Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: 17. Bericht der Bundesregie-
rung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Frau
Dr. Maria Böhmer.
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Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin-nen und Kollegen! Der 17. Bericht der Bundesregierungzur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik stand heutezur Beratung im Bundeskabinett an. Bevor ich darüberberichte, möchte ich eine kurze Vorbemerkung machen,die Sie alle sicherlich nicht überrascht. Ich habe das Amtneu übernommen und freue mich auf eine gute Zusam-menarbeit. Mir wurde von vielen berichtet, wie intensivdie Zusammenarbeit gerade im Bereich der AuswärtigenKultur- und Bildungspolitik ist. Vor diesem Hintergrundhabe ich mit besonderer Neugierde diesen Bericht gele-sen. Ich muss sagen, ich fand ihn nicht nur spannend,sondern ich bin begeistert. Sie sehen, ich freue mich, mitIhnen, und zwar nicht nur mit den Personen, die ich gutkenne, zusammenzuarbeiten. Ich glaube nämlich, dieserBericht ist eine gute Grundlage für die weitere Zusam-menarbeit.Dieser Bericht zeigt in der Tat gerade angesichts gro-ßer Konfliktsituationen und Krisen, wie wichtig die Bei-träge der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sind:Denn die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik kannzur Bewältigung von Krisen- und Konfliktsituationenbeitragen. Es geht uns dabei um eine langfristige undnachhaltige Partnerschaft.Natürlich ist es auch wichtig, den Bildungs- und Wis-senschaftsstandort Deutschland zu fördern. Denn damitwird unsere wichtigste Ressource, nämlich Bildung, ge-sichert.Wir haben – das dürfte uns alle sehr freuen – jüngstdurch mehrere Studien erneut erfahren, dass Deutsch-land in der Welt sehr angesehen ist. Dieses Ansehenmüssen wir weiter stärken. Vertrauenswürdigkeit, Ver-lässlichkeit und Zukunftsorientierung, aber auch Innova-tionsfreundlichkeit werden uns zugeschrieben.Ich lege ein besonderes Augenmerk auf die Willkom-menskultur. Nachdem wir in der letzten Legislaturpe-riode die Weichen dafür hier im Land gestellt haben, istes auch sehr sinnvoll, mit aller Kraft und Kreativität dieMöglichkeiten der Auswärtigen Kultur- und Bildungs-politik auszuloten und zu nutzen, um die Willkommens-kultur weiter voranzubringen. Für die Arbeit im Bundes-tag ist eines entscheidend: Manch einer hat mir gesagt:Es gibt hier eine sogenannte Große Koalition, wenn esum Kultur- und Bildungspolitik geht. – Ich würde sagen:Es gibt hierbei eine Allparteienkoalition. Ich sage rück-blickend herzlichen Dank an alle, die sich so intensiveingebracht haben.Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zielt aufnachhaltige Netzwerke und langfristige Partnerschaften.Gerade wenn es um Globalisierung geht, ist dies beson-ders wichtig.Für mich war der Ausbau der Schulen im Auslandsehr beeindruckend. Die Partnerschulinitiative PASCHgibt es seit 2007. Sie wurde damals von der Großen Ko-alition ins Leben gerufen und hat sich sehr gut weiterent-wickelt. Sie nimmt eine wichtige Brückenfunktion ein.Dazu gehört auch die Verabschiedung des Auslands-schulgesetzes in der letzten Legislaturperiode. Hier erin-nere ich an meine Vorgängerin, Cornelia Pieper, die mirdieses Thema noch einmal in den Blick gerückt hat. Ichweiß, dass sie hier viel Unterstützung erfahren hat.Eine Brückenfunktion nimmt auch der Studentenaus-tausch ein. Jetzt richte ich den Blick ganz besonders aufdie Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament. Esgeht ja darum, dass wir ausreichende finanzielle Mittelzur Verfügung haben. Es sollte – das hat sich ja sehr be-währt – alles darangesetzt werden, dass es hier nicht zu
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Staatsministerin Dr. Maria Böhmerden Kürzungen kommt, die bisher im Haushaltsentwurfvorgesehen sind.Die Anziehungskraft des WissenschaftsstandortsDeutschland weiter zu erhöhen, ist ein Ziel unserer Ar-beit. Wir stehen im globalen Wettbewerb um die klugenKöpfe. Ich finde, wir müssen alle Anstrengungen unter-nehmen, um in diesem Wettbewerb gut abzuschneiden.Dazu gehört auch die von Bund und Ländern entwickelteStrategie für die Internationalisierung der Hochschulenin Deutschland, die darauf zielt, diese Internationalisie-rung weiter zu stärken.Was mich immer wieder freut, ist die starke Nach-frage nach Deutsch als Fremdsprache. Die Goethe-Insti-tute setzen sich mit viel Begeisterung und viel Kraft da-für ein. Ich selbst habe es an etlichen Goethe-Institutenhautnah verfolgen können und war sehr angetan von derInitiative „DEUTSCH 3.0“, die jetzt ergriffen wordenist. Ob es um Asien, um Lateinamerika oder aktuell umdie Vorbereitung des deutsch-russischen Jahres der Spra-che und Literatur geht: All das hat, wie ich glaube, einegroße Bedeutung.Die größte Zahl der Deutschlerner findet sich, wennwir den Blick auf die europäischen Nachbarländer rich-ten, in Polen. Russland und Frankreich folgen in harterKonkurrenz. In Südeuropa ist die Nachfrage wirklichüberschäumend: Die Goethe-Institute in Madrid undBarcelona platzen aus allen Nähten. Das relativiert viel-leicht auch so manche Deutschland-Kritik, die wir in denMedien wahrnehmen. Die Menschen wenden sich in derTat Deutschland zu, setzen auf uns als starken Partner.Das halte ich für eine ganz wichtige Botschaft. Das be-deutet natürlich auch, dass wir gerade in Zeiten, in denenin Europa eine Finanzkrise herrscht und man sich fragt,wie es weitergeht, die europäische Idee immer weitertragen müssen. Dazu dient auch die Auswärtige Kultur-und Bildungspolitik, die wir entsprechend mit Leben fül-len müssen.Ich halte es für spannend, wenn man die Perspektivender anderen kennenlernt, sie einbindet und damit eingrößeres Verständnis erzeugt. Ich würde gerne den Satz,den ich in der deutschen Integrationspolitik gesetzt habe:„Wir reden miteinander und nicht übereinander“, auf dieAuswärtige Kultur- und Bildungspolitik übertragen, beider es schließlich darum geht, die Willkommenskulturzu festigen.Wir haben 2014 ein wichtiges Gedenkjahr vor uns.Wir sollten es zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg,den Zweiten Weltkrieg und den Mauerfall vor 25 Jahrennutzen; denn Europa ist in der Tat die Antwort auf diedamaligen Konflikte.Wir sollten auch den arabischen Transformationspro-zess weiter mit aller Kraft unterstützen.Ich komme zu einem Thema, das gerade gestern imGespräch mit dem marokkanischen Kulturminister nocheinmal eine Rolle gespielt hat, nämlich die beruflicheBildung. Die Einrichtung der Zentralstelle für internatio-nale Berufsbildungskooperation ist gelungen. Ich glaube,wir sollten offensiv unterstützen, dass berufliche Bil-dung in anderen Ländern zu einem Exportschlager wird,aber nicht im Sinne eines Überstülpens. Vielmehr solltenwir nach den jeweiligen Bedingungen fragen und darananknüpfen.Ich will auch hier im Deutschen Bundestag einenherzlichen Dank an alle Mittlerorganisationen sagen.Dazu gehören die sogenannten Flaggschiffe, das Goethe-Institut und der DAAD.Weil wir in die Haushaltsberatungen gehen, zumSchluss dazu noch ein Wort: Die Haushaltseckwerte für2013 wiesen den stolzen Betrag von 1,65 MilliardenEuro für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitikaus. Das Auswärtige Amt verfügte über einen Anteil von787 Millionen Euro. Das sind Rekordwerte! Wir wissen,dass die Ansätze im ersten Entwurf des Haushalts 2014jetzt nicht mehr so hoch sind. Das sollte uns gemeinsamherausfordern, genau hinzuschauen und zu einer ver-nünftigen, wirklich guten Grundlage für die AuswärtigeKultur- und Bildungspolitik zu kommen. Ich sage nocheinmal: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Jetztbin ich gespannt auf die Diskussion.Herzlichen Dank.
Danke. – Da die Auswärtige Kulturpolitik manchmal
etwas zu kurz kommt, haben wir drei Minuten Redezeit
dazugegeben, damit sie im Zusammenhang dargestellt
werden konnte.
Wir haben schon eine ganze Reihe von Wortmeldun-
gen von sehr engagierten Kolleginnen und Kollegen:
Dr. Dehm, Claudia Roth, Ulla Schmidt, Ernst Dieter
Rossmann und Dr. Thomas Feist.
Das Wort hat jetzt also Kollege Dr. Dehm.
Herr Präsident! Frau Staatsministerin, 2011 ist ein Pa-radigmenwechsel in der Auswärtigen Kulturpolitik ein-getreten. Es geht nun weniger um einen ergebnisoffenenAustausch als um eine Eingliederung in die Ziele derAußenpolitik. Gegen diesen Paradigmenwechsel gab eskritische Einlassungen, auch von der von Ihnen so ge-schätzten Kollegin Schmidt. Von Ihnen, Frau Staatsmi-nisterin, würde ich gerne wissen: Wie wollen Sie das mitder Idee Europas – wobei ich hinzufügen möchte: Esgibt mehrere Ideen Europas – verbinden? Wie würdenSie das näher eingrenzen? Ich frage das insbesondere vordem Hintergrund, dass die Idee Europas hier am Mikro-fon schon einmal so vertreten wurde: „Man spricht wie-der deutsch in Europa.“ – Im Grunde ja weniger eine tas-tende, sondern mehr eine brachial-expansive Idee. Michwürde also sehr interessieren, wie Sie dazu stehen.Im Koalitionsvertrag steht, dass Auswärtige Kultur-und Bildungspolitik auch als Instrument der Krisenprä-
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Dr. Diether Dehmvention im weiteren Sinne zu verstehen ist – das ist füruns als Linke etwas alarmierend – und dass es um dieVermittlung der Werte Freiheit, Demokratie und Men-schenrechte geht. Ich hätte ich mich gefreut, wenn im100. Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs im Koali-tionsvertrag auch der Begriff „Frieden“ gestanden hätte.Das war meine erste Frage. Ich habe danach hoffent-lich noch einmal die Gelegenheit, eine zweite zu stellen.
Lassen wir aber zunächst einmal die anderen Kolle-
ginnen und Kollegen zu Wort kommen. Wir haben be-
reits einen Zuschlag von 39 Sekunden auf die Redezeit
gegeben, um für ein bisschen Ausgleich zu sorgen. –
Frau Staatsministerin, bitte.
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Herr Präsident! – Herr Kollege Dehm, auch ich habe
immer wieder von diesem Paradigmenwechsel gehört
und versucht, dem nachzuspüren. In zahlreichen Gesprä-
chen ist mir jedoch versichert worden, dass die Auswär-
tige Kultur- und Bildungspolitik von einer sehr großen
Kontinuität gekennzeichnet ist. Was Sie mit Paradigmen-
wechsel meinen, ist – so verstehe ich Sie – das Indienst-
nehmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.
Ich glaube, die Mittler, ob das die Goethe-Institute sind,
die deutschen Auslandsschulen, der DAAD oder die
Alexander-von-Humboldt-Stiftung, würden das weit zu-
rückweisen. Sie machen vielmehr eine sehr eigenstän-
dige Arbeit. Das halte ich auch für wichtig.
Auch den Brückenschlag, den man macht, indem man
sich mit den Ländern austauscht, ist wichtig. Ich habe
eben ja sehr bewusst gesagt: Wir reden nicht übereinan-
der, sondern miteinander. Dieser Austausch und das
Aufeinanderzugehen ist für mich entscheidend in der
Kulturpolitik.
Lassen Sie mich als Beispiel das gestrige Gespräch
mit dem Kulturminister aus Marokko anführen. Es
zeigte sich, wie wichtig es ist, wechselseitig die Wurzeln
auszuloten, sich besser kennenzulernen, auch dort das
jüdische Erbe in den Blick zu rücken und dann nach
Möglichkeiten zu suchen, wie man es sowohl in
Deutschland, aber auch in Marokko über Wertediskussi-
onen, über den Austausch von Künstlern und über den
Jugendaustausch wieder fruchtbarer macht. Das ist ein
wichtiger Ansatzpunkt; an diesem sollten wir gemein-
sam weiterarbeiten.
Schönen Dank. – Das Wort hat jetzt Claudia Roth.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Frau Böhmer, im Namen unserer Fraktion möchte ich
Ihnen sagen: Wir freuen uns auf eine gute und konstruk-
tive Zusammenarbeit.
Ich habe drei kurze Fragen. Erstens. Sie haben vom
Gedenkjahr 2014 gesprochen. Es wäre gut, wenn wir
eine Aufstellung darüber bekommen könnten, welche
konkreten Projekte es gibt. Ich möchte erwähnen, dass es
noch weitere Jahrestage gibt: vor 70 Jahren der Aufstand
im Warschauer Getto, vor 20 Jahren der Völkermord in
Ruanda, vor 25 Jahren der Aufstand auf dem Tianan-
men-Platz. Es gibt also viel, was uns interessiert.
Zweitens. Russland spielt nicht nur, aber auch wegen
Sotschi eine zentrale Rolle in diesem Jahr. In diesem
Sommer beginnt das deutsch-russische Jahr. Was ist ge-
plant? In der Vergangenheit waren solche Jahre, sei es
das deutsch-brasilianische oder das deutsch-indische
Jahr, immer Thema in unserem Ausschuss. Wir würden
uns wünschen, dass es nicht nur Wirtschaftsausstellun-
gen gibt, sondern dass solche Jahre tatsächlich mit Aus-
wärtiger Kulturpolitik angereichert sind. Was passiert
also im Zusammenhang mit dem deutsch-russischen
Jahr?
Dritte Frage: Herr Gauweiler hat immer gesagt: Wenn
gar nichts mehr geht, dann geht – vielleicht – Kulturpoli-
tik. Gibt es Überlegungen, in Syrien und den Nachbar-
staaten, also in einer Region, die im Moment von einer
grauenhaften Katastrophe heimgesucht wird, den Men-
schen mit Auswärtiger Kulturpolitik so etwas wie ein an-
deres Grundnahrungsmittel zu geben?
Muss ich jetzt stehen bleiben?
Frau Kollegin, das wäre freundlich und parlamenta-
risch üblich. – Die Frau Staatsministerin wird jetzt ant-
worten und dabei ab und zu einen Blick auf die Ampel
werfen.
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Ich achte auf die Ampel und bemühe mich, zu ant-worten, solange es grün ist. Ich beeile mich.Ich fange mit dem letzten Punkt an. Uns treibt natür-lich die Frage um, wie wir den Menschen in Syrien indieser katastrophalen Not, in dieser Ausweglosigkeithelfen können. Es geht um Nahrungsmittel, um Hilfe-stellungen für Flüchtlinge, die das Land verlassen wol-len, und es geht um die medizinische Versorgung.Nichtsdestotrotz müssen wir uns auch um den Kultur-gütererhalt kümmern. Ich habe darüber mit der General-direktorin der UNESCO gesprochen. Ich nehme an, dassdieses Thema auch Ihnen am Herzen liegt. Man mussauch in diese Richtung denken, denn wir haben erlebt,wie in anderen Ländern Kulturgüter zerstört worden sindund nun unwiederbringlich verloren sind. Wir wollenHilfestellung leisten, zum Beispiel bei der Registrierung,bei der Aufnahme dieser Güter. Das wird der ersteSchritt sein. Darüber können wir uns gerne noch einmalaustauschen. Ich glaube, das ist abgesehen von der ak-tuellen Nothilfe ein sehr wichtiger Punkt.Zum Zweiten haben Sie nach dem deutsch-russischenSprachenjahr gefragt. Der Deutschunterricht genießt inRussland offenbar einen sehr hohen Stellenwert. Es gibtdort 2,3 Millionen Schülerinnen und Schüler, dieDeutsch lernen; davon bin ich begeistert. Das bedeutet
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Staatsministerin Dr. Maria Böhmeraber auch, dass man die Deutschlehrer in Russland un-terstützt, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern.Es gibt dort jetzt auch einen eigenen Verband. Das an-dere ist, dass die russische Seite ein Interesse daran hat,dass die russische Sprache hier in Deutschland einen gu-ten Stellenwert hat.Damit kommen wir zum Punkt Jugendaustausch. Daswar mir ganz wichtig. Ich finde Begegnungen von Ju-gendlichen mit Politikern und insbesondere, dass sie beiihnen zur Sprache kommen und Gehör finden, sehrwichtig. Das habe ich bei Gesprächen mit Kollegen ausRussland sehr in den Blick gerückt.Wenn es um Sotschi geht, sollten wir uns nicht nurüber die Goldmedaillen freuen – ich finde es klasse, wiegerade die Frauen abgeschnitten haben –, sondern wirsollten auch sehen, wie es mit den Menschenrechten undden Rechten sexueller Minderheiten aussieht.
Danke schön. – Als Nächste hat das Wort die Kolle-
gin Ulla Schmidt, SPD-Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, auch von mei-
ner Fraktion die besten Wünsche. Auch wir freuen uns
auf eine gute Zusammenarbeit. Wir sind froh, dass mit
Außenminister Frank-Walter Steinmeier wieder jemand
an der Spitze des Ministeriums steht, für den die Aus-
wärtige Kultur- und Bildungspolitik eine wirkliche Her-
zensangelegenheit ist; das haben wir alle ja in den Jahren
2005 bis 2009 auch erlebt.
Meine Frage: Derzeit führen wir eine große Debatte
über die neue Verantwortung, die Deutschland in der
Welt wahrnehmen muss. Für uns alle hier ist klar, dass
militärische Einsätze nur die Ultima Ratio sein können.
Da wir stark auf die Krisenprävention setzen, ist die
Frage: Wie will das Auswärtige Amt der Auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik im Zusammenhang mit der
Krisenprävention einen noch stärkeren Stellenwert ge-
ben? Was wollen Sie tun, damit wir in Konfliktsitua-
tionen – Stichwort: Sender und Empfänger – frühzeitig
eingreifen können? Wie gedenken Sie, die Mittlerorgani-
sationen, die übrigens alle auf eine sichere finanzielle
Basis gestellt werden müssen – diesbezüglich haben wir
in den letzten vier Jahren große Verwerfungen miterle-
ben müssen –, einzubeziehen, damit sie nicht am Ende
vor fertige Konzepte gestellt werden?
D
An der Stelle halte ich es für wichtig, voneinander zu
lernen. Viele der Mittlerorganisationen sind hautnah vor
Ort. Mir ist vonseiten der Goethe-Institute berichtet wor-
den, welche Erfahrungen sie gerade in Ägypten gesam-
melt haben. Dort sind sie nach wie vor sozusagen die
Anlaufstelle. Das ist wichtig, weil unsere politischen
Stiftungen dort leider andere Erfahrungen machen muss-
ten. So kommen die Menschen zu ihnen, wenn es um
Fragen der Demokratisierung geht: Wie bauen wir ein
rechtsstaatliches System auf?
Mit Blick auf den Transformationscharakter ist aber
auch die Unterstützung des universitären Bereichs in
Ägypten wichtig. Das gilt übrigens auch für Tunesien.
Ein entscheidender Gesichtspunkt wird sein, jungen
Menschen eine Perspektive zu geben. Sie müssen wis-
sen, dass sie auch in ihrem Land eine Chance haben, und
sie müssen die Möglichkeit bekommen, diese zu nutzen.
Deshalb ist der Austausch, den wir über Stipendien für
junge Wissenschaftler fördern können, wichtig. Aber
wenn die jungen Leute in ihr Land zurückkehren, müs-
sen sie sehen, dass sich dort Strukturen aufbauen.
Außerdem wichtig für mich ist der Dialog der Kultu-
ren. Denn viele der Konflikte – das sehen wir, wenn wir
in die arabische Welt schauen – haben auch kulturelle
und historische Hintergründe. Diesen Dialog müssen wir
fortführen und intensivieren. Auch damit leisten wir ei-
nen Beitrag in den Transformationsländern, geben wir
jungen Menschen eine Chance.
Herzlichen Dank. – Als Nächster hat das Wort der
Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann, SPD-Fraktion.
Frau Staatsministerin, Sie waren so ehrlich, anzuspre-
chen, dass der Regierungsentwurf des Haushalts, den
Schwarz-Gelb vorgelegt hatte, leider Kürzungen in Be-
zug auf den DAAD und andere Organisationen enthielt
und dass Ihnen das Sorge macht. Gleichzeitig drückten
Sie die Hoffnung aus, dass Schwarz-Rot dies ändern
wird. Vielleicht können Sie mit Blick auf die internatio-
nale Studienförderung, auf die Austauschförderung und
speziell auch auf das Programm bzw. die Strategie
„DAAD 2020“, die sich der DAAD im Jahr 2013 vorge-
nommen hat, noch einmal besonders herausarbeiten,
weshalb es so wichtig ist, dass es Änderungen gibt ge-
genüber der Richtung, in die es gemäß dem Entwurf von
Schwarz-Gelb laufen sollte.
Als Nachfrage darf ich anschließen: Kann man wirk-
lich guter Hoffnung sein, dass diese Regierung die Kraft
findet, das ressortübergreifend so zu ändern, dass Sie bei
Gelegenheit eine sehr gute Botschaft in Bezug auf den
DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung ver-
künden können?
– Natürlich auch bezüglich Goethe-Institute und andere.
Ich wollte es aber gerne auf diesen Punkt zuspitzen.
Frau Staatsministerin.
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Ich glaube, jeder hat eine besondere Nähe zu der ei-nen oder anderen Mittlerorganisation. Ich sehe es so, wiees Kollegin Schmidt gesagt hat, dass alle wichtig sind.Denn sie haben auch unterschiedliche Funktionen.
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Staatsministerin Dr. Maria BöhmerMir wurde berichtet, dass es sozusagen eine klassi-sche – ich will jetzt nicht sagen gute – Tradition ist, dasssich die Haushälter, aber auch diejenigen Kolleginnenund Kollegen, die im Unterausschuss Auswärtige Kul-tur- und Bildungspolitik sind, bei den Haushaltberatun-gen dafür starkmachen, dass der Haushaltstitel späterentsprechend ausfällt. Darauf setze ich. Das war wohlnicht nur in der letzten Legislaturperiode so, sondernauch in vorausgehenden. Ich registriere jetzt, dass es,wenn wir vom ersten Regierungsentwurf 2014 ausgehen,in absoluten Zahlen gesehen immerhin der dritthöchsteTitel ist. Aber ich sage auch: Da ist Luft nach oben, unddiese wollen wir gemeinsam nutzen.Ich habe gesehen, dass es drei Bereiche gibt, wo wirbesonders hinschauen sollten. Einer ist die deutscheSprache. Momentan besteht dort auch noch finanziellerHandlungsbedarf. Wenn die Nachfrage so groß ist, sollteman sie auch befriedigen können. Das Stipendienpro-gramm liegt uns allen, glaube ich, sehr am Herzen. Dashabe ich auch am Kopfnicken gemerkt. Denn geradewenn es um Fachkräfte geht, um die Brückenfunktion,ist dieses Thema wichtig. Wir sollten auch ein Auge aufden Schulfonds haben, damit sich die gute Entwicklungim Bereich der PASCH-Schulen fortsetzen kann.
Herzlichen Dank. – Als Nächster hat Kollege
Dr. Thomas Feist von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, es wird Sie
nicht überraschen, dass sich auch unsere Fraktion auf die
Zusammenarbeit in ganz besonderer Art und Weise
freut. Mit dem voraussichtlichen Unterausschussvorsit-
zenden Peter Gauweiler werden wir einen Mitstreiter ha-
ben, dem die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
sehr am Herzen liegt.
Ich bin dankbar für die Frage meines Kollegen
Rossmann. Sie, Frau Staatsministerin, haben in der Ant-
wort zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Haus-
halt der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sehen
lassen kann. Wenn Sie, Frau Kollegin Schmidt, sagen,
dass die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ein
Herzensanliegen des neuen Bundesaußenministers
Frank-Walter Steinmeier ist, dann bin ich mir ganz si-
cher, dass es mit vereinten Kräften und der Unterstüt-
zung auch solcher Kollegen wie Herrn Dr. Rossmann ge-
lingen wird, gerade im Bereich der Flaggschiffe – dazu
haben Sie auch den DAAD gezählt – Verbesserungen zu
erreichen. Wir werden Sie dabei unterstützen.
Meine Frage zielt auf einen Bereich, der in der letzten
Legislaturperiode erfreulicherweise hinzugekommen ist.
Sie haben die berufliche Bildung erwähnt. Die Zentral-
stelle für internationale Berufsbildungskooperation, die
beim BIBB eingerichtet worden ist, ist da ein zentraler
Ansprechpartner. Was ist Ihre Vision, wenn es darum
geht, die wirtschaftliche und soziale Lage in Europa
nachhaltig zum Guten zu wenden? Ein Ziel war ja auch,
die grassierende Jugendarbeitslosigkeit in Europa mit
Berufsbildungsmaßnahmen nach deutscher Machart zu
fördern. Was können wir in dieser Legislaturperiode in
der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik im Bereich
der beruflichen Bildung gestalten?
Frau Staatsministerin.
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Ich will das an drei Punkten verdeutlichen:
Erster Punkt. Wir haben ein großes Netz von Aus-
landsschulen. Diese Schulen sind in der Regel allge-
meinbildende Schulen, auf denen man Abitur macht,
auch das internationale Abitur. Dieses Netz verstärkt um
berufliche Qualifizierung zu ergänzen, wäre sehr sinn-
voll. Das müssen wir mit den Partnerschulen aushan-
deln, aber auch mit den entsprechenden Ländern. Das In-
teresse daran ist allerdings, so sage ich es einmal, sehr
unterschiedlich ausgeprägt.
Damit komme ich zum zweiten Punkt: Wir müssen
auch in Ländern, die nicht mit unserem dualen System
vertraut sind, für unsere Art der beruflichen Bildung
– auch ein duales Studium kann dabei ein spannender
Ansatz sein – und dafür, dass man auch dort diesen Weg
gehen kann, werben. Das heißt, wir müssen die Eltern
stärker einbinden. Die Goethe-Institute haben dabei
schon einige Erfahrung. Diese Erfahrung sollte ausge-
baut werden.
Dritter Punkt. Wir müssen vor Ort alle Kräfte bün-
deln. Deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind
und die Ausbildung dort entsprechend dem deutschen
Ansatz dual organisieren – auch im Austausch mit den
Unternehmen vor Ort –, zeigen, dass man damit erfolg-
reich sein kann, dass das eine Perspektive ist. Das zu
konzentrieren, indem man vor Ort Netzwerke aufbaut
und Runde Tische organisiert, scheint mir ein guter Weg
zu sein. Wir können ja nicht von heute auf morgen das
duale System sozusagen in Reinkultur exportieren – das
wollen wir auch nicht. Es geht jedoch um den Geist, der
sich damit verbindet: Erfahrungen in der Schule und Er-
fahrungen im Unternehmen miteinander zu kombinie-
ren, um damit bessere Chancen zu haben. Das scheint
mir ein guter Weg zu sein.
Danke schön. – Als Nächster hat das Wort der Kol-
lege Harald Petzold, Fraktion Die Linke.
Frau Staatsministerin, ich möchte gerne noch einmaldas Stichwort „Auslandsschulen“ aufgreifen und michnatürlich Ihrem Lob für die Arbeit, die dort geleistetwird, anschließen. Wenn man allerdings die Einrichtun-gen vor Ort besucht – ich hatte letztens die Gelegenheitdazu –, gewinnt man manchmal den Eindruck, dass dieLösung, die gewählt wurde, also dass diese Schulenmehr oder weniger frei in der Luft hängen, nicht diegünstigste ist. Das betrifft vor allem ihre Ausstattung,die teilweise doch schon in die Jahre gekommen ist. Dasführt dann jedoch nicht wie bei Schulen in den jeweili-
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Harald Petzold
gen Bundesländern dazu, dass Modernisierungsmaßnah-men und bauliche Ergänzungen usw. stattfinden – voninhaltlichen Dingen will ich dabei gar nicht sprechen.Vielleicht könnten Sie ein paar Ausführungen dazu ma-chen, wie Ihrer Vorstellung nach zum einen diese Schu-len in die inhaltliche Debatte in Deutschland integriertwerden können und wie zum anderen für eine bessereAusstattung gesorgt werden kann.
Frau Staatsministerin.
D
Die Erfahrungen mit der Ausstattung der Auslands-
schulen dürften sehr unterschiedlich sein. Sie haben von
einem schwierigen baulichen Zustand gesprochen, viel-
leicht verbunden mit Schwierigkeiten, den Unterricht so
zu gestalten, wie wir uns das vorstellen. Ich habe vor
einiger Zeit eine Auslandsschule in Istanbul besucht. Da
muss ich sagen: Was die Ausstattung dieser Schule an-
geht, würde manche Schule in Deutschland vor Neid er-
blassen. Ich will damit sagen: Die Unterschiede sind
groß.
Von entscheidender Bedeutung für uns ist die Qualität
des Unterrichts. Unser Ansatz ist deshalb, Möglichkeiten
der Lehrerfortbildung zu eröffnen und auch moderne
Formen des Lehrens und Lernens zu unterstützen, zum
Beispiel die neuen Technologien sehr viel stärker zu nut-
zen. Manche Schulen in Deutschland setzen begeistert
Whiteboards ein, auch wenn nicht jede Lehrkraft davon
begeistert ist. Das sind Möglichkeiten, die man nutzen
muss. Wir sollten das schwerpunktmäßig voranbringen,
und zwar über die Exzellenzinitiative.
Mit dem Auslandsschulgesetz haben wir jetzt schließ-
lich eine sicherere Grundlage für die Finanzierung so-
wohl baulicher Art als auch, was den Unterricht anbe-
trifft. Da muss man jetzt genau schauen. Gerne können
wir Einzelfälle, die Ihnen aufgefallen sind, in den Blick
nehmen.
Danke schön. – Als Nächster hat das Wort der Kol-
lege René Röspel, SPD-Fraktion.
Frau Staatsministerin, Sie erwähnten den glücklichen
Umstand, dass in Russland offenbar 3,3 Millionen Men-
schen
Deutsch lernen. Es gibt ja die Imagekampagne „Study in
Germany“. Ich habe dahin gehend eine Frage an die
Bundesregierung: Wäre ein Programm namens „Study in
German“ nicht eine gute Idee? Dadurch könnte man den
Menschen, die im Ausland Deutsch lernen, das Angebot
machen, in deutscher Sprache zu studieren und einen
deutschen Abschluss zu machen, zum Beispiel über
Fernstudiengänge; das hat es bereits gegeben. Das Ange-
bot würde folgendermaßen lauten: Studiert auf Deutsch,
bleibt aber zu Hause und arbeitet dort weiter.
Frau Staatsministerin.
D
Danke. – Ich finde die Idee gut. Ich glaube, man sollte
beides tun. Ein Klassiker in Deutschland ist die Fernuni-
versität Hagen. Es gibt an dieser Stelle aber noch viele
andere Angebote.
Was ich auch für wichtig halte, ist der unmittelbare
Kontakt hier in Deutschland. Denn wer in Deutschland
studiert, macht sich nicht nur in einem Fach fit, sondern
erfährt hoffentlich durch den Kontakt zu Kommilitonen,
wie das Leben in Deutschland läuft und wie wir ticken,
und kann dann umgekehrt seine Erfahrungen einbringen.
Ich selbst habe diese Erfahrung in meiner Studentenzeit
gemacht. Damals habe ich in einem Studentenwohnheim
zusammen mit einer Studienkollegin aus Afrika und mit
einer Studienkollegin aus Persien – heute Iran – ge-
wohnt. Das hat mich sehr geprägt, muss ich sagen. Des-
halb finde ich, dass man beide Wege beschreiten sollte.
Ich bin sehr gespannt, ob Sie noch weiter gehende
Ideen diesbezüglich haben und auch Vorschläge, wie
man das umsetzen könnte. Wir sollten einmal die Köpfe
zusammenstecken.
Danke schön. – Die nächste Wortmeldung kommt
vom Kollegen Dr. Karamba Diaby von der SPD-Frak-
tion.
Frau Staatsministerin, ich bedanke mich für Ihr
Engagement – wir kennen uns ja durch Ihre früheren Tä-
tigkeiten – und wünsche Ihnen viel Erfolg im neuen
Amt!
Meine Frage bezieht sich auf Ihre Aussage: Wir wol-
len eine Willkommenskultur entwickeln. – Das wird im
Koalitionsvertrag an vielen Stellen erwähnt. Gerade in
Bezug auf Ihren Bereich würde mich interessieren: An
welchen konkreten Projekten machen Sie das fest?
Meine zweite Frage bezieht sich auf die Goethe-Insti-
tute im Ausland. Wir wissen, dass der Nachweis von
Deutschkenntnissen für die Familienzusammenführung
erforderlich ist und daher viele Menschen den Deutsch-
unterricht in den Goethe-Instituten im Ausland besu-
chen. Es gibt aber nicht in allen Ländern dieser Welt
Goethe-Institute. Können Sie uns bitte sagen, welche Er-
kenntnisse Ihnen für diese Länder vorliegen, also wie
groß der Bedarf nach Deutschkursen in Ländern ohne
Goethe-Institut ist?
Danke schön. – Frau Staatsministerin, bitte.
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Der Zuspruch zu den Deutschkursen an den Goethe-
Instituten ist in der Tat sehr gut. Ich glaube, sie haben
nicht nur das Ziel, Deutsch als Alltagssprache zu vermit-
teln. Was zunehmend in den Blick rückt, ist auch die be-
rufsbezogene Sprache. Wenn unser Land für Menschen
attraktiv sein soll, die herkommen, um hier ihren Le-
bensmittelpunkt zu finden und ihren beruflichen Weg zu
gehen, dann ist dieser Ansatz natürlich wichtig. Das
Netzwerk der Goethe-Institute sichert außerdem auch
den Sprachenaustausch.
Es gibt einen Punkt, an dem ich gerne gemeinsam mit
Ihnen arbeiten würde – es handelt sich um ein Thema,
das uns beiden wie auch vielen Kolleginnen und Kolle-
gen sehr vertraut ist –: der Ehegattennachzug und der
Spracherwerb im Herkunftsland. Hier brauchen wir ei-
nen schnelleren Übergang von den guten Sprachkursen,
die man im Herkunftsland besucht, zu dem dann an-
schließenden Sprachangebot hier in Deutschland, damit
die erworbenen Kenntnisse in der Zwischenzeit – nur
weil es so lange dauert, bis man ein Visum bekommt –
nicht verschwinden.
Sie haben nach der Willkommenskultur gefragt. Ein
Umsteuern allein reicht nicht. Man muss das Ganze mit
Leben erfüllen. Ein Bereich, den das betrifft, ist der
Hochschulbereich. Wenn ausländische Studierende zu
uns kommen, dann ist die Situation nicht immer die,
dass man Tür an Tür lebt, so wie ich es erlebt habe. Es
ist daher wichtig, dass man an den Hochschulen ein Netz
des Willkommens und des Miteinanders aufbaut. Dies
wollen wir hier in Deutschland entsprechend unterstüt-
zen.
Ein weiterer Gedanke, den ich mit der Willkommens-
kultur verbinde, lautet: Willkommenskultur beginnt
nicht erst, wenn man in Deutschland einreist, sondern
schon im Ausland. – Wir haben mit dem Gesetz zur An-
erkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen in
der letzten Legislaturperiode einen Meilenstein gesetzt.
Das muss aber im Ausland entsprechend vermittelt wer-
den. Diese Einladung muss daher vonseiten der deut-
schen Botschaften, der Goethe-Institute und aller Betei-
ligten gestaltet werden.
Als Nächster hat der Kollege Franz Thönnes von der
SPD-Fraktion das Wort.
Frau Staatsministerin, ich knüpfe an die Frage des Kol-
legen Röspel an. – Stellt sich bei der in Europa wirklich
einmaligen Größenordnung von 2,3 Millionen Deutsch-
lernern in Russland nicht auch die Frage, ob es aus euro-
päischer und deutscher Sicht nicht sinnvoll wäre, mit
dazu beizutragen, dass die EU-Bildungsprogramme
– COMENIUS für die Schulbildung, ERASMUS für die
Hochschulbildung, LEONARDO für die berufliche Bil-
dung und GRUNDTVIG für die allgemeine Erwachse-
nenbildung – auch für diese russischen Deutschlerner
geöffnet werden, um den Austausch zwischen unseren
Ländern auch in diesem kulturellen Bereich zu erwei-
tern? Wie steht die Bundesregierung dazu?
Frau Staatsministerin.
D
Ich finde, diesen Gedanken müssen wir einfach ein-
mal ausloten. Es gibt viele junge Frauen und Männer aus
dem Ausland, die hier in Deutschland mit großer Begeis-
terung studieren. Der Spracherwerb hilft dabei eine
ganze Menge. Sie haben jetzt den wichtigen Punkt ange-
sprochen, wie es finanziell aussieht, und das würde ich
gerne ausloten.
Herzlichen Dank. – Jetzt folgen noch zwei Fragen zu
diesem Themenkomplex – eine zweite Frage von Herrn
Dr. Dehm und eine zweite Frage von Herrn
Dr. Rossmann – und danach noch zwei sonstige Fragen.
Herr Dr. Dehm.
Frau Staatsministerin, Sie haben eben Sotschi und die
Menschenrechte in einen Zusammenhang mit den Me-
daillen gerückt. Vergessen Sie aber bei den hoffentlich
zu erwartenden Toren in Katar bitte auch nicht die Ar-
beitssklaven dort.
Frau Kollegin Schmidt, Willy Brandt sagte nicht, die
Militäreinsätze seien die Ultima Ratio, sondern sie seien
die Ultima Irratio. Da das so ist, sind der Dialog der Kul-
turen und die Verständigung über Sprachförderung be-
sonders wichtig.
Deshalb frage ich nach den Budgets der Goethe-Insti-
tute. Diese sind in der letzten Legislaturperiode konti-
nuierlich gekürzt worden. Im Koalitionsvertrag steht der
windelweiche Begriff, dass sie „adäquat ausgestattet“
würden. Mir reicht hier Ja oder Nein als sehr kurze Ant-
wort. Während der Kollege Rossmann seine Frage groß-
koalitionär verblümt hat,
frage ich ganz präzise: Können Sie ausschließen, dass
die Budgets der Goethe-Institute gekürzt werden? Ist
möglicherweise eine Aufstockung um den Inflationsaus-
gleich, der nicht im Haushaltsentwurf steht, möglich?
Frau Staatsministerin.
D
Die Frage muss ich eigentlich an das Parlament zu-rückgeben; denn die Budgethoheit liegt beim Parlament.Selbst wenn die Bundesregierung das so machen wollte,wie Sie es jetzt unterstellen, träfe das Parlament dieletzte Entscheidung.
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910 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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(B)
Staatsministerin Dr. Maria BöhmerIch wünsche mir, dass die Mittel für die Goethe-Insti-tute stimmen.
Danke schön. – Als Nächster hat der Kollege
Dr. Rossmann, SPD-Fraktion, noch einmal das Wort.
Als Abgeordnete im Bildungsausschuss konnten wir
vor einiger Zeit eine Fahrt nach Chile machen, und wir
haben dabei natürlich auch die deutschen Auslandsschu-
len in Santiago de Chile und in Concepción besucht. Es
gibt in diesem Zusammenhang eine doppelte Wahrneh-
mung: Einerseits ist es gut, dass es überall deutsche Aus-
landsschulen gibt, andererseits sind sie manchmal auch
notleidend, weil das klassische Modell der Auslands-
schulen nicht mehr der Zahl der Menschen, die sich dort-
hin begeben können, gerecht wird.
Deshalb habe ich eine Rückfrage: Ist es vorstellbar,
dass man deutsche Auslandsschulen zwar behält, aber
auch eine Entwicklung in Richtung europäischer Aus-
landsschulen zulässt? Europäische Partner – deutsche,
französische und andere – könnten diese Lücke dann
nämlich mit schließen helfen, und gleichzeitig wäre man
in der Fläche besser vertreten. Dadurch würde auch ein
Mehrwert erreicht, da Europa in der Welt intensiver
wahrgenommen wird als jedes einzelne europäische
Land für sich.
Frau Staatsministerin.
D
Nach meiner Kenntnis gibt es in Santiago de Chile
drei deutsche Auslandsschulen in unterschiedlicher Trä-
gerschaft. Ich frage einmal zurück: Sind es mehr?
Sie haben recht: In der Stadt Santiago de Chile sind es
drei deutsche Auslandsschulen. In Concepción gibt es
aber natürlich keine drei, sondern dort fragt man sich
eher, ob man die eine, die es dort gibt, halten kann.
D
Daran erkennen wir auch den Unterschied, den ich
eben schon bei der Beantwortung der vorherigen Frage
angesprochen habe. In der Tat ist die Situation unter-
schiedlich: Eine Schule in Santiago hat, glaube ich, weit
über 2 000 Schüler, eine andere Schule über 1 000 Schü-
ler. Die kleinere Schule ist die der Ursulinen, die dem
Thema Inklusion besonders verbunden sind. An Schulen
in anderen Orten sieht es wiederum anders aus.
Da muss man sehr genau hinschauen. Ich bitte um ein
bisschen Zeit, um mir das genauer ansehen zu können,
um dann auch gerne mit Ihnen zu überlegen: Wie finden
wir einen sinnvollen Weg, um ein solches Schulangebot
aufrechtzuerhalten?
Herzlichen Dank. – Zu anderen Themenbereichen der
heutigen Kabinettssitzung liegen mir im Moment keine
Wortmeldungen vor. Gibt es sonstige Fragen an die Bun-
desregierung? – Dazu sind zwei Fragen angemeldet wor-
den, eine von der Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/
Die Grünen, und eine von dem Kollegen Harald Ebner,
Bündnis 90/Die Grünen. Wir beginnen mit der Frage der
Kollegin Renate Künast und machen dann mit der Frage
des Kollegen Ebner weiter.
Ich frage die Bundesregierung: Wie erklärt die Bun-
desregierung ihre Enthaltung bei der Abstimmung über
die Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie
1507 gestern im Europäischen Rat? Diese Enthaltung ist
dafür verantwortlich, dass es am Ende keinen Stopp des
Zulassungsverfahrens geben wird.
– Da Sie gerade dazwischenrufen: Die Bundesregierung
hätte problemlos andere Mitgliedstaaten überzeugen
können, anders abzustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so macht man das. Ich
habe es schon einmal gemacht.
Vor allen Dingen: Wir erklärt uns die Bundesregie-
rung ihre Enthaltung angesichts der Tatsache, dass im
Koalitionsvertrag steht: „Wir erkennen die Vorbehalte
des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen
Gentechnik an“ – 80 Prozent der Bevölkerung sind da-
gegen –, und – last, but not least – angesichts der klaren
Ablehnung verschiedener Ressorts, vor allem des feder-
führenden Bundesministeriums für Ernährung und Land-
wirtschaft, und auch der Bundesländer an dieser Stelle?
Was sind eigentlich die tragenden Gründe für dieses Ab-
stimmungsverhalten? Was soll nun passieren: ein natio-
nales Anbauverbot? Sollen Abstandsregeln mit anderen
Mitgliedstaaten vereinbart werden, weil ansonsten der
Wind das Saatgut zu uns herüberwehen könnte?
Für die Bundesregierung wird die Parlamentarische
Staatssekretärin Maria Flachsbarth antworten. Bitte.
D
Sehr geehrte Frau Kollegin Künast, die Bundesregie-rung hat sich darauf verständigt, sich bei der Abstim-mung über die Zulassung der gentechnisch verändertenMaislinie 1507 der Stimme zu enthalten. Dieses ent-spricht dem üblichen Verfahren, falls es innerhalb derbetroffenen Ressorts verschiedene Meinungen zu einemKommissionsvorschlag gibt. Dies sieht die Gemeinsame
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 911
(C)
(B)
Parl. Staatssekretärin Dr. Maria FlachsbarthGeschäftsordnung der Bundesministerien so vor. Ichglaube auch, dass das nicht erst bei dieser Bundesregie-rung so in der Geschäftsordnung fixiert ist.Im Übrigen hatte die Europäische Behörde für Le-bensmittelsicherheit, die EFSA, insgesamt sechs befür-wortende Stellungnahmen zu diesem Antrag abgegeben.Die letzte konsolidierte Stellungnahme vom 18. Oktober2012 enthält auch Empfehlungen zum Risikomanage-ment und zur Vermeidung einer möglichen Entwicklungvon Resistenzen in Zielorganismen.In ihrer Stellungnahme stellt die EFSA fest, dass diegentechnisch veränderte Maissorte 1507 nach den Maß-gaben der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG so sicherist wie herkömmlicher Mais und es unwahrscheinlich ist,dass diese Sorte negative Auswirkungen auf die mensch-liche oder tierische Gesundheit oder die Umwelt habenwerde. Auch die nationale Zentrale Kommission fürBiologische Sicherheit, die ZKBS, kam in ihrer Bewer-tung im Jahr 2003 zu dem Ergebnis, dass nach damali-gem Kenntnisstand keine schädlichen Auswirkungen aufLeben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflan-zen zu erwarten seien.Nun fragen Sie mich: Was wird die Bundesregierungan weiteren Maßnahmen ergreifen? Da muss man zu-nächst einmal schauen, wie das Verfahren von Brüsselaus weitergehen wird. Nach Angaben der Kommissionwird diese nämlich gemäß Art. 5 der Komitologiever-ordnung von 1999 eine positive Entscheidung treffen,sofern denn im Rat keine qualifizierte Mehrheit gegenden Vorschlag erreicht wird, und das ist in diesem Zu-sammenhang der Fall.In diesem Fall wird es aber dennoch eine ganze Weiledauern, bis der Mais 1507 effektiv auf dem Markt wäre.
Hierzu erläuterte die Kommission nämlich folgendeSchritte: erstens die Annahme des Durchführungsrechts-aktes durch die Kommission, zweitens die Anpassungdes Überwachungsplanes durch das antragstellende Un-ternehmen, nämlich Pioneer, drittens die Informationund Konsultation der Mitgliedstaaten zum neuen Über-wachungsplan im Ständigen Ausschuss, viertens die an-schließende Entscheidung durch Spanien, fünftens derAntrag auf Eintragung des Mais in den spanischen Saat-gutkatalog und sechstens die Übermittlung dieser Infor-mationen durch Spanien an die anderen Mitgliedstaatenund die Kommission zur Veröffentlichung im europäi-schen Saatgutkatalog für landwirtschaftliche Nutzpflan-zen.Wie man unschwer erkennen kann, wird deshalb indieser Vegetationsperiode, also im Jahr 2014, kein Maisder Linie 1507 angebaut werden, sodass die Bundesre-gierung noch genügend Zeit hat, weitere Maßnahmen zubedenken.
Herzlichen Dank.
Eine Nachfrage.
Nur in freundlicher Interpretation der Oppositions-
rechte können Sie noch eine Zusatzfrage stellen. Eigent-
lich wäre der nächste Fragesteller an der Reihe.
Kurze Nachfrage: Ich hatte nicht gefragt, was die
EFSA oder die ZKBS alles schreiben. Sie haben gerade
eine Stellungnahme aus dem Jahr 2003 zitiert und die
Zusammensetzung der ZKBS angesprochen. Ob sie
wirklich ausgeglichen mit Befürwortern und Gegnern
besetzt ist, könnte man an anderer Stelle diskutieren.
Aber ich wollte gar nicht wissen, was die anderen ge-
sagt haben. Ich weiß nämlich, dass das Landwirtschafts-
ministerium Nein gesagt hat. Was waren die Gründe des
Landwirtschaftsministeriums, Nein zu sagen? Diese
Gründe sind schließlich nicht ausgeräumt, nur weil die
EFSA oder sonst wer Stellungnahmen zu diesem Thema
abgibt. Der entscheidende Punkt ist – er ist unabhängig
davon, wann oder ob der Mais jemals angebaut wird –,
dass das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium
offensichtlich Sicherheitsbedenken hat, was Mensch und
Umwelt betreffende Aspekte angeht. Was ist aus diesen
Aspekten geworden?
D
Sehr geehrte Frau Kollegin Künast, das Landwirt-
schaftsministerium hat sehr eng auf das rekurriert, was
im Koalitionsvertrag niedergelegt worden ist und was
Sie eben richtig zitiert haben. Dennoch verweise ich auf
die Geschäftsordnung der Bundesministerien,
die aussagt: Wenn zwischen den Ressorts Uneinigkeit in
Fragen der Europäischen Union besteht, dann enthält
sich die Bundesrepublik Deutschland. Genau das war in
diesem Zusammenhang der Fall.
Herzlichen Dank. – Als Nächstem erteile ich das Wort
dem Kollegen Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen.
Danke, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, Siehaben auf die Stellungnahme der EFSA hingewiesen.Selbst die EFSA hatte aber in ihren Stellungnahmen un-ter anderem auch Risiken identifiziert. Deshalb hatte sieein Risikomanagement vorgeschlagen, das aber von derKommission nicht in den Zulassungsvorschlag aufge-nommen wurde. Es gäbe also genügend Gründe, denVorschlag abzulehnen, statt sich auf die EFSA zu bezie-hen und zu sagen: Es ist alles gut.
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(B)
Harald EbnerWenn jetzt aber Minister Friedrich mit der Schein-lösung nationaler Anbauverbote auf den Bildschirmenerscheint, dann frage ich Sie, wie Sie das begründenwollen. Welche Daten haben Sie? Welche wissenschaft-lichen Erkenntnisse gibt es, um ein nationales Anbauver-bot zu begründen? Haben Sie begonnen, eigene Daten zuden möglichen Risiken zu erheben? Sie brauchen dieseGrundlage. Denn: Wenn der Minister jetzt sagt: „LiebeBevölkerung, wir stehen zu unserem Versprechen,Deutschland gentechnikfrei zu halten“, dann muss mandas auch unterfüttern. Man kann nicht einfach Behaup-tungen in den Raum stellen. Deshalb frage ich Sie: Wel-che Daten haben Sie schon, und welche Daten sammelnSie dazu?Danke schön.
Frau Staatssekretärin.
D
Sehr geehrter Herr Kollege Ebner, zunächst möchte
ich darauf hinweisen, dass gestern von der Kommission
noch einmal deutlich darauf hingewiesen worden ist,
dass es sechs positive Stellungnahmen der EFSA, zuletzt
aus dem Jahr 2012, und darüber hinaus zwei Gerichtsur-
teile gebe, und dass die Erarbeitung des Vorschlags der
Kommission sehr vorsichtig und umsichtig erfolgt sei
und darüber hinaus der Antragsteller nun ein Recht auf
die Bewertung und Bescheidung seines Antrages habe.
Darüber hinaus ist es aber so, dass die Kommission
vor dem Hintergrund der ablehnenden Haltung einer
Reihe von Mitgliedstaaten zur Zulassung der Maislinie
1507 angekündigt hat, ihren Vorschlag wieder aufzugrei-
fen, für die Mitgliedstaaten eine Opt-out-Möglichkeit zu
schaffen. Dies würde bedeuten, dass die Mitgliedstaaten
auf ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen ihres Hoheitsgebiets
auch den Anbau des gentechnisch veränderten Mais be-
schränken oder verbieten können, allerdings aus anderen
Gründen als aus Gründen des Gesundheits- und Umwelt-
schutzes, die bereits von der EFSA bewertet wurden. In
Betracht kommen laut Kommissionsvorschlag hier zum
Beispiel kleinstrukturierte Landwirtschaft, Landschafts-
pläne oder sozioökonomische Gründe. Ob und in wel-
cher Form dieser Vorschlag behandelt wird, bedarf noch
eingehender Prüfung und Diskussion auf nationaler und
europäischer Ebene.
In den zurückliegenden Diskussionen und Abstim-
mungen hatte die alte Bundesregierung die Möglichkeit
des Opt-out wegen europarechtlicher und welthandels-
rechtlicher Bedenken stets abgelehnt. Sollte die griechi-
sche Präsidentschaft den Kommissionsvorschlag aller-
dings erneut zur Beratung vorlegen, wird sich die
Bundesregierung erneut damit befassen.
Herzlichen Dank. – Wir sind damit am Ende der Be-
fragung der Bundesregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/458
Verbraucherschutz beantwortet und nach Frage 46 auf-
gerufen.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staats-
sekretärin Dorothee Bär zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Herbert
Behrens, Fraktion Die Linke, auf:
Wann soll der erste Entwurf des laut dem Koalitionsver-
trag zwischen CDU, CSU und SPD geplanten Luftverkehrs-
konzeptes veröffentlicht werden, und für wann strebt die Bun-
desregierung dessen endgültige Verabschiedung an?
Ich bitte Sie, Frau Staatssekretärin, die Frage 1 zu be-
antworten.
D
Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege
Behrens, ich darf mich einleitend den Vorworten der
Kollegin Böhmer anschließen. Ich fand das sehr ange-
nehm. Auch ich möchte eine gute Zusammenarbeit an-
bieten. Ich kann Ihnen sagen, dass es nach zwölf Jahren
etwas anderes ist, nun auf der Regierungsbank zu sitzen
und Fragen zu beantworten. In meiner ersten Frage-
stunde als Parlamentarische Staatssekretärin will ich
jetzt nicht um Gnade bitten, wohl aber um gute Zusam-
menarbeit. Vielen herzlichen Dank.
Herr Kollege Behrens, darf ich Ihre beiden Fragen
aufgrund des Sachzusammenhangs zusammenhängend
beantworten?
Herr Behrens scheint damit einverstanden zu sein.
Dann rufe ich auch die Frage 2 des Kollegen Behrens
auf:
Wann wird die Bundesregierung in Umsetzung des Koali-
tionsvertrages die Länder und die interessierte Öffentlichkeit
erstmals über das geplante Luftverkehrskonzept informieren,
und wie genau soll die Beteiligung der Länder und der Öffent-
lichkeit „im Dialog“ ausgestaltet
werden?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
D
Wir haben, wie Sie wissen, im Koalitionsvertrag eineStärkung und Sicherung des LuftverkehrsstandortesDeutschland vorgesehen. Mit der Ausarbeitung einesLuftverkehrskonzepts wollen wir uns in dieser Legisla-turperiode befassen. Das Konzept soll gemeinsam mitden Ländern und der interessierten Öffentlichkeit erar-
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(C)
(B)
Parl. Staatssekretärin Dorothee Bärbeitet werden. Von ganz besonderer Bedeutung soll dieRolle des Bundes bei der Planung eines deutschlandwei-ten Flughafennetzes sein. Wir sind im Bundesministe-rium dabei, die Eckpunkte eines solchen Konzepts zu er-arbeiten. Ich kann Ihnen aber momentan zur zeitlichenDimension – weil es sich um ein sehr umfangreiches Un-terfangen handelt – noch keine Auskunft geben.
Herr Kollege Behrens, Ihre erste Nachfrage, bitte
schön.
Frau Staatssekretärin, Sie können versichert sein, dass
ich nicht gnadenlos vorgehe. Gleichwohl habe ich als
Parlamentarier Anspruch darauf, Einblick in die Planung
der Bundesregierung nehmen zu dürfen.
Sie weisen in der Koalitionsvereinbarung eindeutig
darauf hin, dass es darum geht, frühzeitig einen Dialog
in Gang zu setzen. Vor diesem Hintergrund möchte ich
wissen, wann gemäß Ihren Planungen ein Status erreicht
ist, ab dem die interessierte Öffentlichkeit beteiligt wer-
den kann. Es gibt hin und wieder Diskussionen darüber,
wann das sein könnte. Ihre erste Antwort deutet darauf
hin, dass wir im April 2014 noch keine näheren Informa-
tionen zum Luftverkehrskonzept bekommen werden.
Frau Staatssekretärin.
D
Dazu kann ich Ihnen sagen, dass das zeitnah gesche-
hen wird. Ich kann allerdings keinen konkreten Monat
nennen.
Kollege Behrens, Sie dürfen noch dreimal nachfra-
gen, wenn Sie mögen. Aber Sie müssen Ihr Kontingent
nicht ausschöpfen.
Ich vermute, dass ich selbst nach drei weiteren Fragen
keine konkreten Antworten bekommen werde. Ich ver-
suche es trotzdem noch einmal anders.
Können Sie versuchen, den Prozess darzustellen? Ich
erinnere an die Vorlage des Bürgerbeteiligungspapiers
des damaligen Verkehrsministers Ramsauer und der ent-
sprechenden Broschüre dazu, in dem es auch um ein
Dialogverfahren bei der Planung von großen Verkehrs-
investitions- und anderen Infrastrukturvorhaben ging.
Auch wenn Sie die Konzeption noch erarbeiten: Ab wel-
chem Zeitpunkt des Prozesses können Sie sagen: „Wir
haben einen entsprechenden Zwischenstand erreicht und
gehen nun in die Phase des öffentlichen Dialogs“?
Frau Staatssekretärin.
D
Wie ich Ihnen gesagt habe: Wir wollen das mit der
Öffentlichkeit gemeinsam machen, wir wollen es ge-
meinsam in unserem Haus machen, wir wollen es ge-
meinsam mit Verbänden machen. Aber ich bitte einfach
um Verständnis, dass es aufgrund des Umfangs noch ei-
nen internen Abstimmungsbedarf gibt.
Möchten Sie noch eine Frage stellen? – Kollege
Behrens zum Dritten.
Zum Dritten, gleiches Thema und gleiche Problema-
tik.
Wir haben gelesen, dass eine Stellungnahme des Bun-
desverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, des
BDL, eins zu eins Eingang in die Koalitionsvereinba-
rung gefunden hat. Kann ich dieser Tatsache entnehmen,
dass Sie bei der Erarbeitung dieses Konzepts insbeson-
dere die Verkehrsunternehmen bevorzugt in Ihre Pla-
nung einbeziehen im Unterschied zu dem, was wir hier
als frühzeitigen Dialog mit der Öffentlichkeit bezeich-
nen?
Frau Staatssekretärin.
D
Es ist so, dass uns Mitte Januar 2014 nach Anforde-
rung ein nationales Luftverkehrskonzept vom BDL über-
mittelt wurde.
Recht herzlichen Dank. – Dazu liegen keine weiteren
Nachfragen vor.
Damit kommen wir zum Thema Pkw-Maut mit einer
ganzen Reihe von Fragen.
Wir kommen jetzt zur Frage 3 der Abgeordneten
Dr. Valerie Wilms:
Inwiefern fühlt sich die Bundesregierung an den Koali-
tionsvertrag gebunden, laut dem im Verlauf des Jahres 2014
ein Gesetz verabschiedet werden soll, um Halter von nicht in
Deutschland zugelassenen Pkw am Erhalt und Ausbau des
Autobahnnetzes zu beteiligen, und welche Konsequenzen
werden erwartet, wenn diese Festlegung nicht eingehalten
wird?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
D
Liebe Frau Kollegin Dr. Wilms, zu dieser Frage kannich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung die im Koali-tionsvertrag vereinbarten Vorgaben umsetzen wird.
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914 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Haben Sie zu dieser Antwort noch eine Nachfrage,
Frau Dr. Wilms?
Aber natürlich, Herr Präsident. So einfach kommt
auch die neue Staatssekretärin nicht aus der Sache he-
raus. – Bis zur Wahl haben wir von dem heutigen Ver-
kehrsminister Dobrindt oft genug Aussagen über die
Maut gehört. Er konnte über die Maut nicht genug reden.
Jetzt gibt es auf einmal auf unsere Fragen – wir haben
auch eine ganze Reihe von schriftlichen Fragen gestellt,
und wir haben eine Kleine Anfrage eingereicht – keine
Antworten. Angeblich ist das alles nicht da.
Wenn ich mich umschaue und beobachte, was in Ihrer
Koalition los ist, dann stelle ich fest, dass es verschie-
dene Aussagen gibt. So gibt es ein Zitat von Herrn Kol-
legen Fischer: Pkw-Maut nur für Ausländer ist undenk-
bar, weil sie das EU-Diskriminierungsverbot missachten
würde. – Ein ähnliches Zitat gibt es auch vom Kollegen
Storjohann. Irgendwie scheint in dem ganzen System der
Wurm zu sein. Wie sicher sind Sie sich eigentlich im
BMVI, dass die Kanzlerin und die Koalition wirklich
noch hinter der von der CSU gewünschten Maut stehen?
Frau Staatssekretärin.
D
Sehr.
Sehr sicher?
D
Ja.
Das war wahrscheinlich die kürzeste Antwort in die-
ser Wahlperiode.
Mögen Sie noch eine Frage stellen, Frau Dr. Wilms?
Aber gerne, ich habe ja noch eine weitere Nachfrage.
Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Das ist ja wirklich
eine beeindruckende Antworttechnik. Vielleicht können
wir das noch ein paarmal so machen.
Jetzt habe ich eine ganz aktuelle Information aus der
Kommission. Ein Kollege hat nämlich an die Kommis-
sion schriftliche Fragen gestellt. Die Kommission ant-
wortete darauf, sie könne zu einem Vignettenmodell
– denn das steckt hinter der CSU-Maut – noch keine
konkreten Aussagen machen, weil kein Modell vorliege.
Das ist eine offizielle Antwort der Kommission. Es gab
aber eine anderslautende Aussage des Kollegen
Ramsauer, der jetzt auch da ist.
Er hat nach seinem Treffen mit Herrn Kallas behauptet,
mit der EU sei alles klar. Meine Frage lautet also: Gibt es
ein von der Kommission geprüftes Vignettenmodell?
Frau Staatssekretärin.
D
Ich habe keinen Anlass, an den Aussagen von
Dr. Peter Ramsauer zu zweifeln.
Danke schön. – Gibt es zu dieser Frage Nachfragen? –
Das ist nicht der Fall.
Ich rufe Frage 4 der Abgeordneten Dr. Wilms auf:
Inwiefern ist es Absicht der Bundesregierung, zukünftig
– nach Einführung einer Maut für Halter von nicht in
Deutschland zugelassenen Pkw – Fahrzeuge zwischen 2,8 und
12 Tonnen weiterhin von einer Maut auszunehmen, da die
Lkw-Maut erst ab 12 Tonnen erhoben wird, und welche Ef-
fekte erwartet die Bundesregierung von einer solchen generel-
len Mautbefreiung?
Frau Staatssekretärin Bär beantwortet diese Frage.
D
Frau Kollegin, Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
Der Koalitionsvertrag enthält die Aussage, dass die
Lkw-Maut weiterentwickelt werden soll. Die Tonnage
wird in diesem Zusammenhang als ein möglicher Orien-
tierungspunkt genannt.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Dr. Wilms? – Bitte.
Wenn ich mir diese CSU-Maut anschaue
– das CSU-Pickerl –, stelle ich fest, dass die Maut fürFahrzeuge bis 2,8 Tonnen gelten soll. Für Lkw ab12 Tonnen soll die bisherige Mautregelung gelten, wobeidiese Gebühr vom Unternehmen Toll Collect eingesam-melt wird. Für Fahrzeuge zwischen 2,8 und 12 Tonnengäbe es im Prinzip nichts, was in irgendeiner Form einerNutzermitfinanzierung entspräche. Warum sollen dieHalter von Fahrzeugen zwischen 2,8 und 12 Tonnen,
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(B)
Dr. Valerie Wilmsinsbesondere von Omnibussen, nicht wie die Halter alleranderen Fahrzeuge zur Finanzierung der Straßen beitra-gen, sich also an den Kosten zur Deckung des Verschlei-ßes, den sie erzeugen, beteiligen?
Frau Staatssekretärin.
D
Ich kann Ihnen nochmals sagen, dass wir an einem
neuen Modell arbeiten. Ich kann aus dem Koalitionsver-
trag zitieren:
Die LKW-Maut wird – unter Berücksichtigung der
Ergebnisse des neuen Wegekostengutachtens – wei-
terentwickelt. Orientierungspunkte hierbei können
sein: die Tonnage, das Netz, externe Kosten. Wir
stellen sicher, dass die Netto-Einnahmen aus der
Nutzerfinanzierung ohne Abstriche in die Verkehrs-
infrastruktur investiert werden.
Haben Sie noch eine Nachfrage, Frau Dr. Wilms?
Aber gerne, Herr Präsident.
Bitte.
Wenn ich das interpretiere, was Sie mir eben gesagt
haben, dann nehmen Sie es also sehenden Auges in
Kauf, dass die Lücke zwischen 2,8 und 12 Tonnen, die
wir jetzt schon haben, auch weiterhin genutzt wird, dass
wir es also mit einem noch größeren Verdrängungswett-
bewerb in diesem Bereich zu tun haben werden. Insofern
noch eine ganz gezielte Nachfrage – da würde ich gerne
um eine Antwort bitten –: Ist die Bundesregierung der
Ansicht, dass die Fahrzeuge zwischen 2,8 und 12 Ton-
nen die Straßen nicht ebenfalls verschleißen, genauso
wie alle anderen Pkw und Lkw? Glaubt man, dass diese
Fahrzeuge irgendwie über den Straßen schweben und
daher keinen Schaden anrichten? Wie sieht das die Bun-
desregierung?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir auch die Lkw-
Maut weiterentwickeln wollen. Selbstverständlich wird
alles, was sich auf einer Straße bewegt, eine Straße auch
verschleißen, selbst hochhackige Schuhe.
Kollege Behrens, Fraktion Die Linke, hat das Wort zu
einer weiteren Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich habe die Frage 4 von Frau
Dr. Wilms etwas konkreter verstanden, als es in Ihrer
Antwort zum Ausdruck kam. Es wurde explizit danach
gefragt, welche Effekte Sie erwarten, das heißt, um wel-
che Summen es eigentlich geht, wenn man diesen Teil
des Straßenverkehrs nicht berücksichtigt. Daraus ergibt
sich meine Frage: Gibt es Berechnungen zur Anzahl und
zu den geschätzten Kilometerleistungen dieser Fahr-
zeuge im Hinblick auf eine mögliche Einbeziehung in
die Maut?
Frau Staatssekretärin.
D
Wir sind gerade dabei, die Lkw-Maut weiterzuentwi-
ckeln.
Danke schön. – Dann sind wir am Ende der Beant-
wortung der Frage 4.
Frage 5 des Abgeordneten Oliver Krischer wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Matthias
Gastel, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass für jeden der be-
stehenden 17 Steuersätze eine gesonderte Pkw-Maut-Vignette
eingeführt werden muss, um keinen Fahrzeughalter in
Deutschland stärker zu belasten?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
D
Lieber Herr Gastel, ich darf Ihre Fragen 6 und 7 auch
wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwor-
ten.
Wie ich sehe, ist Herr Gastel damit einverstanden.
Dann rufe ich auch Frage 7 des Abgeordneten Matthias
Gastel auf:
Inwiefern sind die Meldungen aus dem Magazin Der Spie-
gel Nr. 2/2014 – „Maut-Bonus für Kleinwagen“ – zutreffend,
dass es einen Ökobonus innerhalb der Pkw-Maut für schad-
stoffarme Fahrzeuge geben soll und dass es neben diesem
Mautrabatt eine Senkung der Kfz-Steuer für Fahrzeuge geben
soll, deren Halter heute weniger Kfz-Steuer zahlen, als eine
Vignette kosten soll?
D
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Kon-zept zur Einführung einer mit EU-Recht in Einklangstehenden Pkw-Maut. Nach den im Koalitionsvertrag
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916 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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(B)
Parl. Staatssekretärin Dorothee Bärfestgelegten Maßgaben über spezifische Ausgestaltungs-merkmale kann ich derzeit noch keine Aussagen ma-chen.
Danke schön. – Da die Fragen 6 und 7 zusammen be-
antwortet wurden, haben Sie vier Nachfragen, Herr
Gastel – was Sie nicht ausschöpfen müssen; das ist klar.
Sie haben mich gerade noch rechtzeitig darauf hinge-
wiesen, Herr Präsident.
Gut. – Ihre erste Nachfrage.
Auch wenn Sie gerade sehr vage geblieben sind, Frau
Staatssekretärin, versuche ich trotzdem, noch ein paar
Dinge herauszufinden. Von wie vielen Vignetten, die
aufgrund der verschiedenen Steuersätze bei der heutigen
Kfz-Steuer notwendig sind, gehen Sie für die Zukunft
aus?
Frau Staatssekretärin.
D
Wir werden die Pkw-Maut in Einklang mit dem EU-
Recht auf den Weg bringen.
Noch eine Nachfrage, Herr Kollege Gastel? – Das ist
nicht der Fall. Danke schön.
Gibt es zu den Fragen 6 oder 7 von einem anderen
Mitglied des Hauses Nachfragen? – Das ist nicht der
Fall.
Damit kommen wir zur Frage 8 des Abgeordneten
Stephan Kühn , Bündnis 90/Die Grünen:
Wie soll gewährleistet werden, dass jedem Halter von
nicht in Deutschland zugelassenen Pkw der Erwerb einer sei-
nem Fahrzeugtyp entsprechenden Vignette ermöglicht wird,
und inwiefern ist vorgesehen, ein neues Vertriebssystem hier-
für aufzubauen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Lieber Herr Kollege Kühn, ich darf auch die Fragen 8
und 9 im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 9 des Abgeordneten
Stephan Kühn auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, damit
bei Einführung der Pkw-Maut kein Fahrzeughalter in
Deutschland stärker belastet wird als heute, und wie will die
Bundesregierung sicherstellen, dass ein Fahrzeughalter in
Deutschland nicht selbst aktiv werden muss, um die gezahlte
Pkw-Maut erstattet zu bekommen?
D
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Kon-
zept zur Einführung einer mit dem EU-Recht in Ein-
klang stehenden Pkw-Maut
nach den im Koalitionsvertrag festgelegten Maßgaben.
Über spezifische Ausgestaltungsmerkmale kann ich der-
zeit noch keine Angaben machen.
Eine Nachfrage des Kollegen Kühn.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die präzise
Auskunft.
Ich nehme einmal Bezug auf eine Sitzung, auf der wir
heute gemeinsam waren, nämlich auf die Sitzung zur
Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, an der der ehemalige
Bundesverkehrsminister Bodewig und der ehemalige
Landesverkehrsminister Daehre teilgenommen haben.
Da ist auch zum Thema „Pkw-Maut für Ausländer“ ge-
fragt worden. Zu der Frage „Kann man da eigentlich in
relevanter Höhe Zusatzeinnahmen für die Infrastruktur
gewinnen?“ wurde auf den Aspekt hingewiesen – da
geht es um die Frage des demografischen Wandels –,
dass immer mehr Fahrzeughalterinnen und -halter, ge-
rade ältere Menschen, immer kürzere Wege zurücklegen
und gerade die Autobahnen meiden, also eher auf Land-
straßen und nachgeordnete Straßen ausweichen, also von
da sozusagen keine Einnahmen generiert werden kön-
nen. Durch den Verlagerungsverkehr werden sich die
Einnahmen aus einer möglichen Pkw-Maut für Auslän-
der reduzieren. Wie ist das in den Gutachten, die Ihrem
Hause vorliegen, berücksichtigt worden, und wie kalku-
lieren Sie diesen Aspekt bei der Frage ein, in welcher
Höhe man zusätzliche Einnahmen aus der Pkw-Maut für
Ausländer generieren kann?
D
Ich gebe Ihnen recht: Das war heute ein interessantes
Expertengespräch im Ausschuss. Selbstverständlich
werden die Ergebnisse der Daehre- und der Bodewig-
Kommission Eingang finden.
Haben Sie weitere Fragen, Kollege Kühn?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 917
(C)
(B)
Vizepräsident Peter Hintze
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Ja, die habe ich. – Bei dem, was Sie schon mehrfachvorgetragen haben und was auch Ihr Minister vorgetra-gen hat, ging es darum, dass die deutschen Fahrzeughal-ter nicht nur keine zusätzlichen Ausgaben, sondern auchkeinen zusätzlichen Aufwand haben sollen. Insofern istdie Frage, wie die Rückerstattung der Kosten der Vi-gnette – damit das Ganze für die deutschen Fahrzeughal-ter kostenneutral ist – gestaltet werden soll, damit keinzeitlicher oder sonstiger Aufwand entsteht. WelcheÜberlegungen gibt es seitens der Bundesregierung, wieman das – neben der Frage Europarecht – operativ aus-gestaltet?
Frau Staatssekretärin.
D
Auch mit Blick auf den zuständigen Staatsminister im
Kanzleramt ist es für uns natürlich wichtig, dass wir das
Ganze auch möglichst bürokratiearm ausgestalten.
Herr Kollege Kühn, haben Sie eine weitere Nach-
frage? – Das ist nicht der Fall.
Gibt es sonst noch Nachfragen? – Frau Dr. Wilms,
eine Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte jetzt, wo
wir uns langsam dem Vignettensystem annähern, doch
etwas genauer werden.
Welchen Zeitraum veranschlagt die Bundesregierung
eigentlich für den Aufbau eines Vertriebssystems? Sie
müssen dafür ja eine ganze Reihe von Punkten prüfen.
Sie wollen verschiedene Klassen bilden, je nach Schad-
stoffausstoß. Sie müssen relativ intensive Prüfungsver-
fahren durchführen, bevor Sie die Vignette aushändigen
können. Welche Kosten werden dafür erwartet? Ist schon
untersucht worden, ob das ganze Vorhaben angesichts
dessen überhaupt noch wirtschaftlich ist oder ob nachher
die Kosten für die Durchführung höher sind als die tat-
sächlichen Einnahmen?
Frau Staatssekretärin.
D
Liebe Frau Kollegin, Sie machen das sehr geschickt,
aber ich möchte für das Protokoll festhalten, dass ich
persönlich das Wort „Vignette“ heute noch nicht in den
Mund genommen habe – außer gerade eben. Sie können
sich sicher sein, dass wir, was die Ausgestaltung betrifft,
auch Ihre Überlegungen selbstverständlich im Hinter-
kopf haben.
Keine weiteren Nachfragen? – Doch. Bitte schön,
Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, die angekündigte Komplexität
einer möglichen Ausländermaut macht es schon erfor-
derlich, dass Sie gründlich arbeiten. Insofern habe ich
Nachsicht, dass Sie sich darauf zurückziehen müssen,
dass Sie noch an einem Konzept arbeiten. Aber auch ein
Konzepterarbeitungsprozess ist immer von bestimmten
Zwischenschritten geprägt. Ich vermute einmal, Ihr
Ministerium arbeitet ähnlich, hoffe ich zumindest. Es
muss doch so sein, dass Sie die unterschiedlichen Ein-
wände, die Sie bislang bekommen haben, nämlich zu der
Frage, was möglicherweise zulässig ist und was mögli-
cherweise nicht zulässig ist, zumindest zwischengeprüft
haben. Darauf zielte, glaube ich, auch die Frage, inwie-
weit eine europarechtskonforme Vignettenlösung über-
haupt schon einmal auf Ihrem Tisch gelegen hat und mit
welchem Ergebnis sie geprüft wurde.
Frau Staatssekretärin.
D
Alle Vorschläge, die ins Haus kommen, werden
selbstverständlich auch geprüft, und dann soll eine EU-
konforme Pkw-Maut erarbeitet werden.
Ich sehe keine weitere Nachfrage zu diesem Kom-
plex.
Dann kommen wir zur Frage 10 des Abgeordneten
Markus Tressel, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie versteht die Bundesregierung das im Koalitionsver-
trag zwischen CDU, CSU und SPD auf Seite 8 zu findende
Versprechen „ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge höher
als heute zu belasten“ unter dem möglichen Effekt der Einfüh-
rung einer Vignette in unseren Nachbarstaaten, und inwiefern
gibt es Abschätzungen, welche Kosten auf Fahrzeughalter
von in Deutschland zugelassenen Pkw zukommen, wenn die
Nachbarstaaten eine vergleichbare Maut einführen?
Frau Staatssekretärin.
D
Entschuldigung, ich habe bei Frage 10 einen anderen
Kollegen.
Wenn sich die Frage inhaltlich deckt, wäre das ja viel-leicht verkraftbar.
Metadaten/Kopzeile:
918 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
D
Das weiß ich nicht, ob sich das inhaltlich deckt.
Die Frage 10 lautet: „Wie versteht die Bundesregie-
rung das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD auf Seite 8 zu findende Versprechen …“
D
Ja. Dann ist es nur der falsche Kollege.
Nein, das ist der richtige Kollege. Aber Sie haben den
falschen Namen auf dem Zettel.
D
Und die falsche Fraktion. Aber ich beantworte die
Frage.
Es tut mir leid.
Frau Staatssekretärin, ich bitte, das Parlament nicht zu
irritieren. Jetzt beantworten Sie die Frage 10.
D
Die Antwort lautet: Die Aussage im Koalitionsver-
trag, keinen Fahrzeughalter in Deutschland stärker zu
belasten als heute, bezieht sich ausschließlich auf die
Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Bundesfern-
straßen.
Kollege Tressel, haben Sie eine Nachfrage?
Selbstverständlich, auch wenn ich nach dem bisheri-
gen Verlauf der Fragestunde keine Hoffnung auf eine
gute Antwort habe. – Ich gehe davon aus, dass Sie das
schon mit ins Kalkül gezogen haben. Nordrhein-Westfa-
len grenzt an Belgien und Luxemburg; Ähnliches gilt für
Rheinland-Pfalz und das Saarland. Insofern wäre es,
glaube ich, klug gewesen, mit ins Kalkül zu ziehen, dass
die dortigen Regierungen sich animiert fühlen könnten,
eine vergleichbare Maut einzuführen. Deswegen frage
ich Sie: Welche Rolle spielen solche möglichen negati-
ven Folgen bei den politischen Entscheidungen hinsicht-
lich der Einführung einer Vignette, und welche Risiko-
abschätzung haben Sie da vorgenommen?
Frau Staatssekretärin.
D
Lieber Herr Kollege Tressel, wir haben in den folgen-
den Nachbarländern eine Pkw-Maut: in Frankreich eine
streckenbezogene Maut sowie eine Sondermaut, in Ös-
terreich eine Vignettenpflicht und eine Sondermaut, in
der Schweiz eine Vignettenpflicht und eine Sondermaut,
in der Tschechischen Republik eine Vignettenpflicht, in
Belgien eine Sondermaut, in Dänemark eine Son-
dermaut, in den Niederlanden eine Sondermaut und in
Polen eine örtliche Mautpflicht und eine streckenbezo-
gene Maut. Bezüglich der anderen Länder, die Sie ange-
sprochen haben, wären nur Spekulationen möglich, und
deshalb kann sich die Bundesregierung nicht dazu äu-
ßern.
Kollege Tressel? – Keine weitere Nachfrage. Gibt es
sonst noch Nachfragen? – Kollege Behrens und Frau
Dr. Wilms haben jeweils eine Nachfrage. Erst einmal
Kollege Behrens, Fraktion Die Linke. Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, haben Sie bei der Recherche zu
der Frage, wo überall es eine Pkw-Maut gibt, auch unter-
sucht, inwieweit es ein mit Ihren Planungen vergleichba-
res System gibt, nämlich eine Unterscheidung zwischen
ausländischen Fahrzeugführern und inländischen Fahr-
zeugführern, und wenn ja, in welchen Ländern gibt es
ein solches Modell?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Wir haben jetzt erst einmal die Aufgabe, in Deutsch-
land eine Maut so einzuführen, wie wir es auf der Basis
unseres Koalitionsvertrages und des EU-Rechts für rich-
tig erachten, und das wird auch sehr zeitnah geschehen.
Danke schön. – Die nächste Frage hat Frau Kollegin
Dr. Wilms.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Aussage eben hatmich echt erstaunt. Ich bin öfter in Dänemark, weil ichdort mit den Nordschleswigern, also den Deutschen inDänemark, zu tun habe. Für die Nutzung der dortigenAutobahnen habe ich noch keine Maut bezahlt. DasGleiche gilt für Belgien. Sie sagen aber, da gebe es an-geblich eine Maut. Das ist sehr erstaunlich. Meine Frage:Es gibt ja zum Beispiel Pendler, die in der Nähe von Aa-chen hinter der deutschen Grenze wohnen und nachDeutschland pendeln bzw. umgekehrt. Inwiefern habenSie mit den angrenzenden Staaten schon ernsthaft Kon-takt aufgenommen, um überhaupt einmal über ein sol-ches Thema zu sprechen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 919
(B)
Liebe Frau Kollegin, ich habe von einer Sondermaut
in Dänemark und Belgien gesprochen. Diese bezieht
sich in Belgien auf einen bestimmten Tunnel und in Dä-
nemark auf Tunnel und Brücken.
Schönen Dank. – Gibt es zur Frage 10 weitere Nach-
fragen? – Die gibt es nicht.
Dann kommen wir zur Bahn. Ich rufe Frage 11 des
Abgeordneten Dr. André Hahn, die Linke, auf:
Wie viele Stellen bzw. Kilometer des Schienennetzes in
Deutschland sind nach Kenntnis der Bundesregierung in ei-
nem dringend renovierungsbedürftigen Zustand, und was tut
die Bundesregierung in der 18. Wahlperiode, um das Bahn-
netz instand zu halten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Frage 11, lieber Herr Kollege Dr. Hahn, beantworte
ich wie folgt: Dem Bund obliegt nach Art. 87 e Abs. 4
Grundgesetz die Verantwortung für Ausbau und Erhal-
tung des Schienennetzes der Eisenbahninfrastrukturun-
ternehmen des Bundes. Eigentümer der Schieneninfra-
struktur sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des
Bundes.
Zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen in das be-
stehende Netz haben der Bund und die Eisenbahninfra-
strukturunternehmen mit Wirkung vom 1. Januar 2009
die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die
LuFV I, abgeschlossen. In dieser wird die bisherige In-
putkontrolle durch eine Outputkontrolle ersetzt. Die
Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben sich in der
LuFV als Gegenleistung für den jährlichen Infrastruktur-
beitrag des Bundes in Höhe von 2,5 Milliarden Euro
sanktionsbewehrt zur Einhaltung der vereinbarten Netz-
qualität, die mit Qualitätskennzahlen gemessen wird, so-
wie zur Leistung eines bestimmten Ersatzinvestitionsvo-
lumens und eines bestimmten Instandhaltungsbeitrages
verpflichtet. Im Gegenzug erhalten sie durch die fünfjäh-
rige Laufzeit der LuFV Planungs- und Investitionssi-
cherheit über einen längerfristigen Zeitraum und können
selbst über ihre Investitionstätigkeiten und Schwer-
punkte im Bestandsnetz entscheiden. Über den konkre-
ten Zustand des Netzes berichten sie jährlich in einem
Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht, der
veröffentlicht wird.
Die Laufzeit der LuFV wurde am 6. September 2013
um zwei Jahre, längstens bis 2015, verlängert. In den
Jahren 2013 und 2014 ist die LuFV jeweils mit 2,75 Mil-
liarden Euro an Bundesmitteln ausgestattet. Bund und
Bahn verhandeln derzeit über eine Nachfolgevereinba-
rung, die sogenannte LuFV II.
Danke schön. – Kollege Dr. Hahn mit einer Nach-
frage. Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, dem Verkehrsausschuss des
Bundestages wurde im September 2012 ein Bericht des
Bundesrechnungshofes zum Zustand des Schienennetzes
vorgelegt. Ich habe nach dem gegenwärtigen Zustand
gefragt. In dem genannten Bericht des Rechnungshofes
heißt es auf Seite 21:
Der Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbe-
richt, IZB,
– den haben Sie eben angesprochen –
blendet einen Teil der Infrastrukturmängel systema-
tisch aus. So werden insbesondere Langsamfahr-
stellen und vollständige Streckensperrungen nicht
erfasst, wenn sie höchstens 180 Tage bestanden ha-
ben.
Das heißt, in der Statistik tauchen sie nur dann auf, wenn
sie länger als sechs Monate existiert haben. Weiter heißt
es in dem Bericht:
Das Bundesministerium hat die vom Parlament ge-
forderte Transparenz des Infrastrukturzustandes
herzustellen.
Deshalb frage ich Sie: Was hat die Bundesregierung
bislang getan, um den vom Bundesrechnungshof be-
nannten Missstand zu beheben?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Ihre Anmerkungen sind interessant und werden si-
cherlich in die Nachfolgevereinbarung von Bund und
Bahn aufgenommen werden.
Herr Kollege Dr. Hahn, haben Sie noch eine Nach-
frage?
Es ist etwas schwierig. Herr Präsident, es gehört zumRespekt gegenüber dem Parlament, die Fragen, die ge-wählte Abgeordnete stellen, auch sachgerecht zu beant-worten.
Die Frage lautete: Was hat die Bundesregierung seit die-sem Bericht getan? Auf diese Frage hat die Staatssekre-tärin leider nicht geantwortet.
Metadaten/Kopzeile:
920 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Danke schön. – Herr Behrens hat sich gemeldet, dann
Frau Dr. Wilms.
Sie haben gesagt, dass Sie derzeit keine Kenntnisse
darüber haben und in der LuFV vereinbart ist, was die
Bahn renoviert und was nicht. Gleichwohl hat der Ver-
kehrsminister offenbar festgestellt, dass es bestimmte
Aussagen der Bahn gibt, die nicht zutreffend sind. Da-
raufhin hat Herr Dobrindt gesagt: Dann ist es offenbar
notwendig, sich nicht nur auf die Prüfergebnisse der
Bahn zu verlassen, sondern selber Testfahrten zu unter-
nehmen. – Ich gehe davon aus, dass der Bundesminister
das nicht nur aus Jux und Tollerei gemacht hat, sondern
weil ihm entsprechende Erkenntnisse zugetragen worden
sind. Können Sie zu diesen Erkenntnissen etwas sagen?
Wo sind tatsächlich schwere Mängel oder zumindest
Mängel aufgetreten, die ihn zu dieser Entscheidung ge-
bracht haben?
Frau Staatssekretärin.
D
Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass der Bundes-
minister die Ankündigung, die er gemacht hat, auch um-
setzen wird.
Eine Nachfrage von Frau Dr. Wilms, Bündnis 90/Die
Grünen. – Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
es ist eben schon einmal darauf hingewiesen worden,
wie man mit der Beantwortung von Fragen umgehen
sollte. Das, was wir eben gehört haben, war ein bisschen
wenig.
Wir haben Ihren Äußerungen entnommen, dass diese
Testfahrten jetzt tatsächlich stattfinden, dass der erste
Zug, mit dem die Bundesregierung den Zustand der
Schienen prüfen und erfassen lassen möchte, in Gang
gesetzt worden ist. Wenn Sie das jetzt schon machen,
also der DB AG im Hinblick auf die LuFV misstrauen
– die Schlussfolgerung daraus ist ja mehr oder weniger,
dass uns die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des
Bundes mit dem Infrastrukturzustands- und -entwick-
lungsbericht etwas vorlegen, das vielleicht doch nicht so
ganz zutreffend ist –, dann frage ich mich: Wie gehen
Sie eigentlich mit dem Problem um, dass wir, wie der
Bahnchef, Herr Grube, sagt, bei den Brücken einen ganz
hohen Investitionsbedarf haben und es soundso viele
Brücken gibt – die genaue Zahl habe ich jetzt nicht im
Kopf –, die erneuerungs- oder nachbesserungsbedürftig
sind? Wollen Sie da jetzt auch noch ein entsprechendes
Brückenüberprüfungsprogramm vonseiten des Bundes
in Gang setzen? Dann hätten wir mit der Fortschreibung
der LuFV, wie sie bisher vorgesehen ist, wenig Erfolg.
Frau Staatssekretärin.
D
Sie können sich sicher sein, dass diese Fragen sehr
ernst genommen werden. Das ist auch der Grund, warum
es dem Minister wichtig war, selber Nachforschungen
anzustellen. Das gilt nicht nur für den Schienenbereich,
sondern selbstverständlich auch für den Brückenbereich.
Der Minister hat darüber hinaus angekündigt, dass er
sich, auch was die digitale Infrastruktur betrifft, mehr
Engagement bei der DB AG wünscht.
Danke schön. – Es gibt jetzt keine weiteren Nachfra-
gen zu Frage 11.
Dann kommen wir zur Frage 12 des Abgeordneten
Dr. André Hahn, die Linke:
Wie viele Städte in Deutschland sind nach Kenntnis der
Bundesregierung vom Schienenverkehr abgekoppelt, und
welche Auswirkungen hat dies für die Mobilität der Bevölke-
rung sowie die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Herr Kollege, Frage 12 beantworte ich wie folgt: Der
Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor,
welche Städte nicht durch ein Eisenbahnverkehrsunter-
nehmen bedient werden. Im Übrigen darf ich auf die
Entscheidungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Im-
munität und Geschäftsordnung zur Abgrenzung der Zu-
ständigkeiten von Bund, Deutscher Bahn AG und Län-
dern infolge der Bahnreform sowie zur Stärkung des
parlamentarischen Fragerechts, Drucksache 16/8467
vom 10. März 2008, verweisen.
Eine Nachfrage von Herrn Kollegen Dr. Hahn.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,ich denke, die Bundesregierung wird doch Kenntnis vomStreckennetz haben. Die entsprechenden Informationenstehen ja auch über den Aufsichtsrat der DB AG zur Ver-fügung. Auch der von Ihnen genannte Beschluss des Ge-schäftsordnungsausschusses setzt nicht außer Kraft, dassdie Bundesregierung auf solche Fragen Auskunft gebenkann und aus meiner Sicht auch geben muss. Ich möchtedeshalb konkret nachfragen: Wie viele Städte inDeutschland mit mehr als 10 000 Einwohnern – undwelche ganz konkret – sind derzeit vom Schienenver-kehr abgekoppelt? Ich bitte um eine genaue Auflistungund wäre deshalb auch mit einer schriftlichen Beantwor-tung einverstanden. Aber ich bitte Sie einfach, sich kun-dig zu machen und dem Parlament die Auskunft zu ge-ben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 921
(C)
(B)
Frau Staatssekretärin.
D
Dann wird es schriftlich beantwortet.
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Nachfragen
gibt es hierzu nicht.
Dann haben wir den Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gut
bewältigt. Die Staatssekretärin hat die erste Fragestunde
gut überstanden.
Es ist heute ihr Hochzeitstag. Deswegen wollen wir ihr
dazu gratulieren und ihr wünschen, dass der Rest des Ta-
ges gut verläuft.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak-
torsicherheit.
Die Fragen 13 und 14 der Kollegin Baerbock sowie
Frage 15 der Kollegin Kotting-Uhl werden schriftlich
beantwortet.
Wir kommen deshalb direkt zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Uwe Beckmeyer zur Verfügung.
Die Frage 16 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl
wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 17 der Abgeordneten
Veronika Bellmann, CDU/CSU:
Welche Auswirkungen für die Vergabe von Rettungs-
dienstleistungen hat nach Auffassung der Bundesregierung
das vom Europäischen Parlament am 15. Januar 2014 be-
schlossene Richtlinienpaket zur Modernisierung des EU-Ver-
gaberechts für die Bundesländer, die die Vergütung der
Dienstleistungserbringer und die entsprechende Vergabe nicht
durch das „Konzessionsmodell“, sondern durch das „Submis-
sionsmodell“ durchführen?
Herr Staatssekretär, bitte.
U
Sehr verehrte Frau Bellmann, die Vergabe von Ret-
tungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen
fällt nach den neuen EU-Vergaberichtlinien nicht in den
Anwendungsbereich der EU-Richtlinien. Dies betrifft
sowohl das Konzessionsmodell als auch das Submis-
sionsmodell. Die EU-Vergaberichtlinien finden insofern
keine Anwendung.
Ist die Vergabe für den Binnenmarkt relevant, muss
sich das Vergabeverfahren aber an Grundsätzen des EU-
Primärrechtes – Transparenzgebot, Gebot der Nichtdis-
kriminierung, Gebot der Verhältnismäßigkeit – ausrich-
ten. Dagegen wird der Einsatz von Krankenwagen zur
Patientenbeförderung und die Vergabe an nichtgemein-
nützige Organisationen von den neuen EU-Richtlinien
erfasst. Für diese Vergaben greift ein vereinfachtes Ver-
fahren, sofern der relevante Schwellenwert überschritten
wird. Die Einheiten sind im Rahmen der Umsetzung der
EU-Richtlinien in nationales Recht festzulegen.
Nachfrage, Frau Kollegin Bellmann?
Ich habe noch zwei Nachfragen. – Es ist natürlich zu
begrüßen, dass anhand dieses Richtlinienpakets der Sinn
und Unsinn der Liberalisierung, von Wettbewerbsregeln
und des Binnenmarktes im Zusammenhang mit den Prin-
zipien der Daseinsvorsorge in den einzelnen Mitglied-
staaten diskutiert worden ist und auch im Hinblick auf
die Subsidiarität entsprechende Schlussfolgerungen ge-
zogen wurden.
Nun wissen wir, dass das Europäische Parlament die-
ses Richtlinienpaket beschlossen hat. Die EU-Kommis-
sion muss noch ein Wörtchen dazu sagen, und – Sie ha-
ben es angesprochen – die Umsetzung in nationales
Recht wird noch erfolgen. Das dauert in der Regel zwei
Jahre. Meine erste Frage lautet daher: Wann ist damit zu
rechnen, dass wir hier in der Bundesrepublik damit be-
ginnen, die Umsetzung in nationales Recht vorzuneh-
men?
Herr Staatssekretär.
U
Liebe Kollegin, Sie haben es eben ausgeführt: Das
Europäische Parlament hat die EU-Richtlinien am
15. Januar dieses Jahres verabschiedet. Der Rat hat die
Richtlinien am 11. Februar 2014 beschlossen.
Die Umsetzungsfrist beläuft sich auf zwei Jahre nach
Inkrafttreten. Die Richtlinien werden voraussichtlich im
März 2014 in Kraft treten. Das BMWi wird als federfüh-
rendes Ministerium innerhalb der Bundesregierung Vor-
schläge für die Umsetzung des Richtlinienpaketes in das
nationale Vergaberecht erarbeiten.
Bei der Frage der Bereichsausnahme für Rettungs-
dienste handelt es sich um eine wesentliche Frage, deren
Umsetzung der Bundesgesetzgeber selbst in die Hand
nehmen sollte. Daher ist eine Umsetzung im Rahmen
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ge-
plant.
Weitere Nachfrage, Frau Kollegin Bellmann?
Metadaten/Kopzeile:
922 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
Raten Sie den Kommunen bzw. den Landkreisen, die
sich bereits im Ausschreibungs- oder Vergabeverfahren
befinden, das Verfahren auszusetzen, bis die Umsetzung
in nationales Recht stattgefunden hat, oder ist den Kom-
munen anzuraten, das Verfahren nach bisherigem Recht
und Gesetz weiterzuführen?
Herr Staatssekretär.
U
Gestatten Sie mir, dass ich darauf persönlich ant-
worte: Ich würde das nicht aussetzen, sondern im weite-
ren Verfahren anpassen. Ich glaube, das ist die sinnvol-
lere Vorgehensweise.
Danke schön. – Weitere Nachfragen liegen dazu nicht
vor.
Ich rufe die Fragen 18 und 19 des Kollegen Dieter
Janecek, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wie gewährleistet die Bundesregierung in persona des
Bundesministers Sigmar Gabriel bei der neu zu besetzenden
Stelle des Abteilungsleiters der Industriepolitikabteilung des
Bundeswirtschaftsministeriums – Abteilung IV –, dass die
ökologische Ausrichtung der Industriepolitik im Sinne eines
Wandels hin zu konsequenter Ressourcenschonung und Nach-
haltigkeit Vorrang erhält, und welche konkreten Maßnahmen
sollen von der Abteilung in diesem Sinne im ersten Halbjahr
2014 ergriffen werden?
Welchen Inhalt hatten die entsprechenden Maßnahmen,
die die Bundesregierung in persona des Bundesministers für
Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, in Brüssel ergriffen
hat, damit die Verhandlungen des Freihandelsabkommens
zwischen den USA und der Europäischen Union so schnell
wie möglich vorankommen, für die sich der Abgeordnete
Maßnahmen ausgestaltet, sodass ein schneller Abschluss des
Abkommens unter Beibehaltung der europäischen Ökologie-,
Verbraucher- und Sozialstandards forciert wird?
U
Lieber Herr Janecek, die Bundesregierung setzt sich
für eine zügige Verhandlung des Abkommens ein, insbe-
sondere in den dafür vorgesehenen Gremien in Brüssel,
etwa im Handelspolitischen Ausschuss. Daneben steht
das Ministerium in engem Kontakt mit der Europäischen
Kommission, um die Verhandlungen auch im Sinne der
Wahrung der sogenannten Schutzstandards voranzutrei-
ben.
Danke schön. – Herr Kollege Janecek, bitte.
Ich glaube, Sie haben jetzt die Frage 19 beantwortet.
Das ist mir auch schon aufgefallen.
U
Ich bitte um Entschuldigung.
Wir können das aber gerne umdrehen: Ich stelle Ihnen
eine Nachfrage zu Frage 19, und danach beantworten Sie
die Frage 18.
Zu meiner Nachfrage. Herr Gabriel hat sich für ein er-
folgreiches Freihandelsabkommen, TTIP, eingesetzt.
Dazu gab es widersprüchliche Aussagen, insbesondere
aus dem Bundesumweltministerium. Was konkret be-
inhaltet dieser Einsatz für ein erfolgreiches Freihandels-
abkommen, den Herr Dr. Fuchs so gelobt hat?
Herr Staatssekretär.
U
Lassen Sie es mich so formulieren: In Bezug auf
TTIP ist festzustellen, dass seitens der Bundesregierung
im vergangenen Jahr, 2013, umfangreich informiert wor-
den ist und in diesem Zusammenhang auch klargestellt
wurde, in welcher Art und Weise Informationen seitens
der Europäischen Union über die Bundesregierung in
Richtung des Parlamentes geflossen sind.
Dazu gibt es diverse Beispiele. Sie wissen auch auf-
grund der zu Beginn dieser Woche durchgeführten An-
hörung, dass die Dokumentation betreffend TTIP sehr
umfassend ist, auch bei der Dokumentationsabteilung
des Deutschen Bundestages. Sie können dort in sämtli-
chen Unterlagen, auch in sämtlichen Kabelberichten
nachlesen. Sie haben einen umfassenden Eindruck ge-
winnen können. Ich kann Ihnen das alles in Form einer
Übersicht noch einmal schriftlich zur Verfügung stellen,
damit Sie sehen können, welche verschiedenen Informa-
tionen seit Beginn des letzten Jahres, seit 2013, gegeben
worden sind. Ich würde Ihnen das gerne schriftlich über-
mitteln.
Danke schön. – Gibt es zu Frage 19 noch eine Nach-
frage? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zurück zu Frage 18. Darin fragt
der Kollege Dieter Janecek, Bündnis 90/Die Grünen,
nach der Besetzung der Leitung der Abteilung Industrie-
politik im BMWi. – Herr Staatssekretär, wir bitten um
Ihre Antwort zu Frage 18.
U
Bundesminister Sigmar Gabriel hat in seinem Be-gleitschreiben zur Einleitung der Ressortabstimmungzum Jahreswirtschaftsbericht 2014 einige wirtschafts-politische Zielvorstellungen kommuniziert. Er führte un-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 923
(C)
(B)
Parl. Staatssekretär Uwe Beckmeyerter anderem aus, dass es um ein Industriemodell geht,das auf Nachhaltigkeit, Energie- und Ressourceneffi-zienz ausgerichtet ist. Die von Bundesminister Gabrielkommunizierten Zielvorstellungen werden bei allen per-sonalpolitischen Entscheidungen mitbedacht.Mit Wirkung vom 1. Februar 2014 wurde Herr Minis-terialdirektor Dr. Sven Halldorn zum Leiter der Abtei-lung IV, Industriepolitik, bestellt. Herr Dr. Halldorn ver-fügt über langjährige Erfahrung im Verbände- undVerwaltungsbereich. Er hat als Leiter der Technologie-abteilung fachliche und Führungsqualität bewiesen, dieer nun nach Zusammenlegung des Bereichs Industriepo-litik mit Teilen des Bereichs Technologiepolitik in seineneue Aufgabe als Leiter der industriepolitischen Abtei-lung einbringen wird. Ressourcenschonung und Nach-haltigkeit werden dabei eine wichtige Rolle spielen.Entsprechend dem heute veröffentlichten Jahreswirt-schaftsbericht 2014 setzt die Bundesregierung darauf,die gesellschaftliche Akzeptanz, das innovative Poten-zial und die besonderen Kernkompetenzen der deutschenIndustrie zu fördern und zu entwickeln. Sie tragen nichtzuletzt maßgeblich dazu bei, die großen Herausforderun-gen, unter anderem der Energiewende, des Klimaschut-zes, der Ressourceneffizienz, der Gesundheitsversorgung,der globalen Kommunikation und der zunehmenden Mo-bilität der Menschen und des Wachsens der Warenströmezu meistern. Die Bundesregierung wird deshalb dieHightech-Strategie zu einer umfassenden, ressortüber-greifenden Innovationsstrategie weiterentwickeln undausbauen. Dabei werden auch Deutschlands industrielleKernkompetenzen einbezogen.
Danke schön. – Nachfragen vom Kollegen Janecek? –
Das ist nicht der Fall. Sonstige Nachfragen gibt es auch
nicht.
Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Katharina
Dröge, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Wenn der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel der
Meinung ist, dass es im Rahmen der geplanten Transatlanti-
schen Handels- und Investitionspartnerschaft, TTIP, „keiner-
lei Standardabsenkungen bei Löhnen, Kultur und sozialen Si-
schätzung der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, wonach
eine Investitionsschutzklausel als Teil der TTIP „die Errun-
genschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung, hundert Jah-
ren Frauenbewegung und 50 Jahren Umweltbewegung mit ei-
nem Federstrich zerstören“ würde, und, falls ja, was plant die
Bundesregierung zu unternehmen, um dies zu verhindern
Herr Staatssekretär, bitte.
U
Liebe Kollegin Frau Dröge, die Position der Bundes-
regierung zur Einbeziehung des Investitionsschutzes und
von Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP ist bekannt
und mehrfach gegenüber dem Bundestag dargelegt wor-
den. Danach gehört Investitionsschutz in den Verhand-
lungen über TTIP nicht zu den offensiv vertretenen Inte-
ressen der Bundesregierung, da die USA hinreichend
Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren und
US-Investoren in Deutschland hinreichende Rechts-
schutzmöglichkeiten vor nationalen Gerichten besitzen.
Dies hat die Bundesregierung auch wiederholt gegen-
über der Europäischen Kommission zum Ausdruck ge-
bracht. Besorgnisse über grundlegende Veränderungen
der Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in Europa
durch die transatlantischen Verhandlungen sind unbe-
gründet. Die endgültige Entscheidung über die Auf-
nahme von Investitionsschutzbestimmungen und Inves-
tor-Staat-Schiedsverfahren in das Abkommen wird nach
Evaluierung des Verhandlungsergebnisses zum Investi-
tionsschutz durch die Mitgliedstaaten erfolgen.
Danke schön. – Kollegin Dröge, noch eine Nach-
frage? – Bitte.
Wir hatten am Montag den Chefunterhändler der EU,
Herrn Bercero, im Wirtschaftsausschuss zu Gast und ha-
ben ihm dort auch Fragen zum Investitionsschutzabkom-
men stellen können. Er hat dargelegt, dass über das
Thema Investitionsschutzabkommen weiterhin zwischen
der EU und den USA verhandelt wird. Er hat uns gleich-
zeitig berichtet, dass es im Rahmen bestehender Freihan-
delsabkommen zwischen der EU und anderen Ländern
durchaus Probleme im Bereich des Investitionsschutzes
gibt. Er konnte die Frage, warum der Weg des Investi-
tionsschutzabkommens vor dem Hintergrund realer Pro-
bleme mit Investitionsschutzabkommen weiter beschritten
wird, aus meiner Sicht nicht befriedigend beantworten.
Sie haben ja selber gesagt, dass TTIP am Ende auch von
diesem Parlament ratifiziert wird. Deswegen frage ich:
Was unternimmt die Bundesregierung, um im Rahmen
ihrer Möglichkeiten Einfluss auf die Europäische Kom-
mission und die Verhandler zu nehmen, dass dieses In-
vestitionsschutzabkommen nicht weiter verhandelt
wird?
Herr Staatssekretär.
U
Wie Sie sicher wissen, ist der gesamte Handelskom-plex sehr stark bei der Europäischen Union und derKommission verortet. Die Nationalstaaten haben in die-sem Bereich durchaus ein, ich sage einmal, Mitsprache-recht, aber das Führen der Verhandlungen zu diesemThema ist in erster Linie ein Recht der Kommission;dies ist auch durch die Verträge so bestimmt. Insoferngeht es jetzt darum, diese Verhandlungen weiter auch ak-tiv zu begleiten.Ich habe eben zum Ausdruck gebracht, dass wir unsdie Ergebnisse sehr wohl prüfend anschauen werden. Ichhabe auch zum Ausdruck gebracht, dass es nicht unsererstes Interesse ist, dass eine solche Klausel bezüglichInvestor-Staat-Schiedsverfahren dort aufgenommen wird;
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924 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Parl. Staatssekretär Uwe Beckmeyerdenn wir sind der Meinung, dass Rechtsetzung und dierechtsstaatlichen Verfahren so sowohl in den USA alsauch hier in Europa ausreichend sind.
Weitere Nachfrage, Frau Kollegin Dröge? – Bitte
schön.
Heißt das, dass die Bundesregierung, wenn wir am
Ende hier im Parlament einen Entwurf vorliegen haben,
in dem eine solche Investitionsschutzklausel enthalten
ist, die keine Sicherung der Standards gewährleisten
kann, Nein sagen wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
U
Liebe Frau Kollegin, grundsätzlich gilt, dass von der
Bundesregierung abgeschlossene Investitionsschutzver-
träge nur solchen Investitionen Schutz einräumen, die im
Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Anla-
gelandes getätigt wurden. Gesetze des Anlagelandes, die
den Schutz der Menschenrechte konkretisieren, Sozial-
und Umweltstandards festlegen oder völkerrechtlich ver-
bindliche Beschlüsse umsetzen, müssen daher vom In-
vestor eingehalten werden. Kernpunkte des Investitions-
schutzes sind der Schutz gegen Diskriminierung
gegenüber inländischen Investoren sowie gegen unver-
hältnismäßige oder willkürliche Eingriffe in Investitio-
nen oder den Bruch staatlicher Zusagen. Gesetzliche
Regelungen können keine Verletzung eines Investitions-
schutzvertrages begründen, wenn sie dessen Schutzvor-
schriften nicht verletzen. Dies gilt auch im Hinblick auf
die Gesetzgebung. Ich mache diese grundsätzlichen
Aussagen, weil immer wieder die Furcht artikuliert wird,
es sei anders. Weil es eben nicht anders ist, sondern wie
von mir eben beschrieben, haben wir, denke ich, eine
sehr souveräne und gute Position in diesem Verfahren.
Schönen Dank. – Weitere Nachfragen zur Frage 20
sehe ich nicht.
Die Frage 21 des Kollegen Oliver Krischer sowie die
Fragen 22 und 23 der Kollegin Dr. Julia Verlinden wer-
den schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 24 der Kollegin Heike
Hänsel, Die Linke:
Wie rechtfertigt die Bundesregierung Hermesbürgschaften
CDU, CSU und SPD eine „zurückhaltende Rüstungsexport-
politik“ genannt ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
U
Liebe Kollegin Frau Hänsel, für die Bundesregierung
beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesregierung
betreibt eine zurückhaltende und verantwortungsvolle
Rüstungsexportpolitik, indem Deutschland keine Waffen
an Länder liefert, in denen Bürgerkrieg herrscht. Auch
Unrechtsregime erhalten keine Waffen, die zu internen
Repressionen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt
werden könnten.
Zur Exportkreditgarantie des Bundes, den Hermes-
deckungen, für die geplante Lieferung von Patrouillen-
booten nach Saudi-Arabien ist zu sagen, dass das
Geschäft nach den einschlägigen Kriterien förderungs-
würdig ist. Der Auftrag trägt in erheblichem Maße zum
Erhalt von Arbeitsplätzen an den Standorten der Werft
und bei ihren Zulieferern bei. Die positiven Arbeitsplatz-
effekte betreffen insbesondere strukturschwache Ge-
biete.
Auch mit Blick auf den Einsatzzweck der Schiffe er-
geben sich keine Bedenken gegen die Förderungswür-
digkeit. Das saudi-arabische Innenministerium beabsich-
tigt, Patrouillenboote von einem deutschen Hersteller zu
erwerben, um sie zum Schutz seiner Küsten im Roten
Meer und Arabischen Golf einzusetzen. Saudi-Arabien
benötigt Patrouillenboote, um seine Küstenlinien zu
überwachen, Hoheitsgewässer, internationale Seewege,
Offshoreöl- und -gasfelder sowie Hafenanlagen zu
schützen und Piraterie, Sabotage sowie Terrorismus zu
unterbinden. Hierbei handelt es sich um legitime staatli-
che Aufgaben Saudi-Arabiens, die auch im deutschen
Interesse sind. Das Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie hat aus Gründen der Transparenz Informa-
tionen zu diesem hermesgedeckten Geschäft im Internet-
auftritt des Ministeriums eingestellt.
Danke schön. – Frau Kollegin Hänsel, eine Nach-
frage?
Danke schön, Herr Präsident. – Es geht hier um die
grundsätzliche Frage, ob man ein milliardenschweres
Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien abschließen sollte.
Saudi-Arabien – da sind wir uns wohl einig – ist eine ab-
solute Monarchie: Es gibt kein Parlament, Parteien sind
verboten, von Frauenrechten kann man nicht sprechen.
Ich frage mich, wie Sie angesichts der vielen Menschen-
rechtsdiskurse, die Sie führen – zum Beispiel mit der
Ukraine oder mit Russland –, ein milliardenschweres
Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien legitimieren wol-
len. Wie wollen Sie argumentieren, dass Sie dieses Land
dadurch nicht politisch aufwerten?
Herr Staatssekretär.
U
Liebe Frau Hänsel, wenn Sie so in diese Regionschauen, werden Sie feststellen, dass vor der Küste So-malias, einem zurzeit völlig unregierbaren Land, Pirate-rie ein beträchtliches Problem darstellt, wodurch die in-ternationalen Seewege massiv beeinträchtigt wurden und
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 925
(C)
(B)
Parl. Staatssekretär Uwe Beckmeyerbeeinträchtigt werden. Wir, die NATO, aber auch andereLänder dieser Welt haben daraufhin in größerem StileFregatten und anderes Kriegsgerät dorthin geschickt. Ichglaube, einen weiteren Einsatz dieser Größenordnungkann kein Mitglied der internationalen Gemeinschaft indiesem Bereich leisten. Insofern müssen wir hier fest-stellen: Saudi-Arabien ist ein souveräner Staat, der mitden Patrouillenbooten, die angeschafft werden sollen,seine Küsten schützen möchte, um Piraterie und Terro-rismus dort Einhalt zu gebieten. Das ist die aktuelle Si-tuation. Daher glaube ich, dass man diesen Rüstungs-export vertreten kann.
Noch eine Nachfrage, Frau Kollegin Hänsel? – Bitte
schön.
Wenn es jetzt um die Bekämpfung von Piraterie geht,
dann sind wir schon bei einer militärischen Auseinander-
setzung – weil Sie sagten, es sei ja in dem Sinne kein
Rüstungsexport zum Zwecke einer militärischen An-
wendung.
Mit diesem Rüstungsexport stärken Sie Saudi-Ara-
bien politisch; so ist das mit Militärgeschäften.
Sie haben gerade eben auch gesagt, ein Kriterium sei,
keine Waffen in Bürgerkriegsregionen zu liefern. Aber
es gibt ja auch indirekte Waffenlieferungen, zum Bei-
spiel die Unterstützung von Rebellen in Syrien. Saudi-
Arabien ist ein Player in vielen Konflikten und unter-
stützt Rebellen und Milizen in anderen Ländern. Daher
noch einmal die konkrete Nachfrage: Wie können Sie es
verantworten, mit solch einem Land Rüstungsgeschäfte
zu machen?
Herr Staatssekretär.
U
Liebe Frau Hänsel, die Einschätzung, die Sie eben ge-
äußert haben, teile ich persönlich nicht. Diese Geräte,
denke ich, werden nicht im syrischen Konflikt einge-
setzt,
sie dienen ausschließlich zur Ausrüstung des Küsten-
schutzes des souveränen Staates Saudi-Arabien.
Danke schön. – Jetzt haben wir eine Nachfrage vom
Kollegen Gehrcke, Die Linke, und danach vom Kollegen
van Aken, Die Linke.
Herr Kollege Gehrcke, bitte.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekre-
tär, Sie haben in Ihrer ersten Antwort markant formuliert
– ich habe mir das mitgeschrieben –: „Unrechtsregime
erhalten keine Waffen“. Darf ich daraus im Umkehr-
schluss folgern, dass die Bundesregierung der Auffas-
sung ist, dass Saudi-Arabien ein Rechtsstaat ist, dass Ka-
tar ein Rechtsstaat ist? Ich könnte Ihnen da noch eine
ganze Menge Länder aufzählen. Entweder stimmt Ihre
Aussage nicht, oder die Haltung der Bundesregierung
stimmt nicht. Würden Sie mir das beantworten?
Herr Staatssekretär.
U
Gerne. Lieber Herr Abgeordneter, ich habe die Ant-
wort wie folgt formuliert: Die Bundesregierung betreibt
eine zurückhaltende und verantwortungsvolle Rüstungs-
exportpolitik, indem Deutschland keine Waffen an Län-
der liefert, in denen Bürgerkrieg herrscht. Auch Un-
rechtsregime –
erhalten keine Waffen, die zu internen Repressionen ge-
gen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden können. –
Das war meine Antwort.
Danke schön. – Kollege van Aken stellt die nächste
Frage.
Vielen Dank. – Schönen guten Tag, Herr Beckmeyer!Meine erste Frage ist, ob sich auch die neue Bundes-regierung an die politischen Grundsätze für den Exportvon Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern haltenwird, so wie es die letzten zwölf Jahre gewesen ist. Indiesen politischen Grundsätzen heißt es wörtlich – michwürde einmal interessieren, ob Sie das als neue Bundes-regierung eigentlich genauso unterschreiben würden –:Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüs-tungsgütern …– in sonstige Länder –wird restriktiv gehandhabt.Jetzt kommt es – weil Sie über Arbeitsplätze geredet ha-ben –:Er darf insbesondere nicht zum Aufbau zusätzli-cher, exportspezifischer Kapazitäten führen.Sie haben in Ihrer ersten Antwort auf diese Frage langund breit erklärt, dass der Export dieser Patrouillenbootebenötigt wird, weil dadurch Arbeitsplätze insbesonderein Werften geschaffen oder erhalten werden, die sonstmöglicherweise dicht machen müssen. Das widersprichtaber den bisherigen politischen Grundsätzen der Bun-desregierung. Meine Frage an Sie lautet also: Werfen SieIhre Grundsätze über Bord, oder wollen Sie sich tatsäch-lich daran halten? Im zweiten Fall dürften Sie die Pa-trouillenboote nicht exportieren.
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926 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Herr Staatssekretär.
U
Lieber Abgeordneter van Aken, wir halten uns an die
Regeln; da gibt es kein Vertun. Das, was Sie Ihrerseits
als Interpretation vorgetragen haben, teile ich auch aus-
drücklich nicht.
Gut. – Ich habe noch eine Nachfrage.
Nein, haben Sie nicht. Da hätten Sie das Wort vorher
blitzschnell einer Kollegin oder einem Kollegen geben
müssen. Wir sind auch schon ziemlich in Verzug.
Ich schließe den Geschäftsbereich Wirtschaft und
Energie.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes. Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten
Heike Hänsel auf:
Weshalb fordert der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Sanktionen für Regierungsmit-
glieder in der Ukraine, während gegenüber der türkischen Re-
gierung trotz massiver Gewalt gegen friedliche Demonstran-
ten der Taksim-Bewegung mit mindestens fünf Toten im
letzten Jahr und zahlreicher Korrup-
tionsvorwürfe gegen Regierungsmitglieder Sanktionen kein
Thema sind?
Zur Beantwortung ist Frau Staatsministerin Dr. Maria
Böhmer bei uns. – Frau Dr. Böhmer, Frage 25, bitte.
D
Gerne, Herr Präsident. – Frau Kollegin Hänsel, der
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, hat keine Sanktionen gegen Regierungsmit-
glieder in der Ukraine gefordert. Es besteht jedoch aus
Sicht der Bundesregierung die Notwendigkeit, gegen-
über der ukrainischen Führung entschieden aufzutreten.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesaußenminister in
seinem Interview in den Tagesthemen am 3. Februar
2014 die Möglichkeit erwähnt, Sanktionen anzudrohen.
Dies entspricht auch der gegenwärtigen Diskussion im
Rahmen der Europäischen Union.
Danke schön. – Haben Sie dazu eine Nachfrage, Frau
Kollegin Hänsel? – Bitte schön.
Danke schön, Herr Präsident. – Die Kanzlerin hat
auch Sanktionen in Erwägung gezogen bzw. den Begriff
erwähnt. Ich frage mich: Warum wird gegenüber ande-
ren Staaten das Wort „Sanktion“ nicht erwähnt? Ich habe
konkret nachgefragt, weswegen zum Beispiel der Tür-
kei, in der jetzt seit über einem Jahr eine Demokratiebe-
wegung brutal unterdrückt wird – ich habe das selbst er-
lebt, als ich im Gezi-Park war –, nicht Sanktionen
angedroht werden. Wir haben mittlerweile sieben tote
Demonstranten zu verzeichnen. Die Regierung Erdogan
ist von einem extremen Korruptionsfall erschüttert.
Viele Regierungsmitglieder sind zurückgetreten. Warum
wird in Bezug auf die Türkei nicht in gleicher Weise wie
in Bezug auf die Ukraine über Sanktionen gesprochen?
Im Gegenteil: Es werden weitere Kapitel für die Ver-
handlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union
eröffnet. Wie legitimieren Sie diese Doppelstandards?
Frau Staatsministerin, bitte.
D
Frau Kollegin, Sie haben in der Tat in Ihrer Frage ei-
nen Zusammenhang hergestellt. Ich habe klar erklärt,
dass der Bundesaußenminister keine Sanktionen gefor-
dert hat. Der Zusammenhang, den Sie herstellen wollten,
ist daher so nicht gegeben. Deshalb konnte ich darauf
nicht eingehen.
Ich will Ihnen aber, damit Sie eine Antwort auf Ihre
Frage bezüglich der Türkei erhalten, sagen: Vielleicht
erinnern Sie sich daran, dass die für Ende Juni 2013 vor-
gesehene EU-Beitrittskonferenz extra verschoben
wurde. Die Lage in der Türkei ist auch immer wieder an-
gesprochen worden. Wir haben es hier insofern mit zwei
verschiedenen Sachverhalten zu tun, die auch unter-
schiedlich behandelt worden sind.
Haben Sie noch eine Nachfrage, Frau Kollegin
Hänsel?
Ja.
Bitte schön.
Danke schön. – Ich habe gesagt, dass Sanktionen in
Erwägung gezogen worden sind. Der Begriff ist also ge-
fallen. Ich möchte deshalb noch einmal in Bezug auf
meine Frage zu den Rüstungsgeschäften in Saudi-Ara-
bien nachhaken: Wie können Sie eigentlich mit derarti-
gen Doppelstandards eine glaubwürdige Außenpolitik
verfolgen? Sie rüsten ein absolutistisches System in
Saudi-Arabien auf. Währenddessen ziehen Sie in Bezug
auf die Ukraine Sanktionen in Erwägung – das ist hier
sehr populär –, sprechen von einer Übergangsregierung
und sagen, dass die UNO eingeschaltet werden muss.
Das heißt: In einem Land intervenieren Sie, ein anderes
Land unterstützen Sie mit Waffen, und bei noch einem
anderen Land schauen Sie nur zu. Was ist das eigentlich
für eine Außenpolitik?
Frau Staatsministerin.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 927
(C)
(B)
D
Frau Kollegin Hänsel, ich verstehe, dass Sie das, was
man sagt, gerne überhören. Deshalb wiederhole ich es,
damit es nicht falsch im Raum stehen bleibt; denn Sie in-
terpretieren es falsch: Ich habe ganz klar gesagt, dass
vonseiten des Bundesaußenministers – und das sage ich
auch für die Bundeskanzlerin – keine Sanktionen gegen-
über der Ukraine gefordert worden sind. Damit ist die
Voraussetzung, die Sie setzen wollen, nicht gegeben.
Danke schön. – Weitere Zusatzfragen dazu liegen
nicht vor.
Die Frage 26 des Abgeordneten Andrej Hunko, Frak-
tion Die Linke, wird schriftlich beantwortet. Die Fra-
gen 27 und 28 der Abgeordneten Dağdelen werden
ebenfalls schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Abge-
ordneten Wolfgang Gehrcke, die Linke:
Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesre-
gierung aus der außenpolitischen Rede des Bundespräsidenten
Joachim Gauck auf der 50. Münchner Sicherheitskonferenz
2014?
Bitte, Frau Staatsministerin.
D
Gerne. – Bundespräsident Joachim Gauck hat in sei-
ner Eröffnungsrede zur Münchner Sicherheitskonferenz
die umfassenden Beiträge Deutschlands zur internatio-
nalen Sicherheit gewürdigt. Der Bundespräsident hat da-
rüber hinaus Fragen zum künftigen deutschen Engage-
ment, unter anderem bei der Stabilisierung unserer
Nachbarschaft und beim Umgang mit globalen Heraus-
forderungen, gestellt und damit eine wichtige gesell-
schaftliche Debatte angeregt – einschließlich der damit
verbundenen ethischen Dimension.
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-
Walter Steinmeier, hat in seiner am Tag darauf ebenfalls
bei der Münchner Sicherheitskonferenz gehaltenen Rede
bereits einige Thesen des Bundespräsidenten aufgegrif-
fen und seine Vorstellungen von einer tätigen Außen-
politik, die die Bearbeitung von Konflikten – ich zi-
tiere – „früher, entschiedener und substanzieller“ angeht
und sich – ich zitiere erneut – „nicht in Empörungsrheto-
rik oder der bloßen Benotung von Bemühungen und Ak-
tivitäten anderer erschöpfen“ darf, erläutert.
Danke schön. – Eine Nachfrage, Kollege Gehrcke? –
Bitte schön.
Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin, für diese Er-
läuterung der Reden des Bundespräsidenten und des
Bundesaußenministers. Da ich in München war, sind mir
beide durchaus geläufig. Darüber können wir uns ja
noch austauschen.
Ich will aber zuerst eine Frage stellen. – Die Presse
kommentiert die Reden von Herrn Gauck, von Frau von
der Leyen und von Herrn Steinmeier fast einhellig als
eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. Halten
Sie es eigentlich für angemessen, dass, nachdem wir uns
hier im Bundestag eine ganze Woche lang Regierungser-
klärungen zur Außenpolitik, zur Verteidigungspolitik
und zur Entwicklungspolitik angehört und darüber de-
battiert haben, die handelnden Personen nach München
auf eine nichtstaatliche Konferenz ziehen und dort eine
Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik verkünden?
Geht man so mit einem Parlament um?
Frau Staatsministerin, bitte.
D
Herr Kollege, ich weiß, dass es intensive Kontakte
und auch einen intensiven Austausch gibt. So hat das
Auswärtige Amt in Person des Staatssekretärs heute
Morgen im Auswärtigen Ausschuss, dem Sie angehören,
Stellung dazu genommen, und es finden regelmäßige
Unterrichtungen statt.
Sie haben ja selbst an der Münchner Sicherheitskon-
ferenz teilgenommen und sind auch Mitglied dieses Ho-
hen Hauses. Insofern haben Sie auch sozusagen hautnah
und unmittelbar an den Diskussionen teilnehmen kön-
nen – wenn auch an einem anderen Ort.
Ich glaube, der Bundespräsident hat mit seiner Rede
einen wichtigen Anstoß für eine breit angelegte öffentli-
che Diskussion gegeben, die weit über das Parlament hi-
nausgeht; denn es geht um unser Selbstverständnis, um
die Einbettung unserer Positionen in Europa und um die
Abstimmung mit anderen Staaten. Dass wir hier im Par-
lament darüber debattieren, merken wir jetzt an den Fra-
gen – genauso wie das heute im Ausschuss der Fall war.
Wir müssen aber auch die Öffentlichkeit mitnehmen.
Ich glaube, dass das viele Menschen in Deutschland in
der Tat sehr berührt. Von daher fand ich es gut und rich-
tig, dass ein solcher Anstoß gegeben worden ist.
Eine weitere Nachfrage des Kollegen Gehrcke.
Es würde mich ja fast begeistern, wenn ich einmal derVertreter des ganzen Hohen Hauses auf solchen Konfe-renzen wäre. Sie könnten ja mit Ihren Kollegen einmalverhandeln, ob man das in dieser Art und Weise arran-gieren kann.Mit geht es auch um die inhaltliche Bestimmung.Man sagt, man wolle früher, substanzieller und entschie-dener handeln. Das verstehe ich erst einmal als Kritik anvorangegangenen Regierungen, denen man ja auch an-gehört hat, dass die all das unterlassen haben, und jetztwill man alles ganz anders und ganz neu machen.
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928 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Wolfgang GehrckeIch hätte erwartet, dass der Außenminister dieseÜberlegungen in seiner Regierungserklärung in der letz-ten Sitzungswoche vor der Münchner Sicherheitskonfe-renz hier in diesem Hause präsentiert, dort, wo die Abge-ordneten dieses Hauses versammelt sind, statt sie aufeiner Konferenz darzustellen, wo man nichts beschließt,sondern nur zuhören kann. Ich finde, das ist ein unparla-mentarisches Verhalten.
War das als Frage gemeint? Es war ja eigentlich eine
Kommentierung.
Stimmen Sie mir zu, dass ich das so empfinden darf?
Ich ahnte, dass Sie das als Frage gemeint haben.
Entschuldigung.
Frau Staatsministerin.
D
Über Ihre Gefühle urteile ich hier nicht.
Gut. – Als Nächste hat Frau Kollegin Hänsel, Frak-
tion Die Linke, eine Frage. Bitte schön.
Danke schön. – Frau Staatsministerin, Sie sind auf
das allgemeine Interesse der Bevölkerung zu sprechen
gekommen. Wie bewerten Sie dann die Ergebnisse der
letzten Umfragen direkt nach der Sicherheitskonferenz,
wonach 75 Prozent der Bevölkerung Auslandseinsätze
der Bundeswehr ablehnen? Würden Sie sagen, dass der
Präsident hier im allgemeinen Interesse oder nur für eine
ganz kleine Minderheit spricht?
Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin Hänsel, das, was der Bundespräsident
angesprochen hat, hat eine zutiefst ethische Dimension.
Ich erinnere an den Völkermord in Ruanda. Dadurch,
dass damals nicht eingegriffen worden ist, mussten viele
Menschen – es waren über 1 Million – ihr Leben lassen.
Bei den Ereignissen auf dem Balkan wurde damals an-
ders gehandelt. Wir wissen: Das war keine einfache Ent-
scheidung, aber sie hat Menschenleben gerettet.
Ihre Schlussfolgerung, dass die Rede des Bundesprä-
sidenten mit der Forderung nach militärischen Einsätzen
gleichzusetzen ist, und auch die Tatsache, dass Sie nach
meinem Eindruck bestimmte militärische Einsätze mei-
nen, ist angesichts der Rede des Bundespräsidenten nicht
gerechtfertigt.
Danke schön.
Als Nächstes kommen wir zur Frage 30 des Abgeord-
neten Wolfgang Gehrcke:
Versteht die Bundesregierung unter einer grundsätzlich
neuen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik ebenfalls die
Bereitschaft zu vermehrten Militäreinsätzen auch im europäi-
schen Rahmen?
Antwort auf Frage 30, Frau Staatsministerin.
D
Herr Kollege Gehrcke, die Bundesregierung nimmt
ihre Verantwortung für das gemeinsame europäische
Engagement für Frieden und Sicherheit ernst. Die Bun-
desregierung hat den Anspruch, nicht nur auf Anfragen
zu reagieren, sondern vielmehr Impulsgeber einer ge-
meinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und
Verteidigungspolitik zu sein. Unverändert vertritt die
Bundesregierung dabei die Auffassung, dass es bei der
Übernahme von mehr Verantwortung und einer aktive-
ren Rolle zunächst darum gehen muss, unsere diplomati-
schen Mittel früher, entschiedener und substanzieller zur
Wirkung zu bringen.
Die Bundesregierung setzt grundsätzlich auf politi-
sche Konfliktlösungsansätze. Einsätze des Militärs, wie-
wohl zum Inventar des außenpolitischen Werkzeugkas-
tens gehörend, können stets nur das äußerste Mittel sein.
Sie dürfen nur mit Bedacht und Zurückhaltung einge-
setzt werden, eingebettet in einen umfassenden Ansatz
auch politischer und entwicklungspolitischer Instru-
mente. An diesem Grundsatz hält die Bundesregierung
weiterhin fest.
Eine Nachfrage, Kollege Gehrcke? – Bitte schön.
Das alles höre ich sehr gerne. Aber ich muss das nichtalles glauben. Der Bundesaußenminister hat auf derMünchner Sicherheitskonferenz seine Positionen sehrpointiert vorgetragen. Ich beziehe mich auf das etwasschräge Bild, dass man nicht an der Außenlinie sitzenbleiben will, während andere handeln.Darf ich dieses Nicht-an-der-Außenlinie-sitzen-Blei-ben auch darauf beziehen, Militär einzusetzen? Ich fragedies vor dem Hintergrund, dass in dieser Woche überverschiedene Einsätze diskutiert wird, etwa in Somalia,in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik. Es gehtdarum, ob die Soldaten in Afghanistan bleiben sollen.
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(C)
(B)
Wolfgang GehrckeAuch Mittelmeereinsätze sind geplant. Das ist der Hin-tergrund. Können Sie deswegen verstehen, dass auch diePresse der Auffassung ist, dass der Bundesaußenministerfür mehr Einsätze geworben hat?
Frau Staatsministerin.
D
Ich glaube, Herr Gehrcke, man darf das nicht auf die
militärischen Einsätze verkürzen, wobei militärische
Einsätze, wenn es etwa um die Ausbildung der Truppen
in Mali geht, etwas anderes sind als ein Kampfeinsatz.
Sie wissen auch sehr wohl, dass wir nur in sehr geringem
Maße an Kampfeinsätzen beteiligt waren und beteiligt
sind.
Insofern muss bei dem Begriff „militärische Einsätze“
immer präzisiert werden, um was es sich handelt. Wir
überlegen derzeit, ein Flugzeug, das mit einer medizini-
schen Intensivstation ausgestattet ist, zur Verfügung zu
stellen. Das fällt zwar auch unter das Stichwort „militäri-
scher Einsatz“, aber damit ist eine große Hilfsaktion ver-
bunden. Insofern muss man sehr viel differenzierter an
die Begriffe herangehen.
Aber ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen,
dass der Bundesaußenminister und auch die Bundesver-
teidigungsministerin – das kann man in den jüngsten In-
terviews nachlesen – sehr dezidiert darauf abheben, dass
man die diplomatischen Möglichkeiten früher nutzen
muss, damit es gar nicht erst zur Eskalation kommt. Man
muss im Vorfeld wirksam arbeiten. Das bedeutet bei-
spielsweise, Möglichkeiten der Entwicklungshilfe einzu-
setzen. Ich habe vorhin in der Regierungsbefragung zu
dem Stellenwert der auswärtigen Kultur- und Bildungs-
politik im Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl an
Krisen und Konflikten in dieser Welt Stellung genom-
men.
Wir haben ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfü-
gung, das wir in dieser Diskussion in der ganzen Palette
und Bandbreite sehen müssen, statt es auf einen einzigen
Punkt zu verkürzen und damit auch ein bestimmtes Bild
zu malen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Ich bin gar nicht so scharf darauf, dass dieses Bild an
Deutschland hängen bleibt. Ich möchte ganz im Gegen-
teil ein anderes Bild von Deutschland real und in der
Welt gezeichnet haben.
Ich habe eine Frage, die Sie bitte möglicherweise an
den Herrn Außenminister, der auch Gegenstand meiner
Fragen ist, weiterreichen. Sie haben die Formulierung
benutzt, dass für die Bundesregierung der Einsatz von
Militär immer die „Ultima Ratio“, also das letzte Mittel
der Vernunft, sein sollte. Ob das immer so ist, bestreite
ich.
Der Außenminister hat bei Helmut Ridder in Gießen
Völkerrecht studiert, der der renommierteste linke Völ-
kerrechtler in Deutschland war. Würden Sie ihm die Er-
klärung von Willy Brandt bei der Verleihung des Frie-
densnobelpreises noch einmal vortragen, dass der
Einsatz von Militär nicht Ultima Ratio, sondern Ultima
Irratio ist, gerade bei seiner Tradition?
D
Sie haben gefragt, ob ich das an den Bundesaußen-
minister weitergebe. Sie wissen: All das, was wir hier
austauschen, wird im Stenografischen Bericht des Bun-
destages festgehalten. Es ist sogar nachzulesen.
Dann kommen wir zur Frage 31 der Kollegin Nicole
Gohlke:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
Protesten gegen die Einrichtung der Henry-Kissinger-Stif-
tungsprofessur für Internationale Beziehungen und Völker-
rechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung sicherheits-
politischer Aspekte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-
Universität Bonn?
Zur Beantwortung steht weiter Frau Staatsministerin
Böhmer zur Verfügung.
D
Frau Kollegin Gohlke, die Bundesregierung teilt die
vorgebrachten Bedenken gegen die Benennung der Pro-
fessur nicht. Mit der Einrichtung der Professur sollen die
herausragenden Leistungen des Friedensnobelpreisträ-
gers Henry Kissinger als Wissenschaftler sowie als ehe-
maliger Nationaler Sicherheitsberater und Außenminis-
ter der Vereinigten Staaten von Amerika gewürdigt
werden.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, HenryKissinger wird die mehrfache Beteiligung an Kriegs-und Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen, unter an-derem die Mitverantwortung für die Bombardements inLaos und Kambodscha, die Unterstützung des indonesi-schen Überfalls auf Osttimor oder auch seine Beteili-gung am Militärputsch in Chile. Jetzt wird von vielfa-cher Seite gerade auch aus dem Bonner Umfeld undauch aus Bonner Universitätskreisen angemahnt: So-lange diese Vorwürfe nicht restlos ausgeräumt sind, kanndiese beabsichtigte akademische Ehrung nicht zulässigsein, vor allem weil es sich um einen Lehrstuhl für Völ-kerrecht handelt. Insbesondere das wird als Provokationaufgefasst.Wie stehen Sie dazu, dass Kissinger als Vorbild fürWissenschaft und Lehre des Völkerrechts nicht taugtund auch ungeeignet ist, solange diese Vorwürfe nichtausgeräumt sind?
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930 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Sie haben das Wort.
D
Ich wiederhole gerne, dass die Bundesregierung diese
Bedenken nicht teilt, und rücke auch noch einmal in den
Blick – nicht umsonst habe ich die Betonung auf dieses
Wort gelegt –: Henry Kissinger ist Friedensnobelpreis-
träger.
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
frage.
Unter diversen Völkerrechtlern sowie in der Friedens-
forschung ist es unbestritten, dass die Vorwürfe gegen
Kissinger nie ausgeräumt werden konnten. Die Bundes-
regierung hebt bislang darauf ab, dass Kissinger für
Deutschland positiv gewirkt habe. Meinen Sie nicht,
dass dies ungeachtet dessen, ob man diese Auffassung
teilt, die Zahl getöteter und verstümmelter Nichtdeut-
scher, die infolge seiner Mitwirkung zustande gekom-
men ist, nicht rechtfertigen kann?
Sie haben das Wort zur Beantwortung, Frau Staatsmi-
nisterin.
D
Frau Kollegin, man kann sagen, dass Henry Kissinger
in der Welt ein außerordentlich geachteter Außen- und
Sicherheitspolitiker war.
Dafür, dass ihm der Friedensnobelpreis zuerkannt
wurde, dürfte es gute Gründe gegeben haben. Ich sehe
die Einrichtung dieser Stiftungsprofessur gerade unter
diesem Gesichtspunkt.
Wir kommen damit zu Frage 32 der Kollegin
Dr. Franziska Brantner:
Was genau versteht die Bundesregierung darunter, wenn
sie im Zusammenhang mit der Syrien-Krise humanitäre Kor-
ridore einfordert, wie jüngst die Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel beim Besuch des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon
am 30. Januar 2014 in Berlin, und mit welchen Mitteln will
sie sich zu deren Einrichtung einsetzen?
Bitte, Frau Staatsministerin.
D
Frau Kollegin Brantner, vorrangiges Ziel der deut-
schen und der internationalen humanitären Hilfe für Sy-
rien ist die Sicherstellung eines ungehinderten Zugangs
zu allen bedürftigen Menschen in Syrien, insbesondere
in belagerten und umkämpften Gebieten. Diese Gebiete
verteilen sich oft kleinteilig über ganz Syrien. Notwen-
dig wären lokal und auch zeitlich begrenzte Maßnah-
men, unter anderem die Aushandlung lokaler Waffen-
stillstände, die Ermöglichung von Hilfslieferungen über
Frontlinien hinweg, die Evakuierung von Zivilisten aus
belagerten Gebieten, die freie Passage für medizinische
Güter und Impfstoffe, der Zugang zu Gefangenen sowie
die Ausweitung grenzüberschreitender humanitärer
Maßnahmen. Die Ausweitung des humanitären Zugangs
kann nur über Vereinbarungen zwischen den beteiligten
Konfliktparteien erfolgen.
Die Bundesregierung setzt sich in enger Abstimmung
mit wichtigen humanitären Akteuren für die genannten
Maßnahmen zur Verbesserung des humanitären Zugangs
ein. Dabei werden einerseits eigene Kontakte zur gemä-
ßigten syrischen Opposition genutzt. Andererseits wird
im Dialog mit der Russischen Föderation und der Islami-
schen Republik Iran versucht, den Druck auf das syri-
sche Regime zu verstärken. Wir engagieren uns sowohl
im Rahmen des Genf-II-Prozesses als auch in relevanten
Foren der Vereinten Nationen, um humanitäre Fort-
schritte zu erwirken.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Danke schön. – Sie haben nicht genau gesagt, was mit
dem Wort „Korridor“ gemeint ist. Ich weiß, dass Sie das
wahrscheinlich nicht wollen. Erlauben Sie mir aber fol-
gende Nachfrage. Da Sie sich für einen verstärkten hu-
manitären Zugang einsetzen – zumindest das haben Sie
bestätigt –: Wird die Bundesregierung dann auch die fi-
nanziellen Mittel für die humanitäre Hilfe im Haushalt
erhöhen?
D
Frau Kollegin, ich darf zunächst einmal etwas zu demBegriff „humanitäre Korridore“ sagen. Sie haben völligrecht: Wir befinden uns bei der Begrifflichkeit in einerschwierigen Situation. Man muss über die Bedeutunghumanitärer Korridore nachdenken. Da sind vielfältigeInterpretationsmöglichkeiten wohl gegeben. In unseremSinne handelt es sich um definierte Routen für Fahrtenhumanitärer Konvois. In dieser Region ist alles schwie-rig. Wer die heutige Presseberichterstattung über Homsverfolgt hat, kann nur erschauern. Wir müssen ausloten,wie wir den Menschen dort helfen können.Jeder von uns hat wahrscheinlich große Hoffnungenauf den Genf-II-Prozess gesetzt. Aber wir haben gese-hen, dass es schon dort schwierig war, die Parteien an ei-nen Tisch zu bekommen. Die Möglichkeiten, die nunausgelotet wurden, um den Menschen in Homs zu hel-fen, sind auf andere Art und Weise zustande gekommen.Sie haben nach den finanziellen Mitteln gefragt. DerHaushalt ist vorläufig. Ich hoffe, dass wir schnell Klar-heit über den Einsatz der Mittel haben werden. Wie Siewissen, hat die Bundesregierung ein großes Interesse da-
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Staatsministerin Dr. Maria Böhmerran, den Menschen zu helfen, die sich in einer außeror-dentlich bedrückenden Situation befinden.
Dann hoffen wir einmal auf eine Erhöhung der Gel-der. – Ich habe eine zweite Nachfrage. Wie Sie geradeerwähnt haben, ist die Situation in Homs mehr alsfurchtbar. Mehr als 300 Jungen und Männer werdennoch immer von Regierungstruppen festgehalten.Was macht die Bundesregierung, um Russland im Si-cherheitsrat umzustimmen, damit endlich die Resolutionüber den humanitären Zugang im Sicherheitsrat ange-nommen wird?D
Wir würden es sehr gerne sehen, wenn eine solche
Resolution zustande kommt. Sie sprechen direkt Russ-
land an. Sie könnten noch ein weiteres Land nennen. Wir
wissen, dass es schwierig ist. Wir werden alles daranset-
zen, durch Gespräche und Kontakte einen Weg zu er-
möglichen. Aber wir haben in der Vergangenheit auch
die Erfahrung machen müssen, dass dieser Weg ein sehr
langwieriger und schwieriger ist. In einem Fall haben die
Bemühungen geholfen. Ich hoffe, dass wir auch in die-
sem Fall zumindest ein Stück weiterkommen.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Volker Beck das
Wort.
Frau Staatsministerin, wir haben in Syrien einen Bür-
gerkrieg, einen asymmetrischen Bürgerkrieg. Inwiefern
ist denn zu erwarten, dass auf dem Vereinbarungswege
Korridore entstehen können, die auch sicher sind und
nicht dadurch gefährdet werden, dass sich eine Teilpartei
des Konfliktes nicht an die Vereinbarungen hält? Denken
Sie darüber nach, wenn es eine Verhandlungslösung gibt,
dass diese humanitären Korridore über die Vereinten Na-
tionen militärisch gesichert werden?
D
Herr Kollege, Sie haben genauso wie wir im Falle von
Homs gesehen, dass es eine Vereinbarung gab. Die Lage
in Homs ist sehr fragil, was zulasten der Menschen geht.
Das Leid ist – ich glaube, das kann man wirklich sagen –
unermesslich. Ich glaube, dieses in Zukunft abschätzen
zu wollen, ist ein sehr kühner Anspruch. Sie können die
Frage nicht beantworten, und ich kann sie auch nicht be-
antworten. Ich würde das auch nicht wagen. Es verbindet
sich viel Hoffnung damit, und es verbindet sich viel Ein-
satz damit, alles daranzusetzen, den Menschen zu helfen
und wirklich gesicherte Wege zu schaffen.
Herr Brahimi macht immer wieder Anläufe, um die
Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen. Dafür
muss er unsere volle Unterstützung haben. Es handelt
sich aber, was die Einschätzung anbetrifft, um mehr als
einen Bürgerkrieg.
Wir kommen nun zur Frage 33 der Kollegin
Dr. Franziska Brantner:
Welche konkreten Maßnahmen – bitte aufschlüsseln – hat
die Bundesregierung ergriffen, um den Beschluss der EU-Au-
ßenminister zum Stopp von Waffenexporten nach Ägypten,
den sie am 21. August 2013 auf einem Sondertreffen verab-
schiedet hatten, umzusetzen?
Bitte, Frau Staatsministerin.
D
Die Außenminister der Europäischen Union sind hin-
sichtlich der Arabischen Republik Ägypten am 21. Au-
gust 2013 übereingekommen, die Genehmigungen für
die Ausfuhr von Gütern, die zur internen Repression ge-
nutzt werden könnten, auszusetzen und die Genehmi-
gung für die Ausfuhr von Rüstungsgütern zu überprüfen.
Dies gilt auch weiterhin.
Die deutschen Zollbehörden wurden bereits vor dem
Beschluss der EU-Außenminister angewiesen, keine
Ausfuhren von Rüstungsgütern sowie von Gütern, die
zum Zwecke der internen Repression verwendet werden
können, nach Ägypten abzufertigen und alle Ausfuhr-
sendungen mit Bestimmungsland Ägypten verstärkten
Kontrollmaßnahmen zu unterziehen.
Ab dem 14. August 2013 wurden die Inhaber gültiger
Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter nach Ägyp-
ten kontaktiert und gebeten, von den Genehmigungen
einstweilen keinen Gebrauch zu machen. Dieser Bitte
sind die Unternehmen gefolgt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ein Teil der Vereinbarung im August war es, die Ko-
operation auch in Sicherheitsfragen zu überprüfen. Da-
her die Frage: Gibt es noch laufende Projekte der Sicher-
heitszusammenarbeit mit Ägypten, welche sind das, und
mit welcher Begründung werden sie fortgesetzt?
D
Frau Kollegin, wenn Sie damit einverstanden sind,
würde ich Ihnen das gerne schriftlich geben.
Haben Sie eine zweite Nachfrage?
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Ja. – Ganz konkret: Soweit wir wissen, liegen geradeim Hamburger Hafen Armored Vehicles, also gepanzerteFahrzeuge, für die ägyptische Marine. Die aktuelle ägyp-tische Regierung arbeitet stark daran, dass diese ausge-liefert werden und den Hamburger Hafen passieren dür-fen. Sind Sie sich dieses Falles bewusst, und tun Siealles, damit diese Armored Vehicles nicht nach Ägyptengelangen?D
Dieser Fall ist mir nicht bekannt; ich bitte um Nach-
sicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Jede Ausfuhr bedarf ei-
nes Antrages. Es muss also ein entsprechender Antrag
vorliegen. Ich wiederhole: Mir ist dieser Fall nicht be-
kannt. Aber ich lasse das Ganze gern überprüfen.
Die Fragen 34 und 35 des Kollegen Movassat wie
auch die Fragen 36 und 37 der Kollegin Pia Zimmermann
werden schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereiches des
Auswärtigen Amtes. Vielen Dank, Frau Staatsministerin,
für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Günter
Krings zur Verfügung.
Die Fragen 38 und 39 der Kollegin Wawzyniak wie
auch die Frage 40 des Kollegen Hans-Christian Ströbele
werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 41 der Kollegin Luise
Amtsberg:
In wie vielen Fällen mussten gefährdete afghanische Orts-
kräfte der Bundeswehr, des Auswärtigen Amts und des Bun-
desministeriums des Innern, die eine Aufnahmezusage erhal-
ten haben, länger als zwei Wochen auf eine Visumerteilung
in wie vielen Fällen warten gefährdete afghanische Ortskräfte
derzeit noch auf eine Visumerteilung – bitte jeweils einzeln
mit Wartezeit aufschlüsseln –?
Bitte, Herr Staatssekretär.
D
Ich darf mich zunächst bei Frau Amtsberg bedanken.
Ihre Fragen zu diesem Geschäftsbereich sind die einzi-
gen, die mündlich beantwortet werden. Das ist meine
Premiere als Parlamentarischer Staatssekretär in der Fra-
gestunde. Insofern freue ich mich, zumindest diese bei-
den Fragen mündlich beantworten zu dürfen.
Zu Frage 41 – es geht um die Dauer der Visumertei-
lung –: Das Visumverfahren an der Botschaft Kabul wird
erst mit der Visumantragstellung eingeleitet. Mit Stand
7. Februar 2014 haben 56 afghanische Ortskräfte Visum-
anträge für sich und ihre Familien gestellt. Davon haben
bislang 49 Ortskräfte mit insgesamt 111 Familienange-
hörigen Visa erteilt bekommen. Sieben Visumanträge
werden von der Botschaft Kabul derzeit noch bearbeitet.
Insgesamt haben 243 afghanische Ortskräfte eine Auf-
nahmezusage des Bundesministeriums des Innern – eine
solche Zusage ist die Stufe, bevor das Visumverfahren
beginnt – erhalten. Ihnen steht es mit dieser Aufnahme-
zusage frei, ein Visum bei der Botschaft zu beantragen.
Vielleicht möchten Sie jetzt entgegnen: Das ist keine
Antwort auf die Frage im engeren Sinne. – Zu der kon-
kreten Dauer kann ich nur sagen: Eine Statistik über die
Dauer der Bearbeitung der Visa wird in unserer Bot-
schaft in Kabul nicht geführt.
Frau Amtsberg, Sie haben das Wort zur ersten Nach-
frage.
Vielen Dank. – Dass die Gefährdung für afghanische
Ortskräfte konkret ist, hat uns die Ermordung des Dol-
metschers Dschawad Wafa am 24. November 2013 ver-
deutlicht. Die Bundesregierung sagt, dass es auszu-
schließen ist, dass es sich hierbei um eine Tat der Taliban
handelt, und das, obwohl die Sprecher der Polizeibe-
hörde in Kunduz etwas Gegenteiliges behaupten. Meine
Frage: Wie kommen Sie zu dieser Beurteilung? Wird
überlegt, die Tathintergründe noch einmal zu überprü-
fen?
D
Die Beurteilung ist so, wie Sie sie eben dargestellt ha-
ben. Unsere Behörden haben das geprüft und sind zu ih-
ren Erkenntnissen gekommen. Ich habe bisher keinen
Anlass, anzunehmen, dass die nationalen Polizeikräfte in
Afghanistan das besser recherchieren konnten und kön-
nen als die Vertreter unserer Behörden vor Ort. Insofern
ist das Ganze in einem Verfahren geprüft worden.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
dass es sehr wohl Vorkehrungen gibt, da, wo wir von
konkreten Gefährdungslagen wissen, wirklich sehr schnell
zu helfen, notfalls in wenigen Stunden. Es gibt beispiels-
weise Möglichkeiten, Personen unterzubringen, etwa in
Hotels oder in deutschen Polizeieinrichtungen. Ich wie-
derhole: Da gibt es Möglichkeiten, zu helfen.
Frau Amtsberg, Sie haben das Wort zu einer zweiten
Nachfrage.
Es gibt natürlich auch Probleme, so kommt es zu Ver-zögerungen bei der Ausreise, oder es ist ungeklärt, wiedie Ausreise finanziert wird. Es werden auch Vermutun-gen darüber angestellt, dass viele nicht ausreisen, weil esfinanzielle Schwierigkeiten gibt. Bezüglich der konkre-ten Hilfe stelle ich die Fragen: Gibt es irgendwelcheÜberlegungen, zu unterstützen? Wie wird bereits unter-stützt, wenn beispielsweise jemand kommt, der sagt, erwolle ausreisen, aber er habe die nötigen finanziellenMittel nicht? Gibt es irgendeine Struktur, wie wir diesen
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Luise AmtsbergLeuten helfen können, was zum Beispiel die Ausreiseper Flugzeug angeht?D
Ja, da gibt es eine vielfältige Struktur. Es ist so, dass
die Kräfte, die für deutsche Einrichtungen wie die Bun-
despolizei, das Auswärtige Amt oder das Verteidigungs-
ministerium gearbeitet haben, eine recht großzügige Ab-
findung erhalten, die in aller Regel ausreicht, um das
Ticket für den Flug nach Deutschland zu bezahlen. Da,
wo das im Einzelfall nicht ausreichend ist, helfen die
Ressorts weiter. Insofern gibt es diese Möglichkeiten
und ist meines Erachtens sichergestellt, dass da, wo je-
mand ausreisen möchte, das auch möglich ist.
Man muss allerdings auch sagen, dass die Aufnahme-
zusage sozusagen erst einmal der erste Schritt ist und
dass nicht jeder, der eine solche Zusage in der Tasche
hat, auch wirklich unmittelbar ausreisen möchte. Eine
solche Zusage ist für manche – ich sage es einmal etwas
untechnisch – eine Art Rückversicherung, dass man im
Falle, in dem man als Betroffener annimmt, die Bedro-
hung nehme zu, relativ schnell ein Visum beantragen
und nach Deutschland kommen kann. Es ist also ganz
natürlich, zumindest nachvollziehbar, dass die Anzahl
der Aufnahmezusagen viel höher ist als die Anzahl der
gestellten Visumanträge.
Wir kommen damit zur Frage 42 der Kollegin Luise
Amtsberg:
In welchen Bundesländern wurden afghanische Ortskräfte
der Bundeswehr, des Auswärtigen Amts und des Bundesminis-
teriums des Innern bisher aufgenommen, und in Absprache mit
welchen Bundesländern werden derzeit noch Aufnahmever-
fahren vorbereitet – bitte jeweils einzeln aufschlüsseln –?
Bitte, Herr Staatssekretär.
D
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das
hier zuständig ist, bemüht sich um eine faire Verteilung
nach dem berühmten Königsteiner Schlüssel, nach dem
ja so viel in unserer schönen Bundesrepublik verteilt
wird. Bislang wurden 96 Ortskräfte und ihre Familienan-
gehörigen einem Bundesland zugewiesen. Das sind ins-
gesamt 299 Personen; in der Statistik, in der Tabelle,
glaube ich, sind es sogar etwas mehr. Die Verteilung
kann ich Ihnen, wenn Sie das möchten, im Einzelnen
gern nennen:
Baden-Württemberg: Anzahl der eingereisten Perso-
nen – das sind immer Ortskräfte und Familienangehö-
rige –: 9; Anzahl der Personen, die noch nicht eingereist,
aber zugewiesen sind: 26.
Bayern: Anzahl der Personen, die eingereist sind: 17;
Anzahl der Personen, die zugewiesen, aber noch nicht
eingereist sind: 17.
Berlin: 7 Personen bereits eingereist, 5 zugewiesen.
Brandenburg: 7 eingereist, 8 zugewiesen.
Bremen: 3 eingereist, 2 zugewiesen.
Hamburg: 3 eingereist, 5 zugewiesen.
Hessen: bisher keiner eingereist, aber 19 zugewiesen.
Mecklenburg-Vorpommern: 8 Eingereiste, 4 Zuge-
wiesene.
Niedersachsen: 5 Eingereiste, 14 Zugewiesene.
Nordrhein-Westfalen: 16 Personen bereits eingereist,
67 zugewiesen.
Rheinland-Pfalz: bisher niemand eingereist, aber
14 Zuweisungen.
Saarland: 1 Person eingereist, 1 Zuweisung.
Sachsen: 6 Personen eingereist, 7 Personen zugewie-
sen.
Sachsen-Anhalt: 11 Eingereiste, 1 Person zugewie-
sen.
Schleswig-Holstein: 4 eingereiste Personen, 4 weitere
zugewiesen.
Thüringen: 3 eingereiste Personen, 5 zugewiesen.
Sie haben das Wort zur Nachfrage.
Vielen Dank. – Man hörte ja schon, dass es unter den
Ländern sehr unterschiedlich ist und das wahrscheinlich
auch nicht ganz genau mit dem Königsteiner Schlüssel
übereinstimmt; ich habe das einmal grob geschätzt, was
Bundesland und Zuweisungszahl angeht.
Wie auch immer, die Frage ist: Sind Sie vonseiten des
Ministeriums zufrieden mit der Bereitschaft der Bundes-
länder zur Aufnahme? Funktioniert das nach Ihrer Auf-
fassung gut, oder muss da noch etwas geändert werden?
Das ist ja durchaus etwas, das man vorantreiben könnte.
Unser Eindruck ist nämlich, dass es da doch deutlich
hakt.
D
Das ist bisher nicht unser Eindruck. Wir können unsja gelegentlich einmal austauschen, wenn Sie da kon-krete Anhaltspunkte haben. Jedenfalls haben wir vomBundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Anhalts-punkte genannt bekommen.Ich glaube, das Verfahren wird auch dadurch erleich-tert, dass wir schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt dieZuweisung vornehmen. Insofern ist das doch nicht soganz weit weg vom Königsteiner Schlüssel. Wenn eineZusage gegeben worden ist, können wir natürlich nichtsagen, wie viele von den Personen dann auch kommen.Manche warten Monate, manche kommen sehr schnell,manche kommen gar nicht, weil sie sich vielleicht Hoff-nungen machen, dass die Sicherheitslage für sie persön-lich wieder besser wird; niemand verlässt sein Heimat-land ja gern oder leichtfertig. Insofern: Wir weisenrelativ schnell zu. Wenn wir dann merken, dass in einzel-nen Bundesländern die Einreisen faktisch nicht stattfin-
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(C)
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Parl. Staatssekretär Dr. Günter Kringsden, kann man bei der weiteren Zuweisung wieder einwenig nachsteuern; das macht das Bundesamt für Migra-tion und Flüchtlinge.Wenn man relativ schnell einen Platz braucht, mussman natürlich auch relativ schnell etwas finden. Nachmeinem Kenntnisstand scheint das bisher gut funktio-niert zu haben. Insofern habe ich keinen Anlass, an derStelle nachzuhaken.Wie gesagt, das Verfahren der Zweistufigkeit – Auf-nahmezusage und dann erst dieses Verfahren – führtdazu, dass man sich schon relativ zeitig darum bemühenkann, dass das Bundesamt entsprechende Aufnahmeka-pazitäten in den Bundesländern bereitgestellt bekommt.
Danke, Herr Staatssekretär. – Sie bemerkten schon,
dass bei Ihrer Premiere noch zwei Fragen für Sie übrig
waren.
D
Vielen Dank.
Die Fragen 43 und 44 der Kollegin Brugger werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Staatssekre-
tär Christian Lange zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Volker Beck auf:
Aus welchen Gründen wurde im Vergleich zum ersten Re-
ferentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Umsetzung der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadop-
Bundestages zugeleiteten Fassung (Bearbeitungsstand: 30. Ja-
nuar 2014, 8.32 Uhr) auf Seite 6 in Abschnitt „IV. Vereinbar-
keit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrecht-
lichen Verträgen“ der auf die revidierte Fassung des
Europäischen Adoptionsabkommens bezogene Halbsatz „des-
sen Ratifikation durch Deutschland beabsichtigt ist“ ersatzlos
gestrichen, und was bedeutet dies für die Haltung der Bundes-
regierung zur Ratifikation des revidierten europäischen Adop-
tionsabkommens durch die Bundesrepublik Deutschland?
Bitte schön.
C
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege
Beck, das ist auch meine erste Antwortrunde. Ich möchte
Ihre Frage wie folgt beantworten: Es handelt sich um ein
Redaktionsversehen. Die Bundesregierung prüft derzeit
die Unterzeichnung des revidierten europäischen Über-
einkommens vom 27. November 2008 über die Adop-
tion von Kindern.
Das deutet darauf hin, dass es da offensichtlich einen
Konflikt zwischen den Ressorts gibt. Denn in der Ver-
sion, die Sie dem Rechtsausschuss am 18. Dezember
2013 um 8.19 Uhr übersandt haben, stand noch die For-
mulierung: „dessen Ratifikation durch Deutschland be-
absichtigt ist“. Um 8.32 Uhr hat das Justizministerium
eine neue Version verschickt, in der genau diese Formu-
lierung gestrichen war. Beabsichtigt die Bundesregie-
rung nun die Unterzeichnung des revidierten europäi-
schen Adoptionsabkommens, oder prüft sie es nur?
Prüfen hatten wir in der letzten Wahlperiode unter
Schwarz-Gelb schon. Vier Jahre wurde geprüft, aber es
wurde nicht ratifiziert. Deshalb würde ich gerne wissen,
ob Sie an der ideologischen alten Version von 1969 wei-
ter festhalten wollen oder ob Sie sich endlich für die von
der damaligen Justizministerin – das war übrigens die
Vorgängerin im Amt Frau Zypries – mit verhandelten
Version entscheiden können.
C
Vielen Dank, Herr Beck. Ich möchte den ersten Teil
meiner Antwort wiederholen, nämlich dass es sich ledig-
lich um ein Redaktionsversehen handelt. Zu Ihrer mate-
riellen Frage will ich sagen: Die Frage der Unterzeich-
nung des revidierten europäischen Übereinkommens
vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern
wird derzeit innerhalb der Bundesregierung und damit
auch im Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-
cherschutz geprüft. Deshalb ist derzeit noch keine Aus-
sage möglich.
Dann handelt es sich nicht um ein Redaktionsverse-
hen, sondern der ursprüngliche Wille des Bundesjustiz-
ministeriums stand offensichtlich in der ersten Version,
und Sie wurden dann in der Ressortabstimmung auf die
Prüfung zurückgeworfen, wenn ich das richtig verstehe.
Wann wird denn die Prüfung durch die Bundesregierung
abgeschlossen sein, sodass wir vielleicht darauf hoffen
können, dass es tatsächlich zu einer Ratifikation kommt,
oder Sie uns mitteilen können, dass Sie niemals ratifizie-
ren wollen?
C
Ersteres, die Unterstellung, teile ich nicht. Zum Zwei-
ten: Die Unterzeichnung des revidierten europäischen
Adoptionsabkommens ist eine der Möglichkeiten, mit
denen wir die völkerrechtlichen Hindernisse bezüglich
der Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts vom 19. Februar 2013 beseitigen können, und das
werden wir unverzüglich tun.
Was werden Sie jetzt unverzüglich tun?
Moment, Kollege Beck. Sie haben sich zwar ebenselbst das Wort erteilt, aber noch ordnen wir hier vornedie Geschäfte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 935
(C)
(B)
Vizepräsidentin Petra Pau
– Ja, bitte.
Sie sagten, Sie werden etwas unverzüglich tun. Jetzt
wollte ich wissen, was Sie unverzüglich tun wollen.
C
Die von Ihnen nachgefragte Prüfung.
Damit kommen wir zur Frage 46 der Kollegin Lisa
Paus:
Nach welchen Leitsätzen verfährt die Bundesregierung,
wenn ihr strafrechtliche Ermittlungen gegen einzelne Mitglie-
der der Bundesregierung – vergleichbar mit dem Fall des ehe-
maligen Bundeswirtschaftsministers Otto Friedrich Wilhelm
Freiherr von der Wenge Graf von Lambsdorff – zur Kenntnis
gelangen?
Auch hier steht der Parlamentarische Staatssekretär
Christian Lange zur Beantwortung zur Verfügung.
C
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin, auch
hier kann ich es ganz kurz machen: Es gibt dazu keine
Leitsätze.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Können Sie mir denn etwas dazu sagen, in wie vielen
Fällen bisher wegen Steuervergehens gegen Mitglieder
dieser oder früherer Bundesregierungen Ihrer Kenntnis
nach strafrechtlich ermittelt und disziplinarrechtlich vor-
gegangen worden ist?
C
Eine strafrechtliche Ermittlung gegen Mitglieder der
Bundesregierung, Frau Kollegin, ist in den vergangenen
17 Wahlperioden ein sehr seltenes Ereignis gewesen,
Gott sei Dank und erfreulicherweise. Die Bundesregie-
rung ist jederzeit in der Lage – um noch einmal auf Ihre
Kernfrage zurückzukommen –, auf angemessene Weise
zu reagieren. Konkrete Zahlen kann ich Ihnen jetzt nicht
liefern. Aber wenn Sie das wünschen, können wir das
gerne nachliefern.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Der Formulierung „sehr selten“ entnehme ich, dass es
durchaus Fälle gegeben hat. In der Tat bin ich da an einer
schriftlichen konkreteren Antwort interessiert.
Mich würde aus aktuellem Berliner Anlass auch inte-
ressieren, wie die Bundesregierung den Fall Lambsdorff
beurteilt. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister ist ja
nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen ihn 1983
bis zur Eröffnung des Gerichtsverfahrens im Juni 1984
noch über sechs Monate im Amt geblieben. Wie würden
Sie dieses Vorgehen aus heutiger Sicht beurteilen?
C
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich auf dieses
Ereignis, an das ich mich – ich war da Kind – kaum erin-
nere, hier nicht spontan antworten kann. – Ich höre ge-
rade: Der Herr Bundesminister der Finanzen hilft Ihnen
gerne dabei.
Gut, dann können Sie das vielleicht nachträglich mit-einander klären. Ich gestehe: Die Präsidentin wäre eben-falls durchaus an einer solchen Nachhilfe interessiert,weil auch ich das nicht so richtig in Erinnerung habe.Ich müsste jetzt eigentlich die Frage 63 des KollegenHarald Petzold aufrufen; diese wurde nachträglich demGeschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz undfür Verbraucherschutz zugeordnet. Diese Frage soll abernun schriftlich beantwortet werden. – Deshalb herzli-chen Dank, Herr Staatssekretär.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums der Finanzen. Die Fragen 47 der Kolle-gin Paus, 48 und 49 des Kollegen Dr. Gambke, 50 desKollegen Ströbele, 51 des Kollegen Pitterle, 52 und 53des Kollegen Dr. Troost und 54 des Kollegen Hunkowerden ausnahmslos schriftlich beantwortet. Dies ge-schieht aufgrund unserer Richtlinien. Für diejenigen, dienoch nicht so lange im Parlament dabei sind: Das heißtin diesem Fall: Der Gegenstand, auf den sich diese Fra-gen beziehen, ist Bestandteil unserer Tagesordnung,nämlich konkret: der nachfolgenden Aktuellen Stunde.Deshalb werden diese Fragen in der Fragestunde nichtbehandelt.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortungder Fragen steht die Parlamentarische StaatssekretärinAnette Kramme zur Verfügung.Die Frage 55 der Kollegin Pothmer wird schriftlichbeantwortet.Eine Beantwortung der Frage 56 der KolleginWöllert, in der es um die Einhaltung der Pausenzeitenwährend der Arbeitszeit geht, entfällt nach unseren Re-geln, weil die fragende Kollegin nicht im Saal ist. –Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Denn wir sinddamit schon am Ende Ihres Geschäftsbereiches.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zur Be-antwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staats-sekretärin Dr. Maria Flachsbarth zur Verfügung.
Metadaten/Kopzeile:
936 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
(C)
(B)
Vizepräsidentin Petra PauIch rufe die Frage 57 der Kollegin Renate Künast auf:Mit welchen übergeordneten Gründen erklärt die Bundes-regierung ihre laut dem Regierungssprecher Steffen Seibert
– trotz der klaren Ablehnung
des federführenden Bundesministeriums für Ernährung undLandwirtschaft, BMEL, des Bundesministeriums für Wirt-schaft und Energie und des Bundesministeriums für Umwelt,
mung über die Zulassung der gentechnisch veränderten Mais-linie 1507 am 11. Februar 2014 im Rat der EuropäischenUnion, und wie rechtfertigt sie ihre Position vor dem Hinter-grund einer Ablehnung von über 80 Prozent in der Bevölke-
kennung der „Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung“ –und des Einflusses, den die deutsche Positionierung auf dasAbstimmungsverhalten der anderen Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union hat ?Bitte, Frau Staatssekretärin.D
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
Künast, wir haben vor ungefähr einer Stunde über diesen
Sachverhalt gesprochen. Wenn Sie es wünschen, würde
ich die Beantwortung der Frage wiederholen.
Die Kollegin Künast wünscht die Beantwortung der
Frage. Davon gehe ich aus.
Es geht um die Honigrichtlinie. Über die hatten wir
vorhin nicht gesprochen. Vorhin sprachen wir über den
Mais.
D
Die Frage, die gerade aufgerufen worden ist, ist die
Frage 57. Die behandelt die Maislinie 1507.
Das haben wir ja gerade besprochen.
D
Genau.
Also, die Kollegin Künast verzichtet auf die Beant-
wortung der Frage.
Vielleicht können wir uns so einigen, Kollegin
Flachsbarth, dass Sie die vorbereitete Antwort dem Pro-
tokoll beifügen,1) damit alle Interessierten die Antwort
lesen können und die Beantwortung nicht zu einem pri-
vaten Austausch wird. Somit ist dies auch ein Bestand-
teil der Fragestunde.
1) siehe Anlage 30
D
Herzlich gerne, Frau Präsidentin. – Die Beantwortung
der Frage ist nicht nur privat, zwischen uns beiden, er-
folgt, sondern im Rahmen der Fragen an die Bundes-
regierung.
Aha. Entschuldigung, da war ich noch nicht im Saal.
D
Ich habe mir erlaubt, diese Frage unter dem vorheri-
gen Tagesordnungspunkt zu beantworten.
Gut.
Dann kommen wir zur Frage 58 der Kollegin Künast:
Welche Position vertritt die Bundesregierung heute im
Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel bezüglich des
Trilogs zur von der Europäischen Kommission vorgeschlage-
nen Änderung der EU-Honigrichtlinie, die klarstellen soll,
dass Honig, der Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen ent-
hält, nicht gekennzeichnet werden muss, und wie verhält sich
die Bundesregierung bei der Erteilung des Verhandlungsman-
dats an die Ratspräsidentschaft insbesondere bezüglich der
vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Erwägungs-
gründe 1 a – Verbraucherinformation – und 1 c – Koexistenz –,
welche die Ratspräsidentschaft als „nicht akzeptabel“ bewer-
tet?
D
Gerne beantworte ich nun die Frage der Frau Kolleginzur EU-Honigrichtlinie, Frage 58. – Frau Kollegin, mitder vorgeschlagenen Änderung der Honigrichtlinie sollklargestellt werden, dass es sich bei Pollen um einen na-türlichen Bestandteil von Honig und eben nicht um eineZutat handelt. Das Europäische Parlament hat ebensowie die Mehrheit des Rates dieser klarstellenden Ände-rung der Honigrichtlinie zugestimmt. Auch die Bundes-regierung unterstützt diese Klarstellung. Dementspre-chend hat die Bundesregierung auch dem Vorschlag derRatspräsidentschaft zu einem Verhandlungsmandat fürden informellen Trilog zugestimmt.Der Vorschlag der Präsidentschaft basiert auf dem Er-gebnis der Abstimmung über den Richtlinienvorschlagim Europäischen Parlament und dem Ergebnis der Bera-tungen in den Gremien des Rates. Die Bundesregierungteilt die Bedenken der Ratspräsidentschaft gegenüberden vom Europäischen Parlament vorgeschlagenenneuen Erwägungsgründen 1 a und 1 c. Die Erwägungs-gründe korrespondieren nicht mit dem verfügenden Teilder Richtlinienänderung. Fragen der Koexistenz werdennicht in der Honigrichtlinie geregelt, sondern im Gen-technikrecht. Erwägungsgründe, die sich nicht auf dieErläuterung der eigentlichen Regelungsinhalte derRichtlinie beziehen, können nicht berücksichtigt werden.Auch der Juristische Dienst des Rates hat deswegen Be-denken gegen den Erwägungsgrund der Koexistenz er-hoben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 937
(C)
(B)
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ich hätte gerne hinsichtlich der beiden vom Europäi-
schen Parlament vorgeschlagenen Erwägungsgründe 1 a
– Verbraucherinformation – und 1 c – Koexistenz – et-
was Genaueres gehört, also mehr als das, was Sie jetzt
gesagt haben, nämlich dass es woanders geregelt werde.
Hintergrund ist dabei die Tatsache, dass sich das Ge-
werbe der Imker – auch das sind Unternehmen – Gedan-
ken über die Verkehrsfähigkeit und die Verkaufsmög-
lichkeiten des Honigs und dementsprechend über die
Gesundheit der Kunden macht. Wie und wo soll denn
dann die Koexistenz – falls Sie glauben, dass sie her-
stellbar ist – geregelt werden? Es kann ja nicht sein, dass
man einfach die Flügel streckt und sagt: Dann können
halt die Imker ihr Produkt am Ende nicht mehr verkau-
fen. – Dieses Produkt steht vom Ansehen her so hoch
wie weiße Ware, wie Joghurt und Milch, bei denen man
ja auch Sauberkeit verlangt. Die Reinheitsvorstellungen
beim Honig sind mindestens so hoch wie beim deut-
schen Bier.
Sie haben materiell auch nichts zur Verbraucherinfor-
mation gesagt. Wie soll denn eine Kennzeichnung in Zu-
kunft erfolgen?
D
Frau Kollegin Künast, zum einen müssen natürlich
die formal-rechtlichen Voraussetzungen beachtet wer-
den. Man kann also nicht einfach etwas in einer Richt-
linie, in der Honigrichtlinie, regeln, was formal-rechtlich
ins Gentechnikrecht gehört. Das geht nicht; das wissen
Sie mindestens so gut wie ich, vielleicht noch ein wenig
besser.
Darüber hinaus ist die Frage des Nachweises von gen-
technisch verändertem Pollen in Honig in diesem Zu-
sammenhang materiell, inhaltlich relevant. Da darf ich
vielleicht ausführen, dass der Anteil des Pollens im Ho-
nig im Normalfall nur ungefähr 0,03 Gramm je Kilo-
gramm Honig beträgt. Das ist übrigens weit unter dem
Level von Schwellenwerten, bei deren Überschreitung
bei den üblichen Labeln, zum Beispiel bei Fair Trade
und bei Ökoprodukten, gentechnisch verändertes Mate-
rial in jedem Fall zu kennzeichnen ist. Die Schwellen-
werte sind nämlich 1 Gramm je Kilogramm bei der Ana-
lyse zur Kennzeichnung mit dem Siegel „Ohne
Gentechnik“ und 9 Gramm pro Kilogramm bei der
Kennzeichnung als „Fair Trade“.
Darüber hinaus haben wir in diesem Zusammenhang
die Problematik zu beachten, dass es für die Bestim-
mung der sehr geringen Anteile des gentechnisch verän-
derten Pollens im Gesamtpollen des Honigs keine ver-
lässlichen Analysemethoden gibt. Das hat auch eine
schriftliche Abfrage des Bundesministeriums für Ernäh-
rung und Landwirtschaft bei den Bundesländern bestä-
tigt.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Ich bitte
in diesem Fall, die Signale, die die Kollegin von hier
vorne sendet – was die Einhaltung der Frage- und der
Antwortzeit angeht –, zu beachten, weil wir dann am
Ende der Fragestunde sind.
Danke. Ich kann es kurz machen. – Sie haben zwei
Kriterien angeführt. Sie haben angegeben, dass der
Kennzeichnungsschwellenwert bisher 0,03 Gramm je
Kilogramm beträgt. Der Schwellenwert für die Ver-
pflichtung zur Kennzeichnung liegt ja mit 0,9 Prozent
höher. Jetzt muss ich darauf hinweisen, dass dieser
Schwellenwert von 0,03 Gramm auf Basis der Tatsache
festgelegt wurde, dass es in der Vergangenheit so gut wie
keinen Gentechnikanbau in Deutschland gegeben hat.
Was soll denn nach Auffassung der Bundesregierung ei-
gentlich aus diesem Wirtschaftszweig werden, wenn es
einen solchen Anbau gibt? Gerade eben hat die Bundes-
regierung mit ihrer Enthaltung im Zusammenhang mit
der Zulassung von Genmais 1507 einen Beitrag dazu ge-
leistet, dass es einen entsprechenden Anbau in Europa
gibt. Wir müssen schauen, wie in Zukunft die Situation
der Imker und ihres Honigs sein wird, wenn dieser
Schwellenwert etwa erreicht wird – was oft nebenher ge-
schieht. Es kann durchaus sein, dass das für sie unzumut-
bare finanzielle Belastungen zur Folge hätte.
D
Liebe Frau Kollegin Künast, ich verstehe Ihre Sorge.
Allerdings haben wir uns, was den Sachverhalt angeht,
falsch verstanden. Die 0,03 Gramm sind keineswegs ein
Grenzwert oder ein Schwellenwert.
Vielmehr ist es so, dass der Anteil des Pollens im Honig
im Normalfall ungefähr nur 0,03 Gramm je Kilogramm
Honig beträgt. Das ist ein Fakt.
– Ja, das ist so. Wir sprachen im Zusammenhang mit der
Honigrichtlinie aber über Honig und nicht über reinen
Pollen, der verkauft werden soll. In Bezug darauf hatte
ich Ihnen die relevanten Grenzwerte genannt. Diese
Grenzwerte sind durch die verfügbare Analysetechnik
nicht nachweisbar. Von daher stehen wir vor einer Pro-
blematik, die nicht ausschließlich politisch, sondern
auch materiell begründet ist.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wir sind damitam Ende der Fragestunde. Die übrigen Fragen werdenentsprechend unseren Regeln schriftlich beantwortet.
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938 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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Vizepräsidentin Petra PauIch rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion DIE LINKEHaltung der Bundesregierung zur strafbefrei-enden Selbstanzeige bei SteuerhinterziehungIch eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeKlaus Ernst für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es geht uns um die Frage, wie wir die strafbe-freiende Selbstanzeige künftig regeln wollen. Wollen wirals Staat solche Straftaten nicht mehr ahnden? Damitentsteht sogar der Eindruck, als würde der Staat allestun, um insbesondere Vermögende vor einer Strafverfol-gung zu schützen. Das ist jedenfalls der Eindruck, derdraußen im Land entsteht.Wie sonst ist es erklärbar, dass man bei vorsätzlicherSteuerhinterziehung, Beispiele Alice Schwarzer undHoeneß, durch Selbstanzeige einer eindeutigen Straftat– zu der man sich selbst auch noch bekannt hat – einerStrafe entgehen kann? Wie sonst ist es erklärbar, dasseine Strafverfolgung unterbleibt, selbst dann, wenn derhinterzogene Betrag 50 000 Euro übersteigt und damitnach dem Gesetz eigentlich eine Straffreiheit ausge-schlossen wäre – wenn der Betrüger nach § 398 a derAbgabenordnung doch noch seine Steuern zahlt plus, sa-gen wir, 5 Prozent Freikaufgebühr? Bei den Bürgernmuss doch der Eindruck entstehen: Aha, wer Kohle hat,der kann sich irgendwie freikaufen.Stellen Sie sich vor: Jemand knackt einen Geldauto-maten und holt sich 10 000 Euro raus. Auf dem Nach-hauseweg fällt ihm ein: Hoppla, ich könnte vielleicht ge-filmt worden sein. – Nun bringt er die 10 000 Eurozurück und sagt: Das war zwar eine Straftat; ich zahleaber 500 Euro. – Bleibt er dann auch straffrei? Wo ist ei-gentlich der Unterschied zwischen demjenigen, der sichGeld aus einem manipulierten Geldautomaten holt, unddemjenigen, der Steuern hinterzogen hat? Ich kann kei-nen erkennen.
Warum ist Ladendiebstahl eine Straftat und hat gegebe-nenfalls gravierende Folgen, während ein Steuerhinter-zieher oft nicht einmal vorbestraft ist, obwohl er zigtau-send Euro hinterzogen hat?Meine Damen und Herren, die Argumente des Fi-nanzministers sind mir bekannt. Herr Schäuble, Sie sa-gen: Durch die Selbstanzeige wird dem Staat letztend-lich die Möglichkeit gegeben, Millionen in seine Kassenzu bekommen, die er sonst nicht erhalten würde. – Aber,Herr Schäuble, ist es wirklich die Möglichkeit derSelbstanzeige, die zu Steuerehrlichkeit führt, oder ist esnicht vielmehr die Angst desjenigen, der die Steuern hin-terzogen hat, entdeckt zu werden, weil der Staat inzwi-schen, jedenfalls einige Länder, Gott sei Dank und rich-tigerweise Steuer-CDs kauft?
Ich kann Ihr Argument nicht ernst nehmen, weil Sie aufder einen Seite sagen, dass der Staat Geld einnehmensoll, sich auf der anderen Seite aber immer vehement da-gegen gewehrt haben, dass der Staat Steuer-CDs auf-kauft. Herr Schäuble, Sie müssen sich entscheiden, wasSie wollen: Wenn Sie die Kohle wollen, dann müssenSie auch dafür sorgen, dass die Kohle reinkommen kann.Mit dem Ankauf von Steuer-CDs erreichen wir bei wei-tem mehr als durch die strafbefreiende Selbstanzeige beiSteuerhinterziehung, die Sie gegenwärtig verteidigen.
Ähnlich ist es mit dem Steuerabkommen mit derSchweiz; Herr Schäuble, auch das muss ich sagen. Mankonnte den Eindruck gewinnen, dass Sie wirklich an dasGeld herankommen wollten. Bei dem Steuerabkommenmit der Schweiz ging es aber um nichts anderes als da-rum, die Anonymität der Straftäter zu wahren. Wir unter-scheiden offensichtlich Straftäter im Steuersystem mitentsprechenden Einkommen von allen anderen Straftä-tern. Das ist nicht akzeptabel, Herr Schäuble.
Deshalb möchte ich hier noch einmal eindeutig sagen:Die strafbefreiende Selbstanzeige gehört abgeschafft.Gleichzeitig muss geregelt werden, dass Bagatelldelikte– die gibt es ja auch; die sind jetzt auch in dieser Rege-lung enthalten – ausgenommen bleiben, sodass wir nichtden Kleinen erwischen, sondern die Großen, die von derstrafbefreienden Selbstanzeige Gebrauch machen.Der Bundesrepublik gehen nach Angaben der Deut-schen Steuer-Gewerkschaft jährlich circa 50 Milliar-den Euro durch Steuerhinterziehung verloren. Das ist einSechstel des Bundeshaushalts. Eine Klimaveränderungist notwendig: Es muss klar sein, dass Steuerhinterzie-hung kein Bagatelldelikt ist. Das wird insbesondere da-durch erreicht, dass man den Straftatbestand der Steuer-hinterziehung als solchen wertet und die Steuerbetrügernicht mit allen möglichen Tricks letztendlich straffreistellt. Das kann nicht sein.
Steuergerechtigkeit ist notwendig: Wer betrügt, wirdbestraft. Auch wenn dieser Grundsatz gilt, sieht dasStrafrecht die Möglichkeit zur Unterscheidung vor. EinRichter kann natürlich unterscheiden: Ist der Täter ge-ständig? Macht er freiwillig Angaben? Das kann derRichter beim Strafmaß berücksichtigen. Aber rechtlichfestzulegen, dass ein solcher Täter prinzipiell straffreibleibt, obwohl er den Straftatbestand erfüllt hat, das gehtmeines Erachtens überhaupt nicht.
Was wir brauchen, sind mehr Steuerfahnder, HerrSchäuble. Wir wissen, dass jeder Steuerfahnder ungefährdas Zwanzigfache von dem hereinbringt, was er kostet.Wo bleibt die Initiative dieser Bundesregierung, damitwir durch mehr Steuerfahnder ein wenig von den50 Milliarden Euro hereinholen, die uns jährlich verlo-ren gehen?
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 939
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Klaus Ernst
Kein Steuerflüchtling soll sich sicher fühlen. Deshalbbrauchen wir mehr Steuer-CDs. Das ist besser als jedeBefreiung von der Strafverfolgung.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen,Dr. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Ernst, im Strafrecht gilt generell:Sie hängen keinen, Sie hätten ihn denn. Die erste Vo-raussetzung, um jemanden, der ein strafbares Verhaltenbegangen hat, bestrafen zu können, ist, dass man seineStraftat erkennt und ihn ertappt. Daraus ergibt sich derUnterschied, nach dem Sie gefragt haben. Es geht garnicht nur um die fiskalischen Interessen des Staates.Zunächst einmal ist das Problem, dass im Steuerrechtetwas ganz anderes gilt als in der sonstigen Rechtsord-nung. In Steuerverfahren verlangen wir von allen Steuer-pflichtigen eine umfassende Auskunft. Ansonsten gibt esin unserem Rechtsstaat das grundlegende Prinzip, dassniemand sich selbst belasten muss. Daraus ergibt sichein gewisser Konflikt, der übrigens auch die Debatte umdie strafbefreiende Selbstanzeige unter Verfassungsge-sichtspunkten ziemlich kompliziert macht. Wenn Siedieses Problem nicht für Zwecke einer nachvollziehba-ren, auch relativ einfachen Polemik nutzen, sondern aneiner ernsthaften Sacherörterung interessiert sind, dannmüssen Sie sich zunächst mit der folgenden Frage aus-einandersetzen: Gesetzt den Fall, wir würden abschaf-fen, was vor etwa 100 Jahren in den Erzberger’schenSteuerreformen eingeführt worden ist, was wäre dann?Das ist ein bewährtes Rechtsinstitut – das ist ja nichtneu –, und es gab dafür gute Gründe. Ich könnte Ihnenzu Matthias Erzberger viel erzählen. Es hat lange gedau-ert, bis man seine Verdienste in Berlin einigermaßen ge-würdigt hat. Wir haben einen Saal im Bundesfinanz-ministerium nach ihm benannt. Dies hat er wirklichverdient. – Seitdem gilt das Prinzip, dass man sich nichtselbst belasten muss, im Steuerrecht nicht; denn sonstkann man die steuerlichen Pflichten nicht erfüllen, undVergehen werden auch nicht entdeckt.Daraus ergibt sich das Problem: Wir verlangen vomSteuerpflichtigen, dass er seine Verhältnisse vollständigoffenbart, damit wir ihn entsprechend den Steuergeset-zen besteuern können. Er muss sich also, wenn Sie sowollen, selbst belasten. Im Strafrecht muss er das aus-drücklich nicht. Wenn wir Ihrer Forderung nachkämen,die strafbefreiende Selbstanzeige ersatzlos abzuschaffen,dann, so wette ich, hätten wir in der Mehrzahl der Steu-erverfahren folgendes Problem: Die Verteidiger der An-geklagten würden geltend machen, dass das Belastungs-material durch Steuererklärungen des Beschuldigten, desAngeklagten erlangt wurde und deswegen strafprozes-sual nicht verwertbar ist. So würden dann weniger be-straft werden als bisher. Dieses Problem beschäftigt Siebei Ihrer Polemik nicht. Dies ist ein sachliches Argu-ment; Sie sollten es trotzdem ernst nehmen.
– Bei Steuer-CDs, Herr Kollege Ernst, sind Sie bei mirnicht an der richtigen Adresse.Ich habe im Frühjahr 2010 – da war ich erst relativkurze Zeit Finanzminister – nach einer sorgfältigen Ab-wägung – der erste Antrag kam vom Land Nordrhein-Westfalen – entschieden, dass wir einem solchen Ankaufvon Steuer-CDs zustimmen und die Hälfte der Kostenübernehmen. Wir machen das regelmäßig in einem be-währten Verfahren. Es war eine schwierige Abwägung,weil natürlich diejenigen, die Steuer-CDs verkaufen,nicht zum erfreulichsten Teil der menschlichen Gesell-schaft gehören. Sie handeln anonym und mit allen mög-lichen Tricks. Im Übrigen ist ihr Handeln nach derRechtsordnung anderer Länder strafbar.Wir haben unsere Vorstellungen von Datenschutz undDatenmissbrauch bzw. vom Verstoß gegen Datenschutz-bestimmungen, und wir müssen Respekt davor haben,dass auch andere derartige Vorstellungen haben. Trotz-dem haben wir uns in der Abwägung dafür entschieden.Denn die Globalisierung schafft sehr viele neue Mög-lichkeiten der Steuerhinterziehung, und solange wirnicht den vollen Informationsaustausch zwischen deneinzelnen Ländern haben, ist der Ankauf von Steuer-CDs, von solchen Datensammlungen in der Güterabwä-gung richtig.Wir haben diese Entscheidung also getroffen. Wirhaben jetzt gerade wieder so entschieden. Der Bund be-teiligt sich immer mit 50 Prozent an den Ankaufkosten,obwohl er an dem Mehraufkommen bei der Einkom-mensteuer nur zu 42,5 Prozent partizipiert. Übrigens tra-gen nicht alle Länder die restlichen Kosten. Gucken Siemal nach, ob das Land, in dem Ihre Partei an der Regie-rung beteiligt ist, sich an den Kosten des Ankaufs betei-ligt. Ich bin nicht ganz sicher. Sie können das ja parteiin-tern klären, Herr Kollege Ernst.
– Ja, gut. Bei Ihnen darf man nicht so genau hinschauen.
Der entscheidende Punkt bei der strafbefreiendenSelbstanzeige ist natürlich – das müssen wir bedenken;wir haben es mit dem hohen Gut der Steuergerechtigkeitzu tun –: Steuerhinterziehung ist strafbares Unrecht undmuss bestraft werden. Nichts anderes gilt. Daran gibt esüberhaupt keinen Zweifel.
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940 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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Bundesminister Dr. Wolfgang SchäubleÜber die Ausreden, die ich zum Teil höre, muss ichschon fast mit einer gewissen Milde sagen: Na ja, wennman in einer blöden Lage ist, sagt man manchmal vieledumme Sachen. – Die meisten haben öffentlich Ausre-den gebraucht, die ihre Lage nicht besser, sondernschlechter gemacht haben.
Auch das ist wahr. Aber das will ich hier nicht kommen-tieren.Wir müssen uns ernsthaft damit beschäftigen. Wirmüssen immer wieder das Rechtsinstitut, das wir haben,prüfen. Aber wenn wir Steuergerechtigkeit verwirkli-chen wollen, müssen wir einen Anreiz geben für dieMenschen, die Steuern hinterzogen haben und deren Tatnicht entdeckt ist und mit einer hohen Wahrscheinlich-keit unentdeckt verjähren würde. Wenn es unentdecktverjährt, würden sie nie zahlen; das wäre auch nichtSteuergerechtigkeit. Deswegen müssen wir ihnen einAngebot machen, unter Zahlung einer Strafe nicht straf-verfolgt zu werden. Sie müssen Strafe zahlen; das bleibtstrafbares Unrecht. Es ist nach der Systematik der Geset-zesänderung, die wir 2011 gemacht haben, nur ein Straf-verfolgungshinderungsgrund. Sie müssen mehr zahlen –als eine Art pauschalierte Strafe. Wir machen ihnen dasAngebot, sich zu stellen, obwohl sie nicht entdeckt sind.Wenn sie bereits entdeckt sind, können sie von derVergünstigung der strafbefreienden Selbstanzeige keinenGebrauch mehr machen. Die Frage ist: Was ist mit de-nen, die sich nicht stellen oder nicht kooperieren wollen?Ich habe gerade an einer Fernsehsendung teilgenommen,in der auch eine Staatsanwältin zugegen war, die gesagthat: Wenn die nicht kooperieren, dann wird es schwer,sie zu kriegen. – Deswegen müssen wir schauen, wie wirsie dazu kriegen.
Aber das ist eine andere Debatte, die ich hier nicht füh-ren will.Und dann muss man immer wieder prüfen, ob ange-sichts der Entwicklung der Verhältnisse die Regelungnoch dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerungentspricht. Deswegen haben wir das Gesetz im Jahre2011 verschärft. Es ist komplizierter geworden: Wer diestrafbefreiende Wirkung will, muss jetzt vollständig al-les aufdecken.Nachdem im vergangenen Jahr einige Fälle vonSteuerhinterziehung die Öffentlichkeit wieder sehr be-schäftigt hatten, haben wir uns in der Finanzminister-konferenz der Bundesländer – Steuerverwaltung ist Län-dersache – mit dieser Frage beschäftigt. Es ging unteranderem darum, wie viele Steuerfahnder die Länder be-schäftigen. Der Einzige, der sich dazu vernünftigerweisenicht äußern sollte, ist der Bundesfinanzminister: weilihm die Länder sonst unkollegiales Verhalten vorwerfen.Steuerverwaltung ist Ländersache; das ist so, Herr Kol-lege Ernst. Ich bin nicht der Aufseher der Bundesländer– das entspricht nicht unserem föderalen Verständnis –,vielmehr haben die Länder ihre eigene, ihnen vomGrundgesetz zugewiesene Verantwortung. Wir haben da-mals verabredet, dass die Fachleute – die Steuerabtei-lungsleiter – einen Bericht darüber erstellen sollen, wel-che zusätzlichen Maßnahmen man vernünftigerweiseergreifen kann, ohne das Kind mit dem Bade auszu-schütten. Der Bericht der Fachleute liegt vor, und dieStaatssekretäre bzw. die Finanzminister werden sichdemnächst damit beschäftigen. Ich gehe davon aus, dasswir einvernehmlich vorschlagen werden, den Strafzu-schlag entsprechend zu verschärfen, und vielleicht, dieFrist entsprechend zu verlängern: auf zehn Jahre.Aber es ist eine gemeinsame Haltung der Finanz-ministerien von Bund und Ländern, dass man insgesamtan dem bewährten Rechtsinstitut der strafbefreiendenSelbstanzeige – mit den Einschränkungen, die ich ge-nannt habe – festhalten sollte. Sonst werden wir wenigerStraftäter entdecken. Damit würden wir auch nicht derGerechtigkeit helfen, allenfalls polemischen Bedürfnis-sen – aber das ist nicht unsere Verantwortung.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Lisa Paus das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrSchäuble, auch wenn Sie es gerne verdrängen und esjetzt mit keinem Wort erwähnt haben: Wir führen dieheutige Debatte nur aus einem einzigen Grund, und zwarweil die rot-grünen Bundesländer im Bundesrat dasdeutsch-schweizerische Steuerabkommen gestoppt ha-ben.
Weder der Fall Hoeneß noch der Fall Schwarzer wärenbekannt geworden, wenn das Abkommen mit derSchweiz im Sinne von Finanzminister Schäuble bzw. derBundesregierung in Kraft getreten wäre. Mit seiner Ab-lehnung des Steuerabkommens hat der Bundesrat denWeg frei gemacht für einen automatischen Informations-austausch, europäisch und international.
Das deutsche Recht kennt die strafbefreiende Selbst-anzeige schon seit dem 19. Jahrhundert. Sie hat nicht zueiner nennenswerten Zahl von Selbstanzeigen geführt
und auch nicht zu Milliardenbeträgen an Steuern, dienachgezahlt worden wären. Erst seitdem deutsche Be-hörden Steuer-CDs ankaufen und der Bundesrat dasSteuerabkommen mit der Schweiz abgelehnt und damitden Weg für einen automatischen Informationsaustauschfrei gemacht hat, ist die Zahl der Selbstanzeigen gestie-
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 941
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Lisa Pausgen: 2013 gab es mit 25 000 Selbstanzeigen fast dreimalso viele wie 2012. Das zeigt: Mehr Transparenz ist ent-scheidend für einen erfolgreichen Kampf gegen Steuer-betrug.
Zu einem erfolgreichen Kampf gegen Steuerhinterzie-hung gehören allerdings auch staatliche Amtsträger, de-nen man abnimmt, dass sie bereit sind, sich selbst an dieGesetze zu halten. Der Fall Linssen und der Fall Schmitz– vor allen Dingen der Umgang mit diesen Fällen – zei-gen, dass es auch in Teilen der politischen Elite diesesLandes offenbar nach wie vor eine Doppelmoral gibt,die nicht mehr geduldet werden kann. Damit muss end-lich Schluss sein, meine Damen und Herren.
Bis vor einem halben Jahr hätte ich vorwegnehmenkönnen, wie eine solche Debatte in diesem Hause ver-laufen würde und welche Positionen die Union auf dereinen und die SPD auf der anderen Seite vertreten wür-den. Stellen Sie sich vor, es wäre damals bekannt gewor-den, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin, einSozialdemokrat, einen überführten Steuerhinterzieher inseiner Regierungsmannschaft hält. Herr Schmitz hat sichübrigens nicht selbst angezeigt, sondern ist durch eineSteuer-CD überführt worden. Dennoch hielt KlausWowereit es nicht für nötig, ein Disziplinarverfahreneinzuleiten. Wenn das vor einem halben Jahr bekannt ge-worden wäre, wären hier die Fetzen geflogen. Was istheute? Nichts. Ich sage Ihnen: Ich als Berlinerin schämemich dafür, dass die SPD die Affäre Wowereit inPofalla-Manier für beendet erklärt und zur Tagesord-nung übergehen will. Das werden wir nicht durchgehenlassen.
Das zeigt eben leider, dass trotz aller Lippenbekennt-nisse und starken Worte relevante Teile der SPD Steuer-betrug immer noch für ein Kavaliersdelikt halten.
Es ist aber eben eine Straftat.Meine Damen und Herren von der Union, bevor Siesich hier genüsslich zurücklehnen, möchte ich Ihnen sa-gen: Auch Sie müssen sich ehrlich machen. Ich habe ge-rade in der Fragestunde erfahren, dass es auch bei derBundesregierung keine Leitlinien gibt, die besagen, wieman mit solchen Fällen umzugehen gedenkt, und dass esoffenbar in der 17. Legislaturperiode in der Bundesre-gierung einen strafrelevanten Fall gegeben haben soll; eswar von „seltenen Fällen“ die Rede. Mich interessiertwirklich – es wurde zugesagt, dass darüber schriftlich in-formiert wird –, welche disziplinarrechtlichen Folgendas gehabt hat. Vor allen Dingen interessiert mich aber,wie die jetzige Bundesregierung damit umgehen wird.Die neue Amtszeit hat eben erst begonnen. Von dereinen oder anderen Seite wurden durchaus starke Wortegewählt. Sie sind jetzt in der Regierung. Deswegen wer-den wir Sie nicht an Ihren Worten, sondern an IhrenTaten messen. Sie haben es in der Hand, für mehr Trans-parenz und eine entsprechende Verfolgung von Steuer-betrügern zu sorgen. Es ist Ihr Job, die Steuerfahndungauf Länder- und Bundesebene mit ausreichend Personalauszustatten und dafür zu sorgen, dass es endlich wiederSteuerehrlichkeit in diesem Lande gibt. Packen Sie esan! Die Zeit ist knapp. Sie wissen, was für das Land aufdem Spiel steht.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Andreas Schwarz für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Bis zu meiner Wahl in den Deutschen Bundestagim letzten Jahr war ich Bürgermeister im BambergerLand. In diesen fast 18 Jahren standen meine Gemeindeund ich allzu oft vor der Frage, was wir uns leisten kön-nen und was nicht. Häufig hieß es angesichts knapperKassen „entweder oder“. Die Kommunen, aber auch alleanderen staatlichen Ebenen im Land können nicht aufdas Geld verzichten, das durch Steuerhinterziehung ver-loren geht.
Aber ich bin auch Unternehmer. Als dieser bin ich über-zeugt, dass die meisten Unternehmerinnen und Unter-nehmer in unserem Land ehrliche Steuerzahler sind.
Steuerhinterziehung bestraft die Ehrlichen unter uns.Vor allem bin ich aber auch Bürger unseres Landes.Meine Nachbarn in meinem Ort wollen von uns allenwissen, wie wir dafür Sorge tragen, dass Steuerhinterzie-hung nicht nur verhindert, sondern auch konsequent ver-folgt und bestraft wird.Ich finde es verharmlosend und es ärgert mich, wennMenschen, die unserem Staat Steuern vorenthalten,„Steuersünder“ genannt oder ihre Taten gar als Kava-liersdelikte bezeichnet werden.
Nein, diese Menschen sind keine Sünder; sie sind Betrü-ger.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Publizistin-nen, Fußballmanager, ehemalige DAX-Vorstände oderStaatssekretäre handelt. Wollen wir den Zusammenhalt
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942 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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Andreas Schwarzin unserer Gesellschaft erhalten, müssen wir nicht nurSteuerhinterziehung konsequent verfolgen, sondern auchüber eine Verschärfung der Rechtslage nachdenken.
Dabei gilt es, auch darauf zu achten, dass uns die rechts-staatlichen Prinzipien gewisse Grenzen bei der Weiter-entwicklung unserer Werkzeuge vorgeben.Aufgrund der aktuellen Steuerfälle sehen wir alsSPD-Fraktion hier weiteren Handlungsbedarf. Wir wün-schen uns weitere Verschärfungen; denn wir müssen un-bedingt den Eindruck vermeiden, dass jemand, der Steu-ern hinterzieht und zum Instrument der Selbstanzeigegreift, am Ende noch besser dasteht als der ehrlicheSteuerzahler oder die ehrliche Steuerzahlerin.
Über die Höhe des aktuell formulierten Hinterziehungs-volumens von 50 000 Euro muss deshalb mit Sicherheitdiskutiert werden.Wir halten es jedoch auch für geboten, zu hinterfra-gen, wie lange wir es noch zulassen wollen, dass sichSteuerhinterzieher über die aktuell gültige Regelungfreikaufen können. Denkbar wäre etwa eine Übergangs-frist, die ein Auslaufen der aktuell gültigen Regelungklar festsetzt. Steuerhinterzieher hätten dann ausreichendZeit, daheim reinen Tisch zu machen und zur Steuerehr-lichkeit zurückzukehren. Dies haben wir als SPD-Bun-destagsfraktion bereits im Jahre 2010 in einem Gesetz-entwurf gefordert. Wer trotz der aktuellen Debattekünftig Steuern hinterzieht und somit den Bürgerinnenund Bürgern in unserem Land Schaden zufügt, der solltesich nicht mehr auf Strafbefreiung verlassen dürfen.
Auch die Ablehnung des Steuerabkommens mit derSchweiz durch die Sozialdemokratie hat sich als absolutrichtig erwiesen. Der Fall Hoeneß und der Ankauf vonSteuer-CDs – übrigens nicht nur durch sozialdemokrati-sche Finanzminister – haben den Druck auf die Nicht-steuerzahler so erhöht, dass die Zahl der Selbstanzeigenmassiv angestiegen ist und weiter ansteigt. Der Staat hatMilliarden an Mehreinnahmen erzielen können. Nie-mand kann sich mehr sicher sein, dass Steuerhinterzie-hung im Verborgenen bleibt. Das Steuergeheimnis giltohne Wenn und Aber. Genauso gilt aber: Das Steuerge-heimnis ist zum Schutz der ehrlichen Steuerzahler einge-führt worden und nicht als Deckmantel für Steuerhinter-ziehung.
Auf Betreiben der SPD haben wir uns im Koalitionsver-trag darauf verständigt, weiterhin entschlossen gegen dieSteuerhinterziehung vorzugehen und die Regelungen zurstrafbefreienden Selbstanzeige weiterzuentwickeln.Auch auf europäischer Ebene öffnet sich jetzt einFenster, das wir nutzen müssen. Die aktuellen Äußerun-gen des luxemburgischen Ministerpräsidenten lassen denSchluss zu, dass endlich Bewegung in die Verhandlun-gen über den automatischen Datenaustausch kommt.Bisher haben sich die Schweiz, Österreich und Luxem-burg gekonnt stets gegenseitig den Schwarzen Peter desBlockierers zugeschoben. Für die weiteren Verhandlun-gen mit der Schweiz und Österreich wünschen wir derBundesregierung viel Erfolg.
Aber auch wir haben unsere Hausaufgaben zu erledi-gen. Bereits heute könnten wir deutlich mehr Steuerein-nahmen erzielen, wenn wir unsere Finanzverwaltungenin den Ländern mit mehr Personal ausstatten würden.Manche Bundesländer sind diesen Weg bereits gegan-gen. Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat Hunderteneue Kräfte eingestellt. Ich will aber nicht verhehlen,dass hier vor allem in meinem Heimatbundesland Bay-ern noch erheblicher Nachholbedarf besteht. Hier mussdringend nachgebessert werden.
Sie sehen, wir haben auf allen Ebenen Handlungsbe-darf: in Europa, auf Bundes- und auf Länderebene. Nurin einem Dreiklang stellen wir sicher, dass sich Steuer-hinterziehung künftig nicht mehr lohnt.Ich komme zum Schluss. – Gemeinsam fiebern wirgerade mit unseren Sportlerinnen und Sportlern in Sot-schi. Da gerade Olympische Spiele stattfinden: Auchbeim Steuerzahlen gilt der olympische Gedanke „Dabeisein ist alles“.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Kollege Schwarz, das war Ihre erste Rede im Hohen
Hause. Wir wünschen Ihnen fraktionsübergreifend viel
Erfolg für Ihre weitere Arbeit im Bundestag.
Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die
Fraktion Die Linke.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-ginnen und Kollegen! Nach den Steuerskandalen begannam Montag die Zeitung mit den vier Buchstaben, diesich selbst zur einzigen außerparlamentarischen Opposi-tion ausgerufen hat, eine große Diskussion um die Ehr-lichkeit der Deutschen. Da durfte ein Geistlicher geste-hen, er habe sich in der Schule Mathematikformeln aufdie Manschette geschrieben. Eine Julia wird mit demGeständnis zitiert, ihrem Mann verschwiegen zu haben,dass sie keine Jungfrau mehr ist; und Kevin schließlichhat seine Freundin betrogen. Mit dieser Art der Diskus-sion und diesen Geständnissen soll der Eindruck erzeugtwerden: Irgendwie betrügen doch alle. Also, warum dieAufregung um die kürzlich veröffentlichten Fälle von
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 943
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Richard PitterleSteuertourismus? – Eine solche Diskussion ist einSchlag ins Gesicht aller Menschen, die morgens früh zurArbeit gehen und denen Monat für Monat, Jahr für Jahrdie Steuer vom Lohn abgezogen wird.
Aber auch die meisten Selbstständigen und die Mittel-ständler, die ehrlich ihre Steuern zahlen, müssen sich beidiesen Beispielen der Bild-Zeitung veralbert vorkom-men.Mit der strafbefreienden Selbstanzeige können sichreiche und superreiche Steuertouristen, die ihr Geld indie Schweiz oder in andere Steueroasen gebracht und dieZinseinkünfte beim Finanzamt verschwiegen haben, voneiner Strafverfolgung freikaufen. Sie zahlen nur die inden letzten fünf oder zehn Jahren – je nach Höhe – hin-terzogenen Steuern zurück. Wenn sie 30 Jahre lang denStaat belogen und betrogen haben, brauchen sie für20 oder 25 Jahre nichts zu zahlen. Meine Damen undHerren von der Koalition, finden Sie das gerecht?
Zwar sind im Nachgang auch die angefallenen Zinsen zuüberweisen. Das gilt aber für jeden, der seine Steuern zuspät zahlt.Wenn man mehr als 50 000 Euro hinterzogen hat, le-gen die Steuertouristen noch einmal 5 Prozent der hin-terzogenen Steuern drauf und kaufen sich frei. Es gibtkein Strafverfahren, und sie sind auch nicht vorbestraft.Meine Damen und Herren von der Koalition, finden Siedas gerecht?
Fast alle Menschen im Land und auch ich sind der Mei-nung, dass es an der Zeit ist, die Selbstanzeige für sol-chen Steuertourismus endlich abzuschaffen.
Nehmen wir einmal die Summe von 50 000 Euro anhinterzogenen Steuern. Das ist der Betrag, ab dem maneine Strafsteuer von 5 Prozent zu zahlen hat. Das durch-schnittliche Nettoeinkommen – wohlgemerkt: Netto-einkommen – eines Arbeitnehmers beträgt rund24 000 Euro im Jahr. Bis ein durchschnittlicher Arbeitneh-mer 50 000 Euro zusammengespart hat, dauert es rundzehn Jahre. Da braucht man sich doch nicht zu wundern,wenn die Leute im Land sagen: Die da oben interessiertnicht das Allgemeinwohl; die wollen sich nur die Ta-schen füllen.
Diese Situation können wir nicht so belassen.Nun zur SPD. Ich habe den Sprecher der Bundestags-fraktion, Herrn Oppermann, so verstanden, dass Sie fürdie Abschaffung der Selbstanzeige sind. Sie haben jaselbst erwähnt, dass Sie in der letzten Legislaturperiodeeinen entsprechenden Antrag gestellt haben. Ihre Fi-nanzminister in den Ländern haben ziemlich gebremstund hervorgehoben, lieber von der Selbstanzeige profi-tieren zu wollen. Ich frage Sie: Wären Sie wenigstensbereit, für die Abschaffung der Selbstanzeige im Hin-blick auf den Steuertourismus die Hand zu heben? Ichbin mir sicher, dafür gäbe es in diesem Parlament eineMehrheit. Warum nutzen wir sie nicht?
Der Gedanke der Selbstanzeige wird mit dem Verhal-ten der aktuell bekannt gewordenen Fälle ins Gegenteilverkehrt. Nicht etwa tätige Reue, die Rückkehr in dieSteuerehrlichkeit ist die Motivation für die Selbstan-zeige. Es sind vielmehr immer äußere Umstände wie dasScheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz oderdas Auftauchen der Steuer-CDs, die viele zur Selbstan-zeige in diesem Bereich treiben. Erst wenn das Entde-ckungsrisiko steigt, halten viele die Zeit für gekommen,sich zu offenbaren. Zu guter Letzt interessiert mich, HerrSchäuble: Was will die Bundesregierung konkret gegendiesen Steuertourismus unternehmen?Meine Damen und Herren, der beste Weg, Steuerhin-terziehung zu verhindern, ist, über eine ausreichendePersonalausstattung der Finanzämter und genügend Be-triebsprüfungen dafür zu sorgen, dass die Einkommen inder Steuererklärung vollständig angegeben und die an-fallenden Steuern gezahlt werden. Aber es geht nicht nurum Geld. Es geht auch um Steuergerechtigkeit.Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin
Antje Tillmann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist noch gar nichtso lange her, dass wir im Rahmen der Regierungserklä-rung der Kanzlerin hier die Gelegenheit hatten, uns überdie Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung auszutau-schen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich die Einzigewar, die für unsere Fraktion gesagt hat, dass wir sicher-stellen müssen, dass wir mit den Steuern, die heute fest-gesetzt werden, auskommen, dass wir den Haushalt soaufstellen müssen, dass wir die Steuern nicht erhöhenmüssen. Alle anderen Fraktionen waren anderer Mei-nung. Aber weil wir dieses Versprechen gegeben habenund beabsichtigen, diese Zusage, Steuern nicht zu erhö-hen, auch einzuhalten, erwarten wir, dass jeder die gegenihn festgesetzte Steuer auch zahlt.
Die Gegenleistungen des Gemeinwesens, an das dieSteuern zu zahlen sind, können sich sehen lassen: kos-tenlose Bildung, befahrbare Straßen oder allein die Tat-sache, dass wir unsere Kinder ohne Beaufsichtigungbzw. Bewachung in die Schule schicken können, wie esin anderen Ländern nötig ist. Diese Gegenleistung be-kommt jeder, der Steuern zahlt, und ich behaupte, dasses in Deutschland niemanden gibt, der mehr Steuernzahlen muss, als er an solchen Gegenleistungen zurück-
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Antje Tillmannbekommt. Weil das so ist, erwarten wir, dass die festge-setzten Steuern abgeführt werden.Herr Kollege Ernst, es trifft nicht zu, dass die strafbe-freiende Selbstanzeige dem Schutz der Steuerhinterzie-her dient; sie ist vielmehr dafür gedacht, die Steuern ein-zutreiben, die der Gemeinschaft zustehen. Wir brauchendie strafbefreiende Selbstanzeige aus unterschiedlichenGründen. Derjenige, der nach einer begangenen Steuer-hinterziehung vollumfänglich steuerehrlich werden möchte,soll diesen Weg gehen können. Das kann der Steuer-pflichtige selbst sein, der einen alten Fehler wiedergut-machen will – und das ist eben nicht nur der reiche Steu-erhinterzieher, wie Herr Kollege Pitterle gerade gesagthat, sondern auch die Rentnerin, die über Jahre gedachthat, ihre Rente sei steuerfrei; auch sie profitiert von derstrafbefreienden Selbstanzeige –; das kann aber auch dieErbengeneration sein. Was soll denn die Tochter einesSteuerhinterziehers machen, die im Rahmen einer vor-weggenommenen Erbfolge das Bankkonto in der Schweizvon ihrem Vater übertragen bekommt und die anfallen-den Zinsen ordnungsgemäß erklären will? Sie kann dochsicher sein, dass die Finanzbehörde sofort nach der Ka-pitalquelle fragt. Wenn sie verhindern will, dass sie ihrenVater wegen Steuerhinterziehung dranbekommen, dannhilft nur die strafbefreiende Selbstanzeige, die der Vaterrechtzeitig vor dieser vorweggenommenen Erbfolge ein-reicht.Aber auch die Finanzbehörden brauchen die strafbe-freiende Selbstanzeige. Sie benötigen die Mitwirkungder Steuerpflichtigen bei der Steuerfestsetzung; denn derWeg von einer Zahl auf einer CD bis zum klagefähigenSteuerbescheid ist sehr weit, wenn der Steuerpflichtigenicht mitwirken muss. Das muss er nicht, wenn gegenihn ermittelt wird; denn er hat ein Aussageverweige-rungsrecht.Aber noch viel wichtiger finde ich, dass wir die Aus-sage des Steuerpflichtigen für die Gruppe von Menschenbrauchen, die bei Steuerhinterziehung helfen. Bankerund Anlageberater haben sich in der Vergangenheit – na-türlich in Einzelfällen, aber doch immer wieder – dazuhinreißen lassen, zu Steuerhinterziehung zu raten. Wirbrauchen im Verfahren gegen diese Berater die Aussagedes Steuerpflichtigen, die er aber nie machen würde,wenn er sich dadurch selbst belastet. Also brauchen wirauch hier die strafbefreiende Selbstanzeige, um dem Be-ratungsmissbrauch einen Riegel vorzuschieben.
Ich gebe gerne zu, dass wir in der Vergangenheit auchunbefriedigende Fälle hatten. Wir hatten Fälle, in denensehr berechnend mit der Selbstanzeige umgegangenworden ist; wir alle kennen sie. Wir werden uns – das istauch richtig – mit einer Verschärfung der strafbefreien-den Selbstanzeige anhand der Liste der Vorschläge derBund-Länder-Kommission beschäftigen, die über ziem-lich viele Seiten dargestellt hat, wo Verschärfungen sinn-voll und wo Verschärfungen nicht sinnvoll sind. Finanz-minister Schäuble hat einige Beispiele genannt. Ja,natürlich können wir über den Zeitraum nachdenken, da-rüber, ob es richtig ist, fünf Jahre zu erklären und dassechste hinterzogene Jahr weiter zu verschweigen. Wirkönnen darüber diskutieren, ob es richtig ist, dass derje-nige, der sich selbst anzeigt, hinterher wirtschaftlichgünstiger dasteht, als wenn er von Anfang an die Steuernrichtig gezahlt hätte.
All diese Fälle wollen wir nicht. Für all diese Fälle istdie Selbstanzeige auch nicht geschaffen worden, sondernnur für den, der tatsächlich steuerehrlich in die Zukunftgehen möchte. Ihm möchten wir diesen Weg ebnen, weiles im Sinne unserer Gemeinschaft ist, dass die Steuerneingenommen werden.
Die strafbefreiende Selbstanzeige muss aber für denSteuerpflichtigen berechenbar sein. Das heißt, er musswissen, was auf ihn zukommt. Seine Steuerberater undAnwälte müssen wissen, was sie ihrem Mandanten raten.Sie müssen auch sicher sein, dass das, was wir von ihmverlangen, möglich ist. Kontoauszüge der letzten20 Jahre zu verlangen, ist ganz sicher nicht möglich. DieFrage, wie weit man steuerehrlich sein kann, wird manim Einzelfall beurteilen müssen. Wir müssen darauf ach-ten, dass die betreffenden Mandanten das, was wir be-schließen, auch erfüllen können, um das Instrument derSelbstanzeige nicht kaputtzumachen.In diesem Zusammenhang müssen wir auch über dasSteuergeheimnis sprechen; denn es steht nirgendwo inder Abgabenordnung, dass das Steuergeheimnis für Pro-minente und Politiker nicht gilt. Wir müssen die Mög-lichkeiten bieten, mit der strafbefreienden Selbstanzeigedas Leben zu regeln, ohne jeden Tag in den Zeitungendieser Republik durch den Dreck gezogen zu werden.
Das mag vielleicht zu Recht geschehen. Dennoch ist esnicht richtig. Die Strafe, an den Pranger zu stellen, siehtdie Abgabenordnung nicht vor.Abschließend: Wir haben auch andere Möglichkeiten.Wir sollten Steuerhinterziehung direkt verhindern. Wirhaben heute Morgen im Finanzausschuss über den auto-matischen Informationsaustausch gesprochen. Wir disku-tieren über BEPS, mit dem wir wirtschaftlich unvernünf-tige Steuergestaltungen verhindern wollen. Wir wollenalso zukünftig Wege der Steuerhinterziehung erst garnicht ermöglichen. Verhinderte Steuerhinterziehung ver-hindert auch eine strafbefreiende Selbstanzeige. Daswerden wir in dieser Legislaturperiode auf jeden Fallweiter forcieren, und zwar auf allen Ebenen. Ich freuemich über jeden, der dabei ist.Danke.
Das Wort hat der Kollege Dr. Thomas Gambke für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das
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Dr. Thomas GambkeThema „strafbefreiende Selbstanzeige“ ist in der Repu-blik, in Talkshows und Presseklubs intensiv diskutiertworden. Ich will das wiederholen, was ich in den letztendrei Jahren bei drei Gelegenheiten zum Steuerabkom-men mit der Schweiz sagen durfte. Herr Schäuble, ichkann Ihnen nicht ersparen, Ihnen zu sagen, dass ich einbisschen enttäuscht darüber bin, dass der automatischeInformationsaustausch im Steuerabkommen explizit aus-geschlossen wurde, um so zu versuchen, dieses Abkom-men – Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig es sei,weil sonst Verjährungsfristen eintreten würden und sodem Staat Geld entgehe – zu retten. Wenn dieses Steuer-abkommen verabschiedet worden wäre, dann hätte eskeinen Fall Hoeneß und keinen Fall Schwarzer gegeben,und dann würden wir über den Umgang mit der strafbe-freienden Selbstanzeige überhaupt nicht diskutieren. Ichfinde, da wäre ein bisschen mehr Ehrlichkeit angebrachtgewesen.
Ich will die Debatte etwas erweitern. Wir tun so, alsob es ausschließlich um die strafbefreiende Selbstan-zeige ginge. Wir sollten auch einmal vor der eigenen Türkehren. In der EU-Zinsrichtlinie und ihrer Erweiterungwird gefordert, Informationen über Steuerpflichtige wei-terzugeben. Was machen wir in Deutschland? InDeutschland machen wir das nicht. Eine Möglichkeit,das zu beheben – wir Grüne fordern das –, wäre, die Ab-geltungsteuer wieder abzuschaffen, sodass sich jeder er-klären muss. Zumindest muss aber den Banken – das ha-ben wir schon vor drei Jahren gefordert – die Pflichtauferlegt werden, eine Kontrollmitteilung über Kapital-einkünfte an die Finanzämter zu geben. Machen Sie das,damit wir uns auch in Deutschland endlich ehrlich ma-chen und hier Transparenz schaffen! Das ist Vorausset-zung für Steuerehrlichkeit.
Ich denke, dass das Instrument der strafbefreiendenSelbstanzeige, dessen Schwierigkeiten der Herr Bundes-minister dargelegt hat, nach wie vor seine Berechtigunghat; ich möchte das gar nicht wiederholen. Aber wirmüssen genauer hinschauen; denn die Tatsache, dass diestrafbefreiende Selbstanzeige dazu führen kann, dasssich derjenige, der sie nutzt, besserstellt als der ehrlicheSteuerzahler, existiert nicht erst seit heute, FrauTillmann. Wenn Sie unseren Antrag vor drei Jahren tat-sächlich gelesen
und nicht nur gegen ihn gestimmt hätten, dann hätten Siemitbekommen, dass wir eine Erhöhung des Strafzu-schlags gefordert haben. Die Bund-Länder-Kommissionfordert das nun. Wir müssen aber auch über die Fristig-keit, mit der sie fällig wird, reden. Das alles steht darin.Ich vertraue sehr auf die Kollegen der SPD, die hoffent-lich unvoreingenommener an das Thema herangehenund sich endlich damit beschäftigen, die strafbefreiendeSelbstanzeige auch in Deutschland zu einem Instrumentzu machen, das fair und richtig ist und nicht den belohnt,der die Steuern nicht zahlt.
– Das ist kein Unsinn, sondern genau das, was wir ma-chen müssen und was ich im Übrigen Gott sei Dankauch höre.Dazu gehört aber auch, dass wir den Abstand zu dem,der straffällig wird, weil er sich nicht erklärt, im Augebehalten. Auch daran muss man denken. Es macht kei-nen Sinn, bei strafbefreienden Selbstanzeigen Fristen,den Strafzuschlag oder andere Details zu korrigieren,aber denjenigen, der eine strafbefreiende Selbstanzeigeeinreicht, schlechter zu stellen als den, der erwischtwird. Ich bitte Sie, doch sehr darauf zu achten, ein ver-nünftiges Instrument vorzulegen, und nichts zu unter-nehmen, was nur der momentanen Debatte geschuldetist.
Ich komme auf das Thema Transparenz zurück, weildas der kritische Punkt ist. Das betrifft die CD-Ankäufeund den automatischen Informationsaustausch. Ich bitte,noch einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht mitmehr Nachdruck in die Doppelbesteuerungsabkommenund in die Steuerinformationsaustauschabkommen ent-sprechende Regelungen aufnehmen sollten. Da vermisseich – Sie kennen meine Nachfragen im Finanzaus-schuss – ein wirkliches Bekenntnis dazu, kein einzigesDoppelbesteuerungsabkommen abzuschließen, wenn nichtein automatischer Informationsaustausch vereinbart ist.
Ein letztes Wort dazu: Dazu gehört auch, dass wir unsendlich damit befassen, dass es nicht nur steuerpflichtigePersonen gibt, sondern auch steuerpflichtige Trusts undStiftungen. Wir müssen im Auge behalten, dass es einigegibt, die sich verstecken. Wir haben das lange gehabt.Ich will jetzt nichts zitieren, weil das in die Vergangen-heit reicht. Wir müssen endlich Transparenz bei Stiftun-gen und Trusts herstellen. Das sollten Sie mit betrachten,wenn Sie Änderungen vornehmen. Wir sollten daraufachten, dass auch die unpersönlichen Organisationentransparent werden.Vielen Dank.
Ein kleiner Hinweis an die Kolleginnen und Kolle-gen, die wie Sie zu den Erfahrenen gehören: Die Ankün-digung des letzten Wortes ersetzt nicht das Ende derRede, möglichst dann auch in der angegebenen Redezeit.Das Wort hat der Kollege Bernhard Daldrup für dieSPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Gleichviel ob man sich über die Anzahl von
Selbstanzeigen und den Umfang von Steuerhinterzie-
hungen empört oder ob man erschrocken ist, in jedem
Fall ist schon einmal richtig, dass das Gerechtigkeitsge-
fühl der Menschen in unserem Land zutiefst verletzt ist.
Deshalb ist die Empörung, die wir in weiten Teilen der
Bevölkerung über diesen Sachverhalt spüren, auch be-
rechtigt.
Richtig ist auch, dass vor allem die Angst vor Straf-
verfolgung die Selbstanzeigen ausgelöst hat. Es ist nicht
Einsicht oder Reue als Motiv, sondern es ist in Wirklich-
keit die Erwartung, qua strafbefreiender Selbstanzeige
mit einem blauen Auge davonzukommen, auch wenn die
vielen Einzelfälle deshalb nicht falsch sind, die Sie, Frau
Tillmann, angesprochen haben. Deswegen ist es zu-
nächst einmal gut, sich daran zu erinnern, dass seinerzeit
der Weg eines quasi amnestierenden Steuerabkommens
mit der Schweiz gescheitert ist.
Lassen Sie mich als Neuling jenseits der steuer- und
auch strafrechtlichen Betrachtung eine Bemerkung ma-
chen. Es ist schon mein Eindruck, dass die Selbstanzei-
gen die politische Kultur, also das Verhältnis der Bevöl-
kerung zum Rechtsstaat oder, wie Carlo Schmid das
einmal genannt hat, das Verhältnis zur sittlichen Idee
von Gerechtigkeit, auf das Schwerste belasten. Ich halte
es in der Tat für ein Problem, das jenseits von Fragen zu-
sätzlicher finanzieller Einkünfte besteht und das eine
schwere Belastung der politischen Kultur darstellt. Die-
ses Problem darf und kann in unserem Land perspekti-
visch nicht bestehen bleiben.
Die prominenten Fälle der jüngsten Vergangenheit
stehen meines Erachtens pars pro toto für eine vermeint-
lich gesellschaftliche Elite, die das Vertrauen in und den
Glauben an den Rechtsstaat bedroht. Aber es sind nicht
nur wenige Promis; wir reden in Wirklichkeit über
46 000 Selbstanzeigen mit einem Volumen an zusätzlich
nachgezahlten Steuern von round about 3 Milliarden
Euro. Das sind also schon ganz erhebliche Summen.
Deswegen ist es gut, dass die Länderfinanzminister – wenn
ich es flapsig sagen darf – die Kavallerie haben ausreiten
lassen.
Was sollen wir also tun angesichts eines unterfinan-
zierten Staates, der auf seine Einnahmen angewiesen ist,
und der unzweifelhaften Notwendigkeit, dem Rechts-
staat Geltung zu verschaffen? Was ist eigentlich erfor-
derlich? Empörung, Herr Ernst, ist ein guter Ansporn für
politisches Handeln, aber kein hinreichender. Wir müs-
sen konkret werden. Wenn vor der perspektivischen Ab-
schaffung der strafbefreienden Selbstanzeige Schritte
zur deutlichen Verschärfung gegangen werden sollen,
dann will ich einige Anforderungen nennen, fünf an der
Zahl.
Erstens. Das Netz zur Vermeidung von Steuerhinter-
ziehung muss engmaschig sein. Das heißt, Steuerprü-
fung und Steuerfahndung müssen wirksam werden. Ihre
Ausdünnung ist jedenfalls kein Instrument regionaler
Wirtschaftsförderung.
Zweitens. Der automatische Informationsaustausch,
auch mit Ländern wie der Schweiz, Luxemburg oder
weiteren, muss schnellstens internationaler Standard
werden.
Drittens. Das Angebot des Staates, durch die Nach-
zahlung der Steuern zur Steuerehrlichkeit zurückzukeh-
ren, sollte endlich sein oder allenfalls auf Bagatellfälle
begrenzt werden. Es gibt jedenfalls gute Gründe, die
strafbefreiende Selbstanzeige perspektivisch abzuschaf-
fen. Steuerhinterziehung war und ist kein Kavaliers-
delikt, und das sollte auch so bleiben. Frau Paus, die So-
zialdemokraten haben dazu keinerlei Belehrungen nötig.
Viertens. Die strafbefreiende Selbstanzeige muss so
präzise sein, dass Nachzahlungen und Zuschläge über
der Höhe der Steuerhinterziehung liegen. Sie darf weder
eine faktische Einladung zu Steuerhinterziehung noch
ein Angebot zum Ablasshandel sein. Keine Regelung
sollte den Steuerhinterzieher besser stellen als den ehrli-
chen Steuerzahler. Die Stichworte dazu, wie es zu einer
solchen Verschärfung kommen kann, lauten beispiels-
weise „Entrichtung von Hinterziehungszinsen“, „Erhö-
hung des Zuschlages“, „Synchronisierung von Verjäh-
rungsfristen zwischen Steuerrecht und Steuerstrafrecht“.
Das sind Punkte, die zuletzt beispielsweise von Norbert
Walter-Borjans angesprochen worden sind. Ich glaube
auch, dass die Schwelle für schwere Steuerhinterziehung
von 50 000 Euro pro Tat relativ hoch angesetzt ist.
50 000 Euro sind, jedenfalls nach dem Verständnis des
überwiegenden Teils der Gesellschaft, nicht gerade eine
Bagatelle.
Vor der Abschaffung einer strafbefreienden Selbstan-
zeige hat sich die Koalition darauf verständigt, dieses In-
strument zu verschärfen und möglichst viel Geld aus il-
legalen Steuerverstecken in die staatlichen Haushalte
fließen zu lassen, was ansonsten eben gar nicht erzielbar
wäre. Diesen Weg sollten wir weiter beschreiten. Wir
werden sicher schon bald die Neuregelungen bekom-
men, die aus der entsprechenden Bund-Länder-Fach-
arbeitsgruppe stammen. Darüber hinaus benötigen wir
aber auch eine entsprechende internationale Synchroni-
sierung des Steuerrechts, um berechtigte Ansprüche
durchsetzen zu können. Es liegt also eine ganze Menge
an praktischer Arbeit vor uns, die wir in der nächsten
Zeit intensiv verrichten sollten.
Herzlichen Dank.
Kollege Daldrup, das war Ihre erste Rede im HohenHause. Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, dass Sienicht nur Ihre erste Rede erfolgreich gehalten haben,sondern dass Ihnen auch etwas gelungen ist, was den
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Vizepräsidentin Petra Pauwenigsten Rednerinnen und Rednern bei der ersten, beider zweiten, manchmal auch bei der hundertsten gelingt:Sie sind in der Redezeit geblieben.
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für Ihr weiteresWirken!Für die CDU/CSU-Fraktion hat der KollegeDr. h. c. Hans Michelbach das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Angesichts der Debattenbeiträge der Oppositionein paar klarstellende Bemerkungen vorweg:Erstens. Es ist nicht verboten, Geld im Ausland anzu-legen.Zweitens. Ein Freispruch ist ein Freispruch, und Steu-ergeheimnis muss Steuergeheimnis bleiben. Steuerhin-terziehung muss bestraft werden. Das scheint sich nochnicht überall herumgesprochen zu haben.Drittens. Wer durch Geldanlage im Ausland Gewinnemacht, muss sie ordnungsgemäß versteuern.
Viertens. Auch heute ist festzustellen, dass das leidernicht alle tun.Damit wären wir beim eigentlichen Thema der heuti-gen Aktuellen Stunde. Diese Debatte mit der Attitüdedes Klassenkampfes zu führen,
wie das heute hier wieder einmal zu erleben war, bringtuns allerdings nicht weiter.
Was wir brauchen, ist eine sachliche Debatte mit demZiel, Wege zu finden, wie der Staat an die ihm zustehen-den Steuern kommt. Deshalb geht es natürlich um Steu-erhinterziehung, aber nicht nur um Steuerhinterziehung;es geht auch um falsche grenzüberschreitende Steuerge-staltung, Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage,Gewinnverschiebung internationaler Konzerne usw. usf.Es ist nämlich nicht hinnehmbar, dass einige Kon-zerne hier kaum Steuern zahlen, aber gleichzeitig diesteuerzahlenden Mittelständler das Wasser abgegrabenbekommen. Das vernichtet Arbeitsplätze vor Ort. Das istunfaire Konkurrenz. Das bedeutet letzten Endes Wettbe-werbsverzerrung. Auch das gehört zum Thema, meineDamen und Herren, über das hier zu reden ist.
Weil das so ist, hat diese Koalition vereinbart, die in-ternationale Zusammenarbeit in Steuersachen Schritt fürSchritt gänzlich zu verbessern. Natürlich gehört dazuinsbesondere die Bekämpfung der Steuerhinterziehung.Wir, die Union, haben in den vergangenen Jahren We-sentliches dazu beigetragen, um unlauteren Machen-schaften einen Riegel vorzuschieben.
Wir haben 36 bilaterale Abkommen unter dem Bundes-minister Dr. Wolfgang Schäuble beschlossen. Unter Rot-Grün waren es leider nur 6 Abkommen. Das sind dieTatsachen, meine Damen und Herren.Wir haben das Instrument der strafbefreienden Selbst-anzeige durch die Verlängerung der Verjährungsfrist aufzehn Jahre und die Verpflichtung zur vollständigen Of-fenbarung der hinterzogenen Steuern sinnvoll verschärft.
Ich glaube, es ist auch hier nicht überall bekannt, dassZuschläge von 6 Prozent pro Jahr von dem bezahlt wer-den müssen, der sich endlich ehrlich macht. Auch dasgehört zur Wahrheit und gehört in der Öffentlichkeitdeutlich gesagt.
Aus verschiedenen Gründen sind wir aber in einigenPunkten bei der Sicherstellung der Steuern nicht so weitgekommen, wie es möglich gewesen wäre – ich stehedazu –; zum Schaden übrigens der Haushalte von Bund,Ländern und Kommunen. Ich will da nicht nachkartenmit dem Hinweis darauf, was wir mit dem Abkommenmit der Schweiz erreicht hätten, aber Sie müssen sichimmer wieder dafür verantworten, was in die Verjährunggegangen ist, meine Damen und Herren. Was wir einge-nommen hätten, das verschweigen Sie nämlich, wennSie über dieses Abkommen sprechen.
Der Versuch, die Meinungsführerschaft bei der Be-kämpfung der Steuerhinterziehung zu behaupten, darfnicht zu blankem Populismus führen. Den Kollegen sageich immer wieder nur: In Nordrhein-Westfalen wurden570 Ermittlungsverfahren begonnen. Bisher sind 19 Steuer-hinterzieher bestraft worden. Auch das gehört zur Wahr-heit, meine Damen und Herren. Also: Jeder kehre vorseiner eigenen Tür.
Es geht jetzt darum, dass wir sachbezogen prüfen, obund, wenn ja, inwieweit eine weitere Reform der strafbe-freienden Selbstanzeige notwendig ist. Klar ist: Ohne diestrafbefreiende Selbstanzeige wären die vielen Fälle garnicht erst ans Licht gekommen; denn bei der strafbefrei-enden Selbstanzeige erklärt der Steuersünder sein Verge-hen umfassend; hingegen hätte er im Strafverfahrenselbst – der Minister hat es gesagt – ein Auskunftsver-weigerungsrecht. Deshalb warne ich davor, das Instru-ment der strafbefreienden Selbstanzeige abzuschaffen.
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Dr. h. c. Hans MichelbachIm Rechtsstaat gilt nun einmal der Grundsatz: Niemanddarf gezwungen werden, sich selbst zu belasten. – Dasheißt aber auch: Die Steuerquellen bleiben weiterhin imDunkeln, und es gibt auch keine Einnahmen; denn Men-schen zeigen sich nicht selber an, wenn die Strafe sooder so identisch ausfällt.Die Vergangenheit lehrt zudem: Das Institut der straf-befreienden Selbstanzeige hat funktioniert, meine Da-men und Herren. Es hat 70 000 strafbefreiende Selbst-anzeigen gegeben, die über 3 Milliarden Euro anEinnahmen erbracht haben. Das ist nicht die Priorität,aber das zeigt auch die Funktionsfähigkeit des Instru-ments.Unser Ziel muss sein, Steuerhinterziehung erst garnicht zu ermöglichen. Wir haben vor, den automatischenInformationsaustausch mit allen Ländern jetzt auf denWeg zu bringen. Lassen Sie uns gemeinsam mit Sachbe-zogenheit und Vernunft für mehr Steuergerechtigkeitund mehr Steuerehrlichkeit in diesem Land kämpfen.Dann haben wir viel erreicht.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Margaret Horb für die
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Strafbefreiende Selbstanzeige – unter diesem Titel wer-den hochmoralische Debatten geführt gemäß demKennedy-Motto: Frage nicht, was der Staat für dich tunkann, sondern frage, was du für den Staat tun kannst. –Die Antwort lautet: Das Mindeste ist doch, Steuern zuzahlen. Und jetzt soll man sich Straffreiheit von Steuer-hinterziehung einfach erkaufen können. Ist das gerecht?Hier muss man ganz klar sagen: Die meisten, die wirdurch Selbstanzeige erwischen, wären unentdeckt ge-blieben. Der Gerechtigkeit wäre also nicht mehr,sondern eher weniger Genüge getan, wenn wir dieSelbstanzeige nicht hätten. Wirklich straffrei ist dieSelbstanzeige ja ohnehin nicht.Ich sehe diese Debatte aber auch pragmatisch: Diestrafbefreiende Selbstanzeige bedeutet unter anderemeine erhebliche Entlastung für unsere Finanz- und Justiz-behörden. Fragen Sie doch einmal die Fachpolitiker Ih-rer Fraktion. Wenden Sie sich an die Fachleute in derFinanzverwaltung oder der Justiz, auch und gerade aufLandesebene. Ob in Berlin, Hamburg, Mannheim oderMosbach, überall werden Sie dieselbe Antwort bekom-men. Eine Antwort übrigens, die Sie selber – mit Aus-nahme der Fraktion der Linken – im vergangenen Jahrhier im Bundestag gegeben haben: ein klares Ja zur straf-befreienden Selbstanzeige.Warum? Weil die hinterzogenen Steuern sofort be-zahlt werden, vollständig, mit Hinterziehungszinsen undgegebenenfalls mit Zuschlag.Die Alternative zu einer Selbstanzeige kenne ich ausmeiner Arbeit in der Finanzverwaltung sehr gut. BeiSteuerhinterziehung liegt die Beweislast bei den Behör-den. Aufgrund einer bloßen Vermutung kann die Steuer-fahndung nicht anrücken. Zunächst braucht es erste Hin-weise, zum Beispiel aufgrund einer Anzeige oderaufgrund von Daten auf einer Steuer-CD. Erst wenn einkonkreter Anfangsverdacht besteht, wird der Richter dasOkay für eine Hausdurchsuchung geben. Bis es so weitist, muss eine Menge Vorarbeit geleistet werden: Datenmüssen recherchiert, aufgearbeitet und mit den Daten inder Steuererklärung abgeglichen werden. Wir reden hieraber nicht von einer Nullachtfünfzehn-Steuererklärungmit zwölf Seiten. In so einem Fall geht es um Aktenord-ner mit Belegen und Unterlagen, und zwar kistenweise.Die Fahnder müssen die Einkünfte selbst zusammenstel-len, aus Unterlagen, die teilweise in verschiedenen Spra-chen verfasst sind, die mehrere Jahre übergreifen, unddas alles ohne die Mithilfe des Steuerpflichtigen. Steuer-hinterzieher und Steuerbehörde verfolgen entgegen-gesetzte Ziele. Während der eine versucht, möglichstwenig preiszugeben, arbeiten die anderen an einer um-fassenden Aufklärung. Mit der Änderung der Steuerbe-scheide ist es da noch lange nicht getan. Einspruchs-oder gar Klageverfahren sind zu erwarten, und es verge-hen oft Jahre, in denen nicht nur die zuständigen Finanz-behörden, sondern auch die Justiz weiter an dem Fall ar-beiten. Dann bleibt oft fraglich, ob und wann diegeschuldeten Steuern fließen. Die Erhebung hierzu bin-det weitere enorme Kapazitäten. Parallel dazu läuft dasStrafverfahren. Fakt ist: Das braucht viel Zeit und Perso-nal, und es kostet den Steuerzahler viel Geld.Bei der strafbefreienden Selbstanzeige hingegen ar-beiten Steuerpflichtiger und Finanzbehörde zusammen,sodass aufwendige Recherche und Beweisführung ent-fallen. Der Steuerpflichtige legt seine Steuererklärungenund alle notwendigen Belege in geordneter Art undWeise bei der Finanzbehörde vor. Die Unterlagen müs-sen lediglich noch geprüft werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht beider strafbefreienden Selbstanzeige nicht darum, eine be-stimmte Gruppe von Straftätern zu bevorzugen. Es gehtnicht darum, sie ihrer gesellschaftlichen Pflicht zu enthe-ben. Es geht vielmehr darum, dem Staat bisher verheim-lichte Geldmittel und Steuerquellen zu erschließen –Geld, an das wir ohne die strafbefreiende Selbstanzeigenicht gekommen wären.
Ich frage Sie: Können wir auf dieses Geld verzichten?Nein. Denn wir brauchen es für unsere Schulen, unsereKrankenhäuser und unsere Kommunen. Auch das isteine Frage der Gerechtigkeit.
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Kollegin Horb, das war Ihre erste Rede im Hohen
Hause. Ich gratuliere Ihnen dazu und wünsche Ihnen im
Namen des gesamten Hauses viel Erfolg für Ihre weitere
Arbeit.
Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Zu Beginn will ich noch ein-mal ausdrücklich sagen, dass wir in dieser Koalition dieVereinbarung haben, dass wir in der Steuerpolitik einenSchwerpunkt auf die Bekämpfung von Steuerhinterzie-hung und Steuerumgehung setzen. Dafür haben wir ver-einbart, dass wir die Regelungen zur Selbstanzeige wei-terentwickeln. Dazu konnten wir nur kommen – ichmuss das an dieser Stelle sagen –, weil für mich Vergan-genheit Vergangenheit ist. Kollege Michelbach, Siehaben das deutsch-schweizerische Steuerabkommen an-gesprochen. Die Wahrheit ist doch: Wenn dieses Ab-kommen damals abgeschlossen und nicht von Rot-Grünverhindert worden wäre,
bräuchten und würden wir heute über dieses Themanicht sprechen. Wir haben gerade deshalb so viele CDsbekommen. Es gibt einen prominenten Steuerhinterzie-her aus Bayern, der etwas mit Fußball und Wurst zu tunhat. Er hat deutlich gemacht, dass er in die Falle gegan-gen ist, weil er geglaubt hat, es komme zu dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen.
Lassen Sie uns bei der Wahrheit bleiben, meine Damenund Herren. Es war gut, dass dieses Abkommen nichtbeschlossen wurde, und das war die Grundlage für das,was wir heute haben.
Ich möchte betonen, dass wir die Debatte über dieFrage der Selbstanzeige sehr sensibel führen, weil es na-türlich eine Belastung – verschiedene Rednerinnen undRedner haben es angesprochen – für das Gerechtigkeits-gefühl vieler Menschen ist. Ich darf hier sagen: Das be-trifft alle Parteien hier im Raum. In einer gestrigen Pres-semitteilung heißt es:Die Selbstanzeige ist ein Handel mit der Gerechtig-keit zugunsten der ökonomischen Eliten.
Das hat der Vizevorsitzende der CDA, der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft – einer Organisa-tion der CDU – erklärt.
Ich sage das hier nicht, Kollege Ernst, um mit Fingern zuzeigen,
sondern um darauf hinzuweisen, dass wir sehr sensibelargumentieren und arbeiten müssen. Es muss das Prinzipsein, dass wir auch bei den Fällen der Selbstanzeige einegroße Härte an den Tag legen, um mit diesem Instrumenteine Glaubwürdigkeit zu erreichen, sonst schlägt es fehlin der politischen Öffentlichkeit und in der Gesellschaft.
Wenn wir bei diesem Thema sind, will ich auch sa-gen, dass wir auf der Grundlage der Ergebnisse einerKommission aus Bund und Ländern arbeiten werden.Die Kolleginnen und Kollegen der Grünen haben deut-lich gemacht, dass das auch unter der Mitwirkung vongrünen Landesregierungen – in Nordrhein-Westfalen, inSchleswig-Holstein, in Baden-Württemberg, in Bremenund in vielen anderen Bundesländern – geschieht. Aberdies geschieht auch unter Beteiligung des BundeslandesBrandenburg, in dem die Linke mitregiert. Deswegenverstehe ich Ihr Herangehen heute nicht. Machen Siedort Klarschiff, und machen Sie deutlich, worum esgeht.
Bezüglich der Glaubwürdigkeit möchte ich zwei The-men ansprechen, die wir sehr sorgsam diskutieren müs-sen. Uns geht es nicht darum, die Gefängnisse zu füllen,wie der Finanzminister aus Rheinland-Pfalz gesagt hat,sondern wir wollen unser Geld haben.Wir erwarten Kooperation, aber wir sind nicht doof.Wir wollen unser Geld zurückhaben. Ein Debattenpunktbetrifft dabei die Verjährungsfristen. Es ist richtig – dasist verschiedentlich gesagt worden –, dass wir den Wegin Richtung einer Verjährungsfrist von zehn Jahren ge-hen. Ich möchte aber dazu aufrufen, offen darüber zudiskutieren. Der bayerische Finanzminister, Herr Söder,empfiehlt eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. NorbertWalter-Borjans, nordrhein-westfälischer Finanzminis-ter, spricht davon, den Zeitpunkt, an dem die Verjäh-rungsfrist beginnt, zu verschieben, weg vom Zeitpunktder Tat selber, hin zum Zeitpunkt der Entdeckung derTat. Das wäre eine weitgehende Veränderung des Sach-verhalts. Da geht es darum, dass wir das Geld wieder-bekommen; es geht nicht um den strafrechtlichen Sach-verhalt. Ich möchte gerne, dass wir darüber offendiskutieren und es weiterentwickeln.Zweiter Punkt: die Bagatellgrenze. Bei einer Steuer-schuld von bis zu 50 000 Euro spricht man jetzt von ei-ner Bagatelle. Das will ich hier auch vor dem Hinter-grund der jüngsten Fälle ansprechen. Bei einerSteuerschuld von 50 000 Euro kann man bei einem an-genommenen durchschnittlichen Steuersatz von 30 bis
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Dr. Carsten Sieling35 Prozent – davon geht man bei Frau Schwarzer aus –auf ein Einkommen von 150 000 Euro schließen, das dieentsprechende Person hatte, ohne es zur Versteuerung zubringen. Wie erzielt man ein solches Einkommen von150 000 Euro? Wenn die Einnahmen aus Zinseinkünftenaus Vermögen stammen und man einen Zinssatz von4 Prozent zugrunde legt, reden wir über ein Vermögenvon 6 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, ichfinde, da wird der Begriff Bagatelle überdehnt.
Deshalb bitte ich sehr darum, die Frage der Stufung unddiese Dinge in unsere weiteren Beratungen aufzuneh-men.Die Finanzminister werden einen Vorschlag machen.Vorschläge kommen ins Parlament, und häufig kommensie verändert wieder heraus. Vielleicht sollten wir indiese Richtung arbeiten.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Philipp Graf Lerchenfeld das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Hohes Haus! Sehrgeehrte Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, KollegeErnst, bei Ihrer Rede habe ich mich ein bisschen an einBonmot erinnert gefühlt:Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nichts.
Sie haben anscheinend nicht nur keine Ahnung von derFinanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland,
sondern Sie haben selbstverständlich auch nichts von ei-nem – –
Sie sollten die richtigen Titel nehmen, lieber KollegeErnst. Auch bei Ihnen ist der Titel sicherlich falsch.
– Gewöhnen Sie sich bitte daran. Ich versuche, das wei-ter aufrechtzuerhalten.
Sie haben keine Ahnung von der Finanzverfassungder Bundesrepublik Deutschland. Sie haben auch be-hauptet, dass es ein einmaliger Fall im deutschen Straf-recht ist, dass man bei einer Selbstanzeige der Strafe ent-gehen kann. Hier kann ich Ihnen nur empfehlen, denalten juristischen Satz zu nutzen:Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfin-dung.Wenn ein Brandstifter ein von ihm gelegtes Feuerwieder löscht, kann das Gericht nach § 306 e Strafge-setzbuch von einer Bestrafung absehen.
Sogar im Fall einer schweren Brandstiftung, die zu dengemeingefährlichen Straftaten gehört, reicht schon seinfreiwilliges und ernsthaftes Bemühen, das von ihm ge-legte Feuer zu löschen, damit ihm Straffreiheit gewährtwird.
Das ist nicht der einzige Fall, in dem tätige Reue zurStraffreiheit führt. Es gibt zahlreiche andere Bestimmun-gen, die in gleicher Art und Weise zur Straffreiheitführen: Bei Hinterziehung von Sozialbeiträgen gibt esstrafbefreiende Regelungen der Selbstanzeige. Bei Geld-wäsche, bei Geldfälschung, bei Subventionsbetrug kannder Täter auch auf Straffreiheit hoffen, wenn er sichselbst bezichtigt. Und, Kollege Ernst, sogar im Parteien-gesetz gibt es eine echte strafbefreiende Selbstanzeige.
Im Fall der Selbstanzeige bei der Steuerhinterziehungallerdings kann man von einer echten Straffreiheit über-haupt nicht sprechen. Wer sich selbst anzeigt, muss dieSteuern nachzahlen und hat dazu eine Verzinsung von6 Prozent pro Jahr zu entrichten. Außerdem ist, wie vor-hin schon von vielen angedeutet wurde, ein Strafzu-schlag von 5 Prozent zu zahlen.In der letzten Legislaturperiode wurden erheblicheVerschärfungen im Bereich der Selbstanzeige vorge-nommen. Es sei hier erwähnt, dass die Straffreiheit nurnoch bei umfassender Selbstanzeige aller Hinterzie-hungssachverhalte gewährt wird. Der Zeitraum derSelbstanzeige wurde zudem verkürzt auf den Zeitpunktder Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Darüber hi-naus werden, wie erwähnt, zusätzliche Strafzuschläge inHöhe von 5 Prozent bei einer Steuerhinterziehung vonüber 50 000 Euro erhoben.Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wirSteuerhinterziehung noch stärker verfolgen werden. Wirhaben dazu viele Möglichkeiten; das ist von den Vorred-nern auch aufgezeigt worden. Aber wir sollten den reui-gen Steuerhinterziehern den Weg zurück zur Steuerehr-lichkeit nicht verbauen, weil dadurch die Aufdeckungaller Sachverhalte im Zusammenhang mit der Steuerhin-terziehung durch die Mitwirkung der Steuerpflichtigengewährleistet wird. Die Zahl der Selbstanzeigen hat inden letzten Jahren deutlich zugenommen. Allein im Jahr2013 gab es fast 26 000 Selbstanzeigen. Dem deutschenFiskus sind so immerhin 3,5 Milliarden Euro zugeflos-sen.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014 951
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Philipp Graf LerchenfeldWissen Sie, ein Aspekt kommt mir in der Diskussion,die wir in den letzten Tagen geführt haben, erheblich zukurz: Wer sich den Finanzbehörden offenbart, hat selbst-verständlich auch das Recht, auf das Steuergeheimnisvertrauen zu können.
Ich finde es unerträglich, wenn Einzelne in Finanzbehör-den oder Strafverfolgungsbehörden in unglaublicher Artund Weise gegen den § 30 AO verstoßen und Steuerge-heimnisse an die Öffentlichkeit bringen.
Das sind Straftaten, die ebenso ernsthaft verfolgt werdenmüssen wie Steuerhinterziehung. Die Weitergabe vonInformationen an Medien verletzt nicht nur das Steuer-geheimnis, sondern ist im Zweifel auch noch kontrapro-duktiv hinsichtlich der Ziele der Selbstanzeige; denn dereine oder andere wird sich sicherlich überlegen, ob erden Schritt zurück in die Steuerehrlichkeit wagt, wenn ersich nicht sicher sein kann, dass er in den Medien nichtdurch den Dreck gezogen wird, wie meine Kollegin vor-hin gesagt hat.
Die permanente Verletzung des Steuergeheimnisseskann nicht einfach so hingenommen werden. Das Bun-desverfassungsgericht umschreibt das so – ich zitieremit Erlaubnis des Präsidiums –: Mit der Vorschrift– § 30 AO Steuergeheimnis – wird „der Zweck verfolgt,durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsver-schwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerli-cher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahrenzu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassenund eine gesetzmäßige, d. h. insbesondere auch einegleichmäßige Besteuerung sicherzustellen“.Durch die permanente Verletzung des Steuergeheim-nisses werden die Grundsätze des Bundesverfassungsge-richtes, die ich eben zitiert habe, in sträflicher Art undWeise missachtet.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Kollege Graf Lerchenfeld, auch für Sie war das heute
die erste Rede im Hohen Hause. Ich wünsche Ihnen viel
Erfolg für Ihre weitere Arbeit.
Nun hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Letzter Redner zum letzten Tagesordnungspunktzu sein, ist eine Herausforderung. Aber ich will die He-rausforderung als Chance begreifen, eine Zusammenfas-sung vorzunehmen.Ich will mit dem Kollegen Ernst beginnen, dem esnicht wirklich um eine ernsthafte – Sie sehen mir bittedieses Wortspiel nach – Auseinandersetzung mit denVor- und Nachteilen der Abschaffung ging. Vielmehrging es ihm um eine ganz andere Frage, auf die ichgleich eingehen will.Auch bei meiner lieben Kollegin Paus habe ich eineernsthafte Auseinandersetzung mit der Fragestellungvermisst:
Was würde denn passieren, wenn man dieses Rechtsin-stitut tatsächlich aufgeben würde? Wo wären für denStaat die Vor- und die Nachteile? Das ist völlig ausge-blendet worden.
Dem Kollegen Ernst und seiner Fraktion ging es umetwas ganz anderes, und zwar zum einen offensichtlichum ein Warmlaufen für beginnende Wahlkämpfe
in diesem Jahr und zum anderen um die Frage der ideo-logischen Selbstbestimmung: auf der einen Seite diejeni-gen, die mit den Kleinen Seit’ an Seit’ schreiten, und aufder anderen Seite diejenigen, die die großen Steuerbetrü-ger vor dem Zugriff des Staates schützen. Das werdenIhnen die Leute aber nicht durchgehen lassen. Sie wer-den nämlich sehr wohl merken, dass Sie sich mit den ei-gentlichen Problemen in keiner Weise wirklich ausei-nandergesetzt haben.
Diese Probleme hat der Bundesfinanzminister übrigenssehr deutlich benannt.Wo sind denn Ihre Stellungnahmen zu den folgendenFragen: Wie gehen wir damit um, wenn die Menschen inZukunft im Strafverfolgungsprozess von ihrem Aussage-verweigerungsrecht Gebrauch machen? Wie gehen wirdamit um, dass die Steuerbehörden teilweise erst durchSelbstanzeigen Zinsquellen im Ausland entdeckt haben,von denen sie gar keine Kenntnis hatten? Wie gehen wirdamit um, wenn während des langen Ermittlungsverfah-rens – die Kollegin hat darauf hingewiesen – die Verjäh-rung eintritt?Der Kollege Pitterle hat eben gesagt, es sei überhauptnicht in Ordnung, dass für 20 oder 25 Jahre Verjährungeintritt, wenn man 30 Jahre lang Steuern hinterzogen hat.Meine Damen und Herren, Verjährung ist in diesemRechtsstaat ein ganz normales Instrument. Das gibt esnur in zwei Fällen nicht: bei Mord und bei Völkermord.Selbst Sie werden nicht so weit gehen, diese beidenStraftaten mit Steuerhinterziehung auf eine Stufe stellenzu wollen.
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952 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Februar 2014
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Klaus-Dieter GröhlerInsofern unterstelle ich Ihnen, dass es Ihnen in Wirk-lichkeit gar nicht um eine sachgerechte Auseinanderset-zung mit dem Thema geht. Sonst hätten Sie auch auf dieFrage geantwortet, wie der Staat, wenn er jetzt den Ver-folgungsdruck erhöht, die Einnahmen erreichen will, dieer in den letzten Jahren tatsächlich generiert hat. DerKollege hat darauf hingewiesen, dass durch Tausendevon Selbstanzeigen 3 Milliarden Euro eingenommenwurden. Das müssen Sie durch Steuerfahnder erst ein-mal hereinbekommen.Sie erwecken auch den Eindruck, man könne, wenndie Steuerfahndung an die Tür klopft und „Steuerfahn-dung!“ sagt, einfach „Selbstanzeige!“ brüllen und allessei gut. Das ist mitnichten so, meine Damen und Herren!In der Tat ist es so, dass man von der Möglichkeit derstrafbefreienden Selbstanzeige nicht mehr Gebrauch ma-chen kann, wenn die Steuerfahndung schon unterwegsist. Insofern haben Sie hier einen völlig falschen Ein-druck erweckt. Das finde ich schade.
Ich glaube, lieber Herr Kollege von Lerchenfeld, dassHerr Ernst sehr wohl weiß, dass es im Strafgesetzbuchauch an anderen Stellen den Verzicht des Staates aufStrafe gibt. Das ist übrigens auch beim Besitz geringerMengen Rauschgift der Fall. An der Stelle finden Sie esoffensichtlich gar nicht schlimm, dass der Staat aufStrafe verzichtet. Ihnen, lieber Herr Ernst, ging es aberdarum, hier darzustellen, dass der Staat nur dann aufStrafe verzichtet, wenn es um wichtige und reiche Leutegeht.Sie haben sich auch nicht mit der Frage auseinander-gesetzt, dass beim Wegfall dieses Rechtsinstrumentari-ums zum Beispiel der Mittelständler, der bei seiner Um-satzsteuervoranmeldung einen Fehler gemacht hat, weiler mehr Einnahmen hat und somit mehr Steuern abfüh-ren müsste, sich strafbar machen würde, wenn er demFinanzamt nachmeldet, dass er in Wirklichkeit mehrSteuern zu zahlen hat. Das können wir doch nicht wol-len.
Ich bitte insofern darum, meine Damen und Herren,dass wir uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzenund diese Thematik nicht nutzen, um ideologischeSchlachten zu schlagen. Wir sagen ganz klar: Ja, an dereinen oder anderen Stellschraube muss man drehen. Ja,wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt,dass dies ein Schwerpunkt der Arbeit sein soll. Ja, esmuss für Steuergerechtigkeit gesorgt werden. – Wir soll-ten aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wirsollten das Instrument nicht verteufeln. Wir sollten esnicht über Bord gehen lassen. Das nützt weder dem Staatnoch den Sündern.Herzlichen Dank.
Lieber Kollege Gröhler, als fünfter Erstredner in der
heutigen Debatte ist es Ihnen gelungen, das Kunststück
des SPD-Kollegen, der heute das erste Mal geredet hat,
zu wiederholen: Auch Sie sind innerhalb der Redezeit
geblieben; Sie haben sie sogar unterboten. Auch dazu
gratuliere ich Ihnen. Ansonsten wünsche ich Ihnen na-
türlich viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 13. Februar 2014,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.