und den Vertretern der Bundesregierung gegeben
hat, um diese Ausgestaltung zu beraten. Meine Antwort
darauf habe ich Ihnen eben vorgetragen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht mir um den zweiten Teil meiner Frage!)


– Ich komme zum zweiten Teil.

Die Beratungen betreffen unter anderem die Inhalte des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes. In diesem Zusammen-
hang sind speziell das Thema „Besondere Ausgleichs-
regelung“, aber auch das Thema „Eigenverbrauch“ zu
nennen.

Sie haben mich außerdem gefragt, wie wir mögliche
Ausnahmen von der Ökostromumlage – Meldungen da-
rüber sind gestern durch wen auch immer an die Öffent-
lichkeit geraten – bewerten. Dabei geht es um ein Papier
der EU-Kommission, in dem Ausnahmen für bestimmte
Branchen vorgeschlagen werden. Wir werten diese Vor-
schläge zurzeit aus und beurteilen sie auch im deutschen
Interesse.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802205700

Herr Kollege Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802205800

Herr Kollege, dass es dabei um das EEG und die Be-

sondere Ausgleichsregelung geht, vermelden die Über-
schriften. Genauso ist es oft bei Tarifverhandlungen,
wenn vermeldet wird, dass es um Lohnpolitik und Ar-
beitszeiten geht. Überschriften dieser Art sagen aber
noch nichts über Ihre Position aus. Deshalb noch einmal
meine Frage: Mit welcher Position, mit welchen konkre-
ten Inhalten, mit welchem Ziel ist die Bundesregierung
in diese Verhandlungen gegangen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch ganz einfach!)


U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1802205900


Herr Kollege Krischer, wir haben uns ja bereits im
Ausschuss für Wirtschaft und Energie darüber unterhal-
ten. Es ist klar, dass das jetzige Erneuerbare-Energien-
Gesetz – zuletzt geändert 2012; das Gesetz, das von der
EU-Kommission im Grunde gestoppt worden ist – in
diesem Jahr novelliert werden soll; das ist erklärte Poli-
tik der Bundesregierung. Unser Zeitplan sieht vor, dass
der Entwurf der Novelle dem Kabinett Anfang April
vorliegt. Wir werden ihn danach im Plenum des Deut-
schen Bundestages beraten. Wir möchten gerne, dass
dieses Gesetz, nachdem wir es mit Ihnen zusammen be-
raten haben, am 1. August 2014 mit seiner Verkündung
im Bundesgesetzblatt in Kraft tritt.

Das Hinterfragen aller Inhalte des Ihnen bekannten Er-
neuerbare-Energien-Gesetzes – der Besonderen Aus-
gleichsregelung, einer Umlage auf Eigenstromverbrauch –
ist Teil der Verhandlungen, die wir mit der EU-Kommis-
sion aktuell führen. Da gibt es im Detail sehr viele ver-
schiedene Ansichten und Positionierungen. Ich bitte Sie,
den Abschluss der Gespräche abzuwarten. Danach wer-
den wir Ihnen einen entsprechenden Beschluss des Kabi-
netts vorlegen. Dann werden wir uns dazu inhaltlich
weiter auseinandersetzen können.

Herzlichen Dank.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802206000

Zu einer weiteren Frage erteile ich jetzt dem Kollegen

Petzold das Wort.


Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802206100

Herr Staatssekretär, ich möchte Sie trotzdem noch

einmal fragen, mit welcher Position die Bundesregie-
rung, was die Ausnahmeregelungen für Unternehmen
anbelangt, in diese Verhandlungen geht.

U
Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1802206200


Wir sind bereits in den Verhandlungen. Diese Ver-
handlungen haben insbesondere zum Ziel, die deutsche
Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-
Energien-Gesetz und dessen Novelle international kon-
kurrenzfähig zu halten. Das ist eines der Hauptziele der
Bundesregierung bei diesen Verhandlungen mit der
Europäischen Kommission.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802206300

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Die Frage 2 des Abgeordneten Oliver Krischer, die
Frage 3 der Abgeordneten Bärbel Höhn, die Fragen 4
und 5 des Abgeordneten Klaus Ernst und die Frage 6 der
Abgeordneten Agnieszka Brugger werden schriftlich be-
antwortet.

Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Ge-
schäftsbereich. Ich bedanke mich bei Herrn Staatssekre-
tär Beckmeyer für die Beantwortung.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amts. Zur Beantwortung steht Staatsminister
Michael Roth zur Verfügung.

Die Frage 7 der Abgeordneten Agnieszka Brugger
wird schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke auf:

Über welche Erkenntnisse und Hinweise verfügt die Bun-
desregierung, dass die gegen jüdische Einrichtungen und Bür-
ger jüdischen Glaubens gerichteten Angriffe in der Ukraine

(www.santegidio.org/pageID/3/ langID/de/itemID/8473/Solidaritt_mit_der_jdischen_Gemein de_die_Opfer_antisemitischer_bergriffe_geworden_ist.html)

vom russischen Geheimdienst, von anderen russischen Si-
cherheitsorganen und/oder vom ukrainischen Geheimdienst
oder von anderen ukrainischen Sicherheitsorganen organisiert
und gesteuert wurden?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802206400

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege

Gehrcke, wir gemeinsam hier im Hohen Hause, aber
auch in der Bundesregierung verurteilen den Antisemi-
tismus auf das Schärfste – überall und selbstverständlich
auch in der Ukraine. Die Bundesregierung verfügt aber
über keine derartigen Erkenntnisse, wie Sie sie mit Ihrer
Frage insinuiert haben.

Sie können sich darauf verlassen: Wir stehen in engs-
tem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdi-
schen Gemeinden in der Ukraine. Selbstverständlich ist
die Lage in der Ukraine ausgesprochen schwierig. Aber
alle Repräsentanten der jüdischen Gemeinden haben uns
gegenüber noch einmal bestätigt, dass man von einer all-
gemeinen Zunahme des Antisemitismus im Zusammen-
hang mit den jüngsten Unruhen in der Ukraine nicht
sprechen könne.

Ich will noch einen Punkt ergänzen, Herr Kollege
Gehrcke. Sie werden sich bestimmt an den offenen Brief
der jüdischen Gemeinden an Präsident Putin vom
5. März erinnern, in dem prominente Vertreter der ukrai-
nischen jüdischen Organisationen deutlich gemacht ha-
ben, dass das Argument Putins, es handele sich hier um
einen wüsten Antisemitismus, mit der Wirklichkeit rein
gar nichts zu tun hat.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802206500

Herr Kollege Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802206600

Ich muss ja nicht dem russischen Präsidenten Putin

helfen wollen; ich will der Bundesregierung helfen,


(Niels Annen [SPD]: Das wäre das erste Mal!)

klare Erkenntnisse zu gewinnen und ihre Positionen, die
Sie beschrieben haben, in der Öffentlichkeit auch ener-
gisch genug vorzutragen.


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Dann wollen wir mal sehen!)


Ich zitiere aus der israelischen Zeitung Haaretz; sie
ist bekannt, das ist eines der großen seriösen Blätter.
Dort war am 23. Februar zu lesen:

Aus Angst vor antisemitischen Übergriffen inmitten
des Chaos in Kiew fordert der ukrainische Rabbiner
Moshe Reuven Asman die Juden zum Verlassen der
Stadt auf.

„Ich habe meine Gemeinde aufgefordert, das Stadt-
zentrum und auch die ganze Stadt zu verlassen und
wenn möglich auszureisen.“

Das können Sie in der Haaretz nachlesen. So wird das in
Israel wahrgenommen.

Muss nicht die Bundesregierung angesichts solcher
Wahrnehmungen viel energischer deutlich machen:
„Man setzt sich nicht mit Nazis zusammen an einen
Tisch, man lässt sich nicht mit denen fotografieren, son-
dern man wird international die Ächtung betreiben“?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802206700

Ich muss das auf das Schärfste zurückweisen. Die

Bundesregierung setzt sich nicht mit Nazis und Faschis-
ten an einen Tisch. Sie können sich darauf verlassen,
dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles dafür
tun, um Jüdinnen und Juden in der Ukraine zu schützen.
Wir verlassen uns dabei nicht so sehr auf Medienbe-
richte, sondern in erster Linie auf unmittelbare Gesprä-
che mit Repräsentanten der jüdischen Gemeinden in der
Ukraine.

Ich möchte daran erinnern, dass heute, in dieser
Stunde, der Vorsitzende des Vereins Jüdischer Gemein-
den und Organisationen in der Ukraine, Herr Zissels, in
Berlin ist – ich bedanke mich auch noch einmal bei der
Kollegin Beck, die das offenkundig initiiert hat –, um
unter anderem mit den Vertreterinnen und Vertretern des
Menschenrechtsausschusses, aber auch mit dem Vorsit-
zenden des Auswärtigen Ausschusses über die Lage der
Juden in der Ukraine zu sprechen.

Wenn ich als Vertreter der Bundesregierung sage,
dass uns derzeit keine Erkenntnisse über eine Zunahme
des Antisemitismus in der Ukraine vorliegen, speist sich
das aus unmittelbaren Gesprächen mit Vertretern der jü-
dischen Gemeinden in der Ukraine.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802206800

Herr Kollege Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802206900

Auf die Quelle unmittelbarer Gespräche kann auch

ich zurückgreifen. Ich halte Ihnen aber noch einmal vor
– ich möchte ja, dass sich die Bundesregierung bewegt
und etwas tut –, wie Ihr Kollege Günter Verheugen, der
ehemalige EU-Erweiterungskommissar, der ja Ihrer Par-





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)

tei angehört und nicht meiner – ich könnte jetzt sagen:
bedauerlicherweise; aber das ist so –, die Lage beurteilt
– ich zitiere –:

Das Problem liegt eigentlich gar nicht in Moskau
oder bei uns. Das Problem liegt ja in Kiew, wo wir
die erste europäische Regierung des 21. Jahrhun-
derts haben, in der Faschisten sitzen.

Ende des Zitates von Günter Verheugen, Mitglied der
SPD, ehemaliger Erweiterungskommissar.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802207000

Diese Auffassung teilen wir so nicht. Ich will Ihnen

einfach einmal erklären, was wir bislang tun, um jeden
gewaltsamen Akt entschlossen und entschieden aufzu-
klären:

Erstens. Es gibt eine klare Zusage der derzeitigen
ukrainischen Regierung, in der sie ihre Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen be-
kräftigt hat.

Zweitens hat sich eine Kommission in der Ukraine
gegründet unter starkem Einbezug der Zivilgesellschaft,
selbstverständlich auch unter Einbezug der jüdischen
Gemeinden.

Drittens hat der Europarat das sogenannte Internatio-
nal Advisory Panel etabliert, das an der Aufklärung von
Gewalttaten in der Ukraine aktiv beteiligt ist.

Nicht zuletzt war der Untergeneralsekretär für Men-
schenrechte der Vereinten Nationen jüngst in der
Ukraine und hat sich über die Menschenrechtssituation,
auch über die Gefährdung durch Antisemitismus, ein-
schlägig informiert. Wir sehen seinem unmittelbar aus
der Lage vor Ort gewonnenen Bericht mit großer Span-
nung entgegen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802207100

Die Gelegenheit zu einer weiteren Frage hat der Kol-

lege Petzold.


Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802207200

Herr Staatsminister, ich möchte noch einmal nachfra-

gen, welche Rolle denn solche Erkenntnisse spielen
– diese sind ja auch im Internet oder in der Presse deut-
lich nachvollziehbar – wie die, dass führende Repräsen-
tanten der Swoboda-Partei eindeutige Posen zeigen, die
bei uns als verfassungswidrig gelten, und dass Führungs-
personal dieser Partei, dass Parlamentarier dieser Partei
an Veranstaltungen der rechtsextremen NPD in Deutsch-
land teilnehmen und teilgenommen haben. Welche Rolle
spielt das bei Ihrer Meinungsbildung? Das muss doch
die Alarmglocken bei Ihnen schrillen lassen.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802207300

Es gibt ja noch eine schriftlich eingereichte Frage zu

der möglichen Kooperation der NPD mit Swoboda oder
auch mit anderen Organisationen in der Ukraine. Ich will
dem aber durchaus einmal vorgreifen und eines deutlich
sagen: Aus den Erkenntnissen, die der Bundesregierung
zu Swoboda vorliegen, wird deutlich, dass es sich um
eine rechtspopulistische und nationalistische Partei han-
delt, aber um keine faschistische.

Sie haben darüber hinaus nachgefragt, wie die Koope-
rationen der NPD mit Swoboda oder auch mit Prawyj
Sektor – das ist ja eine andere Organisation, die aber de-
zidiert nicht der ukrainischen Regierung angehört – aus-
sehen. Uns liegen derzeit keinerlei Hinweise auf eine
finanzielle Zusammenarbeit vor. Es gibt auch kein klares
Bild. Ich will Ihnen einfach einmal ein paar Beispiele
nennen: Es ist durchaus richtig, dass sich die NPD be-
müht hat, entsprechende Kontakte in die Ukraine zu ver-
tiefen. Dafür spricht nicht zuletzt auch das Interview, das
ein Swoboda-Funktionär im Parteiorgan Deutsche
Stimme gegeben hat. Es gab auch den Besuch einer Swo-
boda-Delegation im Mai 2013 bei der NPD-Landtags-
fraktion in Sachsen. Der Vertreter des sogenannten
Rechten Sektors, des Prawyj Sektor, hat seine Teilnahme
am Europakongress der Jungen Nationaldemokraten im
März dieses Jahres inzwischen zurückgezogen.

Es gibt auch Äußerungen der NPD, die ich Ihnen
nicht vorenthalten möchte. Hier gibt es nämlich teil-
weise eine deutliche Parteiergreifung für die Position
Russlands. So wirft zum Beispiel die NPD in Mecklen-
burg-Vorpommern den USA und der Europäischen
Union in Bezug auf die Ukraine eine antirussische Ag-
gressionspolitik und die Destabilisierung durch Einfluss-
agenten vor. Eine klare Positionierung der NPD kann ich
hier nun beim besten Willen nicht erkennen.

Auf eines können Sie sich aber immer verlassen: Die
Bundesregierung wird immer uneingeschränkt gegen
Antisemitismus und Faschismus vorgehen – egal wo,
weltweit.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802207400

Herr Staatsminister, ich darf Sie im Hinblick auf die

Beantwortung der weiteren Fragen an die Einhaltung der
Redezeit erinnern.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802207500

Danke.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802207600

Der Herr Kollege Grund hat eine Frage.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1802207700

Herr Staatsminister, ich möchte auf die Frage von

Herrn Kollegen Gehrcke zurückkommen und Sie und die
Bundesregierung fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass meh-
rere Mitglieder des Übergangskabinetts in Kiew, so zum
Beispiel Ministerpräsident Jazenjuk, jüdische Wurzeln
haben und dass der vor kurzem ernannte Gouverneur
von Dnipropetrowsk, Kolomojskyj, Vorsitzender des Eu-
ropäischen Rats der Jüdischen Gemeinden, Präsident der
Europäischen Jüdischen Union und Leiter der Vereinten
Jüdischen Gemeinden der Ukraine ist?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802207800

Lieber Herr Kollege Grund, Sie haben völlig recht: Es

gibt eine Reihe von politischen Repräsentanten jüdi-





Staatsminister Michael Roth


(A) (C)



(D)(B)

schen Glaubens; Sie haben einige genannt. Auch der
stellvertretende Premierminister, Herr Hrojsman, ist jü-
dischen Glaubens. Darüber hinaus gibt es – das sind zu-
mindest meine bisherigen Erkenntnisse – drei Gouver-
neure, die ebenso jüdischen Glaubens sind.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802207900

Vielen Dank.

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:

Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die
organisatorische und finanzielle Zusammenarbeit zwischen
der ukrainischen Partei Swoboda und der Kampfgruppe Rech-
ter Sektor mit der deutschen NPD und anderen rechtsextre-
mistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutsch-
land vor?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802208000

Ich hatte diese Frage im Rahmen der Frage Ihres Kol-

legen eben schon weitgehend zu beantworten versucht.
Ich will das noch einmal kurz darstellen und erläutern:
Es ist gefragt worden, ob es eine finanzielle Zusammen-
arbeit zwischen Swoboda oder der sogenannten Kampf-
gruppe Rechter Sektor, Prawyj Sektor, zur NPD gebe.
Ich habe deutlich gemacht, dass es derzeit keinerlei Hin-
weise auf eine finanzielle Zusammenarbeit gibt. Das am-
bivalente Verhältnis zwischen der NPD einerseits und
diesen Gruppierungen andererseits habe ich bereits be-
schrieben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802208100

Kollege Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802208200

Ich finde Ihre Unterscheidung zwischen einer faschis-

tischen Partei sowie einer nationalistischen und
rechtspopulistischen Partei schon interessant. Wenn die
Position der Bundesregierung etwas klarer und ent-
schlossener herüberkäme, würde ich gern mit Ihnen wei-
ter darüber diskutieren.

Ich möchte Ihnen einfach einmal ein paar Wahrneh-
mungen bezüglich der Swoboda-Partei schildern: Die
Denkfabrik, das ideologische Zentrum der Swoboda-
Partei, heißt „Joseph-Goebbels-Forschungszentrum für
Politik“. Ist das faschistisch oder rechtspopulistisch?
Das würde mich schon interessieren.

Viele der Anhänger dieser Partei laufen mit Armbin-
den herum, auf der die sogenannte Wolfsangel zu sehen
ist. Das war das Erkennungszeichen der Waffen-SS in
der Ukraine. Und was Waffen-SS in der Ukraine, gerade
in der Westukraine, bedeutet, ist bekannt.

Ist die Bundesregierung, was Swoboda angeht, we-
nigstens bereit, zu sagen, dass der Übergang von einer
faschistischen zu einer rechtspopulistischen Partei flie-
ßend ist und dass diese Partei eine Gefahr für die ukrai-
nische und europäische Demokratie ist?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802208300

Da mich die Präsidentin an meine Redezeit erinnert

hat, möchte ich Ihnen ausdrücklich das Angebot unter-
breiten, andernorts noch einmal intensiver gemeinsam
darüber zu diskutieren, wo die Unterschiede zwischen
einer rechtsnationalistischen und einer faschistischen
Partei liegen. Dies hat insbesondere etwas mit dem Par-
teiaufbau zu tun.

Ich habe Ihnen deutlich gemacht, wie die Bewertun-
gen der Bundesregierung bezogen auf Swoboda ausse-
hen. Ich finde es schon merkwürdig, dass hier insinuiert
werden könnte, wir würden faschistisches, antisemiti-
sches Gedankengut in irgendeiner Weise decken. Dies ist
mitnichten der Fall.

Ich will noch einmal eines deutlich unterstreichen:
Der weitaus größte Teil der Protestbewegung in der
Ukraine und auch deren Unterstützer haben mit Rechts-
nationalismus oder -populismus, mit Faschismus, mit
Antisemitismus überhaupt nichts am Hut. Insofern
möchte ich hier gerne eine Trennung vornehmen: Das
eine sind Entwicklungen, die auf unseren deutlichen Wi-
derstand stoßen. Wir werden das auch im Rahmen unse-
rer Möglichkeiten zum Thema machen und bekämpfen.
Das andere ist, dass nicht der Eindruck entstehen sollte,
dass die Protestbewegung auf dem Maidan in erster Li-
nie von Faschisten und Antisemiten unterwandert
wurde.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802208400

Herr Kollege Gehrcke.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802208500

Das ist überhaupt nicht mein Eindruck. Ganz im Ge-

genteil: Ich möchte Trennschärfe und Klarheit haben.

Ich stelle Ihnen einmal die Regierungsbeteiligung der
Swoboda-Partei dar: Sie stellt vier Minister: den stellver-
tretenden Premierminister, den Verteidigungsminister
– hier geht es um Waffen –, den Minister für Agrarpoli-
tik und Ernährung sowie den Minister für Umwelt und
Bodenschätze. Der Rechte Sektor stellt den Vorsitzenden
des Nationalen Sicherheitsrates, den Vizechef des Natio-
nalen Sicherheitsrates sowie den Generalstaatsanwalt.
Finden Sie es angemessen, gerade vor dem Hintergrund
Ihrer Analyse, dass diese Rechtspartei – ich finde, fa-
schistische Partei – einer Regierung so stark angehört?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802208600

Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer mög-

lichst – ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich
schon einmal gesagt habe – inklusiven ukrainischen Re-
gierung, die alle der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
verpflichteten Teile der ukrainischen Gesellschaft ange-
messen einbezieht. Dieser Linie bleiben wir treu.

Alle anderen Aspekte zur Situation und Bewertung
von Swoboda habe ich Ihnen deutlich geschildert. Da
scheint es zwischen Ihrer Bewertung und der Bewertung
der Bundesregierung einen Dissens zu geben. Sie kön-
nen sich aber darauf verlassen, dass wir in dieser Frage
sehr wachsam sein werden. Sollte es irgendeinen Anlass
geben, der Ihre Unterstellungen erhärten sollte, dann
wird es darauf eine klare Antwort der Europäischen
Union, aber auch der Bundesregierung geben.






(A) (C)



(D)(B)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802208700

Frau Kollegin Vogler.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802208800

Herr Staatsminister, die Bundesregierung legt offen-

sichtlich großen Wert auf die Unterscheidung zwischen
rechtspopulistischen und faschistischen Kräften. Ich finde
es gut, wenn man dies sauber trennt. Deswegen würde
mich interessieren, worin aus Sicht der Bundesregierung
der Unterschied besteht zwischen der FPÖ eines Jörg
Haider in Österreich, die von allen hier im Hause vertre-
tenen Parteien ausgesprochen kritisch gesehen wurde
und mit deren Funktionären man eine Zusammenarbeit
aus gutem Grund gemieden hat, und der Swoboda, die,
wie der Kollege sagte, vier Minister, darunter den Vertei-
digungsminister, stellt, und warum Sie, wenn Sie eine
möglichst inklusive Regierung aller an Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit orientierten Kräfte wollen, eine Par-
tei einbezogen sehen wollen, die ein Joseph-Goebbels-
Forschungszentrum unterhält?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802208900

Ich finde es erst einmal interessant, dass Sie ein Mit-

gliedsland der Europäischen Union, nämlich Österreich,
offenkundig mit der Ukraine gleichzusetzen versuchen.

Im Übrigen habe ich Ihnen deutlich klarzumachen
versucht, dass die Bundesregierung eine andere Defini-
tion von Faschismus und von einer faschistischen Partei
vornimmt als Sie. Daraus dürfen Sie aber nicht schlie-
ßen, dass die Bundesregierung nicht mit aller Entschlos-
senheit und Entschiedenheit gegen Faschismus und An-
tisemitismus in der Ukraine und weltweit vorgeht und
dagegen entschieden eintritt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802209000

Herr Kollege Hunko.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802209100

Vielen Dank. – Herr Kollege Roth, Sie haben hier

Ihre Linie damit begründet, dass Sie Swoboda als
rechtspopulistisch und nicht als faschistisch einschät-
zen. Nun hat der Cheftheoretiker von Swoboda,
Mychaltschyschyn, persönlich das Kleine ABC des
Nationalsozialisten von Goebbels, das 25-Punkte-Pro-
gramm der NSDAP oder den Aufsatz Warum SA von
Ernst Röhm ins Ukrainische übersetzt und das mit der
Aktualität dieser Schriften begründet. Wenn Sie meine
Aussagen bestätigt sehen würden, würden Sie dann im-
mer noch davon ausgehen, dass es sich dabei um
Rechtspopulisten handelt, oder würden Sie dann nicht zu
der Einschätzung kommen, dass es sich doch um Fa-
schisten handelt?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802209200

Meine Antworten speisen sich aus den Informationen,

die mir derzeit vorliegen. Auf Grundlage dieser Informa-
tionen formuliere ich die Antworten, die ich Ihnen und
im Übrigen allen anderen Kolleginnen und Kollegen des
Deutschen Bundestages gebe.

Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802209300

Herr Kollege Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1802209400

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Einschätzung,

dass die Bürgerbewegung in der Ukraine, die Protestbe-
wegung gegen das Anketten an Russland im russischen
Fernsehen und von den dortigen Nachrichtenagenturen
sehr stark – eigentlich fast ausschließlich – unter dem
Stichwort „Faschismus“ und in Bezug auf eine mögliche
faschistische Machtübernahme dargestellt wird und
diese Bürgerbewegung dadurch diskreditiert wird? Tei-
len Sie meine Einschätzung, dass früher die Sowjetunion
und heute Russland diesen Vorwurf sehr gerne nutzte
bzw. nutzt, wenn es um eigene Interessen ging bzw. geht,
etwa im Zusammenhang mit dem Bürger- und Arbeiter-
aufstand in der DDR am 17. Juni 1953, der von der so-
wjetischen Propaganda ebenso als faschistisch gesteuert
bezeichnet wurde, um das Eingreifen zu rechtfertigen?
Liegt das jetzige Verhalten möglicherweise auf einer sol-
chen Linie, die es schon in der Vergangenheit gab?


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1802209500

Herr Kollege Grund, die Bundesregierung – auch ich

persönlich – tut sich mit Gleichsetzungen mit Gescheh-
nissen der Vergangenheit immer schwer. Aber ich kann
Ihnen nur darin zustimmen, dass sowohl beim Aufstand
von 1953 als auch bei den Aufständen von 1956 in Un-
garn und 1968 in der Tschechoslowakei, in Prag, immer
von faschistischen Aufständen gesprochen wurde. Das
heißt aber nicht, dass ich jetzt eine Parallele zu der Pro-
paganda ziehen möchte, die offenkundig in Russland be-
trieben wird.

Ich will eines klarstellen: Nichts wiegt für die Bun-
desregierung schwerer als der Vorwurf des Antisemitis-
mus. Deshalb sind wir mit den Vertreterinnen und Ver-
tretern der jüdischen Gemeinden, aber auch mit den
Vertretern der Zivilgesellschaft sehr eng und intensiv im
Gespräch. Wenn uns die Vertreter der jüdischen Gemein-
den beispielsweise erklären, dass es aus ihrer Sicht zu
keinem Anstieg des Antisemitismus in der Ukraine ge-
kommen ist, dann liegt es mir fern, dem öffentlich oder
auch nichtöffentlich zu widersprechen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802209600

Vielen Dank. – Frage 10 der Kollegin Dağdelen wird

schriftlich beantwortet.

Damit kommen wir zum Ende dieses Geschäftsbe-
reichs. Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern auf.

Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Dr. Günter Krings zur Verfügung.

Frage 11 der Kollegin Dağdelen wird schriftlich be-
antwortet.

Ich komme zur Frage 12 der Kollegin Wawzyniak. –
Ich sehe die Kollegin nicht. Es wird verfahren, wie in der
Geschäftsordnung vorgesehen.





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Frage 13 des Kollegen Ströbele und die Fragen 14
und 15 der Kollegin Jelpke werden schriftlich beantwor-
tet.

Dann kommen wir zur Frage 16 der Abgeordneten
Luise Amtsberg:

Welche Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen zieht die
Bundesregierung hinsichtlich der Situation von Flüchtlingen
mit Behinderungen in Deutschland, insbesondere im Hinblick
auf ihre Unterbringung und den Zugang zu Rehabilitations-
maßnahmen, und sollten der Bundesregierung hierzu keine
Daten vorliegen, plant sie, einen entsprechenden Forschungs-
auftrag zu vergeben?

D
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1802209700


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Auf die Kollegin
Amtsberg ist Verlass; vielen Dank.

Bei Flüchtlingen handelt es sich um Personen, denen
internationaler Schutz zuerkannt wurde. Ihnen sind nach
Art. 29 und Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU Sozialhil-
feleistungen und medizinische Versorgung wie eigenen
Staatsangehörigen zu gewähren.

Eine Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen, in
Unterkünften für Asylbewerber etwa, findet daher nicht
statt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802209800

Haben Sie eine Nachfrage, Kollegin Amtsberg? – Das

ist nicht der Fall. Danke.

Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Britta Haßelmann
werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende
dieses Geschäftsbereichs.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Zur
Beantwortung der Fragen 19 bis 21 steht der Parlamenta-
rische Staatssekretär Christian Lange und für die
Frage 22 der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich
Kelber zur Verfügung.

Die Frage 19 der Kollegin Ulle Schauws wird schrift-
lich beantwortet.

Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Martina
Renner auf:

Sind durch das Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz sowie das Bundesministerium des Innern in-
zwischen Entwürfe für die Änderungen der Richtlinien für das
Strafverfahren und das Bußgeldverfahren und der einschlägi-
gen polizeilichen Dienstvorschriften fertiggestellt worden,
wie sie der Abschlussbericht des 2. Parlamentarischen Unter-
suchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund,
NSU, vorgesehen hat, in dem die gemeinsame Empfehlung
der Obleute als Erstes die nachfolgende für den Bereich Poli-
zei fordert: „In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die we-
gen der Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig
politisch motivierten Hintergrund haben könnten, muss dieser
eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle
nachvollziehbar dokumentiert werden, wenn sich nicht aus
Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein
hinreichend konkreter Tatverdacht in eine andere Richtung er-
gibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die
Tat muss von der Polizei beziehungsweise der Staatsanwalt-
schaft verpflichtend aufgenommen und angemessen berück-
sichtigt werden. Es sollte beispielsweise auch immer geprüft
werden, ob es sinnvoll ist, den polizeilichen Staatsschutz zu
beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden
anzufragen. Dies sollte in die Richtlinien für das Straf- und
das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägigen
polizeilichen Dienstvorschriften aufgenommen werden.“

(Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 861)?


Bitte schön.

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1802209900


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Empfehlung
Nr. 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deut-
schen Bundestages betrifft Richtlinien und Dienstvor-
schriften bei Justiz und Polizei, also Bereichen, die über-
wiegend der Organisationshoheit der Länder obliegen.
Der Abschlussbericht des 2. Untersuchungsausschusses
der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages war
deshalb auch Gegenstand unter anderem der Erörterun-
gen der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Jus-
tizminister am 14. November 2013 in Berlin.

Die Justizministerinnen und Justizminister haben ih-
ren Strafrechtsausschuss beauftragt, unter Beteiligung
des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher-
schutz den aus dem Abschlussbericht folgenden gesetz-
geberischen und sonstigen Handlungsbedarf, zum Bei-
spiel durch eine Änderung der Richtlinien für das
Strafverfahren und für das Bußgeldverfahren, RiStBV,
zu prüfen und der Konferenz über das Ergebnis zu be-
richten.

In Ausführung dieses Auftrags hat der Strafrechtsaus-
schuss der Justizministerkonferenz eine Arbeitsgruppe
eingerichtet, der Vertreterinnen und Vertreter der Lan-
desjustizverwaltungen sowie des Bundesministeriums
der Justiz und für Verbraucherschutz angehören. Die
konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe fand am
30. Januar dieses Jahres in Düsseldorf statt.

In der Auftaktsitzung der Arbeitsgruppe wurden die
Vorschläge zunächst einer ersten Bewertung unterzogen
und zu Themengebieten zusammengefasst. Anschlie-
ßend wurden die Zuständigkeiten für ihre Aufarbeitung
unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe aufgeteilt, um
zeitnah eine aus fachlicher Sicht umfassende Analyse
der Vorschläge nebst etwaigen Umsetzungsüberlegun-
gen vorlegen zu können, die in einer zweitägigen Sit-
zung der Arbeitsgruppe am 26. und 27. März 2014 erör-
tert werden sollen. Geplant ist, das Ergebnis und etwaige
Umsetzungsüberlegungen in einem Bericht an den Straf-
rechtsausschuss sowie des Weiteren an die Früh-
jahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminis-
ter vorzulegen, die im Juni 2014 tagen wird.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802210000

Frau Kollegin Renner.


Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802210100

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich

würde gerne wissen, in welche Richtung jetzt weiter ver-
fahren wird. Gibt es schon erste Textentwürfe zur Ände-
rung der Richtlinie für das Strafverfahren? Können Sie
uns Eckpunkte benennen oder gegebenenfalls nachrei-
chen? Gibt es einen Konsens unter den Justizministern





Martina Renner


(A) (C)



(D)(B)

und -ministerinnen, dass an diesem Punkt den Empfeh-
lungen des Untersuchungsausschusses Folge geleistet
wird, oder gibt es auch Gegenargumente, die in dieser
Kommission gegebenenfalls vorgetragen wurden? Wenn
ja, welche sind das?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1802210200


Frau Kollegin Renner, inhaltlich deckt sich Ihre
Nachfrage mit der von Ihnen eingereichten Frage 21, in
der Sie wissen wollten, wann entsprechende Entwürfe
für die Änderungen der RiStBV vorliegen und wie sich
die Justizministerkonferenz dazu verhält. – Wenn Sie ge-
statten, Frau Präsidentin, dann würde ich die Frage gerne
entsprechend beantworten.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802210300

Dann rufe ich die Frage 21 der Abgeordneten Martina

Renner auf:
Wann sollen die Entwürfe für die Änderungen der RiStBV

und der einschlägigen polizeilichen Dienstvorschriften der In-
nenministerkonferenz und der Justizministerkonferenz zur
Verabschiedung vorgelegt werden?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1802210400


Über die Ergebnisse und den Fortgang des in der Ant-
wort zu Ihrer vorangegangenen Frage skizzierten Prüf-
und Analyseprozesses wird den Fachkonferenzen, der
JuMiKo und der Innenministerkonferenz, im Frühjahr
2014 berichtet werden. Diesen Fachkonferenzen und den
in ihnen vertretenen Justiz- und Innenressorts der Länder
obliegt die Entscheidung, ob bzw. in welcher Weise
Empfehlungen zur Ergänzung oder Änderungen der
Richtlinien und Dienstanweisungen aufgegriffen wer-
den.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802210500

Frau Kollegin Renner, da die beiden Fragen zusam-

mengezogen wurden, haben Sie die Möglichkeit, noch
drei Nachfragen zu stellen.


Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802210600

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ist damit zu rechnen,

dass noch in diesem Jahr eine Verabschiedung erfolgen
wird? Sie haben darauf verwiesen, wann die nächsten
Beratungen anstehen. Ich würde aber gerne wissen, ob
die Änderung der Vorschrift tatsächlich zum Jahresende
kommen wird?

C
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1802210700


Ich kann mich nur wiederholen, liebe Frau Kollegin
Renner: Die Entscheidung, ob bzw. in welcher Weise die
Länder das umzusetzen gedenken, obliegt ihnen und
nicht der Bundesregierung.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802210800

Möchten Sie eine weitere Nachfrage stellen?

Martina Renner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802210900

Nein, danke.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802211000

Danke. – Ich sehe auch keine anderen Fragen. Ich be-

danke mich beim Herrn Parlamentarischen Staatssekre-
tär. Die Frage 22 des Abgeordneten Herbert Behrens
wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende
des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Jus-
tiz und für Verbraucherschutz.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Finanzen auf. Die Frage 23 der Abgeordneten
Dr. Franziska Brantner, die Fragen 24 und 25 des Abge-
ordneten Dr. Axel Troost, die Frage 26 des Abgeordne-
ten Hans-Christian Ströbele, die Frage 27 der Abgeord-
neten Lisa Paus und die Fragen 28 und 29 der
Abgeordneten Susanna Karawanskij werden alle schrift-
lich beantwortet. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich
beendet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales auf. Die Beantwortung der
Fragen übernimmt die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Gabriele Lösekrug-Möller.

Die Frage 30 der Abgeordneten Tabea Rößner wird
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Luise Amtsberg
auf:

Auf welche Weise bzw. an welchen Orten können sich
nach Kenntnis der Bundesregierung Flüchtlinge mit Behinde-
rungen bzw. behinderte Menschen, die schlecht oder nicht
deutsch sprechen, über sozialrechtliche Unterstützungsleis-
tungen für Menschen mit Behinderungen informieren, und
sollte die Bundesregierung hierzu keine Kenntnis haben, plant
sie, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu vergeben?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802211100


Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Amtsberg, Ihre
Frage beantworte ich gerne wie folgt: Flüchtlinge mit
Behinderung sowie behinderte Personen mit Migrations-
hintergrund, deren Kenntnisse der deutschen Sprache
nicht ausreichend sind, um sich zumindest auf einfache
Art in deutscher Sprache zu verständigen, können sich
über die ihnen zustehenden Sozialleistungen und über
die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für eine Be-
rechtigung zur Teilnahme an Integrationskursen grund-
sätzlich bei jedem Sozialleistungsträger informieren.
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Asylbewerber-
leistungsgesetzes, zum Beispiel bei Flüchtlingen, denen
internationaler Schutz zuerkannt worden ist, oder bei
Ausländern mit gesichertem Aufenthaltsstatus, besteht
für die Sozialleistungsträger eine Pflicht zur Beratung
und Auskunft. Am besten wendet sich ein Flüchtling
oder Ausländer, bei dem eine Behinderung vorliegt, an
das für ihn örtlich zuständige Integrationsamt, das auch
bei der Stellung eines Antrags auf Ausstellung eines
Schwerbehindertenausweises helfen kann. Angesichts
der gebotenen Kürze der Antwort verzichte ich auf die
Nennung der jeweiligen Rechtsgrundlage.





Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)

Daneben können auch in den gemeinsamen Service-
stellen der Rehaträger Auskünfte über die Zielsetzung,
Zweckmäßigkeit und die Erfolgsaussicht hinsichtlich der
Gewährung möglicher Leistungen zur Teilhabe einge-
holt werden. Es wird der individuelle Hilfebedarf ermit-
telt und geklärt, welche Rehabilitationsträger für die
Leistung zuständig sind. Sind Leistungen verschiedener
Rehaträger angezeigt, koordiniert die Rehaservicestelle
die Zusammenarbeit dieser Träger.

Behinderte Asylbewerberinnen und Asylbewerber,
die in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleis-
tungsgesetzes fallen und Grundleistungen nach den
§§ 3 ff. Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, können
sich hinsichtlich der für sie in Betracht kommenden Un-
terstützungsleistungen an den zuständigen Leistungsträ-
ger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wenden. Die
Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern fällt
in den Zuständigkeitsbereich der Länder.

Da Sie gefragt haben, ob ein Forschungsauftrag zu
der Problematik geplant ist, will ich Ihnen antworten:
Nein, das ist nicht geplant.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802211200

Frau Kollegin Amtsberg.


Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802211300

Ich möchte noch einmal nachfragen. Es ist ja so, dass

Flüchtlinge, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz
fallen, in den ersten 48 Monaten nur bei akuten Schmer-
zen eine medizinische Versorgung bekommen. Das gilt
auch für Rehamaßnahmen. Die Frage ist, ob es mit der
Behindertenrechtskonvention vereinbar ist, wenn in vie-
len Fällen Anträgen auf eine Brille, einen Rollator oder
einen Rollstuhl nicht stattgegeben wird. Deshalb noch
einmal die Frage: Gibt es möglicherweise Maßnahmen,
die ergriffen werden müssen, um diese Menschen zu un-
terstützen?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802211400


Ich antworte gerne darauf. Ich beziehe mich auf die
Antwort, die ich Ihnen gerade gegeben habe. In meiner
Antwort habe ich den Unterschied herausgearbeitet: Be-
hinderte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in
den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsge-
setzes fallen, fallen hinsichtlich Versorgung und Unter-
bringung in die Zuständigkeit der Länder. Das ist der
Punkt, den ich hier herausarbeiten möchte. Deshalb be-
zieht sich Ihre Frage in erster Linie auf die Regelungen
der Länder. Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft ge-
ben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802211500

Kollegin Amtsberg?


Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802211600

Ja. – Das ist ja alles richtig. Der Punkt ist nur, dass

wir auf Bundesebene zumindest die Aufgabe haben, zu
schauen, wie die Länder mit einer solchen Situation um-
gehen. Deshalb habe ich auch danach gefragt, ob nicht
eine Evaluation der Situation vor Ort angemessen wäre.

Was mich noch interessiert, ist Folgendes: Entstehen
für die betroffenen Personen Kosten, bzw. kann es sein,
dass an irgendeiner Stelle Kosten entstehen? Ist das ei-
gentlich eine proaktive Geschichte? Wann erfährt ein
Betroffener, der eine Behinderung hat, davon, dass er die
Rechte, die Sie vorgetragen haben, tatsächlich hat?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802211700


Ich antworte gerne auf Ihre Frage. – Ich will Ihnen sa-
gen: An genau dieser Stelle kommt es darauf an, wel-
chen Personenkreis Sie mit Ihrer Frage meinen. Ich
möchte sie nicht interpretieren. Ich habe aber die Vermu-
tung, dass Sie jene Asylbewerberinnen und Asylbewer-
ber meinen, die Leistungen nach §§ 3 ff. Asylbewerber-
leistungsgesetz erhalten. Daher muss ich meine
Antwort leider wiederholen: Das ist in der Tat Sache
der Bundesländer. Selbstverständlich sind wir in vielen
Angelegenheiten mit den Bundesländern im Gespräch.
Aber natürlich ersetzt das nicht die Verschiebung von
Zuständigkeiten. Hier sind die Bundesländer gefragt. Ich
denke, in den jeweiligen Bundesländern gibt es entspre-
chende Regelungen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802211800

Gelegenheit zu einer Nachfrage hat jetzt die Kollegin

Rüffer.


Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802211900

Es ist ja richtig, dass die Zuständigkeit für diesen Be-

reich bei den Ländern liegt. Aber die Zuständigkeit für
die Gesetzgebung liegt beim Bund. Insofern könnte man
natürlich darüber nachdenken, welche Änderungen ge-
boten wären bzw. ob sogar ein Wegfall des Asylbewer-
berleistungsgesetzes geboten wäre, um bestehenden
Härten, die es in der Bundesrepublik jeden Tag gibt, ent-
gegenzutreten, medizinische Leistungen auch Men-
schen, die einen Flüchtlingsstatus haben oder als Asyl-
bewerber in Deutschland sind, ihn also noch nicht haben,
zu ermöglichen und ihnen Hilfsmittel wie Rollatoren,
Rollstühle usw. zur Verfügung zu stellen. Es ist eine
ganz problematische Situation, dass das derzeit nicht ge-
schieht.

Die Beratung – gleich komme ich zu meiner Frage –
ist gerade für Flüchtlinge mit Behinderung unglaublich
wichtig. Diese Flüchtlinge haben es sehr schwer, die nö-
tigen Informationen zu bekommen und damit Kenntnis
darüber zu erlangen, welche Hilfemöglichkeiten in der
Bundesrepublik, die für sie naturgemäß fremd ist, zur
Verfügung stehen.

Ich habe vor kurzem ein Gespräch mit Vertretern ei-
ner Initiative in Berlin geführt, die sich auf genau diese
Fälle spezialisiert hat, nämlich auf Asylbewerber,
Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund
mit Behinderung. Ihr Problem besteht darin, dass ihre Fi-
nanzierung überhaupt nicht gesichert ist. Diese Initiative
arbeitet also, ohne zu wissen, ob sie nächstes Jahr noch
wird beraten können. Meine Frage an die Bundesregie-





Corinna Rüffer


(A) (C)



(D)(B)

rung lautet: Planen Sie, Mittel zur Verfügung zu stellen,
damit diese wichtige Beratungstätigkeit in Zukunft stabil
ausgeübt werden kann?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802212000


Frau Kollegin Rüffer, Sie sprechen damit unter ande-
rem einen Personenkreis an, den ich anfangs abgegrenzt
habe, nämlich Flüchtlinge, denen internationaler Schutz
zuerkannt wurde, und Ausländer mit gesichertem Auf-
enthaltsstatus. Für diesen Personenkreis gelten andere
Regelungen als für jene Menschen, die Leistungen nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch nehmen.

Ich will Ihnen sagen – ich glaube, wir sind da einer
Meinung –: Personen mit Behinderung, die noch dazu
Flüchtlinge oder Asylbewerber sind, finden auch in
Deutschland erschwerte Bedingungen vor; diese Ein-
schätzung teilt die Bundesregierung mit Ihnen und dem
Parlament. Deshalb gibt es die Regelung, dass immer
dann, wenn der Schutz gewährt und der Status anerkannt
ist, sehr weit reichende Möglichkeiten bestehen, nicht
nur zur Beratung – diese muss schon nach den §§ 14 und 15
Erstes Buch Sozialgesetzbuch verpflichtend erfolgen –,
sondern auch im Hinblick auf entsprechende Leistungen.
Davon abzugrenzen – ich wiederhole meinen Vortrag –
sind jene Menschen, deren Status ein anderer ist. Für sie
gelten andere Regelungen.

Sie haben außerdem nach der finanziellen Absiche-
rung der Beratungsmöglichkeiten gefragt. Was die erste
Zielgruppe, die ich gerade erwähnt habe, betrifft, ist es
so, dass alle Einrichtungen, die es in Deutschland gibt,
die Pflicht zur Beratung haben. Erfolgt die Beratung
durch weitere Einrichtungen – vielleicht können Sie das
ja schriftlich konkretisieren –, müsste man prüfen, wie
ihre Situation, ihre finanzielle Lage und die entspre-
chende Förderung ist und ob man ihnen zukünftig helfen
kann. Da ich aber jetzt keine Einrichtung von Ihnen be-
nannt bekommen habe, kann ich dazu leider keine Aus-
kunft geben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802212100

Ehe ich jetzt der Kollegin Klein-Schmeink das Wort

erteile, bitte ich noch mal alle Fragestellerinnen und Fra-
gesteller und alle Antwortenden, die vereinbarte Rede-
zeit zu beachten. Wir haben zu Ihrer Hilfe Lichtzeichen
an verschiedenen Stellen eingeführt. Ich mache noch
einmal darauf aufmerksam: Solange es grün ist, dürfen
Sie reden. Wenn es gelb ist, müssen Sie zum Schluss
kommen. Aber Rot bedeutet eindeutig: Ende der Rede-
zeit.

Frau Klein-Schmeink.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte gern an die Frage anknüpfen. Es gibt ge-
rade bei den Menschen mit anerkanntem Aufenthaltssta-
tus sehr viele Menschen mit seelischer Behinderung,
auch aufgrund von Traumaerfahrungen in ihrem Her-
kunftsland oder aufgrund von Foltererfahrungen. Ich
habe dazu in der letzten Wahlperiode eine Kleine An-
frage gestellt. Damals wurde deutlich, dass die Bundes-
regierung, was die Versorgung dieser Personengruppe
angeht, über keinerlei Zahlen verfügte, vor allen Dingen
auch nicht darüber, ob ihnen Möglichkeiten der mutter-
sprachlichen Beratung und natürlich auch der Therapie
zur Verfügung standen. Daraus habe ich abgeleitet, dass
man dringend eine Untersuchung einleiten sollte, um zu
schauen, wo es Handlungsbedarf gibt, um dann eine
konkrete Grundlage zu haben. Würden Sie diese Sicht
der Dinge teilen, und was gedenken Sie dann zu tun?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802212200


Ich ermuntere Sie ausdrücklich, möglicherweise noch
einmal in dieser Hinsicht zu fragen. Wir sind uns einig,
dass gerade der Personenkreis mit zum Beispiel Post-
traumatischen Belastungsstörungen ein Personenkreis
ist, der ganz besonderer Hilfe bedarf; das gilt nicht nur
für den Personenkreis mit dem Status, den Sie gerade an-
gesprochen haben, sondern grundsätzlich. In den letzten
Jahren hat sich nicht nur bei der Diagnose, sondern ins-
besondere bei der Therapie viel getan. Wir wissen, dass
wir nicht nur für den hier angesprochenen Personen-
kreis, sondern grundsätzlich noch viel tun müssen, um
insgesamt zu einer adäquaten Leistung zu kommen. Da-
von profitiert dann auch der von Ihnen genannte Perso-
nenkreis. Ich bin mir sicher, dass wir genau diese Frage-
stellung erörtern werden. Letzten Endes wird die
Leistung aber auch im Zusammenhang mit einer Kran-
kenversicherung noch einmal zu erörtern sein.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802212300

Vielen Dank.

Die Fragen 32 und 33 des Kollegen Peter Meiwald
werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe jetzt die Frage 34 der Abgeordneten Doris
Wagner auf:

Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, gegebe-
nenfalls in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, um für
Eltern mit Behinderungen einen Rechtsanspruch auf Unter-
stützung bei der Wahrnehmung ihrer Elternrolle zu schaffen,
sofern sie zum Ausgleich ihrer Behinderung darauf angewie-
sen sind (sogenannte Elternassistenz)?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802212400


Vielen Dank; ich beantworte diese Frage gerne.

Frau Präsidentin, ich versuche wirklich, das in der ge-
botenen Kürze zu tun, und hoffe, dass dann trotzdem die
Tiefe nichts zu wünschen übrig lässt.

Meine Antwort auf Ihre Frage, Frau Kollegin Wagner,
lautet wie folgt: Nach dem Neunten Buch Sozialgesetz-
buch ist bei der Entscheidung über Leistungen und bei
der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe den beson-
deren Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der
Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonde-
ren Bedürfnissen behinderter Kinder Rechnung zu tra-
gen.

Die Bundesregierung schließt sich dem Ergebnis der
eigens für diese Frage „Rechtsanspruch auf Elternassis-





Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)

tenz: Mütter und Väter mit Behinderungen bei der
Erfüllung ihres Erziehungsauftrages unterstützen“ ein-
gerichteten Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialminis-
terkonferenz an. Diese ist zu dem Ergebnis gelangt, dass
nach dem bestehenden Recht alle Bedarfe von Eltern mit
Behinderung durch vorrangige Leistungsgesetze wie ins-
besondere gesetzliche Krankenversicherung und gesetz-
liche Pflegeversicherung sowie durch das Achte und das
Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch gedeckt werden können.
Unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer kon-
kreten Bedarfsdeckung durch die jeweiligen Leistungs-
gesetze im Einzelfall wird die Unterstützung von Eltern
mit Behinderungen ein wichtiger Diskussionspunkt bei
den Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabe-
gesetzes sein.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802212500

Frau Kollegin Wagner.


Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802212600

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank für Ihre

Antwort, Frau Staatssekretärin. Leider ist es allerdings
so, dass es immer wieder zu gerichtlichen Auseinander-
setzungen über die Gewährung von Elternassistenz
kommt, obwohl es doch eigentlich unerheblich ist, dass
die Leistungen der Elternassistenz bei den Eingliede-
rungsleistungen nicht ausdrücklich genannt sind, da
diese Auflistung beispielhaft ist. Welche Möglichkeit
sieht die Bundesregierung, dies zu verhindern, um be-
hinderten Eltern einen unkomplizierten Weg zu den not-
wendigen Unterstützungsmöglichkeiten zu garantieren?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802212700


Ich beantworte Ihnen die Frage gerne. Wir leben in ei-
nem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung. Jeder Antragstel-
ler hat das Recht, sein Recht auch auf dem Klagewege
noch einmal prüfen und entscheiden zu lassen; das steht
außer Frage. Gleichwohl habe ich darauf hingewiesen,
dass wir diesen Themenkomplex auch aufgreifen wer-
den, und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass wir bei den
Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabegeset-
zes eben auch genau diese Fragen erörtern; ich trug das
eben vor. Ich denke, auch da werden wir uns solchen
Fragestellungen vertieft widmen. Ob das allerdings aus-
schließt, dass es auch späterhin – wenn denn ein solches
Gesetz in Kraft getreten ist – zu Klagen kommt, vermag
ich nicht zu sagen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802212800

Vielen Dank. – Die Gelegenheit zu einer weiteren

Frage hat der Kollege Kurth.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802212900

Gerade die Zersplitterung des Leistungsrechts für

Menschen mit Behinderungen und die Verteilung der
verschiedenen Ansprüche über verschiedene Sozialge-
setzbücher, verbunden mit dem Unwillen der Leistungs-
träger, zu leisten, und dem Willen, sich stets für unzu-
ständig zu erklären, führen dazu, dass gerade Menschen
mit Behinderungen nicht nur hier, aber gerade auch hier,
häufig den Klageweg beschreiten müssen.

Hält die Bundesregierung das wirklich für zumutbar?
Wäre es, wenn man das erkannt hat und seit weit mehr
als zehn Jahren sieht, dass sich das eher verschlechtert
als verbessert, nicht sinnvoller, die verteilten Ansprüche
– zum Beispiel beim Recht auf Elternassistenz – zu bün-
deln, eindeutig, rechtssicher und klar zusammenzufassen
und einem einzelnen Leistungsträger verpflichtend zuzu-
ordnen, damit die Leistungsberechtigten nicht quasi rou-
tinemäßig auf den Klageweg verwiesen werden?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802213000


Herr Kollege Kurth, über den Unwillen der Leis-
tungsträger möchte sich die Bundesregierung an dieser
Stelle nicht äußern. Ihnen steht es zu, das so zu bewer-
ten.

Wir sind der Auffassung, dass es in der Tat sehr viele
Schnittstellen gibt, und halten das als Bundesregierung
für nicht zielführend. Genau deshalb planen wir, uns
diese Schnittstellen im Rahmen der Gestaltung eines
Bundesteilhabegesetzes noch einmal anzuschauen, um
im Ergebnis etwas zu erzielen, was, wie ich denke, einer
Zersplitterung, wie Sie das genannt haben, deutlich ent-
gegenwirkt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802213100

Vielen Dank. – Ich rufe die Frage 35 der Abgeordne-

ten Wagner auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den

Ergebnissen der Studie „Strukturelle und finanzielle Hinder-
nisse bei der Umsetzung der interdisziplinären Frühförde-
rung“ durch das Institut für Sozialforschung und Gesell-
schaftspolitik, um eine bundeseinheitliche Umsetzung der
Komplexleistung „Frühförderung“ zu gewährleisten und
Schnittstellenprobleme abzubauen, und wann wird die Bun-
desregierung tätig werden?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802213200


Frau Kollegin Wagner, Ihre Frage beantworte ich
wie folgt: Laut der Studie „Strukturelle und finanzielle
Hindernisse bei der Umsetzung der interdisziplinären
Frühförderung“ sind die Eltern unabhängig von der
Versorgungsstruktur mit dem Leistungsgeschehen der
Frühförderung überwiegend sehr zufrieden. Die Eltern
beurteilen die Leistungen, die sie und ihr Kind durch die
Frühförderung erhalten, zu 97 Prozent positiv. Hinweise
auf Versorgungslücken oder unterversorgte Kinder lie-
fert diese Studie nicht.

Richtig ist allerdings, wie in der Studie auch ausge-
führt, dass die Vereinbarung einer gemeinsamen Emp-
fehlung gemäß § 13 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch auf
der Grundlage einer freiwilligen Verpflichtung wegen
der Widerstände der beteiligten Leistungsträger nicht er-
reicht werden konnte. Die Leistungsträger stützen sich
dabei im Wesentlichen auf die unterschiedlich gewach-
senen Strukturen und verweisen auf die nur mit erhebli-
cher Mühe geschlossenen Landesrahmenvereinbarun-
gen, welche die Probleme im Hinblick auf die wichtigen





Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)

Abstimmungen und Regelungsbedarfe in den Ländern
weitestgehend gelöst hätten.

Im Kontext der Vorbereitung eines Bundesteilhabege-
setzes wird die Bundesregierung dieses Thema in ihre
Überlegungen einbeziehen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802213300

Frau Kollegin Wagner?


Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802213400

Vielen Dank.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802213500

Keine weiteren Fragen.

Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Beate Müller-
Gemmeke auf:

Ist es aus Sicht der Bundesregierung geboten, die Arbeits-
stättenverordnung dergestalt zu überarbeiten, dass Betriebe
generell verpflichtet werden, Arbeitsstätten barrierefrei zu ge-
stalten und die Integrationsämter zur Übernahme der Kosten
in vollem Umfang zu verpflichten?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802213600


Vielen Dank. – Sehr geehrte, liebe Kollegin Müller-
Gemmeke, die Bundesregierung sieht derzeit keine Not-
wendigkeit, die Arbeitsstättenverordnung dahin gehend
zu ändern, dass eine Verpflichtung für den Arbeitgeber
zur generellen barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstät-
ten eingeführt wird.

Die Bundesregierung hat mit § 3 a Abs. 2 Arbeitsstät-
tenverordnung geregelt, dass Arbeitgeber, die Menschen
mit Behinderungen beschäftigen, Arbeitsstätten so ein-
zurichten und zu betreiben haben, dass die besonderen
Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit
und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Eine all-
gemeine, von jedem individuellen Bezug losgelöste
Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung barrie-
refreier Arbeitsplätze und Arbeitsstätten würde die Ar-
beitgeber in tatsächlicher wie auch in wirtschaftlicher
Hinsicht überfordern. Eine Änderung der Arbeitsstätten-
verordnung ist auch deshalb nicht erforderlich, da der
Stand der Barrierefreiheit in der Arbeitswelt für Men-
schen mit Behinderungen in Deutschland ein hohes Ni-
veau erreicht hat.

Um den Arbeitgeber jedoch bei seinen Verpflichtun-
gen zu unterstützen, hat der in § 7 Arbeitsstättenverord-
nung geregelte Ausschuss für Arbeitsstätten unter ande-
rem Gestaltungsvorschläge für das Einrichten und
Betreiben von barrierefreien Arbeitsstätten ermittelt.
Diese heißen „Technische Regeln für Arbeitsstätten“ mit
Maßnahmen für die barrierefreie Gestaltung von Ar-
beitsplätzen und mit Anforderungen zum Beispiel an be-
hindertengerechte Türen, Verkehrswege, Fluchtwege,
Notausgänge, Treppen, Orientierungssysteme und Toi-
lettenräume. Sie wurden im Gemeinsamen Ministerial-
blatt der Bundesregierung veröffentlicht.

Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802213700

Frau Kollegin.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte gerne
nachfragen, weil ich glaube, dass noch ein paar mehr
Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt Chan-
cen haben sollten. Von daher möchte ich nachfragen:
Wenn Sie an der Arbeitsstättenverordnung nichts verän-
dern wollen, was wird die Bundesregierung stattdessen
unternehmen, um die Chancen von Menschen mit Be-
hinderung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802213800


Darauf antworte ich sehr gerne. – In der Tat hat die
Bundesregierung ein großes Interesse daran, dass wir
mehr Menschen mit Behinderung einen Zugang zum ers-
ten Arbeitsmarkt erlauben. Das Stichwort ist dabei in-
klusiver Arbeitsmarkt. Daran werden wir in dieser Le-
gislaturperiode arbeiten und ganz sicher auch Ergebnisse
erzielen. Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam
mit dem Parlament zu wirklichen Verbesserungen kom-
men.

Ihre Frage zielte jedoch auf Folgendes: Wollen wir
eine generell barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten
einführen? – Das ist eine ganz grundsätzliche Sache. Sie
würde jeden Arbeitsplatz und jede Barriere betreffen.
Aus den von mir vorgetragenen Gründen halten wir das
nicht für zielführend.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Ich möchte noch einmal nachfragen.
Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, die Aus-
gleichsabgabe nach § 77 SGB IX zu erhöhen und damit
die Chancen für behinderte Menschen zu verbessern?
Wenn Sie etwas in dieser Richtung vorhaben: In welcher
Form und wann wird das passieren?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802213900


Vielen Dank auch für diese Frage, die ich ebenso
gerne beantworte. – Es besteht zurzeit nicht die Absicht,
die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. In der Tat steht sie zur
Verfügung, um genau die genannten Maßnahmen zu un-
terstützen und voranzubringen. Wir gehen davon aus,
dass wir auskömmliche Mittel zur Verfügung haben.
Deshalb sehen wir zurzeit keine Notwendigkeit, die
Ausgleichsabgabe zu erhöhen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802214000

Vielen Dank.

Ich rufe die Frage 37 der Kollegin Beate Müller-
Gemmeke auf:

Wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze wurden durch
die „Initiative Inklusion“ bisher tatsächlich geschaffen, und
wie viele der Menschen, die darüber einen Arbeits- bzw. Aus-





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

bildungsplatz bekommen haben, sind derzeit noch dort be-
schäftigt?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802214100


Auch diese Frage beantworte ich sehr gerne, Kollegin
Müller-Gemmeke. – Die „Initiative Inklusion“ wird von
den Ländern in enger Kooperation mit dem Bundes-
ministerium für Arbeit und Soziales seit 2011 bis 2018
durchgeführt. Die Länder haben gemäß der Richtlinie
Initiative Inklusion dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales in Abstimmung mit den zuständigen Trä-
gern der Arbeitsverwaltung zu festgelegten Stichtagen
über den Stand der Umsetzung zu berichten. Die Länder
sind dieser Berichtspflicht zuletzt am 31. März vergan-
genen Jahres nachgekommen.

Demnach ergibt sich zum Stichtag 31. Dezem-
ber 2012 – das ist der aktuelle Bericht – Folgendes: 214
neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Jugendli-
che in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Ar-
beitsmarktes; berichtet wurde in diesem Zusammenhang
von sechs Ausbildungsabbrüchen, sodass sich die Zahl
von 208 ergibt. 310 neue Arbeitsplätze für ältere schwer-
behinderte Menschen; Angaben zu Abbrüchen in diesem
Handlungsfeld werden erstmalig zum 30. Juni 2014 fäl-
lig. Deshalb können wir dazu noch keine Aussage ma-
chen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1802214200

Sie haben die Gelegenheit zu zwei Nachfragen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, ich möchte gerne
nachfragen. Welche Vorteile bieten denn diese befriste-
ten Sonderprogramme, wie beispielsweise die „Initiative
Inklusion“ oder „Job 4000“, für die Arbeitgeber einer-
seits, aber auch für die arbeitsuchenden Menschen mit
Behinderung andererseits? Welche Vorteile haben sie ge-
genüber den Förderinstrumenten im SGB III?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802214300


Auch darauf antworte ich gerne. – Ich will das am
Beispiel der Förderung neuer Ausbildungsplätze aus den
Mitteln der „Initiative Inklusion“ aufzeigen, wobei ich
vorausschicken will, dass es grundsätzlich darum geht,
überhaupt eine bessere Motivationslage und eine höhere
Informationsdichte zu erreichen. Ich glaube, ich darf,
ohne Sie vereinnahmen zu wollen, sagen: Wir wissen,
dass wir in Deutschland hier noch viel tun können. Der
Arbeitsmarkt zeigt nicht annähernd die Aufgeschlossen-
heit und die Initiativbereitschaft, wie sich das die Bun-
desregierung zurzeit wünscht. Deshalb halte ich diese
Initiative für richtig.

Ich habe es schon dargestellt: Sie hat zwar bereits
2011 begonnen, aber wir wollen ihr mehr Nachdruck
verleihen. Wir sind also dabei, das voranzubringen. Inso-
fern haben wir, denke ich, neben der Unterstützung im
Einzelfall auch die ganz starke Zielsetzung in einer star-
ken öffentlichen Wirkung.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802214400

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Befristete Sonderprogramme sind nun einmal genau
das: Sonderprogramme und befristet. Von daher möchte
ich nachfragen, wie die Förderinstrumente im SGB III
verbessert werden könnten und was die Bundesregierung
in nächster Zeit vorhat.

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802214500


Liebe Kollegin Müller-Gemmeke, ich sprach schon
von der Zielsetzung der Bundesregierung, besonderes
Augenmerk auf den inklusiven Arbeitsmarkt zu legen.
Genau darauf zielt auch Ihre Frage, wenn man das in ei-
nem größeren Kontext behandelt.

Ich bin sicher, dass wir nach einer kritischen Analyse
der Instrumente, die wir derzeit haben, danach fragen
werden, wie sie zu bewerten sind und ob sie der Zielset-
zung entsprechen, die wir als Bundesregierung erklärter-
maßen haben, den Arbeitsmarkt in Deutschland inklusi-
ver zu gestalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802214600

Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Klein-Schmeink

das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe eine Nachfrage zur „Initiative Inklusion“. In-
wieweit werden dort Menschen mit seelischer Behinde-
rung einbezogen? Haben Sie dazu Zahlen? Haben Sie
vor, das auch in den regulären Arbeitsmarktinstrumenten
verstärkt vorzusehen?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802214700


Auch darauf antworte ich gerne, wobei ich sagen
muss, dass ich die Zahlen nicht im Kopf habe. Ich kann
sie aber gerne schriftlich nachliefern. Grundsätzlich
muss man sehen, dass wir mit unseren Instrumente Men-
schen mit Behinderung nicht ausschließen wollen; wir
wollen ihnen und auch unserem Arbeitsmarkt vielmehr
die Möglichkeit geben, sozusagen inklusiver zu werden.
Erlauben Sie mir, dass ich das schriftlich nachliefere.
Denn ich denke, Sie wollen verlässliche Zahlen haben,
und wir haben ein Interesse, sie zu liefern.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802214800

Dann ist das so zugesagt und wird geschehen.

Die Frage 38 der Kollegin Kerstin Andreae wird
schriftlich beantwortet.

Wir kommen zur Frage 39 des Kollegen Markus
Kurth:





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)

Welche Erfahrungen wurden aus Sicht der Bundesregie-
rung bislang mit dem „Budget für Arbeit“ gemacht, und aus
welchen Gründen hat sich die Bundesregierung dazu entschie-
den, zur Erleichterung des Übergangs aus der Werkstatt für
Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt le-
diglich Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ einzubezie-
hen, obwohl die Landesregierungen hier weiter gehen und die
gesetzliche Verankerung eines „Budgets für Arbeit“ in der er-

(vergleiche 90. ASMK-Protokoll vom 27./28. November 2013)


Bitte, Frau Staatssekretärin.

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802214900


Verehrter Kollege Kurth, auch hierauf gebe ich gerne
Antwort. In ihrem Koalitionsvertrag sprechen sich CDU,
CSU und SPD dafür aus, den Übergang zwischen Werk-
stätten für Menschen mit Behinderung und dem ersten
Arbeitsmarkt zu erleichtern und dabei die Erfahrungen
mit dem „Budget für Arbeit“ einzubeziehen. Den Erfah-
rungen mit dem Modell „Budget für Arbeit“ in Rhein-
land-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen
kommt aus der Sicht der Bundesregierung eine hohe Be-
deutung zu. Sie bestätigen in einer ganzen Reihe von
Einzelfällen, dass in einer von der Eingliederungshilfe
unterstützten Beschäftigung werkstattbedürftiger, dauer-
haft voll erwerbsgeminderter Menschen mit Behinde-
rung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchaus eine
Alternative zu einer Beschäftigung im Arbeitsbereich
anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen gese-
hen werden kann, allerdings im Wesentlichen beschränkt
auf Personen, die zu den Leistungsträgern innerhalb der
Gruppe der werkstattbedürftigen Menschen mit Behin-
derung gehören.

Die Mehrheit der Werkstattbeschäftigten, die weniger
leistungsfähig ist, wäre aus Sicht der Bundesregierung
bei einer tariflich entlohnten Beschäftigung auf dem all-
gemeinen Arbeitsmarkt mit über Werkstattniveau liegen-
den Leistungsanforderungen überfordert. Eine derartige
Beschäftigung kann daher für diese Menschen keine
sinnvolle und in ihrem wohlverstandenen Interesse lie-
gende Alternative zu einer Beschäftigung in einer Werk-
statt für behinderte Menschen darstellen.

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung, in der sich
die Bundesregierung und die Länder im Übrigen einig
sind, ist auch nicht daran gedacht, einen allgemeinen an-
spruchsbegründenden Leistungstatbestand „Budget für
Arbeit“ im Recht der Eingliederungshilfe zu verankern.
Vielmehr soll gerade den nachweislich zu einer Tätigkeit
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigten Menschen
der Übergang von der Werkstatt für behinderte Men-
schen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht
bzw. erleichtert werden, natürlich unter der Vorausset-
zung, dass die volle Minderung der Erwerbsfähigkeit auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach wie vor besteht.

In diesem Sinn wird die Bundesregierung bei den
Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabegeset-
zes auf Basis der Erfahrungen mit dem „Budget für Ar-
beit“ prüfen, wie ein Minderleistungsausgleich für werk-
stattbedürftige Menschen mit Behinderung, die zu einer
Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt
sind, auf eine sichere Rechtsgrundlage gestützt werden
kann.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802215000

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802215100

Frau Lösekrug-Möller, habe ich Sie richtig verstan-

den, dass die Bundesregierung keinen Rechtsanspruch
auf ein persönliches „Budget für Arbeit“ begründen will,
sodass es beantragt werden muss? Wie rechtfertigen Sie
dies angesichts der Tatsache, dass das persönliche Bud-
get nur eine andere Leistungsform darstellt, die nicht
mehr kostet und die es in anderen Leistungsbereichen
wie der Assistenz – da gibt es bereits einen Rechtsan-
spruch – längst gibt? Warum gibt es einen solchen An-
spruch im Bereich Arbeit nicht? Im wohlverstandenen
Interesse der Beschäftigten im Werkstattbereich liegt es,
dass diese nach ihrer eigenen Fähigkeitseinschätzung
entscheiden können. Das sollte nicht etwa vom jeweili-
gen Sozialhilfeträger verfügt werden.

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802215200


Ihre Frage enthält mehrere Aspekte, auf die ich gerne
eingehe. Ich habe gesagt: Es geht nicht darum, einen all-
gemeinen, anspruchsbegründenden Leistungstatbestand
im Recht der Eingliederungshilfe zu verankern. Herr
Kurth, ich kenne Sie als einen sehr sachkundigen Exper-
ten. Wir beide wissen, dass es hier wirklich auf Details
ankommt; das wissen wir aus gemeinsamer politischer
Erfahrung.

Ich würde nicht unterstellen, dass hier andere etwas
über andere verfügen. Wir gehen sehr seriös mit der Ent-
wicklung um. Deshalb habe ich ja gesagt: Wir werden
die Erfahrungen einbeziehen und prüfen. Genau das
werden wir tun, und das Ergebnis werden wir Ihnen ganz
sicher in dem Augenblick, in dem wir eine gesicherte Er-
kenntnis haben und uns darüber im Klaren sind, wie wir
politisch vorgehen wollen, mitteilen und hier im Parla-
ment zur Diskussion stellen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802215300

Ihre zweite Nachfrage.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802215400

Frau Staatssekretärin, erlauben Sie mir die Bemer-

kung, dass ich der Auffassung bin, dass wir nach vielen
Jahren der Erfahrung mit dem persönlichen „Budget für
Arbeit“ bereits über sehr viele Erkenntnisse verfügen.
Angesichts der Tatsache, dass ein Bundesleistungsgesetz
möglicherweise erst in der nächsten Legislaturperiode in
Kraft treten wird – die finanzielle Entlastung wurde je-
denfalls eher für 2018 und nicht früher in Aussicht ge-
stellt –, also angesichts der Tatsache, dass es noch einige
Jahre auf sich warten lassen wird: Hält es die Bundesre-
gierung für denkbar, vorzeitig Regelungen speziell für
das „Budget für Arbeit“ zu machen – wenn nur Mittel
umgeschichtet werden, entstehen für die Kostenträger
keine neuen finanziellen Belastungen –, sodass wir





Markus Kurth


(A) (C)



(D)(B)

schon im Vorgriff im Bereich des Übergangs zum allge-
meinen Arbeitsmarkt Erfolge erzielen können?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802215500


Unsere Aufgabe sehen wir darin, geltendes Recht im-
mer dann zu verbessern, wenn es zielführend erscheint.
Es ist eine Daueraufgabe einer Regierung, entspre-
chende Vorschläge zu machen und die Initiative zu er-
greifen.

Was Ihre Vorstellung über den Zeitraum, bis ein Bun-
desleistungs- bzw. Bundesteilhabegesetz kommt und in
Kraft tritt, angeht: Sie reden über längere Zeiträume, als
es die Bundesregierung im Augenblick in ihrer Planung
vorsieht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802215600

Wir kommen damit zur Frage 40 des Kollegen

Markus Kurth:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Landesre-

gierungen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung der Ein-
gliederungshilfe ein dauerhafter Lohnkostenzuschuss für we-
sentlich behinderte, erwerbsfähige Menschen im Sinne eines

(vergleiche 90. ASMK-Protokoll)

gung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern, und
welche Gründe bzw. Erwägungen liegen der Einschätzung zu-
grunde?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802215700


Sehr gerne. – In Ihrer Frage wird nicht die Auffassung
der Länder wiedergegeben. Diese teilen vielmehr unver-
ändert die Auffassung der Bundesregierung, dass die
Förderung der Teilhabe erwerbsfähiger Menschen mit
Behinderung am Arbeitsleben keine Aufgabe der Ein-
gliederungshilfe ist. Im Beschluss der 90. Arbeits- und
Sozialministerkonferenz wird ausdrücklich festgestellt,
dass Voraussetzung für ein „Budget für Arbeit“ grund-
sätzlich der Zugang über den Arbeitsbereich der Werk-
stätten für behinderte Menschen sein soll und damit das
„Budget für Arbeit“ nur den behinderten Menschen of-
fenstehen soll, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind.
Eine andere Darstellung der Positionierung der Länder
im Sinne der Fragestellung, die einer vorläufigen Proto-
kollfassung der 90. Sitzung der Arbeits- und Sozial-
ministerkonferenz zu entnehmen war, wurde mit der
Endfassung korrigiert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802215800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802215900

Hält die Bundesregierung denn diese Grenzziehung

zwischen erwerbsfähig und nicht erwerbsfähig bzw. voll
erwerbsgemindert überhaupt noch für zielführend? Wäre
es nicht vielmehr viel sinnvoller, von einem Kontinuum
auszugehen, also von leichten Einschränkungen an ei-
nem Ende und schweren Einschränkungen am anderen
Ende, und die personenbezogene Leistung, die es nach
einer Veränderung der Eingliederungshilfe geben soll,
eben individuell zuzumessen und an der Stelle nicht nur
eine einfache Scheidelinie zu haben?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802216000


Als kundiger Thebaner wissen auch Sie, dass wir uns
mit allen Fragestellungen rund um Behinderung beschäf-
tigen und dass wir uns im Rahmen der Diskussion, die
wir nicht nur zum künftigen Bundesteilhabegesetz, son-
dern auch zur UN-Behindertenrechtskonvention haben,
genau mit dieser Frage beschäftigen. Deshalb haben wir
weder ein Denkverbot noch ein Entwicklungsverbot im
Hinblick auf die Fragestellung, die Sie gerade an mich
gerichtet haben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802216100

Sie haben gewiss eine zweite Nachfrage. Bitte.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802216200

Ich habe noch eine weitere Nachfrage. In meiner

Frage bezog sich der dauerhafte Lohnkostenzuschuss
keineswegs nur auf den Kreis der Werkstattberechtigten.
Ich würde gerne die Bundesregierung fragen, ob das
Modell der sogenannten Integrationsfirmen – ein Modell
ist es ja gar nicht mehr; es gibt schon Hunderte von ih-
nen –, ob also nicht das Vorbild der Integrationsfirmen
und Integrationsabteilungen eine Blaupause sein kann,
um einen dauerhaften Lohnkostenzuschuss und auch
„Budgets für Arbeit“ zu implementieren. Hält die Bun-
desregierung es für denkbar und möglich, dies auch stär-
ker in die sogenannten normalen Firmen des ersten Ar-
beitsmarkts hineinzutragen?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802216300


Herr Kollege Kurth, der Erfolg von Integrationsfir-
men ist auch der Bundesregierung nicht verborgen ge-
blieben. Wir haben, glaube ich, in allen Bundesländern
sehr erfolgreiche Modelle. Die Bundesregierung hat in
der Vergangenheit nicht nur darauf geschaut, wie sie sich
entwickeln, sondern diese Modelle auch immer wieder
unterstützt. Deshalb ist das eine Möglichkeit, die wir
selbstverständlich in die Weiterentwicklung mit einbe-
ziehen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802216400

Ich rufe die Frage 41 der Kollegin Brigitte Pothmer

auf:
Wie hat sich die Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser und

schwerbehinderter arbeitsloser Akademikerinnen und Akade-
miker seit dem Jahr 2010 im Vergleich zum allgemeinen
Trend auf dem Arbeitsmarkt entwickelt – bitte Zahlen für je-
des Jahr getrennt nach Rechtskreisen angeben –, und wie be-
wertet die Bundesregierung diese Entwicklung?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802216500


Sehr gerne. – Das ist jetzt ein anderer Themenschwer-
punkt.





Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)

Verehrte Kollegin Pothmer, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen
hat von 2010 auf 2013 um rund 2 Prozent auf etwa
178 600 zugenommen, während die Arbeitslosigkeit ins-
gesamt in diesem Zeitraum um 9 Prozent gesunken ist.
Der Anteil der schwerbehinderten akademisch ausgebil-
deten Arbeitslosen an allen akademisch ausgebildeten
Arbeitslosen hat sich von 3,5 Prozent auf 3,9 Prozent er-
höht.

Da die Darlegung der Entwicklung der Zahlen
schwerbehinderter Arbeitsloser und schwerbehinderter
arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker seit
2010 im Vergleich zum allgemeinen Trend auf dem Ar-
beitsmarkt für jedes Jahr getrennt nach Rechtskreisen
– so haben Sie Ihre Frage ja auch formuliert – den hier
zur Verfügung stehenden Zeitrahmen sprengen würde,
möchte ich Ihnen gern die entsprechende von der Bun-
desagentur für Arbeit erstellte Tabelle zusenden. Ich
habe sie dabei. Sie ist sehr schwer vorzulesen, schon gar
nicht in der mir zustehenden Zeit. Frau Präsidentin, Ihre
Vorgängerin in der Sitzungsleitung hatte mich da ganz
hart ermahnt.

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit schwerbehin-
derter Menschen ist stark von statistischen Effekten ge-
prägt. Nachdem Ende 2007 Regelungen zum erleichter-
ten Leistungsbezug für die Altersgruppe „58 Jahre und
älter“ ausliefen, ist die Zahl arbeitsloser schwerbehin-
derter Menschen in dieser Altersgruppe erheblich gestie-
gen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit stieg
ihre Zahl von rund 9 300 im Jahr 2008 auf rund 45 400
im Dezember 2013. Damit lag der Anteil dieser Alters-
gruppe an allen arbeitslos gemeldeten schwerbehinder-
ten Menschen Ende 2013 bei rund 26 Prozent. Bei ar-
beitslosen schwerbehinderten Akademikerinnen und
Akademikern war der Anteil mit rund 37 Prozent sogar
deutlich höher.

Zwar haben Lebensältere ein geringeres Risiko als
Jüngere, arbeitslos zu werden, zugleich aber – das wis-
sen wir aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt – schlechtere
Chancen, die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Be-
schäftigung wieder zu beenden.

Bei der Kombination „Schwerbehinderung und höhe-
res Lebensalter“ gestaltet sich eine Beschäftigungsauf-
nahme zum Teil noch schwieriger. Gerade diese Kombi-
nation ist aber für die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter
Menschen prägend.

Oftmals ist auch aufgrund von Vorbehalten und feh-
lenden Erfahrungen im Umgang mit behinderten Men-
schen ein zurückhaltendes Einstellungsverhalten bei Ar-
beitgebern festzustellen. Hier besteht aus Sicht der
Bundesregierung nach wie vor großer Handlungsbedarf.
Aufklärung oder, wie es die UN-Behindertenrechtskon-
vention bezeichnet, Bewusstseinsbildung sind wichtige
Voraussetzungen, um Vorbehalte abzubauen und mehr
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu realisie-
ren. Auch das ist ein zentrales Ziel der vom Bundes-
ministerium für Arbeit und Soziales im Oktober 2013
zusammen mit den maßgeblichen Arbeitsmarktpartnern
gestalteten Inklusionsinitiative für Ausbildung und Be-
schäftigung.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802216600

Ich vermag mir gar nicht auszumalen, was es noch an

Zeit gekostet hätte, wenn Sie die Tabelle mit vorgetragen
hätten.


(Heiterkeit)


Frau Pothmer, Sie haben das Wort zur ersten Nach-
frage.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802216700

Frau Staatssekretärin, zunächst einmal herzlichen

Dank für Ihre Rücksichtnahme auf das Publikum, aber
auch auf Sie selbst. Ich begrüße das.

Auch wenn Sie nicht alle Zahlen en détail vorgetra-
gen haben, ist deutlich geworden, dass der Rückgang
der Arbeitslosigkeit im Allgemeinen und der Anstieg
der Arbeitslosigkeit im Besonderen bei behinderten
Akademikerinnen und Akademikern wie eine Schere
auseinandergehen. Als einen Grund haben Sie statisti-
sche Effekte genannt, zum Beispiel die 58er-Regelung.
Diese Regelung betrifft nun nicht nur Menschen mit Be-
hinderung, sondern alle arbeitslosen Menschen. Sie kann
also keine Erklärung dafür sein; es können also nicht nur
statistische Effekte sein, die dieses Auseinandergehen
verursacht haben. Insofern noch einmal die Frage: Kön-
nen Sie die Gründe, warum die Schere so exorbitant aus-
einandergeht, deutlicher erläutern?

G
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802216800


Frau Kollegin Pothmer, das tue ich gerne. Ich glaube,
dieser Effekt ist allerdings nicht unerheblich; von daher
möchte ich noch einmal auf ihn verweisen. Ich will
gerne schauen, ob wir Ihnen genauere Zahlen dazu lie-
fern können. Von diesem Effekt sind meines Erachtens
die Menschen mit Behinderung überproportional betrof-
fen.

Es ist so – ich will mich gerne wiederholen –, dass
wir einen dringenden Handlungsauftrag sehen, zumal
immer mehr Jahrgänge hochqualifizierter Menschen mit
Behinderung auf den Arbeitsmarkt kommen. Deshalb ist
es erklärtes Ziel der Bundesregierung, genau hier initia-
tiv zu werden.

Ich habe beschrieben, dass wir es besonders wichtig
finden, den Vorbehalten entgegenzutreten, die diese Per-
sonengruppe in keiner Weise verdient; vielmehr sollten
wir ermunternd und unterstützend darauf hinwirken,
dass diese Menschen einen Platz im ersten Arbeitsmarkt
finden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802216900

Frau Pothmer, Sie haben das Wort zu einer zweiten

Nachfrage.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802217000


Angesichts der Dramatik, die sich in diesen Zahlen zeigt,
scheint mir das Vorhaben, für mehr Aufklärung zu sor-
gen, dem Problem wohl nicht ganz angemessen. Es gibt
ja eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch aus den Be-





Brigitte Pothmer


(A) (C)



(D)(B)

hindertenverbänden. Darin wird zum Beispiel deutlich
hervorgehoben, dass sich die Bundesagentur für Arbeit
in Bezug auf die Beratung von behinderten Menschen
sehr stark auf die Akquirierung von Arbeitsplätzen und
nur noch sehr wenig auf die Betreuung von behinderten
Menschen konzentriert. Das hat sehr viel damit zu tun,
dass für die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zählt,
wenn ein Arbeitsloser einen Arbeitsplatz erhalten hat.
Berücksichtigt wird dabei überhaupt nicht mehr die
Frage, wie lange die jeweilige Person ihren Arbeitsplatz
behalten konnte.

Menschen mit Behinderung brauchen nicht nur einen
Arbeitsplatz. Wenn sie einen Arbeitsplatz bekommen ha-
ben, brauchen sie darüber hinaus Unterstützung und Be-
gleitung. Von Behindertenverbänden wird kontinuierlich
angemahnt, dass das nicht der Fall ist. Haben Sie vor, da
etwas zu verändern?

G
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1802217100


Frau Kollegin Pothmer, auch mir ist bekannt, dass Be-
hindertenverbände darauf hinweisen. Ich will gerne auf-
greifen, dass wir das auch mit der Bundesagentur für Ar-
beit erörtern. Ich teile aber nicht automatisch Ihre
Einschätzung, dass es da sozusagen einen Mangel an En-
gagement gibt. Das will ich hier ganz deutlich sagen. Ich
will aber der festen Meinung Ausdruck verleihen, dass
die Bundesregierung wirklich bereit ist, sich genau um
diese Personengruppe zu kümmern und da viel zu tun.
Insofern danke ich für Ihre Frage.

Sie zielte im Übrigen – wenn ich das noch ergänzen
darf; die Zeit reicht dafür ja auch noch – im Grunde ge-
nommen schon auf die nächste Frage, die ich gleich zu
beantworten gedenke.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802217200

Zuerst hat aber die Kollegin Rüffer eine Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802217300

Ich kann an die Frage von Frau Pothmer anschließen;

das passt dazu. – Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag
festgelegt, dass die Qualifizierung von Mitarbeitern im
Jobcenter sozusagen als Problemfeld gesehen wird.
Meine Frage ist mit Blick auf die Beratung von Men-
schen mit Behinderung und speziell mit Blick auf die
Beratung des in der Frage benannten Personenkreises:
Wann können wir mit einer Lösung rechnen und in wel-
chem Umfang?

G
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802217400


Ich antworte gern, liebe Kollegin Rüffer. – Grundsätz-
lich sind wir daran interessiert, dass Mitarbeiter und Mit-
arbeiterinnen auf dem bestmöglichen Qualifikations-
stand sind. Das ist eine Daueraufgabe. Wir haben dies
noch einmal besonders hervorgehoben – Sie haben das
zu Recht zitiert und richtig zitiert –, weil wir wissen,
dass eine maximale Qualifizierung auch zu hohen Ar-
beitserfolgen in der Vermittlung führt. Das gilt übrigens
nicht nur für die Zielgruppe, über die wir gerade spre-
chen, sondern das gilt grundsätzlich.

Wenn Sie danach fragen, wann wir dazu Ergebnisse
haben werden, will ich Ihnen sagen: Wir sehen das im
Mittelpunkt der Aufgaben der nächsten Zeit. Sobald wir
Ergebnisse haben, werden wir das Plenum, aber ganz si-
cher den Fachausschuss Arbeit und Soziales unterrich-
ten.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802217500

Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.

Kollegin Rüffer, als Hinweis für die Zukunft: Wir
bleiben im Allgemeinen stehen, wenn wir bei der Beant-
wortung von Fragen im Gespräch mit Personen auf der
Regierungsbank sind.

Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Pothmer auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Ein-

schätzung des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehin-
derten in Studium und Beruf e. V., DVBS, hinsichtlich des
Reformbedarfs bei der Arbeitsvermittlung schwerbehinderter
Menschen und hinsichtlich der Rolle der Vermittlungsstelle
für besonders betroffene schwerbehinderte Akademikerinnen
und Akademiker in der Zentralen Auslands- und Fachvermitt-
lung, wie Dr. Heinz Willi Bach sie in seinem Beitrag in der
Zeitschrift horus (Ausgabe 1/2014) darlegt (www.dvbs-on
line.de/horus/2014-1-5347.htm), und welche konkreten Maß-
nahmen plant die Bundesregierung zur Verbesserung der
Vermittlung schwerbehinderter Arbeitsloser und schwerbe-
hinderter arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

G
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802217600


Frau Präsidentin! Liebe Frau Pothmer, die Bundesre-
gierung sieht keinen Reformbedarf hinsichtlich der Rolle
des Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademi-
ker der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der
Bundesagentur für Arbeit; abgekürzt heißt die AG:
SBZAV. Ich glaube, es ist besser, das auszusprechen.

Der Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akade-
miker ist eine konsequente Weiterentwicklung der übli-
chen Praxis, arbeitgeber- und arbeitnehmerbezogene
Prozesse strikt zu trennen. Die Weiterentwicklung ist an-
gezeigt, um für diese Zielgruppe überregional zusätzli-
che Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere im öffentlichen
Sektor, zu erschließen.

Der Arbeitgeberservice führt seine Vermittlungsakti-
vitäten einerseits bewerberorientiert durch. Das heißt, es
werden, vom Kunden, also vom Arbeitnehmer, ausge-
hend, Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht. Dies er-
folgt auf Basis vorhandener Stellenangebote. Es werden
andererseits Arbeitgeber initiativ angesprochen, um ge-
eignete Stellen zu akquirieren. Auf dieser Grundlage
werden Informationsveranstaltungen oder Gruppenbera-
tungen für schwerbehinderte Akademiker und Akademi-
kerinnen sowie Stellen-Matchings organisiert, um so di-
rekt für Bewerberinnen und Bewerber aktiv zu werden.
Bezogen auf die Vermittlung wird der Arbeitgeberser-
vice also für beide Marktseiten tätig. Das ist die Beson-
derheit, die wir hier vorfinden.





Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)

Der Service ist ausschließlich auf Personen ausge-
richtet, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im
Arbeitsleben besonders betroffen sind. Konkret handelt
es sich um den Personenkreis besonders betroffener
schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker
im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialge-
setzbuch.

Darüber hinaus wird der Arbeitgeberservice aufgrund
eines Vermittlungsauftrags der Agenturen für Arbeit und
der Jobcenter tätig. Das heißt, Arbeitsagenturen oder
Jobcenter entscheiden einzelfallbezogen über seine Ein-
schaltung.

Der vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbe-
hinderten in Studium und Beruf hergestellte Zusammen-
hang, die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen
sei wegen eines Konstruktionsfehlers des Arbeitgeber-
service angestiegen, lässt sich vor diesem Hintergrund
nicht herstellen. Die Bundesagentur für Arbeit erbringt
ihre Dienstleistungen – Beratung, Vermittlung, Förde-
rung – auch für schwerbehinderte Arbeitslose sowie für
schwerbehinderte arbeitslose Akademikerinnen und Aka-
demiker auf Grundlage des Zweiten, Dritten und Neun-
ten Buchs Sozialgesetzbuch. Dabei haben Arbeitsagen-
turen und Jobcenter umfangreiche Fördermöglichkeiten.

Darüber hinaus hat das Bundesministerium Programme
initiiert, die die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am
Arbeitsleben verbessern sollen. Über die „Initiative In-
klusion“ habe ich ja bereits heute Auskunft gegeben. Sie
wird in Verantwortung der Länder durchgeführt und um-
fasst – ich will noch eine Zahl nachschieben – ein Mit-
telvolumen von 140 Millionen Euro, finanziert – wir
sprachen auch darüber – aus der Ausgleichsabgabe.

Wir haben Ende 2013 ein neues Programm zur inten-
sivierten Eingliederung und Beratung mit einer Laufzeit
von 2014 bis 2016 aufgelegt; es wird mit 50 Millionen,
auch aus Mitteln des Ausgleichsfonds, finanziert. Damit
sollen Konzepte gefördert werden, die bereits beste-
hende Förderinstrumente und Maßnahmen ergänzen und
die berufliche Integration verstärken und anregen. Die
ZAV plant, hier ein Konzept zur Unterstützung der Ver-
mittlung schwerbehinderter Akademikerinnen und Aka-
demiker einzureichen.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802217700

Ich möchte die Bitte meiner Vorgängerin hier vorne

noch einmal wiederholen, doch in der verabredeten Ant-
wortzeit zu bleiben, damit noch möglichst viele Nachfra-
gen stellen können.

Sie, Frau Pothmer, haben das Wort zur ersten Nach-
frage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802217800

Frau Staatssekretärin, die Behindertenverbände be-

richten immer wieder, dass insbesondere Arbeitgeber,
aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Probleme mit der Sonderausstattung haben, die für man-
che behinderte Menschen notwendig ist, dass diese Son-
derausstattung erst sehr spät zur Verfügung gestellt wird.
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, da Ein-
fluss zu nehmen und diesen Prozess zu beschleunigen?

G
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802217900


Ich versuche, Zeit aufzuholen. – Es ist denkbar, dass
das in Einzelfällen unter dem Optimum bleibt. Mir sind
jetzt aber keine Einzelfälle bekannt. Deshalb kann ich
darauf nicht antworten.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802218000

Ihre zweite Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802218100

Neben dem Problem der schlechten oder verspäteten

Ausstattung für Sonderarbeitsplätze wird immer wieder
auch bemängelt, dass der Verwaltungsaufwand, insbe-
sondere für Arbeitgeber, exorbitant hoch sei. Denkt die
Bundesregierung darüber nach, da Vereinfachungen vor-
zunehmen?

G
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802218200


Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass der
Verwaltungsaufwand exorbitant hoch ist. Wir haben als
Bundesregierung – so haben wir heute in der Befragung
der Bundesregierung gehört – ein großes Interesse an
Entbürokratisierung und Vereinfachung. Ich bin der fes-
ten Überzeugung, dass auch dieser Bereich dabei be-
trachtet und untersucht wird. Sofern da Vereinfachungen
möglich erscheinen, werden sie ganz sicher vorgenom-
men.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802218300

Der Kollege Kurth hat das Wort zu einer Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802218400

Wo es nun um das Thema Vermittlung geht, bietet es

sich an, noch einmal nach den sogenannten Integrations-
fachdiensten zu fragen. Diese Integrationsfachdienste
hat ja der Gesetzgeber 2001 eingerichtet, damit Arbeit-
geber und auch Bewerber im Vorfeld beraten werden
können, Bewerber vermittelt und danach auch betreut
werden können. Das sollte eine ganzheitliche Leistung
sein; so hat es sich der Gesetzgeber jedenfalls vorge-
stellt.

Nun hat die vergangene Bundesregierung den Teilbe-
reich der Vermittlung aus diesen Diensten einfach he-
rausgebrochen und durch Ausschreibungsverfahren ver-
geben. Das hatte zum Ergebnis eine zum Teil
zersplitterte Leistungslandschaft. Das hat die damalige
Opposition kritisiert, und zwar vehement. Plant die jet-
zige Bundesregierung, diese Fehlentscheidung der ver-
gangenen Regierung wieder zurückzunehmen bzw. zu
korrigieren und die Integrationsfachdienste wieder zu
dem zu machen, was der Gesetzgeber ursprünglich
wollte?






(A) (C)



(D)(B)

G
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802218500


Herr Kollege Kurth, die amtierende Bundesregierung
sieht davon ab, Entscheidungen der vorangegangenen
Bundesregierung zu bewerten. Deshalb antworte ich Ih-
nen: Sollte es zu Schwierigkeiten gekommen sein, wird
die jetzige Bundesregierung ganz sicher mit einem ent-
sprechenden Problembewusstsein auch diese Fragestel-
lung betrachten. Sollte es erforderlich sein, hier Lösun-
gen zu finden, dann werden sie – da bin ich mir ziemlich
sicher – gesucht werden. Ich will Ihnen aber sagen, dass
ich erst einmal Ihre Vermutung, dass es negative Aus-
wirkungen gibt, so nicht bestätigen kann.


Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1802218600

Die Fragen 43 und 44 des Kollegen Dr. Wolfgang

Strengmann-Kuhn, 45 und 46 der Kollegin Sabine
Zimmermann (Zwickau) sowie 47 und 48 der Kollegin
Azize Tank zum Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales werden schriftlich beant-
wortet. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die
Frage 49 der Kollegin Bärbel Höhn, die Fragen 50 und
51 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann sowie 52 und 53
des Kollegen Harald Ebner werden ebenfalls schriftlich
beantwortet.

Dasselbe gilt für die Frage 54 des Kollegen Omid
Nouripour aus dem Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Verteidigung.

Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist als Nächstes an
der Reihe. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Caren Marks zur Verfü-
gung.

Die Frage 55 der Kollegin Tabea Rößner soll schrift-
lich beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 56 der Kollegin Corinna Rüffer
auf:

Wann wird die Bundesregierung das in der UN-Behinder-
tenrechtskonvention verankerte Recht auf angemessene Vor-
kehrungen als Diskriminierungstatbestand in das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen, und wie begründet sie
es, falls sie keine entsprechende Änderung plant?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

C
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802218700


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Rüffer, Ihre
Frage beantworte ich gerne, und zwar wie folgt: Um die
Behindertenrechtskonvention umzusetzen, hat die Bun-
desregierung in der letzten Legislaturperiode einen Na-
tionalen Aktionsplan verabschiedet, der in der laufenden
Legislaturperiode weiterentwickelt wird. Dieser sieht
auch eine Evaluierung des Behindertengleichstellungs-
gesetzes vor. Im Rahmen dieser zurzeit stattfindenden
Evaluierung wird im Lichte der UN-Behindertenrechts-
konvention auch geprüft, ob es bezüglich des Begriffs
„angemessene Vorkehrungen“ gegebenenfalls Hand-
lungsbedarf gibt. Es ist derzeit nicht auszuschließen,
dass sich aus dem Ergebnis dieser Prüfung auch Auswir-
kungen zum Beispiel auf das Allgemeine Gleichbehand-
lungsgesetz ergeben können.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802218800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802218900

Gerne. – Ich bin etwas verwundert, weil die Antwort

auf die Frage sehr vorsichtig ausgefallen ist. Die Moni-
toring-Stelle zur Umsetzung der Behindertenrechtskon-
vention am Deutschen Institut für Menschenrechte
schreibt – ich zitiere –: „Solange es Barrierefreiheit nicht
gibt, helfen nur angemessene Vorkehrungen.“ Das ist
sehr eindeutig. Wie bewerten Sie diese Aussage, und se-
hen Sie jetzt vielleicht doch einen dringenderen Hand-
lungsbedarf?

C
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802219000


Sehr geehrte Frau Kollegin Rüffer, ich kann mich an
dieser Stelle nur wiederholen: Wir warten die Evaluie-
rung ab. Wir werden sie auswerten und dann in der Bun-
desregierung zu einem Ergebnis kommen, das Auswir-
kungen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
haben könnte.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802219100

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802219200

Das AGG enthält keine Umsetzungsvorschrift zu

Art. 5 der Richtlinie aus 2000/78/EG vom 27. November
2000, nach der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ver-
pflichtet werden sollen, angemessene Vorkehrungen für
Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, um ihre
Gleichberechtigung sicherzustellen. Wie bewerten Sie
das? Was haben Sie im Hinblick auf diesen Mangel vor?

C
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802219300


Den Aspekt, den Sie angesprochen haben, Frau Kol-
legin, werden wir ganz gezielt angehen. Wir werden das
AGG in der jetzigen Ausgestaltung daraufhin prüfen. Es
kann durchaus sein, dass wir Handlungsbedarf sehen.
Das wird dann innerhalb der Bundesregierung abzustim-
men sein.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802219400

Wir kommen zur Frage 57 der Kollegin Corinna

Rüffer:
Welche Position vertritt die Bundesregierung zum vorlie-

genden Entwurf der Fünften Antidiskriminierungsrichtlinie
der EU, und welche Alternativen zum Schutz von Menschen
mit Behinderungen sieht sie, falls sie den Entwurf weiterhin

(vergleiche zum Beispiel Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Seite 13)


Bitte, Frau Staatssekretärin.






(A) (C)



(D)(B)

C
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802219500


Diese Frage kann ich in wenigen Sekunden beant-
worten. Frau Kollegin Rüffer, ich kann Ihnen bezüglich
dieser Frage nur mitteilen, dass innerhalb der Bundesre-
gierung die Meinungsbildung zur Fünften Antidiskrimi-
nierungsrichtlinie noch nicht abgeschlossen ist.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802219600

Sie haben das Wort zur Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802219700

Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusam-

menhang den von der EU-Kommission geplanten
Rechtsakt zur Barrierefreiheit von Waren und Dienstleis-
tungen?

C
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802219800


Auch das wird grundsätzlich geprüft. Wie gesagt: Die
Frage, ob es Handlungsbedarf gibt, ist in der Regierung,
wenn es darum geht, wie die Antidiskriminierungsricht-
linie weiter ausgestaltet wird, noch nicht abschließend
beantwortet.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802219900

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802220000

Ich pule jetzt noch ein bisschen weiter in der Wunde

herum.

C
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802220100


Gerne.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802220200

Es tut mir leid, wenn das schmerzt. Mich interessiert

aber: Was müsste Ihren derzeitigen Absprachen nach mit
diesem Richtlinienentwurf passieren, damit es für Sie als
Bundesregierung möglich wird, zu handeln?

C
Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802220300


Es ist weder eine Wunde, noch schmerzt es; das kann
ich Ihnen von dieser Stelle aus versichern. Ich kann mich
nur wiederholen: Wir – dabei handelt es sich im Übrigen
um verschiedene Bundesministerien – warten mit der
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bzw.
der eventuellen Weiterentwicklung des AGG. Die Feder-
führung bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechts-
konvention liegt im Hause des Ministeriums für Arbeit
und Soziales. Das Ministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz ist federführend beim Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz. Zwischen all den Ministerien,
die mit dieser Frage maßgeblich betraut sind, wird es
nach der Evaluierung einen entsprechenden Austausch
geben, der dann zu einem Ergebnis führen wird.

Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1802220400

Danke, Frau Staatssekretärin. – Wir sind damit am

Ende der Fragestunde, da die verabredete Zeit ausge-
schöpft ist. Mit den übrigen Fragen verfahren wir ent-
sprechend unserer Geschäftsordnung.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Haltung der Bundesregierung zur Verlänge-
rung von Laufzeiten für Atomkraftwerke in
Deutschland

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Sylvia Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802220500

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen!

Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur
Atomkraft.

Wir sind bayerische Irritationen gewohnt, so auch das
Hü und Hott bei der Energiewende: Mal sind es die
Netze, dann ist es die Windkraft. Aber dieses Zitat
stammt von einem, der nicht nur Bayer, sondern auch
Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie ist. Deshalb kann man ihm das nicht so einfach
durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE])


Ich zitiere ihn weiter – ich muss in der dritten Person
reden, weil er offensichtlich nicht hier ist –:

Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion,
jeder Bürger wird einen hohen Preis zahlen.

Von Nulltarif hat, glaube ich, niemand geredet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Selbstverständlich ist eine Investition in die Zukunft, in
eine unschlagbar günstige und sichere Energieversor-
gung unserer Kinder und Kindeskinder nicht umsonst zu
haben. Das weiß nun wirklich jeder. Aber Herr
Ramsauer hatte genug Stichwortgeber, die die Energie-
wende auf eine weitgehend faktenfremde Kostendebatte
reduziert haben. Ich frage mich, was dieses Schlechtre-
den der Erneuerbaren am Ende bringen soll. Außer Ver-
unsicherung wird nichts gewesen sein.

Schließlich – schauen wir weiter, was Herr Ramsauer
gesagt hat – geht es ihm nicht um den Bürger, sondern
um die Unternehmen, die weiterhin ihre Rabatte haben
sollen – zulasten des Bürgers; denn irgendwer muss die
ausufernden Rabatte am Ende bezahlen, und das sind die
Bürger. Wenn Herr Ramsauer meint, dass er als Vorsit-
zender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie sich
hauptsächlich um die Belange der Wirtschaft kümmern
muss, dann ist das vielleicht das CSU-Verständnis einer





Sylvia Kotting-Uhl


(A) (C)



(D)(B)

solchen Funktion. Ich meine, als Mitglied des Bundesta-
ges müsste er sich auch ein bisschen um die Volkswirt-
schaft kümmern.

Ich erinnere einmal an die WDR-Recherchen, nach
denen letzte Woche der volkswirtschaftliche Schaden
der teuersten Technologie, die die Menschheit je hervor-
gebracht hat, der Atomtechnologie, mit 1 000 Milliarden
Dollar beziffert wurde. In diesem Betrag sind natürlich
die nicht unbeträchtlichen Folgekosten der Katastrophen
in Tschernobyl und Fukushima enthalten. Aber auch in
Deutschland sind wir mit atomaren Fehlinvestitionen
und Zahlungen aufgrund der Folgen von Tschernobyl
mit 150 Milliarden Dollar dabei. – So viel zu dem billi-
gen Atomstrom.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Wir reden wohlgemerkt nicht von den Kosten der Atom-
energie als solcher, sondern von Geld, das ohne jeden
Gegenwert für die Atomkraft ausgegeben wurde bzw.
ausgegeben werden musste. Mit dieser Summe sind wir
noch lange nicht am Ende.

Falls Herr Ramsauer sogar an Neubauten denkt, dann
empfehle ich ihm einen Blick nach Großbritannien, zum
geplanten Hinkley Point C, der die Bürger mit mehr als
11 Cent für die Kilowattstunde für 35 Jahre beglücken
soll. Das heißt: Auch 2050 sollen die Bürger von Groß-
britannien über 11 Cent pro Kilowattstunde bezahlen,
mehr als jeder Wind- oder Sonnenstrom dann kosten
wird.

Wenn wir über Atomkraft reden, müssen wir auch
über einen anderen Preis als den ökonomischen reden.
Wir hatten heute Professor Kusnezow und Naoto Kan,
den früheren Premier von Japan, im Umweltausschuss
und haben uns einmal erzählen lassen, wie es in diesen
Ländern aussieht, was die Folgen eines GAU für die
Menschen bedeuten: Verlust von Heimat, Verlust von
Gesundheit, unbewohnte Landstriche und die Angst, die
bleibt. Das ist ein hoher Preis. Weil unsere Bürger diesen
Preis niemals zahlen sollen, steigen wir aus der Atom-
kraft aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ich grüße Sie, Herr Ramsauer. Entweder habe ich Sie
übersehen oder Sie sind in der Zwischenzeit hereinge-
kommen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich habe den Unfug schon mitgekriegt! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


– Das freut mich.

Auch Sie sind vielleicht noch lernbereit, Herr
Ramsauer. Die Produktion von Atomstrom verlangt auch
Verantwortung für den Müll, und da sieht es in Bayern
bisher ganz mau aus. Ihr Land ist nicht einmal bereit,
eine Handvoll Castoren zurückzunehmen, und Sie sind
– nach Niedersachsen – hauptverantwortlich für den
Müll in 26 Castoren, der noch darauf wartet, aus Sella-
field und La Hague zu uns zurückzukommen, nachdem
wir ein Gesetz beschlossen haben, das regelt, dass er
nicht mehr nach Gorleben darf. Anstatt jetzt der Produk-
tion von noch mehr Atommüll das Wort zu reden, sollten
Sie in Bayern anfangen, Verantwortung für den bereits
produzierten Atommüll aus Bayern zu übernehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich gebe Ihnen den guten Rat: Vergessen Sie das dumme
Gerede von vor ein paar Tagen, und bieten Sie dafür das
Zwischenlager Isar an! Reden Sie sich nicht mit Trans-
portwegen heraus; denn diese haben Sie beim Transport
des Mülls nach La Hague und Sellafield und dann nach
Gorleben auch nicht gestört.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802220600

Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802220700

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich

bin nun auch schon eine Weile Mitglied dieses Hauses;
aber die Debatte, die wir hier führen, ist schon einmalig.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war auch eine einmalige Äußerung!)


Der Titel, den Sie ursprünglich für diese Aktuelle Stunde
vorgesehen hatten, lautet: Haltung der Bundesregierung
zu Äußerungen des Bundesministers a. D. und Vorsit-
zenden des Ausschusses für Wirtschaft und Energie,
Dr. Peter Ramsauer, die Laufzeiten für Atomkraftwerke
in Deutschland zu verlängern. – Sie wollen also über die
Haltung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages zu
den Laufzeiten reden.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen wissen, wie die Bundesregierung dazu steht!)


Ich dachte bisher, dass es so läuft: Das Parlament kon-
trolliert die Regierung. Sie sagen jetzt, die Bundesregie-
rung müsse jede einzelne Äußerung eines Bundestagsab-
geordneten kontrollieren.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nur von ihm!)


Das ist eine neue Perspektive, die ich so nicht teilen
kann. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie dem Kollegen
Ramsauer aus Anlass seines 60. Geburtstages eine Son-
derdebatte widmen wollten; das mag sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ansonsten kann es nicht Ihr Ernst sein, dass wir uns in
einer Aktuellen Stunde mit einem Interview auseinan-
dersetzen – wir tun es aber leider auf Ihren Antrag hin –,
das in weiten Teilen so ist, dass man sogar in Ihren Krei-





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

sen nicht darüber diskutieren müsste, weil die Positionen
geteilt werden.

Wenn Sie es so wollen, kann ich dieses Interview ein-
mal durchgehen:

Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion,
jeder Bürger wird einen hohen Preis zahlen. Das
Einzige, was wir tun können, ist, den Anstieg zu
dämpfen.

Ich habe hier noch keinen anderen Vorschlag gehört als
den, den Anstieg zu dämpfen. Dass die Energiewende
teuer ist, ist ja wohl Common Sense.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir arbeiten in der Koalition momentan intensiv an der
Frage, wie man die Kosten einigermaßen in den Griff
bekommt.

Nun will ich gar nicht darauf eingehen, wie es so weit
gekommen ist. Sonst müsste ich Ihnen vorhalten, was
ich Ihnen hier schon manchmal vorgehalten habe, näm-
lich dass Sie die Photovoltaik über das EEG zu früh an
den Markt gebracht haben,


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch schon acht Jahre an der Regierung!)


wodurch es zu teuer wurde, und dass die Hälfte der
EEG-Umlage insbesondere grüner Ideologie geschuldet
ist. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier die ganze Zeit?)


– Das EEG ist aber von Ihnen. Oder wollen Sie das etwa
auch leugnen? Das glaube ich doch nicht.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat es aber auch funktioniert! Es hat angefangen, nicht mehr zu funktionieren, seitdem Sie regieren, Herr Nüßlein! Das ist genau das, was einen aufregt!)


Das war zu früh, und es war zu teuer. Es war nicht mach-
bar, es rechtzeitig so zu gestalten, wie wir uns das vorge-
stellt haben.

Peter Ramsauer sagte weiter:

Es darf keine Einschnitte für die Wirtschaft geben.

Auch das müsste doch unsere gemeinsame Handlungs-
grundlage sein. Das, was uns momentan aus Brüssel
droht, ist die Grundlage für eine Deindustrialisierungs-
welle in Deutschland,


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und die wollen wir alle nicht. Oder sind Sie da anderer
Auffassung?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst gingen die Lichter aus, und jetzt droht die Deindustrialisierung!)


Die Grünen haben bei Differenzkosten von 0,2 Cent
eine Härtefallregelung eingeführt. Jetzt liegen die Diffe-
renzkosten bei 6,24 Cent.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihrer Verantwortung, Herr Nüßlein!)


Wenn der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses sagt:
„Das ist sehr bedenklich, insbesondere, wenn Brüssel die
Ausnahme kippen will“, dann ist das doch ehrenhaft.
Das muss er in seinem Amt auch sagen dürfen, meine
Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Ramsauer hat auch gesagt:

Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur
Atomkraft.

Ich persönlich


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja?)


teile das als politische Zielsetzung nicht.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Aber er beschreibt damit das, was wir ursprünglich getan
haben: Wir haben die Laufzeiten damals verlängert, weil
wir wussten, dass die Energiewende teuer und zeitauf-
wendig wird und dass wir Geld und Zeit brauchen, um
sie umzusetzen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt doch für eine Laufzeitverlängerung?)


Wir haben uns wohlweislich – da lassen wir uns von Ih-
nen nichts anhängen – für einen anderen demokrati-
schen Weg entschieden, weil die breite Mehrheit der
Bevölkerung, auch unsere Wählerinnen und Wähler,
gesagt haben: Wir wollen keine Kernenergie. Aber wir
haben immer auf die Konsequenzen hingewiesen: teuer,
schwierig, sehr komplex.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts ist so teuer wie Atomkraft!)


Sie haben uns immer als „Atomlobbyanhänger“ und
was weiß ich noch alles verunglimpft.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sich doch von den Zahlen überzeugen!)


Sie haben so getan, als ginge die Energiewende kosten-
los vonstatten, als wäre sie billig zu haben, als käme es
auf Geld gar nicht an.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, also wir nicht! Sie haben so getan, als würde die Atomkraft nichts kosten!)


– Doch, ein großer Teil der Grünen hat so getan, als wäre
eine hundertprozentige Erzeugung von Energie aus er-





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

neuerbaren Energien schon ab morgen möglich, als wäre
alles ganz einfach, als würde sie nicht mehr Geld kosten.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ganz bestimmt nicht, Herr Nüßlein! Das glauben nicht einmal Ihre eigenen Leute!)


Sagen Sie doch, wie es ist: Sie kostet mehr Geld! Warum
haben Sie ein Problem damit, uns an dieser Stelle recht
zu geben?


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so albern!)


All das heißt aber nicht, dass wir zurück zur Kern-
energie wollen. Das heißt vielmehr, dass wir in einen
konstruktiven Dialog eintreten müssen, um zu klären,
wie wir diese Energiewende so gestalten, dass unsere
Wirtschaft am Ende nicht am Boden liegt; denn sonst
wird uns auf diesem Weg niemand folgen. Dann wäre
die Energiewende in Deutschland eine Insellösung, die
niemanden interessiert.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie ganz schlecht gemacht, Herr Nüßlein!)


Jeder wird über uns lachen. Das ist die Sorge unseres
Ausschussvorsitzenden Peter Ramsauer. Ich bitte Sie,
das wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und wenigs-
tens diese Ansicht zu teilen. Das wäre mir sehr wichtig.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia KottingUhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nehmen Ihre Bemühungen wohlwollend zur Kenntnis! Das war kein leichter Job, Herr Nüßlein!)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1802220800

Das Wort hat der Kollege Hubertus Zdebel für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802220900

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ramsauer, ich
freue mich, dass Sie persönlich anwesend sind, muss
aber feststellen: Sie haben aus Fukushima offensichtlich
nichts gelernt. Aus Fukushima zu lernen, heißt nicht:
AKW müssen länger laufen. Das Gegenteil ist der Fall:
AKW gehören abgeschaltet, und zwar unverzüglich.


(Beifall bei der LINKEN)


Offenbar lernen vor allem jene Teile der Menschheit,
denen Profite wichtiger sind als Menschen, nur bedingt
dazu. Nach Tschernobyl trauten sich die Atomiker über
20 Jahre nicht aus der Deckung. Nach dem Super-GAU
von Fukushima dauerte das gerade einmal zwei Jahre.
Atomkraft und verlängerte Laufzeiten werden nicht erst
jetzt ins Spiel gebracht. Das läuft bereits seit mehr als ei-
nem Jahr, und die Atomlobby hat noch nicht einmal rich-
tig losgelegt.

Die Äußerungen von Ihnen, Herr Ramsauer, zur Ver-
längerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken und
zum Ausstieg aus dem Ausstieg stehen nicht isoliert.
Ähnlich haben sich Unionsfraktionsvize Michael Fuchs
und der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder geäußert.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Was?)


Bei Ihnen fällt lediglich die Plattheit Ihrer Argumenta-
tion in Bezug auf die Stromkosten auf, Herr Ramsauer
– Zitat aus einem Spiegel-Interview –: „Wer die Preise
wieder senken will, muss zurück zur Atomkraft.“


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


Dass Atomstrom billiger ist, ist blanker Unsinn.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber das hat in den Reihen von CDU/CSU auch schon
vor Fukushima niemanden gestört, die Laufzeitverlänge-
rung für deutsche Atommeiler zu beschließen. Atom-
strom ist nicht billig, sondern unbezahlbar. Die Kosten
für die Atomenergie wurden mit milliardenschweren
Subventionen seit Jahrzehnten künstlich niedrig gehal-
ten.

Herr Ramsauer, in Ihrem Interview mit dem Spiegel
betonen Sie dutzendfach, wie sehr Ihnen die Wettbe-
werbsfähigkeit Deutschlands am Herzen liegt. Dabei
sind Atomkraftwerke, wie das Deutsche Institut für Wirt-
schaftsforschung kürzlich wieder betonte, marktwirt-
schaftlich nicht lebensfähig. Atomkraft ist in Deutsch-
land von 1950 bis 2010 mit circa 204 Milliarden Euro
subventioniert worden.


(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)


Das ist das Ergebnis einer 2010 veröffentlichten Studie
des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im
Auftrag von Greenpeace. Die Kosten hat der Steuerzah-
ler zu tragen, und das wird noch Jahre so weitergehen.
Ein abgeschriebenes AKW bringt den Atomkonzernen
in Deutschland pro Tag etwa eine halbe Million Euro
ein – mindestens.

Der im Sommer 2011 verabschiedete Atomkompro-
miss von Union, SPD, FDP und Grünen setzt elf weitere
Jahre auf die Atomkraft. Die Linke hat nachgewiesen,
dass der Ausstieg deutlich zügiger und schneller möglich
gewesen wäre.


(Beifall bei der LINKEN)


Zwar wurden die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie
das AKW Krümmel vom Netz genommen; die Betriebs-
genehmigung der übrigen neun Atomkraftwerke erlischt
jedoch nur schrittweise bis zum Ende des Jahres 2022.
Sie produzieren täglich neuen Atommüll – trotz des un-
verantwortlichen Risikos für die Bevölkerung. Wie
schon beim von Rot-Grün im Jahr 2000 beschlossenen
Atomausstieg richten sich die AKW-Restlaufzeiten nach
den Profitinteressen der Betreiber. Das steht ausdrück-
lich in der Begründung des Gesetzentwurfs aus dem Jahr
2011, aus der ich hier kurz zitieren möchte – man kann
das nicht oft genug sagen –:





Hubertus Zdebel


(A) (C)



(D)(B)

Auch die nunmehr vorgesehene zeitliche Befristung
der Berechtigung zum Leistungsbetrieb ist … so
ausgestaltet, dass die von dieser Regelung betroffe-
nen Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet
werden und den Betreibern eine Amortisation der
Investitionen sowie die Erzielung eines angemesse-
nen Gewinns weiterhin ermöglicht wird.

Hinzu kommt: Deutschland ist nach wie vor globaler
Player im nuklearen Exportgeschäft mit Atomkraftwerks-
technik und Brennelementen sowie bei Investitionen in
AKW in anderen Ländern. Die Linke fordert deshalb ei-
nen unverzüglichen und unumkehrbaren Atomausstieg.
Nur ein zurückgebautes Atomkraftwerk ist ein sicheres
Atomkraftwerk.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Restlaufzeiten der neun noch laufenden Atomkraft-
werke sollen deutlich verkürzt werden, möglichst noch
innerhalb dieser Wahlperiode. Daneben soll ein Verbot
der friedlichen wie militärischen Nutzung der Atomener-
gie im Grundgesetz verankert werden. Nur so kann ver-
hindert werden, dass eine neue Parlamentsmehrheit den
Ausstiegsbeschluss einfach revidiert.


(Beifall bei der LINKEN)


Für einen wirklichen Ausstieg aus der Atomwirtschaft
muss auch die Fertigung atomarer Brennelemente in
Gronau beendet werden. Die Zentrifugentechnik in der
Urananreicherungsanlage in Gronau ist hochbrisant. Sie
kann auch zur Produktion von Atomwaffen genutzt wer-
den.

Handeln ist das Gebot der Stunde. Wir sollten nicht
den Ramsauers dieser Welt folgen, sondern die richtigen
Konsequenzen ziehen und den Ausstieg in Deutschland
konsequent fortschreiben und wasserdicht machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb werde ich am Karfreitag mit vielen anderen Ak-
tivistinnen und Aktivisten vor der Urananreicherungsan-
lage in Gronau für den sofortigen Atomausstieg demons-
trieren.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Gehen Sie in die Kirche! Das ist sinnvoller am Karfreitag!)



Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221000

Kollege Zdebel, das war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für
Ihre weitere Arbeit und sicherlich auch viele weitere Re-
den.


(Beifall)


Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin dem Kollegen Ramsauer sehr dankbar für seine
Äußerungen, weil sie dokumentieren, dass der Atomaus-
stieg nichts Selbstverständliches ist. Wir werden sicher-
lich immer wieder dafür streiten müssen. Manchmal
ist man ein bisschen belächelt worden, wenn man in
einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der Bundestags-
wahl gesagt hat: Das ist ein einfaches Gesetz, und es
kann wieder aufgehoben werden. – Ich glaube, dass Herr
Ramsauer etwas ausgesprochen hat, was sicherlich nicht
nur er allein denkt. Es ist ja ein mühseliger Prozess ge-
wesen.

Die SPD hat dafür mehrere Jahrzehnte gebraucht; die
CDU/CSU hatte diese Überzeugung vor zwei oder drei
Jahren. Dass man dann hadert, ob das so richtig ist oder
nicht, ist verständlich. Deswegen werden wir, mögli-
cherweise auch an anderer Stelle, immer wieder darüber
diskutieren müssen.

Ute Vogt und ich haben überlegt, ob wir in unserer
Arbeitsgruppe darauf drängen sollten, dass in den Koali-
tionsvertrag der Satz aufgenommen wird: Es bleibt beim
beschlossenen Atomausstieg. – Wir dachten, das ist eine
Selbstverständlichkeit. Ich finde, es war richtig, das so
deutlich zu formulieren; denn das dokumentiert: In den
nächsten dreieinhalb Jahren, in dieser Konstellation, bei
dieser Bundesregierung bleibt es bei dieser glasklaren
Aussage, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der Kollege Ramsauer hat in seinem Spiegel-Inter-
view gesagt – jeder kann sich die Zitate ansehen –:

Welche Folgen die Energiewende für die Stromkos-
ten hat, hätte man sich vorher überlegen müssen.

Ich finde, damit spricht er etwas an, was auch für uns
Politiker ein entscheidendes Signal sein sollte, nämlich
die Frage der Verlässlichkeit und der Investitionssicher-
heit. Dieses Thema hat nämlich nicht nur für die Wirt-
schaft, die Sie vielleicht im Blick haben, Auswirkungen,
sondern auch für die vielen Menschen, die seit Jahren,
seit Jahrzehnten im Bereich der Erneuerbaren aktiv sind.
Deswegen ist es, gerade auf einem Gebiet wie der Ener-
giepolitik, tödlich, nach dem Motto „Rein in die Kartof-
feln, raus aus den Kartoffeln“ zu verfahren.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht Herr Seehofer doch jeden Tag!)


Das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, darf es
in Deutschland nie wieder geben. Man muss sich darauf
verlassen können, dass es bei dieser Energiewende
bleibt.


(Beifall bei der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, da sind wir mal gespannt!)


Hinzu kommt – in diesem Punkt sind wir überhaupt
nicht einer Meinung, Herr Kollege; die Vorredner haben
das schon ein bisschen problematisiert –, dass Sie sagen,
Atomstrom sei gleich billige Energie.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)






Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)

Es werden im Augenblick mehrere Millionen Euro für
Kampagnen zur Verfügung gestellt, es gibt großflächige
Plakate, und es gibt große Anzeigen. Aber wir alle wis-
sen, dass Atomstrom nie billig gewesen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist vielmehr eine Frage der politischen Steuerung
– das gilt auch für die Energiewende –, die Energiekos-
ten für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für
die Wirtschaft so zu gestalten, dass sie akzeptabel sind;
das ist unsere Aufgabe. Das hat man jahrzehntelang ge-
macht. Warum sollte das im Zeitalter der Erneuerbaren
nicht gehen? Es geht, wenn man will. Davon bin ich
überzeugt, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD)


Ich bin mir sicher, dass wir mit Barbara Hendricks
eine Ministerin haben, die versucht, das voranzubringen,
was für mich seit vielen Jahren die Grundlage dafür ist,
einen Weg weg von der Atomkraft zu fordern. Ich finde
– das muss immer, auch in einem solchen Interview,
Herr Kollege Raumsauer, gesagt werden –, es handelt
sich um eine hochunethische Technologie, wenn wir Ge-
nerationen, die von diesen Energiepotenzialen null Nut-
zen hatten, für Millionen Jahre Müll überlassen, von
dem wir heute nicht sagen können, was damit zu machen
ist. Allein dieses Argument reicht für mich aus, um alles
daranzusetzen, aus dieser Technologie so schnell wie
möglich auszusteigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben natürlich das Recht, auch in diesem Haus
immer wieder Kritik zu üben und Fragen zu stellen; wir
alle haben dieses Recht. Aber ich wünsche mir, dass wir
alle zusammen an dem Kurs der Energiewende festhal-
ten, sodass es in Deutschland nie wieder zu einem Rück-
fall in das atomare Zeitalter kommt. Daran sollten wir
alle arbeiten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1802221200

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Oliver Krischer das Wort.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Nüßlein, wie nötig diese Debatte war, hat vor allen
Dingen Ihr Wortbeitrag gezeigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit haben Sie deutlich gemacht, dass Sie noch längst
nicht da angekommen sind, wo viele andere schon lange
waren und manche hingekommen sind; dass diese Frage
für Sie noch lange nicht geklärt ist.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Sie wollen die Diskussionen von gestern führen! Die Themen sind Ihnen ausgegangen, Herr Kollege!)


Vor drei Jahren dachte ich, wir haben in diesem Parla-
ment einen Konsens,


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ja!)


was die Atomkraft angeht. Bei dem, was der Kollege
Miersch hier gerade gesagt hat, dachte ich: Dem kann
sich eigentlich niemand verweigern. – Ihr minimaler bis
nicht vorhandener Beifall zu diesen Äußerungen zeigt
aber ganz deutlich, wie notwendig diese Debatte ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe eben im Wirtschaftsausschuss gehört, dass
die Äußerungen, die der Parlamentsnovize Ramsauer da
gemacht hat, nicht so gemeint gewesen seien. Herr
Dr. Ramsauer, wer bei Ihrer Biografie – Bundesminister
und, ich weiß nicht, die sechste Legislaturperiode im
Bundestag –


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die siebte!)


solche Sätze in einem Spiegel-Interview sagt, sagt die
ganz bewusst, um eine Debatte anzustoßen, um eine De-
batte loszutreten. Sie selber haben eben angedeutet, wie
die Debatte bei Ihnen intern läuft: dass das tatsächlich
eine Frage ist, die im Raume steht.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das hätten Sie gerne! Den Gefallen tun wir Ihnen doch nicht!)


Deshalb ist es notwendig, dass wir hier darüber diskutie-
ren und das auch klar benennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU])


Was ich besonders zynisch finde: Sie erwecken den
Eindruck – bei Menschen, die diese Botschaft aufneh-
men –, dass Atomkraft billig sei, dass Atomkraft dazu
führe, dass die Strompreise sinken. Sie alle hier in die-
sem Hause wissen ganz genau, dass exakt das Gegenteil
der Fall ist: Die Kosten der Atomkraft sind die höchsten
im Vergleich zu allen anderen Formen der Energieerzeu-
gung. Das muss hier noch einmal klar und deutlich ge-
sagt sein, damit solche Äußerungen wie die Ihre nicht
stehen bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Kosten, die spätere Generationen, unsere Kinder
und Enkel, tragen müssen für das, was wir da hinterlas-
sen, sind – der Kollege Miersch hat das beschrieben –
noch nicht einmal eingerechnet. In meinem Wahlkreis
steht ein Forschungsreaktor, der AVR Jülich, mit einer
Leistung von 15 Megawatt; das entspricht irgendwie
fünf Windkraftanlagen. Sein Rückbau hat bis heute
700 Millionen Euro gekostet, und niemand zweifelt
mehr daran, dass er am Ende 1 Milliarde Euro kosten
wird. Die Endlagerung ist dabei noch nicht eingerechnet.
Wie kann man da heute den Eindruck erwecken, Atom-





Oliver Krischer


(A) (C)



(D)(B)

kraft erzeuge billig Energie? Das ist absurd. Diese Bei-
spiele kann man weiterdeklinieren: Die Asse wäre ein
weiteres Beispiel; auch dort werden Kosten in Milliar-
denhöhe auf uns zukommen. Es gibt viele andere Bei-
spiele mehr. Wie kann man da behaupten, Atomkraft sei
billig?

Der Unterschied ist – da liegt möglicherweise das
Problem –: Die Kosten der erneuerbaren Energien stehen
auf der Stromrechnung. Das, was Sie und vorherige Poli-
tikergenerationen mit der Atomkraft zu verantworten ha-
ben, steht nicht auf der Stromrechnung. Das wird anders
finanziert. Das bezahlen wir alle über unsere Steuern.
Das ist nicht transparent. Diese Kosten sind deutlich hö-
her als die gesamten Kosten der Energiewende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie doch!)


Ich sage Ihnen eines: Die Debatte, die wir führen, ist
ein bisschen auch eine bayerische Debatte; Herr
Dr. Ramsauer kommt aus Bayern. Bei dem, was wir in
den letzten Wochen aus Bayern gehört haben, kann ich
nur sagen: Das ist energiepolitischer Irrsinn. – Wenn be-
hauptet wird, die Förderung der erneuerbaren Energien
führe zu einer Deindustrialisierung Deutschlands, muss
ich sagen: Das ist ein völlig blödsinniger und fahrlässi-
ger Satz, der nur dazu dient, die Energiewende schlecht-
zureden. – Wenn das gesagt wird, antworte ich Ihnen:
Die personifizierte Gefahr einer Deindustrialisierung
Deutschlands, das ist Herr Seehofer, das ist die Politik,
die in Bayern gemacht wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Da müssen Sie sich in Bayern aber schlecht auskennen! Schauen Sie sich einmal die Industrie in Bayern an und vergleichen Sie das mit der Industrie bei Ihnen zu Hause!)


– Schauen Sie sich doch einmal an, was die Kommunal-
wahl an dieser Stelle gezeigt hat! – Was Sie machen, ist
das Gegenteil von Verlässlichkeit, da gilt mittags schon
nicht mehr, was vormittags energiepolitischer Grundsatz
war. Wer keine erneuerbaren Energien im eigenen Land
will, wer Stromtrassen ablehnt, der landet am Ende bei
einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken – da
werden Ihre Worte, Herr Dr. Ramsauer, dann zur Self-
fulfilling Prophecy; genau das ist die Politik, die im Frei-
staat von der CSU betrieben wird, dem reden Sie letzt-
endlich das Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nicht einmal den Gefallen tun wir Ihnen!)


Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt gerade in
Bezug auf die aktuelle außenpolitische Debatte. Auch
wenn es um Unabhängigkeit und Energiesicherheit geht,
kann die Antwort eigentlich nur eine sein: Wir müssen
auf erneuerbare Energien und auf Energieeffizienz statt
auf Risikotechnologien setzen, die uns von den Despo-
ten dieser Welt abhängig machen. Wir wollen erneuer-
bare Energien und Effizienz. Das ist die Antwort für
Energiesicherheit und für die Zukunft. Hier und nicht im
Rückgriff auf angeblich billige Atomkraft liegt die Ver-
antwortung für den Industriestandort Deutschland.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1802221400

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Steffen

Kanitz das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Kollege Krischer, wenn Sie die Debatte nicht
wollen, von der Sie glauben, dass Herr Ramsauer sie an-
gestoßen hat, dann frage ich Sie: Warum führen Sie sie
dann hier? Ich behaupte einmal, das tun Sie, weil das das
Einzige ist, wozu Sie debattieren können, weil das das
einzige Thema ist, bei dem alte Reflexe bedient werden
und Sie glauben, damit in der Bevölkerung Widerhall zu
finden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie nach der Diskussion im Ausschuss heute? Das ist doch unsäglich!)


„Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von
Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland“, das ist
der Titel der Aktuellen Stunde, den Sie angemeldet ha-
ben. Gibt es irgendeine Äußerung eines Vertreters der
Bundesregierung, mit der er sich gegen den Ausstieg aus
der Kernkraft ausspricht? Mir ist keine einzige bekannt.
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
beziehen sich einzig und allein auf die Äußerung eines
Parlamentariers, den Sie dann auch noch verzerrt wie-
dergeben.

Damit – das hat Kollege Nüßlein gerade sehr schön
deutlich gemacht – offenbaren Sie ein aus meiner Sicht
völlig falsches Verständnis von der Zusammenarbeit
zwischen Parlament und Regierung. Das Parlament kon-
trolliert die Regierung – und nicht andersherum. Bei al-
len Gesprächen, die wir zu Oppositionsrechten führen,
dürfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen, doch so selbstbewusst sein, diese Kontrollrechte
auch ernsthaft gegenüber der Regierung wahrzunehmen.

Unsere Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien
sind weltweit ehrgeizig und einmalig, und wir halten un-
sere Ziele auch ein. Ein Viertel der deutschen Strom-
erzeugung erwirtschaften wir schon heute aus erneuer-
baren Quellen. Die Energiewende kann aber nur zum
gesamtgesellschaftlichen Erfolg werden, wenn wir end-
lich die steigenden Energiekosten in den Griff bekom-
men. Nur so erhalten wir die notwendige Akzeptanz für
die Energiewende.





Steffen Kanitz


(A) (C)



(D)(B)

Das gilt im Übrigen für die Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes genauso wie für die Unternehmerinnen
und Unternehmer, womit wir bei dem Grund für die heu-
tige Aktuelle Stunde sind. Was hat Peter Ramsauer denn
gesagt? Die Energiekosten sind ein Standortfaktor. Zu
hohe Energiekosten gefährden den Wirtschaftsstandort
Deutschland.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch so!)


Auf diesen Zusammenhang hat er hingewiesen. Damit
liegt er völlig richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten früher aus der Atomkraft aussteigen sollen!)


Hohe Strompreise sind aber auch eine soziale Frage. Ich
kenne genug junge Familien aus Dortmund, denen die
steigenden Stromrechnungen zum Verhängnis werden


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atomare Unfälle sind auch eine soziale Frage! Das haben wir heute Vormittag gehört! Sie auch!)


und die sagen: Wir haben damit zukünftig ein Problem. –
Wir als Politik müssen es hinbekommen, dass beispiels-
weise der Facharbeiter in den Zementunternehmen unse-
rer Wahlkreise in die Lage versetzt wird, seine Strom-
rechnungen zu bezahlen.

Dieser Anspruch hat im Übrigen nichts mit der völlig
absurden und falschen Unterstellung zu tun, in Deutsch-
land wieder auf Kernenergie setzen zu wollen. Ganz im
Gegenteil: Weil wir uns in Deutschland im Konsens für
das Ende des Atomzeitalters entschieden haben, müssen
wir jetzt auch verantwortungsvoll dafür sorgen, dass die
Energiewende bezahlbar bleibt.

Natürlich muss das Erneuerbare-Energien-Gesetz ef-
fizienter und marktwirtschaftlicher werden; denn die
Energiewende ist eine Mammutaufgabe. Erste Erfolge
sind sichtbar: Die EEG-Reform wird den Kostenanstieg
der EEG-Umlage spürbar verlangsamen, bestehende
Überförderungen bei der Einspeisevergütung werden ab-
gebaut, und die Höhe der Förderung wird marktgerech-
ter gestaltet.

Auch wenn ich mir ein früheres Eintrittsdatum für das
Ausschreibungsmodell wünschen würde, setzt die Bun-
desregierung mit ihrem Kurs der Energiepolitik die rich-
tigen Prioritäten.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal einen Satz zum Thema der Aktuellen Stunde! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Er ist doch nicht Mitglied der Bundesregierung! Was soll denn der Blödsinn?)


Das gilt auch für die Ausgleichsregelung für strominten-
sive Unternehmen. Dort müssen wir darauf achten,
unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Auch
hier habe ich Vertrauen in unseren Energieminister, der
die nationalen Interessen unseres Industriestandortes
Deutschland verantwortungsvoll vertritt.
Wo würden wir denn heute mit einem grünen Um-
weltminister stehen?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weit besser! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Definitiv besser! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt sich Eigentor!)


Sie hätten die Ausnahmen doch längst kampflos aufge-
geben. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Auch
die EU-Kommission sieht mittlerweile ein, dass es sich
bei einem Großteil der Ausnahmeregelungen nicht um
eine ungerechtfertigte Subvention handelt, sondern dass
wir hier in Deutschland für Wettbewerbsgleichheit im
europäischen Kontext sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Atomkraft zu tun?)


Spinnen wir diesen irrwitzigen Gedanken – zugege-
benermaßen: das fällt mir schwer – einer Verantwortung
der Grünen für die Energiewende doch einmal weiter.
Sie wollen 100 Prozent erneuerbare Energien, Sie wol-
len den Ausstieg aus Kohle, Sie wollen den Ausstieg aus
Öl, und Sie wollen weiterhin eine hohe Förderung des
Staates einzelner Erzeugungstechnologien, ohne diese zu
hinterfragen. Meine Damen und Herren von den Grünen,
Ihre Vorstellungen der Energiewende führen zu explo-
dierenden Kosten.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Ausnahmen führen zu explodierenden Kosten!)


Das ist übrigens der Grund, warum die Menschen uns
– uns! – diese Aufgabe anvertrauen, nicht Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den letzten acht Jahre ist das schon schief gelaufen! Da sind nämlich die Preise gestiegen!)


Ihre Widersprüchlichkeit zeigt sich auch an der Um-
setzung der Energiewende vor Ort. Einerseits unterstüt-
zen Sie das Ende der Kernenergie. Aber neue hocheffi-
ziente Kraftwerke wie die in Datteln verteufeln Sie und
arbeiten aktiv gegen die Fertigstellung.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihrer Regierungszeit sind die Preise gestiegen!)


Um den ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin, der
anwesend ist, zu zitieren: Wer mit uns koalieren will,
muss sich darauf einstellen, dass diese Investition
– nämlich Datteln IV – nicht zu Ende geführt wird. –
Meine Damen und Herren von den Grünen, hören Sie
endlich damit auf, die Energiewende in Sonntagsreden
zu propagieren und vor Ort zu sabotieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das denn mit der Energiewende zu tun?)






Steffen Kanitz


(A) (C)



(D)(B)

Dafür, dass sich die grüne Opposition über die erfolg-
reiche Politik der Bundesregierung ärgert, habe ich Ver-
ständnis, aber kein Mitleid. Wir forcieren den Ausstieg
und machen weiter mit der Energiewende. Der größte
Garant für eine umweltfreundliche Energieversorgung,
die sicher und bezahlbar ist, bleibt eine Regierungsver-
antwortung von CDU und CSU.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Steffen Kanitz (CDU):
Rede ID: ID1802221600

Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe am Sonntagabend das Interview gelesen und
gedacht: Ich bin einfach baff! – Dann habe ich gedacht:
Irgendwo habe ich das schon gelesen. Ich habe dann
überlegt und verstanden, wo ich das gelesen habe: bei
der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Eine gute Adresse, die bayerische Wirtschaft!)


Vorher wurde hier über soziale Strompreise gespro-
chen. Ich möchte das mit dem, was im Interview steht, in
einen Zusammenhang bringen. Agenda 2010: Super!
Wenn die Regierung etwas anderes macht, ist das ein
Verrat an Schröders Erbe. Keinen Schluck mehr aus der
Pulle der Sozialleistungen. Der Mindestlohn ist eher
schlecht. Vor ihm wird gewarnt, weil das Auswirkungen
auf das ganze Gefüge hat und weil das Ganze nicht der
Beschäftigung dient. Rente mit 63 Jahren und Mütter-
rente sind eigentlich auch schädlich für den Wettbewerb
und für den Standort Deutschland.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Was man an so einem Interview alles diskutieren kann!)


Dann geht es um Strompreise: Wettbewerbsfähigkeit
über alles. Dann kommt der Satz: Wir müssen entschei-
den, ob wir uns die Energiewende so leisten können und
wollen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, „wollen“!)


Wir müssen entscheiden. – Wen er damit meint, sagt er
nicht: sich, die CSU, die Unternehmen, die Konzerne
oder Otto Normalverbraucher. „Wer die Preise wieder
senken will, der muss zurück zur Atomkraft.“ So steht es
wortwörtlich im Spiegel.

Hier wurde von alten Reflexen gesprochen. Es
stimmt: Das sind die alten Reflexe der CSU, die da wie-
der zum Vorschein kommen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nein, nein!)

Komischerweise ist das Interview erst am Montag veröf-
fentlicht worden, nicht an dem Wochenende davor; denn
am Sonntag waren Kommunalwahlen in Bayern.

Jetzt reden wir einmal über die Kosten der Atomkraft
in Deutschland. Von 1950 bis 2010 wurde sie mit circa
198 Milliarden Euro subventioniert. Das hat das Forum
Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft schon vor Jahren
errechnet. Darin enthalten sind Steuervergünstigen, die
Stilllegung von Meilern, Forschung inklusive Kernfusi-
onsforschung und die Mitgliedschaft in internationalen
Organisationen wie Euratom. Würde man die Kosten
konventioneller Energie, also Kohle und Atomkraft,
nach der Methode des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in
Form einer Umlage von den Stromverbrauchern bezah-
len lassen, hätte diese Energieumlage im Jahre 2012 um-
gerechnet 10,2 Cent pro Kilowattstunde betragen.

Müssten die Betreiber von Atomkraftwerken eine
Haftpflichtversicherung abschließen, wenn sie denn eine
bekämen, müssten sie für jedes Atomkraftwerk 72 Mil-
liarden Euro jährlich bezahlen. Das haben Finanzmathe-
matiker der Versicherungsbranche ausgerechnet. Der-
zeit ist die Haftpflicht der Betreiber auf knapp
250 Millionen Euro begrenzt. Ein weiterer Vorteil der
Atombranche: Wenn etwas passiert, bezahlen es natür-
lich die Verbraucher und die Steuerzahler; das ist klar.

Auch Professor Hirschhausen vom Deutschen Institut
für Wirtschaftsforschung konstatiert:

Atomkraft ist noch nie wettbewerbsfähig gewesen
und wird es auch nie sein … Weder in Europa, noch
an einem anderen Ort dieser Welt ist jemals ein
Atomkraftwerk unter marktwirtschaftlichen Bedin-
gungen gebaut worden. … Übliche Kostenschät-
zungen für Atomkraft beinhalten oft nicht den
Rückbau der Anlagen sowie die Endlagerung …,
ganz zu schweigen von den enormen Kosten mögli-
cher Großunfälle wie in Fukushima oder Tscherno-
byl.

– Darüber haben wir heute im Umweltausschuss Be-
richte gehört. Sie waren erschütternd. –

… Das finanzielle Risiko wird vom Staat, also uns
allen getragen.

Ende 2016 läuft die Brennelementesteuer aus. Dann
werden die Atomkraftwerke noch mehr zu Gelddruck-
maschinen, und die Gewinne werden natürlich nicht um-
verteilt, sondern die kassieren die großen Konzerne.

Jetzt reden wir noch über die Störfälle in deutschen
AKW. 2013 gab es in deutschen AKW 52 Störfälle. Das
ist jede Woche einer. Ich zähle sie Ihnen auf. Brokdorf:
6, Grafenrheinfeld: 3, Grohnde: 3, Gundremmingen B:
3, Isar 2: 5, Emsland: 3, Neckar 2: 9, Philippsburg 2: 20.
Das sind insgesamt 52 Störfälle. Erklären Sie bitte ein-
mal den Menschen, dass ihr Strom vielleicht billiger
wird, dass sie aber eventuell einen Störfall in Kauf neh-
men müssen! Reden wir auch über Isar 2 in Ohu, das
zurzeit heruntergefahren wird. Es gibt wieder einmal
große Probleme, und die Menschen sind wieder verunsi-
chert.





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)

Und dann wollen Sie in Gundremmingen in Bayern
die Kapazitäten hochfahren.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist vom Tisch! Gott sei Dank! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Vom Tisch! Sie reden von alten Zeiten, Frau Kollegin!)


Es gibt genug Studien darüber, dass das Kernkraftwerk
das nicht aushält. Ich halte diese Politik für verantwor-
tungslos, und ich bitte Sie und hoffe, dass Sie sich an die
Koalitionsvereinbarung und zumindest an das Gesetz
zum Atomausstieg 2022 halten.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Demonstrationen be-
ginnen. Am Samstag gibt es die ersten.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Aber hoffentlich mal die letzten!)


– Das werden nicht die letzten sein. Das beginnt jetzt
erst, auch in Ihrem Gebiet. – Wir stehen dahinter. Wir
unterstützen diese Initiativen, und wir sagen: Atomaus-
stieg möglichst schnell! Wir müssen die Menschen vor
solchen Ideen bewahren.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221800

Das Wort hat die Kollegin Hiltrud Lotze für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802221900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich komme aus dem Wahlkreis Lüchow-Dan-
nenberg – Lüneburg. In Lüchow-Dannenberg liegt Gor-
leben, und in Gorleben befindet sich das oberirdische
– ich betone ausdrücklich: das oberirdische – Transport-
behälterlager für hochradioaktiven Atommüll. In den
Jahren 1995 bis 2011 sind dort 113 Castorbehälter abge-
stellt worden. Sie stehen schön aufgereiht in einer eben-
erdigen Halle aus Stahlbeton mit einem Dach aus Beton-
platten. Im Volksmund wird sie Kartoffelscheune
genannt. Das gibt einen Hinweis darauf, dass das auf
Dauer nicht die richtige Behausung für die Castorbehäl-
ter ist.

In dieser Halle zu stehen, ist ein besonderes Erlebnis.
Ich empfehle das allen. Man sieht diesen Behältern nicht
an, welche tödliche Gefahr sich in ihnen verbirgt. Man
riecht nichts. Man schmeckt nichts. Aber man spürt die
Hitze, die von den Brennelementen ausgeht.

Die Region Lüchow-Dannenberg trägt seit mehr als
drei Jahrzehnten die größten Lasten aus der umstrittenen
Nutzung der Atomenergie in Deutschland. Die Men-
schen dort haben das Hü und Hott über die Atompolitik
gründlich satt. Sie sind auch zermürbt von dem jahrelan-
gen Prozess, den sie dort erlebt haben, den Castortrans-
porten und der strahlenden Gefahr, die sie vor der Haus-
tür haben.

Die Menschen dort sind aber mittlerweile Fachleute
geworden. Sie kennen die tödlichen Risiken, die von der
unbeherrschbaren Technik der Atomkraft ausgehen. Sie
kennen die Bilder und die Schilderungen aus Tscherno-
byl und Fukushima. Einige sind persönlich dort gewesen
und haben sich einen Eindruck verschafft. In jedem
Sommer kommen krebskranke Kinder aus Tschernobyl
und der umliegenden Region nach Lüneburg und Lü-
chow-Dannenberg, um sich in Deutschland für einige
kurze Wochen zu erholen. Nicht nur in meinem Wahl-
kreis, aber ganz besonders dort schütteln die Menschen
deswegen in diesen Tagen verwundert den Kopf, sind er-
schrocken oder – das gibt es auch – fühlen sich in ihrem
Misstrauen der Politik gegenüber bestätigt, wenn sie in
der Zeitung lesen – übrigens nur wenige Tage nach dem
Jahrestag von Fukushima –, dass in der Politik über eine
Renaissance der Atomkraft nachgedacht wird.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wer tut das denn?)


Ich muss es so formulieren: Für mich, die ich da schon
vorbelastet bin, ist es schon starker Tobak, wenn solche
Überlegungen aus den Reihen unseres Koalitionspart-
ners kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Koalitionsvertrag, für den ich im Übrigen vehement
geworben habe, steht wortwörtlich:

Wir wollen die Entwicklung zu einer Energiever-
sorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsen-
dem Anteil erneuerbarer Energien konsequent und
planvoll fortführen.

Ich denke, das gilt ohne Wenn und Aber, auch für Bay-
ern und die CSU.


(Beifall bei der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Bayern ist das immer so eine Sache!)


Wir haben im Übrigen – das wurde schon erwähnt –
auch die Endlagerfrage noch nicht gelöst. Daher verbie-
tet es sich, darüber nachzudenken, die Atomkraft weiter
zu nutzen und so weiteren Atommüll anzuhäufen, ganz
abgesehen – darauf habe ich eben schon versucht hinzu-
weisen – von den Gefahren, die von dieser Technik aus-
gehen, und den verheerenden Auswirkungen auf Mensch
und Natur im Fall eines Unfalls.

Die Überlegungen, Herr Ramsauer, die Sie angestellt
haben, befeuern vielleicht die Debatte – das merken wir
hier auch –, aber sie sind das falsche Signal. Ich emp-
finde es so, dass sie Misstrauen säen, und das ausgerech-
net in einer Phase, in der die Endlagersuchkommission
ihre Arbeit beginnen soll und wir besonderes Vertrauen
schaffen müssen, Vertrauen in die Verlässlichkeit von
politischen Beschlüssen, Vertrauen in die handelnden
Personen. Stattdessen wird hier ohne Not Vertrauen ver-
spielt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schade auch, Herr Ramsauer, dass Sie heute nicht die
Gelegenheit nutzen konnten, an der Sitzung des Um-





Hiltrud Lotze


(A) (C)



(D)(B)

weltausschusses teilzunehmen. Wir hatten eine öffentli-
che Anhörung.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich hatte keine Einladung!)


– Es tut mir leid, aber ich vermute, Ihr Büro wusste, dass
diese Sitzung stattfindet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte sich am Rednerpult entschuldigen können!)


Aber ich glaube, dass die Sitzung aufgezeichnet wurde.
Sie können es sich also noch nachträglich anschauen.

Es wäre sicherlich sehr informativ gewesen, dort
zuzuhören. Wir haben uns über Tschernobyl und Fuku-
shima informiert. Wir haben vom ehemaligen japani-
schen Ministerpräsidenten gehört, dass die hochentwi-
ckelte und technisierte Nation Japan die Probleme in
Fukushima selbst drei Jahre nach dem Unfall nicht in
den Griff bekommt. Herr Professor Kusnezow aus Russ-
land hat uns die Probleme und die Situation in Tscherno-
byl und Russland geschildert und gesagt, er verneige
sich vor uns – das fand ich sehr beeindruckend –, weil
wir den Atomausstieg besiegelt haben, und Deutschland
sei in diesem Prozess eine Lokomotive.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Da haben die Russen wieder recht!)


Ich bin froh, dass wir, die SPD, ein Teil dieser Regie-
rung und damit ein Garant dafür sind, dass wir nicht wie-
der den Ausstieg aus dem Ausstieg proben. Ich bin froh,
dass wir mit Sigmar Gabriel einen Minister haben, der
die Energiewende mit Hochdruck vorantreibt. Ich bin
mir ganz sicher, dass unsere Kanzlerin aus ehrlicher und
tiefer Überzeugung hinter der Energiewende und dem
Atomausstieg steht


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: So ist das! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfeifen im Walde!)


und nicht erneut versucht, eine Volte zu schlagen. Ich bin
mir auch ganz sicher, dass Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der CSU, Ihre Glaubwürdigkeit in dieser
Frage nicht verlieren wollen und natürlich genauso wie
wir zum Atomausstieg stehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon mehr-
fach in der heutigen Debatte gesagt worden: Der Aus-
stieg ist beschlossen. Für mich als Sozialdemokratin und
als Abgeordnete aus dem Wahlkreis, in dem Gorleben
liegt, ist unumstößlich, dass wir nie wieder zur Atom-
kraft zurückkehren und dass diese Koalition für den end-
gültigen Ausstieg steht. Ich möchte appellieren, dass wir
unsere Energie ab heute noch viel stärker darauf verwen-
den, für das Gelingen der Energiewende zu arbeiten,
weil das ein Beitrag dazu ist, eine bezahlbare, sichere
und ökologisch vernünftige Energieversorgung in der
Zukunft zu haben.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Hiltrud Lotze (SPD):
Rede ID: ID1802222000

Kollegin Lotze, das war Ihre erste Rede im Deutschen

Bundestag. Wir wünschen Ihnen natürlich viel Erfolg für
Ihre Arbeit.

Wenn ich noch einen persönlichen Wunsch, auch im
Namen meiner Präsidiumskollegen, anschließen darf:
Achten Sie bitte beim nächsten Mal durchaus auch auf
die Zeichen für die Redezeit.


(Hiltrud Lotze [SPD]: Die habe ich nicht mitbekommen!)


– Genau; es ist mir schon klar, dass das beim ersten Mal
so ist, aber ich bitte, in Zukunft darauf zu achten.


(Beifall)


Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Christian Haase das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802222100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich werde es
wahrscheinlich nicht schaffen, die Zeit jetzt wieder he-
reinzuholen, aber ich will mich bemühen.

Die Energiewende in Deutschland kann nur Erfolg
haben, wenn das Zieldreieck von Versorgungssicherheit,
Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit eingehalten wird. Was
bezahlbar ist, dafür haben die knapp 41 Millionen Pri-
vathaushalte in Deutschland ein sehr sicheres Gespür,
und darauf sollte die Politik hören.

Wenn Sie, liebe Oppositionskollegen von den Grünen
– ich sehe, Sie sind noch zu neunt; so wichtig scheint die
Debatte für Sie heute nicht zu sein –,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prozentual mehr als Sie!)


einmal ein Ohr für die Bürgerinnen und Bürger in unse-
rem Land hätten, dann wüssten Sie, dass es bei der Ener-
giewende vor allem auf die Akzeptanz in der Bevölke-
rung ankommt. Genau hierauf hat der Kollege Ramsauer
hingewiesen. Er hat auf die Risiken hingewiesen, die das
Zieldreieck gefährden könnten. Die Gefahren sind real,
und es wäre töricht, sie aus ideologischen Gründen nicht
zu bedenken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben im Augenblick in der Bevölkerung eine
Zustimmung von 89 Prozent zur Energiewende. Doch
diese Stimmung kann auch kippen, wenn der Strom zum
Luxusgut wird, wenn Unternehmen Arbeitsplätze ins
Ausland verlagern oder wenn Stromausfälle das private
und öffentliche Leben beeinträchtigen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man alles herbeireden!)






Christian Haase


(A) (C)



(D)(B)

Nach einer Umfrage des BDEW haben 70 Prozent der
Bevölkerung Angst vor steigenden Strompreisen.

Ich war vor meinem Wechsel in den Bundestag Bür-
germeister in Beverungen, einer ostwestfälischen Klein-
stadt im Kreis Höxter. Von meinem Wohnhaus blicke ich
auf das sich im Rückbau befindende Kernkraftwerk in
Würgassen. Ich habe daher schon aus privaten und be-
ruflichen Gründen eine sehr intensive Beziehung zum
Thema Energie. Sehr geehrte Frau Bulling-Schröter, ich
kenne den Unterschied zwischen Störfällen und melde-
pflichtigen Ereignissen. Vielleicht sollten Sie noch ein-
mal recherchieren. Das waren meldepflichtige Ereig-
nisse, die Sie eben angeführt hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nach dem Abschalten des Kernkraftwerkes 1996 ha-
ben wir sukzessive den Ausbau regenerativer Energien
bei uns vorangetrieben, dezentral, mit den Bürgerinnen
und Bürgern, mit aktiven Stadtwerken und auch immer
mit dem Blick auf die regionale Wertschöpfung. Mittler-
weile werden 60 Prozent des verbrauchten Stroms bei
uns im Kreis Höxter regenerativ erzeugt: 200 Windkraft-
anlagen, 5 000 Photovoltaikanlagen, 40 Biogasanlagen,
40 Wasserkraftanlagen. Zurzeit wird ein Wasserspei-
cherkraftwerk in meiner Heimatstadt geplant. Und das
alles mit breiter Zustimmung der Bevölkerung.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na also, geht doch!)


Warum? Weil wir die Bürgerinnen und Bürger mit-
nehmen und nach den Prinzipien von Maß und Mitte
agieren. Doch ich spüre: Auch bei uns ist die gute Stim-
mung keine Dauergarantie. Die rot-grüne Landesregie-
rung will uns mit dem Landesentwicklungsplan eine
Verdoppelung der Windkraft verordnen.

Es gibt keinen Schutz vor der bedrängenden Wirkung
von Windkraftanlagen, weil die Landesregierung schon
angekündigt hat, die Länderöffnungsklausel nicht zu
nutzen. Im Nachbarkreis sorgen von einer Goldgräber-
stimmung getriebene Windkraftinvestoren für Wild-
wuchs, weil Gerichte kommunale Planungen reihenweise
kippen. Jetzt stellt die Firma TenneT ihre Planungen für
die Nord-Süd-Gleichstromtrasse SuedLink vor und
macht alle Anfängerfehler hinsichtlich einer guten Kom-
munikation. Die Bürger gehen auf die Barrikaden und
stemmen sich mit aller Macht gegen den Bau dieser
Trasse.

Ich möchte Ihnen mit dieser Schilderung verdeutli-
chen: Es gibt keine Garantie, dass wir alle für die Versor-
gungssicherheit notwendigen Leitungen rechtzeitig er-
richten können. Die Planer des Stuttgarter Bahnhofs
lassen grüßen. Es gibt keine Garantie, dass der Ausbau
regenerativer Energien so positiv vorangeht. Es gibt
keine Garantie, dass wir das Speicherproblem rechtzeitig
lösen, und es gibt keine Garantie, dass wir Markt und
Kosten in einer Balance halten. Deshalb ist eine Energie-
politik mit Maß und Mitte, wie wir sie im Koalitionsver-
trag verankert haben und jetzt auch umsetzen, gefragt.
Ideologische Debatten oder das Spiel mit Ängsten, wie
mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde, sind da
kontraproduktiv.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, machen Sie mit, anstatt mit
Nebelkerzen zu werfen!

Abschließend, an den Kollegen Zdebel gerichtet: Kar-
freitag muss das Motto nicht Demo, sondern Demut sein.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Die würde Ihnen gut stehen!)



Christian Haase (CDU):
Rede ID: ID1802222200

Kollege Haase, auch für Sie war das heute die erste

Rede im Deutschen Bundestag.


(Beifall)


Ich möchte Ihnen ausdrücklich dazu gratulieren, dass Sie
die Redezeit nicht nur eingehalten, sondern sogar unter-
schritten haben.


(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Kollege Haase erkennt die Zeichen der Zeit! – Heiterkeit)


Das Wort hat der Kollege Klaus Mindrup für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802222300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist schon mehrfach erwähnt worden: Heute
Vormittag hat im Umweltausschuss die Anhörung zu den
Folgen der Atomkatastrophe in Tschernobyl und in Fu-
kushima stattgefunden. Was da gesagt wurde, hat mich
persönlich wirklich sehr tief erschüttert. Frau Lotze hat
eben schon auf das, was dort gesagt worden ist, hinge-
wiesen. Ich kann jedem hier wirklich nur empfehlen:
Schauen Sie sich die Aufzeichnungen an, oder lesen Sie
das Protokoll! Das, was dort steht, ist etwas, worüber wir
nachdenken müssen. Vor allen Dingen müssen wir uns
mit den weiteren Gefahren beschäftigen, die uns dort vor
Augen geführt worden sind. Ich denke vor allen Dingen
an die Gefahren von Atomkraftwerken, die bereits ein
sehr kritisches Lebensalter erreicht haben.

Meine Damen und Herren, auch wir in Deutschland
sollten nicht so arrogant sein, zu meinen, dass wir diese
Technik beherrschen können. Insofern begrüße ich es,
dass wir hier den Atomausstieg mit einem breiten Kon-
sens beschlossen haben. Das Positive der Anhörung
heute war: Uns wurde sowohl von japanischer als auch
von russischer Seite gesagt, dass wir, Deutschland, das
weltweite Vorbild für den Wandel hin zu erneuerbaren
Energien und Energieeffizienz sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das müssen wir vorantreiben.

Natürlich müssen wir auch über Kosten reden. Das ist
schon angesprochen worden; Kollege Miersch hat es ge-





Klaus Mindrup


(A) (C)



(D)(B)

sagt. Wenn man einen Vergleich zu atomaren und fossi-
len Großkraftwerken zieht, muss man sich natürlich ehr-
lich machen. Sich ehrlich machen bedeutet: Die externen
Kosten sind bei den bisher existierenden Kraftwerken
nicht berücksichtigt worden; das Thema Versicherung ist
in diesem Zusammenhang schon angesprochen worden.
Die zukünftigen Kosten werden nicht berücksichtigt.
Die Subventionen in der Vergangenheit werden nicht be-
rücksichtigt. Selten wird berücksichtigt, dass wir eine
Konkurrenz zwischen abgeschriebenen bzw. abbezahlten
Kraftwerken und neuen Kraftwerken, die sich noch refi-
nanzieren müssen – das betrifft übrigens auch effiziente
Gaskraftwerke –, haben. Man darf natürlich nicht nur auf
den Strombereich schauen, sondern muss sich auch den
Wärmemarkt und den Transportsektor ansehen. Diesbe-
züglich wird viel zu wenig über die Kosten geredet. Sie
sind nämlich stärker als im Strombereich gestiegen.

Ich komme zurück zum Stromsektor. Wir alle ge-
meinsam wissen – so besagt es auch der Koalitionsver-
trag –, dass der Ausbau der Windkraft im Binnenland
und der Netzausbau zusammen die Energiewende erst
bezahlbar machen. Insofern wundert es mich, dass ge-
rade aus Bayern, aus der CSU, die beiden wesentlichen
Aspekte, nämlich Windkraft im Binnenland und Netz-
ausbau, infrage gestellt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist unter den Gesichtspunkten von Kostengünstig-
keit und Wirtschaftlichkeit nicht nachvollziehbar.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Kollege Haase hat es bereits betont: Es geht auch
um Wertschöpfung – das ist mir persönlich sehr wich-
tig –; es geht auch um die industrielle Substanz unseres
Landes. Außerdem geht es darum, dass wir ein intelli-
gentes System haben wollen. Die neue Energiewelt wird
eine dezentrale Energiewelt sein. Ich weiß das persön-
lich: Unsere Genossenschaft hat hier in Berlin ein Block-
heizkraftwerk im Keller und eine Photovoltaikanlage auf
dem Dach. Übrigens stammt unser Blockheizkraftwerk
aus Bayern – die Hersteller sind durch die Diskussion
gerade etwas verunsichert –; vielleicht kann man auch
sagen: Es kommt aus Franken. Dann wissen Sie, woher
es kommt.

Ein Aspekt spielt für mich in der Debatte eine noch zu
geringe Rolle, nämlich dass wir das Internet und die
Energiewende stärker miteinander kombinieren müs-
sen – weg sozusagen von den unintelligenten Großkraft-
werken. Die moderne Mess-, Steuer- und Regelungs-
technik macht es uns nämlich möglich, die Strom- und
Wärmeerzeugung stärker miteinander zu kombinieren.
Wenn wir heute hören: „Speicher sind sehr teuer“, muss
ich sagen: Das gilt nicht für Wärmespeicher, das gilt
nicht für die großen Fernwärmenetze, und das gilt auch
nicht für die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung. Zum
Beispiel die Anlage bei uns im Keller könnte man über
eine intelligente Steuerung durchaus auch stromgeführt
fahren. Man muss nur Anreize schaffen, anstatt im
Grunde genommen die Wende hin zu dezentralen Syste-
men zu verdammen.

Wichtig sind noch die volkswirtschaftlichen Aspekte.
Wir alle altern. Wenn ich in 20 Jahren – hoffentlich – im
wohlverdienten Ruhestand bin, dann ist ein Großteil der
Investitionen in die Energiewende abbezahlt; wir haben
dann abgeschriebene Kraftwerke, und dann wird dieses
Land sehr gut von der Wende zu den erneuerbaren Ener-
gien leben können. Deswegen ist der Weg, den wir ge-
meinsam eingeschlagen haben, richtig und zukunftswei-
send.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme nun zurück zu dem Thema Atomenergie.
Wir haben Sinne, die uns bei der Atomenergie, aber auch
beim Klimawandel im Stich lassen. Wir können hören,
sehen, schmecken, riechen und tasten. Diese Sinne ver-
sagen bei der Radioaktivität, und sie versagen beim Kli-
mawandel. Deswegen sind wir da auch nicht so sehr
alarmiert. Wenn wir einen Sinn für radioaktive Strahlen
und für den Klimawandel hätten, dann sähe die Gesell-
schaft anders aus. Aber wir haben ja einen Kopf zum
Denken bekommen.

Wir sollten uns darüber klar sein, dass ein Windrad
auf dem Berg vielleicht die Landschaft verändert, aber
gleichzeitig unsere Wirtschaft und unsere natürlichen
Lebensgrundlagen sichert. Natürlich muss man Windrä-
der vernünftig planen, gemeinsam mit den Bürgerinnen
und Bürgern. Das Windrad auf dem Berg aber ist Zu-
kunft; es ist nicht Vergangenheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen also die Atomkraft nicht. Daher möchte
ich ganz besonders mit Blick auf die Anhänger der
Atomindustrie – glücklicherweise werden es immer we-
niger – mit einem alten Indianersprichwort schließen:
Spätestens wenn du merkst, dass das Pferd tot ist, das du
reitest, solltest du absteigen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Klaus Mindrup (SPD):
Rede ID: ID1802222400

Kollege Mindrup, auch Sie haben heute Ihre erste

Rede im Deutschen Bundestag gehalten. Ich wünsche
Ihnen als Berliner Kollegen alles Gute für Ihre weitere
Arbeit.


(Beifall)


Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Andreas Jung das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802222500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Lotze, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten
Rede im Deutschen Bundestag. Auf eines will ich aber





Andreas Jung


(A) (C)



(D)(B)

doch eingehen. Weil Sie Ihr Bedauern darüber zum Aus-
druck gebracht haben, dass der Kollege Dr. Ramsauer
heute früh nicht an der Anhörung im Umweltausschuss
teilgenommen hat, will ich einfach darauf hinweisen,
dass er, wie wir alle wissen, Vorsitzender des Wirt-
schaftsausschusses ist; das ist ja auch der Aufhänger für
diese Debatte. Wir wissen ferner, dass der Wirtschafts-
ausschuss heute früh getagt hat. Wir alle ahnen, dass
man einer Leitungsaufgabe dort nur nachkommen kann,
wenn man tatsächlich da ist.


(Hiltrud Lotze [SPD]: Ich verstehe!)


Ich kann Ihnen versichern: Trotz seines langjährigen
Wirkens in der Christlich-Sozialen Union ist dem Kolle-
gen Ramsauer die Gnade der Bilokalität noch nicht er-
wiesen worden.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leider! – Zuruf von der LINKEN: Gott sei Dank!)


Deshalb konnte er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.
Ich denke, wir können ihn als entschuldigt betrachten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit zur Sache. Es bestehen offenkundig Meinungs-
unterschiede darüber, ob die heutige Debatte notwendig
ist oder nicht. Die Frage, die gestellt wird, ist jedenfalls
schnell beantwortet. Sie richtet sich auf die Haltung der
Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für
Atomkraftwerke. Die Antwort ist leicht zu finden. Im
Koalitionsvertrag


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da stimmt doch schon die Hälfte nicht mehr!)


auf Seite 43 links oben – dass es oben steht, ist gut; dass
es links steht, ist Zufall; auch dieser Passus wird von al-
len Teilen der Koalition mitgetragen –


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


steht in nicht zu übertreffender Eindeutigkeit: Es bleibt
beim Ausstieg aus der Kernenergie. – Es steht dort fer-
ner: Das letzte Kernkraftwerk geht in Deutschland im
Jahr 2022 vom Netz. – Und: Wir werden in Europa für
diese Energiewende werben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist be-
schlossen, das ist gut und richtig so, und das bleibt so.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Klaus Mindrup [SPD]: Bravo!)


Ich will hinzufügen, dass es eine Entscheidung ist, die
ja nach reiflicher Diskussion, nach langjähriger Debatte
und am Ende auch nach einer sorgfältigen Abwägung,
was die Umstände und den Zeitpunkt angeht, getroffen
wurde. Auf Ratschlag der Ethik-Kommission Sichere
Energieversorgung hat der Bundestag das mit der großen
Mehrheit von vier Fraktionen, nämlich denen von
Union, SPD, Grünen und FDP, beschlossen, auch breit
abgestützt in den Ländern und in der Gesellschaft.
In dieser Kommission – ich finde es richtig, dass man
daran immer wieder erinnert – waren natürlich Vertreter
der Kirchen, es waren auch Vertreter der Wirtschaft, der
Wissenschaft, der Gewerkschaften dabei, und damit sol-
che, die sich mit der ethischen Frage beschäftigt haben,
aber auch solche, die sich mit wirtschaftlichen und so-
zialen Fragen beschäftigt haben. All diese haben am
Ende gesagt: Es gibt eine ethische Begründung für die-
sen Ausstieg. Wir haben Technologien, wir haben For-
men der Energieerzeugung, die die Risiken, die die
Kernenergie durch den Umgang mit bzw. die Verwen-
dung und später die Endlagerung von radioaktivem Ma-
terial hat, nicht mit sich bringen. Deshalb ist es richtig
und notwendig, auszusteigen.

Sie haben aber gleichzeitig auch in dieser Breite, also
Vertreter von Kirchen, von Gewerkschaften, gesagt – das
sage ich an die Adresse der Vertreter der Linken, die teil-
weise einen sofortigen Ausstieg gefordert haben –: Es ist
nicht möglich, das von heute auf morgen zu machen. Wir
wollen es schneller machen, als es vereinbart war; wir
wollen es sogar erheblich schneller machen. Aber wir
brauchen für dieses große Projekt ein Jahrzehnt. Diese
Zeit müssen wir uns nehmen, um tatsächlich den Umbau
hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen. Wenn wir es
nämlich sofort machen würden – auch das haben sie ge-
sagt –, dann würde es zu erheblichen sozialen Verwer-
fungen kommen. Ich denke, auch das sollten Sie beden-
ken, wenn Sie fordern, man solle sofort aussteigen.
Damit würden wir, wie ich glaube, unserer Gesamtver-
antwortung für Ökologie, Soziales und Wirtschaft nicht
gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das in
einem so breiten Konsens möglich war, schafft doch
jetzt die Chance, gemeinsam, statt die Debatten von ges-
tern zu führen – dieses Kapitel ist abgeschlossen –, nach
vorne zu schauen. Die Frage ist nicht mehr: Kernenergie
oder Erneuerbare? Die Frage ist vielmehr: Wie schaffen
wir es, erneuerbare Energien so effizient zu fördern, dass
die Kosten möglichst gebremst werden? Wie schaffen
wir es, dass wir wirtschaftlich davon Vorteile haben und
es nicht dazu kommt, dass daraus ein Standortnachteil
oder gar eine soziale Frage wegen steigender Preise
wird? Ich glaube, das ist eine Aufgabe, der wir uns ge-
meinsam annehmen sollten, immer mit dem Ziel vor Au-
gen: Wir wollen eine vollständige Versorgung mit erneu-
erbaren Energien erreichen. Wir wollen dabei so schnell
wie möglich vorankommen. Und wir wollen dies so tun,
dass der Klimaschutz weiterhin Priorität genießt.

All das zusammen – Erneuerbare fördern, aus der
Kernenergie aussteigen, aber unter Berücksichtigung un-
serer Klimaziele nicht den Weg zur Kohle einschlagen –
sind die Herausforderungen, um die es jetzt geht.


(Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Darüber sollten wir diskutieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1802222600

Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Lenz für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802222700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber
sprechen wir eigentlich heute? Letztlich über ein Inter-
view von Peter Ramsauer, in dem er auf Gefahren für
den Wirtschaftsstandort Deutschland hinweist. Ich meine,
das steht dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses
durchaus zu.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Neuerdings scheint dies allerdings so außergewöhnlich
zu sein, dass die Grünen dazu eine Aktuelle Stunde be-
antragen.

Was hat Peter Ramsauer eigentlich gesagt? Er hat ge-
sagt: „Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion.“
Und weiter – das ist wohl auch mit der Stein des Ansto-
ßes –: „Wer die Preise wieder senken will, muss zurück
zur Atomkraft.“ Peter Ramsauer hat nie gesagt, dass er
die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern will.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Schon die in Ihrem Antrag für diese Aktuelle Stunde
enthaltene Formulierung, „Äußerungen von Peter Ramsauer,
die Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland zu
verlängern“, entspringt also rein Ihrer blühenden Fanta-
sie.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia KottingUhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann interpretieren Sie den Satz einmal! Ich als Germanistin kann das nicht anders verstehen!)


Peter Ramsauer drückt mit seiner Formulierung ge-
rade aus, worum es im Kern bei der EEG-Novellierung
geht, nämlich um eine Begrenzung des Anstiegs der
Stromkosten.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum spricht er dann von Atomkraft?)


Hätte Peter Ramsauer das mit bayerischem Idiom vor Ih-
nen gesagt, hätte ich verstehen können, dass es nicht alle
aus Ihrer Fraktion verstehen, obwohl der bayerische Dia-
lekt Herrn Hofreiter geläufig sein sollte. Aber er ist
heute nicht anwesend.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der redet nicht so einen Stuss!)


So muss man Ihnen ein bewusstes Falsch-verstehen-
Wollen unterstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Trotzdem freut sich Peter Ramsauer über die im-
mense Aufmerksamkeit und das politische Blitzcome-
back, dass er so schnell wieder in das Zentrum der politi-
schen Debatte gerückt ist, wobei die unfreiwillige
Werbung für den Spiegel sicher nicht in seinem Sinne
war.


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist lang genug dabei, dass er weiß, welche Wirkung das hat!)


Bei der anstehenden Reform des EEG geht es darum,
dass die Kostendynamik bei den erneuerbaren Energien
nicht aus dem Ruder läuft, sondern gebremst wird. Es
geht auch darum, den Industriestandort Deutschland und
damit Tausende von Arbeitsplätzen nicht zu gefährden.
Und es geht darum, eine schleichende Abwanderung von
Industriearbeitsplätzen zu verhindern.

Der Weg zum Ausstieg aus der Atomkraft ist vorge-
zeichnet. Die Termine für die Abschaltung der Kern-
kraftwerke, wie zum Beispiel Grafenrheinfeld – Ende
2015 – und Gundremmingen B – Ende 2017 –, stehen
fest. Wir halten am Atomausstieg fest. Die Messe ist ge-
lesen. Spätestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in
Deutschland abgeschaltet.

Ja, die Energiewende bietet immer noch Chancen, ge-
rade für die regionale Wertschöpfung. Bereits heute
stammt rund ein Viertel des produzierten Stroms aus er-
neuerbaren Energien. Der im Koalitionsvertrag festge-
legte Ausbaukorridor steht mit 40 bis 45 Prozent Erneu-
erbaren bis 2025 und 55 bis 60 Prozent bis 2035 fest.
Mit dieser Zielsetzung unterscheiden wir uns grundle-
gend von dem, was die Grünen in ihrer Regierungszeit
getan haben. Sie haben zwar den Ausstieg aus der Kern-
energie beschlossen, jedoch keinen Weg aufgezeigt, wie
die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umge-
stellt werden kann.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Sie haben sich überhaupt nicht um die Preisentwicklung,
den Netzausbau, den Speicherausbau und die Sicherheit
der Versorgung gekümmert.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren seit acht Jahren!)


Sie haben vielmehr einseitig einen unkoordinierten und
ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien betrie-
ben. Das müssen und werden wir jetzt reparieren.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich die Rede von Herrn Bareiß kopieren!)


Es geht darum, den Ausgleich der wegfallenden Kern-
kraftkapazitäten sicherzustellen. Die Grundlastfähigkeit
muss nun einmal gewährleistet werden.

Auf diese Herausforderungen hat Peter Ramsauer
hingewiesen. Auch seine Aussage, dass man den Men-
schen keine sinkenden Strompreise versprechen sollte,
ist nur ehrlich. Wir sind es und nicht Sie, die den Ausbau
der erneuerbaren Energien wirtschaftlich vernünftig vo-
rantreiben. Wir sind es und nicht Sie, die mehr Markt bei
der Energiewende umsetzen. Und wir sind es, die den In-
dustriestandort Deutschland erhalten werden.





Dr. Andreas Lenz


(A) (C)



(B)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir kämpfen für den Erhalt der besonderen Aus-
gleichsregelung. Die Befreiung von energieintensiven
Unternehmen von der EEG-Umlage ist wirtschaftspoli-
tisch geboten. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel:
Wenn die Ausnahmen für die Industrie wegfallen, würde
ein privater Haushalt dadurch circa 55 Euro pro Jahr we-
niger Stromkosten bezahlen. Wegen der zu erwartenden
Wohlstandsverluste würde das real verfügbare Einkom-
men jedoch jährlich um circa 500 Euro sinken. Das, was
wir verteilen, müssen wir erst erwirtschaften. Auch hier
hat Peter Ramsauer recht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor Ort erlebt man, dass es eine hohe Zustimmung
zur Energiewende gibt. Über 80 Prozent der Menschen
halten die Energiewende für richtig. Nur ein umsichtiger,
ehrlicher und realistischer Blick auf die Probleme, die
mit der Energiewende verbunden sind, gewährleistet
langfristig deren Akzeptanz. Ich danke Peter Ramsauer
noch einmal für seinen Beitrag zur Debatte.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1802222800

Das war der letzte Beitrag in dieser Aktuellen Stunde.

Sie ist damit beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 20. März 2014,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
einen erfolgreichen Tag.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1802222900