Protokoll:
18003

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 3

  • date_rangeDatum: 28. November 2013

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:28 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/3 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 3. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 I n h a l t : Nachruf auf den ehemaligen Bundestagsvize- präsidenten Dieter-Julius Cronenberg . . . . . 75 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 C Absetzung des Tagesordnungspunktes 13 . . . . 75 D Tagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Einsetzung eines Hauptausschusses (Drucksache 18/101) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18/102) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 D Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . 76 A Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 76 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 78 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 A Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Na- tionen geführten Friedensmission in Südsudan (UNMISS) auf Grundlage der Resolution 1996 (2011) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 8. Juli 2011 und Folgeresolutionen, zuletzt 2109 (2013) vom 11. Juli 2013 (Drucksache 18/71) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 C Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 83 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 D Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 85 D Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 87 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 88 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 D Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinder- betreuungsfinanzierungsgesetzes (Drucksache 18/69). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 93 B Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 B Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 96 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 29 GO) 98 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Thomas Oppermann (SPD) (Erklärung nach § 29 GO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) (Erklärung nach § 29 GO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 A Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion DIE LINKE ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung der Beitragssätze in der ge- setzlichen Rentenversicherung (Beitrags- satzgesetz 2014) (Drucksache 18/52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 D Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 99 D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 A Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 105 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 106 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 107 C Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Klimakonferenz in Warschau – Ohne deutsche Vorreiterrolle kein internationaler Klimaschutz (Drucksache 18/96) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . 110 B Peter Altmaier, Bundesminister BMU . . . . . . 111 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 113 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . 115 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . 117 B Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 117 D Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 118 C Tagesordnungspunkt 6: Fragestunde (Drucksache 18/87). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 C Mündliche Frage 1 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss des Staatsministers a. D. Eckart von Klaeden auf Entscheidungen im Be- reich Elektromobilität Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 D Zusatzfrage Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 D Mündliche Frage 2 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Loyalitätskonflikte des Staats- ministers a. D. Eckart von Klaeden im dienstlichen Kontakt zu der Investment- bank Goldman Sachs Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 A Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D Mündliche Frage 3 Annette Groth (DIE LINKE) Schritte der Bundesregierung zur Informa- tion der Öffentlichkeit über den Stand der Verhandlungen zum geplanten Freihandels- abkommen zwischen der EU und den USA Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B Zusatzfragen Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 121 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 122 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 122 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 122 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 III Mündliche Frage 4 Annette Groth (DIE LINKE) Einbeziehung der Bundesregierung in die Verhandlungen über das geplante Freihan- delsabkommen zwischen EU und USA Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 A Zusatzfragen Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 124 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 124 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 125 A Mündliche Frage 5 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schäden durch den Erdölaustritt aus dem Kavernenfeld in Etzel Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B Zusatzfragen Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 125 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 126 A Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 126 C Mündliche Frage 11 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung von US-Stützpunkten in Deutsch- land an extralegalen Hinrichtungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 A Zusatzfragen Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 127 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 D Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 128 A Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 128 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 129 C Mündliche Frage 12 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entscheidung über die Ansiedlung des US- Afrikakommandos in Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 A Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 130 D Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 131 A Mündliche Frage 15 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage aller völkerrechtlichen Vereinba- rungen mit den ehemals westalliierten Sta- tionierungsstaaten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 132 B Mündliche Frage 16 Heike Hänsel (DIE LINKE) Medienberichte über die Koordinierung von US-Drohneneinsätzen von deutschem Staatsgebiet aus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 C Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 132 D Mündliche Frage 19 Inge Höger (DIE LINKE) Internationale Konferenz für eine massen- vernichtungswaffenfreie Zone Naher und Mittlerer Osten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 133 C IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Mündliche Frage 23 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Perspektive für die Östliche Partnerschaf- ten der EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 A Zusatzfragen Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 135 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 C Mündliche Frage 24 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Vergabe von IT-Aufträgen an das US-Unternehmen Computer Sciences Cor- poration durch die Bundesregierung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 A Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 B Mündliche Frage 26 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung des US-Unternehmens Compu- ter Sciences Corporation an der Entfüh- rung des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 D Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Vereinbarte Debatte: zu dem vorläufigen Atomabkommen mit dem Iran. . . . . . . . . . . 138 A Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 139 D Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 141 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . 144 A Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 144 D Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Opera- tion in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und folgender Resolutionen, zuletzt 2113 (2013) vom 30. Juli 2013 (Drucksache 18/72). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 146 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 148 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 150 C Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 151 B Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 152 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 153 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 C Tagesordnungspunkt 8: – Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur An- passung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Um- setzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpas- sungsgesetz – AIFM-StAnpG) (Drucksache 18/68 (neu)) . . . . . . . . . . . . . 153 C – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung des Investmentsteu- ergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer- Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG). . . . 153 C – Bericht des Hauptausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 18/113) . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 153 D Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 155 D Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 157 C Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 159 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 V Zusatztagesordnungspunkt 4: – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinan- zierungsgesetzes (Drucksache 18/69) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A – Bericht des Hauptausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 18/112) . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Katja Kipping, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MinLohnG) (Drucksache 18/6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 163 D Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 164 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 165 D Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 168 C Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 170 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 171 D Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 172 D Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 173 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 173 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 174 B Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Risiko und Haftung zusammenführen – Gläubigerbeteiligung nach EZB-Ban- kentest sicherstellen (Drucksache 18/97) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam die Haftung der Steuerzah- lerinnen und Steuerzahler beenden – Für einen einheitlichen europäischen Restrukturierungsmechanismus (Drucksache 18/98) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 A Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 177 B Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 180 D Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 181 D Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 A Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Programm „Europa für Bürgerin- nen und Bürger“ für den Zeitraum 2014–2020 (Drucksache 18/13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 C Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 184 D Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 C Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 186 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 188 B Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 190 B Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (Drucksache 18/7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 191 C Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 192 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 193 C Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 193 D Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 B Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 196 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 197 C VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Opera- tion Active Endeavour beenden (Drucksache 18/99) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 200 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . 200 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . . 202 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 203 D Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 207 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Petra Pau, Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Stefan Liebich, Jörn Wunderlich, Kathrin Vogler, Cornelia Möhring und Harald Petzold (Havelland) (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den An- trag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Einsetzung eines Hauptausschusses (Tages- ordnungspunkt 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 C Anlage 3 Mündliche Frage 6 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausschluss bestimmter Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C Anlage 4 Mündliche Frage 7 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fortsetzung der Operation Active Endeavour Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 D Anlage 5 Mündliche Frage 8 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Antrag der Bundesregierung auf parla- mentarische Zustimmung zur Fortsetzung der Operation Active Endeavour Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 A Anlage 6 Mündliche Frage 9 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Operationsplan der Operation Active Endeavour Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B Anlage 7 Mündliche Frage 10 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Medienberichte über „Rendition flights“ und Geheimgefängnisse der CIA in Europa Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 C Anlage 8 Mündliche Frage 13 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mitwirkung US-amerikanischer Behörden an rechtswidrigen Aktivitäten von deut- schem Staatsgebiet aus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 D Anlage 9 Mündliche Frage 14 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hauptquartier der AFRICOM in Stuttgart Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 VII Anlage 10 Mündliche Frage 17 Andrej Hunko (DIE LINKE) „Stille Ausweisung“ von Diplomaten der „Five-Eyes-Staaten“ Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 B Anlage 11 Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Vernichtung der syrischen Giftgasvorräte Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C Anlage 12 Mündliche Fragen 20 und 21 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Etwaige Vernichtung der syrischen Che- miewaffen in Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D Anlage 13 Mündliche Frage 22 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Albanien als EU-Beitrittskandidat Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 C Anlage 14 Mündliche Frage 25 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vergabe von Aufträgen an das US-Unter- nehmen Computer Sciences Corporation durch deutsche Nachrichtendienste Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 D Anlage 15 Mündliche Frage 27 Jan Korte (DIE LINKE) Vergabe von Aufträgen des Bundes an das US-Unternehmen Computer Sciences Cor- poration und deren Tochtergesellschaften Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 A Anlage 16 Mündliche Frage 28 Jan Korte (DIE LINKE) Erkenntnisse der Hauptstelle für Befra- gungswesen bezüglich eines gemeinsamen Programmes des Bundesnachrichtendiens- tes mit US- und britischen Geheimdiensten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C Anlage 17 Mündliche Fragen 29 und 30 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befragung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern durch ausländische Nach- richtendienste in der Hauptstelle für Befra- gungswesen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C Anlage 18 Mündliche Fragen 31 und 32 Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachrichtendienstliche Befragung von Asylbewerberinnen und -bewerbern in der Hauptstelle für Befragungswesen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 A Anlage 19 Mündliche Frage 33 Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befragungen von Asylbewerberinnen und -bewerbern durch ausländische Dienste Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 C VIII Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Anlage 20 Mündliche Frage 34 Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verwendung von durch nachrichtendienst- liche Befragungen von Asylbewerberinnen und -bewerbern durch Drittstaaten gewon- nenen Erkenntnissen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D Anlage 21 Mündliche Frage 35 Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsgrundlage der Befragung des estni- schen Staatsbürgers A. S. durch die Bun- despolizei im März 2008 Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D Anlage 22 Mündliche Frage 36 Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Evaluierung der Rechtsgrundla- gen für die Zusammenarbeit US-amerika- nischer und deutscher Sicherheitsbehörden auf deutschem Hoheitsgebiet Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 A Anlage 23 Mündliche Frage 37 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befragung und Durchsuchung von Reisen- den durch US-amerikanisches Sicherheits- personal an deutschen Grenzen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C Anlage 24 Mündliche Fragen 38 und 39 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beschäftigungszahlen des US-Generalkon- sulats und mögliche Abhöranlagen auf den Dächern der Botschaften der USA, Groß- britanniens und Russlands Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 D Anlage 25 Mündliche Frage 40 Heike Hänsel (DIE LINKE) Verwendung von durch deutsche Sicher- heitsbehörden erfassten Personendaten zur gezielten Tötung von Personen durch US- Drohnen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 C Anlage 26 Mündliche Frage 41 Petra Pau (DIE LINKE) Umsetzung der Empfehlungen des Berichts des unabhängigen Expertenkreises Anti- semitismus Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 A Anlage 27 Mündliche Frage 42 Petra Pau (DIE LINKE) Akuter gesetzgeberischer Handlungsbe- darf bei der Kontrolle der Nachrichten- dienste Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 C Anlage 28 Mündliche Frage 43 Niema Movassat (DIE LINKE) Kooperation des BKA mit der Polizei in Kenia Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D Anlage 29 Mündliche Frage 44 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mögliche Verletzung von Normen des Strafgesetzbuches durch von Deutschland Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 IX aus gesteuerte US-amerikanische Drohnen- einsätze Antwort Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 218 A Anlage 30 Mündliche Fragen 45 und 46 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kunstfund in München-Schwabing Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 C Anlage 31 Mündliche Fragen 47 und 48 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übertragung und Veräußerung von Flächen der Bodenverwertungs- und -ver- waltungs GmbH Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Anlage 32 Mündliche Frage 49 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung sogenannter vertraglicher Ver- einbarungen und Solidaritätsmechanis- men auf europäischer Ebene Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 C Anlage 33 Mündliche Fragen 50 und 51 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserungen im Bereich des Bildungs- und Teilhabepakets und des Leistungs- und Verfahrensrechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 A Anlage 34 Mündliche Frage 52 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Lösungsalternativen zum Thema Getto- renten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C Anlage 35 Mündliche Frage 53 Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vergabeverfahren zur Beschaffung des MG5 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 D Anlage 36 Mündliche Fragen 54 und 55 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Fluggenehmigungen für Drohnen des US- Militärs in Deutschland Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 A Anlage 37 Mündliche Frage 56 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entschädigungsleistungen an ehemalige Heimkinder Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 C Anlage 38 Mündliche Frage 57 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewilligungen von Mutter-/Vater-Kind- Kuren Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . 222 A X Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Anlage 39 Mündliche Frage 58 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Nachweis der Versicherung in der GKV bei Arztbesuchen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . 222 C Anlage 40 Mündliche Frage 59 Gustav Herzog (SPD) Budget für die Bundeswasserstraßen 2013 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A Anlage 41 Mündliche Frage 60 Inge Höger (DIE LINKE) Bauvorhaben der Bundeswehr im Natur- schutzgebiet der Colbitz-Letzlinger Heide Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 B Anlage 42 Mündliche Fragen 61 und 62 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Heidenau und Usti nad Labem Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A Anlage 43 Mündliche Fragen 63 und 64 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Herabstufung Deutschlands im Klima- schutzindex von Germanwatch und Ein- haltung der Zusagen im Rahmen des Grü- nen Klimafonds Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 C Anlage 44 Mündliche Fragen 65 und 66 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausbau der erneuerbaren Energien und zukünftige klimapolitische Impulse Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A Anlage 45 Mündliche Fragen 67 und 68 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neue Empfehlungen zum atomkraftwerke- bezogenen Katastrophenschutz und Ge- nehmigung der Leistungserhöhung des Atomkraftwerks Grundremmingen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 C Anlage 46 Mündliche Frage 69 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nationalpark Schwarzwald Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 A Anlage 47 Mündliche Frage 70 Gustav Herzog (SPD) Trinkwasserbelastung infolge von Unkraut- bekämpfungsmaßnahmen durch die Deut- sche Bundesbahn Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 D Anlage 48 Mündliche Frage 71 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Ausschreibung des Deutschen Forschungs- netzes Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 XI Anlage 49 Mündliche Frage 72 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Ausbaustand und IT-Sicherheit des Deut- schen Forschungsnetzes Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 B Anlage 50 Mündliche Frage 73 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Forschungsaufträge des US-Verteidigungs- ministeriums an deutsche Hochschulen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 75 (A) (C) (D)(B) 3. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 2. Sitzung, Seite 65 (B), letzter Absatz, zweiter Satz ist wie folgt zu lesen: „Diese jetzt auf Eis zu legen, wie dies einige fordern, wäre die falsche Reaktion, ein Reflex, der gegen unsere eigenen Interessen gerichtet wäre.“ (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 207 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Agnes Alpers DIE LINKE 28.11.2013 Sybille Benning CDU/CSU 28.11.2013 Karin Binder DIE LINKE 28.11.2013 Dr. Franziska Brantner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.11.2013 Marco Bülow SPD 28.11.2013 Martin Burkert SPD 28.11.2013 Christian Flisek SPD 28.11.2013 Wolfgang Gunkel SPD 28.11.2013 Uda Heller CDU/CSU 28.11.2013 Priska Hinz (Herborn) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.11.2013 Lars Klingbeil SPD 28.11.2013 Bettina Kudla CDU/CSU 28.11.2013 Dr. Karl A. Lamers CDU/CSU 28.11.2013 Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU 28.11.2013 Omid Nouripour BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.11.2013 Thomas Rachel CDU/CSU 28.11.2013 Dr. Andreas Scheuer CDU/CSU 28.11.2013 Dr. Dorothee Schlegel SPD 28.11.2013 Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.11.2013 Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU 28.11.2013 Alexander Ulrich DIE LINKE 28.11.2013 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD 28.11.2013 Gudrun Zollner CDU/CSU 28.11.2013 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Petra Pau, Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Stefan Liebich, Jörn Wunderlich, Kathrin Vogler, Cornelia Möhring und Harald Petzold (Havelland) (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD: Einsetzung eines Hauptausschusses (Ta- gesordnungspunkt 1) Wir haben der Einsetzung des Hauptausschusses nicht zugestimmt, weil wir erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen seine Einsetzung haben. Der Hauptaus- schuss stellt eine Entmündigung des Parlaments dar. Erstens. Die Einsetzung des Hauptausschusses ent- behrt einer Rechtsgrundlage in der Geschäftsordnung des Bundestages, GO-BT. Nach dieser setzt der Bundes- tag zur Vorbereitung der Verhandlung ständige Aus- schüsse ein (§ 54 Abs. 1 GO-BT). Ein Hauptausschuss ist ein Ausschuss und nicht „Ausschüsse“. Darüber hi- naus ist der Hauptausschuss nach dem Einsetzungsbe- schluss kein ständiger Ausschuss. Im Einsetzungsbe- schluss heißt es: „Mit der Konstituierung der ständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages ist der Haupt- ausschuss aufgelöst …“ Der Hauptausschuss ist auch kein Sonderausschuss nach § 54 Abs. 1 Satz 2 GO-BT. Ein Sonderausschuss ist ausweislich dieser Regelung ein Ausschuss „für einzelne Angelegenheiten“. Nach dem Einsetzungsbeschluss werden die Zuständigkeiten des Hauptausschusses aber unspezifisch allein durch Überweisung des Plenums des Deutschen Bundestages begründet. Bereits die Tagesord- nung der heutigen Sitzung zeigt, dass dies für sämtliche Gesetzesvorlagen, die das Plenum behandelt, geschehen soll. Damit bezieht sich die Zuständigkeit des „Haupt- ausschusses“ nicht auf „einzelne Angelegenheiten“ – bei Lichte besehen ist genau das Gegenteil der Fall. Zweitens. Der Hauptausschuss verstößt gegen die Ga- rantie freien Mandats durch Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Im den Art. 38 Abs. 1 GG konkretisierenden „Wüppesahl-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 13.06.1989 – 2 BvE 1/88) heißt es: Alle Abgeordneten sind berufen, an der Arbeit des Bundestages mit gleichen Rechten und Pflichten teilzunehmen. Dies folgt vor allem daraus, daß die Repräsentation des Volkes vom Parlament als gan- zem, das heißt in der Gesamtheit seiner Mitglieder als Repräsentanten, bewirkt wird. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten voraus. Weiter heißt es dort: Alle Mitglieder des Bundestages haben dabei glei- che Rechte und Pflichten. Dies folgt vor allem da- raus, daß die Repräsentation des Volkes sich im Parlament darstellt, daher nicht von einzelnen oder Anlagen 208 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) einer Gruppe von Abgeordneten, auch nicht von der parlamentarischen Mehrheit, sondern vom Parla- ment als Ganzem, das heißt in der Gesamtheit sei- ner Mitglieder als Repräsentanten, bewirkt wird. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller voraus. Der Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 GG ist nach dem Einsetzungsbeschluss evident. Nach dem Einsetzungs- beschluss soll der Hauptausschuss aus 47 Mitgliedern und 47 stellvertretenden Mitgliedern bestehen. Mithin sind lediglich 94 Abgeordnete von 631 Abgeordneten Mitglieder eines Ausschusses. Dies sind gerade einmal knapp 15 Prozent. Der Hauptausschuss führt also dazu, dass über 85 Prozent der Abgeordneten von der Mitwir- kung in Ausschüssen ausgeschlossen sind. Dem Bundestag lag mit dem Antrag der Fraktion Die Linke (Bundestagsdrucksache 18/54), welcher die Ein- setzung der im Grundgesetz vorgesehenen Ausschüsse und des Haushalts-, Innen-, Rechts- und Finanzaus- schusses vorsah, eine Alternative vor. Zusammen mit dem Antrag der Fraktion Die Linke zur Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Anzahl der Sitze der Fraktionen (Bundestagsdrucksache 18/53) würde da- durch deutlich geringer in Art. 38 GG eingegriffen. Nach diesen Anträgen könnten unter Einbeziehung von Stell- vertreter- und Stellvertreterinnenregelungen 592 Abge- ordnete in Ausschüssen arbeiten. Drittens. Der Hauptausschuss verstößt gegen Art. 45, Art. 45 a Abs. 1, Art. 45 c Abs. 1 GG. Das Grundgesetz sieht in Art. 45 vor, dass der Bun- destag einen Ausschuss für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union bestellt. In Art. 45 Abs. 1 GG formu- liert das Grundgesetz, dass der Bundestag einen Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuss für Verteidigung bestellt. Art. 45 c Abs. 1 GG schreibt die Bestellung eines Petitionsausschusses durch den Bundestag vor. Diese Ausschüsse sind unabhängig vom Ressortzuschnitt einer Regierung zu bilden. Ausweislich des Einsetzungsbeschlusses soll der Hauptausschuss die Aufgaben der im Grundgesetz vor- gesehenen Ausschüsse und die des Haushaltsausschus- ses für Finanzvorlagen nach § 96 Abs. 2 GO-BT über- nehmen. Mithin unterläuft der Hauptausschuss die zitierten Regelungen des Grundgesetzes und der GO-BT, die ex- plizit Ausschüsse vorschreiben. Viertens. Der Hauptausschuss belebt einen Vorschlag aus dem Unterausschuss III des Herrenchiemsee-Kon- vents zum Entwurf eines Grundgesetzes aus dem Jahr 1948 (Stenografisches Protokoll der 1. Sitzung des Un- terausschusses III des Verfassungsausschusses der Mi- nisterpräsidenten-Konferenz der Westlichen Besatzungs- zonen am 13.08.1948, Seite 12), der indes von der Mehrheit abgelehnt wurde. Angeregt wurde damals, das Notverordnungsrecht an die Zustimmung eines „zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung und zur Be- handlung dringender Angelegenheiten für die Zeit zwi- schen zwei Tagungen oder nach der Auflösung bis zum Zusammentreten des neuen Bundestages“ (Art. 44 des Entwurfs laut Bericht des Unterausschusses III, in: Der Parlamentarische Rat: 1948-1949; Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv unter der Leitung von Kurt Georg Wernicke und Hans Booms, Bd. 2: Der Verfassungskonvent auf Herren- chiemsee, S. 314; vgl. dazu auch ebd. S. 281 mit Fn. 7 und S. 291 mit Fn. 39) eingesetzten Haupt- bzw. „ständi- gen Ausschusses“ des Bundestages zu binden (Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, Seite 48; vergleiche dazu Dreier, GG, Bd. II, Art. 53 a, Rdn. 2). Der Hauptausschuss war also bereits seiner Konzep- tion nach als ein Krisenzeiten vorbehaltenes Konstrukt gedacht, welches gerade keinen Eingang in das Grund- gesetz gefunden hat. Die Einrichtung eines Hauptaus- schusses widerspricht damit auch dem erkennbaren Wil- len des historischen Verfassungsgebers. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 6): Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, damit Firmen bzw. deren Tochterfirmen, die mutmaßlich an Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland beteiligt waren (Beispiel: Entführung und Rückführung des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri) oder rechtswidrig Daten deut- scher Staatsbürger an ausländische Dienste übermittelt haben, künftig von öffentlichen Aufträgen in Deutschland ausge- schlossen werden? Nach geltendem Vergaberecht werden öffentliche Aufträge nur an gesetzestreue und zuverlässige Unter- nehmen vergeben. Ein Unternehmen ist bei rechtskräfti- ger Verurteilung einer Person, dessen Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, wegen bestimmter Straf- taten zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Darüber hinaus kann ein Bewerber ausgeschlossen wer- den, der nachweislich eine schwere Verfehlung began- gen hat, die seine Zuverlässigkeit als Bewerber infrage stellt. Bei bestimmten sensiblen Aufträgen (zum Bei- spiel im Sicherheits- und Verteidigungsbereich oder bei Wachdiensten) können zudem schärfere Anforderungen an die Zuverlässigkeit gestellt werden. Ob die Vorausset- zungen für einen Ausschluss vorliegen, muss vom öffentlichen Auftraggeber im Einzelfall geprüft und ent- schieden werden. Anlage 4 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 7): Beabsichtigt die Bundesregierung, die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Active Endeavour über den 31. Dezember 2013 hinaus fortzusetzen? Der Deutsche Bundestag hat den deutschen Einsatz im Rahmen der NATO-geführten Operation Active Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 209 (A) (C) (D)(B) Endeavour, OAE, bis zum 31. Dezember 2013 manda- tiert. Was die Zeit nach dem 31. Dezember angeht, so kann ich nur um Verständnis bitten, dass ich hierzu keine Aussage treffen kann. Die Abstimmungen hierzu dauern an. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 8): Wenn ja, bis wann wird die Bundesregierung einen Antrag auf parlamentarische Zustimmung zur Fortsetzung einer deut- schen Beteiligung vorlegen, und sieht die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Beibehaltung des NATO-Bünd- nisfalls (Art. 5 des NATO-Vertrages) als völkerrechtliche Be- gründung für das Bundeswehrmandat auch gegenwärtig noch als gegeben an? Die Abstimmungen zur deutschen Beteiligung an der NATO-geführten Operation Active Endeavour, OAE, dauern an. Ich bitte um Verständnis, dass ich diesen nicht vorgreifen kann. Grundsätzlich gilt, dass der Nordatlantikrat am 12. September und 4. Oktober 2001 festgestellt hat, dass die terroristischen Angriffe auf die Vereinigten Staaten von Amerika als Angriff auf alle Bündnispartner der NATO im Sinne des Art. 5 des Nordatlantikvertrages an- zusehen seien. Diese Beschlüsse gelten weiterhin. Dies impliziert jedoch nicht, dass die mit ihnen verbundenen möglichen Befugnisse in Anspruch genommen werden. Ebenso wenig gibt es hierbei einen Automatismus in Be- zug auf die Anwendung militärischer Gewalt. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 18/87, Frage 9): Hat sich der Operationsplan der NATO-geführten Opera- tion Active Endeavour, OAE, geändert, oder ist eine Ände- rung für die Fortsetzung der Operation nach dem 31. Dezem- ber 2013 geplant, insbesondere bezüglich der Möglichkeit der Anwendung militärischer Gewalt? Der Operationsplan zur NATO-geführten Operation Active Endeavour, kurz OAE, unterlag in der Vergan- genheit Änderungen. Änderungen erfordern einen im Konsens gefassten Beschluss des Nordatlantikrates. Der Operationsplan sowie die Einsatzregeln sind Ver- traulich eingestuft, sodass ich an dieser Stelle nicht in Details gehen kann. Die aktuell gültigen Einsatzregeln zu OAE sehen keine Eingriffsbefugnisse oder die Anwendung militäri- scher Gewalt zur Durchsetzung des Auftrages von OAE vor. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 10): Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass laut Medienberichten (siehe unter anderem Süddeutsche Zeitung, 19. November 2013, „Frankfurt, Hauptstadt der US- Spione“) der US-amerikanische Nachrichtendienst CIA in Frankfurt am Main eine Logistikzentrale unterhält, die soge- nannte Rendition Flights organisiert und verwaltet sowie Geheimgefängnisse in Europa betrieben haben soll, und was unternimmt die Bundesregierung konkret, um die Vorwürfe aufzuklären? Nach Kenntnis der Bundesregierung betrifft die ge- nannte Medienberichterstattung Vorgänge aus der Zeit vor dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama. Auf den Bericht der Bundesregierung für das Parlamen- tarische Kontrollgremium vom 20. Februar 2006 auf Bundestagsdrucksache 16/800 sowie den Abschlussbe- richt des sogenannten Kurnaz-Untersuchungsausschus- ses auf Bundestagsdrucksache 16/13400 wird diesbezüg- lich verwiesen. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich über ihre Botschaft in Berlin in einer Stellung- nahme vom 15. November 2013 von Folter und Entfüh- rungen distanziert. Präsident Obama unterschrieb in den ersten Tagen seiner ersten Amtszeit (am 21. Januar 2009) eine Verfügung, dass die CIA alle „Geheimge- fängnisse“ schließen und Folterpraktiken beenden müsse. Die Bundesregierung sieht daher derzeit keinen An- lass, dieses Thema erneut mit der US-amerikanischen Regierung aufzunehmen. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 13): Wie begegnet die Bundesregierung dem möglichen Wider- spruch, dass sie offensichtlich einerseits die Mitwirkung ame- rikanischer Behörden an völkerrechtlich und menschenrecht- lich höchst fragwürdigen Aktivitäten von deutschem Staatsgebiet aus – etwa extralegalen, gezielten Tötungen – zu- lässt, wie sie vom NDR und von der Süddeutschen Zeitung dokumentiert werden (www.geheimerkrieg.de), andererseits aber in Libyen, Tunesien oder Ägypten für sich in Anspruch nimmt, als ehrlicher Makler bei der Förderung von Demokra- tie und Menschenrechten aufzutreten? Zwischen dem Eintreten der Bundesregierung zur Förderung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in den von Ihnen genannten Ländern wie auch weltweit und den Aktivitäten der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland besteht kein Widerspruch. Die Angehöri- gen der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland sind verpflichtet, deutsches Recht zu achten. Die Bundesre- gierung wird auch weiterhin auf die Einhaltung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen achten. 210 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 14): Mit welcher Begründung war die Bundesregierung bereit, dem Hauptquartier AFRICOM in Stuttgart zuzustimmen (ver- gleiche sueddeutsche.de vom 20. März 2011), obwohl alle afrikanischen Staaten – mit Ausnahme Liberias – die Beher- bergung von AFRICOM mit der Begründung ablehnten, nicht in den Antiterrorkrieg der USA hineingezogen zu werden? Bis zur Einrichtung des regionalen US-amerikani- schen Afrikakommandos, AFRICOM, im Jahr 2007 war das ebenfalls in Stuttgart angesiedelte amerikanische Europäische Kommando, EUCOM, in der damaligen amerikanischen Streitkräftestruktur auch für Afrika zu- ständig. Die amerikanische Regierung hat die Bundes- regierung am 15. Januar 2007 über ihre organisatorische Maßnahme unterrichtet, diese Zuständigkeit aus EUCOM herauszulösen, ein neues, für Afrika zuständi- ges regionales Militärkommando, AFRICOM, zu schaf- fen und bis auf weiteres ebenfalls in Stuttgart anzusie- deln. Für Stuttgart sprach aus amerikanischer Sicht vor allem, dass so vorhandene Infrastruktur genutzt werden konnte. Die damalige Bundesregierung (Auswärtiges Amt und Bundesministerium der Verteidigung) sah im Januar 2007 keinen Anlass, die Zustimmung zur Ein- richtung von AFRICOM auf dieser Grundlage zu ver- weigern. Verschiedene afrikanische Staaten sind von den Vereinigten Staaten von Amerika im Zeitablauf erst nach der Zustimmung Deutschlands zur vorübergehenden Einrichtung angefragt worden. Diesbezügliche Entschei- dungen anderer Staaten kommentiert die Bundesregie- rung nicht. Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/87, Frage 17): Wie viele Diplomatinnen und Diplomaten der „Five-Eyes- Staaten“ Großbritannien, USA, Neuseeland, Australien und Kanada wurden in den letzten zehn Jahren wegen vermuteter bzw. bewiesener Spionage oder sonstiger unerwünschter Akti- vitäten mittels einer „Stillen Ausweisung“ des Landes verwie- sen (Süddeutsche Zeitung, 19. November 2013), und wie stellt sich diese Zahl im Verhältnis zu anderen Ländern, insbeson- dere Russland und China, dar? Die Bundesregierung führt keine Statistiken über Persona-non-grata-Erklärungen. Zuletzt wurde im Juni 2012 ein Diplomat ausgewiesen. „Stille Ausweisungen“ sind im Wiener Übereinkom- men über Diplomatische Beziehungen nicht vorgesehen. Sie betreffen Absprachen zwischen Nachrichtendiens- ten, die aus nachvollziehbaren Gründen nicht öffentlich gemacht werden können. Auskünfte dieser Art werden in dem dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremium gegeben. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/87, Frage 18): Woran scheitert nach Kenntnis der Bundesregierung die internationale Suche nach einem Staat, der die syrischen Gift- gasvorräte aufnehmen und vernichten soll (vergleiche www.tagesschau.de/ausland/syrienkrieg100.html), und inwie- fern hat sich die Bundesregierung an der Suche beteiligt und ihre eigene Unterstützung angeboten? Die Suche nach einem Standort zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen ist eine gewaltige Herausforde- rung für die OVCW und die internationale Staatenge- meinschaft. Während das Chemiewaffenübereinkommen eine Verantwortung der Zerstörung durch den Besitzerstaat vorsieht, haben im Fall der syrischen Chemiewaffen auf- grund der Bürgerkriegssituation vor Ort die Vereinten Nationen und die OVCW gemeinsam beschlossen, dass eine Vernichtung der syrischen Chemiewaffen außerhalb Syriens stattfinden soll. Der Exekutivrat der OVCW hat am 15. November 2013 einen Plan zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen angenommen, der unter anderem die Aufforde- rung an den Generaldirektor der OVCW, Achmed Üzümcü, enthält, Anlagen zu identifizieren, die für eine Zerstörung von chemischen Substanzen des syrischen Chemiewaffenprogramms geeignet sind. Die bisherige Suche nach Standorten zur Vernichtung der Chemiewaffen hat noch zu keinem Ergebnis geführt. Zuletzt hatte die neue albanische Regierung nach einge- hender Prüfung die Vernichtung abgelehnt, nachdem es dort zu erheblichem Protest der Zivilgesellschaft gegen eine Vernichtung auf albanischem Staatsgebiet gekom- men war. Auch das Königreich Norwegen, das König- reich Belgien und die Französische Republik haben eine Vernichtung abgelehnt. Deutschland ist bereit, die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen mit erheblichen Finanzmitteln sowie mit Expertise zu unterstützen. Die deutsche Unterstützung ordnet sich in die Bemühungen der internationalen Ge- meinschaft unter der Führung der Vereinten Nationen und der OPCW ein. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat jedoch bereits klargestellt, dass in Deutschland keine syrischen Chemiewaffen vernichtet werden. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Fragen 20 und 21): Welche Gründe haben die Bundesregierung zu der Ent- scheidung bewogen, das vom außenpolitischen Berater der Bundesregierung Christoph Heusgen am 19. November 2013 in Aussicht gestellte Angebot zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen in Deutschland de facto zurückzuziehen (ver- gleiche www.bundeskanzlerin.de vom 20. November 2013) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 211 (A) (C) (D)(B) und eine Zerstörung der aus Syrien stammenden C-Waffen auf deutschem Boden auszuschließen? Wie gedenkt die Bundesregierung nach der von der Öf- fentlichkeit als Kurswechsel wahrgenommenen Absage an eine Zerstörung syrischer Chemiewaffen in Deutschland ihrer weithin bekundeten Verantwortung nachzukommen und sich künftig für die schnelle Vernichtung der C-Waffen aus Syrien einzusetzen und somit ein positives Signal für das Zustande- kommen der geplanten Genfer Konferenz zu senden? Zu Frage 20: Die Bundesregierung hat in der Angelegenheit der Zerstörung der syrischen Chemiewaffen weder einen Kurswechsel vollzogen noch dergleichen in Aussicht ge- stellt. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat am 20. No- vember 2013 klargestellt, dass syrische Chemiewaffen nicht in Deutschland vernichtet werden; Deutschland werde sich hier in den internationalen Verbund einord- nen. Deutschland ist jedoch bereit, sich mit weiteren, er- heblichen Finanzmitteln sowie Expertise zu beteiligen. Zu Frage 21: Deutschland ist bereit, die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen mit erheblichen Finanzmitteln sowie mit Expertise zu unterstützen. Die deutsche Unterstützung ordnet sich in die Bemühungen der internationalen Ge- meinschaft unter der Führung der Vereinten Nationen und der Organisation für das Verbot von chemischen Waffen, OVCW, ein. Deutschland nimmt bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen bereits jetzt eine aktive Rolle ein. Bereits am 19. September 2013 hat das Auswärtige Amt der Or- ganisation für das Verbot von chemischen Waffen, OVCW, eine freiwillige Soforthilfe von 2 Millionen Euro für Aktivitäten zur Beseitigung des syrischen Che- miewaffenprogramms zur Verfügung gestellt. Im Oktober 2013 haben Inspektoren der OVCW zwei Sicherheitstrainings im VN-Trainingszentrum der Bun- deswehrschule in Hammelburg absolviert. Die beiden Trainingseinheiten dienten dazu, die Inspektoren auf ih- ren Einsatz im bürgerkriegsgeschüttelten Syrien vorzu- bereiten. Ferner hat das Technische Hilfswerk Hin- und Rück- flüge für die OVCW-Inspektoren sowie deren Ausrüs- tungsgegenstände organisiert. Es ist unter anderem die- ser schnellen logistischen Unterstützung zu verdanken gewesen, dass die OVCW zeitgerecht mit der Inspektion der verschiedenen Anlagen des syrischen Chemiewaf- fenprogramms beginnen konnte. Zusätzlich hat die Bundesregierung einen Verbin- dungsoffizier zur OVCW nach Den Haag entsandt und unterstützt mit diesem aktiv die laufende Joint-OVCW- VN-Mission mit Planungs- und Fachkompetenz. Deutschland steht bereit, sich auch in Zukunft aktiv an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu be- teiligen. Die Bundesregierung ist willens, weitere techni- sche und finanzielle Unterstützung für diese wichtige ab- rüstungspolitische Initiative zu leisten. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 22): Welche Position bezieht die Bundesregierung aktuell zu der Empfehlung der Europäischen Kommission, der Republik Albanien den Status eines Beitrittskandidaten zur Europäi- schen Union zu verleihen? Aus Sicht der Bundesregierung ist für die Verleihung des Status eines Beitrittskandidaten zur Europäischen Union für die Republik Albanien eine ausreichende Er- folgsbilanz bei der Umsetzung von Reformvorhaben notwendig – beispielsweise in den Bereichen Kampf ge- gen Korruption und organisierte Kriminalität. Ob der Republik Albanien der Status eines Beitritts- kandidaten verliehen wird, entscheidet der Rat im De- zember. Die Europäische Kommission hat angekündigt, bis Anfang Dezember in einem Brief über die Fortschritte der albanischen Regierung bei der Umsetzung von Re- formen vor allem im Bereich Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität zu berichten. Die Ausführungen der Europäischen Kommission werden wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung des Rates haben. Eine abschließende Positionierung der Bundesregierung zur Frage des Kandidatenstatus wird auch erst nach Vorliegen des Briefs der Kommission vorgenommen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 25): Inwiefern wurden von deutschen Nachrichtendiensten wie dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfas- sungsschutz oder dem Militärischen Abschirmdienst Aufträge an das US-amerikanische Unternehmen Computer Sciences Corporation, CSC, vergeben, und welchen Gegenstand hatten diese jeweils? Der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst haben das US-amerikanische Unterneh- men CSC in der Vergangenheit weder mit Dienst- noch mit Sachleistungen beauftragt. Das BfV hat keine unmit- telbaren Aufträge an CSC vergeben. Über das BMI wurde aber ein Rahmenvertrag über die Erbringung von IT-Dienstleistungen geschlossen. Dabei ist die CSC le- diglich mit einem projektbegleitenden externen Control- ling beauftragt. Die Auftragsvergabe an Computer Sciences Corpora- tion, CSC, bzw. die in Deutschland tätigen Tochterfirmen (CSC Deutschland Consulting GmbH, CSC Deutschland Services GmbH, CSC Deutschland Solutions GmbH, CSC Technologies Deutschland GmbH, CSC Ploenzke AG) ist bereits wiederholt Gegenstand parlamentarischer 212 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Anfragen gewesen. Dabei handelt es sich in erster Linie um IT-Unterstützungsleistungen. Sie finden umfassende Informationen in folgenden Bundestagsdrucksachen: Drucksache 17/10305, schrift- liche Frage Nr. 91 (Seite 61), Drucksache 17/10352, schriftliche Frage Nr. 31 (Seiten 32 bis 35), Drucksache 17/14530, schriftliche Frage Nr. 10 (Seiten 7 bis 8), Drucksache 17/14530, schriftliche Frage Nr. 21 (Sei- ten 14 bis 22). Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/87, Frage 27): Wer entschied jeweils, dass die US-Beraterfirma CSC mit ihren deutschen Tochtergesellschaften Bundesaufträge im Rahmen der IT-Vorhaben De-Mail, nPa, ePa, Quellcodeprü- fung Staatstrojaner, Nationales Waffenregister, E-Govern- ment, E-Gerichtsakte und E-Strafregister erhielt, und wie wurde jeweils sichergestellt, dass der Auftragnehmer bei der Vertragserfüllung zur Kenntnis erlangte vertrauliche Daten nicht an Dritte weiterleitet? Die Aufträge wurden jeweils aufgrund von Rahmen- verträgen durch die fachlich für die jeweiligen Vorhaben zuständigen Bedarfsträger (Behörden des Bundes) er- teilt. Die Rahmenverträge wiederum wurden aufgrund von Vergabeverfahren nach den hierfür geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen. Der Umgang mit sen- siblen, vertraulichen Daten ist im Rahmenvertrag gere- gelt. Der Sicherstellung der Vertraulichkeit beim Einsatz externer Dienstleister dienen im Wesentlichen vier Maß- nahmen: Erstens. Mitarbeiter der Firma CSC, die in sicher- heitsrelevanten Bereichen tätig sind oder mit sicherheits- relevanten Aufgaben betraut werden, müssen sich, wie auch Mitarbeiter aller anderen Firmen, vor dem Einsatz Überprüfungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsge- setz, SÜG, unterziehen. Zweitens. Firmen, welche im Rahmen ihrer Aufträge mit sicherheitsrelevanten Informationen umgehen, müs- sen unter der Geheimschutzbetreuung des Bundesminis- teriums für Wirtschaft und Technologie stehen. Drittens. Bestandteil der Vertragsbeziehungen sind entsprechende Nutzungs- und Übermittlungsverbote für die erlangten Informationen außerhalb des Vertragsge- genstandes. Viertens. Es wird für jeden Einzelfall festgelegt, ob die jeweilige Dienstleistung am Firmensitz erbracht wer- den kann oder ob aus Sicherheitsgründen die Dienstleis- tung nur in den Räumen des Auftraggebers und gegebe- nenfalls auch nur im Beisein von Mitarbeitern des Auftraggebers erbracht werden kann. Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Firma CSC Deutschland in irgendeiner Weise gegen Sicherheits- oder Vertraulichkeitsauflagen versto- ßen hat. Es bestehen insbesondere auch keinerlei An- haltspunkte dafür, dass CSC Deutschland als selbststän- dige Gesellschaft vertrauliche Informationen an die amerikanische CSC weitergegeben hat, die von dort aus in andere Hände gelangt sein können. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) (Drucksa- che 18/87, Frage 28): Kann die Bundesregierung den Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 20. November 2013 über die Hauptstelle für Be- fragungswesen, HBW, die dem Bundeskanzleramt untersteht und dem Bundesnachrichtendienst zugeordnet ist, bestätigen, wonach Bundesnachrichtendienst, US- und britische Geheim- dienste ein gemeinsames Programm betreiben, bei dem durch die beteiligten Dienste im Rahmen der Arbeit der HBW heute jährlich 500 bis 1 000 Vorgespräche und anschließend 50 bis 100 Intensivgespräche mit Flüchtlingen, darunter manche durch britische oder amerikanische Geheimdienstleute sogar allein, ohne deutsche Begleiter, durchgeführt würden, und wenn ja, wie kann sie ausschließen, dass die so gewonnenen Erkenntnisse beim Einsatz von Kampfdrohnen durch das US- Militär Verwendung finden? Die Hauptstelle für Befragungswesen, HBW, ist eine dem Bundesnachrichtendienst, BND, zugeordnete Dienststelle. Sie ist keine neue Einrichtung, sondern existiert bereits seit 1958. Die HBW führt Befragungen durch, um Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Dies entspricht dem Auftrag des BND (§ 1 Abs. 2 des Bundesnachrichtendienstgesetzes, BNDG), Erkenntnisse über das Ausland zu gewinnen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Es ist das legitime Recht eines jeden souveränen Staa- tes, Personen sicherheitlich zu befragen, die in diesem Land einen Aufenthalt begehren. Solche Befragungen, die allesamt auf freiwilliger Basis erfolgen, entsprechen auch dem Grundsatz nach § 2 Abs. 4 BNDG, wonach der BND von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen hat, die den Betroffenen voraussichtlich am we- nigsten beeinträchtigt. Dazu gehört auch, dass die Befra- gungen stets unter der Legende HBW stattfinden. Im Durchschnitt der vergangenen zwei bis drei Jahre fanden pro Jahr 500 bis 800 Vorgespräche statt. Im Er- gebnis wurden im Anschluss etwa 200 bis 300 Personen befragt. Seit dem Bestehen der HBW sind an den Befragun- gen alliierte Partnerdienste beteiligt. Es handelt sich da- bei um ein koordiniertes Befragungssystem auf der Grundlage des BND-Gesetzes und entsprechender bila- teraler Vereinbarungen, die der BND mit dem jeweiligen Partnerdienst getroffen hat. Aufgrund des über Jahr- zehnte praktizierten koordinierten Befragungssystems fanden auch Befragungen durch Befrager der alliierten Partnerdienste ohne deutsche Begleiter statt. Die alliier- ten Befrager unterstehen dabei fachlich dem deutschen Dienststellenleiter; das heißt, solche Befragungen er- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 213 (A) (C) (D)(B) folgten unter organisatorischer und inhaltlicher Aufsicht des BND im Vor- und Nachgang. Die Befragungsergebnisse der alliierten Befrager wer- den im Meldungssystem des BND erfasst und dort einer Freigabeprüfung unterzogen. Erst nach der Freigabe er- folgt die Übermittlung nach § 9 Abs. 2 BND-Gesetz an den alliierten Partnerdienst. Die an die Partner weiterzugebenden Meldungen wer- den bei Bedarf bereinigt (im Hinblick auf Datenschutz- gründe, Nichtweitergabe möglicher militärisch nutzbarer Daten). Es gelangen circa 60 Prozent der im Befragungs- wesen erhobenen Meldungen im Weitergabeverbund an die Partnerdienste. Ein hoher Prozentsatz der Befra-Mel- dungen sind auf Dokumentenmeldungen zurückzuführen (zum Beispiel von ausländischen Pässen, Urkunden usw.), die aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben werden. Ferner können Sperren im nationalen Interesse oder Sperrvermerke der Auswertung Anlass bieten, von einer Weiterleitung an die Partnerdienste abzusehen. Zielsetzung der Befragungen war und ist zu keiner Zeit die Gewinnung von Informationen zur Vorbereitung von Drohneneinsätzen. Vielmehr sollen Erkenntnisse über wirtschaftliche, politische und militärische Struktu- ren der Herkunftsregionen gewonnen werden, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind und daher dem Aufklärungsauftrag des BND Rechnung tra- gen. Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen wer- den, dass solche Informationen auch zum militärischen Lagebild der alliierten Partnerdienste beitragen können. Diese grundsätzliche Thematik ist bereits seit längerem mehrfach hier im Parlament Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen. Ich darf an dieser Stelle daher auf die Beantwortung zahlreicher parlamentarischer An- fragen und die Beratungen im Parlamentarischen Kon- trollgremium verweisen, wonach die Weitergabe von GSM-Mobilfunkdaten für eine konkrete Zielerfassung nicht hinreichend präzise ist. Der Generalbundesanwalt hat auf entsprechende Strafanzeigen gegen den Präsiden- ten des Bundeskriminalamtes wegen der Weitergabe von GSM-Mobilfunkdaten seinerzeit einen Anfangsverdacht verneint. Der GBA hat das Verfahren wegen des militärischen Drohnenangriffs am 4. Oktober 2010 in Mir Ali, Pakis- tan, bei dem der deutsche Staatsangehörige Bünyamin E. getötet wurde, mangels eines für eine Anklageerhebung hinreichenden Verdachts für das Vorliegen einer Straftat eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vor- wurfs der Beihilfe zum Mord am 27. Januar 2011 abge- lehnt. Lassen Sie mich zu guter Letzt darauf hinweisen, dass die HBW vom BND bereits seit längerem einer Effi- zienzkontrolle unterzogen wurde, in deren Rahmen die personelle Ausstattung der HBW schrittweise reduziert wurde und wird. Angestrebt wird dabei die organisatori- sche Auflösung der HBW mit dem Ziel, die Befragun- gen direkt in den Krisenregionen im Ausland zu intensi- vieren. Ergänzend zu den mir hier möglichen Ausführungen werde ich mit Rücksicht auf die schutzbedürftige nach- richtendienstliche Tätigkeit noch weitergehende Erläute- rungen zur HBW in der Geheimschutzstelle des Deut- schen Bundestages zu Ihrer Einsichtnahme hinterlegen lassen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 29 und 30): Wie werden Asylbewerberinnen und Asylbewerber bei den von Süddeutscher Zeitung und vom NDR berichteten Befragungen durch britische und amerikanische Geheim- dienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in der Hauptstelle für Befragungswesen über die Identität, den Auftrag und die Absichten dieser Geheimdienstmitarbeiterinnen und -mitar- beiter aufgeklärt, und wie wird gewährleistet, dass den befrag- ten Personen und ihren Angehörigen in den Herkunftsstaaten keine Nachteile aus den preisgegebenen Informationen erwachsen? Welche ausländischen Geheimdienste befragen Asyl- bewerberinnen und Asylbewerber in der Hauptstelle für Befragungswesen (bitte rechtliche Grundlage nennen), und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob diese Informationen auch in das Zielerfassungssystem der ausländischen Dienste einfließen? Zu Frage 29: Die Befragungen der Hauptstelle für Befragungswe- sen, HBW, finden stets unter der Legende HBW statt. Dies dient nicht zuletzt dem Schutz der Befragten, damit ihnen aus der Befragung keine Nachteile durch Repres- salien aus den Herkunftsstaaten entstehen. Zu Frage 30: Seit Gründung der Hauptstelle für Befragungswesen, HBW, werden Befragungen zusammen mit alliierten Partnerdiensten durchgeführt. Es handelt sich dabei um ein koordiniertes Befragungssystem auf der Grundlage des Bundesnachrichtendienstgesetzes und entsprechen- der, zwischen dem Bundesnachrichtendienst, BND, und dem jeweiligen Partnerdienst getroffener bilateraler Ver- einbarungen. Da das koordinierte Befragungssystem über Jahrzehnte praktiziert wurde, fanden in der Vergan- genheit auch Befragungen der alliierten Partnerdienste ohne deutsche Begleiter statt. Die alliierten Befrager unterstehen dabei fachlich dem deutschen Dienststellen- leiter; das heißt, derartige Befragungen erfolgten im Vor- hinein sowie im Nachgang unter organisatorischer und inhaltlicher Aufsicht des BND. Grundlagen der Befragungen der HBW im Rahmen des koordinierten Befragungssystems sind das BND- Gesetz und bilaterale Vereinbarungen des BND mit den alliierten Partnerdiensten. Zur behaupteten Verwendung der Informationen zur Zielerfassung habe ich ebenfalls vorhin Stellung genommen. Zielsetzung der Befragun- gen war und ist zu keiner Zeit die Gewinnung von Informationen zur Vorbereitung von Drohneneinsätzen. Vielmehr sollen Erkenntnisse über wirtschaftliche, poli- 214 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) tische und militärische Strukturen der Herkunftsregionen gewonnen werden, die von außen- und sicherheitspoliti- scher Bedeutung sind und daher dem Aufklärungsauf- trag des BND Rechnung tragen. Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass solche Informationen auch zum militärischen Lagebild der alliierten Partner- dienste beitragen können. Diese grundsätzliche Thema- tik ist bereits seit längerem mehrfach hier im Parlament Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen. Ich darf an dieser Stelle daher auf die Beantwortung zahlrei- cher parlamentarischer Anfragen und die Beratungen im Parlamentarischen Kontrollgremium verweisen, wo- nach die Weitergabe von GSM-Mobilfunkdaten für eine konkrete Zielerfassung nicht hinreichend präzise ist. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe sind reine Spekulationen ohne jeglichen Beleg. An diesen Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 31 und 32): Wie gelangt die Hauptstelle für Befragungswesen, HBW, an die Personal- und Kontaktdaten der befragten Asylbewer- berinnen und Asylbewerber, und in welcher Form erklären von der HBW Befragte ihre Bereitwilligkeit, für eine Befra- gung zur Verfügung zu stehen (siehe Süddeutsche Zeitung vom 20. November 2013)? Geschieht diese Erklärung im Rahmen von Gesprächen, welche die Befragten als relevant ansehen für die Entschei- dung über ihr Asylgesuch? Zu Frage 31: Personendaten aus dem Asylverfahren werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF, an die Hauptstelle für Befragungswesen, HBW, übermit- telt. Die Zusammenarbeit ist konkretisiert in der Dienst- anweisung „Asyl“ des BAMF (hier: Punkt 2, Zusam- menarbeit mit Sicherheitsbehörden im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes). Die Datenübermittlung er- folgt auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 und 3 Bundes- nachrichtendienstgesetz. Bei jeder Befragung werden die Personen darüber belehrt, dass das Gespräch mit der HBW a) auf freiwilliger Basis stattfindet, b) keine Vor- oder Nachteile bei einer Gesprächsteilnahme bzw. deren Verweigerung mit sich bringt und c) ohne Relevanz für die Asylentscheidung ist, da dies in der Zuständigkeit des BAMF liegt. Diese Belehrung ist vorgeschrieben und wird in jedem Einzelfall dokumentiert. Zu Frage 32: Nein. Gegenüber den Befragten wird ausdrücklich klargestellt, dass das Gespräch mit der Hauptstelle für Befragungswesen, HBW, ohne Relevanz für die eigentli- che Asylentscheidung ist. Im Übrigen werden vorwie- gend Personen kontaktiert, deren Asylentscheidungspro- gnose positiv ist oder die bereits Asyl erhalten haben, oder solche, die als anerkannte Flüchtlinge ohnehin ei- nen Aufenthaltstitel haben. Der Schaffung von asylrecht- lichen Nachfluchtgründen wird damit entgegengewirkt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 33): Sind bei den Befragungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern durch ausländische Dienste in Deutschland permanent auch deutsche Beamtinnen und Beamte anwesend, und sind die deutschen Beamtinnen und Beamten gehalten, bei der Befragung bzw. im Hinblick auf die mögliche Weiter- verwertung der hierbei gewonnenen Informationen auf die Einhaltung deutschen Rechts zu achten? Selbstverständlich sind die deutschen Beamten gehal- ten, auf die Einhaltung deutschen Rechts zu achten. In der Beantwortung der Frage des Kollegen Korte hatte ich hierzu bereits darauf hingewiesen, dass die Fachauf- sicht im koordinierten Befragungssystem dem deutschen Dienststellenleiter obliegt. Ich darf hierzu noch einmal wiederholen, dass die Befragungen unter organisatori- scher und inhaltlicher Aufsicht des Bundesnachrichten- dienstes im Vor- und Nachgang erfolgen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 34): Hält die Bundesregierung es für rechtlich zulässig, dass Drittstaaten Informationen, die sie aus einer nachrichten- dienstlichen Befragung von Asylbewerberinnen und Asylbe- werbern in Deutschland gewonnen haben, später möglicher- weise gezielt für Tötungsbefehle nutzen? Ich darf nochmals auf die ausführliche parlamentari- sche Behandlung dieser Thematik verweisen. Schon Ihre Fragestellung ist offensichtlich rein spekulativ. Ich vermag nicht zu erkennen, dass ein konkreter Zusammenhang zwi- schen im koordinierten Befragungssystem gewonnenen Erkenntnissen und behaupteten Drohneneinsätzen be- steht. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 35): Auf welcher Tatsachen- und Rechtsgrundlage erfolgte die in der Antwort der Bundesregierung vom 10. Juli 2008 auf die schriftliche Frage 17 auf Bundestagsdrucksache 16/10006 be- schriebene Befragung des Esten A. S. durch die Bundespoli- zei bis zum Eintreffen der Anordnung der Festnahme der Ge- neralstaatsanwaltschaft? Der estnische Staatsangehörige A. S. beabsichtigte, am 3. März 2008 nach seiner Einreise – aus Tallinn, Est- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 215 (A) (C) (D)(B) land kommend – am Flughafen Frankfurt am Main nach Singapur weiterzureisen. Auf einen Hinweis von Vertretern des US-General- konsulats Frankfurt am Main, wonach gegen Herrn A. S. ein US-Fahndungsersuchen (US-Haftbefehl wegen des Verdachts des Computer-/Kreditkartenbetrugs) vorliege, hatten Bedienstete der Bundespolizei Herrn A. S. zur Prüfung dieses Straftatverdachts im Abflugbereich ange- sprochen. Diese Maßnahme erfolgte im zeitlichen Zu- sammenhang mit seiner grenzpolizeilichen Ausreisekon- trolle nach Singapur, die aufgrund der dargestellten Erkenntnislage angezeigt war. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 36): Sieht die Bundesregierung aufgrund der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und des NDR zum Thema „Gehei- mer Krieg – Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird“ Bedarf für eine Evaluierung bzw. Über- prüfung der Rechtsgrundlagen bei der Zusammenarbeit US- amerikanischer und deutscher Sicherheitsbehörden auf bun- desrepublikanischem Hoheitsgebiet? Die Berichte, die die Süddeutsche Zeitung und der NDR unter der Themenbezeichnung „Geheimer Krieg“ publiziert haben, enthalten zur Zusammenarbeit US- amerikanischer und deutscher Sicherheitsbehörden keine neuen Erkenntnisse. Eine Überprüfung bzw. Evaluierung der rechtlichen Zusammenarbeitsgrundlagen ist nicht veranlasst. In § 19 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist genau geregelt, unter welchen Umständen das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, im Einzelfall an ausländische öffentliche Stellen Informationen weitergeben kann: Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf perso- nenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stel- len übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfül- lung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betrof- fenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist akten- kundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzu- weisen, dass die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Bundesamt für Verfas- sungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten. Übermittlungsverbote finden sich in § 23 des Bundes- verfassungsschutzgesetzes. Das heißt, dass eine Übermittlung nur nach Maßgabe dieser Vorschriften in jeweils konkret zu prüfenden Ein- zelfällen erfolgt. Die aktuelle Berichterstattung von Süd- deutscher Zeitung und NDR führt daher nicht dazu, dass diese Normen des Bundesverfassungsschutzgesetzes überprüft bzw. evaluiert werden müssen. Unabhängig davon ist die Gesetzesfolgenbeobach- tung generell ein die Gesetzesdurchführung begleitender Prozess. Änderungsbedarf zum Rechtsrahmen ergibt sich daraus aktuell nicht. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 37): Inwiefern trifft es zu, dass an deutschen Grenzen – verglei- che Süddeutsche Zeitung vom 15. November 2013, „Deutsch- land – der Freund und Helfer“, Seite 6, und Fuchs/Goetz Geheimer Krieg, Seite 217 – Reisende von amerikanischen Polizistinnen/Polizisten und Spezialagentinnen/-agenten durch- sucht, befragt und festgehalten werden, und auf welcher Rechtsgrundlage geschieht dies auf deutschem Hoheitsgebiet? Der Bundesregierung liegen zu Durchsuchungen und Festnahmen durch Bedienstete von US-Behörden an den deutschen Flug- und Seehäfen keine Erkenntnisse vor. Sofern Reisende auf etwaige Fragen von Bediensteten von US-Behörden Auskunft über ihre Reiseabsichten in die USA geben, kann dies nur auf freiwilliger Basis er- folgen, zumal diese nicht zur Ausübung hoheitlicher Maßnahmen im Bundesgebiet befugt sind. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 38 und 39): Wie erklärt sich die Bundesregierung die erheblichen Abweichungen hinsichtlich der ihr offiziell gemeldeten Be- schäftigtenzahlen des US-Generalkonsulats (521, siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/14739 vom 12. September 2013) gegenüber den Zahlen der Süddeutschen Zeitung vom 19. November 2013 (900 Mit- arbeiter), und welche konkrete Informationslage hatte die Bundesregierung bzw. den Geheimdienstkoordinator veran- lasst, in der letzten Augustwoche 2013 (Bericht der Frankfur- ter Rundschau vom 9. September 2013) einen Hubschrauber- überflug über das Gelände des Generalkonsulats mit Kräften des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu veranlassen? Was hat die Bundesregierung nach Bekanntwerden des Betreibens von mutmaßlichen Abhöranlagen auf den Dächern der Botschaften der USA, Großbritanniens und Russlands zwischenzeitlich veranlasst, um die von diesen Anlagen aus- gehenden Gefahren für die nationale Sicherheit sowie bundes- deutsche Interessen konkret zu beheben, und seit wann wusste die Bundesregierung bzw. der Geheimdienstkoordinator kon- kret von diesen Anlagen (Zeit Online vom 19. November 2013)? 216 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 38: In der Antwort auf die Kleine Anfrage in Bundestags- drucksache 17/14739 hat die Bundesregierung die ihr vorliegenden Zahlen – 521 Mitarbeiter – zutreffend mit- geteilt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Informationsgrundlage und die Zählweise der Süddeutschen Zeitung vor. Im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionage- abwehr werden einzelne Liegenschaften bestimmter aus- ländischer Staaten vom BfV bereits seit längerem rou- tinemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet. Zu dem von Ihnen angesprochenen Sachverhalt hat die Bundesregierung in der gebotenen Form das Parlamenta- rische Kontrollgremium unterrichtet. Zu Frage 39: Auf die sich aus der Natur der Sache ergebende er- höhte Gefahr einer Ausspähung mobiler Kommunika- tion im Regierungsviertel Berlins haben die Sicherheits- behörden regelmäßig sensibilisierend hingewiesen. Dementsprechend werden einzelne Liegenschaften bestimmter ausländischer Staaten vom Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionageabwehr bereits seit längerem rou- tinemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet. Die im Rahmen derartiger Flüge festgestellten verdeck- ten Aufbauten lassen jedoch nicht zwangsläufig auf das Vorhandensein von SIGINT-Technik schließen. Die Bundesregierung nimmt die aktuell gegen die USA und Großbritannien gerichteten Spionagevorwürfe sehr ernst und prüft intensiv die im Raum stehenden Be- hauptungen. Die Aktivitäten der Nachrichtendienste der verbündeten Staaten unterlagen bislang keiner systema- tischen, sondern ausschließlich einer anlassbezogenen Beobachtung bzw. Bearbeitung in begründeten Einzel- fällen. Wenn sich Anhaltspunkte für eine Spionagetätig- keit befreundeter Staaten ergeben, gehen die Verfas- sungsschutzbehörden diesen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nach. Die Spionageabwehr dient der nationalen Souveräni- tät. Sie muss stärker als bisher auch vermehrt Antworten auf den grundlegenden Wandel durch Globalisierung und geopolitische Änderungen geben. Hierfür werden im BfV auch im Lichte der aktuell gegen befreundete Nachrichtendienste im Raum stehenden Vorwürfe alle bisherigen Schwerpunkte überprüft. Die Spionageab- wehr wird sich auf diese neuen Herausforderungen ein- stellen – dies nicht nur in personeller, finanzieller und organisatorischer Hinsicht, sondern gerade auch im Hin- blick auf eine notwendige weitere Ertüchtigung, um mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten zu können. Dies gilt insbesondere auch für die Verstärkung der Cyberspionageabwehr. Die Bundesregierung steht zudem in engem Kontakt mit ihren Partnern, um die gegen US-amerikanische und britische Nachrichtendienste erhobenen Vorwürfe einzu- ordnen und aufzuklären. Das für die Kontrolle der Nach- richtendienste zuständige Parlamentarische Gremium wird hierüber regelmäßig unterrichtet. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Druck- sache 18/87, Fragen 40): Bestätigt die Bundesregierung Berichte von NDR und Süddeutscher Zeitung vom 14. November 2013, wonach deut- sche Sicherheitsbehörden, Geheimdienste oder die Bundes- wehr Personendaten erfasst und weitergegeben haben, die zu gezielten Tötungen von Personen durch US-Drohnen verwen- det wurden und werden? Der Austausch von Daten der Sicherheitsbehörden des Bundes mit internationalen Partnern erfolgt nach den hierfür vorgesehenen Übermittlungsbestimmungen. So- weit die Bundessicherheitsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung Informationen an ausländische Partnerbehörden weitergeben, werden diese stets – den datenschutzrechtlichen Vorgaben Rechnung tragend – mit dem Hinweis versehen, dass diese Informationen nur zu polizeilichen bzw. nachrichtendienstlichen Zwecken übermittelt werden. Hierzu ist das Bundeskriminalamt, BKA, gemäß § 14 Abs. 7 Satz 3 des Bundeskriminal- amtgesetzes, BKAG, und das Bundesamt für Verfas- sungsschutz, BfV, gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 des Bundes- verfassungsschutzgesetzes, BVerfSchG, verpflichtet. Entsprechendes gilt für den Bundesnachrichtendienst, BND, gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 des Bundesnachrichten- dienstgesetzes, BNDG, und den Militärischen Abschirm- dienst gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst, MADG. Diese Normen schreiben den jeweiligen Behörden vor, den Empfänger der Informationen darauf hinzuweisen, dass die übermit- telten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dür- fen, zu dem sie ihm übermittelt wurden. Die Sicherheitsbehörden des Bundes geben grund- sätzlich keine Informationen weiter, die unmittelbar für eine zielgenaue Lokalisierung benutzt werden können. Rechtsgrundlage für die Erhebung und Verarbeitung, insbesondere Speicherung und Übermittlung, sowie die Nutzung biometrischer Daten durch die Bundeswehr in Afghanistan und damit für die Teilnahme am ISAF Bio- metrics Program ist – wie für den gesamten Auslands- einsatz – Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes, GG, in Ver- bindung mit dem entsprechenden völkerrechtlichen Mandat und dem Mandat des Deutschen Bundestages. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort der Bun- desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke in der Bundestagsdrucksache 17/6862 vom 26. August 2011 verwiesen. Hinsichtlich der Erhebung und Übermittlung perso- nenbezogener Daten im Rahmen der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta wird auf die Festlegungen des Bun- destagsmandats (Bundestagsdrucksache 17/13111) vom 17. April 2013 verwiesen. Das Thema „Drohneneinsätze fremder Staaten in Krisenregionen“ war darüber hinaus bereits Gegenstand einer Vielzahl von parlamentarischen Unterrichtungen, so unter anderem bei den Antworten der Bundesregie- rung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke in Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 217 (A) (C) (D)(B) den Bundestagsdrucksachen 17/13381 vom 6. Mai 2013 und 17/8088 vom 7. Dezember 2011. Vorwürfe, durch die Übermittlung von entsprechen- den Daten an der Tötung durch Drohnenangriffe mitge- wirkt zu haben, waren auch Gegenstand staatsanwalt- schaftlicher Prüfungen, die zu dem Ergebnis kamen, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen bzw. ein Ermittlungsverfahren einzustellen. Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren wegen des militärischen Drohnenangriffs am 4. Oktober 2010 in Mir Ali, Pakistan, bei dem der deutsche Staatsangehö- rige Bünyamin E. getötet wurde, mangels eines für eine Anklageerhebung hinreichenden Verdachts für das Vor- liegen einer Straftat eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat die Einleitung eines Ermittlungsverfah- rens wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord abge- lehnt. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 41): Welche der zahlreichen Empfehlungen aus dem vor zwei Jahren vorgelegten Bericht „Antisemitismus in Deutschland – Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze“ (Bundestagsdrucksache 17/7700) des unabhängigen Exper- tenkreises Antisemitismus hat die Bundesregierung mittler- weile aufgegriffen, und welche Fortschritte hat die Bundesre- gierung bei der Umsetzung nach zwei Jahren erreicht? Der Deutsche Bundestag hat im Zuge seiner Debatten im Oktober 2012 und Juni 2013 über den vor zwei Jah- ren dem Parlament vorgelegten Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen am 13. Juni 2013 überfrak- tionell beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, unter anderem unabhängige Sachverständige aus Wis- senschaft und Praxis zu Beginn der Legislaturperiode in Abstimmung mit allen im Deutschen Bundestag vertre- ten Fraktionen zu bestellen und darüber hinaus die im Bericht des ersten unabhängigen Expertenkreises enthal- tenen Empfehlungen eingehend zu prüfen. Die Bundesregierung unterstützt in diesem Zusam- menhang die Empfehlung des ersten Expertenkreises Antisemitismus, fortgesetzt einmal in der Legislaturpe- riode Erkenntnisse zum Antisemitismus dem Deutschen Bundestag zu berichten, und wird dem genannten Be- schluss des Parlaments nachkommen. Die amtierende Bundesregierung geht davon aus, dass die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungen vor dem Hintergrund des vom Deutschen Bundestag am 13. Juni 2013 gefassten Beschlusses auch von der künftigen Bun- desregierung bewertet und unter Berücksichtigung der jüngsten parlamentarischen Befassungen mit dem Be- richt auf ihre Umsetzbarkeit und Zielführung hin sorg- fältig geprüft werden. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 42): Sieht die Bundesregierung bei der Kontrolle der Nachrich- tendienste, ähnlich wie der Bundesdatenschutzbeauftragte, „gravierende Defizite, die … zu kontrollfreien Räumen füh- ren“, sowie akuten gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Optimierung der Kontrollstrukturen, und wenn ja, wo sieht sie konkreten Verbesserungsbedarf? Die fachaufsichtliche Kontrolle der Nachrichten- dienste des Bundes ist durch die jeweiligen obersten Bundesbehörden umfassend gesichert. Es ist eine eigene Angelegenheit des Parlaments, In- halt und Umfang der parlamentarischen Kontrolle fest- zulegen. Für die Bundesregierung sind hier gravierende Defizite nicht erkennbar. Namentlich die im Kontrollgremiumsgesetz geregel- ten Befugnisse sind bereits heute umfänglich und weit- gehend ausgestaltet. Sie ermöglichen es, Einsicht in alle relevanten Unterlagen zu nehmen, schriftliche Aus- künfte einzuholen und mit der nachrichtendienstlichen Materie betraute Personen zu befragen. Die Bundesregierung steht einer Stärkung der parla- mentarischen Kontrolle in den vorhandenen Strukturen, etwa durch verbesserte Organisation und Ausstattung des Unterbaus des Parlamentarischen Kontrollgre- miums, positiv gegenüber. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 43): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorwürfen, die Partnerschaft des Bundeskriminalamts mit der Folterpolizei ATPU in Kenia betreffend, dass die mit deut- schen Geldern ausgestattete Polizeieinheit seit 2007 an außer- gerichtlichen Tötungen, Misshandlungen und Folter in zahl- reichen Fällen beteiligt sein soll (siehe Süddeutsche Zeitung vom 21. November 2013, „Freunde der Folterpolizei“), und erwägt sie daher, die Kooperation aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen bis zur Aufklärung der Vorwürfe zu beenden (bitte begründen)? Die Bundesregierung unterstützt die Umsetzung der im Jahre 2010 neu angenommenen kenianischen Verfas- sung, die mit ihren detaillierten Bestimmungen, auch zu Struktur und Kontrolle der Institutionen des Sicherheits- sektors, zu einem verbesserten Menschenrechtsschutz führt. Die durch die neue Verfassung vorgegebene Poli- zeireform dient der Verbesserung der demokratischen Legitimität und Kontrolle der kenianischen Polizei. Die Police Service Commission und andere Kontrollgre- mien, die die Polizeireform umsetzen, haben ihre Arbeit aufgenommen. Kenia hat in den vergangenen Jahren sichtbare Anstrengungen unternommen, das Polizeisys- tem zu reformieren. 218 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Das Bundeskriminalamt unterstützt seit 2008 die ke- nianischen Sicherheitsbehörden in ihren Reformbemü- hungen mit polizeilicher Ausbildungs- und Ausstat- tungshilfe. Die Unterstützungsleistungen des BKA stehen dabei im Einklang mit den zahlreichen Aktivitäten der interna- tionalen Gemeinschaft (USA, Schweden, Großbritan- nien, den Niederlanden oder des UN Programms „Uni- ted Nations Office on Drugs and Crime“, UNODC). Vorrangiges Ziel der polizeilichen Aufbauhilfe ist die Unterstützung von Drittstatten auf ihrem Weg hin zu ei- ner Polizei, die sich demokratischen und rechtsstaatli- chen Grundsätzen verpflichtet. Aus Sicht der Bundesre- gierung sollte die Kooperation, die Kenia auch beim Aufbau rechtstaatlicher und demokratischer Strukturen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung un- terstützt, fortgesetzt werden, um das Bewusstsein für menschenrechtliche Standards und rechtsstaatliche Prin- zipien innerhalb der kenianischen Polizei weiter zu stär- ken. Die Unterstützungsmaßnahmen unterliegen dabei der Evaluierung, und es gehört insbesondere zu den Auf- gaben des BKA-Verbindungsbeamten, fortlaufend zu prüfen, ob vermitteltes Wissen oder im Rahmen der Aus- stattungshilfe zur Verfügung gestellte Technik im Emp- fängerland bestimmungsgerecht und rechtstaatlichen Maßstäben entsprechend eingesetzt wird. Anlage 29 Antwort der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 44): Welche Normen des (Völker-)Strafgesetzbuchs könnten nach Auffassung der Bundesregierung durch vermutlich von Deutschland aus vorbereitete und überwachte tödliche Droh- neneinsätze des US-Afrikakommandos AFRICOM (verglei- che Darstellung von Christian Fuchs und John Goetz in Ge- heimer Krieg, erschienen im November 2013, auf Seite 27 ff.) verletzt worden sein? Naturgemäß ist es erst möglich, eine rechtliche Ein- ordung vorzunehmen, wenn der Sachverhalt ermittelt ist. Generell kann nur gesagt werden, dass es auf unter- schiedliche Merkmale ankommt, ob überhaupt deutsches Strafrecht zur Anwendung kommt und ob eine Einord- nung unter die Vorschriften des Strafgesetzbuches oder des Völkerstrafgesetzbuches näherliegt. Es obliegt den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, in jedem Einzelfall auf der Grundlage konkreter Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. Auf die Tatsache, dass der Generalbundesanwalt wegen der erhobenen Vorwürfe ei- nen Beobachtungsvorgang angelegt hat, hat die Bundes- regierung bereits hingewiesen; vergleiche die Antwort der Bundesregierung auf Frage 28 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zur Rolle des in Deutschland stationierten United States Africa Command bei gezielten Tötungen durch US-Streitkräfte in Afrika (Bundestagsdrucksache 17/14401, Seite 10 f.). Ferner nehme ich Bezug auf die Antworten auf Ihre schriftlichen Fragen Nr. 10/169 und Nr. 10/170 vom 31. Oktober 2013. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 45 und 46): Wann wurde das Berliner Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, wann das Bundesfinanzministe- rium und wann der Staatsminister für Kultur und Medien über den Kunstfund in München-Schwabing telefonisch und wann schriftlich durch die bayerischen Behörden informiert? In welcher Form und ab welchem Zeitpunkt waren Mitar- beiter des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Ver- mögensfragen an Besprechungen mit den bayerischen Behör- den zum Kunstfund in München-Schwabing beteiligt? Zu Frage 45: Im März 2012 hat sich die Staatsanwaltschaft Augs- burg auf Arbeitsebene telefonisch und per E-Mail an den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Me- dien gewandt. Sie erbat fachliche Auskünfte sowie die Benennung geeigneter Experten hinsichtlich der Identifi- zierung von Kunstwerken, die bei der Verfolgung eines Zollvergehens in München sichergestellt worden waren und einen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus ver- muten ließen. Das Bundesministerium der Finanzen wurde bis zum Erscheinen der ersten Presseberichte seitens der bayeri- schen Behörden über den Schwabinger Kunstfund weder telefonisch noch schriftlich informiert. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Ver- mögensfragen, BADV, ist durch bayerische Behörden nicht schriftlich informiert worden. Die Leitung des BADV ist auch nicht telefonisch von der bayerischen Behörde kontaktiert worden. Allerdings hat das BADV am 21. November 2013 durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz von einem Telefongespräch erfahren, das der ermittelnde Staatsanwalt anscheinend am 2. März 2012 mit einem Mitarbeiter des BADV geführt hat. Der Mitarbeiter des BADV kann sich an dieses Telefongespräch nicht erin- nern. Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz habe der Staatsanwalt den Mitarbeiter des BADV über den Kunstfund in Kenntnis gesetzt. Der Mitarbeiter des BADV habe den Staatsanwalt in dem Gespräch auf die Möglichkeit von Herausgabeansprü- chen und die komplizierte Eigentumsproblematik bei verfolgungsbedingt entzogenen Kunstgegenständen hin- gewiesen. Er habe dem Staatsanwalt empfohlen, in die- ser Sache mit dem Beauftragten für Kultur und Medien Kontakt aufzunehmen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 219 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 46: Am 29. November 2012 hat ein Mitarbeiter des BADV auf Einladung der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an einer Besprechung in der FU Berlin teilge- nommen. Der Mitarbeiter des BADV ist von der For- schungsstelle um allgemeine Auskünfte über den rechtli- chen Hintergrund der nationalsozialistischen Entziehung von Kunstwerken im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ gebeten worden. An diesem Gespräch nahm auch ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Augsburg teil. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 47 und 48): Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand bezüglich der Übertragung der BVVG-Flächen (BVVG: Bodenverwer- tungs- und verwaltungs GmbH) vom Bund auf die Länder, bzw. welche Position vertreten die Bundesregierung und die beteiligten Länder darin? Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu treffen, um den Verkauf von BVVG-Flächen an außerland- wirtschaftliche Investoren zu reduzieren und die Position bäu- erlicher Betriebe bei der Vergabe von BVVG-Flächen zu ver- bessern? Zu Frage 47: Die Bundesregierung hat seit 2004 zunächst nur mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern und in den Jahren 2009/2010 mit dem Land Sachsen-Anhalt Gespräche über einen möglichen Verkauf der in diesen Ländern ge- legenen BVVG-Flächen geführt. Diese Gespräche sind in der Vergangenheit ergebnislos verlaufen. Wegen der unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen und der man- gelnden Bereitschaft der beiden Länder zur Übernahme sämtlicher Aufgaben der BVVG (einschließlich der Alteigentümerthematik) sowie der BVVG-Mitarbeiter wurden seinerzeit keine Kaufvertragsverhandlungen er- öffnet. Zu Beginn dieses Jahres haben das Land Mecklen- burg-Vorpommern und das Land Sachsen-Anhalt ihr In- teresse bekundet, die Gespräche mit der Bundesregie- rung über einen möglichen Verkauf von BVVG-Flächen wieder aufzunehmen. Diesem Wunsch ist die Bundesre- gierung nachgekommen. Die Gespräche dauern an. Zu Frage 48: Die Flächen der BVVG werden überwiegend von ortsansässigen Landwirten erworben. Außerlandwirt- schaftliche Investoren treten in der Regel nicht als Käu- fer bei der BVVG auf, da sie an der Übernahme größerer Flächen, als die BVVG sie in Ausschreibungen anbietet, interessiert sind. Die Bundesregierung hat bereits eine Reihe von Maß- nahmen veranlasst, die von der BVVG seit längerem umgesetzt werden: Die von der BVVG zur Ausschreibung vorgesehenen Lose waren in den letzten Jahren auf maximal 50 Hektar begrenzt. Anfang 2013 wurde gemeinsam mit den ost- deutschen Ländern vereinbart, die zur Ausschreibung vorgesehenen Lose nach Möglichkeit auf maximal 25 Hektar zu beschränken. Ausschreibungen werden räumlich und zeitlich ge- steuert, sodass es in aller Regel zu keinem Sammeler- werb mehrerer Lose durch einen Käufer kommen kann. Außerdem sahen die Privatisierungsgrundsätze der BVVG (PG 2010) bereits bisher beschränkte Ausschrei- bungen für arbeitsintensive Betriebe bis zu 5 000 Hektar pro Jahr vor. Im Mai 2013 wurde zusätzlich eine Besser- stellung von Junglandwirten vereinbart. Um deren Erst- niederlassung sowie die strukturelle Anpassung ihrer Betriebe nach deren Gründung bzw. Übernahme zu un- terstützen, können sie sich ebenfalls an den beschränkten Ausschreibungen beteiligen. Das vorgesehene Volumen von 5 000 Hektar pro Jahr für beschränkte Ausschrei- bungen wurde im Zusammenhang mit der Unterstützung für Junglandwirte ab 2013 auf 7 500 Hektar pro Jahr er- höht. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 49): Welche konkrete Ausgestaltung steckt hinter dem Vor- schlag der Bundesregierung, auf europäischer Ebene soge- nannte vertragliche Vereinbarungen und Solidaritätsmecha- nismen einzuführen, und mit welcher diesbezüglichen Position ist die Bundesregierung in die entsprechenden Ver- handlungen mit den europäischen Partnern (beispielsweise auf dem sogenannten Sherpa-Treffen am 26. November 2013) gegangen? Die Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinie- rung in der WWU unter Einschluss von vertraglichen Vereinbarungen und Solidarmechanismen entspricht europäischer Beschlusslage und wurde bereits auf den Europäischen Räten im Dezember 2012, im Juni 2013 und zuletzt im Oktober 2013 behandelt. Die Arbeiten sollen mit dem Ziel vorangetrieben werden, dass im De- zember Entscheidungen über wichtige Merkmale der vertraglichen Vereinbarungen und der damit verbunde- nen Solidarmechanismen getroffen werden. Die grundsätzlichen Überlegungen der Bundesregie- rung zur Weiterentwicklung der WWU sind seit längerer Zeit bekannt. Die Bundeskanzlerin hat sich wiederholt dazu öffentlich geäußert, unter anderem in den Regie- rungserklärungen im Deutschen Bundestag vor den Europäischen Räten im Dezember 2012 und im Juni 2013. Ihre Überlegungen sind darüber hinaus im ge- meinsamen Papier mit dem französischen Staatspräsi- denten vom 30. Mai 2013 enthalten. Das gemeinsame Papier mit dem französischen Staatspräsidenten wurde dem Deutschen Bundestag am 30. Mai 2013 übermittelt und von einer mündlichen Unterrichtung der Obleute des EU-Ausschusses begleitet. 220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- gen des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 50 und 51): Wie hoch ist aktuell die Inanspruchnahme der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets, und welche Verbesserungs- möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um den Zugang für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Leis- tungen des Bildungspakets zu verbessern? Welche Vorschläge der im Jahr 2013 gegründeten Bund- Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, sieht die Bundesregierung als besonders geeignet an, das Leistungs- und Verfahrensrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu vereinfachen und effektiver auszugestalten? Zu Frage 50: Für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets sind Kommunen und Länder verantwortlich. Die Kom- munen sind verpflichtet, Daten zur Inanspruchnahme der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets zu erheben und der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die Träger der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsu- chende ist, zu übermitteln. Eine Statistik hierzu befindet sich derzeit im Aufbau. Der Bundesregierung liegen da- her bisher keine Erkenntnisse aus amtlichen Statistiken vor. Jedoch lassen sich Rückschlüsse über die Art und den Umfang der Inanspruchnahme aus anderen Quellen zie- hen. Nach den Ergebnissen einer Repräsentativbefra- gung des Instituts für Sozialforschung und Gesell- schaftspolitik, ISG, im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Anfang 2013 haben zwei Jahre nach Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets 73 Prozent der leistungsberechtigten Kinder, Jugendli- chen und jungen Erwachsenen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets in Anspruch genommen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, das zum 1. Au- gust 2013 in Kraft getreten ist, wurde ein Beitrag zur Vereinfachung und Optimierung des Verwaltungsvoll- zugs geleistet. Die konkrete Umsetzung der gesetzlichen Regelungen des Bildungs- und Teilhabepakets ein- schließlich ihrer Auslegung obliegt den kommunalen Trägern und gegebenenfalls den Ländern im Rahmen ih- rer jeweiligen Aufsicht. Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung stehen dem Bund insoweit keine Eingriffs- oder Weisungsbefugnisse zu. Zu Frage 51: Die Konferenz der Ministerinnen und Minister, Sena- torinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales, ASMK, hat im November 2012 die Einrichtung einer Bund-Län- der-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des passiven Leis- tungsrechts – einschließlich des Verfahrensrechts – im SGB II beschlossen. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat mehr als 120 Rechtsänderungsvorschläge gesam- melt. Alle Vorschläge werden sorgfältig geprüft. Auf- grund dieser Prüfung geben die Beteiligten fachliche Vo- ten zu den einzelnen Vorschlägen ab. Abschließende Entscheidungen der Bundesregierung über Einzelvor- schläge sind einem gegebenenfalls noch durchzuführen- den Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 52): Zu welchen Schlussfolgerungen ist die Bundesregierung seit Beantwortung meiner mündlichen Frage 49 vom 5. Juni 2013 (vergleiche Plenarprotokoll 17/242) zur Problematik der Gettorenten gekommen, und welche Lösungsalternativen hat sie erwogen bzw. in die Wege geleitet? Der 17. Deutsche Bundestag hat in der Frage der Nachzahlung der Gettorenten eine Sachverständigenan- hörung durchgeführt. Nach dieser Sachverständigenan- hörung haben sich im 17. Deutschen Bundestag keine Mehrheiten für eine vom geltenden Recht abweichende Regelung zur Nachzahlung von Gettorenten ergeben. Die Bundesregierung war in der vergangenen Legisla- turperiode der Auffassung, dass die Frage der Nachzah- lung von Gettorenten im Konsens mit den Regierungs- fraktionen der letzten Legislaturperiode behandelt werden sollte. In ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturpe- riode haben sich die Vertreter von CDU, CSU und SPD auf folgende Erklärung verständigt: „Wir sind uns der historischen Verantwortung für die Überlebenden des Holocaust, die in der NS-Zeit unsägliches Leid erlebt ha- ben, bewusst. Wir wollen daher, dass den berechtigten Interessen der Holocaust-Überlebenden nach einer ange- messenen Entschädigung für die in einem Ghetto geleis- tete Arbeit Rechnung getragen wird.“ Die auf der Grundlage dieser Vereinbarung zu treffenden Entschei- dungen bleiben der künftigen Bundesregierung bzw. dem Gesetzgeber vorbehalten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 53): Welchem Zeitplan (unter anderem Beginn, Ende, etwaige Unterbrechungen) folgte das Verfahren zur Abgabe von Angeboten bzw. der Teilnahmewettbewerb für das MG5, der in der 25-Millionen-Euro Vorlage an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 2013 (Ausschuss- drucksache 17(8)6022) mündete? Das Vergabeverfahren MG5 wurde erstmals mit der Entscheidung Vergabeart vom 9. November 2012 einge- leitet. Am selben Tag erfolgte die Vergabebekanntma- chung. Im Anschluss an die Vergabebekanntmachung musste das Vergabeverfahren aufgehoben werden, da es eine wesentliche Änderung bei der Bereitstellung der Haushaltsmittel gab. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 221 (A) (C) (D)(B) Am 20. November 2012 wurde das Vergabeverfahren MG5 erneut eingeleitet und bekannt gemacht. Insgesamt haben lediglich zwei Firmen einen Teilnahmeantrag ab- gegeben. Beide Firmen gaben fristgerecht ein Angebot ab. Eines der beiden Angebote konnte nicht berücksich- tigt werden, da unter anderem eine sicherheitstechnische Forderung nicht erfüllt wurde. Mit der verbliebenen Firma wurden von der 2. bis zur 13. Kalenderwoche 2013 Vertragsverhandlungen erfolg- reich durchgeführt. Mit Vorlage Bundesministerium der Finanzen vom 30. Mai 2013 wurde dem Haushaltsaus- schuss des Deutschen Bundestages die 25-Millionen- Euro-Vorlage übersandt. Der Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2013 gebilligt. Die Un- terzeichnung der Verträge erfolgte am 10. Juli 2013. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- gen der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Fragen 54 und 55): Welche Fluggenehmigungen für Drohnen des US-Militärs an und im Umfeld der Armeestützpunkte Grafenwöhr, Hohen- fels, Vilseck, Bamberg, Ansbach-Katterbach und Illesheim hat die Bundesregierung für welchen räumlichen Geltungsbe- reich erteilt? Welche Anträge auf Genehmigung weiterer Flugkorridore bzw. -gebiete für Drohneneinsätze seitens des US-Militärs lie- gen der Bundesregierung mit welchem Verfahrens(Bearbei- tungs-)stand derzeit vor? Zu Frage 54: Derzeit befinden sich 57 unbemannte Luftfahrzeuge der US-Streitkräfte in Deutschland, für die Fluggeneh- migungen durch das Bundesministerium der Verteidi- gung erteilt wurden. Dabei handelt es sich um unbe- mannte Luftfahrzeuge der Typen Hunter, Raven und Shadow. Das unbemannte Luftfahrzeug Hunter wird ausschließlich durch die US-Streitkräfte in den Flugbe- schränkungsgebieten der Truppenübungsplätze Grafen- wöhr und Hohenfels betrieben. Die unbemannten Luft- fahrzeuge vom Typ Raven und Shadow werden neben den bereits genannten Übungsräumen auch in für den zi- vilen Flugverkehr gesperrten Lufträumen der Truppen- übungsplätze der Standorte Bamberg, Vilseck und Illes- heim (Oberdachstetten) eingesetzt. Zu Frage 55: Das Bundesministerium der Verteidigung wurde durch die US-Streitkräfte um Prüfung einer Einrichtung eines Verbindungskorridors für das unbemannte Luft- fahrzeug Hunter zwischen den Truppenübungsplätzen Hohenfels und Grafenwöhr gebeten. In Abstimmung mit der zivilen Flugsicherung wurden zwei Korridore inner- halb eines schon bestehenden militärischen Übungsluft- raums eingerichtet. Die Einrichtung der Korridore wurde am 25. Juli 2013 abgeschlossen. Eine Genehmigung zur Nutzung der genannten Korridore wurde bisher noch nicht erteilt. Eine Nutzung der Korridore ist noch nicht erfolgt. Weitere Anträge liegen der Bundesregierung nicht vor. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 56): Hält die Bundesregierung die vorhandenen finanziellen Mittel im Fonds für die Heimkinder West für ausreichend, und unterstützt die Bundesregierung Vorschläge, dass die mögli- cherweise nicht abgerufenen Mittel aus dem Fonds „Heimerzie- hung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ nicht an die Fondseinzahler zurückfließen, sondern bei- spielsweise für Maßnahmen für ein „selbstbestimmtes Leben ehemaliger Heimkinder im Alter und bei Pflegebedürftigkeit“ und für eine Ausweitung des bisher gesetzten Antragsberechti- gungszeitraums über 1975 hinaus beispielsweise für Opfer von Heimerziehung bis 1989 verwendet werden sowie für die Ein- beziehung von Opfern aus Psychiatrie und Behindertenhilfe und für die Zahlung von Entschädigungsrentenleistungen an ehemalige Heimkinder, die im Alter von unter 14 Jahren arbei- ten mussten? Auf der Grundlage der Empfehlungen des „Runden Tischs Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren“ so- wie den darauf aufbauenden Beschlüssen der Jugendmi- nisterinnen und -minister vom 27. Mai 2011 und des Deutschen Bundestages vom 7. Juli 2011 (Bundestags- drucksache 17/6143 und 17/6500) wurde der gemeinnüt- zige Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ vom Bund, den westdeutschen Bundesländern und den Kirchen er- richtet und gemäß den Vorschlägen des Runden Tischs mit einem Vermögen von 120 Millionen Euro ausgestat- tet. Die Leistungen, die Betroffene der Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Fonds erhalten können, leiten sich aus den Empfehlungen des Runden Tischs ab und sind in Form der Leistungsleitlinien um- gesetzt, die mit den Betroffenen abgestimmt wurden. Die Laufzeit des Fonds (fünf Jahre, wobei drei Jahre An- tragsfrist – 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2014 – vor- gesehen sind) folgt dabei ebenfalls den Vorschlägen des Runden Tischs. Zum Stand der Umsetzung verweise ich auf die Un- terrichtung der Bundesregierung „Bericht zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Heim- erziehung sowie der Empfehlungen zur Prävention und Zukunftsgestaltung“ (Bundestagsdrucksache 17/13671). Ergänzend wird darauf verwiesen, dass aktuell rund ein Drittel des Fondsvermögens, also Hilfeleistungen im Umfang von rund 40 Millionen Euro, an die Betroffenen ausgezahlt wurde. Die aktuelle Entwicklung in den örtlichen Anlauf- und Beratungsstellen gibt Anlass zu der Einschätzung, dass die finanzielle Ausstattung des Fonds ausreichen wird, allen Betroffenen, die sich bis zum 31. Dezember 2014 mit dem Wunsch um Unterstützung an den Fonds wenden, die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. So- fern tatsächlich Restmittel verfügbar sein werden, legt 222 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) die Satzung des Fonds fest, eventuell vorhandenes Rest- vermögen den Errichtern zu übertragen. Eine davon ab- weichende Regelung (die auch den Verwendungszweck der Restmittel zu spezifizieren hätte) müsste von allen Errichtern im Bedarfsfall beschlossen werden. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 57): Wie haben sich die Zahlen der Bewilligungen bei Mutter-/ Vater-Kind-Kuren seit der Verabschiedung der neuen Richt- linien entwickelt (absolut und prozentual), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem An- teil erfolgreicher Widersprüche gegen eine (zunächst erfolgte) Ablehnung der beantragten Kur? Die Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabili- tation ist zur Verbesserung der Bewilligungspraxis der Krankenkassen bei Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen durch den GKV-Spitzenverband und den Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes zu Beginn des Jahres 2012 überarbeitet worden. Im Jahr 2012 wurden 120 929 Mut- ter-/Vater-Kind-Kuren genehmigt und 19 744 Mutter-/ Vater-Kind-Kuren abgelehnt. Das entspricht einer Be- willigungsquote von 83 Prozent. Bei den aus sonstigen Gründen abgelehnten Anträgen handelt es sich um mangelnde Mitwirkung der Antrag- stellerin bzw. des Antragsstellers, beispielsweise um den wiederholten Nichtantritt einer Begutachtung. Unter „sonstige Erledigung“ fallen die Fälle, bei denen der An- trag zurückgenommen wurde oder die Antragstellerin bzw. der Antragsteller die Krankenkasse gewechselt hat oder verstorben ist. Der Anteil abgeholfener Widersprüche einschließlich derer, die mit anderer Leistung bewilligt wurden, lag 2012 bei 7 770 Fällen. 3 023 Fälle wurden erneut abge- wiesen. Damit ergibt sich eine Quote bei den abgeholfe- nen Widersprüchen von 68 Prozent. Aus der Statistik er- geben sich keine Hinweise darauf, welche Gründe im Antragsstatistik 2012 Anträge neu 144 583 Anträge unerledigt aus Vorjahren 8 350 Aus medizinischen Gründen abgelehnt 18 158 Aus sonstigen Gründen abgelehnt 1 586 Leistung nach Antrag genehmigt 118 402 Mit anderer Leistung genehmigt 2 527 Sonstige Erledigung 4 994 Anteil genehmigter Maßnahmen 83,02 Prozent Einzelfall für die abhelfende Entscheidung im Wider- spruchsverfahren maßgebend waren. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 58): Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in § 19 Abs. 2 des Bundesmantelvertrags – Ärzte, BMV-Ä, explizit geregelt ist, dass gesetzlich Versicherte bei einem Arztbesuch zum Nachweis der Anspruchsberechtigung die (alte) Krankenver- sichertenkarte gemäß § 291 Abs. 2 des Fünften Buches So- zialgesetzbuch vorzulegen haben, solange die elektronische Gesundheitskarte noch nicht an sie ausgegeben worden ist, und dass in Anhang 1 Nr. 2.1 zur Anlage 4 a BMV-Ä verein- bart ist, dass von dem Vertragsarzt eine Privatvergütung für die Behandlung nicht verlangt werden darf, wenn die Versi- cherten anstelle einer elektronischen Gesundheitskarte inner- halb von zehn Tagen einen entsprechenden Versicherungs- nachweis, gegebenenfalls auch in Papierform, erbringen, bzw. eine schon geleistete Privatvergütung zurückzuzahlen ist, wenn dem Arzt bis zum Ende des Quartals ein zum Zeitpunkt der Behandlung bestehender Leistungsanspruch des Versi- cherten von der zuständigen Krankenkasse nachgewiesen wird? Die Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelver- trag – Ärzte, BMV-Ä, lautet folgendermaßen: „Solange die elektronische Gesundheitskarte noch nicht an den Versicherten ausgegeben worden ist, ist der Versicherte verpflichtet, zum Nachweis der Anspruchsberechtigung die Krankenversichertenkarte gemäß § 291 Abs. 2 Fünf- tes Buch Sozialgesetzbuch vorzulegen.“ Diese Regelung steht aber im Zusammenhang mit § 4 der Anlage 4 a zum BMV-Ä zum Ende der Gültigkeit der Krankenversi- chertenkarte, der wie folgt lautet: „Ab 01.01.2014 gilt grundsätzlich gemäß § 19 BMV-Ä die elektronische Ge- sundheitskarte als Nachweis für die Berechtigung zur In- anspruchnahme von Leistungen. Die Krankenversicher- tenkarte verliert damit zum 31.12.2013 ihre Gültigkeit.“ Hinsichtlich dieser Regelungen zum Ende der Gültig- keit der Krankenversichertenkarte gibt es missverständ- liche Darstellungen seitens der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Um für die Zukunft Irritationen zu ver- Widersprüche zu Anträgen nach §§ 23 und 24 sowie 40 und 41 SGB V Widersprüche neu 10 090 Widersprüche unerledigt aus Vorjahren 2 163 Abgeholfene Widersprüche 7 544 Mit anderer Leistung bewilligt 226 Abgewiesen aus medizinischen Grün- den 2 386 Abgewiesen aus sonstigen Gründen 637 Sonstige Erledigung 594 Anteil abgeholfener Widersprüche 68,24 Prozent Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 223 (A) (C) (D)(B) meiden, sind diese daher durch das Bundesministerium für Gesundheit um eine abgestimmte Darstellung gebe- ten worden. Es ist richtig, dass in Anhang 1 Nr. 2.1 der Anlage 4 a zum BMV-Ä geregelt ist, wie zu verfahren ist, wenn im Behandlungsfall die Identität des Versicherten nicht be- stätigt werden oder eine gültige elektronische Gesund- heitskarte nicht vorgelegt werden kann. Danach kann der Arzt nach Ablauf von zehn Tagen eine Privatvergütung für die Behandlung verlangen, die jedoch zurückzuzah- len ist, wenn dem Arzt eine zum Zeitpunkt der Behand- lung gültige elektronische Gesundheitskarte bis zum En- des des Quartals vorgelegt wird oder wenn dem Arzt bis zum Endes des Quartals ein zum Zeitpunkt der Behand- lung bestehender Leistungsanspruch des Versicherten von der zuständigen Krankenkasse nachgewiesen wird. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 18/87, Frage 59): In welcher Höhe wurden die in den Bundeshaushalt 2013 für die Bundeswasserstraßen eingestellten Mittel bisher aus- geschöpft – bitte unterscheiden in jeweilige Soll- und Istanga- ben für Um-, Aus- und Neubaumaßnahmen, Erhaltung und Verwaltungskosten –, und wird die Bundesregierung die bud- getierten Maßnahmen bis Ende des Jahres 2013 vollständig umsetzen? Die Ausgaben für Bau und Betrieb der Bundeswasser- straßen sind im Kapitel 1203 Titelgruppe 01 veranschlagt. Die Sollansätze 2013 und die aktuellen Istausgaben, Stand 25. November 2013, sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt: Zu den Istausgaben kann derzeit keine konkrete Aus- sage getroffen werden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 60): Bau und Betrieb der Bundeswasserstraßen (Tausend Euro) Zweckbestimmung Sollansatz 2013 – Personal-, Sach- und Betriebsaus- gaben 678,406 – Betriebliche und verkehrliche Er- haltung 258,296 – Um-, Aus- und Neubau 600,000 Summe 1 536,702 Welche Konsequenzen – zum Beispiel umfassende Offen- legung aller militärischen Planungen in der Region – zieht die Bundesregierung angesichts massiver planungsrechtlicher Probleme, die sich aus der kumulativen Belastung des euro- päischen Schutzgebietes Flora-Fauna-Habitat und des Vogel- schutzgebietes Colbitz-Letzlinger Heide durch den Ausbau der A 14 (Nordverlängerung) in Kombination mit dem militä- rischen Übungsbetrieb in der Altmark, inklusive Tiefflug- übungen, und dem Ausbau der Übungsstadt Schnöggersburg ergeben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass einerseits die Europäische Kommission Bedenken bezüglich der Nicht- anwendung der EU-Vogelschutzrichtlinien bei der Genehmi- gung der Militärstadt angemeldet hat und hier mit einem EU-Verfahren gerechnet werden muss und nun zudem das Bundesverwaltungsgericht Leipzig klarstellte, dass beim Ge- nehmigungsverfahren der A 14 die zusätzliche Belastung der Region durch den militärischen Übungsbetrieb offengelegt und berücksichtigt werden müsse, und erwägt die Bundesre- gierung oder nach ihrer Kenntnis der künftige Betreiber Rheinmetall AG angesichts dieser rechtlichen Lage einen Ausstieg aus dem Projekt „Schnöggersburg“? Das Bundesverwaltungsgericht hat im Klageverfah- ren zum Abschnitt der A 14 zwischen Colbitz und der Anschlussstelle Dolle die Planfeststellungsbehörde des Landes um Unterlagen gebeten, die nachweisen, dass durch den Bau der A 14 zusammen mit dem Bau, der Anlage oder dem Betrieb des Urbanen Ballungsraums (Schnöggersburg) als Teil des Gefechtsübungszentrums Heer – Abkürzung: GefÜbZH – in Letzlingen in dem Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger-Heide und dem FFH-Gebiet Colbitz-Letzlinger-Heide und den militäri- schen Tiefflügen über den zuvor genannten Schutzgebie- ten keine erheblichen Beeinträchtigungen der Erhal- tungsziele ausgelöst werden und ob solche kumulativen Wirkungen ausgeschlossen werden können. Die Planfeststellungsbehörde hat daraufhin dem Ge- richt Unterlagen übersandt, durch die sie sich in ihrer bei der Planfeststellung getroffenen Abschätzung bestätigt sieht, dass Bau, Anlage oder Betrieb der A 14 zusammen mit den Auswirkungen des Vorhabens Urbaner Bal- lungsraum offenkundig nicht zu erheblichen Beeinträch- tigungen von Erhaltungszielen sowohl des FFH-Gebie- tes als auch des Vogelschutzgebietes Colbitz-Letzlinger- Heide führen werden. Zur Frage der Tiefflüge auf dem Gebiet der Colbitz- Letzlinger-Heide bzw. des Truppenübungsplatzes Alt- mark hat sich ergeben, dass die Bundeswehr einstweilen keine Tiefflugübungen mit Projektcharakter durchführt und für den Fall der Wiederaufnahme solcher Projekte die naturschutzrechtlich vorgesehenen Prüf- und Verfah- rensschritte vornehmen will. Das Gericht hat hierzu an- gemerkt, dass grundsätzlich abzuschätzen sei, ob der Bau der A 14 zusammen mit der Grundentscheidung der Bundeswehr, „das Gebiet der Colbitz-Letzlinger-Heide wegen des dort angesiedelten Truppenübungsplatzes in bestimmter Regelmäßigkeit und Intensität für Tiefflüge zu nutzen“, erhebliche Beeinträchtigungen der Schutz- gebiete auslösen kann. Das Land Sachsen-Anhalt prüft derzeit die Mög- lichkeit, eine solche Abschätzung vorzunehmen. Die Bundeswehr wird dem Land Sachsen-Anhalt alle ihr vorliegenden Erkenntnisse und Angaben für diese Un- tersuchung zur Verfügung stellen. 224 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Für den 11. Dezember 2013 ist eine mündliche Ver- handlung in dem Klageverfahren vor dem Bundesver- waltungsgericht anberaumt. Die Entscheidung des Ge- richts bleibt abzuwarten. Das Bauvorhaben Urbaner Ballungsraum befindet sich derzeit in der Realisierung. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Druck- sache 18/87, Fragen 61 und 62): Wie unterstützt die Bundesregierung mit Blick auf die der- zeitige und absehbar künftige Belastung der Bahnstrecke im Oberen Elbtal das Vorhaben, zwischen Heidenau und Usti nad Labem eine neue hochgeschwindigkeitstaugliche Bahnstrecke zu errichten? Welche Ergebnisse brachte die Nutzen-Kosten-Untersu- chung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung, und inwieweit sind neben den wirtschaftlichen auch die ökologischen Wirkungen des Vorhabens untersucht worden? Zu Frage 61: Die Bundesregierung hat im Jahre 2010 auf Wunsch der Tschechischen Republik sowie des Freistaats Sach- sen eine gemeinsame Untersuchung für einen weiterge- henden Ausbau der Verbindung Dresden–Prag durchge- führt. Für eine Neubaustrecke Heidenau–deutsch- tschechische Grenze–Lovosice durch das Erzgebirge konnte die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit knapp nachgewiesen werden. Der Bedarf dieser allein auf deut- schem Gebiet circa 1,1 Milliarden Euro teuren Strecke ist allenfalls langfristig (nach 2025) vorstellbar. Dies ist allen Beteiligten der Untersuchung klar. Im Jahre 2012 haben der Freistaat Sachsen und das tschechische Infrastrukturministerium eine neue Stre- ckenführung auf tschechischem Gebiet mit einer An- knüpfung an die bestehende Strecke in Ústí nad Labem statt in Lovosice vorgeschlagen. Dies hätte auf die Länge und die Kosten des deutschen Abschnitts keine maßgeblichen Auswirkungen. Die Bundesregierung wird die Maßnahme bei der der- zeit laufenden Aufstellung eines neuen Bundesverkehrs- wegeplans, BVWP, erneut untersuchen. Soweit die ge- samtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit bestehen bleibt, wird die Maßnahme in den neuen BVWP aufgenommen. Anschließend hat der Deutsche Bundestag die Möglich- keit, mit einem Beschluss über einen neuen Bedarfsplan für die Bundesschienenwege diese Maßnahme in den Bedarfsplan aufzunehmen. Zu Frage 62: Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der gesamtwirtschaft- lichen Untersuchung betrug 1,3. Das bedeutet, der ge- samtwirtschaftliche Nutzen übersteigt die Investition in diese Maßnahme nur knapp. Die gesamtwirtschaftliche Untersuchung als allererster Schritt für die Entschei- dung, ob eine Schienenwegeneu- oder -ausbaumaß- nahme aus volkswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich mit Bundesmitteln finanziert werden kann, umfasst noch keine tieferen Untersuchungen zu Auswirkungen auf die Umwelt. Allerdings enthält die Bewertungsmethodik der Bundesverkehrswegeplanung Nutzenkomponenten, die ökologische Wirkungen, wie CO2-Emissionen, oder auch Unfallfolgekosten berücksichtigen. Auch Lärm- emissionen werden berücksichtigt, soweit durch eine Maßnahme eine Änderung eintritt. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fra- gen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 63 und 64): Ist die Herabstufung Deutschlands im Klimaschutz-Index von Germanwatch von Platz 8 auf Platz 19 (www.tages schau.de/ausland/klimaindex102.html) für die geschäftsfüh- rende Bundesregierung nachvollziehbar, und wie beurteilt sie die Situation, dass Deutschland in 2013 erneut seinen CO2- Ausstoß steigert (vergleiche www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ wirtschaftspolitik/treibhausgas-deutsche-co2-emissionen-stei- gen-auch-2013-12655296.html)? Wie wird die geschäftsführende Bundesregierung ange- sichts des auch nach der Entscheidung über Backloading sta- bil niedrig liegenden CO2-Preises die Mittel für ihre Zusagen im Rahmen des Grünen Klimafonds aufbringen, und welche Auswirkungen haben die Einnahmeausfälle auf weitere finan- zielle Zusagen Deutschlands, welche auf dem Weg zu einem Abkommen in Paris erbracht werden müssten? Zu Frage 63: Die Bewertung verschiedener Länder durch den Kli- maschutz-Index von Germanwatch basiert auf Daten zu den Treibhausgasemissionen, der jüngsten Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, erneuer- baren Energien und Expertenbewertungen zur nationalen und internationalen Klimaschutzpolitik des betreffenden Landes. Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrie- staaten führend bei der Minderung von Treibhausgas- emissionen. Das Kioto-Ziel einer Minderung um 21 Prozent im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber 1990 wurde nach den vorliegenden Berechnungen mit durch- schnittlich etwa 25 Prozent Minderung im gleichen Zeit- raum deutlich übererfüllt. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemis- sionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Der Bundesregierung liegen noch keine Hochrech- nungen für die Treibhausgasemissionen des Jahres 2013 vor. Erste Schätzungen zur Entwicklung der Emissionen in 2013 werden im Februar 2014 erwartet. Zu Frage 64: Die geschäftsführende Bundesregierung bekennt sich zur Verantwortung Deutschlands im Zusammenhang mit den im UN-Prozess beschlossenen Zusagen. Deutsch- land ist seit langem einer der größten Geber für den Kli- maschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 225 (A) (C) (D)(B) wird auch vor diesem Hintergrund künftig einen ange- messenen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten. Die Bundesregierung hat wegen der Einnahmesitua- tion im Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“, EKF, bereits im Juli 2013 für den Bereich „Internationa- ler Klima- und Umweltschutz“ Vorsorge getroffen, ins- besondere für eine für möglich gehaltene Erstkapitalisie- rung des Grünen Klimafonds bereits im Haushaltsjahr 2013. Zusagen für eine Erstauffüllung des Grünen Kli- mafonds sind jedoch im Jahr 2013 wegen ausstehender Entscheidungen im Verwaltungsrat des Fonds noch nicht möglich. Die Verzögerungen bei der Erstauffüllung werden im weiteren Verfahren der Aufstellung des Bundeshaushalts 2014 zu berücksichtigen sein. Im ersten Regierungsent- wurf für das Haushaltsjahr 2014 bzw. den aktuellen Fi- nanzplan bis 2017 war vorgesehen, die Haushaltsmittel für den internationalen Klima- und Umweltschutz aus dem EKF in den Einzelplänen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar- beit zu etatisieren. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen der Abgeordneten Annalena Baerbock (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 65 und 66): Für welche neuen klimapolitischen Impulse und ambitio- nierteren Reduktionsziele jenseits des Backloadings wird sich die Bundesregierung, auch angesichts des auf der COP 19 durch verschiedene Entwicklungsländer und des deutschen Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit formulierten Appells für mehr Ambitionen im Klima- schutz, in Vorbereitung des EU-Frühjahrsgipfels und mit Blick auf den sogenannten Ban-Ki-moon-Gipfel im Septem- ber 2014 einsetzen? Wird die Bundesregierung den in den deutschen Koali- tionsverhandlungen avisierten Ausbaukorridor für erneuer- bare Energien korrigieren und sich für deutlich höhere Aus- bauziele bei den erneuerbaren Energien einsetzen angesichts dessen, dass die Weltklimakonferenz in Warschau gezeigt hat, dass erneuerbare Energien vor Ort inzwischen eine echte Al- ternative sind, von denen eine Reihe positiver wirtschaftlicher Impulse ausgehen? Zu Frage 65: Es ist zu erwarten, dass die neue Bundesregierung wie schon die geschäftsführende, noch im Amt befindliche sich EU-weit dafür einsetzt, dass die Europäische Union einen ambitionierten Beitrag zu einem künftigen Klima- schutzabkommen im September 2014 auf dem soge- nannten Ban-Ki-moon-Gipfel ankündigen kann. Zu Frage 66: Koalitionsverhandlungen werden von politischen Par- teien geführt und nicht von der Bundesregierung. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fra- gen der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Fragen 67 und 68): Welche weiteren Schritte – wie insbesondere ein Be- schluss im Hauptausschuss der Strahlenschutzkommission, SSK, ein Beschluss der Innenministerkonferenz, IMK, und neue Rahmenempfehlungen des Bundesministeriums für Um- welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU – stehen im Zusammenhang mit dem atomkraftwerkebezogenen Katastro- phenschutz aufgrund der neuen Empfehlungen der betreffen- den Ad-hoc-Arbeitsgruppe der SSK an – bei SSK und IMK bitte mit Angabe der hierfür nächsten beiden, also jeweils beiden, möglichen Sitzungstermine –, und welcher Mindest- zeitbedarf ist aufgrund früherer Erfahrungen für die Verab- schiedung neuer BMU-Rahmenempfehlungen als realistisch anzusetzen – ausgehend vom Zeitpunkt eines entsprechenden SSK-Beschlusses? Welche Konsequenzen wird das BMU aus dem online un- ter www.atommuell-lager.de frei verfügbaren, neuen Gutach- ten „Risiken des Betriebs des Kernkraftwerks Gundremmin- gen – unter besonderer Berücksichtigung der beantragten Leistungserhöhung“ ziehen, insbesondere für seine bundes- aufsichtliche Stellungnahme zu dem Genehmigungsentwurf der zuständigen Landesbehörde für die beantragte Leistungs- erhöhung des Atomkraftwerks Gundremmingen, und insbe- sondere welche Informationen, Unterlagen etc. wird das BMU aufgrund der im Gutachten aufgeworfenen offenen Fragen vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbrau- cherschutz verlangen? Zu Frage 67: Die Strahlenschutzkommission, SSK, hat in ihrer Sit- zung am 21. Oktober 2013 die von der in der Fragestel- lung genannten Arbeitsgruppe ausgearbeiteten Kriterien- vorschläge für die Festlegung von Planungsgebieten eingehend diskutiert. Dieser Diskussionsprozess ist bis zu seinem Abschluss nach der Satzung der SSK vertrau- lich, sodass Einzelheiten nicht mitgeteilt werden können. Innerhalb der SSK ist verabredet, dass zunächst die Überarbeitung der radiologischen Grundlagen abge- schlossen sein muss, bevor der vorliegende Entwurf wei- ter diskutiert werden kann. Derzeit ist der Entwurf zu weiteren Beratungen in den Medizinausschuss der SSK gegeben worden. Die nächsten beiden Termine der SSK sind der 13. und 14. Februar 2014 und der 10. und 11. April 2014. Die Innenministerkonferenz tagt an den folgenden Ter- minen: 4. bis 6. Dezember 2013 und 11. bis 13. Juni 2014. Hinsichtlich des „Mindestzeitbedarfs für die Verab- schiedung neuer BMU-Rahmenempfehlungen – ausge- hend vom Zeitpunkt eines entsprechenden SSK-Be- schlusses“ liegen von der letzten Überarbeitung der Rahmenempfehlungen folgende Erfahrungen vor: Von der ersten zustimmenden Kenntnisnahme des SSK (12/2006) bis zur Veröffentlichung im Gemeinsa- men Ministerialblatt (12/2008) sind zwei Jahre vergan- gen. 226 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 68: Das Gutachten des Instituts für Sicherheits- und Risi- kowissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien wurde am 13. November 2013 auf der Internetseite des Auftraggebers, des Vereins Forum, Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energie- politik e. V., veröffentlicht. Dem Bayerischen Staatsmi- nisterium für Umwelt und Verbraucherschutz als zustän- diger Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Gutachten bekannt. Es wird dem BMU berichten, wenn sich daraus neue Erkenntnisse ergeben sollten. Unabhängig davon hat das Bundesumweltministe- rium die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicher- heit beauftragt, das Gutachten auf neue Gesichtspunkte durchzusehen. Es wird auch geprüft, ob und gegebenen- falls inwieweit sich neue Erkenntnisse für die beantragte Leistungserhöhung ergeben. Solche würden in der bun- desaufsichtlichen Stellungnahme in angemessener Form berücksichtigt. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/87, Frage 69): Ist es richtig, dass der Bundesminister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU in Baden-Württemberg – entgegen den Ausführungen des Bundesamtes für Naturschutz – zugesagt hat, das nach § 24 des Bundesnaturschutzgesetzes erforderliche Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, werde bei dem zukünftigen Natio- nalpark Schwarzwald bezüglich der erforderlichen Flächen- ausdehnung auch bei Nichteinhaltung der einschlägigen und von der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, LANA, be- schlossenen Kriterien von EuroPARC Deutschland e. V., wie sie bei der Vorschlagsvariante der CDU Baden-Württemberg vorläge, erteilt, und wie begründet das BMU in diesem Fall die Abweichung von den konkreten Vorgaben der Weltnatur- schutzunion, IUCN, und des Schutzgebietsdachverbandes Europarc als auch von den 2008 verabschiedeten bundesweit gültigen Qualitätsnormen und -standards für Nationalparke in Deutschland, wonach für diese eine Mindestgröße von 10 000 ha empfohlen bzw. festgelegt ist? Nein. Bundesumweltminister Peter Altmaier hat in ei- nem Telefonat mit dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Baden-Württembergischen Landtag lediglich erklärt, dass das Bundesnaturschutzgesetz bei der Ausweisung eines Nationalparks ein Benehmen des Bundes vorsieht, nicht jedoch ein Einvernehmen. Mit der Benehmensregelung des § 22 Abs. 5 Bundes- naturschutzgesetz, BNatschG, wird der Bundesregierung ein Mitwirkungsrecht, aber kein Mitentscheidungsrecht bei der Ausweisung von Nationalparken und Nationalen Naturmonumenten zugewiesen. Die Ausweisung von Schutzgebieten ist gemäß der Kompetenzordnung des Grundgesetzes mit Ausnahme der Ausschließlichen Wirtschaftszonen von Nord- und Ostsee allein den zu- ständigen Bundesländern vorbehalten. Die Benehmenserklärung wird entsprechend § 22 Abs. 5 BNatschG zwischen Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium abgestimmt. Das Ver- fahren dient dazu, gesamtstaatliche Aspekte, die von der Schutzgebietsausweisung berührt sind bzw. sein könn- ten, in das Ausweisungsverfahren einzubeziehen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Das schließt so- wohl naturschutzfachliche als auch – wie im Falle des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung – nicht naturschutzbezogene Bundesinteressen ein. Ein Anspruch des Bundes auf Umsetzung der im Rah- men der Benehmenserklärung unterbreiteten Vorschläge bzw. Empfehlungen besteht nicht. Zu den naturschutzfachlichen Kriterien, die im Rah- men des Benehmensverfahrens vom Bundesumweltmi- nisterium geprüft werden, gehört gemäß § 24 BNatschG auch die Großräumigkeit. Grundlage für diese Prüfung sind die 2008 im Rahmen eines Forschungs- und Ent- wicklungsvorhabens von EuroPARC Deutschland ge- meinsam mit den Nationalparkverwaltungen und den Bundesländern erarbeiteten Qualitätskriterien und -stan- dards für deutsche Nationalparke, die auch von der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschafts- pflege und Erholung, LANA, im März 2008 begrüßt wur- den. Darin ist festgehalten, dass ein Nationalpark in Deutschland eine Fläche von mindestens 10 000 Hektar umfassen sollte. Nur bei besonderer internationaler Be- deutung, zum Beispiel als Weltnaturerbe, kann auch ein kleineres Gebiet ausnahmsweise als Nationalpark ausge- wiesen werden. Anlage 47 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 18/87, Frage 70): Wie beurteilt die Bundesregierung Fälle von Bromacilbe- lastungen in der Trinkwasserversorgung, die nach meinen In- formationen in selbstständigen Beweisverfahren auf jahre- lange Unkrautbekämpfungsmaßnahmen durch die Deutsche Bundesbahn zurückgeführt werden konnten, vor dem Hinter- grund des für die Wasserversorger entstandenen Aufwands zur Wasserreinigung in Millionenhöhe, und wer ist nach An- sicht der Bundesregierung für die Regulierung der entstande- nen Schäden zuständig, das Bundeseisenbahnvermögen, die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolger der Deutschen Bun- desbahn oder Dritte? Belastungen der Trinkwasserversorgung durch Pflan- zenschutzmittel erfolgen durch Einträge in das für die Trinkwassergewinnung genutzte Rohwasser. Die Ein- tragspfade sind vielfältig und müssen im Einzelfall unter- sucht und bewertet werden. Sofern Einträge zweifelsfrei auch bei sachgerechter Anwendung und insbesondere unter Einhaltung der in der Zulassung festgesetzten, je- weils gültigen Anwendungsbestimmungen erfolgen, ist die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel zu überprü- fen, anzupassen und gegebenenfalls zurückzuziehen. Im Fall von Bromacil wäre zudem aufzuklären, wie und wann es zu den entsprechenden Belastungen des Trink- wassers gekommen ist, da Bromacil seit dem Jahr 2002 in der EU nicht mehr als Wirkstoff in Pflanzenschutzmit- teln, zu denen die Unkrautbekämpfungsmittel gehören, zugelassen ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. November 2013 227 (A) (C) (D)(B) Entsteht Wasserversorgern aufgrund von Verunreini- gungen des Rohwassers durch Unkrautbekämpfungs- maßnahmen ein erhöhter Aufwand bei der Wasseraufbe- reitung, kommt ein Schadenersatzanspruch gegen den hierfür Verantwortlichen nach § 89 Abs. 1 oder Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in Betracht. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht und gegen wen er sich rich- tet, hängt von den jeweiligen Besonderheiten des Einzel- falls ab. Im Streitfall entscheiden hierüber die ordentli- chen Gerichte. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 18/87, Frage 71): Inwieweit ist es nach Auffassung der Bundesregierung aus Sicherheitsgründen problematisch, dass das Deutsche For- schungsnetz, DFN, nicht von deutschen Unternehmen betrie- ben wird, und inwieweit wäre eine Begrenzung der Aus- schreibung für das DFN auf deutsche Unternehmen möglich und sinnvoll? Das DFN e. V. ist bei Beschaffung und Vergabe von Aufträgen an das Vergaberecht gebunden. Auf diesem Weg mietet das DFN e. V. Glasfaserstrecken und be- schafft Kommunikationstechnik von unterschiedlichs- ten Anbietern. Die Begrenzung von Ausschreibungen auf spezielle Unternehmen ist unzulässig, solange a) mehrere Anbieter Produkte ohne eindeutiges Alleinstel- lungsmerkmal anbieten oder b) keine Belange militäri- scher oder nichtmilitärischer Sicherheit im Sinne der EU-Richtlinie 2009/81/EG betroffen sind. Generell sieht die Bundesregierung die zunehmende Abhängigkeit von außereuropäischen Herstellern im Be- reich der Übertragungstechnik kritisch und setzt sich für die Förderung national entwickelter IT-Sicherheitstech- nologien zur Wahrung der technologischen Souveränität ein. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 18/87, Frage 72): Wie ist der aktuelle Ausbaustand des DFN – unter Angabe der weiteren Ausbauplanung und der jährlichen Aufwendun- gen für die IT-Sicherheit des DFN –, und in welchem Umfang gab es nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils (erfolgrei- che) Cyberangriffe auf das DFN durch staatliche oder krimi- nelle Hacker? Das DFN e. V. plant das Netz nach den Bedarfen der Wissenschaft und baut Netzangebot und Dienste ständig aus. Der Verein betreibt seit Jahren eine eigene Public- Key-Infrastruktur zur Verwaltung von kryptografischen Schlüsseln. Derzeit wird an der Entwicklung von anwen- dungsbezogenen Fragen der Terabit-Übertragungstech- nik gearbeitet. Da die Bundesregierung das DFN weder verantwortet noch finanziert, kann bezüglich des Ausbaustandes nur auf die öffentlich zugängliche DFN-Mitteilung Nr. 83 verwiesen werden. Das DFN e. V. betreibt ein eigenes Computer Emer- gency Response Team, CERT. Dieses wurde als eines der ersten CERT in Deutschland bereits vor Gründung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstech- nik, BSI, etabliert. Das DFN e. V. arbeitet heute mit dem BSI eng zusammen. Das DFN-CERT beobachtet ständig die IT-Sicherheitslage und reagiert auf Sicherheitsvor- kommnisse. Nach Auskunft des DFN e. V. hat das DFN-CERT keine Angriffe festgestellt, die die Netzinfrastruktur des DFN zum Ziel hatten. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 18/87, Frage 73): Kann die Bundesregierung die Berichterstattung unter an- derem der Süddeutschen Zeitung vom 25. November 2013 be- stätigen, wonach in den Jahren 2000 bis 2013 mindestens 22 deutsche Hochschulen Forschungsaufträge des US-Vertei- digungsministeriums ausgeführt haben bzw. noch ausführen, und erläutern, welche gesetzgeberischen Möglichkeiten Bund und Länder haben, um derartige Rüstungsforschung an öffent- lichen Hochschulen auszuschließen? Die Bundesregierung hatte keine Kenntnis von den geschilderten Sachverhalten. Bei Forschungsprojekten an Hochschulen hat die Bundesregierung keinerlei Ein- fluss auf die von den Hochschulen akquirierten Drittmit- telaufträge und deren Ausgestaltung. Die Verantwortung für die Hochschulen liegt nach der grundsätzlichen Kompetenzordnung bei den Ländern. 3. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1, ZP 1 Einsetzung eines Hauptausschusses TOP 2 Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) TOP 3 Finanzierung der Kinderbetreuung TOP 4 Rentenversicherungsbeitragssatz 2014 TOP 5 Klimakonferenz in Warschau TOP 6 Fragestunde ZP 2 Vereinbarte Debatte zum Atomabkommen mit dem Iran TOP 7 Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID) TOP 8 AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz ZP 4 Finanzierung der Kinderbetreuung (2./3. Lesung) TOP 9 Mindestlohngesetz TOP 10 Haftung bei Bankenschieflagen TOP 11 EU-Verordnung „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ TOP 12 Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen ZP 3 Zukunft der Operation Active Endeavour Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in unsere
Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich von den Plät-
zen zu erheben.

Der Deutsche Bundestag trauert um sein ehemaliges
Mitglied Dieter-Julius Cronenberg, der heute vor einer
Woche, am 21. November, gestorben ist. Dieter-Julius
Cronenberg war fast zwei Jahrzehnte lang unser Kollege.
Er gehörte dem Deutschen Bundestag von 1976 bis 1994
an. Seine politische Heimat fand er in der FDP, in der er
sich ab 1961 engagierte, zunächst auf kommunaler
Ebene, dann als Mitglied des Bundestages in Bonn.

Verantwortung hat Dieter-Julius Cronenberg früh
übernommen – nicht nur politisch, sondern auch als Un-
ternehmer. Er führte in Arnsberg ein mittelständisches
Familienunternehmen, das inzwischen auf eine über
300-jährige Geschichte zurückblicken kann. Er war sich
dabei immer bewusst, dass unternehmerischer Erfolg zu-
gleich auch bedeutet, soziale und gesellschaftliche Ver-
antwortung für die Menschen, für die Stadt und für das
Land zu übernehmen, in dem das Unternehmen erfolg-
reich agieren kann.

Vielleicht erklärt sich aus dieser Einstellung heraus
auch sein ausgeprägtes Interesse an Themen wie der So-
zialpolitik, insbesondere der Alterssicherung. An den
Rentenreformen der damaligen Zeit hat er maßgeblich
mitgewirkt. Gerade auf diesen Gebieten war er ein aner-
kannter Experte seiner Fraktion und ein bei den Kolle-
ginnen und Kollegen der anderen Fraktionen geschätzter
Fachmann. Mit dieser Fachkompetenz hat er zu vielen
sozialpolitischen Entscheidungen für unser Land bei-
getragen.

Fast zehn Jahre lang war Dieter-Julius Cronenberg
Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Dieses hohe
Amt füllte er souverän und überparteilich aus. Er stellte
seine große Erfahrung in den Dienst unseres Parlamen-
tes. Ihm gebühren unser Respekt und unsere Dankbar-
keit für alles, was er in diesem Haus, für dieses Parla-
ment und für unsere Demokratie über viele Jahre hinweg
geleistet hat.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Seiner Witwe, seinen Kindern und allen Angehörigen
spreche ich im Namen des ganzen Hauses unsere Anteil-
nahme aus.

Ich danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen
mitteilen, dass interfraktionell vereinbart worden ist, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem
Titel „Einsetzung von Ausschüssen“ als Zusatzpunkt 1
aufzunehmen, zusammen mit Tagesordnungspunkt 1
aufzurufen und diesen damit verbundenen Tagesord-
nungspunkt mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten
pro Fraktion zu debattieren.

Nach dem Tagesordnungspunkt 6 soll darüber hinaus
als Zusatzpunkt 2 eine vereinbarte Debatte zum vorläu-
figen Atomabkommen mit dem Iran im Umfang von
30 Minuten stattfinden.

Schließlich soll der Tagesordnungspunkt 13 abgesetzt
und stattdessen der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit dem Titel „Operation Active Endeavour be-
enden“ als Zusatzpunkt 3 aufgerufen werden.

Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Wi-
derspruch. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 1 mit
dem gerade vereinbarten Zusatzpunkt 1:

1 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD

Einsetzung eines Hauptausschusses

– Drucksache 18/101 –

ZP 1 Beratung des Antrags der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Einsetzung von Ausschüssen

– Drucksache 18/102 –

Interfraktionell ist eine Diskussionsrunde mit Beiträ-
gen von jeweils fünf Minuten vereinbart worden. – Da-





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

rüber besteht offenkundig Einvernehmen, also können
wir so verfahren.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Grosse-
Brömer für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1800300100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutsch-
land gibt es nach Bundestagswahlen einen Zeitraum, in
dem sich die Regierung bildet. Wenn es keine absoluten
Mehrheiten gibt, dann werden Koalitionen gebildet.
Diese Koalitionen müssen vorbereitet sein. Mal ist die
Aufgabe einfach, mal ist sie schwieriger. Wenn man
nicht von Anfang an füreinander vorgesehen ist, ist sie
nicht einfach.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Manchmal dauert es deshalb auch länger.

Es war aber schon immer so, dass dieser Zeitraum ab-
gewartet wurde. Wenn man es klug macht – so wie wir –,
dann macht man zwischendurch Plenarsitzungen, damit
das Parlament handlungsfähig ist. So findet heute eine
Fragestunde statt, damit die Kontrolle der Regierung
durch das Parlament funktioniert. Insofern haben wir uns
fortentwickelt. Wir sind in den letzten Jahrzehnten bes-
ser geworden. Der Parlamentarismus hat in dieser Zeit
gewonnen.


(Zuruf von der LINKEN: Ach herrje!)


Jetzt gibt es Kritik – wahrscheinlich musste man län-
ger darüber nachdenken, um überhaupt einen Kritik-
punkt zu finden –: Die Grünen und die Linken wollen
nun schon partout alle Ausschüsse bilden. Das hat es
noch nie gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Die Linke will es gar nicht mehr; das ist gut.


(Zuruf von der LINKEN: Doch!)


Klüger zu werden, ist ein Bestreben, das man nie aufge-
ben sollte.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es liegt heute jedenfalls ein Antrag der Linken


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein, das ist ja falsch!)


– Pardon! –, der Grünen vor, alle Ausschüsse einzuset-
zen, wohlwissend – ich glaube, jedes Mitglied der Frak-
tion der Grünen weiß das –, dass die Ausschussbildung
natürlich von der Ressortzuschneidung und natürlich
auch von der personellen Ausstattung der Bundesregie-
rung in all ihren Facetten abhängig ist.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Wie ist sie denn?)

Insofern ist der heute vorliegende Antrag, alle Aus-
schüsse zu bilden, jenseits jeglicher Parlamentspraxis.


(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das Einsetzen von Ausschüssen jenseits jeglicher Parlamentspraxis?)


Es gibt allerdings eine gute Lösung, um noch besser
zu werden und die Ausschussarbeit trotzdem in der Zwi-
schenzeit zu ermöglichen. Um nichts anderes geht es.
Um den Zeitraum zu überbrücken, bis die Regierung ge-
bildet ist, wollen wir heute einen Hauptausschuss einset-
zen. Einen solchen Ausschuss gab es bisher nicht. Es
wird ihn aber geben, damit der Parlamentarismus, damit
die parlamentarische Arbeit, damit die Ausschussarbeit
besser als in den letzten Jahrzehnten organisiert und
durchgeführt werden können.

Deswegen ist unser Vorschlag, einen Hauptausschuss
einzusetzen, eine wesentlich bessere Lösung, als – das
ist ja ein bisschen althergebracht – die Einsetzung aller
Ausschüsse zu beantragen, wo Sie doch selbst wissen,
dass dies zum aktuellen Zeitpunkt gar nicht geht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will Ihnen abschließend Folgendes sagen: Dieser
Hauptausschuss ermöglicht allen Fraktionen die effi-
ziente Mitarbeit bei der Gesetzesvorbereitung. Wir soll-
ten daher im Interesse der Handlungsfähigkeit dieses
Parlamentes, die sich bereits verbessert hat, die aber
durch den Hauptausschuss noch besser werden kann,
dem Wege der Vernunft folgen und nicht jetzt schon
verfrühten oppositionellen Reflexen verfallen. Frau
Haßelmann, noch können Sie den Antrag zurückziehen.
Zustimmen werden wir ihm nicht; denn auch in der Sa-
che ist das, was Sie da wollen, nicht begründbar.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300200

Das Wort hat nun die Kollegin Petra Sitte für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800300300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Kern

streiten wir uns immer noch darüber, dass der Bundestag
auch in der Phase der Bildung von Koalitionen und
Regierungen verhandlungsfähig sein muss. Die Koali-
tionsverhandlungen dauern an. Die SPD muss ihre Mit-
gliederbefragung über die Bühne bekommen und der-
gleichen mehr.


(Christine Lambrecht [SPD]: Wir wollen sie befragen!)


Im Wesentlichen geht es aber darum, dass der Bundestag
auch in dieser Phase seinen Aufgaben nachkommen
muss.





Dr. Petra Sitte


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was machen wir denn hier?)


Das ist zum einen Gesetzgebung, und das ist zum ande-
ren natürlich Regierungskontrolle. Auch eine geschäfts-
führend amtierende Bundesregierung will kontrolliert
werden. Frau Bundeskanzlerin hatte ja in der ersten Sit-
zung ausdrücklich zugestimmt. Wir sind uns ausnahms-
weise in diesem Punkt einig.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sauber! Beifall!)


Nun ist allerdings die Frage der Umsetzung strittig.
Das haben wir eben schon gemerkt. Herr Grosse-Brömer
hat da ein bisschen was durcheinandergeworfen. Es gab
schon einen Antrag der Linken. Wir hatten darin bean-
tragt, die Ausschüsse einzusetzen, die im Grundgesetz
als ständige Ausschüsse vorgesehen sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir hatten darin außerdem beantragt, die Ausschüsse
einzusetzen, die nach dem Haushaltsgesetz und nach der
Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehen sind.
Das sind unter anderem der Petitionsausschuss, der Aus-
wärtige Ausschuss, der Verteidigungsausschuss und der
Europaausschuss. Die Einsetzung von Innen-, Rechts-
und Finanzausschuss hatten wir ebenfalls beantragt, weil
diese Ausschüsse seit mindestens der dritten Legislatur-
periode in genau diesem Zuschnitt existieren und weil
sie damit als quasi ständige Ausschüsse die Neubildung
der Regierung und auch die Neubildung der Ausschüsse
im Bundestag überdauert hätten. Deshalb ist der Antrag
rechtskonform.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun wird seitens der SPD und der Union die Einset-
zung eines Hauptausschusses beantragt. Wir haben über-
haupt nichts dagegen, wenn Sie sich bemühen, dass der
Bundestag arbeitsfähig wird, aber es muss rechtskon-
form geschehen. Dieser Hauptausschuss, so wie Sie ihn
in Ihrem Einsetzungsantrag vorsehen, ist grundgesetz-
widrig. Deshalb werden wir diesem Antrag auch nicht
zustimmen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erstens. Er taucht weder im Grundgesetz noch in der
Geschäftsordnung des Bundestages auf.

Zweitens. Er ist singulär. Unsere Geschäftsordnung
und das Grundgesetz sehen ausdrücklich vor, dass stän-
dige Ausschüsse – Mehrzahl wohlgemerkt – einzusetzen
sind.

Drittens. Er ist aber auch kein Sonderausschuss, weil
er sich nicht um einzelne Fragen kümmert, wie es die
Geschäftsordnung vorsieht. An den Hauptausschuss sol-
len vielmehr viele Gesetzesvorlagen und Anträge über-
wiesen werden. Wir sehen das ja schon an der heutigen
Tagesordnung.

Viertens. Es ist auch kein ständiger Ausschuss, denn
er soll mit der endgültigen Konstituierung der Aus-
schüsse wieder aufgelöst werden. Das haben Sie ja be-
reits gesagt.

Das sind schon einmal vier Gründe, um dem Antrag
auf Einsetzung dieses Ausschusses nicht zuzustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Fünftens. Besonders gravierend ist für uns allerdings,
dass dem Hauptausschuss Aufgaben zugewiesen wer-
den, die ihm gemäß Grundgesetz gar keinen Spielraum
lassen. Verteidigungsfragen sind im Verteidigungsaus-
schuss zu behandeln. Haushaltsfragen sind im Haus-
haltsausschuss zu behandeln und nicht in einem Haupt-
ausschuss.

Sechstens. Der Hauptausschuss verstößt allerdings
auch – meine Kollegin hatte vorhin schon einen entspre-
chenden Einwurf gemacht – gegen die Ausübung des
freien Mandats. Nach § 57 der Geschäftsordnung steht
jedem Abgeordneten eine Mitarbeit in mindestens einem
Ausschuss zu. Das Grundgesetz spricht hierbei von glei-
chen Rechten und Pflichten. Wenn aber gemäß Ihrem
Einsetzungsverfahren nur 15 Prozent der Abgeordneten
mitwirken können, dann bleiben 85 Prozent außen vor.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Für zwei Wochen!)


Nach unserem Antrag wären immerhin 592 Abgeordnete
in die Situation gekommen, hier mitzuwirken.

Dies sind zwei weitere Gründe für die Ablehnung des
Antrags.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun stellen die Bündnisgrünen einen Antrag, der so
aussieht, als könnte er rechtskonform sein. Sie beantra-
gen nämlich nichts anderes, als alle Ausschüsse der
17. Wahlperiode einzusetzen. Das Problem ist,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Rechtswidrig!)


dass auch dies keine ständigen Ausschüsse sind. Die
Grünen sagen ja selbst, dass sie sich selbst auflösen sol-
len, sobald der endgültige Zuschnitt der Ausschüsse fest-
steht. Aufgrund dieses Punktes ist auch dieser Antrag
nicht rechtskonform.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Dieser Antrag hat mich auch deshalb ein wenig ge-
wundert, weil in der Runde der Parlamentarischen Ge-
schäftsführer vonseiten der Grünen gesagt wurde: Die
Gesetzentwürfe des Bundesrates sollten wir im Haupt-
ausschuss beraten. – Okay, Sie müssen klären, welcher
Widerspruch sich hier zeigt.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Fakt ist: Hätten Sie in der letzten Bundestagssitzung
unserem Antrag zugestimmt, dann wäre der Bundestag
längst arbeitsfähig, und er wäre es demokratisch und
rechtskonform.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)







(C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300400

Thomas Oppermann ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1800300500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist

der 28. November.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!)


Gestern sind erfolgreich die Koalitionsverhandlungen
zwischen CDU/CSU und SPD abgeschlossen worden.
Bei normalem Verlauf der Dinge würde am morgigen
Freitag ein kleiner oder ein großer Parteitag über den
Koalitionsvertrag debattieren und entscheiden, und wir
könnten dann am Montag mit der Wahl der Bundeskanz-
lerin die Regierungsbildung einleiten und noch im Laufe
der Woche die Ausschüsse festlegen und konstituieren.
Dass es diesmal anders läuft, liegt nicht nur an den sehr
aufwendigen Sondierungsgesprächen, die den Koali-
tionsverhandlungen vorangegangen sind, sondern auch
daran, dass die SPD sich entschieden hat, über diesen
Koalitionsvertrag ihre Mitglieder entscheiden zu lassen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


Ich möchte bei Ihnen allen, Kollegen und Kollegin-
nen, um Verständnis dafür werben, dass wir ein solches
demokratisches Experiment eingehen. Das hat bisher
noch keine Partei so gemacht. Ich meine, das ist kein
Rückschlag für unsere Demokratie, sondern das ist eher
eine Bereicherung für unsere Demokratie.


(Beifall bei der SPD)


Einen Parteitag mit 500 oder 600 Delegierten kann
man an einem Wochenende durchführen. Wenn aber
470 000 Mitglieder der SPD diese Entscheidung treffen
sollen, dann brauchen wir dafür zwei Wochen. Das sind
zwei Wochen für mehr innerparteiliche Demokratie.


(Beifall bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kann man doch nicht das Parlament lahmlegen!)


– Frau Göring-Eckardt, vielleicht läuft das Ganze ja so-
gar so gut, dass Sie am Ende in vergleichbaren Situatio-
nen auch einmal Ihre Mitglieder entscheiden lassen wol-
len.


(Beifall bei der SPD)


Vielleicht gibt es demnächst schon in Hessen eine Gele-
genheit, Ihre Mitglieder zur dortigen Koalition zu befra-
gen.


(Beifall bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können doch nicht das Parlament lahmlegen!)


Jetzt für eine Übergangszeit von nur zwei Wochen
insgesamt 22 Ausschüsse mit 683 Mitgliedern bilden zu
müssen, stellt aus meiner Sicht einen unverhältnismäßi-
gen Aufwand dar; denn in zwei Wochen müssten wir das
wieder komplett neu organisieren. Es liegen in der Tat
Gesetzentwürfe vor, aber diese kann auch der Hauptaus-
schuss kompetent beraten.

Sie von den Grünen haben ja noch keinen einzigen
Gesetzentwurf eingebracht, der beraten werden könnte.
Die Linken haben immerhin einige Gesetzentwürfe vor-
gelegt; das muss man ja einmal feststellen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das stimmt!)


Der Hauptausschuss ist natürlich nicht grundgesetz-
widrig. Das ist ein Ausschuss, in dem das Parlament
jetzt für einen kurzen Zeitraum entscheidet, wie es seine
Arbeit organisiert.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Im Grundgesetz ist vorgesehen, dass das Parlament auto-
nom ist, wenn es darum geht, seine eigene Arbeit zu re-
geln. Von dieser Autonomie machen wir jetzt Gebrauch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde es gut, dass wir das Präsidium mit der Lei-
tung des Hauptausschusses beauftragen,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt! Da sind so viele drin!)


nicht nur, weil dann mit der Person unseres Präsidenten
auch eine kompetente Leitung des Hauptausschusses ge-
währleistet ist, sondern auch, weil die Vizepräsidenten
der Parteien, die hier im Bundestag möglicherweise
Oppositionsfraktionen sein werden, an der Leitung die-
ses Hauptausschusses beteiligt werden.

Wir haben in den Koalitionsverhandlungen zwischen
Union und SPD auch geklärt, dass wir die Minderheiten-
rechte in diesem Parlament zur Geltung bringen wollen.
Eine starke Demokratie braucht eine handlungsfähige
Opposition. Das werden wir in Gesprächen mit allen
Fraktionen in diesem Bundestag sicherstellen.

Seien Sie bitte so einsichtig und vernünftig, uns die
nächsten zwei Wochen mit dem Hauptausschuss leben
zu lassen. Wir können zusagen, dass wir die Ausschüsse
noch in diesem Jahr, noch vor Weihnachten, exakt defi-
nieren und einsetzen,


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


sodass sie dann im nächsten Jahr ihre Arbeit beginnen
können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300600

Zum Schluss dieser Runde spricht die Kollegin Britta

Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(A)







(A) (C)



(D)(B)


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800300700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber
Thomas Oppermann, ich glaube, in Sachen Basisdemo-
kratie brauchen die Grünen keine Belehrungen der SPD.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD])


Mit dem Thema Urabstimmungen haben wir Erfahrun-
gen, über die wir uns gerne austauschen können. Wir ha-
ben zwei Urabstimmungen durchgeführt und können Ih-
nen sagen, was das bedeutet.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das haben wir aber schon vor euch gemacht!)


In Hinblick auf Hessen sei an der Stelle kurz erwähnt:
Auch die Grünen in Hessen brauchen die Ratschläge der
SPD-Bundestagsfraktion nicht, denn in Hessen wird eine
Mitgliederversammlung über den Koalitionsvertrag ent-
scheiden. Die Parteitage des Landesverbandes Hessen
sind nämlich immer Mitgliederversammlungen für die
gesamte Mitgliedschaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun aber zum Thema. Herr Grosse-Brömer, Sie ha-
ben sich gerade mit den beiden Plenarsitzungen und der
Fragestunde, die das Parlament abhält, gerühmt. Meine
Damen und Herren, allen Abgeordneten, auch Ihnen von
der Union und von der SPD, muss es doch ein Anliegen
sein, dass wir als Parlament endlich unsere Arbeit auf-
nehmen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was machen wir denn hier?)


dass Sie Rechte und Pflichten haben, dass wir nicht län-
ger im Stand-by-Modus bleiben


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie keinen Wahlkreis?)


und darauf warten, dass die Koalitionsverhandlungen
abgeschlossen werden. Dieser erste Schritt ist jetzt er-
folgt. Der zweite Schritt ist: Wir warten auf Ressortzu-
schnitte. Erst danach können wir vielleicht die Arbeit
aufnehmen.

Das Problem ist doch: Bisher ist kein Zeitplan,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hat Herr Oppermann doch gerade gesagt!)


den Sie der Parlamentarischen Geschäftsführerin der
Linken und mir zugesagt haben, bisher ist nichts einge-
halten worden. Wir hatten klar vereinbart: Wenn Ihre
Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, dann ste-
hen die Ressortzuschnitte, dann können wir über die
Ausschüsse verhandeln. – Nichts davon ist der Fall. Ges-
tern Abend haben wir erfahren, dass die Ressortzu-
schnitte erst nach dem Mitgliederentscheid erfolgen. Das
heißt, wir sind weiterhin im Wartemodus, und das ist
falsch,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und zwar für das gesamte Parlament, nicht nur für die
Oppositionsfraktionen.
Die Arbeitsfähigkeit des Bundestages muss herge-
stellt werden.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir sind schon arbeitsfähig!)


Sie ist durch die Einrichtung des Hauptausschusses al-
lein noch nicht gegeben. Wer hat denn die beiden Plenar-
sitzungen, wer hat die Fragestunde beantragt? Wir haben
den Präsidenten angeschrieben und beantragt, dass der
Deutsche Bundestag tagt, sowohl am 18. November als
auch am 28. November.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehen Sie, geht doch! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Wir waren es, die wollten, dass endlich eine Fragestunde
stattfindet,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir wollten diese Sitzung, Frau Haßelmann!)


nicht die Unionsfraktion oder die SPD-Fraktion. So sieht
es aus im Parlament, meine Damen und Herren. Sonst
hätten Sie sich weiterhin nur mit sich selbst beschäftigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei allem Verständnis dafür, dass man für Koalitions-
verhandlungen – auch wir haben diverse geführt – natür-
lich eine gewisse Zeit braucht: Das, was da jetzt stattfin-
det, ist ein absoluter Wirrwarr.


(Zuruf von der SPD: Na, na, na!)


Erst hieß es: Wir brauchen eigentlich keinen Hauptaus-
schuss. – Dann heißt es: Wir brauchen ihn jetzt doch. –
Die Gesetzentwürfe aus dem Bundesrat, die wir dort ei-
gentlich hätten beraten sollen, werden da gar nicht bera-
ten. Sie werden nämlich heute vom Bundestag beraten
und sollen, indem vom Hauptausschuss nur die vom
Haushaltsausschuss zu erledigende Prüfung


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben doch noch gar keinen!)


durchgeführt werden soll, kurzerhand zur zweiten und
dritten Lesung wieder an den Bundestag überwiesen
werden.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vorher wird debattiert!)


Das ist eine Geschichte, die wir immer wieder themati-
siert haben. Wir wissen, dass es den Ländern sehr wich-
tig ist, dass wir die Bundesratsinitiativen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)


also das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz und das Gesetz
zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgeset-
zes, noch in diesem Jahr verabschieden. Das ist für die
Länder bedeutend. Aber dafür nutzen Sie den Hauptaus-
schuss gar nicht. Sie richten ihn als großes Sammelbe-
cken für jede unliebsame Initiative ein.

Das hat man doch am allerbesten an der NSA-Ge-
schichte gesehen: SPD und Union waren sich über unse-
ren Entschließungsantrag zum Thema NSA-Abhörskan-





Britta Haßelmann


(A) (C)



(D)(B)

dal uneinig. Sie von der SPD haben hier flockige Reden
darüber gehalten, was man alles tun muss und wie wahn-
sinnig schwierig das alles ist. Am Ende waren Sie sich
nicht darüber einig, wie man mit dem Antrag der Grünen
umgeht, und versenken ihn in einem Hauptausschuss. So
sieht es aus. Dies jetzt als wahnsinnig guten Parlamenta-
rismus zu verkaufen, führt doch völlig an der Sache vor-
bei. Ich bitte Sie!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben die Koalitionsverhandlungen abgewartet,
die jetzt abgeschlossen sind. Bis auf die fünf Abgeordne-
ten meiner Fraktionen, die wir jetzt für den Hauptaus-
schuss benennen dürfen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Plus fünf Stellvertreter!)


müssen alle anderen warten, bis sie erfahren, wie sie
Ausschussarbeit, wie sie Parlamentsarbeit machen dür-
fen.

Im Übrigen wollen doch auch die vielen Abgeordne-
ten Ihrer Fraktionen endlich wissen, wann der Ressort-
zuschnitt steht. Er wird frühestens am 15. Dezember
– der 16. Dezember wird uns genannt – stehen, weil erst
dann der Mitgliederentscheid der SPD beendet ist. Bei
allem Verständnis für Basisarbeit, Basisbefragungen und
Mitgliederentscheid – wie gesagt, da brauchen wir keine
Belehrung –: Ich finde, das Parlament kann nicht so
lange warten. Wir wollen hier arbeiten, und wir wollen
nicht länger im Stand-by-Modus sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir arbeiten schon!)


Lassen Sie mich am Schluss, Herr Präsident, mit Ihrer
Erlaubnis, Sie selbst zitieren:

Das Bemühen, das alles bis zur Kanzlerwahl zu
vertagen, halte ich weder für plausibel noch für not-
wendig …

So sehen wir es auch, und deshalb haben wir den Antrag
auf Einsetzung der Ausschüsse gestellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Druck-
sache 18/102 mit dem Titel „Einsetzung von Ausschüs-
sen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der
Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD ge-
gen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei
Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksa-
che 18/101 zur Einsetzung eines Hauptausschusses. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen
der Antragsteller gegen die Stimmen der Fraktionen
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen.
Damit ist der Hauptausschuss eingesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich weise diejenigen, die von den Fraktionen dafür no-
miniert sind, darauf hin, dass er sich heute Nachmittag
um 13.30 Uhr konstituiert.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der von den Verein-
ten Nationen geführten Friedensmission in
Südsudan (UNMISS) auf Grundlage der Re-
solution 1996 (2011) des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen vom 8. Juli 2011 und Fol-
geresolutionen, zuletzt 2109 (2013) vom
11. Juli 2013

– Drucksache 18/71 –

Wir werden über den Antrag am Ende der Debatte na-
mentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache unter Berücksichtigung der zwischen
den Fraktionen vereinbarten Redezeiten insgesamt
38 Minuten vorgesehen. Das ist eine etwas kunstvolle
und untypische Größenordnung, an die wir uns vielleicht
gewöhnen müssen. Gibt es dagegen Einwände? – Das ist
nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Bundesminister der Verteidigung, Thomas
de Maizière.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Im dritten Jahr seiner Unab-
hängigkeit steht der Südsudan weiterhin vor großen He-
rausforderungen. Humanitäre Notlagen sowie eine
schwierige Sicherheitslage prägen nach wie vor das Bild
in verschiedenen Regionen des Landes.

Allein in diesem Jahr waren über 1,8 Millionen Men-
schen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Insbeson-
dere im Bereich des nordöstlichen Bundeslandes Jonglei
kommt es bei Auseinandersetzungen um Vieh und Wei-
deland immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen.
Circa 100 000 Menschen haben allein im letzten Jahr die
betroffenen Siedlungsgebiete aus Furcht vor Angriffen
verlassen.

Dauernder Frieden im Südsudan kann nur erreicht
werden, wenn die Grundursachen der dahinterliegenden
Konflikte angegangen werden. Das ist ein schwieriger
und ein langwieriger Weg nach 50 Jahren Bürgerkriegs-
erfahrung.





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Trotz aller Defizite und Mängel, die es auch gegen-
über der Regierung des Südsudan klar anzusprechen gilt,
sind heute, zweieinhalb Jahre nach der Staatengründung,
auch erste kleinere Erfolge zu verzeichnen: Die Men-
schenrechtssituation hat sich zumindest ansatzweise ver-
bessert, auch wenn sie noch nicht annähernd so ist, wie
wir sie uns erhoffen.

Wie gefährlich der Einsatz ist, zeigt der Brennpunkt
Juba. In den letzten Monaten gab es dort viele Fälle, in
denen UN-Personal und internationale Diplomaten von
militanten Kräften bedroht, verhaftet oder angegriffen
worden sind. Dies sind Vorkommnisse, die nicht zu tole-
rieren sind. Dass die internationale Gemeinschaft den-
noch den richtigen Weg eingeschlagen hat, verdeutlicht
die kürzlich erfolgte Verurteilung von 92 südsudanesi-
schen Soldaten wegen schwerer Menschenrechtsverlet-
zungen. Mit Unterstützung von UNMISS, einer Mission
unter dem Mandat der Vereinten Nationen, ist es zudem
gelungen, ein Versöhnungsabkommen zwischen den eth-
nischen Gruppen in der Region zu verhandeln. Dieses
gilt es nun umzusetzen und zu überwachen. Die wirt-
schaftliche Lage hat sich aufgrund des wieder zugelasse-
nen Ölexports zwar stabilisiert; für eine Linderung der
humanitären Not kann die Regierung des Südsudan al-
lerdings noch nicht annähernd eigenständig sorgen.

Trotz dieser guten Ansätze gilt: Die Ausgangsbedin-
gungen für den noch jungen Staat Südsudan sind schwie-
rig, und er steht vor vielfältigen Herausforderungen. Die
militärische Präsenz der VN-Mission im Südsudan bleibt
deshalb weiterhin unverzichtbar. Es gilt, den Bedrohun-
gen vor Ort zu begegnen, vertrauensbildend in der
Fläche zu wirken und den Zugang für Personal der Ver-
einten Nationen und humanitäre Organisationen zu ge-
währleisten.

Deutschland ist mit über 60 Nationen der internatio-
nalen Völkergemeinschaft dabei. Das soll auch in Zu-
kunft so bleiben. Wir sind mit zuletzt 16 Soldaten in den
Stäben vertreten. Durch den nicht ungefährlichen Ein-
satz unserer Soldaten sowie der derzeit sechs Polizisten
leistet Deutschland seinen Beitrag zur Friedenskonsoli-
dierung und zum längerfristigen Staatsaufbau.

Auch wenn sich Fortschritte nur langsam abzeichnen,
gilt Folgendes:

Erstens. UNMISS leistet einen wichtigen Beitrag zur
Stabilisierung und zum Aufbau des Südsudan.

Zweitens. Die bloße Gegenwart, die große Präsenz
der internationalen Gemeinschaft hat eine mäßigende
Wirkung auf die Konfliktparteien und stabilisiert das ge-
samte regionale Umfeld.

Drittens. Unser Engagement ist notwendig, um eine
humanitäre Verschärfung sowie eine weitere militärische
Eskalation in dieser unruhigen Region zu verhindern.

Deswegen bitten wir als Bundesregierung um Ihre
Zustimmung zur weiteren Beteiligung an UNMISS mit
bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit Blick
auf die Debatte heute Nachmittag noch ein paar Worte
zu UNAMID sagen, zu der Mission in Darfur. Kernauf-
trag dieser Mission sind die Unterstützung des Friedens-
prozesses, der Schutz von Zivilisten und die Sicherung
des Zugangs für humanitäre Hilfsorganisationen. Auch
in Darfur leistet die UNO mit ihrer Mission, mit
UNAMID, allein durch ihre Präsenz in Form von rund
21 000 Soldatinnen und Soldaten sowie Polizistinnen
und Polizisten einen Beitrag zur Verbesserung der huma-
nitären Lage vor Ort. UNAMID schafft den notwendi-
gen Rahmen, innerhalb dessen sich die politischen
Bemühungen um ein Ende der Krise in Darfur weiterent-
wickeln können. Deshalb ist auch diese Mission unver-
zichtbar.

Mit unseren derzeit zehn Soldaten im Hauptquartier
unterstützen wir als einziger westlicher Truppensteller
neben der Türkei die Auftragsdurchführung der Mission.
Die bei dieser VN-Mission eingesetzten Soldatinnen und
Soldaten arbeiten unter den schwierigsten denkbaren
Umständen. Ich möchte an dieser Stelle den Soldatinnen
und Soldaten bei UNMISS und bei UNAMID sowie den
dort eingesetzten Polizistinnen und Polizisten meine und
unsere Hochachtung für ihr bemerkenswertes Engage-
ment und ihre Professionalität aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bitte unterstützen Sie daher heute Nachmittag auch den
Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Mis-
sion UNAMID in Darfur.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800300900

Nächster Redner ist der Kollege Christoph Strässer

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1800301000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn
einer neuen Legislaturperiode als erstes Thema in der
Außenpolitik gleich über einen Auslandseinsatz der
Bundeswehr im Rahmen eines Mandates der Vereinten
Nationen zu debattieren und zu entscheiden, ist sicher-
lich nicht das, was sich die meisten von uns wünschen.
Gut aber ist, dass wir darüber hier im Deutschen Bun-
destag debattieren, weil wir damit zum Ausdruck brin-
gen, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist und
sich daran auch nichts ändern wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der Antrag der Bundesregierung, mit dem wir uns
heute auseinanderzusetzen haben, bezieht sich auf eine
Beteiligung deutscher Streitkräfte an der von den Verein-
ten Nationen geführten Friedensmission in Südsudan.
Angesichts der Verantwortung der internationalen Ge-
meinschaft für die Entwicklung in dieser Region, die
auch nach der Selbstständigkeit des Südsudan mehr als
fragil ist, halten wir die Fortsetzung dieser Mission nicht





Christoph Strässer


(A) (C)



(D)(B)

nur für verantwortbar, sondern auch für notwendig. Die
SPD-Fraktion wird dem Antrag daher zustimmen.

Wir halten es für richtig, das UNMISS-Mandat bis
Ende 2014 fortzuschreiben und eine Personalstärke von
bis zu 50 deutschen Soldaten zu ermöglichen, und zwar
auch, weil das ein Signal an den Sudan, an den Süd-
sudan, an die Afrikanische Union sowie an die interna-
tionale Gemeinschaft ist, dass sich Deutschland weiter
für eine nachhaltige Stabilität in der Region einsetzt. Ge-
genwärtig sind 16 deutsche Soldaten im Rahmen des
Mandats im Einsatz. Sie leisten dort unverzichtbare Ar-
beit. Dafür danken wir ihnen wie auch den wenigen Poli-
zisten und den vielen zivilen Helfern, die sich in der
Region für die Umsetzung von Menschenrechten enga-
gieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schon bemerkenswert – ich weiß, dass das dem
Auftrag des Parlaments hinsichtlich des Bundeswehrein-
satzes geschuldet ist –, dass wir hier nur über den Ein-
satz von Soldaten debattieren. Wir haben in der letzten
Legislaturperiode zwei interfraktionelle Anträge zum
Sudan eingebracht und in diesen eine nachhaltige, kohä-
rente Menschenrechts- und Entwicklungspolitik gefor-
dert. Davon sind wir nach jetzigem Stand im nationalen
wie auch im internationalen Kontext leider noch weit
entfernt trotz nicht unerheblicher Anstrengungen auch
im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, wie sie
auch im Mandatsantrag dargestellt werden.

Die Ursachen für die anhaltende Instabilität sind viel-
fältig und hängen eng zusammen mit den Entwicklun-
gen, die seit der Unabhängigkeit des Sudan im Jahre
1956 nicht beseitigt werden konnten. Da ist zum einen
die Situation im Sudan insgesamt. Seit der Unabhängig-
keit 1956 wird das Land von einem nur durch eine kurze
Periode unterbrochenen Bürgerkrieg zwischen dem
überwiegend arabisch-islamischen Norden und dem Sü-
den des Landes erschüttert, der formal erst durch das
umfassende Friedensabkommen von 2005 beendet
wurde, das nur unter intensiver Beteiligung der interna-
tionalen Gemeinschaft zustande kommen konnte. Letzt-
lich gab es eine Volksabstimmung, die zur Unabhängig-
keit des Südens führte.

Hinzu kamen Auseinandersetzungen zwischen No-
maden und sesshaften Farmern um Ressourcen, die auch
bedingt durch den Klimawandel immer geringer werden.
Der seit 2003 andauernde Konflikt in der westlichen Re-
gion Darfur ist nur ein Brennpunkt für diese Entwick-
lung, der aber zeigt, dass eine nachhaltige Befriedung
nur bei Lösung aller Konflikte in dieser Region denkbar
ist. Hierzu bedarf es mehr als des UNMISS-Mandates.
Hierzu bedarf es einer Fortschreibung des Länderkon-
zeptes und engerer Zusammenarbeit im europäischen
Kontext, die wir von der nächsten Bundesregierung
nachhaltig einfordern werden.

Der zweite Konfliktherd ist die Situation zwischen
Sudan und Südsudan. Nach wie vor sind nicht alle Vor-
gaben des umfassenden Friedensabkommens umgesetzt,
insbesondere was den endgültigen Grenzverlauf und die
Verteilung der Einkünfte aus der Erdölförderung angeht.
Immer wieder kommt es zu Truppenbewegungen und
Kämpfen zwischen den sudanesischen Streitkräften und
der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee, SPLA. Diese
immer wieder auch kriegerischen Auseinandersetzungen
sind für die Menschen in der Grenzregion nicht mehr er-
träglich. Auch die VN-mandatierte Grenzüberwachung
durch die Mission UNISFA kann dies nicht verhindern.

Die humanitäre Situation wird immer schlimmer. An-
haltende Kämpfe in den Staaten Blauer Nil und Süd-
kordofan im Süden des Sudan führten zur Flucht von
mehr als 200 000 Menschen in den benachbarten Süd-
sudan. Viele davon haben auf der Flucht ihr gesamtes
Hab und Gut zurücklassen müssen. Seit Juni 2012 leistet
der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
im Norden des Südsudan Not- und Überlebenshilfe für
mehr als 115 000 Personen. Mehr als 400 000 Personen
sind vertrieben worden. Aufgrund andauernder bewaff-
neter Konflikte sowie Nahrungsmittel- und Wasser-
knappheit können Flüchtlinge den Sudan nicht verlas-
sen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Auch die wirtschaftliche Situation ist prekär, nicht zu-
letzt deshalb, weil der Streit unter anderem über die Nut-
zung von Erdöl dazu geführt hat, dass sich Khartum Öl-
felder im Süden angeeignet hat und dass der Südsudan
zwischenzeitlich immer wieder beschlossen hat, die Erd-
ölförderung zu unterbrechen. Vor allem die Zugehörig-
keit der erdölreichen und landwirtschaftlich produktiven
Region Abyei ist nach wie vor nicht geklärt.

Schließlich ist auch die Entwicklung im Südsudan
selbst weit hinter den Erwartungen zurück, die mit dem
Abschluss des Friedensvertrages und der Selbstständig-
keit verbunden waren. Das gilt für nahezu alle gesell-
schaftlichen Bereiche. Es fehlt an vielem. Der Aufbau
staatlicher und rechtsstaatlicher Strukturen kommt nur
sehr langsam voran. Die ausreichende Versorgung mit
Nahrungsmitteln und insbesondere der Zugang zu saube-
rem Wasser sind nach wie vor nicht immer und für alle
Gruppen der Bevölkerung gewährleistet. Auch gibt es
immer wieder Berichte über Menschenrechtsverletzun-
gen durch die südsudanesischen Streitkräfte an der Zivil-
bevölkerung. Es gibt Nachrichten über schwere Zusam-
menstöße zwischen Gemeinschaften insbesondere in der
Provinz Jonglei.

All diese Tendenzen können natürlich nicht allein
durch die Mission UNMISS beseitigt werden. Aber wir
sind davon überzeugt, dass UNMISS ein Teil einer Ent-
wicklung ist, die wir unterstützen sollten. Wir fordern
auch nachhaltig, dass eine verstärkte Umsetzung der
EU-Länderstrategie erfolgt. Sie existiert seit Januar 2012
und fordert in Zusammenarbeit mit UNMISS und natio-
nalen wie internationalen Partnern den Einsatz für Kon-
solidierung von Demokratie, Achtung der Menschen-
rechte, Rechtsstaatlichkeit sowie verantwortungsvolle
Staatsführung und Korruptionsbekämpfung.

Was wir brauchen, ist eine außenpolitische Länder-
strategie, die der Zweiteilung des Sudans und der Kom-
plexität der Situation gerecht wird, eine Länderstrategie,
die den Leitprinzipien von Demokratie, Achtung der





Christoph Strässer


(A) (C)



(D)(B)

Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungs-
voller Staatsführung und Korruptionsbekämpfung ver-
pflichtet ist. Aber wir brauchen mehr als theoretische
Konzepte. Wir brauchen vor allem deren Umsetzung.
Deshalb steht für uns die Resolution 2046 des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen vom 2. Mai 2012 im
Mittelpunkt. Der Friedensfahrplan der Afrikanischen
Union zur Lösung der Konflikte muss tatkräftiger und
mit mehr Mitteln unterstützt werden, als wir dies gegen-
wärtig tun. Wir sollten uns im VN-Sicherheitsrat weiter-
hin für robuste und der jeweiligen Situation angemes-
sene Mandate starkmachen, um ein flexibles Eingreifen
der VN-Friedensmissionen vor Ort zu ermöglichen.

Ich würde mir wünschen, dass über die Rolle
Deutschlands in diesem Zusammenhang in Zukunft in-
tensiver und konkreter diskutiert wird. Unser friedens-
und sicherheitspolitisches Engagement im Südsudan ist
deutlich verbesserungsfähig und verbesserungswürdig.
Wir sollten außerdem die internationale Hilfe für die Re-
publiken Sudan und Südsudan stärker mit der Verpflich-
tung zur Einhaltung von Menschenrechten sowie zur Be-
kämpfung von Korruption verbinden und damit auch
Drittstaaten wie China stärker in den politischen Dialog
mit einbeziehen.

Zu erreichen ist dieses Ziel für den Sudan, für den
Südsudan, für die gesamte ostafrikanische Region nur
mit einer Politik, die den regionalen Besonderheiten ge-
recht wird, die eine demokratische Staatsführung forciert
und die Einhaltung der Menschenrechte als Schlüssel zu
einer nachhaltigen Entwicklung begreift. Soldaten, Res-
sourcenreichtum und wirtschaftliches Wachstum allein
können eine solche Entwicklung nicht bewirken. Viel-
mehr geht es darum, politische Rahmenbedingungen zu
schaffen, mit denen sich für die Mehrheit der Bevölke-
rung die Lebensbedingungen verbessern und die Armut
verringern lassen. Armut ist nämlich nicht nur eine
Folge von ungünstigen ökonomischen Rahmenbedin-
gungen, sondern auch das Ergebnis mangelnder Partizi-
pation und der Verletzung der Menschenrechte.

Gerade die Menschen in Südsudan, die Zeit ihres Le-
bens nichts als Krieg und Ausbeutung erlebt haben, müs-
sen endlich erfahren, dass Frieden nicht nur formal ist,
sondern auch ihre materiellen und sozialen Lebensbedin-
gungen nachhaltig verbessert. Sie brauchen die ganz
konkrete Erfahrung und die Wirklichkeit einer soge-
nannten Friedensdividende.

Meine Damen und Herren, zum Schluss dieser etwas
dunklen Darstellung der Situation in der Region möchte
ich aber auch noch etwas Positives mitteilen. Die Süd-
deutsche Zeitung hat gestern berichtet, dass vor wenigen
Tagen zwei ostafrikanische Staaten erklärt haben, der
UN-Kinderrechtskonvention beitreten zu wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Neben Somalia tat dies auch der Südsudan. Das ist nicht
nur ein formaler Akt. Vielmehr müsste und sollte ihre
tatsächliche Umsetzung auch zu einer erheblichen Ver-
besserung der Situation von Kindern führen, insbeson-
dere für solche, die immer noch als Kindersoldaten
rekrutiert und ihr Leben lang traumatisiert werden. Ich
glaube, wir sollten insbesondere das südsudanesische
Parlament zu dieser Entscheidung auch von hier aus be-
glückwünschen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nunmehr, meine Damen und Herren, gibt es unter den
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nur noch einen
Staat, der die Kinderrechtskonvention nicht ratifiziert
hat. Das sind – wer ahnt es? – die Vereinigten Staaten
von Amerika. Vielleicht können unsere Freunde jenseits
des Atlantiks von dieser Entscheidung des südsudanesi-
schen Parlaments etwas lernen; dann hätte diese Ent-
scheidung eine noch größere Bedeutung als ohnehin
schon.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Ich glaube, wir würden diesen Prozess von hier aus
nachhaltig unterstützen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800301100

Christine Buchholz ist die nächste Rednerin für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800301200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ge-

schäftsführende Verteidigungsminister, Herr de Maizière,
hat gestern in unserer Fraktion für den Antrag der Bun-
desregierung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes
im Südsudan geworben. Das selbsterklärte Ziel der Mis-
sion UNMISS ist es, die Regierung des Südsudans, der
sich vor zwei Jahren vom Norden abgespalten hat, bei
der Friedenskonsolidierung zu unterstützen. Herr de
Maizière hat gestern wörtlich gesagt: Für dieses Mandat
gibt es seit der Bundestagsdebatte vor einem Jahr keinen
neuen Sachstand, keine neuen Argumente.

Dem widersprechen wir heftig.


(Beifall bei der LINKEN)


Zum einen eskalierte der Konflikt zwischen Nord- und
Südsudan. Als Folge des Streits um die Aufteilung der
Ölgewinne stellte der Südsudan mehr als ein Jahr lang
die Ölproduktion ein. Das hatte dramatische Folgen:
Beispielsweise bürdete die Regierung dem Südsudan ein
Spardiktat auf, das bis heute weiterbesteht und unter an-
derem dazu führt, dass Lehrer und Krankenschwestern
seit zwei Monaten kein Gehalt mehr bekommen.
Schließlich eskalierte der bewaffnete Konflikt im Bun-
desstaat Jonglei und in anderen Regionen. Selbst Juba
ist, wie Herr de Maizière heute selbst gesagt hat, zu ei-





Christine Buchholz


(A) (C)



(D)(B)

nem Brennpunkt geworden, was vorher nicht der Fall
gewesen war. Ist das kein neuer Sachstand?

Ich glaube, wir können bei allen Bundeswehreinsät-
zen ein und dasselbe Muster beobachten: Es wird keine
ehrliche Bilanz gezogen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das gilt für den Einsatz im Südsudan genauso wie für
den Einsatz in Afghanistan. Wir halten das für unverant-
wortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Kernaufgabe der Mission UNMISS ist, wie gesagt,
die Unterstützung der südsudanesischen Regierung bei
der Friedenskonsolidierung. Die Bundesregierung ver-
wischt dabei, dass die Armee der südsudanesischen Re-
gierung, mit der der Frieden konsolidiert werden soll,
selbst Teil des Problems ist.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Genau!)


Human Rights Watch hat 24 Vorfälle aus dem Bundes-
staat Jonglei dokumentiert, in denen die südsudanesische
Armee zwischen Dezember 2012 und Juli 2013 nahezu
100 Angehörige des Volks der Murle getötet hat, darun-
ter Frauen und Kinder. Die südsudanesische Armee hat
Gebäude von Hilfsorganisationen und Schulen zerstört
und ganz nebenbei einen UN-Hubschrauber abgeschos-
sen. Mit anderen Worten: UNMISS hat das, was die
Bundesregierung als eine Kernaufgabe definiert, nicht
im Entferntesten erreicht. Der Einsatz konsolidiert kei-
nen Frieden. Das kann er auch nicht; denn Frieden kann
nicht durch die Entsendung von Truppen von außen ge-
bracht werden.


(Beifall bei der LINKEN)


UNMISS besteht aus 7 000 Soldaten; die meisten von
ihnen stammen selbst aus Entwicklungsländern. Der An-
trag der Bundesregierung gibt keinerlei Auskunft da-
rüber, was die Soldaten und auch die deutschen Stabs-
offiziere genau machen; stattdessen wird lang und breit
etwas zum Engagement der Entwicklungszusammen-
arbeit ausgeführt. Das ist wieder so eine Nebelkerze;
denn entwicklungspolitische Projekte – von denen die
Linke viele begrüßt – stehen hier überhaupt nicht zur
Abstimmung. Zur Abstimmung steht die Beteiligung
von bewaffneten Streitkräften. Aber niemand braucht
Soldaten, um Wasser- und Bildungsprojekte durchzufüh-
ren.


(Beifall bei der LINKEN)


UNMISS ist im Kern eine Militärmission und kostet
pro Jahr fast 1 Milliarde US-Dollar. Das ist viel Geld,
das besser angelegt werden könnte. Ich gebe Ihnen ein
kleines Beispiel: Dieses Geld könnte angelegt werden in
einem Präventionsprogramm gegen die grassierende
Flusskrankheit – eine Krankheit, die zur Erblindung
führt –, die ein großes Problem im Südsudan ist. Diese
Krankheit ist nur eines von vielen fundamentalen Pro-
blemen. Es gibt im gesamten Südsudan nur vier Augen-
kliniken.
Die Wahrheit ist: So wie Sie es anpacken, instrumen-
talisieren Sie die Entwicklungshilfe, um die Entsendung
von Militär zu rechtfertigen. Mit Friedenssicherung hat
das nichts zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Das merken die Menschen im Südsudan auch. Studenten
aus Juba sagten zum zweiten Jahrestag der Staatsgrün-
dung im Juli 2013 – ich zitiere –: Wir sind jetzt frei; aber
das Leben hat sich nicht verbessert. Kriminalität hat in
Juba zugenommen, Bildung und Gesundheitsdienste
sind teurer geworden.

Worum es tatsächlich geht, kann man auch im neuen
Koalitionsvertrag nachlesen; hier herrscht ja größte Ein-
tracht zwischen SPD und Union. Von einer „Kultur der
Zurückhaltung“, von der im schwarz-gelben Koalitions-
vertrag vor vier Jahren zumindest noch zu lesen war, ist
heute keine Rede mehr. In ihrem Koalitionsvertrag spre-
chen SPD und Union davon, die – Zitat – „globale Ord-
nung aktiv mitgestalten“ zu wollen. Das ist nicht mehr
und nicht weniger als eine diplomatische Umschreibung
für die Bereitschaft, in möglichst vielen Weltregionen
mit Truppen dabei zu sein – ob mit Militärbeobachtern,
mit Stabsoffizieren oder mit Kampfsoldaten. Herr
Strässer hat das eben ja auch noch einmal gesagt, als er
erwähnte, wir müssten uns in Zukunft für robuste und
flexible Einsätze starkmachen.

Das heißt im Klartext: Mit Schwarz-Rot wird es noch
mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr geben. Die
Linke steht dafür, zivil zu helfen, statt Militär in alle
Welt zu senden.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800301300

Die Kollegin Agnieszka Brugger ist die nächste Red-

nerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
Südsudan steht am Scheideweg, und die internationale
Gemeinschaft kann es sich nicht leisten, den jüngsten
Staat der Welt scheitern zu sehen. Dieser Einschätzung
von Hilde Johnson, der Leiterin der UN-Mission im
Südsudan, können wir Grüne voll und ganz zustimmen;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


denn die Menschen im Südsudan haben es verdient, dass
wir sie auf dem Weg hin zu mehr Frieden, zu mehr Ent-
wicklung und zu mehr Sicherheit nach Kräften unterstüt-
zen.

Dazu leistet UNMISS einen sehr wertvollen Beitrag.
Die Mission hat die Aufgabe, die Zivilbevölkerung zu
schützen, den Aufbau staatlicher Strukturen zu fördern
und die Menschenrechte zu stärken. Seit der Staatsgrün-
dung des Südsudan am 9. Juli 2011 konnte auf diesem
Wege bereits einiges erreicht werden, vieles leider aber
auch noch nicht.





Agnieszka Brugger


(A) (C)



(D)(B)

Seit der Wiederaufnahme der Erdölförderung erholt
sich die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes
sehr langsam, und 2012 sanken die Verbraucherpreise
für die Zivilbevölkerung endlich wieder. Aber auch bei
der Bekämpfung der Korruption hat sich einiges getan.
Beispielsweise wurden 16 000 „Geisteroffiziere“ von
der Gehaltsliste der südsudanesischen Polizei gestrichen.
Gleiches, so hat der Präsident öffentlich angekündigt,
soll auch beim Militär geschehen. Hier muss UNMISS
bei der Korruptionsbekämpfung weiter den Finger in die
Wunde legen.

Positiv war auch die diesjährige Zusammenarbeit der
südsudanesischen Regierung mit den NGOs und den
UN-Hilfsorganisationen bei der sich jährlich wiederho-
lenden Flutkatastrophe im November. Dadurch konnte
für knapp 140 000 notleidende Menschen die Versor-
gung mit Lebensmitteln und Medizin gesichert werden.

Meine Damen und Herren, natürlich können auch
viele Schritte in die richtige Richtung keineswegs da-
rüber hinwegtäuschen, dass es auch Rückschläge und
berechtigten Anlass zur Sorge, aber eben auch zu deutli-
cher Kritik gegenüber der südsudanesischen Regierung
und ihren Sicherheitskräften gibt. So kam es beispiels-
weise, wie Human Rights Watch berichtet, im Bezirk
Pibor zu massiven Menschenrechtsverletzungen, verübt
durch die Soldaten der südsudanesischen Armee bei
Kämpfen gegen Rebellengruppen. Statt wie beauftragt
die Menschen zu beschützen, haben die Soldaten Zivilis-
tinnen und Zivilisten getötet und Schulen zerstört.

UNMISS hat daraufhin an diesen Orten seine Präsenz
verstärkt und den geflohenen Menschen Schutz geboten
und sie aufgenommen. Wenn Sie den Bericht von Hu-
man Rights Watch gelesen hätten, dann wüssten Sie,
Kollegin Buchholz, dass sie nicht zu dem Schluss kom-
men, dass UNMISS beendet werden sollte; vielmehr
stellen sie fest, dass es UNMISS an Kapazitäten man-
gelt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


Vorfälle wie diese dürfen nicht vertuscht werden; sie
müssen konsequent verfolgt und geahndet werden.

Wir können auch feststellen, dass es hier im Gegen-
satz zu früher ein Umdenken gibt, dass nämlich Täter
verfolgt und benannt werden, auch wenn es hierfür bei
der Justiz noch an den notwendigen Kapazitäten man-
gelt.

Ich finde, diese Vorfälle machen vor allem deutlich,
dass der Fokus der Mission noch stärker auf die Wah-
rung der Menschenrechte gelegt werden muss – ganz be-
sonders im Hinblick auf die südsudanesische Armee und
Polizei.

Meine Damen und Herren, Staatsgründungen gesche-
hen nun einmal nicht am Reißbrett. Leider! Ich finde, ein
echter Wille zur Unterstützung zeichnet sich dadurch
aus, dass man nicht aufgibt, wenn es Rückschläge gibt
und wenn einmal etwas nicht nach Plan läuft. Ich glaube,
wir helfen den Menschen im Südsudan am besten und
am meisten, wenn wir unsere Unterstützung ernsthaft,
langfristig, verlässlich, aber eben auch kritisch gestalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das gilt besonders im Hinblick auf die Parlaments-
und Präsidentenwahlen in 2015; denn, um bei dem Bild
von Hilde Johnson zu bleiben: Damit der Südsudan am
Scheideweg die Richtung hin zu einem funktionierenden
Staat einschlägt, braucht es auch weiterhin eine starke
Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.
Wir Grüne begrüßen daher die breite Mehrheit für das
UNMISS-Mandat hier im Bundestag und werden ihm
auch zustimmen.

Der heutige Sitzungstag findet auf Antrag der Grü-
nen-Bundestagsfraktion statt. Weil sich Union und SPD
hier gemeinsamen Lösungen versperrt haben, haben wir
noch keinen wirklich arbeitsfähigen Bundestag. Bei den
Reden von Herrn Oppermann und Herrn Grosse-Brömer
vorhin konnte man den Eindruck gewinnen, das sei nicht
weiter schlimm, das sei vielleicht sogar ganz lustig. – Ich
finde es bedauerlich, dass wir bei Mandaten über die
Entsendung der Bundeswehr statt der üblichen zwei De-
batten im Parlament und intensiver Ausschussberatung
nur die heutige Debatte, verbunden mit einer Sofortab-
stimmung, haben. Ich halte das für falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


Denn die Entscheidungen über Auslandseinsätze sind
immer schwierig. Sie rühren, finde ich, mit am meisten
an Herz und Gewissen der Abgeordneten. Ich glaube,
dass wir dazu bestimmt nicht weniger, sondern tenden-
ziell eher mehr Debatten und Diskussionen brauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt nicht nur für die Debatten hier im Parlament,
sondern auch für die Berichterstattungen der Medien.
Gerade wenn es um Friedensmissionen der Vereinten
Nationen geht, sucht man Meldungen und Berichte da-
rüber häufig vergebens. Ich finde, diese Aufmerksamkeit
haben nicht nur die Menschen verdient, die an eine fried-
liche Zukunft im Südsudan glauben, sondern vor allem
auch die zivilen und militärischen Kräfte, die wir unter
diesen schwierigen Bedingungen in einen Einsatz mit
großen Herausforderungen schicken. Ihnen gilt auch un-
ser Dank.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800301400

Das Wort hat nun der Kollege Philipp Mißfelder für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1800301500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Wir verlängern heute ein Mandat, über
das in der Öffentlichkeit nicht so viel diskutiert wird wie





Philipp Mißfelder


(A)



(D)(B)

über andere Mandate, zum Beispiel das Mandat für den
Einsatz im Kosovo oder in Afghanistan, die häufig in
den Medien große Beachtung finden.

Bei der Herausforderung, die wir vor allem auf dem
afrikanischen Kontinent sehen, geht es hierbei um das
äußerste Mittel, das unserer Außenpolitik zur Verfügung
steht, nämlich den Einsatz von Soldaten. Das ist für uns
das äußerste Mittel, die Ultima Ratio. Deshalb ist es
keine leichte Entscheidung, Soldaten in den Südsudan
oder auch nach Afghanistan oder in den Kosovo zu schi-
cken.

Ich bin deshalb froh, dass unsere Soldatinnen und
Soldaten mit einer so großen und breiten Unterstützung
in diese schwierige Mission geschickt werden, und
danke all denjenigen, die diesem Mandat verantwor-
tungsbewusst zustimmen wollen. Ich kritisiere aufs
Schärfste das, was vorhin hier von Frau Buchholz gesagt
worden ist. Ich halte es für zynisch, wenn Sie über das
Schicksal der Menschen im Südsudan so reden, als
würde es hier um irgendwelche imperialistischen Vor-
stellungen alter europäischer Kolonialmächte gehen.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ich laste das nicht den Menschen an, sondern Ihnen!)


Wir leisten mit unserem militärischen Einsatz an dieser
Stelle einen humanitären Beitrag. Deshalb sprechen wir
uns nachdrücklich für die Verlängerung des Mandats
aus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Minister hat es gesagt: Den meisten ist überhaupt
nicht bewusst, dass wir zwar über einen neuen Staat re-
den, aber gleichzeitig über eine Region, in der seit
50 Jahren Bürgerkrieg herrscht. Wir haben seit der Un-
abhängigkeit des Südsudans am 9. Juli 2011 Schätzun-
gen zufolge 1 500 Tote zu beklagen. Zehntausende Men-
schen sind immer noch auf der Flucht oder obdachlos.
Vor diesem Hintergrund ist jede Anstrengung, die wir im
zivilen Bereich, im politischen Bereich oder auch im mi-
litärischen Bereich leisten können, dringend notwendig.

Es ist so, dass wir von Staatlichkeit weit entfernt sind,
von Rechtsstaatlichkeit ohnedies. Auch fundamentale
Voraussetzungen für eine Gesellschaft gibt es nicht. Das
Währungssystem ist zusammengebrochen. Es hat sich
eine Tauschwirtschaft etabliert, wobei der Tauschhandel
vor allem im Bereich der Viehwirtschaft stattfindet. Ge-
rade weil die Zahl der Konflikte um Weideland – auch
das ist vorhin in der Debatte schon gesagt worden – oder
auch um Vieh stark zunimmt, ist die Gefahr einer neuen
Eskalationsstufe riesig groß.

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dort auch
militärisch präsent zu sein. Ich bin froh, dass so viele
Nationen der Weltgemeinschaft bereit sind, den Südsu-
dan zu unterstützen und hier Verantwortung zu überneh-
men. Leider – so muss man sagen – hat sich seit Mitte
dieses Jahres die Situation verschlechtert; es wird von
regelmäßigen Übergriffen der Armee auf die Zivilbevöl-
kerung berichtet.
Es gibt auch zwischen den aktivsten Rebellentruppen
und der südsudanesischen Regierung kein Friedensab-
kommen. Das ist – natürlich neben dem, was wir dort
militärisch leisten – eine unserer wichtigsten Aufgaben,
nämlich zu versuchen, eine solche politische Lösung an-
zustreben und uns dort zu engagieren.

Wie in so vielen Debatten betone ich an dieser Stelle,
dass wir unsere militärischen Einsätze immer in das ein-
betten und entsprechend abstimmen, was wir im Bereich
der Entwicklungszusammenarbeit leisten und was wir
im Bereich der Außenpolitik koordiniert an diplomati-
schen Vorschlägen einbringen. Deshalb ist dieses Man-
dat Teil eines Gesamtkonzepts, das dringend notwendig
ist.

Vor allem ist es, wie ich schon sagte, humanitär be-
gründet. Die Berichterstatter und diejenigen, die sich mit
dem Land ausführlich beschäftigen, wissen, dass von der
Flut und der Überschwemmungskatastrophe in den letz-
ten Wochen weit mehr als 150 000 Menschen direkt
betroffen sind. Deshalb ist es richtig, die humanitären
Anstrengungen weiter voranzutreiben, statt sie zu igno-
rieren. Die UNO leistet an dieser Stelle einen wichtigen
Beitrag. Ich denke auch, dass der Rahmen eines UNO-
Mandats der richtige ist.

Deshalb eine grundsätzliche Anmerkung zu dem, was
vorhin zu der betreffenden Stelle im Koalitionsvertrag
gesagt worden ist: Selbstverständlich wollen wir global
mehr Verantwortung übernehmen. Mehr Verantwortung
drückt sich in verschiedenen Bereichen aus. Das kann
als äußerstes Mittel, wie ich sagte, auch Militäreinsätze
bedeuten. Aber für uns ist es wichtig, zu betonen: Wir
sind davon überzeugt, dass kein Konflikt dieser Welt –
auch nicht der Konflikt im Südsudan – militärisch gelöst
werden kann, sondern dass eine militärische Kompo-
nente immer nur ein Beitrag zu einer politischen Lösung
sein kann.


(Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb ist es richtig, dass der Deutsche Bundestag bei
Bundeswehreinsätzen das letzte Wort hat. Dafür spre-
chen wir uns im Koalitionsvertrag eindeutig aus.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit diesem
Mandat erreichen, dass im Südsudan Programme zur
Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration sowie
das Entstehen von Rechtsstaatlichkeit überhaupt mög-
lich werden. Dafür engagieren wir uns auch im Verfas-
sungsgebungsprozess. Wir sollten uns aber auch weiter-
hin mit großem Engagement dafür einsetzen, dass es zu
diplomatischen und politischen Lösungen kommt, ge-
rade was die Vermittlung zwischen Rebellengruppen und
der südsudanesischen Regierung angeht.

Das robuste Mandat ist notwendig. Es ist auch des-
halb notwendig, weil die Gefahr eines Bürgerkrieges
nach wie vor sehr groß ist bzw. täglich Menschen in Be-
drängnis geraten. Deshalb werbe ich um die parlamenta-
rische Zustimmung.

Ich möchte nicht unterlassen, unseren Soldatinnen
und Soldaten, den Entwicklungshelfern vor Ort und den

(C)






Philipp Mißfelder


(A) (C)



(D)(B)

Diplomaten, die in schwieriger Mission sind, zu danken
und ihnen allen eine gute Weihnachtszeit zu wünschen.
Denn so sehr wir uns auch mit Afghanistan, Kosovo und
anderen Ländern beschäftigen: Die 16 Soldaten, über die
der Minister vorhin gesprochen hat, sollten nicht in Ver-
gessenheit geraten. Sie werden auch das Weihnachtsfest
und andere wichtige Feiertage in einem Land verbrin-
gen, das logistisch nicht so gut ausgestattet ist wie viel-
leicht andere Länder, in denen Missionen stattfinden,
über die wir häufiger reden. Deshalb wünsche ich den
Menschen, die Dienst für unser Land leisten, und ihren
Familien in den nächsten Wochen eine gute Zeit und
werbe auch um Verständnis für die Familien, die diese
Menschen unterstützen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800301600

Bevor ich dem Kollegen Reinhard Brandl als letztem

Redner das Wort erteile, möchte ich die Kolleginnen und
Kollegen, die offensichtlich noch keinen Platz gefunden
haben, darauf aufmerksam machen, dass es tatsächlich
noch hinreichend viele freie Sitzplätze gibt.


(Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen)


Wir sollten im Übrigen am Beginn der Legislaturpe-
riode, in der es ja immer mal wieder namentliche Ab-
stimmungen gibt, uns vielleicht für diese Wahlperiode
ein etwas geordneteres Verfahren vornehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viele von Ihnen wissen auch von Ihren Besuchergrup-
pen, dass sowohl von den Besuchern hier im Hause als
auch von den Fernsehzuschauern immer wieder ver-
ständlicherweise kritisiert wird, dass sich zum Schluss
solcher Debatten, die mit namentlichen Abstimmungen
enden, eine beachtlich große Zahl von Kolleginnen und
Kollegen in den Gängen oder am Rande des Saales auf-
hält, die an den Beratungen erkennbar keinen Anteil
mehr nehmen, um anschließend aber selbstverständlich
abzustimmen. Das lässt sich ganz gewiss verbessern,
und das sollten wir versuchen.

Deswegen bitte ich jetzt noch einmal, dass die Kolle-
ginnen und Kollegen, die noch nicht sitzen, sich um ei-
nen solchen Sitzplatz bemühen. Ich versichere auch fei-
erlich: Es wird nicht eher abgestimmt, bevor der letzte
Redner fertig ist.


(Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen)


Jetzt hat der Kollege Brandl das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1800301700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich besonders, dass wir zu so einem promi-
nenten Zeitpunkt über einen Einsatz in einem Land spre-
chen – nach dieser Debatte folgt die erste namentliche
Abstimmung in dieser Legislaturperiode –, das norma-
lerweise nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit steht
und im Bewusstsein der Menschen verankert ist, näm-
lich das Land Südsudan.

Ich war letztes Jahr im Südsudan und habe dort mit
vielen Menschen gesprochen, natürlich auch mit Vertre-
tern der UN-Mission und mit Menschen außerhalb der
Stadt Juba. Ich muss feststellen: Das Land ist nahe bei
null. Es gibt außerhalb der Städte fast keinerlei Infra-
struktur. Viele Orte sind schwer oder gar nicht zu errei-
chen. Schon allein deshalb tut sich die Regierung un-
heimlich schwer, ihre Bevölkerung zu erreichen, ganz zu
schweigen davon, für die Sicherheit der Bevölkerung zu
sorgen. Wenn ich an den Südsudan denke, dann sehe ich
ein Land vor mir, das ständig am Abgrund balanciert und
bei dem die latente Gefahr besteht, abzustürzen und da-
mit das bisher Erreichte zu verlieren.

Es wurde viel erreicht; die Vorredner haben bereits
darauf hingewiesen. Das Land hat einen jahrzehntelan-
gen Bürgerkrieg hinter sich. 2005 gab es ein umfassen-
des Friedensabkommen. Im Januar 2011 gab es das Re-
ferendum über die Unabhängigkeit. Im Juli 2011 folgte
dann die Unabhängigkeit vom Sudan, die weitgehend
unblutig erreicht werden konnte. Nun steht das Land vor
einer neuen großen Herausforderung. Es steht vor der
Herausforderung, ein Staatswesen aufzubauen. Dabei
muss sich der Südsudan nicht nur vom Sudan mit seiner
Hauptstadt Khartoum abgrenzen. Die große Herausfor-
derung besteht vielmehr darin, alle Gruppen und Ethnien
im Land einzubinden.

Trotz der großen Nähe zum Abgrund hat der Südsu-
dan es in den letzten Jahren immer wieder geschafft
– manchmal erst im letzten Moment –, die Kurve zu be-
kommen. Aber das wäre ohne die große und wohlwol-
lende Unterstützung – manchmal auch mit entsprechen-
dem Druck – durch die Afrikanische Union und die
internationale Gemeinschaft nicht möglich gewesen.

Als ich im Südsudan war, hatte man ein paar Wochen
zuvor beschlossen, die Ölförderung einzustellen, weil
man sich mit dem Sudan, durch dessen Gebiet die Pipe-
lines laufen, nicht über die Verteilung der Einnahmen ei-
nigen konnte. Dabei hat der Südsudan billigend in Kauf
genommen, auf etwa 98 Prozent seiner Staatseinnahmen
zu verzichten. Das hat natürlich auch uns bei unseren
Anstrengungen im Rahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit zurückgeworfen.

Aufgrund großen diplomatischen Drucks und interna-
tionaler Anstrengungen wurde erreicht, dass sich beide
Länder wieder an einen Tisch setzten. Im September und
Oktober dieses Jahres gab es Besuche und Gegenbesu-
che der Präsidenten. Die Lage hat sich entspannt. Das Öl
fließt wieder. Wir erleben, dass das Land schon nach
kurzer Zeit wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung
erfährt. Aber ohne Druck, ohne internationale Unterstüt-
zung und ohne das Engagement von UNMISS wäre dies
nicht erreicht worden.

UNMISS besteht aus einer zivilen Komponente
– Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit – und
einer militärischen Komponente, die angesichts der Si-





Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

cherheitslage – auch zum Schutz der Zivilbevölkerung –
unerlässlich ist. Deutschland stellt von den insgesamt
rund 7 000 Soldaten gerade einmal 16. Es handelt sich
dabei um gut ausgebildete, hochprofessionelle Berufs-
soldaten mit hohen Dienstgraden, deren Aufgabe im We-
sentlichen darin besteht, Soldaten mit hohen Dienstgra-
den in der südsudanesischen Armee zu beraten, ihnen zu
helfen, ihre Aufgaben zu erfüllen, und sie dabei zu unter-
stützen, Strukturen aufzubauen, die Armee zahlenmäßig
zu reduzieren und darauf zu achten, dass Menschen-
rechte und Gesetze innerhalb der Armee eingehalten
werden. UNMISS hat bei vielen negativen Vorfällen auf
Aufklärung gedrängt. Wohlgemerkt, wir stimmen heute
nur über den Einsatz von 16 Soldaten, also über einen
kleinen Teil von UNMISS, ab.

Unsere Strategie für den Südsudan und den Sudan
geht viel weiter. Wir haben im letzten Jahr über einen
zehnseitigen interfraktionellen Antrag abgestimmt, in
dem wir seitens des Parlaments unsere Südsudan- und
Sudanpolitik umfassend dargestellt haben. Ich wünsche
mir eines: dass wir dieser Region auch in dieser Legisla-
turperiode im Parlament einen so hohen Stellenwert ein-
räumen. Das Land und die Menschen dort haben es ver-
dient.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800301800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag
der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an der von den Verein-
ten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan.
Über den Antrag auf der Drucksache 18/71 stimmen wir
namentlich ab. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen,
insbesondere die langjährigen Kolleginnen und Kolle-
gen, darauf zu achten, dass Sie die aktuellen Stimmkar-
ten, also die der 18. Legislaturperiode, verwenden und
dass diese Stimmkarten Ihren Namen tragen.

Können mir bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer an den Urnen ein Signal geben, ob jeweils zwei
Schriftführerinnen und Schriftführer vorhanden sind? –
Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich hiermit die
Abstimmung.1)

Gibt es noch Kolleginnen und Kollegen, die im Saal
anwesend sind, aber ihre Stimmkarte nicht abgegeben
haben? – Nachdem die letzte Kollegin gerade ihre
Stimmkarte abgegeben hat, schließe ich hiermit die Ab-
stimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir geben das
Ergebnis der Abstimmung im Laufe des nächsten Tages-
ordnungspunktes bekannt.2)

Ich möchte Sie bitten, wieder Platz zu nehmen, damit
wir in unserer Tagesordnung fortfahren können. – Ich
bitte noch einmal darum, wieder Platz zu nehmen. Wir

1) Erklärung zur Abstimmung nach § 31 GO BT siehe Anlage 2
2) Ergebnis Seite 90 D
hatten uns gerade darauf verständigt, dass die Beratun-
gen des Deutschen Bundestages in der Regel im Sitzen
stattfinden, während die Redner üblicherweise am Red-
nerpult stehen dürfen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum
Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und
zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzie-
rungsgesetzes

– Drucksache 18/69 –

Auch hier sind nach einer interfraktionellen Vereinba-
rung 38 Minuten für die Aussprache vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Dagmar Ziegler für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1800301900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Kitaausbau in unserem Land ist in vollem
Gange. Hunderttausende von zusätzlichen Plätzen in
Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege
haben Länder, Gemeinden und Träger in den vergange-
nen Jahren geschaffen.

Ermöglicht wurde dies durch einen nationalen Kraft-
akt und durch das Engagement des Bundes. Denn es war
der Bund, der in der letzten Großen Koalition zum Krip-
pengipfel eingeladen hatte, Bundesmittel zur Verfügung
gestellt hat und mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-
platz den Takt für den Ausbau von Bildung und Betreu-
ung vorgab.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen heute feststellen: Das Konzept ist aufge-
gangen. Der Rechtsanspruch ist am 1. August 2013 in
Kraft getreten. Aber trotz all dieser Anstrengungen von
Ländern, Kommunen und Trägern drohen Kitamittel
jetzt zu verfallen; denn ein großer Teil dieser Mittel kann
nicht mehr fristgerecht abgerufen werden, was ganz ver-
schiedene Gründe hat: Es gibt den Bankrott von Bauun-
ternehmen, es gibt Planungsunsicherheiten; auch die
Flutkatastrophe im Mai und Juni hat einiges dazu beige-
tragen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Initiative er-
griffen, einen Gesetzesantrag zur Verlängerung der Fris-
ten entwickelt und in den Bundesrat eingebracht. Dieser
Gesetzesantrag hat dort eine große Mehrheit erhalten.
Der entsprechende Gesetzentwurf des Bundesrates liegt
uns heute zur Abstimmung vor, und wir werben für die
Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Die Fristverlän-
gerungen müssen vorgenommen werden.

Das betrifft zum einen das Investitionsprogramm
2008 bis 2013. Dabei geht es um die Verlängerung der
Abrufungsfristen um ein Jahr. Den Ländern soll es er-
möglicht werden, die Mittel nicht nur bis zum 31. De-
zember dieses Jahres, sondern bis zum 31. Dezember





Dagmar Ziegler


(A) (C)



(D)(B)

2014 abzurufen. Es geht zum anderen um das Investi-
tionsprogramm 2013/2014. Es wird die Verlängerung
der Frist bis zum 30. Juni 2016 verlangt. Das begrüßen
wir. Das Geld soll nicht verfallen. Es soll auch nicht zur
Haushaltskonsolidierung beitragen. Die neuen Fristen
sind auch so geplant, dass der Druck nicht nachlässt, was
den Kitaausbau angeht, und dass die Verantwortlichen in
Ländern und Kommunen weiterhin konzentriert am
Kitaausbau arbeiten müssen.

Der Ausbau ist noch lange nicht abgeschlossen; das
wissen wir. Alle Expertinnen und Experten sind sich ei-
nig, dass die Nachfrage nach Kitaplätzen weiter zuneh-
men wird. Meine Fraktion wird deshalb dem Gesetzent-
wurf des Bundesrates heute zustimmen, und ich werbe
auch bei allen anderen Fraktionen um diese Zustim-
mung.

Ich weiß, dass uns allen der Kitaausbau am Herzen
liegt. In der Tat ist der Kitaausbau die einzige familien-
politische Leistung, der die Gesamtevaluation der ehe-
und familienbezogenen Leistungen durchweg ein exzel-
lentes Zeugnis ausstellt.


(Beifall bei der SPD)


Der Kitaausbau ist wichtig für bessere Bildungschancen
und Integration, er ist wichtig für Vereinbarkeit von Be-
ruf und Familie sowie für Gleichstellung, und er ist ein
wirkungsvolles Mittel gegen Kinder- und Familien-
armut. Ich betone ganz ausdrücklich: für Familien, die
einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen wollen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
ben deshalb mit CDU und CSU im Koalitionsvertrag
vereinbart, den Kitaausbau weiter zu befördern. Natür-
lich steht das unter dem Vorbehalt, dass unsere Mitglie-
der dem Koalitionsvertrag zustimmen. In dieser Legisla-
turperiode soll die Verbesserung der Qualität von Kitas
und Kindertagespflege ganz oben auf der Tagesordnung
stehen. Wir wollen Fragen der Personalausstattung, der
Qualifikation und Weiterbildung der Fachkräfte sowie
Fragen des Fachkräfteangebots und der Sprachbildung
regeln.

Damit die Länder gemeinsam mit den Kommunen
den weiteren Ausbau bewältigen können, wird der Bund
den Ländern in dieser Legislaturperiode 6 Milliarden
Euro für den weiteren Ausbau im Bereich Bildung zur
Verfügung stellen. Dabei geht es um Verbesserungen bei
Kitas, Schulen und Hochschulen. Ich bin davon über-
zeugt, dass die Fristverlängerungen kein Thema für eine
größere politische Auseinandersetzung hier im Hohen
Hause sein können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302000

Für die Bundesregierung erteile ich der Bundesfami-

lienministerin Kristina Schröder das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! In wenigen Wochen enden die Fristen zum Abruf der
Finanzierungshilfen des Bundes aus dem ersten Investi-
tionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“. Nach
wie vor sind nicht alle Mittel abgerufen, und die meisten
Länder haben signalisiert, dass sie es nicht schaffen wer-
den, die Mittel bis zum Ende der Fristen komplett abzu-
rufen.

Deshalb beraten wir heute einen Gesetzentwurf zur
Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes.
Es geht darum, dass die vom Bund bereitgestellten Mit-
tel aus beiden Investitionsprogrammen länger als bisher
vorgesehen für den Bau von Kitas zur Verfügung stehen
und die Kommunen dadurch mehr Zeit bekommen, um
die vom Bund geförderten Kitas fertigzustellen. Ich bitte
Sie um Unterstützung für dieses Anliegen.


(Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


Sie wissen, dass ich in den letzten Jahren immer wie-
der zu Konflikten mit den Ländern bereit war, um Druck
zu machen, damit wir pünktlich zum 1. August dieses
Jahres den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz erfüllen
können. Dieser Druck war auch nötig; denn wir alle hat-
ten die Sorge, ob es gelingen wird, den Rechtsanspruch
zum 1. August zu erfüllen. In so mancher Rede wie auch
in den Medien wurden sogar Katastrophenszenarien über
das Scheitern der Erfüllung des Rechtsanspruchs herauf-
beschworen.

Aber der Druck hat sich gelohnt, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Die befürchtete Klagewelle ist ausgeblie-
ben. Eltern, die sich einen Kitaplatz oder einen Platz bei
einer Tagesmutter für ihr Kind wünschen, bekommen in
aller Regel einen Platz angeboten, auch wenn es nach
wie vor Unterschiede von Kommune zu Kommune,
manchmal sogar von Stadtteil zu Stadtteil gibt. Nach
dem erfolgreichen Inkrafttreten des Rechtsanspruchs
sind wir jetzt in der glücklichen Lage, den Ländern hin-
sichtlich der noch nicht abgerufenen Mittel etwas mehr
Spielraum einzuräumen. Das ist im Sinne der Familien,
die nicht irgendwo irgendwelche Betreuungsplätze brau-
chen, sondern gute Betreuungsplätze in ihrer Nähe.

In den letzten Jahren habe ich in Deutschland unzäh-
lige Kitas besucht, um mir ein Bild zu machen. Natürlich
habe ich mitbekommen, welche Probleme es beim Aus-
bau gibt. Zum Beispiel hat der Marburger Bürgermeister
– er ist übrigens von den Grünen – mir berichtet, dass bei
ihnen eine tolle neue Kita gebaut wird, und zwar in mo-
derner Bauweise mit sehr viel Holz, aber dass durch die
lang anhaltenden Regenfälle im Sommer die Trock-
nungszeit außergewöhnlich lange war, viel länger als
eingeplant. Natürlich hätte man stur nach Zeitplan wei-
termachen können, aber dann hätte die Gefahr bestan-
den, dass man die Kita in zwei Jahren wieder dichtma-
chen muss, um die Mängel zu beseitigen.

Das ist noch einer der harmloseren Fälle. In anderen
Städten hat die Flutkatastrophe dieses Sommers Bauvor-
haben um viele Monate zurückgeworfen. Es mussten
über Wochen Wasserschäden beseitigt werden, bevor





Bundesministerin Dr. Kristina Schröder


(A) (C)



(D)(B)

überhaupt weitergebaut werden konnte. Ich finde, es ist
eine Selbstverständlichkeit, dass wir den Kommunen in
dieser Situation helfen und für die Länder die Fristen für
die Abrufung der Mittel verlängern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, der Bund hat die Länder
und die Kommunen in den letzten Jahren mit allen verfüg-
baren Kräften und Mitteln beim Ausbau der Kinderbe-
treuung unterstützt. Wir geben insgesamt 5,4 Milliarden
Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung. Gemeinsam
mit der KfW haben wir ein zusätzliches Förderpro-
gramm mit einem Kreditvolumen von 550 Millionen
Euro aufgelegt, durch das bis heute 27 000 zusätzliche
Kitaplätze entstanden sind. Wo es Ausbauhemmnisse
gab, haben wir geholfen, diese zu beseitigen, nämlich
mit dem 10-Punkte-Programm, das ich im Mai 2012 vor-
gelegt habe.

Es war ja keine Selbstverständlichkeit, dass der
Rechtsanspruch, so wie er 2007 konzipiert wurde, am
Ende auch funktionieren würde. Da gab es manches
nachzuarbeiten, zum Beispiel beim Controlling, zum
Beispiel beim Nachweis, dass die Länder auch wirklich
eigene Gelder in die Hand genommen haben. Auch die
Verpflichtung der Länder, regelmäßig und zeitnah über
die Zahl der neugeschaffenen Plätze Bericht zu erstatten,
war 2007 nicht vorgesehen. Da mussten wir nacharbei-
ten.

Wir haben die Länder über Jahre mit so viel Geld und
Aufwand unterstützt wegen der hohen Bedeutung eines
guten Kinderbetreuungsangebots: für die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, für die Zukunftsperspektiven
von Kindern gerade aus bildungsfernen Familien und für
die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Genau aus diesen
Gründen werden wir jetzt die Kommunen bei ihren Um-
setzungsproblemen nicht im Stich lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber auch Bund und Länder dürfen sich nicht auf
dem bisher Erreichten ausruhen. Ja, es ist unser großer
gemeinsamer Erfolg, dass die Zahl der Kitaplätze für un-
ter Dreijährige auf 800 000 gestiegen ist. Ja, es ist unser
gemeinsamer Erfolg, dass es einen Rechtsanspruch gibt,
auf den Eltern seit dem 1. August zählen können. Das al-
les ist ein großer Erfolg für die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie und für berufliche Chancen von Eltern, ins-
besondere von Frauen.

Bei allen Anstrengungen für den Kitaausbau dürfen
wir unseren wichtigsten Maßstab aber nicht aus den Au-
gen verlieren: das Wohlergehen der Kinder. Für das
Wohlergehen der Kinder, die in Kitas betreut werden,
zählt nur eines, nämlich die Qualität. Dafür braucht es
Geld. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen
bei der Verbesserung der Qualität mit rund 3 Milliarden
Euro. Ab 2015 werden es jährlich 845 Millionen Euro
sein.

Außerdem braucht es gut qualifizierte Erzieherinnen
und Erzieher, die dafür auch angemessen bezahlt wer-
den. Natürlich hat der Bund da immer leicht reden; denn
das ist Aufgabe der Kommunen. Wir können aber mit
gutem Beispiel vorangehen, beispielsweise mit unseren
Bundesprogrammen. Bei der „Offensive Frühe Chan-
cen“ bezahlen wir die Fachkräfte deutlich besser, um zu
zeigen, welchen Wert diese Arbeit hat und welche ange-
messene Bezahlung sie verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nicht zuletzt braucht es in ganz Deutschland gleich-
wertige Qualitätsstandards. Mit dem Rechtsgutachten,
das ich in diesem Zusammenhang auf den Weg gebracht
habe, haben wir bereits in diese Richtung vorgearbeitet.
In jedem Fall wird die Frage der Qualität der Kinderbe-
treuung in den nächsten Jahren im Mittelpunkt stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese entsprechen-
den Maßnahmen umzusetzen, wird nicht mehr in meiner
Verantwortung liegen. Diese Rede heute ist voraussicht-
lich meine letzte Rede als Bundesfamilienministerin im
Deutschen Bundestag. Rückblickend kann ich sagen:
Die vielleicht größte Herausforderung dieses Amtes be-
stand darin, sicherzustellen, dass Familienpolitik keine
abgeleitete Arbeitsmarktpolitik ist, sondern dass es da-
rauf ankommt, Familienpolitik an den Bedürfnissen und
Wünschen von Familien und nicht an den Erfordernissen
des Arbeitsmarktes zu orientieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dabei wünsche ich meiner Nachfolgerin oder meinem
Nachfolger eine glückliche Hand.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302100

Ich möchte Ihnen das von den Schriftführerinnen und

Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der Friedensmission im Südsudan mittei-
len: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt
541, mit Nein haben gestimmt 60. Zwei Kolleginnen
oder Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Damit
ist der Antrag angenommen, und damit hat der Bundes-
tag seine Zustimmung zur Fortsetzung dieser Mission er-
teilt.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 602;
davon

ja: 540
nein: 60
enthalten: 2

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. Andre Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr. Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Eckhard Pols
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz
Reinhold Jost
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Udo Schiefner
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Dirk Vöpel
Ute Vogt
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(B)

Dr. Konstantin von Notz
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Dr. Alexander S. Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Sabine Zimmermann


(Zwickau)

Pia Zimmermann

Enthalten

SPD

Dr. Ute Finckh-Krämer
Petra Hinz (Essen)


(D)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich erteile das Wort nun der Kollegin Diana Golze für
die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800302200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Alles hat sein Gutes, sogar lang an-
dauernde Koalitionsverhandlungen. Auch wenn sie den
Nachteil haben, dass das Parlament, um es einmal diplo-
matisch auszudrücken, nur sporadisch arbeiten darf, so
haben sie doch den Vorteil, dass eine geschäftsführende
Ministerin heute zu einem Thema Rede und Antwort ste-
hen muss, bei dem es um die Fehler geht, die in der Ver-
gangenheit beim Kitaausbau gemacht wurden.

Die Fehler, die durch den Gesetzentwurf des Bundes-
rates nun zum Teil ausgebügelt werden sollen, liegen
hauptsächlich bei den beiden jüngsten Bundesregierun-
gen. Die Fristverschiebung bezüglich der Finanzhilfen
des Bundes ist natürlich der Kern dieses Gesetzentwur-
fes. Diese Fristverschiebung ist vor allem für die Kom-
munen wichtig, damit die Mittel länger abrufbar bleiben
und die Bauvorhaben zu Ende geführt werden können.
Doch geht es bei diesem Thema um mehr als nur um
diese Fristverschiebung. Es geht vielmehr um die Dar-
stellung einer Politik des Ignorierens, des Wegduckens
und des Herausstehlens aus der Verantwortung des Bun-
des.


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich war es der Bund, der es 2008 bei der Ein-
richtung des Sondervermögens zum Kitaausbau ver-
säumt hat, verbindliche Berichtspflichten über die Ver-
wendung der Mittel in die Vereinbarung aufzunehmen.
Nun wird dies als Hauptgrund für die noch fehlenden Ki-
taplätze genannt. Fakt ist: Der Bund hat nicht nur diese
Kontrollpflicht viel zu lange nicht wahrgenommen, son-
dern hat sich auch aus der Verantwortung gegenüber den
Kommunen gestohlen, die für die Kitabauten in der Tat
in Vorleistung getreten sind und dann den Rückzahlun-
gen der Mittel teilweise über Jahre hinweg hinterherlau-
fen mussten.

Es war ebenfalls der Bund, der den Betreuungsbedarf
quasi freihändig bei 35 Prozent festgeschrieben hat. Man
ging also davon aus, dass nur gut ein Drittel der Eltern
einen vorhandenen Kitaplatz für ihre Kinder auch tat-
sächlich in Anspruch nehmen würde. Aber schon damals
gab es Erhebungen, die davon ausgingen – sie waren
auch glaubwürdig –, dass der Bedarf wesentlich höher
liegen wird.

Es war ebenfalls der Bund, der den Widerspruch zwi-
schen diesem festgeschriebenen Ausbauziel und dem be-
schlossenen Rechtsanspruch völlig ignoriert hat. Denn
wenn man einen festgeschriebenen Rechtsanspruch hat,
kann ein Ausbauziel doch nur eine Orientierung sein.
Aber nein, über Jahre hinweg haben die beiden Ministe-
rinnen, die dafür zuständig waren, dieses Ausbauziel wie
ein Naturgesetz vor sich hergetragen und waren nicht be-
reit und willens, hier nachzusteuern und zusätzliches
Geld zu investieren. All dies kam zu spät. Auch das Aus-
bauziel ist nur minimal auf 38 Prozent korrigiert worden.
Fatal ist dabei: Es sind die Länder und vor allem die
Kommunen, die mit den Folgen alleingelassen wurden.

Ebenfalls alleingelassen wurden die Handelnden vor
Ort im Hinblick auf den Mangel an Fachkräften. Dass
Sie uns Linken nicht zugehört haben, mag die Macht der
Gewohnheit sein. Aber auch die zuständige Gewerk-





Diana Golze


(A) (C)



(D)(B)

schaft Erziehung und Wissenschaft hat wieder und wie-
der gesagt: Wir brauchen zusätzliches Personal; es muss
investiert werden. Bund, Länder und Kommunen müs-
sen gemeinsam die Verantwortung für die Fachkräfte tra-
gen. – Angesichts dessen frage ich mich: Warum ist die-
ser Ruf ignoriert worden?

Frau geschäftsführende Ministerin Schröder, Sie sa-
gen, dass über das Bundesprogramm „Offensive Frühe
Chancen“ die Fachkräfte besser bezahlt werden. Sie dür-
fen aber nicht verschweigen, dass es sich dabei nur um
halbe Stellen handelt, die von den Kommunen mit Stun-
den aufgestockt werden müssen, damit die betroffenen
Menschen überhaupt davon leben können. Es nützt
nichts, wenn man halbe Stellen gut finanziert. Denn es
handelt sich hier in erster Linie um Frauen, die ihre Fa-
milien ernähren müssen und die von halben Stellen nicht
leben können.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Liste der Versäumnisse seitens des Bundes ist
lang. Die fehlende Debatte um Qualität war auch dem
Umstand geschuldet, dass im Bundesgesetz keine Min-
deststandards festgeschrieben worden sind. Die nach wie
vor vorhandene Ungleichheit zwischen Kitas und Kin-
dertagespflege hat ihre Ursachen auch darin, dass man
nicht über bessere Arbeitsbedingungen und Verdienst-
möglichkeiten reden wollte. Dann darf man sich nicht
darüber wundern, dass es nach wie vor nicht genügend
Tagespflegepersonen gibt.

Nun schlägt der Bundesrat ein weiteres Mal die Kor-
rektur eines Gesetzes der letzten Bundesregierung vor,
das den Realitätstest nicht bestanden hat. Ich fürchte, das
wird in Zukunft öfter der Fall sein. Ich fürchte es auch
deshalb, weil ich mir angeschaut habe, was alles in der
Nacht der langen Messer aus dem Entwurf des Koali-
tionsvertrages gestrichen worden ist.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So lang waren die Messer doch nicht! Das waren doch kurze Messer!)


Die Kinder sind die Opfer dieser Nacht gewesen. Die an-
gedachten Verbesserungen beim BAföG, das Ganztags-
schulprogramm, das Qualitätsgesetz für Kitas, das Thema
Kinderarmut, all das kommt nicht mit einem Wort vor.
Kindergeld und Kinderzuschlag werden nicht erwähnt.
Es gibt keine Verbesserungen beim Bildungs- und Teil-
habepaket, keine Einbeziehung der Leistungen für Kin-
der mit Behinderungen in die Jugendhilfe. Diese Liste
ließe sich fortsetzen. Hier ist noch einiges zu tun, vor al-
lem für die Opposition.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Na dann tut mal!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302300

Caren Marks hat nun das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1800302400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz in Erin-
nerung rufen: Im Dezember des Jahres 2008 hat die
letzte Große Koalition ein wirklich wichtiges Gesetz für
eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für
mehr Chancengleichheit und für eine bessere frühkindli-
che Bildung und Betreuung auf den Weg gebracht: das
Kinderförderungsgesetz, vielen unter KiföG bekannt.


(Beifall bei der SPD)


In diesem Gesetz ist auch der Rechtsanspruch veran-
kert, dass Eltern für ihre Kinder ab dem vollendeten ers-
ten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Bildungs- und
Betreuungsplatz in einer Krippe oder bei einer Tages-
pflegeperson haben. Wir alle wissen: Das war ein großer
Schritt; denn wir hatten, was diesen Punkt angeht, im
Vergleich zu den meisten europäischen Nachbarländern
einen riesigen Nachholbedarf. Es war auch eine große
Kraftanstrengung. Seit dem 1. August dieses Jahres gilt
dieser Rechtsanspruch, und zwar ohne Wenn und Aber.
Das ist wirklich gut, richtig und notwendig.


(Beifall bei der SPD)


Der Bund hat einige Milliarden Euro in die Hand ge-
nommen, sowohl für die Investitionskosten, also bauli-
che Maßnahmen, als auch – das will ich in diesem
Zusammenhang noch einmal erwähnen – für die Be-
triebskosten, hinter denen sich in erster Linie die Perso-
nalkosten verbergen. Das heißt, hinter der Höhe der Be-
triebskosten verbirgt sich die Qualität.

Die Mittel aus beiden Investitionsprogrammen sind
überwiegend bewilligt und abgeflossen. Ich denke, es
sollte unser gemeinsames Ziel sein, dass diese zum Auf-
bau einer besseren frühkindlichen Bildung und Betreu-
ung, für mehr Chancengerechtigkeit und für eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf verabredeten Mittel
auch weiterhin diesem Zweck zugutekommen und nicht
irgendeiner Frist anheimfallen.


(Beifall bei der SPD)


Darum begrüßen wir als SPD-Bundestagsfraktion
ausdrücklich die Bundesratsinitiative bezüglich der
Fristverlängerung. Es wurden schon einige gut nachvoll-
ziehbare Gründe genannt, warum es zu Verzögerungen
beim Mittelabruf kam. Es ist gut, wenn wir heute im
Deutschen Bundestag dafür Sorge tragen, dass die erfor-
derliche Verlängerung ermöglicht wird. Zu Recht hat der
Bundesrat – auch das will ich an dieser Stelle noch ein-
mal deutlich betonen – auf die Eilbedürftigkeit dieses
Gesetzentwurfes hingewiesen. Wir finden es nicht nur
gut, sondern auch notwendig, dass dieser Gesetzentwurf,
der von uns heute im Bundestag verabschiedet wird, die
noch im November stattfindende Bundesratssitzung er-
reicht und somit auf einen guten Weg gebracht werden
kann, auf einen guten Weg im Sinne der Kinder und der
Eltern in unserem Land.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich einen riesen-
großen Dank an die Länder und an die Kommunen rich-
ten; denn es war eine gemeinsame, große Kraftanstren-





Caren Marks


(A) (C)



(D)(B)

gung von Bund, Ländern und Kommunen. Wenn auch
noch nicht alles perfekt ist: Beim Thema „frühkindliche
Bildung und Betreuung“ ist doch vieles gelungen. Das
hat auch etwas mit dem großen Engagement von Lan-
despolitikerinnen und -politikern und Kommunalpoliti-
kerinnen und -politikern zu tun. Herzlichen Dank dafür!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Bedanken möchte ich mich aber auch bei den vielen
engagierten Erzieherinnen und Erziehern und Tages-
pflegepersonen. Ich finde, auch ihre Leistung kann bei
diesem Tagesordnungspunkt in diesem Hohen Haus ge-
würdigt werden; denn auch sie haben eine große Kraft-
anstrengung unternommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir haben noch einiges vor uns, nicht nur was den
Ausbau angeht, sondern vor allem auch was die Quali-
tätsoffensive angeht. Für diese Legislaturperiode haben
wir uns gemeinsam mit den Ländern und Kommunen
viel vorgenommen. Der Bund wird seiner Pflicht gerecht
und nimmt 6 Milliarden Euro für eine Qualitätsoffensive
in Kitas, Schulen und Hochschulen in die Hand. Ich
denke, das ist das richtige Signal für die Familien und
die Kinder in unserem Land und auch das richtige Unter-
stützungssignal für die Länder und Kommunen. Herzli-
chen Dank dafür!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302500

Das Wort erhält nun die Kollegin Katja Dörner, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800302600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Gesetzent-
wurf werden Fristen verlängert, damit die Kommunen
die Mittel aus dem Bundesprogramm für den U-3-Aus-
bau vollständig abrufen können. Damit werden schwarz-
gelbe Fehler der Vergangenheit korrigiert. Wir Grüne
wollen den zügigen Kitaausbau, und deshalb ist es für
uns selbstverständlich, dass wir diesem Gesetzentwurf
zustimmen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Genügend Kitaplätze, Ganztagsbetreuungsplätze und
nicht zuletzt eine gute Qualität der Angebote in den Ki-
tas – eine moderne Gesellschaft muss genau das leisten.
Das in Deutschland hinzubekommen, ist weiterhin eine
Zukunftsaufgabe, und das ganz klar auch für den Bund.
Gute Kitas, in die Eltern ihre Kinder gerne geben – dafür
leisten die Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland
schon heute Großartiges. Aber wir sind eben bestenfalls
auf halbem Wege. Wir entsprechen den Wünschen und
den Bedürfnissen der Eltern noch lange nicht. Bessere
Kitas stehen ganz oben auf der Wunschliste der Eltern,
und da ist der Bund in der Pflicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein Blick in den Koalitionsvertrag verrät: Vor diesem
großen Handlungsbedarf verschließt die Große Koalition
in spe komplett die Augen. Das nenne ich Arbeitsver-
weigerung, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union
und SPD. Wenn man sich den Koalitionsvertrag der ab-
sehbaren Großen Koalition anschaut, dann sieht man:
Eventuell, aber auch nur eventuell, soll es zusätzliche
Mittel für Investitionen in U-3-Plätze geben, nämlich
nur dann, wenn der Bedarf weiter steigt. Ich möchte an
dieser Stelle darauf hinweisen: Schon heute liegt der Be-
darf weit über dem, was der Bund anteilig mitfinanziert.
Zum Ausbau der Ganztagsbetreuung finden wir im Ver-
trag kein einziges Wort. Ich möchte darauf hinweisen,
dass der Ausbau der Ganztagsbetreuung ein ganz großes
Versprechen der SPD im Wahlkampf war.

Richtig wundert man sich, wenn man sich den Passus
zu den Qualitätsstandards auf Bundesebene anschaut;
alle Vorrednerinnen haben schon darauf Bezug genom-
men. Diese Passage im Vertrag ist ein reines Placebo,
weil mehr Qualität in den Kitas nicht zum Nulltarif zu
haben ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Geld für die Erfüllung der Qualitätsstandards soll es aber
nicht geben. Ob die schönen Worte zur Qualität in den
Kitas also einfach nur Lyrik bleiben oder die Kosten
dann einfach zu den Ländern und Kommunen verscho-
ben werden, bleibt abzuwarten. Ich finde das völlig inak-
zeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen; es ist ein Ar-
mutszeugnis für die drei Parteien, die im Wahlkampf
beim Thema Kitaausbau den Hafen ganz schön weit auf-
gerissen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Man muss auch die Sorge haben – auch darauf
möchte ich hinweisen –, dass selbst das gute und wich-
tige Sprachbildungsprogramm offensichtlich abgewi-
ckelt werden soll. Anders als bei anderen vergleichbaren
Programmen des Familienministeriums fehlt nämlich im
Koalitionsvertrag die klare Aussage, dass es fortgesetzt
wird, und es fehlt die konkrete Finanzierungszusage
über 2014 hinaus. Ich finde, das ist ein echtes Drama,
liebe Kolleginnen und Kollegen. Jeder weiß, wie wichtig
gute Sprachbildung ist. Dass das Programm „Offensive
Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integra-
tion“ en passant versenkt wird, macht mich richtig sauer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Klar ist: Die Große Koalition hat offensichtlich nicht
vor, in die Zukunft zu investieren. Es ist mehr als mick-
rig, was Union und SPD für Kitas tun wollen. Im Koali-
tionsvertrag steht kein Wort zur besseren materiellen
Absicherung von Familien und zur Bekämpfung von
Kinderarmut, zudem gibt es im Hinblick auf die Kitas
bestenfalls Placebos. Das ist völlig inakzeptabel, liebe
Kolleginnen und Kollegen. Da kritisiert der Familien-
bund der Katholiken völlig zu Recht, dass die neue Bun-





Katja Dörner


(A) (C)



(D)(B)

desregierung „mit einem Wortbruch in die neue Legisla-
turperiode“ startet.


(Kerstin Griese [SPD]: Das ist aber ein bisschen übertrieben!)


Das sind zwar harte Worte, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen,


(Kerstin Griese [SPD]: Das stimmt auch nicht!)


aber ich finde, sie sind durchaus richtig gewählt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die Kitas kommt wenig. Was bleibt? Das Betreu-
ungsgeld. Es kostet bekanntlich 2 Milliarden Euro, die
für den Kitaausbau weiterhin fehlen werden. Manuela
Schwesig hat das Betreuungsgeld unlängst als „Irrsinn“
bezeichnet. Wir müssen feststellen: Mit diesem Irrsinn
soll es offensichtlich weitergehen. Ich denke, dass die
Familien in diesem Land wissen, bei wem sie sich dafür
bedanken können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das tun sie auch, und zwar zuhauf!)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir stimmen
heute den Fristverlängerungen zu. Ich hoffe, die Kinder
und Familien in Deutschland haben nicht das Pech, dass
die Miniänderungen von heute dank der Großen Koali-
tion das Einzige bleiben, was in dieser Legislaturperiode
beim Kitaausbau passiert.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302700

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist

die Kollegin Dorothee Bär für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1800302800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorred-
nerinnen haben ja bereits eingehend und detailliert dar-
gelegt, wie sinnvoll der vorliegende Gesetzentwurf zur
angestrebten Verlängerung der Fristen ist. Deswegen
werde ich das alles jetzt nicht wiederholen. Aber ich
möchte dennoch auf zwei meiner Vorrednerinnen einge-
hen; denn manchmal fragt man sich schon: In welchem
Land leben Sie eigentlich?

Frau Golze, ich war immer der Meinung, man müsse
in Deutschland leben, um hier ein Mandat erringen zu
können. Aber offensichtlich haben Sie von Deutschland
überhaupt keine Ahnung. Bei Ihrer Rede hatte ich den
Eindruck, Sie sprechen von einem anderen Land, aber
nicht von den Realitäten in unserem Land, für das wir ei-
gentlich zuständig sind. Sie leiden völlig an Realitätsver-
lust.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das war wirklich so was von unsäglich, das hat mit un-
serer Lebensrealität null Komma null zu tun. Also: Will-
kommen in Deutschland! Wenn Sie Politik für die Bür-
gerinnen und Bürger machen wollen, dann sollten Sie
sich auch mal die Situation vor Ort anschauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Ja, das tue ich! Ich glaube, sogar öfter als Sie!)


– Nein, das glaube ich nicht. Wie man heute bei den
Grünen mitbekommen hat, ist Wahlkreisarbeit offen-
sichtlich nicht wichtig. Möglicherweise liegt das daran,
dass sie keine Wahlkreise vertreten; aber das ist ein an-
deres Thema.

Frau Dörner, ich bin froh, dass die Menschen in
Deutschland wissen, bei wem sie sich für das Betreu-
ungsgeld zu bedanken haben; in diesem Punkt gebe ich
Ihnen völlig recht. Ich lade Sie gerne in mein Büro ein;
dann kann ich Ihnen die meterlange Reihe von Ordnern
zeigen, die Dankeszuschriften von Eltern enthalten.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gebe ich Ihnen meine Ordner!)


Ich bin froh, dass das Betreuungsgeld bleibt; denn damit
können wir viel Gutes in unserem Land tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich meinen Blick darauf lenken, was der
Bund in den letzten Jahren getan hat. Wir haben in den
letzten Jahren wirklich viel für den Ausbau der Betreu-
ung getan. Die Rednerinnen der SPD haben es angespro-
chen: Schon in der letzten Großen Koalition haben wir
dafür gesorgt, dass der Ausbau von Kitaplätzen vorange-
trieben wird. Damals haben wir auch den Rechts-
anspruch durchgesetzt. Außerdem haben wir – oh Wun-
der – seit dem 1. August nicht das Horrorszenario erlebt,
das von den Linken und den Grünen die ganze Zeit be-
schrieben wurde, dass nämlich die Zahl der Betreuungs-
plätze nicht ausreicht und wir von einer Klagewelle
überrollt werden. Sie alle haben hier in den letzten Jah-
ren in ihren Reden Schreckensszenarien verbreitet; das
war teilweise wirklich Wahnsinn. Wir haben nicht nur
einen großartigen Endspurt hingelegt, sondern auch für
eine flächendeckende Versorgung gesorgt, mit der vor
einigen Jahren noch keiner rechnen konnte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Spannend ist natürlich auch, dass die große Klage-
welle ausgeblieben ist. Die Ministerin hat heute einen
grünen Bürgermeister zitiert. Ich habe an dieser Stelle in
den letzten Jahren viele SPD-Bürgermeister und -Ober-
bürgermeister zitiert, die gesagt haben: Für uns ist das
kein Problem. Unsere Kommunalpolitiker haben immer
Verantwortung übernommen und wissen es zu schätzen,
dass sich der Bund finanziell reingehängt hat, ohne die
originäre Zuständigkeit zu haben. – Mein Fraktionsvor-
sitzender Volker Kauder hat mehrfach betont – nicht nur
bei uns in der Fraktion, sondern auch hier im Plenum –,
dass auch einmal anerkannt werden muss, dass der
Bund, weil er wusste, dass es die Länder und die Kom-
munen nicht alleine schaffen, seiner Verantwortung ge-
recht wird. Das hat er auch getan.





Dorothee Bär


(A) (C)



(D)(B)

Was sagt der Deutsche Städte- und Gemeindebund
dazu? Bundesweit gab es noch nicht einmal 50 Klagen.
Bei Engpässen konnten in vielen Fällen einvernehmliche
Lösungen erzielt werden. Sogar SPD-Oberbürgermeister
haben zu mir gesagt: Frau Bär, das ist kein Thema, dann
schaffen wir eben noch zusätzliche Plätze oder sorgen
für Lösungen mit Tagesmüttern. Wir vor Ort sind flexi-
bel genug, und wir kennen die Bedürfnisse unserer
Städte und Gemeinden natürlich wesentlich besser, als
das bei einer übergeordneten Stelle der Fall ist. Deswe-
gen schaffen wir es auch, uns darum zu kümmern.

Sogar in München, wo es im Vergleich zum Rest von
Bayern mit der Kinderbetreuung immer noch etwas
schwierig ist, wurden bislang maximal zehn Klagen ein-
gereicht, zum Beispiel, weil die Eltern mit dem von der
Stadt vorgeschlagenen Krippenplatz nicht einverstanden
sind, weil die Entfernung zu groß ist.

Der Ausbau der U-3-Plätze ist ein Riesenerfolg. Des-
wegen kann ich an dieser Stelle einerseits sagen: Wir ha-
ben unsere Hausaufgaben gemacht. Andererseits möchte
ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor
Ort ganz herzlich bedanken. Hier gibt es sehr engagierte
Kräfte. Daher möchte ich allen denen, die in Kindergär-
ten und in Kinderkrippen arbeiten, ein ganz herzliches
Dankeschön und ein Vergelt’s Gott sagen. Jeder berufs-
tätige Elternteil weiß, dass man ohne das Wissen, dass
die Kinder gut versorgt sind, dass sie gut betreut sind,
dass sie gefördert und gefordert werden, seine Arbeit
nicht gut verrichten könnte. Deshalb auch von meiner
Seite ein ganz herzliches Dankeschön!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich wissen wir, dass der Ausbau noch nicht ab-
geschlossen ist. Jedes Mal, wenn ein Rechtsanspruch in
Kraft tritt, erhöht sich der Bedarf. Das ist völlig klar; das
sagt auch das Deutsche Jugendinstitut. Wir wissen auch,
dass wir die Qualität noch weiter verbessern müssen. Im
Koalitionsvertrag, der offensichtlich weder von den Lin-
ken noch von den Grünen ordentlich gelesen wurde, ha-
ben wir vereinbart, dass der Bund zur weiteren Realisie-
rung des Rechtsanspruchs im Bereich U 3 ein drittes
Investitionsprogramm auflegen wird. Darüber hinaus
unterstützt der Bund die Länder – das ist bereits fest ver-
einbart – jährlich mit 845 Millionen Euro bei der Finan-
zierung der Betriebskosten, wozu auch die besonders
wichtigen Personalkosten zählen. Das ist eine große
Summe, die die Länder auch in den nächsten Jahren er-
halten werden.

Wir haben noch andere Maßnahmen eingeleitet – ich
erwähne sie, damit deutlich wird, dass es nicht nur um
den Ausbau und um das Personal geht –: Die Bundesre-
gierung hat eine Arbeitsgruppe zum Thema Fachkräfte-
gewinnung etabliert. Wir haben das Aktionsprogramm
Kindertagespflege. Wir haben Lohnkostenzuschüsse.
Wir haben ein Serviceprogramm „Anschwung für frühe
Chancen“. Wir haben ein Bundesprogramm „Lernort
Praxis“. Wir haben die Initiative „Mehr Männer in Ki-
tas“; dies ist ein wichtiger Baustein, um immer mehr
Männer für die herausfordernden Berufe im Bereich der
frühkindlichen Erziehung und Bildung zu begeistern.
Wir haben selbstverständlich auch die „Offensive Frühe
Chancen“, über die bis 2014 400 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt werden, um 4 000 Kitas in Deutsch-
land zu Kitas mit dem Schwerpunkt Sprache und Inte-
gration weiterzuentwickeln.

Das ist nur ein kleiner Teil der Maßnahmen und
Initiativen. Man könnte noch hundert andere Maßnah-
men und Initiativen aufzählen, die zeigen, dass wir uns
die Förderung der Kinder in unserem Land ganz groß auf
die Fahnen geschrieben haben; denn sie sind uns am
wichtigsten. Sie werden in dieser Legislaturperiode fest-
stellen können, dass wir auf diesen Bereich einen
Schwerpunkt legen werden.

Ich sage aber auch Folgendes: Wir haben schon sehr
viel für die unter Dreijährigen getan. Mir ist es wichtig,
dass wir, wenn wir in dieser Legislaturperiode über das
Thema Familie reden, über eine ganzheitliche Familien-
politik reden. Dabei geht es nicht nur um U 3, auch nicht
nur um Ü 3, sondern es geht um das ganze Leben, von
der Geburt bis zum letzten Lebensabschnitt. Zeitgleich
leben vier Generationen. Das ist die Regel und nicht die
Ausnahme. Das heißt, wir müssen uns auch um die drei
anderen Generationen kümmern. Ich nenne in diesem
Zusammenhang nur das Stichwort „Pflege“. Wir haben
also viel zu tun.

Ich freue mich riesig auf diese Legislaturperiode. Ich
glaube, dies war meine erste Rede zur Familienpolitik in
den letzten vier Jahren, in der Frau Marks keinen Zwi-
schenruf gemacht hat. Das ist der Beginn einer wunder-
baren Freundschaft.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Caren Marks [SPD]: Da kann ich gerne mit dienen! Wenn das gewünscht wird, liefere ich das nach!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800302900

Ich schließe die Aussprache.

Hier werden noch viele wunderbare und überra-
schende Freundschaften entstehen


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Fraktionsübergreifend!)


und einzelne vielleicht auch zerbrechen. Das wollen wir
in Ruhe der weiteren Entwicklung der Legislaturperiode
überlassen.

Wir kommen nun noch nicht sofort zur Abstimmung.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Fraktionen
der CDU/CSU, der SPD und der Linken fristgerecht be-
antragt haben, gemäß § 80 Abs. 2 unserer Geschäftsord-
nung ohne Ausschussüberweisung in die zweite Bera-
tung einzutreten. Die zweite und dritte Beratung soll
heute Nachmittag nach dem Tagesordnungspunkt 8 auf-
gerufen werden. In der Zwischenzeit könnte der Haupt-
ausschuss, den wir heute Nachmittag konstituieren, als
Haushaltsausschuss Gelegenheit zur Prüfung der Vor-
lage gemäß § 96 Abs. 4 der Geschäftsordnung haben.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Das ist die Regelung, die sicherstellen soll, dass bei Ge-
setzgebungsvorhaben vorher geprüft wird, ob dafür
überhaupt die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen be-
stehen.

Zu diesem Antrag hat die Kollegin Haßelmann zur
Geschäftsordnung das Wort gewünscht, das ich ihr hier-
mit erteile.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schon wieder? Menschenskinder! – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Hier wird man nicht nach Reden bezahlt! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wenn Sie so weitermachen, machen Sie dem Kollegen Beck Konkurrenz!)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800303000

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident! – Vielen

Dank auch für die kleinen Kommentierungen gleich am
Anfang.

Ich habe das Wort gewünscht, weil das, was Sie hier
vorführen, ein kleines Stück aus Absurdistan ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das sage ich, ehrlich gesagt, auch in Richtung der Links-
fraktion. Ich bin überrascht, dass Sie diesen Antrag mit
eingebracht haben.

Um das einmal vorweg zu sagen: Ich bin dafür, und
unsere Fraktion ist dezidiert dafür – das haben wir in al-
len Gesprächen mit den Fraktionen deutlich gemacht –,
dass dieser Gesetzentwurf und auch der Gesetzentwurf,
über den wir nachher beraten, der Entwurf eines AIFM-
Steuer-Anpassungsgesetzes – beides sind Initiativen aus
dem Bundesrat –, noch in diesem Jahr verabschiedet
werden.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! So ist das!)


Die Länder legen ganz großen Wert darauf, dass das pas-
siert. Ich finde es richtig, diesem Wunsch zu entspre-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Genau deswegen stimmen wir heute ab!)


Wenn Sie aber einen Hauptausschuss einrichten, was
Sie heute mit Mehrheit von Union und SPD gemacht ha-
ben, dann ist es fragwürdig, wenn Sie nicht sagen: Diese
beiden Gesetzesinitiativen, die noch dieses Jahr verab-
schiedet werden müssen – das wollen auch wir –, kom-
men jetzt in diesen Hauptausschuss, und dort findet ein
gemäß der Geschäftsordnung ordentliches Beratungsver-
fahren statt. Das, Frau Kipping, ist nicht so.


(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])


Der Präsident hat darauf hingewiesen, dass der Haupt-
ausschuss die Vorlage heute nur als Haushaltsausschuss
gemäß § 96 der Geschäftsordnung prüfen wird. Das
heißt, Berichterstattung dazu ist in diesem Sinne so nicht
möglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir hatten uns in einer PGF-Runde schon darauf ver-
ständigt – ihr erinnert euch sicher, Sie erinnern sich si-
cher –, diese beiden Gesetzentwürfe in der Woche vom
16. Dezember bis zum 19. Dezember 2013 im Bundes-
tagsplenum in zweiter und dritter Lesung zu verabschie-
den, damit sie dann in den Bundesrat können. Das alles
wurde durch diesen Antrag über den Haufen geworfen.
Aus meiner Sicht gibt es keine sachliche Begründung
dafür, dass wir heute sozusagen nur die Begleitung durch
den Haushaltsausschuss vorsehen und nicht eine Bera-
tung im Hauptausschuss. Ich weiß, dass es für viele der
Zuhörerinnen und Zuhörer schwierig ist, dies alles nach-
zuvollziehen. Das Verfahren ist so, dass wir heute die
zweite und dritte Beratung direkt machen, obwohl wir
den Hauptausschuss eingesetzt haben. Das ist absolut
kritikwürdig, da wir die Gesetzentwürfe auch nach einer
Beratung noch in diesem Jahr verabschieden können.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800303100

Thomas Oppermann.


Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1800303200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kollegin Haßelmann, bei diesem Gesetzentwurf geht es
ausschließlich darum, zu verhindern, dass die für die
Länder und Kommunen vorgesehenen Kitamittel am
Jahresende verfallen. Wir wollen erreichen, dass sie
auch im nächsten Jahr verwendet werden können. Das
ist das Einzige, um das es in diesem Gesetzentwurf geht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch Ihr Vorschlag mit dem 19. Dezember!)


Wir sind von allen rot-grünen Landesregierungen, vom
rot-rot regierten Brandenburg und von allen sonstigen
Landesregierungen inständig gebeten worden, den Ge-
setzentwurf heute zu verabschieden.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kann man doch ein ordentliches Verfahren machen!)


– Der Ausschuss nimmt doch nachher Stellung zu die-
sem Komplex. – Wir wollen den Gesetzentwurf heute
verabschieden und wollen deshalb keine Ausschussüber-
weisung. Der Hauptausschuss befasst sich mit diesem
Gesetzentwurf und nimmt Stellung dazu, aber wir ma-
chen keine Ausschussberatung, keine Anhörung oder
sonstige Dinge, weil der Gesetzentwurf noch heute ver-
abschiedet werden soll, damit er noch im November im
Bundesrat endgültig beschlossen werden kann und damit
die Kommunen und die Länder diese Mittel für den Kita-
ausbau weiter einplanen können. Nur darum geht es.
Was Sie jetzt hier wollen, ist eine Förmelei und wider-
spricht exakt dem, was die Grünen in den Ländern von
uns verlangt haben. Das halte ich nicht für angemessen,
Frau Haßelmann.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800303300

Frau Kollegin Sitte.


Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800303400

Es gibt Momente, Frau Haßelmann, in denen fällt

selbst mir nichts mehr ein.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und der CDU/CSU)


Ich erinnere mich an unsere Beratungen als Parlamen-
tarische Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, in
denen wir über die Einsetzung eines Hauptausschusses
geredet haben. Da haben Sie gesagt, dass Sie dem
Hauptausschuss zustimmen, weil Sie in diesem Haupt-
ausschuss diese beiden Gesetzentwürfe beraten haben
wollen. Das findet heute statt; das ist das eine.

Das andere ist: Wir haben grundsätzliche Kritik an
dem Hauptausschuss geäußert; ich habe sie heute Mor-
gen hinlänglich begründet. Jetzt gibt es diesen Hauptaus-
schuss aber. Da kann man natürlich in eine Blockadehal-
tung verfallen und sagen: Wir schicken da keinen hin, wir
machen da nicht mit, das alles ist nicht unsere Sache. – Es
ist nun einmal so, dass sich der eine oder andere in die-
sem Haus demokratisch nicht durchsetzen kann. Das
kann man beklagen. Aber am Ende stellt sich die Frage:
Tun wir den Bürgerinnen und Bürgern damit einen Ge-
fallen?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich muss sagen: Dieser Gesetzentwurf muss, so wie er
jetzt ist, natürlich zum Jahresende verabschiedet werden.
Das macht die Kritik an dem Hauptausschuss nicht ge-
genstandslos. Das macht auch unsere Grundkritik, dass
der gesamte Kitaausbau schleppend vorangegangen ist,
nicht gegenstandslos. Vor diesem Hintergrund haben wir
allerdings beschlossen: Wir werden uns diesem Ansin-
nen von CDU/CSU und SPD anschließen. Wir wollen,
dass es eine zügige Beratung gibt und dass die Frist auf-
gehoben wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1800303500

Wir haben hier die ganz außergewöhnliche Situation,

dass sich offensichtlich alle im Ziel einig sind, aber im
Verfahren nicht. Ich will nach sorgfältiger Prüfung der
Rechtslage drei knappe Bemerkungen dazu machen.

Erstens. Das im Antrag beantragte Verfahren ist zwei-
fellos außergewöhnlich. Seit der Reform der Geschäfts-
ordnung im Jahr 1980 hat es einen solchen Beschluss im
Deutschen Bundestag noch nicht gegeben.

Zweitens. Wir sind uns ganz sicher darin einig, dass
dieses Verfahren nicht das Modell der künftigen parla-
mentarischen Gesetzgebung hier im Hause sein kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Selbstredend!)

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass das irgend-
jemand ernsthaft in Erwägung ziehen könnte.

Drittens. Nach dem Wortlaut unserer Geschäftsord-
nung ist der Antrag aber nicht offensichtlich unzulässig.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist klar!)


Deswegen stimmen wir darüber jetzt ab. Wir werden si-
cher noch Gelegenheit haben, die damit verbundenen
grundsätzlichen und praktischen Fragen für die Zukunft
im Ältestenrat in Ruhe miteinander zu bereden.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das erübrigt sich ab nächstem Jahr!)


Auch ihn wird es irgendwann demnächst ja sicher geben.
Dann greifen wir dieses Thema noch einmal auf.

Jetzt lasse ich über den eingebrachten Antrag der drei
genannten Fraktionen, die zweite und dritte Beratung
des gerade debattierten Gesetzentwurfes nach dem Ta-
gesordnungspunkt 8 als Zusatzpunkt 4 auf die Tagesord-
nung zu setzen, abstimmen. Wer diesem Antrag zustim-
men will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser
Geschäftsordnungsantrag, dieser Verfahrensantrag mit
den Stimmen der antragstellenden Fraktionen gegen die
Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlos-
sen. Es wird dann so verfahren.

Nun kommen wir zum Tagesordnungspunkt 4:

Erste Beratung des von den Abgeordneten
Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann

(Zwickau), Katja Kipping, weiteren Abgeordne-

ten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung der
Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenver-
sicherung (Beitragssatzgesetz 2014)


– Drucksache 18/52 –
Überweisungsvorschlag:
Hauptausschuss

Auch hier haben sich die Fraktionen auf eine Aus-
sprache mit der Dauer von 38 Minuten verständigt. –
Auch hierzu kann ich Einvernehmen feststellen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Matthias Birkwald für die antragstellende
Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800303600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Lassen Sie mich das rentenpolitische Ergebnis der
Koalitionsverhandlungen einmal zusammenfassen: Die
SPD hat die notwendigen Schritte im Kampf gegen die
Altersarmut und für mehr Rentengerechtigkeit dem
Sparwahn von CDU und CSU geopfert. Wurde das dra-
matische Absinken des Rentenniveaus gestoppt, wie von
der SPD im Wahlkampf versprochen? Nein, die Renten
werden auch künftig weiter den Löhnen hinterherhinken.
Das, meine Damen und Herren von der Koalition in spe,





Matthias W. Birkwald


(A) (C)



(D)(B)

ist Ihre größte Unterlassungssünde. Das Rentenniveau
muss dringend wieder angehoben werden.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Aber damit nicht genug: Erstens. An der Rente erst ab
67 wird nicht gerüttelt. Zweitens. Eine echte, armutsfreie
Mindestrente wird es nicht geben. Drittens. Die Anglei-
chung der Renten im Osten an das Westniveau wird fast
auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Deshalb ist der Koalitionsvertrag ein rentenpoliti-
sches Armutszeugnis.


(Beifall bei der LINKEN)


„Soziale Gerechtigkeit“, „Umverteilung von oben nach
unten“, diese Worte kommen im Koalitionsvertrag kein
einziges Mal vor. Das sollten sie aber; denn erst gestern
haben OECD und Statistisches Bundesamt eindringlich
gemahnt: Erstens. Deutschland ist weltweit das Schluss-
licht in der Alterssicherung von Geringverdienenden.
Zweitens. Das Armutsrisiko der 55- bis 64-Jährigen
steigt. – Das ist ein unhaltbarer Zustand.


(Beifall bei der LINKEN)


Diesen Zustand wollen Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von Union und SPD, bis 2017 einfach ignorie-
ren. Erst in vier Jahren soll es einen flächendeckenden
Mindestlohn und eine sogenannte Lebensleistungsrente
für Geringverdienende geben – die ihren Namen nicht
verdient. Vier Jahre verschenkt im Kampf gegen die Al-
tersarmut! Das ist doch nicht zu fassen!


(Beifall bei der LINKEN)


Die Erwerbsminderungsrenten für Kranke befinden
sich seit Jahren im Sinkflug. Das darf nicht so bleiben.
Niemand wird freiwillig krank. Die neue Koalition will
nun die Zurechnungszeiten in einem Rutsch um zwei
Jahre anheben. Immerhin, das bringt den Betroffenen
35 bis 40 Euro mehr. Aber die Hälfte der Erwerbsminde-
rungsrenten liegt unter dem Sozialhilfeniveau. Deshalb
ist Ihr Schritt zwar richtig; er greift aber viel zu kurz,
weil Sie den 50-jährigen Busfahrer mit dem kaputten
Rücken weiterhin mit völlig ungerechten Abschlägen
bestrafen. Im Schnitt fehlen im Portemonnaie von Men-
schen, die nicht mehr voll arbeiten können, Monat für
Monat rund 80 Euro. Darum fordere ich Sie auf, meine
Damen und Herren von Union und SPD: Heben Sie die
Zurechnungszeit um drei Jahre an und hören Sie auf die
Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland,
Ulrike Mascher! Sie hat gestern gesagt – ich zitiere –:

Die Erwerbsminderungsrentner dürfen von CDU/
CSU und SPD nicht weiterhin mit der Beibehaltung
der Abschläge bestraft werden. Sie müssen gestri-
chen werden!

Recht hat Frau Mascher!


(Beifall bei der LINKEN)


Nächstes Beispiel: die abschlagsfreie Rente ab 63
nach 45 Beitragsjahren. Okay, gut, heute hilft das man-
chen, vor allem Männern; aber in Zukunft wird wegen
der massenhaft gebrochenen Erwerbsbiografien nur
noch eine Minderheit 45 Beitragsjahre erreichen. Und
dann heben Sie die Altersgrenze auch noch schrittweise
wieder auf 65 Jahre an. Ist das die Handschrift der SPD,
von der ständig die Rede ist? Nein, das ist der billige Er-
satz der SPD


(Andrea Nahles [SPD]: Billig ist das nicht!)


für die nicht erfolgte Aussetzung der Rente ab 67, und
das ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht so weiter: Die Riester-Rente ist ein Flop; das
wissen mittlerweile alle. Die Zinsen sind tief im Keller,
und Sie wollen die private Altersvorsorge auch noch
stärken. So ein Wahnsinn!

Was ist jetzt zu tun? Derzeit müssen die Rentenversi-
cherungsbeiträge gesenkt werden, wenn die Rentenkasse
gut gefüllt ist. Das ist unsinnig.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb wollen wir mit unserem Gesetzentwurf diesen
Zwang ein für alle Mal abschaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Rentenversicherung braucht jeden Cent. Wenn wir
auf die Absenkung der Beiträge verzichteten, könnten
wir erstens das Rentenniveau stabilisieren, zweitens die
Rente erst ab 67 abschaffen und drittens die Erwerbs-
minderungsrenten deutlich verbessern. Das wäre der
richtige Weg.


(Beifall bei der LINKEN)


Das alles können wir aber vergessen, wenn Sie die
höheren Mütterrenten aus Beiträgen finanzieren. Die
Mütterrenten sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Darum dürfen sie nicht aus Beitragsmitteln finanziert
werden, sondern sie müssen aus Steuermitteln finanziert
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Mit dieser Forderung befinden wir Linken uns in guter
Gesellschaft: Der DGB und alle Sozialverbände sehen
das auch so. Die Spitzen sämtlicher Sozialversiche-
rungsträger – das ist einmalig – haben Union und SPD in
einem gemeinsamen Appell aufgefordert, die Mütterren-
ten ausschließlich aus Steuermitteln zu finanzieren; denn
nur so erreicht man, dass sich auch Reiche, Beamtinnen
und Beamte, Selbstständige und Abgeordnete an der
Finanzierung der höheren Mütterrenten beteiligen. Das
wäre nur gerecht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800303700

Als Nächste spricht die Bundesministerin von der

Leyen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Die Deutsche Rentenversicherung ist keine kapi-
talgedeckte individualisierte Versicherungsform, son-
dern eine Sozialversicherung. Deshalb hat sie auch
besondere Merkmale. Ich möchte auf vier dieser beson-
deren Merkmale eingehen, weil sich darin auch wider-
spiegelt, was wir in der Rente warum verändern wollen
– die Reihenfolge ist keine Wertung –:

Erstens. Wir haben eine umlagefinanzierte Rente. Das
heißt, in dem Monat, in dem eingezahlt wird, wird
gleichzeitig auch die Rente an die ältere Generation aus-
gezahlt. Das bedeutet im Klartext: Die Rente lebt von
Kindern. Ohne Kinder keine Rente!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kinder zahlen keine Beiträge! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber irgendwann schon!)


– „Kinder zahlen keine Beiträge“, aber Kinder sind die
Beitragszahlerinnen und Beitragszahler von morgen.
Das heißt, wenn wir auch morgen eine Rente haben wol-
len, dann müssen heute Kinder erzogen werden. Das war
in der Vergangenheit so, und das wird in der Zukunft so
sein. Das ist das zentrale Merkmal einer umlagefinan-
zierten Rente.


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es sei denn, sie werden Beamte!)


Das ist auch einer der Gründe, warum wir die Mütter-
rente verbessern.

Die Deutsche Rentenversicherung hat gerade aktuelle
Zahlen herausgegeben. Wenn man sich die Zahlbeträge
anschaut, dann sieht man, dass Erziehende – das sind
klassischerweise die Mütter – im Durchschnitt 50 Euro
pro Kind weniger im Monat haben. Ein Teil dieser Dis-
krepanz wird durch die Mütterrente gemindert, die übri-
gens für die Vergangenheit und für die Gegenwart zu ei-
nem Ausgleich führt. Selbstverständlich gibt es diesen
Ausgleich auch in der Zukunft; denn auch dann gibt es
die Mütterrente für die jetzt junge Generation.

Zweites Merkmal einer Sozialversicherung: Alle, die
sozialversicherungspflichtig arbeiten, müssen in die
Rentenkasse einzahlen. Bis zur Beitragsbemessungs-
grenze werden ihnen im Augenblick 9,45 Prozent des
Arbeitnehmerbruttolohns abgezogen. „Bis zur Beitrags-
bemessungsgrenze“ heißt, dass insbesondere Menschen
mit kleinem Einkommen ihren Beitrag zur Rentenversi-
cherung leisten. Es bedeutet, dass diese Beiträge typi-
scherweise die Steuern der „kleinen Leute“ sind. Je grö-
ßer ein Einkommen ist, desto mehr wirkt die
Beitragsbemessungsgrenze dämpfend, da die Abzüge für
die Menschen mit größerem Einkommen nicht so rele-
vant sind.

Das ist einer der Hauptgründe, warum es in einer So-
zialversicherung selbstverständlich sein muss, dass sich
auch Menschen mit kleinem Einkommen darauf verlas-
sen können, dass sie, wenn sie ein Leben lang Pflichtbei-
träge eingezahlt haben, am Ende des Tages auch eine
Rente haben, von der sie leben können. Das ist der
zweite Punkt, den wir in diesem Koalitionsvertrag fest
verankert haben, nämlich die Einführung einer solidari-
schen Lebensleistungsrente, die genau dieses Prinzip er-
füllt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie hoch ist sie netto?)


Drittens. Die Rente ist keine Versicherungssumme,
die einfach nur einmal ausbezahlt wird, sondern die ge-
setzliche Rente ist eine Versicherungsleistung, die bis
zum letzten Lebenstag ausbezahlt wird. Das bedeutet für
uns aber auch, dass wir als Gesellschaft klug einteilen
müssen – insbesondere wenn sich die Lebenserwartung
erhöht: Wie viel Zeit wird in Arbeit investiert, sprich: in
die Beitragszahlung, und wie viel Zeit ist für den wohl-
verdienten Ruhestand da? Das ändert sich mit einer län-
geren Lebenserwartung.

Deshalb haben wir auch das schrittweise Zugehen auf
die Rente mit 67 bis zum Jahr 2029 eingeführt. Es gibt
Menschen – und das wissen alle hier in diesem Raum –,
bei denen der Berufseinstieg relativ spät erfolgt: Man be-
sucht die Schule, man absolviert ein Studium, und es
dauert eine ganze Weile, bevor man im Beruf ist und in
die Rentenkasse einzahlt. Es gibt andere, die schon sehr
viel früher arbeiten müssen – mit 16, 17, 18 Jahren.
Diese haben typischerweise körperlich harte, anstren-
gende, auszehrende Berufe.

Weil das so ist und weil wir eine soziale Rentenver-
sicherung haben, die einen Ausgleich zum Beispiel zwi-
schen den Generationen, zwischen den verschiedenen
Funktionen „Kindererziehung“ und „harte körperliche
Arbeit“ und zwischen den Menschen mit großem und
kleinem Einkommen schafft, werden wir die abschlags-
freie Rente mit 63 Jahren einführen. Sie gilt genau für
diese Menschen, die lange eingezahlt, hart körperlich ge-
arbeitet und im Durchschnitt sehr viel mehr Beitrags-
jahre haben, als das bei Akademikern oder Akademike-
rinnen typischerweise der Fall ist. Für diese Menschen
wollen wir in dieser Großen Koalition etwas tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Viertens. Es ist eine Selbstverständlichkeit: Wen das
Schicksal schwerer Krankheit ereilt, den lassen wir nicht
hängen. Das ist das Grundprinzip der Erwerbsminde-
rungsrente. Wir wissen, dass es hier ein Defizit gibt und
dass sie verbessert werden muss. Auch das werden wir
in der Großen Koalition tun.

Ja, das alles muss finanziert werden. Es musste in der
Vergangenheit finanziert werden, es muss heute finan-
ziert werden und auch in Zukunft. Deshalb stabilisieren
wir den Beitragssatz bei 18,9 Prozent. Deshalb wird es
im Jahre 2018 zusätzlich zu den Bundesmitteln von
80 Milliarden Euro, die es schon heute gibt, weitere
2 Milliarden Euro zur Finanzierung der Mütterrente ge-
ben. Deshalb wird die solidarische Lebensleistungsrente
durch Einsparungen bei der Grundsicherung im Alter





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)

– das ist Steuergeld – und die Abschmelzung des Wan-
derungsausgleichs an die Bundesknappschaft finanziert.

Das sage ich alles vor dem Hintergrund, dass heute in
den rund 250 Milliarden Euro, die für die Rente ausge-
geben werden, 80 Milliarden Euro Bundesmittel enthal-
ten sind. Damit leistet der Bund schon heute einen we-
sentlichen Beitrag zur Finanzierung der gesetzlichen
Rente.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800303800

Frau Ministerin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Das ist das Wichtigste, und das ist auch das Ende. All
das, was ich eben beschrieben habe, funktioniert nur,
wenn die Wirtschaft brummt und wenn die Menschen
eine gute Arbeit haben. Das ist das Entscheidende.

Heute sind die neuen Arbeitsmarktzahlen herausge-
kommen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen
Erwerbstätigen liegt bei 29,8 Millionen. Das sind alleine
im Vergleich zum Vorjahresmonat 380 000 mehr. Das ist
das Entscheidende für solide Sozialkassen. Deshalb ist
das große Ziel dieser Großen Koalition, die Vollbeschäf-
tigung zu erreichen und den Menschen gute Arbeit und
mehr Arbeit zu ermöglichen. Denn das ist die Basis un-
seres Wohlstandes.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800303900

Jetzt spricht die Kollegin Ferner.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1800304000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin froh, dass wir im Gegensatz zur letzten Wahl-
periode jetzt mit dieser Beitragssatzsenkerei Schluss ma-
chen, die eigentlich viel zu kurz gesprungen war.


(Beifall bei der SPD)


Wir werden die Beitragssätze im kommenden Jahr
stabil halten und dann im Zusammenhang mit dem, was
im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, wenn das
Mitgliedervotum der SPD positiv ausgeht, eine langfris-
tige Entscheidung hinsichtlich der Bandbreite der
Schwankungsreserve treffen, damit wir nicht jedes Jahr
wieder diese Diskussion haben werden. Die gesetzliche
Rentenversicherung braucht Stabilität. Diese hat sie
lange Jahre nicht gehabt. Wir werden ihr mit dieser Maß-
nahme Stabilität geben.

Noch einmal in Richtung der jüngeren Abgeordneten,
insbesondere aus der CDU/CSU-Fraktion, die glauben,
es sei nicht generationengerecht, jetzt die Rentenversi-
cherungsbeiträge stabil zu halten. Nein, das Gegenteil ist
der Fall. Die jetzige rentennahe Generation zahlt durch
diese Maßnahme höhere Beiträge, als sie es nach gelten-
der Rechtslage tun müsste, damit sie, wenn sie selber in
Rente geht – es werden in den kommenden Jahren im-
mer mehr Menschen in Rente gehen –, ihre Rente be-
kommt und gleichzeitig auf die dann zahlende Genera-
tion nicht zu hohe Beitragssatzsprünge zukommen. Das
ist die Folge stabiler Beitragssätze.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben, denke ich, bei den Verhandlungen ein sehr
gutes Ergebnis erzielt. Herr Birkwald, wir haben keine,
wie Sie sie gefordert haben, Rente von 1 100 Euro für
alle ohne jede Bedingung, ohne jede Beitragszahlung
und ohne Einkommensberechnung erreicht. Das wollen
wir auch nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind nämlich der Auffassung, dass ein anderes
wichtiges Prinzip der Rentenversicherung auch in Zu-
kunft eingehalten werden muss. Dieses Prinzip heißt
Beitragsbezogenheit. Es bedeutet, dass jeder, der Bei-
träge in die Rentenversicherung eingezahlt hat, die Ge-
wissheit hat, damit eine Rentenanwartschaft zu erwerben
und diese auch in Zukunft gesichert bleibt. Eine rein
steuerfinanzierte und einkommensunabhängige Rente,
so wie Ihre Fraktion und Ihre Partei das will, würde im
Ergebnis zu einer Rente nach Kassenlage führen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch!)


Das wollen wir definitiv nicht. Das würde eine der ältes-
ten Sozialversicherungen wirklich in den Abgrund trei-
ben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig! – Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Lüge!)


– Nein, das ist keine Lüge. Sie haben das doch plakatiert.
Ich habe doch im Wahlkampf nicht die Plakate aufge-
hängt, auf denen Sie 1 100 Euro Rente für alle fordern.
Das waren doch Sie.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Erstens war die Zahl nicht richtig, und zweitens stimmt es nicht!)


– Ja gut, dann eben 1 050 Euro. Um die 50 Euro brau-
chen wir uns, glaube ich, nicht weiter zu streiten.

Wenn unser Mitgliedervotum positiv ausfällt, dann
wird es für viele deutliche Verbesserungen im Renten-
recht geben: für Mütter, für besonders langjährig Be-
schäftigte und für Menschen mit gebrochenen Erwerbs-
biografien. Das sind insbesondere Frauen, die wegen
fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen gebrochene
Erwerbsbiografien haben und Teilzeit arbeiten mussten,
auch wenn sie es nicht unbedingt wollten, und anschlie-
ßend nicht wieder in einen Vollzeitjob hineingekommen
sind, aber auch Männer und Frauen aus Ostdeutschland,
die in der Nachwendezeit häufig gebrochene Erwerbs-
biografien haben.





Elke Ferner


(A) (C)



(D)(B)

Wir werden Verbesserungen für Erwerbsgeminderte
wie auch für diejenigen erzielen, die gleitende Über-
gänge vom Erwerbsleben in die Rente brauchen. Außer-
dem werden wir endlich, über 20 Jahre nach der deut-
schen Wiedervereinigung, eine Angleichung der Ost- an
die Westrenten bekommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das sind zentrale Forderungen der SPD gewesen, und
die werden damit umgesetzt werden können.

Die Mütterrente wird zum 1. Juli 2014 kommen. Das
bedeutet einen Entgeltpunkt mehr in der gesetzlichen
Rentenversicherung für diejenigen, die vor 1992 Kinder
geboren haben. Wir hätten uns gewünscht, dass dabei
Ostzeiten wie Westzeiten behandelt würden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir hätten uns auch gewünscht, dass diese sozialpoli-
tisch sinnvolle und notwendige Maßnahme steuerfinan-
ziert worden wäre statt über die Sozialversicherungsbei-
träge, wobei im Laufe dieser Wahlperiode noch
2 Milliarden Euro zusätzlich für die Rentenversicherung
vorgesehen sind. Aber nicht wir waren diejenigen, die
keine Steuererhöhungen bei den oberen 5 Prozent der
Einkommensbezieher wollten, sondern die Union war
gegen Steuererhöhungen.

Deshalb bleibt, wenn man die Mütterrente will, nur
die Möglichkeit, sie über Beiträge zu finanzieren. Aber
in der Zukunft wird noch die Möglichkeit bestehen, da-
rüber zu reden, spätestens in der nächsten Wahlperiode.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben Verbesserungen bei der Erwerbsminde-
rungsrente beschlossen, nämlich dass die Zurechnungs-
zeit um zwei Jahre angehoben wird, und zwar auch zum
1. Juli 2014. Das ist besonders wichtig, weil gerade
Menschen, die wegen einer Erwerbsminderung in Er-
werbsminderungsrente gehen müssen, ganz besonders
von Altersarmut betroffen sind.

Wir werden außerdem eine Günstigerprüfung für die
letzten vier Jahre einführen. Auch das ist nicht zu ver-
nachlässigen. Denn es bedeutet, dass die betroffenen
Menschen im Hinblick auf Zeiten, in denen sie schon
krank waren und möglicherweise weniger Beiträge ge-
zahlt haben, nach der Günstigerprüfung besser dastehen
als bisher.

Wir werden auch mehr Geld für Rehamaßnahmen
ausgeben, weil eine vernünftige Reha und vor allen Din-
gen auch vernünftige Arbeitsbedingungen Voraussetzun-
gen sind, um Erwerbsminderung zu vermeiden.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben darüber hinaus eine solidarische Lebens-

leistungsrente vereinbart – wir haben sie im Wahlkampf
Solidarrente genannt; die Union hat sie Lebensleistungs-
rente genannt; jetzt ist daraus die solidarische Lebens-
leistungsrente geworden –, damit diejenigen, die heute
von Altersarmut betroffen sind und auf weniger als
30 Entgeltpunkte – das sind 844 Euro – für ihr Altersein-
kommen kommen, im Alter nicht trotz langjähriger Be-
schäftigung in die Grundsicherung fallen.

Dafür gibt es eine Übergangszeit bis zum Jahr 2023,
in der 35 Beitragsjahre notwendig sind, um die solidari-
sche Lebensleistungsrente zu bekommen. Das hilft ins-
besondere Frauen: Frauen, die schlecht verdient haben,
weil sie teilzeitbeschäftigt waren, Frauen, die schlechter
bezahlt wurden als Männer, oder Frauen, die jemanden
gepflegt haben. Aber es hilft auch Arbeitslosen, weil
Zeiten von Arbeitslosigkeit bis zu fünf Jahren mit in die
Berechnung einfließen. Deshalb profitieren neben den
Frauen im Westen auch insbesondere die Menschen in
den neuen Bundesländern, weil auch sie häufig gebro-
chene Erwerbsbiografien haben.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie hoch wird die sein?)


– Die Höhe dieser Rente wird davon abhängen, wie die
Höherwertung erfolgt und welche Zeiten mit einbezogen
werden. Es wird in einer zweiten Stufe eine bedarfsge-
prüfte Grundsicherung im Alter geben, die dann aller-
dings einkommensabhängig berechnet wird. Herr
Birkwald, ich finde das in Ordnung. Wenn jemand einen
Partner oder eine Partnerin mit Einkommen hat oder
über ein entsprechendes Alterseinkommen verfügt, das
andere möglicherweise nicht haben, muss aus Steuermit-
teln nicht noch aufgestockt werden; denn dann ist eine
ausreichende Versorgung vorhanden. Es geht uns viel-
mehr darum, diejenigen aus der Altersarmut herauszuho-
len, die ohne die nun vorgesehene Maßnahme in die
Grundsicherung fallen würden.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gegen die Einkommensprüfung habe ich ja nichts!)


Wir haben darüber hinaus erkannt – das wird heute
Nachmittag noch Thema sein –, dass der Schlüssel für
eine gute Rente eine gute Erwerbsbiografie ist. Vor die-
sem Hintergrund ist die Einführung eines Mindestlohns
das zentrale Thema, damit diejenigen, die heute im Nie-
driglohnsektor arbeiten, zu besseren Renten kommen.
Die bessere Tarifbindung, die wir vereinbart haben, trägt
ebenfalls zu einer Verbesserung der Renten bei. Die bes-
sere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird sich ins-
besondere für Frauen – auch in der Rente – auszahlen;
denn Frauen werden durchgängiger und mehr erwerbstä-
tig sein können, als das heute der Fall ist.

Ein weiteres Thema ist die befristete Teilzeit. Wir er-
möglichen es, nach einer befristeten Zeit wieder sicher
auf die Vollzeitstelle bzw. auf die alte Stelle mit gleicher
Arbeitszeit wie zuvor zurückzukehren. Damit wird die
Gefahr gebannt, in der Teilzeit gefangen zu sein und spä-
ter auch nur eine Teilzeitrente zu beziehen.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt ist die Entgeltgleich-
heit. Wenn Frauen für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit
genauso viel bekommen wie Männer, werden sie am
Ende bessere Renten beziehen.

Das alles gehört zusammen, und das alles muss man
auch zusammen sehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Elke Ferner


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben des Weiteren eine Vereinbarung für beson-
ders langjährig Beschäftigte getroffen. Es sind nicht
viele, die 45 Beitragsjahre vorweisen können. Wir sen-
ken das Renteneintrittsalter für diese Personen von heute
65 Jahren auf 63 Jahre. Das wird parallel zum Renten-
eintrittsalter wieder angehoben. Aber man kann zwei
Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen, als das ohne
diese Regelung der Fall wäre. Dabei werden Zeiten der
Arbeitslosigkeit berücksichtigt, was derzeit nicht der
Fall ist. Insofern wird ein größerer Personenkreis davon
profitieren. Herr Birkwald, wenn Sie nun sagen: „Das ist
alles nichts“, dann kann ich nur festhalten: Es ist deut-
lich besser als der Status quo.


(Beifall bei der SPD)


Wir möchten im Gegensatz zu Ihnen Verbesserungen für
die Menschen erreichen und nicht irgendwelche Grund-
sätze vor uns hertragen, was im Ergebnis nicht dazu
führt, dass es den Menschen besser geht.


(Beifall bei der SPD)


Letzter Punkt, die Angleichung der Renten im Osten
an die im Westen. Ja, das hat lange gedauert. Ich bin
froh, dass wir in dieser Wahlperiode ein Gesetz mit dem
schönen Namen „Rentenüberleitungsabschlussgesetz“
verabschieden werden. Diejenigen, die häufig Scrabble
spielen, werden wahrscheinlich eine riesige Punktzahl
erreichen, wenn sie dieses Wort legen können. Auf jeden
Fall ist es für die Menschen in Ostdeutschland gut, zu
wissen, dass spätestens wenn der Solidarpakt II ausläuft,
die Renten in Ost und West gleich berechnet werden und
dass es dann ein einheitliches Rentenrecht gibt. Das ist
30 Jahre nach der deutschen Einheit mehr als überfällig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon haben viele heutige Rentner nichts!)


Wenn ich unter das alles einen Strich ziehe, dann
glaube ich, dass wir angesichts der Verbesserungen im
Rentenbereich getrost vor unsere Mitglieder treten kön-
nen. Ich möchte an dieser Stelle Andrea Nahles und all
denjenigen, die auf unserer Seite in der Koalitionsar-
beitsgruppe dafür gestritten haben, danken. Das ist ein
wirklich gutes Ergebnis.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800304100

Jetzt spricht der Kollege Markus Kurth.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800304200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Nun sieht es also so aus, dass alle Fraktionen im
Deutschen Bundestag den Beitragssatz in der gesetzli-
chen Rentenversicherung nicht weiter senken wollen.
Bei näherem Hinsehen gibt es jedoch gewaltige Unter-
schiede. Auf der einen Seite sieht die Fraktion Die Linke
ausweislich der Begründung ihres Gesetzentwurfs die
Aussetzung der Beitragssatzsenkung als Auftakt zu einer
ganzen Kette von Beitragssatzerhöhungen, um in Zu-
kunft sämtliche rentenpolitischen Reformen nicht nur zu
verändern, sondern gleich abzuschaffen. Auf der ande-
ren Seite wollen Union und SPD mit den Geldern der
Beitragszahler sozialpolitische Geschenke machen, die
eigentlich von der Allgemeinheit, das heißt von den
Steuerzahlern, bezahlt werden müssen. Sie machen
Weihnachtsgeschenke, die nur die Beitragszahlerinnen
und Beitragszahler finanzieren müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Nur wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wollen
die Gelder der Rücklage zusammenhalten und im Sinne
der Versicherten einsetzen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und zwar für abschlagsfreie Erwerbsminderungsrenten,
um die Rente mit 67 vernünftig zu flankieren,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


für ein angemessenes Rehabudget, weil „Reha vor
Rente“ sich rechnet und den Leuten ein längeres Verblei-
ben im Erwerbsleben ermöglicht, und für eine Demogra-
fierücklage, um den Beitragssatzanstieg ab 2018, den
wir erwarten, abzufedern und für Generationengerech-
tigkeit zu sorgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich manches hier so verfolge, kommen mir Er-
innerungen an meine Kindheit. Ich bin im Rheinland ge-
boren, in Bonn. Dort gibt es Karnevalsumzüge, und am
Ende des Karnevalszuges fährt der Prinzenwagen. Von
ihm werden besonders viele Bonbons geworfen, und die-
jenigen mit den stärksten Schultern und größten Beuteln,
die sich vordrängeln, kriegen das meiste ab.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir erleben hier die Vorbeifahrt des rentenpolitischen
Prinzenwagens, wir erleben, dass die Großkoalitionäre
mit vollen Händen das Geld der Beitragszahler an die
verteilen, die am lautesten schreien und sich vordrän-
geln. Das ist das Problem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich kann
man über Dinge wie die sogenannte Mütterrente disku-
tieren. Es ist klar: Stichtagsregelungen bringen immer
Ungerechtigkeiten mit sich. Einen Teil der Argumenta-
tion von Frau von der Leyen kann ich auch nachvollzie-
hen. Und natürlich kann man über einen abschlagsfreien
Rentenzugang mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren
sprechen. Aber dann muss man auch ehrlich darüber re-
den, wie man das finanziert. Das muss man bilanzieren.
Es sind 10 Milliarden Euro, die Sie in die Hand nehmen.

Wir haben – das hat uns im Wahlkampf leider nicht
immer zum Wohle gereicht – vor unserem Wahlkampf
genau gerechnet, überlegt und mit Steuererhöhungen ar-
gumentiert. Das haben Sie, meine Damen und Herren
von der Union, sich erspart.


(Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin: Ja!)






Markus Kurth


(A) (C)



(D)(B)

– Frau von der Leyen ruft mir von der Seite noch „Ja“
zu. – Sie haben gesagt: Wir erhöhen keine Steuern. –
Was Sie aber letzten Endes machen, ist, dass Sie die
„Steuern der kleinen Leute“ erhöhen; genau so haben Sie
eben die Beitragssätze genannt. Das ist unehrlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie loben sich, dass Sie auf Sicht fahren. Ja, das ist
immer das Argument der Regierung Merkel gewesen.
Nur, Ihr Sichtfeld ist furchtbar klein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sitzen nämlich krampfhaft am Lenkrad und schauen
nur auf das nächste Stück der Wegstrecke. Gerade bei
der Rentenversicherung würde es sich lohnen, den Blick
zu heben, auf lange Sicht zu fahren und auch die Warn-
schilder am Rand zu beachten, die sozialpolitischen und
die beitragssatzpolitischen Warnschilder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ist nicht erst letzte Woche am Mittwoch im Kabinett
der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung
verabschiedet worden? Ist denn nicht ganz klar, welche
Beitragssatzanstiege ab 2018 drohen? Das wissen Sie
doch. Irgendwo auf dem Weg vom Kanzleramt zum
Willy-Brandt-Haus muss der Rentenversicherungsbe-
richt der Bundesregierung wohl abhanden gekommen
sein. Sonst könnten Sie so nicht handeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie von der SPD sprechen gern von der Koalition des
kleinen Mannes. Frau Ferner, ich schätze Sie – Sie haben
jetzt noch einmal alles aufgezählt –, aber, was die Koali-
tion des kleinen Mannes betrifft, mal ehrlich: Der kleine
Mann, der jetzt zwölf Jahre alt ist,


(Elke Ferner [SPD]: Kleine Frau auch!)


der in vier Jahren die Berufsausbildung beginnt und drei
Jahre später in das Berufsleben eintritt, wird sich für die
Beitragssatzerhöhung bedanken, die Sie ihm eingebrockt
haben, und für die Beitragssatzerhöhungen, die Jahr für
Jahr folgen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich das hier sehe, muss ich sagen: So viele
Stimmen, die Sie haben, und so viel Mutlosigkeit; so
viele Stimmen, die Sie haben, und so viel Feigheit vor
der Zukunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800304300

Als Nächster spricht Max Straubinger.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1800304400

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute einen Gesetzentwurf der Linken zu be-
raten. Ich bin versucht, zu sagen: Es geht in der 18. Le-
gislaturperiode so weiter, wie die 17. Legislaturperiode
beendet worden ist. Herr Birkwald, Ihre Rede war letzt-
endlich dieselbe wie immer. Es hat sich nichts geändert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch! Wir haben Vorschläge gemacht!)


– Nein, es hat sich nichts geändert; denn Sie sind immer
noch im rentenpolitischen Nirwana.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Da kommt er auch nicht mehr raus!)


– Da kommt er nicht mehr heraus. Ganz genau, Herr
Kollege Zimmer.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auf der einen Seite vorzuwerfen, dass die SPD dem
Sparwahn der Union erlegen wäre, gleichzeitig aber zu
sagen, wir würden Weihnachtsgeschenke verteilen, wie
es gerade auch der Kollege Kurth getan hat, ist wider-
sprüchlich. Sie tadeln uns, weil wir notwendige Verbes-
serungen in der Rentenversicherung vornehmen, und be-
zeichnen das als Weihnachtsgeschenk; Sie selbst aber
stellen Anträge für eine abschlagsfreie EM-Rente und
für die Aufhebung des Nachhaltigkeitsfaktors. Sie gei-
ßeln uns dafür, dass wir den Beitragssatz nicht senken,
sind aber eigentlich dafür, dass der Beitragssatz nicht ge-
senkt wird.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jetzt verwechseln Sie aber alles! Das waren wir, und das mit dem Beitragssatz war der Kollege Kurth! Sie bringen alles durcheinander, Herr Kollege!)


Also, Herr Kollege Kurth, irgendwo sollte das, was Sie
hier als rentenpolitisches Konzept darlegen, zusammen-
passen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So zeigt sich sehr deutlich, dass die Linke und die
Grünen in diesem Haus in keinster Weise positive Vor-
stellungen von der Zukunft der Alterssicherung der
Menschen haben.


(Beifall des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU])


Zur Alterssicherung der Menschen besagt ein OECD-
Bericht, der morgen veröffentlicht wird – Herr Kollege
Birkwald, Sie haben ihn hier bemüht –, klar und deut-
lich, dass die Nachhaltigkeit der deutschen Rentenversi-
cherung die beste im Vergleich mit allen anderen Ren-
tenversicherungssystemen der OECD-Länder ist, und
zwar aufgrund der Maßnahmen, die wir in der Vergan-
genheit ergriffen haben: einmal der Erhöhung des Ren-
teneintrittsalters auf 67 bis zum Jahr 2029 – die Frau
Ministerin hat es dargelegt – und darüber hinaus der
Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors. Das heißt, die
Menschen in Deutschland können sich auf die Stabilität
unseres Rentenversicherungssystems verlassen. Das ist
die beste Auszeichnung, vor allen Dingen auch für die
Bürgerinnen und Bürger.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auf der anderen Seite gilt es, dieses verlässliche Ren-
tenversicherungssystem, das wir für die Bürgerinnen und
Bürger über Jahrzehnte hinweg geschaffen haben, im
Sinne der Gerechtigkeitsfrage weiterzuentwickeln.
Diese Frage lösen wir, indem wir die Pläne für eine





Max Straubinger


(A) (C)



(D)(B)

Mütterrente umsetzen, wie wir, CDU/CSU, es im Wahl-
kampf hervorgehoben haben. Damit gewähren wir ab
dem 1. Juli nächsten Jahres, nicht schon ab Weihnach-
ten, einen zusätzlichen Rentenpunkt. Viele Mütter in
Deutschland verbessern somit ihre Rentenanwartschaf-
ten bzw. erhalten höhere aktive Renten. Ich bin der Mei-
nung, das ist im besten Sinne des Gebots des Gerechtig-
keitsausgleichs, der aus folgendem Grund erforderlich
wurde: Für Kinder, die vor 1992 geboren worden sind,
wird nur ein Rentenpunkt angerechnet, und für die nach
1992 geborenen werden drei Rentenpunkte zugrunde ge-
legt. Wir haben dies hier dargelegt. Ich bin dankbar, dass
sich die zukünftigen Koalitionsfraktionen darauf geei-
nigt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800304500

Herr Kollege Straubinger, lassen Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Birkwald zu?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1800304600

Ja, sehr gerne, natürlich. Das verlängert meine Rede-

zeit.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das werden wir sehen, ob sich das lohnt!)


– Ja, sicherlich.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800304700

Vielen Dank, Frau Präsidentin und Herr Kollege

Straubinger, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. –
Herr Kollege Straubinger, Sie haben eben insinuiert,
dass der OECD-Bericht von der Rentenversicherung in
Deutschland schwärmt, vor allen Dingen haben Sie insi-
nuiert, dass Geringverdienende eine auskömmliche
Rente hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Das können Sie
in allen Zeitungen lesen. Ich zitiere jetzt einmal aus Ihrer
Lieblingszeitung; das ist die Bild.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1800304800

Die kenne ich gar nicht.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800304900

Selbst in der Bild heißt es unter der Überschrift

„Feuer unterm Dach“:

Die Warnungen werden lauter, und sie kommen
nicht mehr nur aus Deutschland: Hunderttausenden
Geringverdienern droht im Alter der Absturz in
die Armut. … Deutschland, eine Wirtschafts-
Weltmacht, aber bei der Altersversorgung fast Ent-
wicklungsland – das passt nicht zusammen.

So die Bild-Zeitung.

Die Kollegin, die bei der OECD zuständig ist, sagt,
dass das Altersgeld von Geringverdienenden in Deutsch-
land so niedrig sei wie in kaum einem anderen OECD-
Land. Geringverdienende haben in Deutschland im
Schnitt netto 55 Prozent ihrer Bezüge, und in 27 OECD-
Ländern liegt der Durchschnitt bei 82 Prozent.
Also deutlich ist – das gilt auch für die Kollegin
Ferner –: Heute stellt sich das Rentenversicherungssys-
tem in Deutschland so dar, dass Geringverdienende sehr
schlecht abgesichert sind. Deswegen brauchen wir eine
„solidarische Mindestrente“, die den Namen auch ver-
dient und von der Menschen im Alter armutsfrei leben
können. Wir brauchen nicht irgendwelche „Geschich-
ten“, die deutlich niedriger liegen. Ich bitte Sie, zur
Kenntnis zu nehmen: Die OECD hat das Gegenteil von
dem gesagt, was Sie hier behauptet haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1800305000

Lieber Herr Kollege Birkwald, ich möchte Ihnen ent-

gegensetzen – das kann dann die Bild-Zeitung auch
schreiben –: In Deutschland gibt es Altersarmut nur in
sehr, sehr begrenztem Maß: Nur 2,6 Prozent sind auf
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung an-
gewiesen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Die müssen alle in meinem Wahlkreis wohnen!)


Das zeigt sehr deutlich, dass die Alterssicherungssys-
teme greifen. Sie ruhen ja auf drei Säulen. Sie reden im-
mer nur von der gesetzlichen Rentenversicherung. Es
gibt da auch noch die betriebliche Altersversorgung.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die ist doch schon im Keller!)


Genauso gibt es die private kapitalgedeckte Zusatzver-
sorgung, die Sie aus ideologischen Gründen immer ab-
lehnen, die aber unter dem Gesichtspunkt der Generatio-
nengerechtigkeit eine verbesserte Situation herbeiführt.


(Widerspruch der Abg. Elke Ferner [SPD])


– Natürlich, Frau Ferner! – Im Alter wird ein ausreichen-
des Einkommen erzielt, wobei dies nicht allein die nach-
folgende Generation zu leisten hat, weil vorher ja ein
Ansparvorgang stattgefunden hat. Bei der Rentenversi-
cherung haben wir ein Umlagesystem. Das bedeutet,
dass die im Erwerbsleben Stehenden für die Rentenleis-
tungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufzu-
kommen haben, während im anderen Fall ein Anspar-
vorgang stattfindet.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie was zur OECD!)


90 Millionen Lebensversicherungsverträge und ausge-
klügelte Altersversicherungssysteme in unseren Indus-
triebetrieben in Deutschland sorgen dafür, dass im Alter
eine gute Grundlage gegeben ist.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Keine Antwort auf die Frage zur OECD-Studie!)


Im OECD-Bericht wird dies alles nicht ausreichend
berücksichtigt, Herr Kollege Birkwald.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] nimmt Platz)






Max Straubinger


(A) (C)



(D)(B)

Darüber hinaus kommt natürlich noch hinzu – bleiben
Sie bitte noch stehen, Herr Kollege; ich bin noch nicht
fertig –, dass Folgendes in die Waagschale gelegt werden
muss: Sie hantieren immer mit Prozentsätzen.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800305100

Herr Kollege Birkwald, das ist schon noch eine Ant-

wort. Stehen Sie bitte wieder auf!


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] erhebt sich wieder von seinem Platz – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Er antwortet ja nicht! – Weitere Zurufe von der LINKEN)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1800305200

Aber mir sind 56 Prozent von einem relativ hohen

Durchschnittsgehalt – das ist die Grundlage des OECD-
Berichts – lieber als ein höherer Prozentsatz von einem
sehr niedrigen Verdienst in anderen Ländern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Deutschland geht es den Menschen im Alter also weit
besser als in vielen anderen Ländern. Das ist letztendlich
das Wichtigste für unsere Menschen.

Werte Damen und Herren, wir nehmen Verbesserun-
gen vor. Das gilt auch in der Frage der Anerkennung von
langjährigen Beitragszahlungen. Das war schon Grund-
lage bei der Umsetzung der Rente mit 67, wo wir darauf
gedrängt haben, dass Menschen, die 45 Jahre Beiträge
gezahlt haben, ab dem 65. Lebensjahr – das gilt in der
Umsetzung seit 2002 – ohne Abschlag in Rente gehen
können. Es ist ein guter Kompromiss gefunden worden –
es ist ein gelungener Kompromiss –, dass jetzt bei
45 Jahren Beitragszahlungsdauer bereits ab einem Alter
von 63 Jahren – dann ansteigend – abschlagsfrei in
Rente gegangen werden kann. Das ist angemessen für
die Menschen, die in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung besonders langjährig versichert waren. Wir stehen
dazu, und ich glaube, dass dies ein wichtiger Punkt ist.

Ein Letztes noch. Gerade beim Übergang von der Er-
werbstätigkeit in den Ruhestand gibt es derzeit einen
sehr starken Bruch. Wenn jemand vorzeitig Rente in An-
spruch nimmt, kann er nur ein geringfügiges Beschäfti-
gungsverhältnis eingehen. Viele angehende Rentnerin-
nen und Rentner wollen aber sozusagen gleitend in den
Ruhestand wechseln. Deshalb ist es richtig, wenn wir die
Hinzuverdienstmöglichkeiten bei vorzeitiger Inan-
spruchnahme von Rentenleistungen ausweiten. Das ha-
ben wir im Koalitionsvertrag vereinbart.

Ich glaube, das sind sehr viele positive Punkte. Ich
nehme an, dass auch die SPD-Mitglieder, die ja zur Ab-
stimmung aufgerufen sind, dem zustimmen können und
dass wir dementsprechend eine zukunftsorientierte Ren-
ten- und Sozialpolitik für unser Land gestalten können.

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerk-
samkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800305300

Jetzt spricht der Kollege Peter Weiß.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1800305400

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Lassen Sie uns zum Abschluss dieser Debatte doch
einmal zurückschauen, woher wir kommen. Vor vier
Jahren hatten wir einen Rentenversicherungsbeitrag von
19,9 Prozent. Diesen haben wir in den vergangenen vier
Jahren um insgesamt 1 Prozentpunkt auf heute 18,9 Pro-
zent absenken können.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war auch schon ein Fehler!)


Wir werden in dieser Legislaturperiode, so alle Progno-
sen, diesen Beitrag weiter stabil bei 18,9 Prozent halten
können.

Gleichzeitig werden wir zum Ende dieses Jahres in
der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich
eine Rücklage – sprich: ein Guthaben – von über 31 Mil-
liarden Euro haben, die höchste Rücklage seit über
zwanzig Jahren. Man kann überall, in jeder Debatte, ein
Haar in der Suppe finden; aber ich meine, wir können ei-
gentlich doch stolz darauf sein, dass wir in der Renten-
versicherung einen relativ niedrigen Beitrag und gleich-
zeitig die höchsten Rücklagen seit über zwanzig Jahren
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mehr lange!)


Das verdanken wir einer gut laufenden Wirtschaft,
gut laufenden Unternehmen und einer wachsenden Zahl
von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die mit ei-
nem guten Lohn auch gute Sozialversicherungsbeiträge
bezahlen. Wenn es ein Ziel zu Beginn einer neuen Legis-
laturperiode gibt, das uns einen sollte, dann sollte es das
sein, diese gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, in
der Wirtschaft weiter zu beflügeln, damit unsere Renten-
versicherung, der Kern des deutschen Sozialstaates, auch
in Zukunft gut finanziert ist, nicht ins Minus läuft und
trotzdem die Beiträge für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und die Unternehmen stabil bleiben. Das
muss unser gemeinsames Ziel sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Datenreport von gestern steht das Gegenteil!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde es rich-
tig und auch notwendig, dass wir in einer solch guten Si-
tuation, in der wir uns befinden, die Handlungsmöglich-
keiten nutzen, um allfällig notwendige Reformen im
Rentenrecht durchzuführen. Dazu gehört, dass wir die
Leistung derjenigen, die die Zukunft der Rentenversi-
cherung gewährleisten, indem sie Kinder großziehen, in
der Rente besser bewerten. Dafür war es höchste Zeit.
Wir haben verabredet, das jetzt endlich zu machen.





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie es mit Steuergeldern, nicht mit Beitragsgeldern!)


Der zweite Punkt. Gerade Menschen, die wegen
Krankheit oder einem Unfall vorzeitig aus dem Erwerbs-
leben ausscheiden müssen und die liebend gerne länger
gearbeitet hätten, sind heute in der Gefahr, dass sie mit
der Erwerbsminderungsrente, die sie erhalten, nicht aus-
kommen können.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Bereits 10 Prozent der Rentner in Deutschland, die Er-
werbsminderungsrente erhalten, müssen ergänzend
Grundsicherung beziehen. Deswegen ist es richtig, dass
wir die Handlungsmöglichkeiten nutzen, durch ein bes-
seres Berechnungsverfahren dafür zu sorgen, dass auch
jemand, der vorzeitig wegen Krankheit oder Unfall aus
dem Erwerbsleben ausscheiden muss, eine Rente erhält,
die ihn möglichst nicht dazu zwingt, um zusätzliche
staatliche Stütze anstehen zu müssen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann müssen Sie die Abschläge streichen, sonst kriegen Sie es nicht hin!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800305500

Herr Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Andreae?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1800305600

Ja, bitte schön.


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800305700

Herr Kollege Weiß, Sie haben vorhin davon gespro-

chen, dass die Beitragssätze bei 18,9 Prozent stabil ge-
halten werden können und die Rentenkasse mit 31 Mil-
liarden Euro voll ist. Sie sagten, es wäre jetzt an der Zeit,
die Mütterrente einzuführen. Sie wissen, dass, wenn Sie
die Mütterrente aus der Rentenkasse und damit aus den
Beiträgen der Beitragszahler finanzieren, die 31 Milliar-
den Euro schmelzen werden; denn Sie werden jedes Jahr
6 bis 7 Milliarden Euro für die Mütterrente ausgeben
müssen. Die Mütterrente ist definitiv eine versicherungs-
fremde Leistung. Sie hat mit den Beiträgen in die Ren-
tenkasse nichts zu tun. Wenn Sie die Mütterrente wollen,
dann müssen Sie sie – das ist zwingend logisch – über
Steuermittel finanzieren.

Ich möchte Sie noch auf ein Zitat aus einer Rede von
Ihnen von vor einem Jahr hinweisen:

Wenn ich die Rücklage aber verjubeln will,

– das haben Sie gesagt –

dann habe ich für die Rentenversicherung nichts
gewonnen, sondern werde sie auf alle Zeit mit hö-
heren Belastungen versehen und künftig immer
höhere Beiträge der Beitragszahlerinnen und Bei-
tragszahler erheben müssen.
Erklären Sie mir, warum Sie nicht in der Lage sind, zu
sagen: „Die Mütterrente muss zwingend logisch aus
Steuermitteln finanziert werden und hat mit den Bei-
tragszahlungen in die Rentenkasse nichts zu tun“!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1800305800

Frau Kollegin Andreae, Frau Bundesministerin von

der Leyen hat in ihrer Rede bereits darauf hingewiesen,
dass die gesetzliche Rentenversicherung schon heute in
einem hohen Maß, nämlich zu einem Drittel ihrer Aus-
gaben, aus Steuermitteln finanziert ist.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)


Das heißt, die Beiträge der Beitragszahlerinnen und Bei-
tragszahler bestreiten nur zwei Drittel der jährlichen
Ausgaben; ein Drittel kommt aus den Steuermitteln.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist es ja kein Problem! – Elke Ferner [SPD]: Das ist doch eine Milchbubenrechnung, die Sie hier machen!)


– Frau Ferner, dieser Betrag ist mehr als das, was wir für
sogenannte versicherungsfremde Leistungen aus der
Rentenversicherung ausgeben.

Ich komme zu einem zweiten Punkt und möchte das,
was die Frau Ministerin bereits vorgetragen hat, wieder-
holen: Es ist verabredet, dass ein zusätzlicher Bundeszu-
schuss in Höhe von 2 Milliarden Euro hinzukommen
soll, um den Beitrag des Bundes zur Stabilisierung des
Rentenniveaus und zur Stabilisierung des Rentenbei-
tragssatzes auch in Zukunft zu gewährleisten.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommen die her?)


Ich finde: Zusammengerechnet ist es eine großartige
Leistung, die wir aus dem Steueraufkommen erbringen.
Das macht es uns möglich, die Leistungen so auszuge-
stalten, wie wir es im Koalitionsvertrag miteinander ver-
abredet haben.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht ehrlich!)


Weil wir hier über den Beitragssatz diskutieren und
weil Sie, Frau Kollegin Andreae, sich als mittelstands-
politische Sprecherin der Grünen gern bei Unternehmen
in unserem Lande aufhalten,


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie auch mal machen!)


möchte ich eines sagen: Für die Unternehmer in unserem
Land ist eine Beitragssatzstabilität das Allerwichtigste,
sodass sie wissen: Ich muss nicht mit Sprüngen nach un-
ten oder nach oben rechnen, sondern kann stabil kalku-
lieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Würden wir den Beitragssatz jetzt senken, dann wäre
klar, dass er in wenigen Jahren wieder deutlich nach
oben gehen würde. Deswegen ist alles, was wir tun, ei-





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) (C)



(D)(B)

nem Ziel verpflichtet: der Beitragssatzstabilität für die
Unternehmen und für die Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie reden anders als in der vorigen Legislatur!)


Unsere Bundeskanzlerin hat gestern bei der Vorstel-
lung des Koalitionsvertrages erklärt, dass es bei erfolg-
reicher Umsetzung dieses Koalitionsvertrages eine gute
Chance gibt, dass es uns in vier Jahren, also 2017, besser
gehen wird als heute. Diese Botschaft gilt uneinge-
schränkt auch für die Rentenpolitik. Ja, wir wollen für
stabile Beiträge, eine ausreichende Finanzierung, Rück-
lagen in der Rentenversicherung und dort, wo es not-
wendig ist, für rentenpolitische Verbesserungen sorgen,
damit es den Menschen 2017 besser geht als heute.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800305900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich

die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/52 an den Hauptausschuss vor-
geschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver
Krischer, Bärbel Höhn, Annalena Baerbock,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Klimakonferenz in Warschau – Ohne deut-
sche Vorreiterrolle kein internationaler Kli-
maschutz

– Drucksache 18/96 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe die erste Rednerin in dieser Runde auf: Das
ist Annalena Baerbock. Sie haben das Wort!


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! 5 200 Tote und 3,5 Millionen vertrie-
bene Philippinerinnen und Philippiner – die Mahnung an
die Staaten der Welt vor der Weltklimakonferenz hätte
nicht mächtiger ausfallen können. Doch trotz aller Soli-
daritätsbekundungen verdeutlichten die Staaten in War-
schau, welch niedrigen Stellenwert sie dem Klimaschutz
mittlerweile einräumen.

Die – ohnehin als technische COP angesetzte – Kli-
makonferenz war geprägt von einer Ambitionslosigkeit
der Staaten, die ihresgleichen sucht. Japan und Austra-
lien kippten schon vorab ihre Klimaambitionen. Der
Gastgeber Polen veranstaltete parallel zur Weltklima-
konferenz einen Kohlegipfel, und Sie, Herr Altmaier,
verdeutlichten mit Ihrer Stippvisite, welche Priorität der
Klimawandel bei Ihnen hat. Sie haben lieber abends mit
Maybrit Illner auf dem Sofa geplaudert, anstatt mit den
Chinesen ernsthaft über CO2-Reduktionsziele zu disku-
tieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Ihrer Rede erwähnten Sie ganz kurz: „Wir sind
wieder da im Klimaschutz“. Ich fragte mich angesichts
dessen, dass Deutschland in Warschau beim Klimaindex
gerade auf den beschämenden 19. Platz zurückgestuft
wurde, was Sie mit „da“ eigentlich meinten. Der Koali-
tionsvertrag gibt darauf jetzt eine Antwort. Mit „da“ war
nicht die Vorreiterschaft im internationalen Klimaschutz
gemeint, mit „da“ war gemeint: Wir sind wieder da im
Kohlezeitalter in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Von dem so wichtigen Klimaschutzgesetz, das Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in mehre-
ren Bundesländern gemeinsam mit den Grünen mittra-
gen, findet sich keine Spur mehr im Koalitionsvertrag.
Stattdessen heißt es in Ihrem Vertrag, die Braunkohle,
also der Klimakiller Nummer eins, spiele nach wie vor
eine bedeutende Rolle und konventionelle Kraftwerke
seien auf absehbare Zeit unverzichtbar. Mit Blick auf
den Fahrplan für ein neues Klimaabkommen in Paris
2015, für den sich die EU in Warschau zu Recht sehr
starkgemacht hat, kann man angesichts dieser Vorhaben
nur hoffen, dass Ihr Koalitionsvertrag nicht so schnell
ins Englische übersetzt wird. Denn erklären Sie mir bitte
einmal, wie Sie die Entwicklungsländer dazu bewegen
wollen, in den nächsten Monaten ambitionierte Reduk-
tionsziele auf den Tisch zu legen, wenn Deutschland sel-
ber weiter Klimakiller – wie bei mir in Brandenburg das
Kraftwerk Jänschwalde, das mehr CO2 ausstößt als
26 afrikanische Staaten zusammen – langfristig am Netz
halten will, sehr verehrte Damen und Herren von der
SPD und der CDU/CSU.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ihr Koalitionsvertrag mag Schritte in die richtige
Richtung enthalten. Man muss aber ganz klar sagen: Für
die Energiewende und die internationale Klimapolitik ist
er ein Desaster. Während in Warschau eines der wirklich
positiven Signale war, dass vor Ort die erneuerbaren
Energien weiter ausgebaut werden, dass mittlerweile
70 Prozent der weltweiten Investitionen der Energiein-
dustrie in Erneuerbare gehen, deckeln Sie den Ausbau
der erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Be-
schränkung des Ökostromanteils auf 45 Prozent bis 2025
und bis 60 Prozent bis 2030 halbiert das heutige Aus-
bautempo. Ich frage Sie sehr direkt, liebe Kolleginnen
und Kollegen von SPD und CDU/CSU: Ist Ihnen eigent-
lich klar, dass Ihre Pläne zur Windhöffigkeit bedeuten,
dass in Zukunft südlich von Hannover so gut wie kein
neues Windrad mehr gebaut werden kann? Ich frage
auch Sie, lieber Herr Altmaier, wie Sie mit solchen Plä-





Annalena Baerbock


(A) (C)



(D)(B)

nen, die den Erneuerbaren die Flügel stutzen und dem
Klimaschutz „Made in Germany“ eine Absage erteilen,
in den nächsten Monaten international ernsthaft für am-
bitionierte Ziele werben wollen.

Eine für ein neues Klimaschutzabkommen so wich-
tige Vorreiterschaft hieße, über 80 Prozent der Bevölke-
rung in unserem Land, die für die Energiewende stehen,
und Millionen von Menschen, die die Energiewende mit
eigenen Solaranlagen auf ihren Dächern tagtäglich vo-
rantreiben, nicht weiter vor den Kopf zu stoßen. Vorrei-
ter sein hieße, die Warnungen der direkt vom Klima-
wandel betroffenen Entwicklungsländer ernst zu nehmen
und den jüngst veröffentlichten Sachstandsbericht des
IPCC mit Maßnahmen zu untermauern. Vorreiter sein
hieße, Mindestwirkungsgrade für fossile Kraftwerke
festzusetzen und den Aufschluss neuer Tagebaue durch
eine Novelle zum Bergrecht auszuschließen. Vorreiter
sein hieße, sich auf europäischer Ebene bis zum Früh-
jahrsgipfel der EU für ernsthafte und ambitionierte CO2-
Reduktionsziele von mindestens 55 Prozent bis 2030
einzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vorreiter sein hieße auch, meine sehr verehrten Damen
und Herren, den Emissionshandel wieder zu einem
scharfen Schwert des Klimaschutzes zu machen, indem
wir eine Preisuntergrenze für CO2-Zertifikate einführen
und für eine dauerhafte Marktverknappung sorgen.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306000

Liebe Kollegin Baerbock, es gibt den Wunsch einer

Zwischenfrage aus den Reihen der CDU/CSU. Lassen
Sie sie zu?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, fragen Sie ruhig.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306100

Die Kollegin Baerbock lässt die Frage zu.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bitte, Herr Kollege.


Dr. Philipp Lengsfeld (CDU):
Rede ID: ID1800306200

Frau Präsidentin! – Liebe Kollegin Baerbock, vielen

Dank, dass ich eine Zwischenfrage stellen darf. Ich hätte
sie auch am Ende der Rede stellen können. Da es aber
meine erste Zwischenfrage ist, stelle ich sie jetzt direkt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dies ist auch meine erste Rede; das trifft sich gut.


(Heiterkeit – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Philipp Lengsfeld (CDU):
Rede ID: ID1800306300

Sie haben in Ihrer sehr emotionalen Rede auf die

schreckliche Katastrophe auf den Philippinen abgeho-
ben. Ihnen ist aber schon klar – das meine ich jetzt ohne
Zynismus –, dass der Taifun und seine schrecklichen
Auswirkungen auf den Philippinen, wenn überhaupt, nur
sehr peripher etwas mit dem Klimawandel zu tun haben.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich beziehe mich dabei auf einen Fachartikel, der vor ei-
niger Zeit im Tagesspiegel erschienen ist und in dem
sehr deutlich ausgeführt wurde, dass die jahrzehntelange
Entwaldung kombiniert mit dem massiven Bevölke-
rungsanstieg mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die
Hauptursache für die schreckliche Dimension dieser Ka-
tastrophe auf den Philippinen ist. Ich finde – das wäre
meine Frage –, wir sollten in dieser Diskussion zu einer
etwas sachlicheren Betrachtung solcher Ereignisse kom-
men; denn es kann nicht sein, dass jeder Taifun – Taifune
wird es auch in der Zukunft immer wieder geben; das ist
ein Stück weit eine Zwangsläufigkeit – die Debatte be-
fördert und damit Diskussionen, die wir auf einer sachli-
chen und wirtschaftlich relevanten Basis führen müssen,
ein Stück weit übertüncht werden.

Vielen Dank.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank für Ihre Frage. – Ich hätte nicht gedacht,
dass Sie den Koalitionsvertrag noch übertreffen können.
Darin wird ja anerkannt, dass der Klimawandel vom
Menschen gemacht ist. Das erkennt ja nicht nur die Bun-
desregierung, sondern, wie ich glaube, so gut wie jeder
in diesem Land an. Wenn Sie das nicht anerkennen, dann
gehören Sie zu einer deutlichen Minderheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Natürlich kann man nie sagen, ob ein einzelner Taifun
vom Klimawandel verursacht ist. Aber die Erderwär-
mung und vor allen Dingen die Erwärmung der Meere
führen dazu – lesen Sie das einmal genau nach –, dass
sich die Wirbelstürme weltweit, nicht nur auf den Philip-
pinen, sondern auch bei uns, verschärft haben. Ich
glaube, es gibt doch fachliche Studien, die das untermau-
ern.

Sie haben die Entwaldung angesprochen, die ich zum
Ende meiner Rede ohnehin erwähnt hätte. Wir sind ja in
Warschau zum Glück dazu gekommen, dass das Wieder-
aufforstungsprogramm REDD+ auf den Weg gebracht
wurde, dass Mittel bereitgestellt werden und dass wir
uns weltweit für eine Eindämmung der Abholzung von
Tropenwäldern einsetzen. Ein schöner Nebeneffekt war
– dafür sind solche internationalen Konferenzen ja auch
immer gut –, dass indigene Völker jetzt erstmalig inter-
national anerkannt werden, womit ihr Schutz einhergeht.
In diesem Sinne war, glaube ich, der Taifun eine sehr
gute Mahnung, sowohl in Richtung Klimawandel als
auch bezogen auf die Entwaldung, die global gerade
stattfindet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)






Annalena Baerbock


(A) (C)



(D)(B)

Zum Schluss ist mir eines wahnsinnig wichtig: Ich
glaube, alle, die gesehen haben, dass die Preise im Emis-
sionshandel durch das Backloading eben nicht nach oben
gegangen sind, dass wir immer noch bei 5 Euro pro
Tonne CO2 kreisen, obwohl wir eigentlich Preise von
25 bis 30 Euro pro Tonne bräuchten, haben verstanden,
dass wir dringend etwas tun müssen. Einige der Forde-
rungen, gerade auch von anderen internationalen Dele-
gationen, lauteten ja, dass die EU hier endlich handeln
muss. Daher fordern wir Sie in unserem Antrag dazu auf,
sich in Vorbereitung des Frühjahrsgipfels auf EU-Ebene
dafür einzusetzen, dass wir den Emissionshandel wieder
zu dem machen, was er eigentlich sein sollte: ein schar-
fes Schwert im Klimaschutz, das zu einer dauerhaften
Marktverknappung beim Emissionshandel führt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306400

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Sinne möchte ich bei Ihnen, liebe Parla-
mentarierinnen und Parlamentarier, dafür werben, dass
wir heute trotz dieses Koalitionsvertrages als Parlament
deutlich machen, dass Deutschland den Klimaschutz in
Zukunft nicht ersatzlos streichen will, sondern dass wir
mit ambitionierten Schritten auf dem Weg nach Paris vo-
ranschreiten. Dafür brauchen wir ambitionierte Maßnah-
men vonseiten Deutschlands und von der EU. Stimmen
Sie bitte deshalb unserem Antrag zu!

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306500

Dies war die erste Rede der Kollegin Baerbock,

gleich mit einer Zwischenfrage. Herzlichen Glück-
wunsch!


(Beifall)


Jetzt spricht der Bundesminister Altmaier.

Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Kollegin Baerbock, auch ich gratuliere Ih-
nen herzlich zu Ihrer Jungfernrede und wünsche Ihnen
eine gute und interessante Arbeit im Deutschen Bundes-
tag.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Vereinbarungen von Warschau sind ein wichtiger
Zwischenschritt auf dem Weg zu einem großen Klima-
abkommen in Paris, das alles andere als sicher, aber
dringend notwendig ist; sie sind nicht mehr und auch
nicht weniger. Vor allen Dingen haben die getroffenen
Vereinbarungen – wie bei allen anderen Klimakonferen-
zen seit Kioto – die Hoffnungen von Millionen von
Menschen nicht erfüllt, die unter dem Klimawandel lei-
den oder die – wie wir in Deutschland, in Europa und in
anderen Ländern – hoffen, dass sich die Weltgemein-
schaft endlich einmal dazu aufrafft, etwas Durchgreifen-
des zu tun.

Trotzdem haben wir gemeinsam die Verantwortung,
die Fortschritte, die wir erreichen, und die Beiträge, die
wir leisten, nicht kleinzureden, so wie es heute hier und
auch in manchen Kommentaren geschehen ist; denn wir
befinden uns in einer Situation, in der es der Klima-
schutz weltweit schwerer hat als vor 10 oder 15 Jahren.
Die Banken- und Börsenkrise, die Staatsschuldenkrise,
die weltweite Wirtschaftskrise, all das hat dazu geführt,
dass eine Reihe von Staaten ihre Ambitionen zurückge-
schraubt haben und andere Staaten beim Eingehen von
Verpflichtungen vorsichtig sind. Wir haben die Situa-
tion, dass Länder wie Japan und Australien beim Klima-
schutz eher auf dem Rückmarsch sind und dass Schwel-
len- und Entwicklungsländer wie Indien, China und
Brasilien beim Eingehen von Verpflichtungen sehr vor-
sichtig sind, obwohl sie erkannt haben, dass sie mit wei-
terhin ungehemmt steigenden CO2-Emissionen den Ast
absägen, auf dem sie selber sitzen.

Vor diesem Hintergrund haben wir alle gemeinsam
die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es beim Klima-
schutz nicht rückwärts, sondern vorwärts geht und dass
wir in Paris im Jahre 2015 zum ersten Mal ein Abkom-
men erreichen, das nicht nur einige Industrieländer, son-
dern alle Länder auf dieser Welt verpflichtet, also für alle
Länder klare und nachvollziehbare Minderungsver-
pflichtungen festschreibt. Davon sind wir noch ein er-
hebliches Stück entfernt.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306600

Herr Bundesminister, lassen Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Höhn zu?

Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Von der Kollegin Höhn jederzeit.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800306700

Danke schön. – Herr Bundesumweltminister, ich habe

Ihren Koalitionsvertrag genau studiert. Darin haben Sie
sehr deutlich geschrieben, es müsse sichergestellt wer-
den, dass es sich beim Backloading, für das Sie sich zu
Recht eingesetzt haben – es ist jetzt auch auf EU-Ebene
beschlossen –, um eine einmalige Maßnahme handelt:
Die Zertifikate müssen zurück in den Markt, und mehr
gibt es auch nicht.

Nun wissen Sie, dass Backloading nicht reicht. Wenn
Sie also, wie Sie eben gesagt haben, für einen ehrgeizi-
gen Klimaschutz stehen, wenn Sie Länder wie China
und Indien dazu bringen wollen, etwas zu tun – auch
China muss etwas tun; der durchschnittliche CO2-Aus-
stoß pro Kopf ist dort schon fast so hoch wie in Europa –,
dann muss Europa vorangehen. Also: Backloading reicht
nicht. Bedeutet dieser Koalitionsvertrag, dass Sie sich
nicht für ein Set-aside und für eine Reduktion der CO2-
Emissionen um 30 Prozent bis 2020 einsetzen werden?





Bärbel Höhn


(A) (C)



(D)(B)

Wie wollen Sie unter diesen Bedingungen die anderen
Länder dazu bringen, etwas zu tun?

Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin Höhn, ich kann mich erinnern: In den
letzten anderthalb Jahren haben Sie mich eigentlich alle
vier Wochen gefragt, warum es beim Backloading nicht
endlich einmal vorangeht; Sie haben uns alles Mögliche
unterstellt. Nun ist die Bundestagswahl gerade einmal
sechs Wochen vorüber, und wir haben das Backloading
im Ministerrat in Brüssel beschlossen; es ist auf dem al-
lerbesten Weg. Da hätten Sie vielleicht wenigstens ein-
mal anerkennend sagen können, dass wir in diesem
Punkt partei- und fraktionsübergreifend einen Fortschritt
erzielt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das war der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Das Backloading findet einmalig
statt, weil es nicht ständig willkürliche Eingriffe in ein
Handelssystem geben kann, das nach marktwirtschaftli-
chen Kriterien funktioniert. Aber das schließt nicht aus,
dass wir uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jah-
ren auf eine strukturelle Reform des Emissionshandels-
systems verständigen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Koalitionsvertrag steht aber etwas anderes!)


um ihn wirksamer und besser zu machen. Was niemand
will, ist, dass es je nach Kassenlage Eingriffe gibt, die
niemand voraussehen und kalkulieren kann. Wir brau-
chen auch in diesem Bereich Beständigkeit und Verläss-
lichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist deshalb auch wichtig, meine sehr verehrten Da-
men und Herren, dass wir uns im Koalitionsvertrag ein-
deutig zu unseren Zielen beim Klimaschutz und bei den
erneuerbaren Energien bekennen, die für die Bundes-
regierung – für alle Bundesregierungen der letzten
20 Jahre – maßgeblich waren. Das bedeutet, dass wir
den Ausstoß von CO2 in Deutschland bis 2050 um 80 bis
95 Prozent reduzieren wollen. Von diesem Ziel gehen
wir nicht ab. Wir wollen, dass Europa insgesamt Vorrei-
ter wird.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn dafür?)


Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass
wir innerhalb der EU ein ambitioniertes Treibhausgas-
minderungsziel von mindestens 40 Prozent für das Jahr
2030 festsetzen und dass wir in einer Zieltrias darüber
hinaus auch ambitionierte Ziele in Bezug auf erneuer-
bare Energien und Energieeffizienz beschließen.

All das macht deutlich, dass Deutschland auch in
Europa ein Vorreiter beim Klimaschutz bleibt. Aber es
macht auch deutlich, dass wir das mit Augenmaß tun
und dass wir es so tun wollen, dass die Unternehmen und
die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben, dass
sie sich an die neuen Bedingungen anpassen können und
dass wir unsere Vorreiterstellung, auch was die wirt-
schaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Zahl von In-
dustriearbeitsplätzen in Deutschland angeht, auch in Zu-
kunft erhalten und verteidigen können. Das ist übrigens
ein wichtiges Ziel; denn es nützt gar nichts, liebe Frau
Kollegin Höhn, wenn wir hier in Deutschland die
strengsten Klimaschutzauflagen haben, aber gleichzei-
tig die Unternehmen, die Stahl, Kupfer, Aluminium und
anderes produzieren, in Ländern produzieren, in denen
es diese Klimaschutzauflagen nicht gibt. Dann haben wir
am Ende für den Klimaschutz nicht mehr, sondern weni-
ger erreicht. Das ist der Grund, warum wir ein weltwei-
tes Abkommen brauchen, das für alle Länder gleicher-
maßen verbindlich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe so-
wohl in Warschau als auch an anderer Stelle nachdrück-
lich betont, dass ich der Auffassung bin, dass sich auch
jene Länder bewegen müssen, die schon damals in Ko-
penhagen verhindert haben, dass wir ein notwendiges
Abkommen beschließen konnten. Das sind vor allen
Dingen die großen Länder USA und China. In beiden
Fällen haben sich die politischen Führungen, Präsident
Obama und die neue Staats- und Parteiführung in China,
in den letzten Monaten klimapolitisch konstruktiv und
positiv geäußert. Wir finden aber, dass das noch nicht in
ausreichendem Maße das reflektiert, was auf internatio-
nalen Klimaschutzkonferenzen möglich ist. Jedenfalls
haben wir das in dieser Form in Warschau nicht vorge-
funden.

Es war wichtig, dass wir in Warschau einen Fahrplan
für Paris ausgearbeitet haben, der vorsieht, dass alle Län-
der aufgefordert sind, deutlich vor der Konferenz, näm-
lich bereits im März 2015, ihre eigenen Verpflichtungen
und Beiträge vorzulegen und offenzulegen; denn dann
können wir einschätzen, ob die vorgesehenen Maßnah-
men ausreichen, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. An-
schließend werden wir darüber sprechen, inwieweit der
Erfolg der Beiträge, die in der Zeit, bevor das Abkom-
men 2020 in Kraft tritt, geleistet werden, nachzuprüfen
ist. Sie sehen: Das ist alles hochkomplex und hochkom-
pliziert.

Wir haben in Bezug auf Deutschland im Übrigen auch
klargemacht, dass wir zu unseren Zusagen zur interna-
tionalen Klimafinanzierung stehen. Wir haben klarge-
macht, dass wir zu unseren Zusagen für den Green
Climate Fund stehen. Wir haben klargemacht, dass wir
zu unseren sonstigen Zusagen stehen. Aber es kann nicht
sein, dass nur Norwegen, Schweden, Deutschland und
einige andere Länder diese Beiträge leisten. Wir erwar-
ten, dass andere Länder in vergleichbarer Situation die-
sem Beispiel folgen und ebenfalls ihre nationalen Bei-
träge entsprechend erhöhen und ihre Zusagen einlösen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben in einem Bereich – ich freue mich sehr,
dass die Kollegin Baerbock das angesprochen hat – ei-
nen wirklichen Durchbruch erzielt, und zwar beim Wald-
schutz. Ich habe an der entsprechenden Konferenz in





Bundesminister Peter Altmaier


(A) (C)



(D)(B)

Warschau nicht nur teilgenommen, sondern auch noch
einmal die deutsche Position vertreten. Wir haben nicht
nur die finanziellen Mittel für den Waldschutz erhöht,
sondern wir haben vor allen Dingen zum ersten Mal mit
dem Methodenhandbuch einen unabhängigen Überprü-
fungsmechanismus für die erreichten Emissionsminde-
rungen in Entwicklungsländern geschaffen. Es wird für
die Industrieländer viel einfacher und viel attraktiver
sein, in den Waldschutz in Entwicklungsländern zu in-
vestieren, wenn klar ist, dass die gesteckten Ziele tat-
sächlich überprüfbar und verifizierbar sind; denn nur
dann lohnt es sich im Endeffekt, entsprechende Gelder
einzusetzen. Genau das haben wir erreicht, übrigens ge-
meinsam mit unseren Kollegen und Freunden aus Groß-
britannien und Norwegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden
in den nächsten Wochen und Monaten harte Arbeit vor
uns haben. Wir werden mit der Reform des deutschen
EEG, die wir im nächsten Jahr beginnen, deutlich ma-
chen: Wir stehen zu den erneuerbaren Energien, aber sie
müssen so bezahlbar werden, dass sie sich auch Länder
wie China und Indien leisten können. Wir werden im
Frühjahr deutlich machen, dass sich die Europäische
Union ein ambitioniertes Klimaschutzziel für das Jahr
2030 gesetzt hat. Wir werden alle Kräfte einsetzen, da-
mit der Klimaschutzgipfel in Paris im Jahre 2015 endlich
ein Klimaschutzgipfel wird, der diesen Namen auch ver-
dient.

In diesem Sinne: Die Anstrengungen lohnen sich. Der
Kollege, der die Zwischenfrage gestellt hat, die Kollegin
Baerbock und alle anderen in diesem Hause sind herz-
lich eingeladen, die neue Bundesregierung in diesen An-
strengungen zu unterstützen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800306800

Als nächste Rednerin spricht jetzt die Kollegin

Bulling-Schröter.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800306900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn unsere Nachkommen eines Tages schauen, was in
den Geschichtsbüchern über die Weltklimakrise steht,
dann werden sie nur zu einem Schluss kommen können:
mit Vollgas gegen die Wand. Der Warschauer Klimagip-
fel – meine Vorredner haben ihn bereits angesprochen –,
aber auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
SPD weisen in diese Richtung. Ich glaube nicht, dass die
künftige Bundesregierung es wirklich ernst meint mit
dem Klimaschutz, erst recht nicht unter der Ägide der
Möchtegernklimakanzlerin Merkel. Der Klimagipfel in
Warschau hat gezeigt, dass sich die Klimakrise weltweit
weiter zuspitzt. Trotz aller Warnungen der Wissenschaft
wird immer noch zu wenig gehandelt, auch und gerade
in Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN)

Die Gefahr des Klimawandels wird kollektiv ver-
drängt. Damit meine ich nicht nur die Klimawandelleug-
ner in der CDU, von denen sich einer vorhin zu Wort ge-
meldet hat. Wir kennen die Arbeitsteilung von der
letzten Großen Koalition: Die SPD schmeißt ihre Wahl-
versprechen über Bord, um mit Volldampf Kurs auf
mehr Braunkohletagebau und mehr Kohlekraftwerke zu
nehmen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Wirtschaftsminister aus Brandenburg!)


Verpufft ist auch Steinbrücks noch im August angekün-
digte staatliche Strompreisaufsicht, mit deren Hilfe
Energiearmut und Stromsperren verhindert und die Will-
kür der Stromversorger bei der Preisbildung beendet
werden sollten. Wie steht es so schön im Koalitionsver-
trag: Begrenzung der „Kostendynamik beim Ausbau der
erneuerbaren Energien“, und man will „der Entwicklung
der konventionellen Energiewirtschaft einen stabilen
Rahmen“ geben. Was hinter dieser Verklausulierung
steht, ist ja wohl klar: Der Ausbau der Erzeugung von
Energie aus Wind und Sonne wird gebremst; schwarz
wie Kohle ist die Zukunft.

Damit hat Hannelore Kraft zum wiederholten Male
ihre schützende Hand über die sogenannte fossile Ener-
gieindustrie gehalten. Und die CDU? Die zieht mit.
Wenn es dem Klima an den Kragen geht, dann ist die
Union sogar noch besser. Ich nenne nur die Quandt-
Spenden und Daimlers frisch gebackenen Lobbychef
Eckart von Klaeden. Die Autolobby ist stark. Sie sorgt
dafür, dass in Brüssel die Begrenzung des CO2-Aussto-
ßes bei Pkw ausgebremst wird und durch eine Blockade
im Rat die Rechte des Europaparlaments infrage gestellt
werden. Das BMW-Mandat wird geflissentlich umge-
setzt: Bloß keine Unternehmensinteressen antasten, we-
der in Europa noch im Bund! Den Vorschlag der SPD,
ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen, haben
die Herren von der CDU auch zu Fall gebracht. Der Kli-
maexperte der SPD twitterte dazu: Klimaschutz im Ko-
alitionsvertrag – Note drei minus. Mal sehen, ob die
SPD die Versetzung schafft. Klar ist, dass wir mehr Ar-
beitsplätze brauchen; aber wir brauchen ökologische Ar-
beitsplätze, mit weniger CO2-Ausstoß. Ich sage Ihnen:
Das ist machbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Für Millionen von Menschen, die nicht erst seit heute
unter den Folgen der Gletscherschmelze, unter den Fol-
gen von Überschwemmungen und Dürren leiden, wird
Deutschland unter dieser Großen Koalition – das ist eine
große Kohle- und Autokoalition – wenig Gutes bringen.
Das hat natürlich mit Kapitalismus zu tun. Wir müssen
Nein sagen zu dieser Wirtschaft der Ausschließung und
der Disparität der Einkommen,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagt der Papst auch!)


und zwar nicht nur zwischen dem Bodensee und Rügen,
sondern weltweit. Die Verweigerung der Regierungspar-
teien, die freien Kräfte des Marktes an die Leine zu neh-
men, ist nicht nur ein Beleg für die Beißhemmung der





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)

Politik gegenüber der Wirtschaft – dieser Vorwurf stimmt
einfach –; aufs Spiel gesetzt wird die Atmosphäre des
ganzen Planeten. Ich sage Ihnen: Diese Wirtschaft,
meine Damen und Herren, tötet. – Darüber regt sich ja
niemand auf. Das wundert mich.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wir haben nicht zugehört! Sagen Sie es bitte noch einmal!)


Die Forderung nach weniger Egoismus und mehr Ge-
rechtigkeit, gerade auch in Klimafragen, würde ich so-
fort unterschreiben. Gestellt hat sie kein Geringerer als
Papst Franziskus in seiner jüngsten Erklärung zur Refor-
mierung der katholischen Kirche. Sie arbeitet sogar an
einer Umweltenzyklika. Wenn selbst der Vatikan das
sagt, dann, meine ich, sollten auch Sie ihm einmal zuhö-
ren und nicht nur ich als alte Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Schluss noch: Es gibt im Internet ein BlaBlaMeter,
das Texte auf ihren Aussagegehalt prüft und ganz unideo-
logisch entlarvt, wie viel um den heißen Brei herumgeredet
wird. Wir haben dort einmal die Klimavereinbarung aus
dem Koalitionsvertrag eingegeben. Ich zitiere das Ergeb-
nis: Ihr Text riecht schon deutlich nach heißer Luft. Sie
wollen hier wohl offensichtlich etwas verkaufen oder je-
manden tief beeindrucken.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wie riecht denn heiße Luft?)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800307000

Liebe Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800307100

Ich komme zum Schluss. – Die Linke sagt: Wir wol-

len eine gerechte Klimapolitik und eine Energiewende
ohne Stromsperren und Industrieprivilegien. Wir brau-
chen Klimagerechtigkeit weltweit. Nach 20 Jahren er-
folgloser Klimapolitik heißt das für uns auch, dass der
Status Klimaflüchtling in die UN-Flüchtlingskonvention
aufgenommen werden muss.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800307200

Es spricht jetzt der Kollege Frank Schwabe.


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir einmal gespannt!)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1800307300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal ganz herzlichen Dank an diejenigen,
die für uns verhandelt haben, an die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, an die Chefdiplomaten des Bundesum-
weltministeriums und anderer deutscher Ministerien.
Wir haben international wirklich einen guten Ruf. Ich
glaube, den Dank dafür muss man aussprechen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen
aus dem Bundestag bedanken. Es war gut, dass wir dort
mit einer Delegation vertreten waren; denn so können
wir besser verstehen, wie die internationalen Prozesse
jenseits der nackten Vertragstexte ablaufen. Es ist auch
gut, dass wir die deutsche Position dort durchaus diffe-
renziert darstellen konnten.

Was die Ergebnisse dieser Klimakonferenz und auch
die Ergebnisse der Konferenzen der letzten Jahre betrifft,
empfehle ich einen nüchternen Blick. Wir brauchen
diese Klimakonferenzen; das ist meine Quintessenz der
letzten Jahre. Wir haben gesehen, dass wir beim Wald-
schutz und auch beim Umgang mit klimawandelbeding-
ten Schäden durchaus Fortschritte erreicht haben. Das ist
das eine. Wir brauchen also diesen Prozess; ich würde
ihn nicht über Bord werfen. Aber wahr ist auch: Wir
brauchen ergänzende Prozesse. Wir brauchen, wie es in-
ternational genannt wird, Vorreiterallianzen. Auch da ist
es gut, dass Deutschland im Rahmen von IKI-Projekten
und anderen Projekten international eine Menge guter
Arbeit leistet. Allerdings – auch das will ich sagen – war
das, was wir in den letzten vier Jahren auf höchster
Ebene, auf Ministerebene gesehen haben, zu schwach.
Ich weiß bis heute nicht, was der Club der Energie-
wende-Staaten eigentlich sein soll. Es wird Aufgabe der
zukünftigen Koalition sein, Klarheit darüber zu schaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)


Das ist meiner Meinung nach das, was gebraucht
wird. Deutschland hat eine große Verantwortung. Der
Begriff der Energiewende ist – das war auf der Konfe-
renz interessant – in der Tat ein Begriff, den alle durch-
buchstabieren können; egal ob Chinesen, Menschen aus
Bangladesch, Nigeria, Peru oder Mexiko, alle konnten
uns sagen, was Energiewende bedeutet. Auch wenn wir
unterschiedliche Einschätzungen dazu haben, wer für die
Energiewende verantwortlich ist und wer sie eher blo-
ckiert, sind wir uns, glaube ich, einig, dass Deutschland
diese Verantwortung hat. Dafür müssen wir unsere natio-
nalen Aufgaben erledigen, und wir müssen europäisch
und international wieder zurück auf das Spielfeld. Wir
brauchen in Deutschland in den nächsten vier Jahren
eine Renaissance einer ambitionierten Klimaschutzpoli-
tik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo steht die denn im Koalitionsvertrag?)


Ich jedenfalls finde, dass es in den letzten vier Jahren
Stillstand bis Rückschritt gegeben hat. Ich will auch auf-
zeigen, wo der Rückschritt in den letzten Jahren statt-
fand. Es gab in der Tat eine viel zu lange Blockade beim
Emissionshandel, insbesondere beim Backloading, aber
nicht nur dort. Es gab eine Blockade im Bereich der
Energieeffizienz. Es gab eine Blockade bei den CO2-





Frank Schwabe


(A) (C)



(D)(B)

Grenzwerten bei Automobilen. Es gibt faktisch auch
eine Blockade hinsichtlich eines Einfuhrstopps von Ölen
aus Teersanden. Ich erwarte, dass eine neue deutsche
Bundesregierung diese Blockaden in den nächsten vier
Jahren auflöst.


(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts!)


Ich erwarte, dass die neue Koalition ihre Hausaufga-
ben macht. Vor ihr liegen eine ganze Menge Aufgaben,
und insbesondere drei Aufgaben müssen jetzt sehr kurz-
fristig erledigt werden.

Erstens. Wir brauchen einen klaren nationalen Rah-
men, wie wir Klimaschutzpolitik eigentlich organisieren
und kontrollieren wollen. Ich gebe zu – so kommt die
Drei minus zustande –, ich hätte mir ein Klimaschutzge-
setz gewünscht, wie es andere Länder auf der Welt und
Bundesländer in Deutschland haben. Ich glaube, das
hätte uns einen klaren Rahmen für die nationale Politik
gegeben. Es hätte auch Orientierung für den internatio-
nalen Prozess gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bedaure, dass es ein solches Klimaschutzgesetz jetzt
nicht geben soll.

Zum Klimaschutzplan. Meine Einschätzung ist, dass
es den letzten vernünftigen Klimaschutzplan – so etwas
Ähnliches hat es schon einmal gegeben – am 23. August
2007 gegeben hat, nämlich das IEKP, das Integrierte
Energie- und Klimaprogramm, die sogenannten Mese-
berger Beschlüsse mit ihren 29 Punkten. Ich glaube, dass
wir einen solchen Plan sehr schnell brauchen, noch deut-
lich vor der Konferenz in Paris. Es wird nämlich auch in-
ternational erwartet, dass wir auf den Tisch legen, was
wir erreichen wollen, und ein vernünftiges Controlling
der Maßnahmen beschließen.

Zweitens. Wir werden im Hinblick auf die EU-2030-
Ziele ganz schnell handlungsfähig werden müssen.
Dabei begrüße ich es, dass im Koalitionsvertrag aus-
drücklich steht, dass wir für das Jahr 2030 drei Ziele
haben wollen – die sogenannte Zieltrias –: für die Re-
duktion von Treibhausgasen, für den Ausbau im Bereich
der erneuerbaren Energien und für die Energieeffizienz.
Es ist vollkommen klar – egal wie man rechnet –: Wenn
wir die internationalen Verpflichtungen ernst nehmen,
dann wird das Ziel, bis zum Jahr 2030 eine Treibhaus-
gasreduktion um 40 Prozent zu erzielen, nicht ausrei-
chen. Im Koalitionsvertrag steht „mindestens 40 Pro-
zent“. Ich sage: Das Ganze wird sich mehr in Richtung
50 Prozent bewegen müssen, wenn wir im Rahmen des
internationalen Prozesses überhaupt ernst genommen
werden wollen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum schreiben Sie das dann nicht in den Koalitionsvertrag?)


Drittens. Wir brauchen in der Tat – ich glaube, auch
das ist bei Bundesminister Altmaier zwischen den Zeilen
deutlich geworden – eine Reform des Emissionshandels,
die über das Backloading hinausgeht. Das, was im
Koalitionsvertrag steht, ist – so würde ich das interpre-
tieren – auf die aktuelle Situation bezogen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der soll doch für vier Jahre sein!)


Es wird zukünftig Vorschläge der Kommission geben.
Ich habe die Vermutung, dass Deutschland diese Vor-
schläge sehr fortschrittlich begleiten wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe zu – die
SPD befindet sich ja gerade in einem Diskussionspro-
zess, wie wir mit dieser Großen Koalition umgehen –:
Ich bin kein Anhänger einer Großen Koalition. Aber ich
glaube, dass wir in den Jahren 2005 bis 2009 im Bereich
der Klimapolitik eine ordentliche Arbeit geleistet haben.
Das ist auch unsere Aufgabe und unser Job für die
nächsten vier Jahre. Ich freue mich dabei darauf, dass die
Opposition das, was wir in der Koalition machen wer-
den, kontrollieren wird; so soll es sein. Ich freue mich
aber auch darauf, dass wir über die Fraktionsgrenzen
hinaus eine sehr intensive Debatte über die Rolle
Deutschlands führen werden und dies auch auf interna-
tionalen Konferenzen immer wieder deutlich wird.

Glückauf!


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800307400

Jetzt hat der Kollege Andreas Jung das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1800307500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will vorweg betonen, was wir hier schon oft betont
haben: Für meine Fraktion gibt es keinen begründeten
Zweifel, dass der Klimawandel voranschreitet, dass er
schneller voranschreitet, als wir alle gemeinsam be-
fürchtet haben, dass er menschengemacht ist, dass er mit
unserem Handeln, mit dem Ausstoß von CO2 zu tun hat
und dass wir aus diesem Grund genau hier ansetzen
müssen und wirksame Maßnahmen und Erfolge brau-
chen. Ich will auch angesichts der Herausforderungen
der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise sagen: Klima-
wandel und Klimaschutz sind die wichtigste globale He-
rausforderung, die die Menschheit in diesem Jahrhundert
hat. Deshalb müssen wir dies gemeinsam angehen.

Selbstverständlich ist, gemessen an dieser Heraus-
forderung, bei diesem Gipfel wenig, ernüchternd wenig
herausgekommen. Selbstverständlich sind die Schritte
immer zu klein. Selbstverständlich verbindet uns des-
halb der Wille: Da muss mehr passieren. Wir brauchen
mehr Ambitionen. Wir müssen jetzt endlich den Durch-
bruch erzielen. – Manche haben geglaubt – wir haben es
gehofft –, Warschau könnte eine wichtige Station auf
dem Weg nach Paris sein. Spätestens dann, wenn man
mit dem Zug stundenlang nach Polen fährt, weiß man:
Wer nach Paris will, für den ist Warschau bestenfalls ein
Umweg.





Andreas Jung (Konstanz)



(A) (C)



(D)(B)

Trotzdem wäre es falsch, zu sagen: „Da ist gar nichts
herausgekommen, wir haben nichts erreicht“, und das
hat hier auch niemand getan. Wir haben in Warschau ei-
nige wichtige Schritte gemacht. Für mich der wichtigste
ist der Durchbruch beim Waldschutz. Dieses Thema soll-
ten wir nicht kleinreden; immerhin entsteht ein Drittel
der weltweiten CO2-Emissionen durch Landnutzungsän-
derungen, die allermeisten durch Rodungen. Deshalb ist
der Durchbruch beim Waldschutz ein großer Erfolg, auf
dem wir aufbauen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür hatte sich die Bundesregierung eingesetzt, ge-
nauso wie für den Anpassungsfonds. Bundesumweltmi-
nister Altmaier hat in seiner Rede den deutschen Beitrag
für diesen Anpassungsfonds angekündigt. Das hat eine
Dynamik ausgelöst, die dazu geführt hat, dass der An-
passungsfonds jetzt tatsächlich kommen wird, dass er
funktionieren wird. Das ist ein zweiter Punkt, an dem
wir vorangekommen sind. Darauf gilt es jetzt aufzu-
bauen.

Selbstverständlich müssen wir weiter die Vorreiter-
rolle einnehmen, die wir in Deutschland immer für uns
in Anspruch genommen und immer ausgefüllt haben. Ich
glaube, wir können da auf etwas aufbauen, und das müs-
sen wir auch. Worum geht es dabei? Es geht erstens um
Ziele. Weil über den Koalitionsvertrag gesprochen
wurde, will ich sagen: Es ist falsch, wenn behauptet
wird, der Koalitionsvertrag sei ein Weg ins Kohlezeital-
ter. Wir bekennen uns in diesem Koalitionsvertrag zu
den ehrgeizigen Klimazielen, die wir in Deutschland
haben und die da heißen: bis 2020 Reduktion der CO2-
Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990, bis 2050 so-
gar um 80 bis 95 Prozent. Die Koalition bekennt sich zu
diesem ehrgeizigen, ambitionierten Programm. Diese
Ziele müssen wir gemeinsam erreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die EU muss genauso ambitioniert vorangehen. Wir
haben formuliert, dass wir die CO2-Emissionen bis 2030
um mindestens 40 Prozent reduzieren wollen. Ich will an
dieser Stelle betonen, dass das Wort „mindestens“ zeigt,
dass es da noch Spielraum nach oben gibt; Frank
Schwabe hat das ebenfalls gesagt. Gerade wir Klima-
politiker werden darauf drängen, hier noch ambitionier-
ter vorzugehen, und wir werden dieses Anliegen kraft-
voll in die europäische Debatte einbringen.

Das gilt auch für den Emissionshandel. Ich bin dem
Bundesumweltminister ausdrücklich dankbar dafür, dass
er sich vehement für das Backloading eingesetzt hat.
Hier hat es in den letzten Wochen einen Erfolg gegeben.
Wir konnten das Signal geben – da sind wir uns alle ei-
nig –: Das ist ein wichtiger Schritt. Für mich ist auch
klar: Es ist nur ein erster Schritt, wir müssen hier noch
weiter gehen. Deshalb bin ich Peter Altmaier dankbar,
dass er ausdrücklich gesagt hat, dass er diesen Schritt
mit der Offenheit für strukturelle Reformen verbindet.
Ich meine, die brauchen wir. Backloading war die Not-
OP. Nach der Not-OP kommt die Reha. Wir müssen ge-
meinsam daran arbeiten, dieses Instrument zu stabilisie-
ren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800307600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus

den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen?


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1800307700

Gerne.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800307800

Herr Kollege Jung, Sie sprechen beim Backloading

jetzt von einer Notoperation und sagen, es müsse weiter-
gehen. Ich schaue in Ihren Koalitionsvertrag. Da steht
drin, das Backloading soll ein einmaliger Eingriff in das
System bleiben, es soll nichts weiter geschehen. Ich
kann diesen Koalitionsvertrag nur so interpretieren – die
ganze Welt tut das –, dass Sie am Emissionshandel
nichts weiter ändern wollen, dass Sie nichts weiter dafür
tun wollen, dass der Emissionshandel in Zukunft wieder
funktioniert, und sehenden Auges in Kauf nehmen
wollen, dass das einzige Instrument der europäischen
Energie- und Klimapolitik kaputtgeht.

Ich finde, es ist ein Unding, dass, obwohl Sie im
Koalitionsvertrag gestern etwas völlig anderes verein-
bart haben, Sie sich alle schön hier hinstellen und so tun,
als würden Sie beim Emissionshandel etwas machen
wollen. Da bitte ich doch um die Ehrlichkeit, zu sagen:
Diese Große Koalition hat nicht die Kraft, das zu tun,
was eigentlich erforderlich ist und was Sie hier einfor-
dern. Da bitte ich Sie um eine Erläuterung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1800307900

Herr Kollege, Sie behaupten, es werde nur so getan,

als wolle man etwas machen, aber es passiere nichts.
Diese Aussage ist durch die Fakten schon widerlegt.
Noch bevor dieser Koalitionsvertrag überhaupt unter-
schrieben war, noch bevor es grünes oder rotes Licht für
diese Koalition gab, hat man sich darauf geeinigt, diese
Hängepartie zu beenden. Es war in den letzten Monaten
eine Hängepartie, weil man sich bisher nicht darauf eini-
gen konnte, dass man diesen Schritt zum Backloading
geht. Der Bundesumweltminister wollte es, aber das war
insgesamt nicht durchsetzbar.

Jetzt haben wir es quasi als Vorschuss geschafft, uns
für das Backloading auszusprechen. Wir sind uns einig,
es war zu spät, es wäre besser gewesen, es wäre früher
passiert, aber das zeigt: Noch bevor die Koalition über-
haupt in Kraft getreten ist und arbeiten konnte, ist der
erste Schritt gemacht worden. – Dies wollte ich zuerst
einmal in den Mittelpunkt stellen.

Das eine ist also – hier will ich auf das verweisen, was
Peter Altmaier vorhin gesagt hat – die „Not-OP“, wie ich
es nenne, eine Ultima Ratio, die einen Markteingriff
darstellt. Wir alle würden uns wünschen, dass das nicht





Andreas Jung (Konstanz)



(A) (C)



(D)(B)

notwendig wäre und dass der Emissionshandel funktio-
nieren würde, ohne dass man diesen außerordentlichen
Eingriff hätte machen müssen. Den hat man jetzt aber
gemacht. Das entlastet uns aber nicht davon, darüber
nachzudenken, wie wir beim Emissionshandel struktu-
rell weiterkommen können und wie wir strukturell die
Voraussetzungen dafür schaffen, dass er seine Minde-
rungswirkung erreicht und gleichzeitig Innovation-
signale aussendet. Diese Diskussion steht wiederum im
Zusammenhang mit der Diskussion um die Erhöhung
der EU-Klimaschutzziele, die in der Europäischen
Union noch aussteht.

Ich verspreche mir davon, dass uns beides gelingt,
nämlich die Erhöhung der EU-Klimaschutzziele, wo-
durch mehr Druck für den Emissionshandel entsteht, und
am Ende ein gutes Ergebnis für den Klimaschutz.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800308000

Herr Kollege Jung, es gab noch den Wunsch nach ei-

ner zweiten Zwischenfrage, und zwar von der Kollegin
Bulling-Schröter.


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1800308100

Gerne, bitte.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800308200

Ich habe noch eine Bitte an den Kollegen Krischer.

Wir haben hier die, wie ich finde, gut eingeführte und
akzeptierte Regel, dass man bei der Beantwortung seiner
Frage stehen bleibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Beantwortung war doch schon lange zu Ende! – Gegenruf von der CDU/ CSU-Fraktion: Nein!)


Frau Bulling-Schröter.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800308300

Das ist sehr nett, vielen Dank. – Kollege Jung, Sie ha-

ben von einer „Notoperation“ gesprochen. Wir beide
sind keine Ärzte. Wenn es ein Problem gibt und man
operieren muss, dann operiert man ja die ganze Wunde
und nicht nur ein Drittel. So sehe ich das auch beim Zer-
tifikatehandel.

Wir wissen, dass die Zertifikate durch das Backloa-
ding jetzt um 50 Cent teurer geworden sind. Wir
beide und zumindest alle Klimapolitiker wissen, dass die
Zertifikate einen wesentlich höheren Preis haben müss-
ten, damit sie relevant werden und Investitionen in den
Betrieben auslösen. Wir haben das im Umweltausschuss
oft diskutiert und waren uns über die Parteien hinweg
relativ einig, dass wir so viele Zertifikate wie möglich
– möglichst alle – stilllegen sollten, und zwar bleibend.

Es gibt faule Zertifikate im Zusammenhang mit dem
CDM; das ist nach vielen Jahren der Diskussion inzwi-
schen nicht mehr umstritten. Das hat aber doch nichts
mit der Marktwirtschaft zu tun. Wenn diese Zertifikate
stillgelegt wären, kann man in der EU und in der UN
entsprechende Kriterien und Regularien miteinander
vereinbaren, sodass es diese Überallokation und faulen
Zertifikate nicht mehr gibt.

Der erste Schritt wäre doch, das so auf die Reihe zu
bringen, dass es dann wirklich funktioniert.


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1800308400

Frau Kollegin, es ist ja das Ziel, das so zu auf die

Reihe zu bringen, dass es funktioniert. Das, was wir hier
diskutieren, können wir aber nicht von der europäischen
Diskussion loslösen.

Der Vorschlag, den die EU gemacht hat und der auf
dem Tisch lag, war das Backloading. Diesem Vorschlag
haben wir erst einmal zugestimmt. Auch auf europäi-
scher Ebene wird die Diskussion ganz sicher weiterge-
hen, und natürlich wird es dabei auch um CDM gehen.

Zum CDM will ich sagen: Selbstverständlich gab es
CDM-Zertifikate, bei denen die ökologische Integrität
nicht sichergestellt war. Dem ist zu einem großen Teil
schon der Riegel vorgeschoben worden. Es hat dort
Veränderungen gegeben, und es ist nicht mehr ohne Wei-
teres möglich, solche Projekte zu machen, wie das in der
Vergangenheit der Fall war.

Das sind zwei Beispiele dafür, dass die Debatte und
die Entscheidungen Schritt für Schritt erfolgen. Ich will
einfach die Botschaft aussenden: Für mich und für uns
ist diese Debatte nicht am Ende, und für uns ist der
Emissionshandel das Herzstück der EU-Klimapolitik.
Das gilt es zu bewahren, und dafür arbeiten wir.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800308500

Als nächster Redner hat der Kollege Matthias

Miersch das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1800308600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin den Grünen dankbar, dass sie diesen Antrag hier
eingebracht haben, weil wir damit zu Beginn dieser Le-
gislaturperiode die Möglichkeit haben, über eines der
zentralen politischen Themen zu sprechen, die uns si-
cherlich nicht nur die nächsten vier Jahre, sondern viele
Jahrzehnte beschäftigen werden.

Jeder, der schon einmal an einer Klimakonferenz teil-
genommen hat, weiß, wie unterschiedlich die Interessen
zwischen den Industriestaaten, zwischen den Entwick-
lungsländern, zwischen den Schwellenländern sind, ja
auch zwischen den Ländern der Europäischen Union
und, wie wir angesichts dieser Debatte auch wieder fest-
stellen konnten, auch in diesem Haus. Hier hat eben ein
Kollege von der CDU/CSU die Frage gestellt: Wie ist





Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)

das mit dem Klimawandel und seine Auswirkungen auf
die Philippinen? Ich glaube, diese Frage illustriert, dass
auch wir hier in diesem Parlament eigentlich noch nicht
die Voraussetzung dafür erfüllen, diese Menschheitsauf-
gabe wirklich zu begreifen.

Es ist leider immer so, dass in der Vergangenheit erst
die großen Katastrophen passieren mussten, bevor die
Politik gehandelt hat. Hier haben wir es mit einem Phä-
nomen zu tun, bei dem wir als Politiker beweisen müs-
sen, ob wir tatsächlich nachhaltig denken können, ob wir
Folgen viel größeren Ausmaßes volkswirtschaftlicher
Art heute verhindern und das kurzfristige Denken über-
winden können. Insofern gehört der Klimaschutz natür-
lich ins Zentrum unserer Überlegungen.

Ja, in jeder Koalition gibt es Kompromisse. Ja, mögli-
cherweise würde der Koalitionsvertrag völlig anders
aussehen, wenn nur Umweltpolitiker an ihm gearbeitet
hätten. Ja, Frau Bulling-Schröter, es gibt auch bei den
Linken Kohlebefürworter. Ich nenne hier beispielsweise
den brandenburgischen Wirtschaftsminister, der deutlich
macht, wie wichtig der Übergang vom fossilen ins er-
neuerbare Zeitalter ist. Ich bin mir sicher, Sie stimmen
nicht mit allem überein.

Das, was wir in den nächsten vier Jahren in dieser
Großen Koalition schaffen müssen, ist – das ist auch die
Messlatte, die wir uns alle gefallen lassen müssen –, ob
wir als Bundesrepublik Deutschland – da haben die Grü-
nen recht, wenn sie sagen, man braucht nationale Vorbil-
der – weiter ein nationales Vorbild darstellen. Das muss
unsere Messlatte sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu gehört, dass wir versuchen, mit einer Stimme zu
sprechen, Herr Kollege Altmaier. Die erste Große Koali-
tion mit einem sozialdemokratischen Umweltminister
hat bewiesen – das jedenfalls sagen alle großen Umwelt-
organisationen –, dass diese vier Jahre für Klima- und
Umweltschutz nicht schlecht gewesen sind. Aber das,
was wir die letzten vier Jahre erlebt haben – nun hatten
Sie die Sozis nicht an Ihrer Seite –, war eben genau das
Gegenteil. Wir haben diese Vorbildfunktion nicht länger
einnehmen können, sondern wir haben uns hier als Bun-
desrepublik Deutschland kein gutes Zeugnis ausgestellt,
weil wir uns blockiert haben, weil Wirtschaftsminister
und Umweltminister keine einheitliche Vorgehensweise
hatten.

Über den Koalitionsvertrag kann man an vielen Stel-
len diskutieren.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müsst ihr auch!)


– Das müssen wir, im Übrigen auch hier im Parlament,
weil das Parlament nicht die Bundesregierung ist. Des-
wegen müssen wir das Ganze an der einen oder anderen
Stelle auch vorantreiben, glaube ich. – Der Koalitions-
vertrag gibt eines wieder: Es wird im Bereich Klima und
Energie eine Sprachregelung geben; Backloading ist da
nur ein kleiner Bereich. Ich bin froh, dass der Bereich
Effizienz ein ganzes Kapitel hat. Insofern: Nehmen wir
es heute als Auftakt, dieses Thema ganz oben auf die Ta-
gesordnung zu setzen!


(Oliver Krischer Wieso steht es denn da nicht drin?)


Wir werden, Herr Krischer, im Fachausschuss sicherlich
über diesen Antrag und über die Möglichkeiten, zu ge-
meinsamen Empfehlungen zu kommen, sprechen; denn
es geht darum, Lösungen gemeinsam zu entwickeln,
weil es gerade im Bereich Energie und Umwelt wenig
bringt, alle vier Jahre etwas Neues zu machen. Lassen
Sie es uns deshalb als Auftakt nehmen. So verstehe ich
die Debatte heute. Vier Jahre liegen vor uns. Ich glaube,
die Große Koalition kann durchaus auch im Bereich
Klima und Energie beweisen, dass Dinge positiv zu ver-
ändern sind. In diesem Sinne freue ich mich auf eine
gute Zusammenarbeit von uns allen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800308700

Als letzter Redner in dieser Runde spricht der Kollege

Göppel.


Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1800308800

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus gegebenem

Anlass beginne ich mit der Schilderung des Besuchs ei-
ner Schulklasse, den ich kürzlich machte. Es ging um die
Frage: „Kann der Mensch das Klima verändern, wo der
Himmel doch so hoch ist?“ Die Arbeitsgruppe Klima in
dieser Schule hat die Erde so groß gestaltet wie einen
Fußball, und als Erdatmosphäre hat sie ihn mit einer
dünnen Haut überzogen. Das war ein Millimeter auf die-
sem Fußball, und dann beginnt der freie Weltraum. Es
gab in dieser Klasse dann niemanden mehr, der nicht ge-
glaubt hat, dass der Mensch das Klima beeinflussen
kann. Das ist auch die Frage, vor der solche Konferenzen
wie die in Warschau immer wieder stehen.

Ich beginne mit einem der Erfolge. Die noch benötig-
ten 100 Millionen US-Dollar für den Anpassungsfonds
gegen den Klimawandel und zum Schutz von Küstenge-
bieten sind überschritten. Das Ziel sind aber 100 Milliar-
den US-Dollar bis zum Jahr 2020. Die 100 Millionen
US-Dollar konnten nur dadurch erreicht werden, dass
Deutschland eine großzügige Zusage von 40 Millionen
US-Dollar gemacht hat. Aber bis zum Jahr 2020 sollen
100 Milliarden US-Dollar – das ist tausendmal so viel –
aufgebracht werden, damit bestimmte Teile der Erde be-
wohnbar bleiben und riesige Flüchtlingsbewegungen in
vermeintlich sichere Zonen der Erde unterbleiben kön-
nen.

Damit wird deutlich, um welche Aufgabe es geht.
Deswegen ist es wichtig, dass Deutschland wieder da ist.
Das ist für den Umweltminister eine Herausforderung,
aber auch für uns.

Ich teile die Meinung des Kollegen Miersch, dass es
in den nächsten Jahren sehr auch auf das Parlament an-





Josef Göppel


(A) (C)



(D)(B)

kommt, zum Beispiel bei der Frage, ob die nun verein-
barten Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien
noch mit unseren Klimaschutzzielen zusammenpassen.
Wenn wir die Minderung des Klimagasausstoßes um
80 bis 95 Prozent bis 2050 erreichen wollen, dann müs-
sen wir den Anteil der erneuerbaren Energien pro Jahr-
zehnt um 20 Prozent steigern. Denn niemand wird glau-
ben, dass der Verkehr, die privaten Haushalte oder das
Gewerbe so viel erbringen können, dass wir auf der an-
deren Seite bei der Energieversorgung bzw. beim Zubau
der erneuerbaren Energie zurückhinken können.

Darin liegt eine wesentliche Aufgabe. Deswegen bin
ich nach wie vor dafür, dass wir unsere Ziele, die in dem
erwähnten Klimaschutzplan niederzuschreiben sind, als
international sichtbares und glaubwürdiges Signal in ei-
nem Gesetz niederlegen. Wir brauchen keine neuen
Ziele, sondern wir müssen die vorhandenen Ziele inter-
national sichtbar und glaubwürdig verankern, damit
auch die deutsche Wirtschaft und die deutsche Technik
der bevorzugte Partner der Entwicklungsländer in der
Welt bleiben und wir unsere Anstrengungen auch wirt-
schaftlich verwerten können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu gehört auch eine CO2-Obergrenze für jede er-
zeugte Kilowattstunde Strom. Anders wird es nicht ge-
hen. Gute Beispiele dafür sind nicht nur Großbritannien,
sondern auch die USA. Die Beseitigung der Konstruk-
tionsfehler des europäischen Emissionshandels ist ein
langwieriges Unterfangen. Deswegen plädiere ich für
nationale Maßnahmen, wie sie Großbritannien und die
USA ergreifen. Das wird letztlich unserer Glaubwürdig-
keit dienen, aber auch der Stellung der deutschen Wirt-
schaft in der Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1800308900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die

Aussprache.

Wir kommen zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/96. Die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache.
Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie die Frak-
tion Die Linke wünschen Überweisung an den Haupt-
ausschuss. Wir stimmen nach ständiger Übung daher zu-
erst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich
frage deshalb: Wer stimmt für die Überweisung an den
Ausschuss? – Wer stimmt gegen die beantragte Über-
weisung? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag auf
Ausschussüberweisung mit den Stimmen der CDU/
CSU, der SPD und der Linken gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Damit ist
die Überweisung so beschlossen. Damit stimmen wir im
Übrigen heute über den Antrag auf Drucksache 18/96 in
der Sache nicht ab.

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800309000

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Fragestunde

– Drucksache 18/87 –

Für die Fragestunde haben wir anderthalb Stunden
vorgesehen. Unser Ziel ist, dass möglichst viele Fragen
beantwortet werden und dass möglichst viele zu Wort
kommen. Deswegen hatten wir uns in der letzten Legis-
laturperiode darauf geeinigt, dass für die ersten Antwor-
ten der Regierung jeweils zwei Minuten und für die fol-
genden jeweils eine Minute zur Verfügung stehen. Damit
das jeder, auch diejenigen, die nicht über ein entspre-
chendes Zeitgefühl verfügen, verfolgen kann, gibt es
Ampeln, die das farblich anzeigen. Die letzten 30 Sekun-
den werden durch gelbes Licht angezeigt. Wenn die Zeit
dann vorbei ist, leuchtet es rot. Wir bitten alle, sich mög-
lichst daran zu halten, auch wenn das nicht bei jeder Ma-
terie gleich gut gelingen kann.

Zuerst kommen wir zum Geschäftsbereich der Bun-
deskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beant-
wortung steht Frau Staatsministerin Professor Dr. Maria
Böhmer zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Lisa Paus von
Bündnis 90/Die Grünen auf:

Inwieweit hat Staatsminister a. D. Eckart von Klaeden in
seiner Amtszeit Einfluss auf die Bearbeitung des Themas
Elektromobilität genommen, hier insbesondere auf den Natio-
nalen Entwicklungsplan Elektromobilität und die „Gemein-
same Geschäftsstelle Elektromobilität“ der Bundesregierung?

Frau Staatsministerin, bitte.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800309100


Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich beantworte
die erste Frage der Abgeordneten Lisa Paus wie folgt:
Staatsminister a. D. von Klaeden war für das Thema
Elektromobilität nicht zuständig und hat nach Kenntnis
der Bundesregierung auch keinen Einfluss auf dessen
Bearbeitung genommen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800309200

Eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Paus.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800309300

Frau Professor Böhmer, Sie hatten mir bereits auf

meine schriftliche Frage geantwortet, dass Herr von
Klaeden sehr wohl umfassende Kenntnis von internen
Vorlagen in Bezug auf die Regulierungsvorhaben auf
europäischer Ebene hatte, die für den Daimler-Konzern
von zentraler Bedeutung sind. Sie sind jetzt dennoch da-
von überzeugt, dass Herr von Klaeden nichts davon im
Rahmen seiner zahlreichen Treffen mit Daimler-Vertre-
tern, über die Sie auch Auskunft gegeben haben, thema-
tisiert hat. Können Sie mir doch noch einmal erläutern,
wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass er nicht über
dieses Thema gesprochen und keinen Einfluss genom-
men haben kann, obwohl es zahlreiche Treffen mit
Daimler-Vertretern gab?






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800309400

Frau Staatsministerin Böhmer, bitte.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800309500


Frau Kollegin Paus, ich hatte Ihnen bereits in meinem
Schreiben vom 14. November 2013 darauf geantwortet;
es ging um die schriftliche Frage 28. Ich zitiere: „Es ging
um allgemeine bundespolitische Themen und die Krise
im Euro-Raum.“


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800309600

Wir kommen zur Frage 2 der Abgeordneten Lisa

Paus:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternom-

men, um Loyalitätskonflikte des Staatsministers a. D. Eckart
von Klaeden im direkten dienstlichen Kontakt zu Christoph
Brand von der Investmentbank Goldman Sachs zu verhin-
dern?

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800309700


Ich nehme Stellung zur zweiten Frage: Staatsminister
a. D. von Klaeden führte eine Vielzahl von Gesprächen
mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden auf
nationaler wie europäischer Ebene. Dies gehörte zu sei-
nen Aufgaben. Dabei verhielt er sich stets loyal gegen-
über den Pflichten seines Amtes und der Politik der Bun-
desregierung. Für irgendwelche Maßnahmen gab es
keinen Anlass.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800309800

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte schön.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800309900

Es war aus den schriftlichen Antworten auch hervor-

gegangen, dass Herr von Klaeden zu dem EADS-Fall
18 Vorlagen gesehen hat – sie teilweise auch in Vertre-
tung von Herrn Pofalla bekommen hat – und dass Herr
von Klaeden sich 23-mal mit einem der zuständigen und
von Daimler beauftragten Partner von Goldman Sachs
getroffen hat. Können Sie mir erklären, welche dienstli-
chen Notwendigkeiten den Staatsminister im Bundes-
kanzleramt dazu führten, irgendwelche anderen Themen
mit einem Partner der weltweit größten Investmentbank
bei diesen 23 Terminen zu besprechen, wenn bei diesen
23 Terminen nicht ein einziges Mal über das Thema
EADS und die 18 Vorlagen gesprochen worden ist?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310000

Frau Staatsministerin, bitte.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800310100


Frau Kollegin Paus, ich komme jetzt wieder auf mein
Schreiben vom 14. November 2013 zurück. Dort hatte
ich abschließend bei der Frage 30 formuliert:

Bei seinen Treffen mit Christoph Brand

– Sie fragten damals auch nach Dirk Notheis, deshalb
bin ich auch auf ihn eingegangen –
und Dirk Notheis hat Staatsminister a. D. Eckart
von Klaeden nicht über dieses Thema gesprochen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310200

Eine Frage dazu von Herrn Beck. Bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800310300

Können Sie uns als Parlament die Gegenstände der

Gesprächsthemen – es waren ja offensichtlich eine ganze
Reihe von Terminen – hier kurz wiedergeben, damit wir
uns ein Bild machen können, wie plausibel die Antwort
ist, dass dieses Thema nicht ein einziges Mal behandelt
worden sein soll?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310400

Frau Staatsministerin, bitte.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800310500


Herr Kollege Beck, darüber ist nichts bekannt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kann es bekannt sein, dass darüber nicht gesprochen wurde, wenn in der Bundesregierung darüber gar nicht gesprochen wurde? Das ist unglaublich! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Herr Kollege Beck, ich habe es schon zweimal getan
und zitiere gerne noch einmal die schriftlichen Antwor-
ten, die ich gegeben habe. Das erste Zitat war aus der
Antwort auf die Frage 28; Sie können das gerne noch
einmal hören.

Es ging um allgemeine bundespolitische Themen
und die Krise im Euro-Raum.

Bei dem zweiten Zitat war die Formulierung, dass „nicht
über dieses Thema gesprochen“ worden ist. Das ist der
Stand der Dinge.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310600

Die nächste Zusatzfrage hat der Kollege Schick.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss zugeben, dass ich jetzt Ihre Argumentation
nicht verstanden habe, dass Sie eine Antwort auf die
Frage gegeben hätten, welche sonstigen dienstlichen
Gründe es gegeben habe. Nur dann wird die Sache ja
plausibel. Deswegen wäre ich dankbar für die Beantwor-
tung der Frage und will sie an dieser Stelle um einen
Unterpunkt ergänzen. Herr von Klaeden war auch der
Bund-Länder-Koordinator. Die Länder haben auch
EADS-Anteile. Welchen Zusammenhang gibt es da?
War es nicht sogar seine Aufgabe als Bund-Länder-
Koordinator, genau diese Fragestellung zu bearbeiten,
oder wer sonst hat es gemacht?






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310700

Frau Staatsministerin, ich bitte, zu antworten.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1800310800


Ich rekurriere jetzt noch einmal auf die schriftlich
vorliegende Antwort vom 14. November zu der damals
gestellten Frage 30 – ich zitiere –:

Staatsminister a. D. Eckart von Klaeden hat in An-
gelegenheiten des Verkaufs der EADS-Anteile der
Daimler AG an die KfW Bankengruppe keine Ent-
scheidungen getroffen.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage! So geht das hier nicht! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800310900

Gibt es weitere Fragen zu diesem Punkt? – Das ist

nicht der Fall. Dann bedanken wir uns herzlich bei der
Frau Staatsministerin.

Ich will den Zwischenruf des Kollegen Beck aufgrei-
fen. Das Parlament darf fragen, wie es das für richtig
hält, und die Regierung darf antworten, wie sie es für
richtig hält. Das ist die Regel in diesem Hause.


(Zuruf von der LINKEN: Nein, die Regierung hat die Wahrheit zu sagen!)


Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekre-
tär Ernst Burgbacher bereit. Ich rufe Frage 3 der Kolle-
gin Annette Groth von der Linken auf:

Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung un-
ternehmen, damit die Öffentlichkeit und der Deutsche Bun-
destag über den Stand der Verhandlungen über das geplante
Freihandelsabkommen USA – EU informiert werden?

Bitte, Herr Staatssekretär.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800311000


Frau Kollegin Groth, die Bundesregierung setzt sich
dafür ein, dass die Verhandlungen über die Transatlanti-
sche Handels- und Investitionspartnerschaft möglichst
transparent verlaufen. Sie hat dies mehrfach gegenüber
der Europäischen Kommission eingefordert.

Sie fragen einmal nach der Information der Öffent-
lichkeit. Die Verhandlungen über dieses Abkommen
werden von der Europäischen Kommission geführt.
Sowohl die Europäische Kommission als auch die US-
Regierung haben im Vorfeld des Verhandlungsbeginns
öffentliche Konsultationen durchgeführt. Begleitend zu
den Verhandlungsrunden führt die EU-Kommission zu-
dem Anhörungen mit der Zivilgesellschaft, mit Verbän-
den durch, so zuletzt am 15. November in Brüssel im
Nachgang zur zweiten Verhandlungsrunde, die vom
11. bis 15. November erfolgte.

Der Bundesregierung ist die Einbindung der Zivilge-
sellschaft und der Verbände ein Kernanliegen. Das Bun-
desministerium für Wirtschaft und Technologie hat im
April und im November dieses Jahres eine Verbändean-
hörung zu den Verhandlungen durchgeführt und im
September 2013 Nichtregierungsorganisationen zu
einem Informationsgespräch über handelspolitische
Fragen mit dem Schwerpunkt TTIP eingeladen. Auch im
weiteren Verhandlungsverlauf sollen Verbände und
Nichtregierungsorganisationen eingebunden und infor-
miert werden. Die Europäische Kommission plant, die
Öffentlichkeit auch im weiteren Verfahren umfassend zu
informieren, natürlich auch über ihre Internetseite.

Schließlich zur Unterrichtung des Deutschen Bundes-
tages: Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bun-
destag gemäß den Bestimmungen des EUZBBG, abhän-
gig von den Fortschritten der Verhandlungen, auch
weiterhin regelmäßig auf eigene Initiative und auf
Wunsch des Deutschen Bundestages unterrichten. Sämt-
liche einschlägigen Dokumente und Berichte werden an
den Bundestag übermittelt.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre einmal schön!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800311100

Recht herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Gibt es

dazu von der Kollegin Groth den Wunsch nach einer Zu-
satzfrage? – Bitte schön.


Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800311200

Vielen Dank. – Wenn das so ist, wie Sie es sagen,

dann wundert es mich, dass sämtliche Umweltverbände,
Gewerkschaften, andere Verbände und Organisationen
immer wieder nach den Dokumenten bei der EU fragen
und die EU deren Herausgabe verweigert. In den USA
bekommen die Berater der 600 größten international täti-
gen Unternehmen die Dokumente aus den Verhandlun-
gen, und sie schalten sich dann sofort ein, etwa indem
sie schriftlich vorbringen, was sie gerne noch verhandelt
haben möchten. Das ist den europäischen und den deut-
schen Umweltverbänden sowie anderen Organisationen
bislang nicht möglich gewesen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800311300

Herr Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800311400


Frau Kollegin, ich habe ja gerade gesagt – darum geht
es übrigens auch in der Antwort auf die nächste Frage –:
Verhandlungsführer ist die EU-Kommission; die EU in-
formiert. Aber wir selbst, gerade das Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie, haben in zwei Anhörun-
gen und verschiedenen anderen Gesprächen Verbände
und die Zivilgesellschaft auf eigenes Betreiben hin infor-
miert. Ich denke, das wird auch so fortgesetzt werden.






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800311500

Schönen Dank. – Gibt es zu diesem Komplex weitere

Fragen? – Bitte schön, Kollege Lenkert von der Partei
Die Linke.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800311600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es ist für die Öffent-

lichkeit sehr schwierig gewesen, zu erfahren, über wel-
che konkreten Bereiche man mit welchen Zielsetzungen
verhandelt. Mich würde also interessieren, welche
Themenbereiche komplett zur Verhandlung stehen und
welche Zielsetzungen die Bundesregierung in den jewei-
ligen Bereichen bei diesen Verhandlungen erreichen
will.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800311700


Herr Kollege, auch darüber haben wir ausführlich
informiert. Ich gehe davon aus, dass auch die nächste
Bundesregierung das tun wird. Wir haben das Parlament
informiert. Wir haben, wie gesagt, in zwei Anhörungen
informiert. Aber – das bezieht sich, wie gesagt, schon
auf die nächste Frage – das Verhandlungsmandat hat die
EU-Kommission. Wir sind natürlich auf den verschie-
densten Wegen ständig im Gespräch mit der EU-Kom-
mission.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800311800

Es gibt noch weitere Nachfragewünsche. Die erste

Nachfrage stellt der Kollege Ströbele, Bündnis 90/Die
Grünen, die nächste Frau Kollegin Hupach von der Frak-
tion Die Linke.

Herr Ströbele, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Burgbacher, Sie haben gesagt: Der Deutsche
Bundestag wird informiert. Nun sind wir ja hier der
Deutsche Bundestag – immer noch.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


Wen informieren Sie denn derzeit? Haben Sie etwa den
heute neu eingesetzten Ausschuss informiert, oder ver-
teilen Sie jetzt hier Ihre Unterlagen, oder was ist für Sie
„der Deutsche Bundestag“?


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800311900

Herr Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800312000


Herr Kollege Ströbele, Sie sind natürlich der Deut-
sche Bundestag, aber es gehören auch noch einige
andere dazu. Es ist auch eine besondere Situation, dass
der neue Deutsche Bundestag die alte Regierung befragt.
Wir haben in vielen Gesprächen informiert. Ob der
neu eingesetzte Hauptausschuss den Wunsch hat, infor-
miert zu werden, entzieht sich meiner Kenntnis; ich habe
darauf keine Hinweise. Aber selbstverständlich beant-
worten wir die Fragen, die Sie gestellt haben.

Ich habe die Frage danach beantwortet, was wir
gemacht haben, und ich betone noch einmal: Wir haben
auf eigene Initiative unseres Ministeriums informiert,
und es war der Bundesregierung insgesamt ein Anliegen,
zu informieren. Ich habe auch die gesetzlichen Grund-
lagen genannt, Herr Kollege Ströbele, wonach selbstver-
ständlich der Deutsche Bundestag auf seinen Wunsch
hin, aber auch auf Initiative der Bundesregierung infor-
miert wird.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800312100

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Jetzt die Kollegin

Hupach von der Fraktion Die Linke und danach die Kol-
legin Hänsel von der Fraktion Die Linke, bitte.


Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800312200

Herr Staatssekretär, welche Auswirkungen könnte das

Freihandelsabkommen für den Bereich Kultur und Me-
dien und dessen Förderstrukturen in Deutschland haben?
Die Kulturverbände warnen und haben Angst, dass bei
Wegfall der tarifären oder nichttarifären Handelshemm-
nisse etwa die Buchpreisbindung oder der reduzierte
Mehrwertsteuersatz wegfallen könnten oder dass auch
Bereiche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrof-
fen sein könnten. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800312300


Frau Kollegin, Sie wissen, dass der Bereich Kultur
und Medien eigentlich nicht einbezogen ist, dass die
Amerikaner aber den Versuch machen, ihn einzubezie-
hen. Darüber wird jetzt geredet. Ich gehe aber davon aus,
dass die Bedenken, die Sie geäußert haben, ganz schnell
zerstreut werden. Auch wir haben übrigens ein paar
Punkte, die wir noch hineinbringen wollen. Der Bereich
Kultur und Medien ist bisher nicht Verhandlungsgegen-
stand.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800312400

Schönen Dank. – Jetzt die Kollegin Frau Hänsel,

Fraktion Die Linke, und dann die Kollegin Frau
Haßelmann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800312500

Danke schön. – Ich habe eine Nachfrage, Herr

Burgbacher, bezüglich der Information. Wie konkret in-
formieren Sie denn den Bundestag und die Parlamenta-
rierinnen und Parlamentarier? Ich habe nie eine Einla-
dung zu einer Anhörung gesehen. Ich habe bisher null
Zugang zu Informationen zu diesen Verhandlungen.
Meine konkrete Frage: Können Sie sicherstellen, dass
ich, wenn ich Sie jetzt anschreibe, von Ihnen Informatio-
nen über den derzeit aktuellsten Verhandlungsstand zu-
geschickt bekomme?






(A)



(D)(B)

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800312600


Frau Kollegin Hänsel, ich habe auch die gesetzliche
Grundlage genannt. Wenn Sie die Bundesregierung an-
schreiben, werden Sie selbstverständlich die Informatio-
nen bekommen, die im Augenblick vorhanden sind. Das
ist ein Thema, was immer sehr offen gefahren wurde.
Wir sind auch mit der EU-Kommission im Gespräch.
Wir legen allergrößten Wert darauf, dass die Verhandlun-
gen sehr transparent laufen und gerade das Parlament in-
formiert wird.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800312700

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin Haßelmann, Bünd-

nis 90/Die Grünen, bitte.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800312800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Burgbacher, ich

möchte doch einmal nachfragen, was die Informations-
rechte der Abgeordneten und die Informationspflichten
gegenüber den Abgeordneten angeht. Meinem Kollegen
Ströbele hatten Sie gerade erklärt, dass Sie alle mögli-
chen Initiativen unternommen haben, die Abgeordneten
des Deutschen Bundestages zu informieren. Es könnte
sich ja um einen Einzelfall handeln, wenn Herr Ströbele
nichts gekriegt hat. Aber ich habe auch nichts gekriegt,
weder brieflich, noch per Mail, noch durch irgendeine
Unterrichtung. Deshalb möchte ich mich mit so einer
Aussage, wie Sie sie hier treffen: „Die Abgeordneten
sind ausreichend informiert“, nicht zufriedengeben, son-
dern möchte Sie jetzt fragen: Auf welche Art und Weise
haben Sie denn den Abgeordneten die entsprechenden
Informationen zukommen lassen?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800312900

Herr Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800313000


Frau Kollegin, es ist doch völlig klar, dass der Bun-
destag, wie es jetzt gerade geschieht, fragen kann und
wir antworten, dass wir dann, wenn ein Ausschuss an die
Bundesregierung herantritt,


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


entsprechend antworten werden


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Haben wir nicht! Kriegen wir nicht!)


und dass der Bundestag nach dem EUZBBG ausdrück-
lich dieses Recht hat.

Wir stehen ja eigentlich erst am Anfang dieser Ver-
handlungen. Natürlich wird die Information erfolgen.
Die Bundesregierung wird es von sich aus tun; aber der
Bundestag hat jederzeit das Recht, diese Informationen
nachzufragen. Wenn das bisher geschehen ist, haben wir
auch geantwortet.

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800313100

Die nächste Frage zu diesem Komplex hat Kollege

Ebner, Bündnis 90/Die Grünen.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800313200

Danke, Herr Präsident. – Herr Burgbacher, wie erklä-

ren Sie sich angesichts Ihrer Aussagen denn, dass die
Mitglieder des Bundestages, sowohl des alten als auch
des neuen Bundestages, nicht über den Inhalt des Ver-
handlungsmandates, das die EU-Kommission bekom-
men hat, informiert wurden, und dies, obwohl dies auch
Thema in den Ausschüssen der 17. Wahlperiode war?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800313300


Wir haben in der 17. Wahlperiode alle Anfragen be-
antwortet. Wir haben offengelegt, was offenzulegen war.
Ich kann nur sagen: Ich gehe davon aus, dass die neue
Bundesregierung das genau so tun wird.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na toll!)


Dieses Thema ist Gegenstand der ersten Sitzung; wir
antworten. Mehr kann ich für die neue Bundesregierung
heute allerdings nicht sagen. Dafür werden Sie Verständ-
nis haben.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800313400

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Frau Kollegin

Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800313500

Herr Staatssekretär, wir sind tatsächlich in einer Über-

gangsphase. Sie haben den Vorteil, dass Sie im Gegen-
satz zu Abgeordneten, die schon in der 17. Legislatur-
periode hier Mitglied waren, im Moment weder mit
Umzügen noch mit Sonstigem beschäftigt sind. Deshalb
gehe ich davon aus, dass in Ihrem wohlsortierten Haus
eine Übersicht darüber vorliegt, welches Gremium oder
welcher Abgeordnete der 17. Legislaturperiode an wel-
chem Tag mit welchem Inhalt zu diesen Vorgängen un-
terrichtet wurde. Sind Sie, wenn Sie das jetzt nicht dabei
haben, in der Lage, uns im Nachgang zu dieser Frage-
stunde diese Übersicht zuzustellen, damit wir dann ge-
zielt weiterarbeiten können?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800313600


Frau Kollegin Pau, ich habe das wirklich nicht dabei.
Aber ich werde das selbstverständlich mitnehmen.


(Iris Gleicke [SPD]: An alle Fraktionen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800313700

Danke.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800313800

Dann kommen wir zur Frage 4 der Kollegin Groth:

Wer verhandelt für die EU das geplante Freihandelsab-
kommen USA – EU, und wie ist die Bundesregierung in den
Verhandlungsprozess integriert und informiert?

(C)






Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Diese Frage wurde zwar immanent schon beantwor-
tet, wir wollen sie natürlich dennoch aufrufen. Herr
Staatssekretär, bitte zu Frage 4, auch wenn sie zum Teil
schon behandelt wurde.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800313900


Sehr gerne. Es geht um die Frage, wer eigentlich die
Verhandlungen über TTIP auf europäischer Seite führt.
Ich habe das schon gesagt: Sie werden von der EU-Kom-
mission und dort von der Generaldirektion Handel ge-
führt. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
haben der EU-Kommission ein entsprechendes Mandat
– auch darüber haben wir geredet – zur Führung der Ver-
handlungen mit den USA erteilt. Handelskommissar
Karel de Gucht ist der für die TTIP-Verhandlungen poli-
tisch verantwortliche EU-Kommissar. Ignacio Garcia
Bercero aus der Generaldirektion Handel ist Hauptver-
handlungsführer der Europäischen Kommission.

Die EU hat für die umfangreiche Zahl von Arbeits-
gruppen – es sind über 20 – jeweils Verhandlungsführer
benannt, deren Namen auf der Internetseite der EU-
Kommission abrufbar sind. Die Verhandlungsführer auf
EU-Seite werden themenabhängig von Fachexperten aus
den betroffenen Generaldirektionen der EU-Kommis-
sion und der Regulierungsbehörden begleitet.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800314000

Schönen Dank. – Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte

schön, Frau Kollegin Groth.


Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800314100

Wir wissen aus Medienberichten sehr gut, wie sich

das in den USA abspielt. Ich kenne mich ja nun etwas in
Brüssel und mit den Lobbyverbänden aus. Daher frage
ich Sie noch einmal: Sind Businesseurope – das ist der
größte Unternehmerverband Europas – oder andere
Unternehmen, Gewerkschaften und Verbände direkt be-
teiligt? Wie sind diese Unternehmen und Verbände in
diesen Diskussions- und Verhandlungsprozess eingebun-
den?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800314200


Frau Kollegin, ich sage es noch einmal: Wir machen
es auf deutscher Seite. Wir haben zwei Anhörungen im
BMWi gemacht, und zwar ausdrücklich mit zivilgesell-
schaftlichen Organisationen, mit den Verbänden. Natür-
lich gehe ich davon aus, dass die Verbände auf europäi-
scher Ebene genauso mit der Kommission in ständigem
Austausch sind.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800314300

Haben Sie noch eine Nachfrage?


Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800314400

Nein.

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800314500

Wir haben viele Kollegen, die sich mit Fragen ein-

schalten. Das sind die Kollegin Hupach, der Kollege
Beck und dann der Kollege Lenkert. – Bitte, Frau Kolle-
gin Hupach, Fraktion Die Linke.


Sigrid Hupach (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800314600

Danke. – Sehr geehrter Herr Burgbacher, Sie sagten

eben, dass die Verhandlungen im Kultur- und Medienbe-
reich noch in der Schwebe sind. Frau Herkes hatte aber
bereits im Juni Frankreich für das Veto in diesem Be-
reich kritisiert. Können wir also davon ausgehen, dass
sich die Bundesregierung im Verhandlungsprozess für
die Herausnahme des Kultur- und Medienbereichs ein-
setzt, oder ist das nicht der Fall?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800314700


Herr Präsident, wir kommen jetzt zurück zur ersten
Frage. Ich kann gerne etwas dazu sagen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800314800

Das ist nicht ganz in Ordnung. Wir wollen aber heute

milde sein. Es wäre nett, wenn Sie trotzdem noch etwas
zu dieser Frage sagen würden.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800314900


Ich habe es vorhin bereits gesagt: Die USA haben ei-
nen Text zu den Themen Audiovision und Kultur vorge-
legt. Dieser Bereich ist vom EU-Mandat ausgenommen.
Wir möchten etwa einen Annex zum Bereich Maschi-
nenbau hineinbringen. Dieser ist im Moment nicht ent-
halten. Das muss nun abgewartet werden. Wie gesagt:
Im Moment ist der Bereich Kultur noch ausgenommen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800315000

Danke schön. – Der Kollege Beck, Bündnis 90/Die

Grünen, hat eine Frage dazu.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800315100

Nach § 4 Abs. 1 des EUZBBG ist die Bundesregie-

rung verpflichtet, das Parlament frühzeitig, umfassend
und fortlaufend über alle Vorhaben der Europäischen
Union zu unterrichten. Wann hat die Bundesregierung
den Deutschen Bundestag zum letzten Mal förmlich über
dieses Vorhaben der Europäischen Union unterrichtet?
Die Unterrichtung erfolgt in der Regel schriftlich und,
wie gesagt, fortlaufend und umfassend. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es seit Monaten keine neuen Ent-
wicklungen, die einen Bericht notwendig machen, gege-
ben hat.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800315200


Herr Kollege Beck, die Daten habe ich jetzt nicht bei
mir. Wir liefern sie aber gerne nach.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre sehr freundlich!)







(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800315300

Danke schön, Herr Staatssekretär. – Der Kollege

Lenkert von der Fraktion Die Linke hat noch eine Frage
zu diesem Komplex. – Bitte.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800315400

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Burgbacher, Sie

sprachen davon, dass ein Verhandlungsmandat von der
Bundesregierung ausgesprochen ist. Dieses ist sicherlich
auch unterstützt worden. Ich würde von Ihnen gern wis-
sen, ob in diesem Verhandlungsmandat Regelungen zum
Investorenschutz nach dem Energiecharta-Vertrag und
den üblichen bilateralen Abkommen zum Investoren-
schutz enthalten sind und, wenn ja, ob sie sich auch auf
die Bereiche Landwirtschaft, Gentechnik und Fracking
erstrecken?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800315500

Herr Staatssekretär.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800315600


Herr Kollege, ich kann Ihnen sagen: Das Thema In-
vestorenschutz spielt natürlich eine große Rolle. Ich bitte
Sie aber um Verständnis dafür, dass ich die Details, die
ich jetzt nicht zur Hand habe, nachliefere. Denn diese la-
gen im Rahmen der Frage nicht auf dem Tisch.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800315700

Ich denke, so können wir uns verständigen.

Weitere Fragen zu diesem Komplex liegen nicht vor.
Herr Staatssekretär Burgbacher steht aber weiterhin zur
Beantwortung bereit.

Ich rufe Frage 5 des Kollegen Peter Meiwald, Bünd-
nis 90/Die Grünen, auf:

Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die
ökologischen und ökonomischen Schäden durch den Erd-
ölaustritt aus dem Kavernenfeld in Etzel vom 17. November
2013 zu beziffern, und welche konkreten Schritte zum Bei-
spiel im Bergrecht plant die Bundesregierung zur Verhinde-
rung zukünftiger Umweltschadensereignisse im Gefolge des
Betriebs von Kavernen zur Speicherung fossiler Brennstoffe?

Herr Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800315800


Herr Kollege Meiwald, der Vollzug des Bergrechts
liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder.
Die Bundesregierung ist dafür nicht zuständig und hat
von daher auch keine eigenen Kenntnisse über die Aus-
wirkung des Erdölaustritts. Nach Informationen der
Bundesregierung trat das Erdöl aus einer Leckage in einer
überirdischen Armatur aus. Die Ursache hierfür ist noch
nicht bekannt. Das Bundesberggesetz legt allgemein fest,
dass von Bergbaumaßnahmen keine gemeinschädlichen
Einwirkungen ausgehen dürfen, und ermächtigt die zu-
ständigen Landesbehörden mit umfassenden Erlaubnis-
und Kontrollzuständigkeiten. Die Bundesregierung sieht
momentan keinen Zusammenhang zwischen dem Ereig-
nis und den gesetzlichen Regelungen zum Bergrecht
oder zum Wasserschutz und plant vor dem Hintergrund
des Vorfalls keine konkreten Schritte.

Sie fragen dann – Sie sind ja neu im Bundestag –,
welche konkreten Schritte die Bundesregierung plant.
Wenn mir der Präsident eine Viertelstunde gibt, dann
schaue ich im Koalitionsvertrag nach, ob diesbezüglich
etwas drinsteht. – Das ist natürlich eine Sache, die dann
gemacht werden muss.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800315900

Eine Viertelstunde wird nicht genehmigt. – Haben Sie

eine Zusatzfrage, Herr Kollege Meiwald?


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800316000

Gibt es Erkenntnisse, dass die Notwendigkeit besteht,

am Bergrecht insgesamt oder hinsichtlich der Bundeszu-
ständigkeit im Bergrecht etwas zu verändern, damit sol-
che Dinge zukünftig nicht mehr dem willkürlichen
Durchsetzen auf Landesebene unterliegen, und einen
Grundriegel vorzuschieben, demzufolge der Bund in
diesem Bereich Verantwortung hat und dieser entspre-
chend nachkommen muss?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800316100

Herr Staatssekretär.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800316200


Herr Kollege Meiwald, der Fall sieht im Augenblick
folgendermaßen aus: Circa 40 000 Liter Rohöl sind über
einen Zeitraum von 20 Stunden ausgetreten. Eine Ge-
fährdung des Wattenmeers oder des Trinkwassers
scheint nach bisherigem Stand ausgeschlossen. Für den
Fall zuständig ist die niedersächsische Landesregierung.
Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat sich dem
jetzt angenommen und die Koordination des Schaden-
managements übernommen. Weitere Informationen lie-
gen im Moment nicht vor.

Nach unseren Erkenntnissen hat auch Niedersachsen
im Augenblick noch keine Informationen über die ei-
gentliche Ursache. Ich glaube, man sollte neue Informa-
tionen abwarten, bevor man über weitere Dinge nach-
denkt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800316300

Vielen Dank, Herr Burgbacher. – Wir haben jetzt ei-

nen ganzen Schwung von Nachfragen. Als Erster Herr
Behrens, Fraktion Die Linke, dann Frau Zimmermann,
Fraktion Die Linke, und dann eine Kollegin von den
Grünen.


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800316400

Wir haben gerade gehört, dass die Bundesregierung kei-

nen Handlungsbedarf sieht. Gleichwohl sind 40 000 Liter,
die oberirdisch abfließen, nicht nichts und besorgen die
dortige Bevölkerung sehr stark.

Meine Frage bezieht sich auf die besondere Situation
der Betreibergesellschaft, der ehemals staatlichen Inves-
titionsgesellschaft, IVG, die sich im Moment in Insol-





Herbert Behrens


(A) (C)



(D)(B)

venz befindet: Welches Schadensregulierungsszenario
ist aus Bundessicht eigentlich vorstellbar? Ich denke, die
Bürgerinnen und Bürger haben es nicht verdient, dass
man sie bei solchen Fragen alleinlässt.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800316500


Herr Kollege, es ist nicht so, dass wir leichtfertig da-
rüber hinweggehen. In der Bundesrepublik Deutschland
haben wir aber eine klare Verteilung der Kompetenz.
Diese liegt im Augenblick ganz klar bei der Landesre-
gierung des Landes Niedersachsen. Natürlich stehen wir
in engem Kontakt.

Die Frage hier war aber, was bergrechtlich zu tun ist.
Ich bin der Überzeugung, dass wir zunächst einmal nä-
here Informationen abwarten sollten. Diese hat die Lan-
desregierung Niedersachsen offenbar auch noch nicht.
Dann muss man natürlich alle weiteren Konsequenzen
mit dem Land Niedersachsen besprechen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800316600

Schönen Dank. – Als Nächste die Kollegin

Zimmermann, Fraktion Die Linke. Bitte.


Pia Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800316700

Herr Präsident! Ob des großen Schadens und der Wie-

derholbarkeit des Schadens bin ich der Meinung, dass
sich die Bundesregierung nicht ganz aus der Verantwor-
tung stehlen kann. Deshalb frage ich die Bundesregie-
rung bzw. Sie: Welche Maßnahmen sind vorgesehen?
Ich denke zum Beispiel an eine gesetzliche Regelung,
derzufolge Kavernenbesitzer und -betreiber in einen
Fonds einzahlen, um die Schäden wenigstens finanziell
zu kompensieren. Sind Maßnahmen ähnlicher Art vorge-
sehen?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800316800


Frau Kollegin, selbst wenn ich Ihnen eine Antwort
geben könnte, würde es dem Stil des Hauses widerspre-
chen, wenn wir jetzt – ich sage das ganz bewusst als
Vertreter der bisherigen Bundesregierung – Dinge an-
kündigen, die in die Verantwortung einer neuen Bundes-
regierung fallen.

Ich habe gesagt, was wir im Augenblick machen. Es
gibt – das ist ganz klar – einen engen Kontakt zu Nieder-
sachsen, um zu sehen, wo es Handlungsbedarf gibt. Ge-
setzesänderungen sind aber wahrlich eine Sache der
neuen Bundesregierung. Es wäre ein schlechter Stil,
wenn wir uns dazu in irgendeiner Weise äußern würden.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800316900

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Die nächste

Frage von Frau Kollegin Verlinden, Bündnis 90/Die
Grünen.


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800317000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Burgbacher, ich

möchte noch einmal auf den Punkt Schadensregulierung
zurückkommen. Es ist so, dass der Mutterkonzern hoch
verschuldet ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der
Staat einspringen muss, um die Schäden der Ölkatastro-
phe zu lindern. Deshalb noch einmal ganz explizit die
Frage an Sie: In welcher Höhe müsste im Fall des Falles
die Bundesrepublik oder das Land Niedersachsen eintre-
ten, wenn die Versicherung des Unternehmens nicht ein-
springt und das Unternehmen selbst die durch diese Ka-
tastrophe hervorgerufenen Schäden nicht regulieren
kann, weil das Geld dafür nicht da ist?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800317100


Frau Kollegin, noch einmal ganz deutlich: Wir neh-
men die Situation sehr ernst. Aber jetzt ist zunächst ein-
mal die Landesregierung Niedersachsen gefordert, hier
tätig zu werden. Ich gehe davon aus, dass das gemacht
wird. Wir haben klare Verteilungen, und wir werden na-
türlich mit dem Land Niedersachsen reden. Aber es wäre
falsch, wenn wir uns hier einmischen würden. Jetzt ist
Niedersachsen am Zug.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800317200

Herzlichen Dank. – Die nächste Frage hat noch ein-

mal der Kollege Lenkert, Fraktion Die Linke. Bitte.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800317300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär

Burgbacher, es droht die Insolvenz einer Firma, und die
Begleichung der Schäden droht auf die Steuerzahler zu-
rückzufallen. Nach Bundesberggesetz ist es möglich,
eine Verordnung zur Einrichtung eines Haftungsfonds zu
erlassen, in den jeder Bergwerksbetreiber vorsorglich
einzahlen muss, um in solchen Fällen Geldmittel zur
Verfügung zu haben.

Beabsichtigt die Bundesregierung in Anbetracht des
aktuellen Falles, eine solche Verordnung auf den Weg zu
bringen?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800317400


Ich schließe noch einmal an meine vorherige Antwort
an: Es wäre schlechter Stil, wenn ich sagen würde, was
eine künftige Bundesregierung beabsichtigt. Deshalb
bitte ich um Verständnis, dass ich das jetzt nicht tun
werde.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800317500

Recht herzlichen Dank. – Die Frage 6 des Kollegen

Koenigs wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir mit
diesem Komplex und dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie fertig.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
tes auf. Die Beantwortung übernimmt Frau Staatsminis-
terin Cornelia Pieper.

Die Fragen 7 und 8 des Kollegen Frithjof Schmidt,
die Frage 9 der Kollegin Katja Keul und die Frage 10
des Kollegen Omid Nouripour werden schriftlich beant-
wortet.





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Ich rufe die Frage 11, gestellt von der Kollegin
Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen, auf:

Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass von US-Stütz-
punkten in Deutschland keine Beteiligung an extralegalen
Hinrichtungen, die das Völkerrecht verletzen, erfolgt?

Bitte, Frau Staatsministerin.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800317600


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Abgeordnete
Brugger, ich antworte für die Bundesregierung wie folgt:
Nach NATO-Truppenstatut und Zusatzabkommen zum
NATO-Truppenstatut sind die amerikanischen Streit-
kräfte auf deutschem Staatsgebiet verpflichtet, deutsches
Recht zu achten. Als Entsendestaat müssen die Vereinig-
ten Staaten von Amerika die dafür erforderlichen Maß-
nahmen treffen. Die Bundesregierung wird natürlich
auch in Zukunft auf die Einhaltung der rechtlichen Rah-
menbedingungen für die amerikanischen Streitkräfte in
Deutschland achten. Auch zu diesem Themenbereich
steht die Bundesregierung in einem engen Dialog mit der
Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800317700

Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Mich würde interessieren – es gibt ja
viele Hinweise darauf; die ersten stammen aus dem Mai
und Juni dieses Jahres und waren wiederholt Gegenstand
verschiedener parlamentarischer Anfragen –, welche
Kenntnisse die Bundesregierung darüber hat, dass über
AFRICOM ein US-Stützpunkt maßgeblich an der
Durchführung von gezielten Tötungen durch Drohnen in
Afrika beteiligt ist.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800317800

Frau Staatsministerin, bitte.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800317900


Frau Abgeordnete, die Bundesregierung verfügt über
keine Erkenntnisse zu möglichen völkerrechtswidrigen
Handlungen durch Verbündete auf deutschem Boden.
Eine Stellungnahme zu hypothetischen Fragestellungen
gibt die Bundesregierung nicht ab. Sie wissen, dass es in
der Berichterstattung einiger Medien Hinweise darauf
gab. Eine Pflicht zur Einhaltung deutschen Rechts für
hier stationierte NATO-Truppen besteht, wie Sie wissen,
gemäß Art. II NATO-Truppenstatut. Für Taten, die nur
nach deutschem Recht strafbar sind, sind nach Art. VII
NATO-Truppenstatut deutsche Gerichte zuständig. Von
daher kann ich Ihnen dazu keine neuen Erkenntnisse der
Bundesregierung mitteilen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Habe ich das richtig verstanden: Auch angesichts der
zahlreichen belastbaren Hinweise, die es gibt, hat die
Bundesregierung beschlossen, hier nicht noch einmal tä-
tig zu werden und sich eigene Kenntnisse zu beschaffen?
Und nicht noch einmal nachzufragen und sich über die-
sen Tatbestand zu informieren, um festzustellen, ob hier
eventuell von Deutschland aus Völkerrecht gebrochen
wird?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800318000


Frau Abgeordnete, ich kann nur wiederholen, dass der
Bundesregierung keine neuen Erkenntnisse zu mögli-
chen völkerrechtswidrigen Handlungen vorliegen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800318100

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin Hänsel von der

Linken und dann Frau Kollegin Keul von der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Frau Hänsel, bitte.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800318200

Danke. – Ich habe auch noch eine Nachfrage; denn

wir hatten dazu schon im Juni dieses Jahres eine Kleine
Anfrage gestellt. Damals gab es ja die ersten Berichte
bezüglich eines geheimen US-Drohnenkrieges, unter an-
derem von AFRICOM und Ramstein aus. Sie antworte-
ten für die Bundesregierung darauf, dass dies gegenüber
dem US-Präsidenten und dem US-Außenminister ange-
sprochen worden sei und Sie keinen Grund zu der An-
nahme hätten, dass durch in Deutschland stationierte
US-Streitkräfte deutsches Recht oder Völkerrecht ver-
letzt werde. Dann muss es doch zwischen den Regierun-
gen der USA und Deutschland Thema gewesen sein.

Deswegen meine Frage: Von wem haben Sie eine
Antwort bekommen? Wen haben Sie da konkret ange-
sprochen? Gibt es darauf noch einmal eine Reaktion von
Ihrer Seite? Denn es gibt ja neue Berichte vom Novem-
ber über diesen Drohnenkrieg.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800318300


Frau Abgeordnete, natürlich hat die Bundesregierung,
insbesondere der Außenminister, Herr Dr. Westerwelle,
dies auch im Interesse des Parlaments – wir nehmen Ihre
Anfragen sehr ernst – gegenüber Außenminister Kerry
und dem amerikanischen Präsidenten Obama ins Ge-
spräch gebracht. Uns ist von beiden Seiten zugesichert
worden, dass es an US-Stützpunkten in Deutschland
keine völkerrechtswidrige Beteiligung an extralegalen
Hinrichtungen gibt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800318400

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin Keul hat die

nächste Frage.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800318500

Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, wie kann es

denn sein, dass der Generalbundesanwalt ermittelt, wenn
Sie keinerlei Anhaltspunkte für derartige Geschehnisse
haben? Hat er möglicherweise Erkenntnisse, die die
Bundesregierung nicht hat? Wie gedenken Sie diese
Lücke zu schließen?






(A) (C)



(D)(B)

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800318600


In der Tat prüft der Generalbundesanwalt derzeit im
Rahmen eines Beobachtungsvorganges, ob hinreichende
Anhaltspunkte für eine in seine Zuständigkeit fallende
Straftat vorliegen. Weiter gehende Erkenntnisse haben
wir dazu nicht.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800318700

Schönen Dank. – Herr van Aken, Fraktion Die Linke,

hat die nächste Frage. Danach kommen Herr Liebich
und Herr Beck. – Bitte.


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800318800

Vielen Dank. – Frau Pieper, Sie haben jetzt einfach

geantwortet: Es liegen Ihnen keine Hinweise auf völker-
rechtswidrige Handlungen vor. Insofern stellt sich die
Frage: Was ist für Sie denn völkerrechtswidrig? Ich
frage ganz konkret: Liegen Ihnen unabhängig vom Be-
griff „völkerrechtswidrig“ – egal wie Sie es rechtlich
einschätzen – Hinweise darauf vor, dass von amerikani-
schen Stützpunkten auf deutschem Boden aus bewaff-
nete Drohnen anderswo in der Welt gesteuert werden? Ja
oder nein?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800318900


Herr Abgeordneter, ich kann es nur immer wiederho-
len: Uns liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Sie wissen:
Diese Vorgänge können nur in Einzelfallprüfungen völ-
kerrechtlich bewertet werden. Diese würde die Bundes-
regierung gegebenenfalls vornehmen. Aber uns liegen
keine neuen Erkenntnisse vor.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800319000

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Liebich, Frak-

tion Die Linke.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800319100

Frau Staatsministerin, trifft es zu, dass eine Institution

der Bundesregierung, nämlich die sogenannte Haupt-
stelle für Befragungswesen, Asylbewerberinnen und
Asylbewerber in Deutschland befragt hat, um Erkennt-
nisse zum Zielerfassungssystem für Drohneneinsätze zu
gewinnen?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800319200


Das trifft nicht zu, Herr Abgeordneter.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800319300

Danke schön. – Die nächste Frage stellt der Kollege

Beck, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800319400

Frau Staatsministerin, Sie nehmen für die Bundere-

gierung in Anspruch, bislang nichts über diese Vorgänge
zu wissen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute über
einen Fall in Somalia, in dem der Vater eines Menschen,
den die Süddeutsche Zeitung als Salman Abdullahi
bezeichnet, im Februar 2012 durch Drohnen getötet
worden sein soll. Der Artikel legt nahe, dass die „kill
chain“ bis in die AFRICOM-Einheit in Deutschland
hineinreicht.

Hat die Bundesregierung die Absicht, diesem Fall
nachzugehen, also sowohl mit den dort genannten Quellen
zu reden als auch nachzuforschen, was der AFRICOM-
Verbindungsoffizier der Bundeswehr über diese Fragen
weiß, dessen Aufgabe die Sicherstellung des Informa-
tionsaustausches einschließlich der Pflege der bestehen-
den Informationsbeziehungen ist? Wenn Sie nichts da-
rüber wissen, sollten Sie Ihrem Unwissen in gewisser
Weise in Eigeninitiative abhelfen.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800319500


Herr Abgeordneter, in den Medien sind des Öfteren
Berichte über Drohneneinsätze, die scheinbar stattge-
funden haben, zu verzeichnen. Das ARD-Magazin
Panorama und die Süddeutsche Zeitung haben sich
mehrmals veranlasst gesehen, darüber zu berichten.
Natürlich nimmt man das ernst. Aber ich kann Ihnen nur
sagen: Der Bundesregierung liegen keine eigenen gesi-
cherten Erkenntnisse


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte gefragt, ob Sie das zum Anlass nehmen, dem nachzugehen!)


zu den von US-Streitkräften in der Bundesrepublik
Deutschland geplanten oder durchgeführten Einsätzen
vor.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es bringt nichts, wenn Sie einen Sprechzettel ablesen, der entstanden ist, als Sie meine Frage noch gar nicht kannten!)


Ein regelmäßiger Informationsaustausch bezüglich der
laufenden Aktivitäten der US-Streitkräfte in Deutsch-
land findet nicht statt. Die Bundesregierung wird auch
nicht über alle Einsätze und Aktivitäten der genannten
US-Kommandos und -Einrichtungen informiert.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800319600

Frau Kollegin Kotting-Uhl von Bündnis 90/Die Grü-

nen stellt die nächste Frage zu dieser Thematik, danach
Herr Kollege Ströbele, ebenfalls Bündnis 90/Die Grü-
nen. Bitte schön, Frau Kotting-Uhl.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800319700

Frau Staatsministerin, im Zusammenhang mit der Be-

antwortung der Frage von Frau Brugger war viel von
Völkerrecht die Rede. Ich würde sie gerne mit unserem
Grundgesetz in Zusammenhang bringen.

Unser Grundgesetz kennt keine Todesstrafe. Wenn
der Verdacht besteht, dass von deutschem Boden aus
gezielte Hinrichtungen stattfinden, ist das für Sie nicht
Anlass genug, anders nachzufragen bzw. sich anders zu
informieren, ob so etwas tatsächlich stattfindet, als es
Ihre Antworten hier suggerieren?






(A) (C)



(D)(B)

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800319800


Ich kann Ihnen nur noch einmal versichern, Frau Ab-
geordnete, dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse
über extralegale Hinrichtungen vorliegen.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal nach!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800319900

Die nächste Frage stellt der Kollege Ströbele, Bünd-

nis 90/Die Grünen. Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke. – Frau Staatsministerin, ich habe dazu eine
sehr naheliegende Frage. AFRICOM heißt eine der
Kommandozentralen in Deutschland, in Stuttgart. Nun
liegt Deutschland ja nicht in Afrika, sondern Afrika ist
ein eigener Kontinent. Welche Erklärung hat eigentlich
die Bundesregierung dafür, dass eine Kommandozen-
trale, die für Afrika zuständig ist, ausgerechnet in
Deutschland, in Stuttgart, stationiert sein muss? Welche
Erklärung haben Sie – also nicht Sie persönlich, sondern
die Bundesregierung – dafür von den US-Behörden be-
kommen?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800320000


Herr Abgeordneter Ströbele, Sie wissen: AFRICOM
in Stuttgart ist eines von sechs regionalen Hauptquartie-
ren des US-Verteidigungsministeriums. Auftrag von
AFRICOM ist die Koordinierung der Aktivitäten des
US-Verteidigungsministeriums und anderer US-Ministe-
rien und -Behörden in Afrika. Die Aufstellung von
AFRICOM begann im Oktober 2007, also zu Zeiten der
vorletzten Bundesregierung, allerdings auch unter der
Ägide von U.S. EUCOM. Am 1. Oktober 2008 wurde es
dann als eigenständiges Kommando in Dienst gestellt.
AFRICOM verfügt derzeit über insgesamt 2 000 Dienst-
posten, die etwa zur Hälfte militärisch bzw. zivil besetzt
sind.

Sie sagten schon: Das Hauptquartier ist in Stuttgart.
Es war anfangs als Übergangsstandort vorgesehen. Im
Februar 2013 wurde uns bekannt, dass das Kommando
dort dauerhaft stationiert bleiben soll. Es gab Anfragen
bezüglich des Umzugs auf den afrikanischen Kontinent,
der aber von den meisten afrikanischen Staaten abge-
lehnt wurde.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, warum wohl?)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800320100

Herzlichen Dank. – Die nächste Frage stellt der

Kollege Ebner von Bündnis 90/Die Grünen, danach der
Kollege Dr. Neu von der Fraktion Die Linke. Kollegen
Liebich möchte ich darauf hinweisen, dass er sein Nach-
fragerecht ausgeschöpft hat, weil er schon eine Frage ge-
stellt hat. Sie sind lange dabei und werden sich an das
Verfahren wieder erinnern. Es sollen ja möglichst viele
Kolleginnen und Kollegen eine Frage stellen können. –
Herr Ebner, bitte.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800320200

Danke, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, ich

möchte auf die Nachfrage des Kollegen Beck zurück-
kommen, die Sie nicht beantwortet haben. Ich möchte
aber dringend darum bitten, dass Sie diese ernsthaft be-
antworten. Es geht um die Frage: Was macht die Bun-
desregierung, um den soeben geschilderten Fall, über
den heute in den Medien berichtet wurde, aufzuklären?
Geht die Bundesregierung dieser Sache überhaupt nach?
Ich denke, darauf sollten wir eine Antwort bekommen. –
Danke schön.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800320300


Herr Abgeordneter, natürlich wird die Bundesregie-
rung in Gesprächen mit den amerikanischen Regierungs-
behörden dem noch einmal nachgehen, aber ich kann
Ihnen nochmals versichern: Uns liegen keine neuen Er-
kenntnisse zu diesen Fällen vor.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800320400

Kollege Dr. Neu, Fraktion Die Linke.


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800320500

Frau Staatsministerin Pieper, Sie hatten darauf hinge-

wiesen, dass die meisten afrikanischen Staaten eine
Stationierung von AFRICOM auf ihren Territorien
abgelehnt haben. Mit welcher Motivation haben Sie die
Stationierung von AFRICOM auf deutschem Territo-
rium zugelassen, und gab es seitens afrikanischer Staa-
ten Proteste gegenüber der Bundesregierung aufgrund
der Stationierung von AFRICOM auf deutschem Territo-
rium?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800320600


Zum letzten Teil Ihrer Frage: Mir sind seitens der afri-
kanischen Staaten keinerlei Proteste bekannt. Zum ersten
Teil Ihrer Frage: Ich darf Sie daran erinnern, dass diese
Entscheidung zu Zeiten der vorletzten Bundesregierung
getroffen worden ist. Die Entscheidung damals im
Kabinett haben der damalige Außenminister und für das
Verteidigungsministerium der Staatssekretär getroffen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800320700

Herzlichen Dank. – Wir bleiben beim Thema

AFRICOM. Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten
Uwe Kekeritz auf:

Warum wurde der Deutsche Bundestag – vergleiche die
am 15. November 2013 erschienene Publikation Geheimer
Krieg der Journalisten Christian Fuchs und John Goetz,
Seite 30 bis 36 – nicht mit der 2007 getroffenen Entscheidung
über die Ansiedlung des US-Afrikakommandos – AFRICOM –
in Deutschland befasst, und welche Mitglieder der Bundes-
regierung, einschließlich Staatssekretärinnen/-sekretäre, ha-
ben diese Entscheidung getroffen – bitte mit jeweiliger Be-
gründung?





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Ich bitte Frau Staatsministerin Pieper um die Beant-
wortung der Frage.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800320800


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter,
wir bleiben bei dem Themenfeld. Bis zur Einrichtung
des regionalen US-amerikanischen Afrikakommandos,
AFRICOM, im Jahr 2007 war das in Stuttgart angesie-
delte amerikanische Europäische Kommando EUCOM
in der damaligen amerikanischen Streitkräftestruktur
auch für Afrika zuständig. Die Regierung der Vereinig-
ten Staaten von Amerika hat die Bundesregierung am
15. Januar 2007 über ihre organisatorische Maßnahme
unterrichtet, die entsprechende Zuständigkeit aus
EUCOM herauszulösen, ein neues, für Afrika zuständi-
ges regionales Militärkommando AFRICOM zu schaf-
fen und bis auf Weiteres ebenfalls in Stuttgart anzusie-
deln. Für Stuttgart sprach aus amerikanischer Sicht vor
allem, dass so die vorhandene Infrastruktur genutzt wer-
den konnte.

Ich will noch einmal bekräftigen: Die damalige Bun-
desregierung, also das Auswärtige Amt und das Bundes-
ministerium der Verteidigung, sah im Januar 2007 kei-
nen Anlass, die Zustimmung zur Einrichtung von
AFRICOM auf dieser Grundlage zu verweigern. Gleich-
falls sah die Bundesregierung aus den vorgenannten
Gründen keinen Anlass, den Deutschen Bundestag mit
dieser Entscheidung, die sie im Rahmen ihrer exekutiven
Eigenverantwortung getroffen hat, zu befassen. Wenn
ich mich recht entsinne, hatten wir 2007 eine Große Ko-
alition.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800320900

Möchten Sie eine Nachfrage stellen, Herr Kollege

Kekeritz?


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800321000

Aber sicher doch.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800321100

Bitte.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800321200

Die Nachfrage erübrigt sich eigentlich, weil ich die

Antwort schon weiß: Es gibt keine Erkenntnisse. Aber
ich bin über Ihre Flexibilität sehr erstaunt. Sie haben
jetzt viermal geantwortet: Es gibt keine Erkenntnisse.
Dann haben Sie gesagt: Es gibt keine gesicherten Er-
kenntnisse. Dann sagten Sie: Es gibt keine neuen Er-
kenntnisse. – Was ist denn nun richtig: Sie haben keine
gesicherten Erkenntnisse? Sie haben Erkenntnisse? Ich
verstehe nicht, warum Sie die Erkenntnisse nicht haben,
obwohl doch allgemein bekannt ist – das steht in den
USA in den Blättern und wurde von der US-amerikani-
schen Regierung nie dementiert –, dass die Einrichtun-
gen in der Bundesrepublik Deutschland notwendig sind,
um solche Drohneneinsätze überhaupt fliegen zu kön-
nen. Warum sagen Sie hier, dass Sie keine Erkenntnisse
haben, obwohl das im Blätterwald nachzulesen ist und
von der US-amerikanischen Regierung nicht dementiert
wird? Was wollen Sie tun, um dieses Defizit zu beseiti-
gen?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800321300


Alle drei Formen der Erkenntnisse, die wir nicht ha-
ben, sind gültig und richtig.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann im Deutschen Bundestag auch nicht für die
amerikanischen Medien sprechen, Herr Abgeordneter.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800321400

Ich hoffe jetzt, das falsch verstanden zu haben; denn

das, was ich eben verstanden habe, ist: All die Erkennt-
nisse, die nicht vorliegen, sind richtig.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gestatten Sie mir, dies als Zynismus zu qualifizieren. –
Danke schön.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800321500


Herr Abgeordneter, ich kann auf die Fragen, die Sie
immer wieder gleich stellen, nur die gleiche Antwort ge-
ben.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hören die Frage doch gar nicht an!)


Wenn Sie diese anzweifeln, ist dies Ihr gutes Recht.
Aber ich glaube, Herr Präsident, es ist mein gutes Recht,
für die Bundesregierung die Antwort zu geben, die rich-
tig und auch gültig ist. Sie können davon ausgehen, dass
wir keine weiteren Erkenntnisse bisher haben.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: The answer fits for all!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800321600

Ich finde, wir können alle entspannt bleiben. Es gibt

noch weitere Fragen dazu, sodass das Thema sicherlich
noch vertieft behandelt wird. – Kollege Liebich von der
Fraktion Die Linke, danach Frau Kollegin Hänsel, eben-
falls von der Fraktion Die Linke. – Bitte schön, Kollege
Liebich.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800321700

Frau Staatsministerin Pieper, Sie haben vorhin auf

meine Frage gesagt, dass die sogenannte Hauptstelle für
das Befragungswesen keine Befragungen für dieses Ziel-
erfassungssystem von AFRICOM durchführen würde.
Nun hat uns aber die Bundesregierung auf unsere An-
frage hin bestätigt, dass Befragungen von Asylbewerbe-
rinnen und Asylbewerbern durch die Hauptstelle für das
Befragungswesen durchgeführt werden. Mich würde in-
teressieren, mit welchem Ziel eine Geheimdienstinstitu-
tion der Bundesrepublik Deutschland Schutzsuchende
hier in Deutschland befragt.






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800321800

Frau Staatsministerin.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800321900


Die Erkenntnisse, die Ihnen vorliegen, liegen dem
Auswärtigen Amt so nicht vor.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800322000

Danke schön. – Frau Kollegin Hänsel von der Frak-

tion Die Linke. Bitte schön.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800322100

Frau Staatsministerin, es geht immer wieder um die

nicht vorliegenden Erkenntnisse der Bundesregierung.
Deshalb lautet meine Frage: Werden Sie heute Abend ab
21.45 Uhr die Sendungen in der ARD zum geheimen
Krieg, zu den US-Spezialeinheiten von AFRICOM, die
in Deutschland stationiert sind, und zu den US-Drohnen-
angriffen anschauen, um Ihre Erkenntnisse zu vertiefen?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800322200

Die Frage ist ungewöhnlich, aber wir bitten die

Staatsministerin, trotzdem darauf zu antworten.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800322300


Ich weiß die Informationsberichte der uns bekannten
Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten sehr zu
schätzen. Heute Abend habe ich jedoch andere Ver-
pflichtungen. Aber ich werde es mir dann gerne in der
Mediathek des entsprechenden Senders ansehen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800322400

Herzlichen Dank. – Die Fragen 13 und 14 der Kolle-

gin Franziska Brantner werden schriftlich beantwortet.

Damit kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen:

Ist die Bundesregierung bereit und willens, dem Bundes-
tag all ihre völkerrechtlichen Vereinbarungen, bi- und multila-
teralen Abkommen nebst zugehöriger Protokolle, Verbalno-
ten, Verwaltungsvereinbarungen und Ähnliches mit den
ehemals westalliierten Stationierungsstaaten sowie zwischen
deutschen und deren Sicherheits- und Militärdienststellen
über deren Tun in oder bezüglich Deutschland kurzfristig zur
Überprüfung zugänglich zu machen – unter Angabe aller
deutschen Rechtsnormen –, welche unter Umständen die Ent-
sendestaaten nebst militärischem sowie zivilem Gefolge auf
deutschem Boden von uneingeschränkter Beachtung deut-
schen Rechts oder dessen Kontrolle befreien, und teilt die

(sowie die von Dieter Deiseroth, ZRP 2013, Seite 194 ff.)

die Entsendestaaten nebst militärischem sowie zivilem Ge-
folge auf deutschem Boden ihre Privilegien nicht zu mögli-
chen Kriegshandlungen und Geheimdienstausspähung miss-
brauchen, sondern uneingeschränkt deutsches Recht beachten
und dies überall kontrollieren lassen – kurzfristig ihr Kündi-
gungsrecht nutzen sollte bezüglich des letzteren – nach Auf-
fassung des oben genannten Bundesverwaltungsrichters
Dieter Deiseroth – entgegenstehenden Deutschland- und Auf-
enthaltsvertrags sowie des NATO-Truppenstatuts nebst
Zusatzabkommen aus den 50er-Jahren, womit die Bundesre-
gierung unter anderem die Einsetzung des US-Militärkom-

(SZ-online vom 17. Mai 2010)


Frau Staatsministerin Pieper, bitte.
C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800322500


Herr Abgeordneter Ströbele, die völkerrechtlichen
Übereinkünfte der Bundesrepublik Deutschland sind im
Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht und damit allge-
mein zugänglich. Soweit sie dem Geheimschutz unter-
liegen, gelten, wie Sie wissen, die entsprechenden Rege-
lungen. Die genannten internationalen Verträge bieten
keine Rechtsgrundlage für die in Medienberichten be-
haupteten Vorgänge. Eine Kündigung und Neuverhand-
lung dieser Verträge wäre daher weder geeignet noch er-
forderlich, um Maßnahmen im Sinne Ihrer Fragestellung
zu ergreifen. Dies wäre auch außen- und sicherheitspoli-
tisch in keiner Weise wünschenswert.

Die Bundesregierung teilt daher nicht Ihre in der Fra-
gestellung zum Ausdruck kommende Auffassung. Viel-
mehr erwartet die Bundesregierung, dass die Entsende-
staaten auf deutschem Boden deutsches Recht einhalten.
Dies hat die Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika der Bundesregierung zugesichert, wie ich auch
schon bei der Beantwortung der vorhergehenden Fragen
erwähnte. Die Bundesregierung steht hierzu weiterhin in
intensivem Kontakt mit der Regierung der Vereinigten
Staaten von Amerika.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800322600

Herr Kollege Ströbele, Sie schauen so, als wollten Sie

eine Zusatzfrage stellen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da haben Sie vollkommen recht, Herr Präsident. –
Frau Staatsministerin, mir ist auch bekannt, dass die
USA immer wieder betonen und gerade im Zusammen-
hang mit der NSA-Spionageaffäre immer wieder betont
haben, dass sie in Deutschland deutsches Recht und Ge-
setz einhalten. Haben Sie nicht mit mir daran Zweifel,
dass sie das tatsächlich tun, oder können Sie mir eine
Bestimmung nach deutschem Recht oder Gesetz nennen,
die es zulässt, die Kanzlerin der Bundesrepublik
Deutschland durch einen US-Geheimdienst abzuhören?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800322700


Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat mit dem
Acht-Punkte-Programm der Bundeskanzlerin für einen
besseren Schutz der Privatsphäre sofort reagiert. So wur-
den im August 2013 durch das Auswärtige Amt zum
Beispiel die Verwaltungsvereinbarungen von 1968/69
mit der Französischen Republik, dem Vereinigten Kö-
nigreich Großbritannien und Nordirland und den Verei-
nigten Staaten von Amerika im gegenseitigen Einver-
nehmen aufgehoben. Ich denke, das ist ein Zeichen
dafür, dass wir gehandelt haben.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800322800

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Ströbele. Bitte

schön.






(A) (C)



(D)(B)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Staatsministerin, Sie beantworten beharrlich
meine Fragen nicht, sondern lesen etwas ab, das auf Ih-
rem Zettel steht. Ich frage Sie noch einmal ganz konkret:
Können Sie nach dem, was ich in meiner ersten Frage
dargestellt habe, bestätigen, dass die US-Regierung ge-
genüber der deutschen Bundesregierung die Unwahrheit
gesagt hat, wenn sie behauptet hat, dass die NSA, also
der militärische Geheimdienst der Vereinigten Staaten
von Nordamerika, in Deutschland Gesetz und Recht ach-
tet, weil es in Deutschland kein Gesetz und kein Recht
gibt, das es zulässt, die Bundeskanzlerin bzw. ihr Handy
abzuhören?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800322900


Die amerikanischen Regierungsvertreter, die ich
schon nannte, bis hin zum Präsidenten haben uns zugesi-
chert, dass deutsches Recht eingehalten wird. Sie wis-
sen, dass die Durchsetzung des deutschen Rechts, auch
Strafrechts, insbesondere den Strafverfolgungsbehörden
und den deutschen Gerichten obliegt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800323000

Eine weitere Frage wird von der Kollegin Keul,

Bündnis 90/Die Grünen, angemeldet. Bitte schön.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800323100

Frau Staatsministerin, es steht ja außer Frage, dass in

der Vergangenheit das Handy der Kanzlerin abgehört
wurde. Sind wir uns beide darüber einig, dass dies gegen
deutsches Recht verstößt?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800323200


In der Tat hat die Bundesregierung natürlich auch ge-
genüber den amerikanischen Regierungsvertretern bis
hin zum Präsidenten – das konnten Sie in den Medien
verfolgen – ihre Verwunderung zum Ausdruck gebracht.


(Petra Pau [DIE LINKE]: „Verwunderung“!)


Wir arbeiten, wie Sie wissen, an internationalen Daten-
schutzabkommen. Ich glaube, das ist auch der richtige
Weg. Man sollte nicht auf Verunsicherung und hypothe-
tische Behauptungen setzen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800323300

Herzlichen Dank. – Frau Kollegin Hänsel, Fraktion

Die Linke, stellt eine Zusatzfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800323400

Danke schön. – Frau Staatsministerin, im Zusammen-

hang mit dem Skandal, dass das Handy der Kanzlerin
abgehört wurde, gab es auch Berichte, unter anderem im
Spiegel, über eine mögliche Abhörzentrale oder -anlage
auf dem Dach der US-Botschaft, 200 Meter Luftlinie
von uns entfernt. Meine Frage: Hat die Bundesregierung
oder haben Strafverfolgungsbehörden schon versucht,
sich Zugang zu dieser Abhöranlage zu verschaffen?
Wenn ja, wie war die Reaktion der US-Botschaft? War
es möglich, sie zu besichtigen? Wenn nein, weshalb
nicht?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800323500


Frau Abgeordnete, wie wahrscheinlich auch Sie wis-
sen, folgen solchen Dingen, die öffentlich sind und in
den Medien stehen, Untersuchungen des Bundesverfas-
sungsschutzes. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass
Fragen der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit im
Parlamentarischen Kontrollgremium behandelt werden
und nicht öffentlich hier im Bundestag.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800323600

Herzlichen Dank.

Wir kommen damit zur Frage 16, ebenfalls von der
Kollegin Hänsel, Die Linke:

In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung den bereits
mehrfach gemachten Anschuldigungen von NDR und Süd-

(zuletzt am 14. November 2013)

stein aus US-Drohneneinsätze zur gezielten Tötung von Men-
schen in Afrika, zum Beispiel in Somalia und im Nahen Os-
ten, gesteuert und koordiniert werden?

Frau Staatsministerin.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800323700


Liebe Frau Hänsel, eigene gesicherte Erkenntnisse zu
von US-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland
angeblich geplanten oder geführten Drohneneinsätzen
liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregie-
rung steht jedoch auch hierzu mit den US-amerikani-
schen Partnern in einem kontinuierlichen Dialog. So hat
der amerikanische Außenminister John Kerry am
31. Mai 2013 dem Bundesminister des Auswärtigen
Dr. Guido Westerwelle versichert, dass jedwedes Han-
deln der Vereinigten Staaten von Amerika, auch von
deutschem Staatsgebiet aus, streng nach den Regeln des
Rechts erfolgt. Im Nachgang zum Deutschland-Besuch
von US-Präsident Barack Obama bestätigte die amerika-
nische Regierung, dass von US-Einrichtungen in
Deutschland bewaffnete Drohneneinsätze weder geflo-
gen noch befehligt werden.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800323800

Eine Nachfrage dazu? – Bitte schön.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800323900

Danke schön. – Frau Staatsministerin, in der Stuttgar-

ter Zeitung vom 19. November 2013 war ein Interview
mit den Journalisten, die diese US-Drohnenangriffe öf-
fentlich gemacht haben, zu lesen, unter anderem mit
Christian Fuchs. Er sagte in diesem Interview, dass laut
internen Unterlagen des US-Verteidigungsministeriums
solche Drohnenangriffe spätestens seit dem Jahr 2011
von Stuttgart aus koordiniert werden und nicht mehr die
CIA, sondern das Militär zuständig ist. Meine Frage: Ha-
ben Sie Interesse an diesen US-Unterlagen, die den Jour-
nalisten wohl vorliegen? Bemühen Sie sich darum, Ein-
sicht in diese Unterlagen zu bekommen?






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800324000

Frau Staatsministerin.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800324100


Sicher haben wir daran Interesse. Aber ich kann Ihnen
nur noch einmal versichern, Frau Abgeordnete, dass die
Bundesregierung ihre Erkenntnisse nicht auf Behauptun-
gen in Medienberichten und Interviews stützt.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sondern auf?)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800324200

Ich habe eine weitere Nachfrage. In diesem Interview

sagt der Journalist Christian Fuchs, dass er im Rahmen
seiner Ermittlungen bezüglich der NSA-Einrichtungen
auf diesen US-Militärbasen, unter anderem in Ramstein,
einen Anruf von der deutschen Polizei erhalten hat. Am
Ende des Gesprächs sei der Satz gefallen: „Passen Sie
auf, was Sie tun. In Guantánamo ist immer noch ein
Platz frei.“ Wie würden Sie solch einen Kommentar be-
werten?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800324300


Sie stellen hier schwerwiegende Vorwürfe in den
Raum. – Dazu liegen der Bundesregierung keine Er-
kenntnisse vor; aber wir sind gern bereit, dem nachzuge-
hen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800324400

Recht herzlichen Dank!

Die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Andrej
Hunko werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen damit zu Frage 19 der Abgeordneten
Inge Höger, Fraktion Die Linke:

Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung in den
letzten sechs Monaten unternommen, damit die auf 2013 ver-
schobene internationale Konferenz für eine massenvernich-
tungswaffenfreie Zone Naher und Mittlerer Osten zeitnah
stattfinden kann, und inwiefern hat sie versucht, ihren Bünd-
nispartner Israel zur Teilnahme zu bewegen?

Frau Staatsministerin Pieper, bitte.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800324500


Liebe Frau Abgeordnete Höger, die Bundesregierung
hat die Verschiebung der Helsinki-Konferenz zur Errich-
tung einer von Massenvernichtungswaffen und Träger-
mitteln freien Zone im Nahen und Mittleren Osten ohne
Nennung eines neuen Termins sehr bedauert. Aus Sicht
der Bundesregierung sollte die Konferenz möglichst
noch vor der dritten und letzten Vorbereitungssitzung im
Überprüfungszyklus des Nuklearen Nichtverbreitungs-
vertrages im Frühjahr 2014 abgehalten werden.

Die Einigung auf diese Konferenz war ein wichtiges
Element bei der Verständigung auf ein Schlussdokument
bei der Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtver-
breitungsvertrages 2010. Gemäß dem Schlussdokument
von 2010 sind die Staaten dazu aufgerufen, ohne Druck
von außen die Modalitäten des Prozesses selbst festzule-
gen. In enger Abstimmung mit dem Vermittler Jaakko
Laajava, den Ausrichtern sowie den EU-Partnern setzt
sich die Bundesregierung in bi- und multilateralen Ge-
sprächen mit den betroffenen Staaten aus der Region für
eine breite Teilnahme an dem Vorbereitungsprozess und
der Konferenz selbst ein.

Der Staat Israel ist nicht Mitglied des Nuklearen
Nichtverbreitungsvertrages. Bei ihren Gesprächen mit
israelischen Vertretern weist die Bundesregierung darauf
hin, dass eine erfolgreiche Konferenz den Nuklearen
Nichtverbreitungsvertrag stärken würde – wovon dann
natürlich auch Israel profitierte. Dementsprechend wirbt
die Bundesregierung aktiv für eine Teilnahme Israels an
der Helsinki-Konferenz sowie weiterhin für den Beitritt
Israels zum Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag als
Nichtnuklearwaffenstaat.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800324600

Herzlichen Dank. – Eine Nachfrage, Frau Abgeord-

nete Höger?


Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800324700

Vielen Dank. – Frau Staatsministerin Pieper, ich

würde gerne noch wissen, ob Sie Erkenntnisse haben,
warum diese Konferenz in Helsinki 2012, die ja schon
anberaumt war, im Gegensatz zu dem Beschluss der
Überprüfungskonferenz von 2010 nicht zustande ge-
kommen ist. Sie haben gesagt, Sie wünschen sich, dass
sie bis Mai 2014 zustande kommt. Das ist nicht mehr
lange hin. Was unternimmt die Bundesregierung, um ein
schnellstmögliches Zustandekommen der Konferenz zu
erreichen?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800324800


Ich will vielleicht noch einmal erwähnen, dass für
eine erfolgreiche Konferenz eine Dialog- und Kompro-
missbereitschaft auf allen Seiten erforderlich ist. Nur
dann kann die Konferenz der Auftakt zu einem Prozess
werden, der zu mehr Vertrauen zwischen den einzelnen
Akteuren und damit auch zu mehr Sicherheit in der Re-
gion sowie längerfristig auch zur Einrichtung einer mas-
senvernichtungswaffenfreien Zone führt. Die Bundes-
regierung wird natürlich weiterhin in Gesprächen auch
mit den Partnern, insbesondere mit der israelischen Re-
gierung, auf eine erfolgreiche Konferenz hinwirken.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800324900

Herzlichen Dank. – Frau Höger, Sie haben noch eine

zweite Nachfrage.


Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800325000

Frau Pieper, sehen Sie in den Ergebnissen des Ab-

kommens mit dem Iran eine Chance für das Zustande-
kommen einer Konferenz für eine massenvernichtungs-
waffenfreie Zone im Nahen Osten?






(A) (C)



(D)(B)

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800325100


Die Ergebnisse der Gespräche mit dem Iran sind,
wenn auch ein erster wichtiger Schritt, sicher noch ein
kleines und junges Pflänzchen. Natürlich werden auch
sie dazu beitragen, dass wir dem Ziel, im Nahen und
Mittleren Osten eine massenvernichtungswaffenfreie
Zone einzurichten, näher kommen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800325200

Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Wolfgang

Gehrcke sowie die Frage 22 des Abgeordneten Manuel
Sarrazin werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Marieluise Beck,
Bündnis 90/Die Grünen, auf:

Wie sieht die Bundesregierung vor dem Vilnius-Gipfel die
Perspektive für die Östliche Partnerschaft angesichts der Tat-
sache, dass die Ukraine die Vorbereitung zur Unterzeichnung
des Assoziierungsabkommens mit der EU per präsidialem De-
kret gestoppt hat, das fast vollständig ausgehandelte Abkom-
men mit Armenien wegen der Entscheidung des Landes für
einen Beitritt zur Zollunion mit Russland, Belarus und Ka-
sachstan nicht mehr paraphiert werden kann und Aserbaid-
schan und Belarus derzeit die Voraussetzungen für eine Ver-

(vergleiche www.auswaertiges-amt.de)


Bitte, Frau Staatsministerin.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800325300


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Abgeordnete
Beck, das ist eine sehr aktuelle Frage, weil der Gipfel zur
Östlichen Partnerschaft, wie wir wissen, morgen stattfin-
det.

Die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union
ist und bleibt ein Instrument europäischer Politik, das
unseren osteuropäischen Nachbarn eine völlig neue Qua-
lität der Annäherung an die EU bietet. Dass dieses In-
strument weiterhin attraktiv bleibt, zeigt sich auch daran,
dass neben der Republik Moldau und Georgien auch die
Ukraine, die Republik Armenien, die Republik Aserbai-
dschan und die Republik Belarus ihr großes Interesse an
einer fortgesetzten Zusammenarbeit auch weiterhin be-
kundet haben.

Es bleibt im strategischen Interesse Deutschlands und
der Europäischen Union, die Weiterentwicklung der
Länder der Östlichen Partnerschaft in Richtung Demo-
kratie, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung
zu befördern und die wirtschaftliche Entwicklung dieser
Länder zu stärken.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800325400

Zu einer Zusatzfrage Frau Kollegin Beck, bitte.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Staatsministerin, die Bundeskanzlerin hat in ih-
rer Regierungserklärung explizit gesagt, dass die Östli-
che Partnerschaft keine Beitrittsperspektive eröffnen
soll. Teilt das Auswärtige Amt diese Einschätzung, und
kann die Bundeskanzlerin vor diesem Hintergrund tat-
sächlich von einem erfolgreichen Instrumentarium spre-
chen? Ich frage dies insbesondere aufgrund der Tatsa-
che, dass Länder wie Belarus und Armenien ganz
eindeutig in die Eurasische Union streben bzw. schon in
ihr sind, dass die Situation mit Blick auf die Ukraine
jetzt festgefahren ist, dass Aserbaidschan in keiner
Weise demokratischen oder rechtsstaatlichen Kriterien
genügt und dass Moldawien quasi einen Frozen Conflict
im eigenen Land hat, sodass wir eher vor einer Destabili-
sierung des gesamten östlichen europäischen Raums
Sorge haben müssen.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800325500


Frau Abgeordnete, ich kann Ihre Besorgnis verstehen
und auch nachvollziehen. Ich glaube aber, dass wir ein
Interesse daran haben müssen, dass die Östliche Partner-
schaft zu einem Erfolg der europäischen Transforma-
tionspolitik wird, und das ist auch das Bestreben der
Bundesregierung.

In der Tat steht eine EU-Beitrittsperspektive bei der
Östlichen Partnerschaft nicht auf der Agenda, wie die
Bundeskanzlerin das in ihrer Regierungserklärung auch
geäußert hat. Sie wissen aber auch, dass sich auf der Ba-
sis des Prinzips „More for more“ auch noch ganz andere
ambitionierte Möglichkeiten für die Partner in der Östli-
chen Partnerschaft zur Annäherung an die EU bieten.

Ich will hier nur einmal erwähnen, dass neben den
Assoziierungsabkommen, die ja zumindest mit Georgien
und Moldau erfolgreich paraphiert werden, auch ein Vi-
sumserleichterungsabkommen mit der Republik Aser-
baidschan abgeschlossen werden wird, und natürlich
steht auch der Ukraine auf der Konferenz in Vilnius wei-
terhin die Tür offen, das Assoziierungsabkommen zu un-
terschreiben, woran wir ein sehr großes Interesse haben.

Ich glaube, wichtig ist, dass man in der Östlichen
Partnerschaft weiterhin den Dialog führt und die Türen
offen hält; denn die Ukraine und Präsident Janukowitsch
haben erklärt, dass sie auch weiterhin Partner der Euro-
päischen Union sein wollen. Ich denke, daran müssen
wir weiter arbeiten.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800325600

Noch eine Zusatzfrage? – Frau Kollegin Beck, bitte.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Staatsministerin, Sie haben in Ihrer Antwort auf
meine Frage zu der Beitrittsperspektive den Begriff
„Agenda“ benutzt. Nun ist bekannt, dass die Antwort auf
die Frage, ob es sich hier um eine Beitrittsperspektive
handelt oder nicht, offengelassen wurde.

Sie sagen jetzt, das stehe nicht auf der Agenda. Soll
ich das so verstehen, dass die Bundesregierung ihrerseits
erklärt, dass diese Instrumente der Assoziierung nicht
mit einer Beitrittsperspektive verbunden sein sollen?
Das würde, wenn ich das noch ergänzen darf, den Willen
und auch den Mut der Ukraine, dieses Abkommen zu
unterzeichnen, angesichts der Politik Russlands – diese





Marieluise Beck (Bremen)



(A) (C)



(D)(B)

Politik spürt die Ukraine sehr deutlich, um es vorsichtig
auszudrücken – meiner Einschätzung nach natürlich
schwächen.

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800325700


Ihrem letzten Satz kann ich nur zustimmen. Ich
glaube, wir alle sollten ein Interesse daran haben, dass
die Ukraine weiterhin die Perspektive hat, mit der Euro-
päischen Union zusammenzuarbeiten, und dass sie vor
allen Dingen auch bereit ist, das Assoziierungsabkom-
men abzuschließen.

Ich kann nicht für die neue Bundesregierung sprechen
– das hat mein Kollege schon gesagt –; das würde zu
weit gehen. Aber die Kanzlerin hat eindeutig erklärt,
dass die Türen für ein Assoziierungsabkommen mit der
Ukraine weiterhin offen stehen und dass wir bereit sind,
über alle Schwierigkeiten zu sprechen. Ich glaube, dass
unsere Partner, die sich im Transformationsprozess be-
finden, also auch die Ukraine, diese Worte wohl hören
und dass sie bereit sein werden, weitere Verhandlungen
zu führen.

Ich sehe, wie auch Sie, mit großer Sorge, welcher
Druck von russischer Seite auf diese ehemaligen Sowjet-
republiken ausgeübt wird. Ich glaube, es liegt auch in
unserer Verantwortung, dass wir in Zukunft weiterhin
Gesprächspartner für die Mitgliedsländer der Östlichen
Partnerschaft bleiben, um sie nicht in die Arme einer
Diktatur zu treiben.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800325800

Herzlichen Dank. – Kollege Dr. Neu hat noch eine

Nachfrage. Bitte schön.


Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800325900

Der NATO-Generalsekretär hat seinerzeit einmal

kundgetan, dass eine Integration in die EU immer durch
eine Integration in die NATO-Strukturen begleitet wer-
den sollte. Wie weit werden die Assoziierungsgespräche
für Staaten wie Ukraine, Georgien, Serbien etc. durch
Perspektiven eines Beitritts zur NATO begleitet?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800326000


Das ist eine Frage des Einzelfalls. Man kann nicht alle
Länder der Östlichen Partnerschaft gleich behandeln,
weil es unterschiedlicher Voraussetzungen und Bedin-
gungen bedarf, um Mitgliedschaften in anderen Allian-
zen, wie zum Beispiel der NATO, eingehen zu können.
Neben dieser Einzelfallprüfung ist es auch wichtig, im
Gespräch zu bleiben. Diese Ergebnisoffenheit heißt aber
nicht, dass es schon endgültige Festlegungen gibt.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800326100

Herzlichen Dank. – Die nächste Nachfrage hat der

Kollege Ostendorff, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte
schön.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Staatsministerin, gestatten Sie mir eine prakti-
sche Frage. Zwischen der EU und der Ukraine wurden
Assoziierungsverhandlungen geführt. Die Bundesregie-
rung hat im Vorgriff auf das Ergebnis dieser Verhandlun-
gen und auf die Unterzeichnung des Abkommens weit-
reichende Hermesbürgschaften ausgereicht. Gerade der
Wirtschaftsminister, der Ihrer Partei angehört, hat hier
Türen geöffnet. Es sind in der Ukraine riesige Produk-
tionskapazitäten mit dem Ziel aufgebaut worden, dass
dann, wenn das Assoziierungsabkommen geschlossen
ist, die erzeugten Agrarprodukte zollfrei in die EU gelie-
fert werden.

Wir wissen gar nicht, woran wir jetzt sind. Hier hat
sich die bisherige Bundesregierung sehr stark engagiert.
Was ist der Stand der Dinge? Wie geht man jetzt mit der
neuen Situation hinsichtlich der Assoziierung um?

C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800326200


Wie Sie wissen, Herr Abgeordneter, ist das Assoziie-
rungsabkommen mit der Ukraine in erster Linie ein Frei-
handelsabkommen. Von daher haben wir natürlich die
Bestrebung, dieses Abkommen wie auch die Fragen der
Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der guten
Regierungsführung, die uns in diesem Zusammenhang
auch wichtig sind, zum Erfolg zu führen. Auch wenn der
Prozess jetzt ins Stocken geraten ist, sind wir weiter be-
strebt, die Gespräche voranzutreiben. Ich sagte bereits,
dass die Bundesregierung hieran ein großes Interesse
hat.

Was den aktuellen Stand der Hermesbürgschaften an-
belangt, möchte ich Ihnen gerne die Informationen über
meine Kollegen im Bundeswirtschaftsministerium wei-
terreichen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800326300

Recht herzlichen Dank. – Damit sind wir mit unserer

Frageliste zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
tes am Ende. Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin
Pieper.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fra-
gen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole
Schröder bereit.

Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Ströbele auf:

(so Fuchs/Goetz: Geheimer Krieg, 2013, Seiten 193 bis 207)

Unternehmen Computer Sciences Corporation, CSC, bzw.
Töchtern, unter anderem in Wiesbaden, welches aufgrund ei-
nes Rahmenvertrags mit der CIA 2003 bis 2006 dessen Ent-
führungsprogramm durchgeführt haben soll und dessen Agen-
ten in Kriegsgebiete befördert haben soll, von 2009 bis 2013
insgesamt 100 vor allem sensible IT-Aufträge für 25,5 Millio-
nen Euro erteilte, seit 1990 gar für 180 Millionen Euro sowie
durch die Bundeswehr seither weitere 364 Aufträge für über
115 Millionen Euro, und wird die Bundesregierung nun, nach-
dem laut Fuchs/Goetz Associated Press schon im September
2011 die Entführungsflüge der CSC-Gruppe publizierte, ihre
noch offenen Verträge mit dieser sonderkündigen, dieser
keine neuen Verträge erteilen sowie alle bisherigen Verträge





Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

dem Fragesteller und dem Deutschen Bundestag zugänglich
machen, um eine kritische Prüfung der Vertragsinhalte sowie
der Angemessenheit der Dotierung zu ermöglichen?

Ich bitte Herrn Staatssekretär Dr. Schröder um Beant-
wortung.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800326400


Herr Präsident! Herr Abgeordneter, die Antwort ist
etwas länger. Die Frage ist allerdings fast genauso lang
und umfasst eigentlich drei Fragen. Ich beantworte sie
wie folgt:

Die Auftragsvergabe an die in Deutschland tätigen
Tochterfirmen von CSC war bereits wiederholt Gegen-
stand parlamentarischer Anfragen. Dabei handelte es
sich in erster Linie um IT-Unterstützungsdienstleistun-
gen. Sie finden umfassende Informationen in den Bun-
destagsdrucksachen aus der letzten Wahlperiode: Druck-
sachen 17/10305, 17/10352 und 17/14530, darin die
schriftlichen Fragen 10 und 21.

Die in Ihrer Frage enthaltenen Zahlen beruhen offen-
bar auf einer Auswertung der in den entsprechenden
Drucksachen enthaltenen Antworten mit Stand August
2013, die ich daher bestätigen kann. Für den Verteidi-
gungsbereich wurde hingegen seit 1990 eine Zahl von
424 Aufträgen im Wert von 146,2 Millionen Euro er-
fasst. Seit August 2013 wurden an Tochterunternehmen
von CSC weitere Aufträge erteilt bzw. weitere Abrufe
aus Rahmenverträgen getätigt. Somit erhöhen sich ent-
sprechend dem Ergebnis einer kurzfristig durchgeführ-
ten kursorischen Abfrage innerhalb der Bundesregierung
die genannten Zahlen um etwa 3 Millionen Euro.

Es ist nicht beabsichtigt, laufende Verträge – unab-
hängig davon, ob sie vor August 2013 oder später ge-
schlossen wurden – durch eine Sonderkündigung zu be-
endigen. Die Bundesregierung sieht zum jetzigen
Zeitpunkt keine Veranlassung, ihre Auftragsvergabepra-
xis in Bezug auf CSC zu ändern. Insbesondere sieht sie
keine Veranlassung für den Ausschluss der Firma CSC
aus dem reglementierten Verfahren zur Vergabe öffentli-
cher Aufträge.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt zudem
einem ab gewissen Schwellenwerten durch das Recht
der Europäischen Union vorgegebenen streng reglemen-
tierten Verfahren, das seitens des Bundes einzuhalten ist.
Das nationale Vergaberecht baut auf diesen europarecht-
lichen Vorgaben auf. Es garantiert zum Beispiel allen
potenziellen Bewerbern einen freien Zugang zu den Be-
schaffungsmärkten der öffentlichen Hand und sieht
Transparenz, insbesondere eine Veröffentlichung der
Ausschreibung, und eine Dokumentation des Verfahrens
vor. Aufträge dürfen nur an fachkundige, leistungsfähige
und zuverlässige Bieter vergeben werden.

Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Firma CSC Deutschland in irgendeiner Weise
gegen Sicherheits- oder Vertraulichkeitsauflagen versto-
ßen hat. Es bestehen insbesondere auch keinerlei An-
haltspunkte dafür, dass CSC Deutschland als selbststän-
dige Gesellschaft vertrauliche Informationen an die
amerikanische CSC weitergegeben hat, die von dort aus
in andere Hände gelangt sein können. Insofern bestehen
keine Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit von
CSC Deutschland im vergaberechtlichen Sinne. Es lie-
gen auch keine Erkenntnisse vor, dass sich Mitarbeiter
von CSC wegen Beteiligung an einer Verschleppung
strafbar gemacht haben.

Das parlamentarische Frage- und Informationsrecht
vermittelt keinen Anspruch auf Offenlegung oder Über-
sendung von Dokumenten an den Bundestag. Der Ver-
tragsgegenstand der dargestellten Verträge war über den
öffentlichen Ausschreibungstext der zugrunde liegen-
den Ausschreibung jedermann zugänglich. Die für einen
individualisierten Auftragnehmer anfallenden und abzu-
rechnenden Vertragsentgelte zählen hingegen zu dessen
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Die betreffenden Informationen sind nur einem sehr
beschränkten Personenkreis bekannt und werden auch
nach dem Willen der informierten Personen innerhalb
der Unternehmen nicht publiziert. Diese Vertragsent-
gelte dokumentieren den Umfang der mit bestimmten
Vertragspartnern in bestimmten Geschäftsfeldern in ei-
nem erkennbaren Zeitraum erzielten Umsetzung und be-
ruhen auf vertraulichen einzelvertraglichen Vereinbarun-
gen. Die Bundesregierung wird daher im Rahmen ihrer
verfassungsrechtlich gebotenen Auskunftspflicht dem
Bundestag auf entsprechende Fragen antworten, ihm
aber keine internen Unterlagen überlassen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800326500

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir haben jetzt

alle einmal das rote Signal ignoriert, weil die Frage des
Kollegen Ströbele wirklich sehr lang und detailliert war.
Deswegen war es auch richtig, dass die Bundesregierung
auf die einzelnen Fragen konkret geantwortet hat.

Kollege Ströbele hat noch eine Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Staatssekretär, um das eigentliche Problem ha-
ben Sie sich herumgedrückt. Deshalb stelle ich dazu eine
konkrete Nachfrage.

Im ersten Drittel meiner Frage wird gegen die Firma
Computer Sciences Corporation der Vorwurf erhoben,
dass diese Firma seit zehn Jahren oder länger an Entfüh-
rungsflügen, den sogenannten Renditions, beteiligt ge-
wesen sein soll, was bereits 2011 von Associated Press
veröffentlicht worden ist. Ist denn die Bundesregierung
dem ungeheuerlichen Verdacht einmal nachgegangen,
ob diese Firma solche Rendition-Flüge tatsächlich
durchgeführt hat, und hat sie darüber nachgedacht, ob
eine Firma, die so etwas macht und sich damit an völker-
rechtswidrigen Verbrechen beteiligt, weiterhin Vertrags-
partner sein kann?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800326600

Herr Staatssekretär, bitte.






(A) (C)



(D)(B)

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800326700


Wir gehen diesen Vorwürfen selbstverständlich nach.
Es stellt sich die Frage, inwieweit sich einzelne Mitar-
beiter von CSC strafbar gemacht haben könnten. Das
wird sicherlich auch die Staatsanwaltschaft München I
weiterhin untersuchen, die mit dem Fall ohnehin betraut
ist.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800326800

Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darf ich Sie so verstehen, dass Sie bisher dieser Frage
nicht nachgegangen sind und deshalb keine Erkenntnisse
haben, und fragen, warum Sie Berichten über die Beteili-
gung an völkerrechtswidrigen Verbrechen nicht nachge-
gangen sind? Nicht einzelne Mitarbeiter, die vielleicht
einen Fehler gemacht haben, sind verantwortlich, son-
dern die Firma hat unter Billigung und Federführung der
Geschäftsführung diese Rendition-Flüge durchgeführt.
Im Rahmen dieser Flüge, die der Verbringung von Per-
sonen zur Folter in Gefängnisse dienen, ist auch ein
deutscher Staatsbürger vom Balkan nach Afghanistan in
ein Foltergefängnis verschleppt worden.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800326900


Die damit befasste Staatsanwaltschaft München I
wird sich der Sache sicherlich annehmen und unter Um-
ständen Zeugen befragen. Bei Abschluss der Rahmen-
verträge lagen keine Erkenntnisse vor. Wenn nun weitere
Erkenntnisse vorliegen, stellt sich vor allem die Frage,
wer dafür Verantwortung getragen hat. Was wusste ins-
besondere die Geschäftsleitung? Handelt es sich ledig-
lich um eine Dienstleistung wie die Beschaffung von
Flügen, oder war die Firma auch an der Durchführung
der Flüge beteiligt? All diese Fragen gilt es insbesondere
im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs-
verfahrens zu klären.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800327000

Kollege Kekeritz von Bündnis 90/Die Grünen hat

eine Zusatzfrage. Bitte schön.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800327100

Danke schön. – Herr Schröder, Sie haben sehr viel ge-

meinsam mit Frau Staatssekretärin Pieper, die ebenfalls
nie Erkenntnisse hat.

Ist der Bundesregierung bekannt, dass 2003 der von
der CIA entführte deutsche Staatsbürger Khaled el-
Masri in einem von der Computer Sciences Corporation
bereitgestellten Flugzeug verschleppt und gefoltert
wurde? Das war auch in der Presse zu lesen. Das ist all-
gemein bekannt. Ich nehme trotzdem an, dass die Bun-
desregierung nichts davon gehört hat.
D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800327200


Der Fall war auch Gegenstand eines Untersuchungs-
ausschusses des Deutschen Bundestages. Da hat die
Bundesregierung ihre Erkenntnisse sehr detailliert mit-
geteilt.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800327300

Die Konsequenzen sind wichtig. Welche gibt es?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800327400

Eine weitere Zusatzfrage dürfen Sie eigentlich nicht

mehr stellen, Herr Kekeritz. Ich nehme an, dass Sie be-
reits zu Ihrer Frage 26 überleiten. Ist es Ihnen recht, dass
wir diese Frage jetzt aufrufen? – Das scheint der Fall zu
sein.

Dann rufe ich die Frage 26 des Kollegen Uwe
Kekeritz auf:

Ist der Bundesregierung bekannt, dass, wie in der am
15. November 2013 erschienenen Publikation Geheimer
Krieg der Journalisten Christian Fuchs und John Goetz auf
den Seiten 206 bis 212 dargestellt, der 2003 von der CIA ent-
führte deutsche Staatsbürger Khaled el-Masri in einem von
der Computer Sciences Corporation, CSC, bereitgestellten
Flugzeug verschleppt und gefoltert wurde, und welche Konse-
quenzen wird sie aus diesen Vorwürfen für ihre Auftragsver-
gabepraxis an die CSC und deren Tochterunternehmen zie-
hen?

Herr Staatssekretär, wenn Sie so nett wären, die Frage
26 des Kollegen Kekeritz, die den gleichen Sachverhalt
betrifft, zu beantworten. Dann sind wir gleich am Ende
der Fragestunde.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800327500


Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre
Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat ihre Erkennt-
nisse über die Vorgänge im Zusammenhang mit der Ent-
führung von Khaled el-Masri im diesbezüglichen 1. Un-
tersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode dargelegt.
Seitdem haben sich keine neuen Erkenntnisse ergeben.
Die Bundesregierung hat weiterhin keine Anhaltspunkte
dafür, dass sich Mitarbeiter von CSC wegen Verschlep-
pung strafbar gemacht haben. Die Bundesregierung sieht
derzeit keine Veranlassung, ihre Auftragsvergabe und
Konzessionspraxis in Bezug auf die Firma CSC zu än-
dern. Insbesondere sieht sie keine Veranlassung für ei-
nen Ausschluss der Firma CSC aus dem reglementierten
Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge bzw. Kon-
zessionen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800327600

Eine Zusatzfrage, Kollege Kekeritz. Bitte schön.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800327700

Ich wollte gerne von Ihnen wissen, ob es schriftlich

fixierte Kriterien für die Prüfung der Zuverlässigkeit pri-
vater Dienstleister im Hinblick auf die Wahrung nationa-
ler Sicherheits- und Datenschutzinteressen gibt, die bei
der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Bundesbe-
hörden angewendet werden.






(A) (C)



(D)(B)

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800327800


Wann jemand nicht zuverlässig ist, ist justiziabel.
Dazu gibt es eine entsprechende Rechtsprechung.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800327900

Eine zweite Frage?


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800328000

Ja. – Ich hätte gerne gewusst: Gibt es schriftlich

fixierte Kriterien, und können wir diese einsehen?

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1800328100


Natürlich können Sie die Vergabe einsehen. Da sind
die Kriterien, die zu erfüllen sind, bereits vorgegeben.
Insofern liegen diese innerhalb des Vergabeverfahrens
schriftlich vor.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800328200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am

Ende der Fragestunde. Die restlichen Fragen werden ge-
mäß unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.

Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:

Vereinbarte Debatte

zu dem vorläufigen Atomabkommen mit dem
Iran

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Westerwelle das
Wort. Bitte schön.

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren Abgeordnete! Nach fast zehn Jahren sehr schwieriger
Verhandlungen haben wir am vergangenen Wochenende
erstmals substanzielle Schritte mit dem Iran vereinbaren
können. Diese Genfer Vereinbarung markiert einen
sichtbaren Wendepunkt nach zehn Jahren Verhandlun-
gen, auch Jahren des Stillstands und der Konfrontation.

Ich will vorab sehr deutlich sagen: Das, was in Genf
vereinbart worden ist, bringt uns unserem gemeinsamen
Ziel, eine atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern,
einen wichtigen und bedeutenden Schritt näher. Wir wol-
len dieses Ziel mit diplomatischen, politischen Mitteln
erreichen. Insoweit ist dieses zweifelsohne eine Wende-
marke. Diejenigen, die in den letzten deutschen Bundes-
tagen gewesen sind, wissen, dass wir viele Jahre eine
Phase der Sprachlosigkeit gehabt haben. Ich selbst habe
hier oft gestanden und zur iranischen Nuklearfrage ge-
sprochen und immer wieder auf die Notwendigkeit einer
politischen und diplomatischen Lösung hingewiesen.
Diesem Ziel einer politisch-diplomatischen Lösung sind
wir näher gekommen. Es gibt sie noch nicht, aber wir
sind dieser Lösung näher gekommen.
Insoweit ist diese Vereinbarung ein Erfolg für die
Welt, für die Sicherheitsarchitektur der Welt, für die Si-
cherheit der Region und ausdrücklich auch für die Si-
cherheit unseres wichtigen Partners Israel. Die Bundes-
regierung sowie der gesamte Deutsche Bundestag – das
gilt auch für frühere Amtsperioden – haben bzw. hatten
die Sicherheitsinteressen Israels und der gesamten Re-
gion stets fest im Blick.

Erstmals wird der weitere Ausbau des iranischen
Atomprogramms gestoppt. Besonders kritische Bereiche
werden eingestellt oder zurückgeführt. Ich möchte aus-
drücklich diesen Verhandlungserfolg würdigen, nicht
nur im Hinblick auf die Geschlossenheit der E3+3-Ver-
handlungspartner, sondern auch im Hinblick auf die
geschickte Leitung der Hohen Vertreterin Catherine
Ashton. Das ist in meinen Augen eine wirklich gute
Leistung gewesen, die vom Europäischen Auswärtigen
Dienst unter der Leitung von Catherine Ashton erbracht
worden ist. Es waren sehr schwierige Verhandlungen,
die mit großem Geschick von der Hohen Vertreterin der
Europäischen Union geführt worden sind.

Wichtig ist allerdings, festzuhalten, dass dieses ein
erster Schritt ist. Es ist nicht die finale Vereinbarung,
sondern es sind Eckpunkte einer finalen Vereinbarung
skizziert worden. Das heißt, die eigentliche Arbeit im
Detail, die eigentliche Implementierung steht uns noch
bevor. Deswegen will ich hier nur kursorisch einige As-
pekte nennen:

Iran setzt seine 20-prozentige Urananreicherung aus.
Er verdünnt seinen Vorrat an 20-prozentigem Material
oder verarbeitet es weiter in Richtung zivil nutzbaren
Brennstoffs. Auch hier ist es mir wichtig, deutlich zu
machen: Das Recht Irans, die Atomkraft, die nukleare
Energie, für nachgewiesenermaßen zivile Zwecke zu
nutzen, ist von uns nie in Zweifel gezogen worden. Inso-
weit ist es nicht zu kritisieren, dass eine solche Vereinba-
rung getroffen werden konnte.

Iran wird keine zusätzlichen oder leistungsfähigeren
Zentrifugen zur Urananreicherung installieren und in
Betrieb nehmen. Der Ausbau des Plutoniumreaktors in
Arak kommt faktisch zum Stillstand. Das ist natürlich
auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil es ja zwei
Wege geben kann, um zu einer nuklearen Bewaffnung zu
gelangen, nämlich einmal den Weg der Anreicherung
und auf der anderen Seite den Weg über den Schwerwas-
serreaktor. Insofern war die Einbeziehung von Arak von
großer Bedeutung. Übrigens war dies bis in die letzten
Stunden einer der wichtigsten und neuralgischen Punkte
unserer Verhandlungen.

Entscheidend ist, dass Iran sich im vereinbarten Ak-
tionsplan zu sehr weitgehender Transparenz verpflichtet
hat. Die internationale Gemeinschaft braucht Iran also
nicht nur zu glauben, sondern sie wird auch vor Ort
überprüfen, ob die Zusagen eingehalten werden können.
Tägliche Inspektionen sollen sicherstellen, dass Iran
kein militärisches Nuklearprogramm betreibt. Dies ist
auch vor dem Hintergrund einiger kritischer Bemerkun-
gen wichtig, die nachzulesen waren; darauf möchte ich
ausdrücklich eingehen. Es ist Transparenz und es ist
Kontrolle vereinbart worden. Insoweit ist das ein we-





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) (C)



(D)(B)

sentlicher Fortschritt. Die Behauptung, man handele hier
im guten Glauben oder man sei ausschließlich auf das
Vertrauen angewiesen, trifft nicht zu. „Vertrauen ist gut,
Kontrolle ist besser“, und deswegen ist die Kontrolle bei
den Genfer Verhandlungen fest vereinbart worden.


(Zuruf von der LINKEN)


– Ich weiß, dass Ihnen dieses Zitat von Lenin besonders
gut gefällt.


(Heiterkeit bei der LINKEN)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abge-
ordnete, im Gegenzug haben die E3+3-Staaten Iran
Sanktionslockerungen in Aussicht gestellt. Iran darf für
einen Zeitraum von sechs Monaten einen Anteil von ins-
gesamt 4,2 Milliarden US-Dollar aus eingefrorenen
Erlösen seiner Ölverkäufe ausbezahlt bekommen. Au-
ßerdem soll der Handel mit Edelmetallen und petroche-
mischen Produkten sowie auf dem Automobilsektor
geöffnet werden. Die europäischen Obergrenzen für ge-
nehmigungsfreien Handel mit Iran werden angehoben.

Aber auch hier ist es wieder wichtig, auf das zu ach-
ten, was wirklich vereinbart worden ist, und nicht auf
das, was oberflächlich darüber berichtet oder auch kriti-
siert worden ist: Die Sanktionen werden suspendiert, je-
doch nicht aufgehoben. Hält sich der Iran nicht an seine
Zusagen, treten die Sanktionen wieder vollständig in
Kraft, und der Kernbestand an Sanktionen, die Schlüs-
selsanktionen, in den Bereichen Öl, Gas und Finanzen
bleibt von der Vereinbarung vorerst unberührt, das heißt
unangetastet.

Wir haben in Genf einen wichtigen, aber eben nur ei-
nen ersten Schritt mit einer Laufzeit von sechs Monaten
vereinbart. Das ist nicht zu unterschätzen ob seiner Be-
deutung für die Verbesserung der Sicherheitslage in der
gesamten Region. Die Verhandlungen über eine ab-
schließende Lösung im Atomstreit stehen noch aus. Sie
sollen binnen eines Jahres zum Abschluss gebracht wer-
den. Es liegt jetzt an Iran, verlorenes Vertrauen zurück-
zugewinnen. Entscheidend ist eine transparente, über-
prüfbare Umsetzung der Vereinbarung, und es sind allein
die Erfolge bei der Umsetzung der Genfer Vereinbarung,
die das politische Momentum für eine abschließende Lö-
sung im Atomstreit bringen können.

Ich möchte mit der Bemerkung schließen: Ich bin
nach wie vor fest davon überzeugt, dass eine dauerhafte
Lösung nur auf dem Verhandlungswege erzielt werden
kann. Die jetzt amtierende, noch geschäftsführend sich
im Amt befindende Bundesregierung hat in der letzten
Legislaturperiode immer darauf Wert gelegt, dass wir
eine politische und diplomatische Lösung finden. Wir
wollen eine Verhandlungslösung.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir auch!)


Wir beteiligen uns nicht an militärischen Interventions-
szenarien.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das ist eine richtige Politik gewesen. Das
wird unter anderem auch durch die Vereinbarung von
Genf noch einmal eindrucksvoll bestätigt.

Eine Verhandlungslösung ist möglich. Sie ist noch
nicht erreicht, aber wir sind in Genf einen wesentlichen
Schritt, ein gutes Stück des Weges hin zu einer solchen
Verhandlungslösung gegangen. Deswegen liegt dieses
Abkommen meines Erachtens im Interesse unserer euro-
päischen Überlegungen, im Interesse des Westens und
der Welt insgesamt.

Ich sage zum Schluss mit großem Nachdruck, meine
sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten: Zu
glauben, dass es hier „ausschließlich“ – ich setze das in
Anführungsstriche – um die Sicherheitsinteressen eines
Landes ginge, nämlich unseres engen Partners und
Freundes Israel, geht fehl. Es geht um die Sicherheits-
lage in der gesamten Region, es geht um die Sicherheits-
architektur der gesamten Region.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Man kann hinzufügen: Jedem, der sich wirklich mit der
Sache befasst und mit der Frage, was es für Auswirkun-
gen haben könnte, käme es zu einer militärischen Kon-
frontation, wird klar: Es geht hier in Wahrheit um die
Sicherheitsarchitektur und um die Sicherheits- und Frie-
densinteressen der gesamten Welt.

Deswegen ist die Genfer Vereinbarung


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Ein guter Schritt!)


eine Vereinbarung, die man wirklich als guten Schritt be-
zeichnen kann. Sie hat es meines Erachtens auch ver-
dient, überparteilich die Würdigung in diesem Hause,
aber auch außerhalb dieses Hauses bei anderen wichti-
gen politischen Akteuren zu erhalten.

Vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800328300

Als Nächster hat das Wort der Kollege Dr. Rolf

Mützenich von der SPD-Fraktion. – Bitte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1800328400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Vereinbarung zwischen der Islamischen
Republik Iran, den ständigen Mitgliedern des Sicher-
heitsrates und Deutschland ist ein bedeutender Schritt
auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung der Atomkrise,
aber noch kein abschließender Erfolg; der muss in den
nächsten Monaten erarbeitet werden.

Dennoch lassen sich nach meinem Dafürhalten erste
Schlussfolgerungen für die zukünftige Außenpolitik zie-
hen:





Dr. Rolf Mützenich


(A) (C)



(D)(B)

Erstens. Diplomatie und Vertrauensbildung sind die
besten Instrumente zur Bewältigung internationaler Kri-
sen.

Zweitens. Die Europäische Union und deren Mitglie-
der können gemeinsam etwas erreichen.

Drittens. Die USA und Russland bleiben bei der Bear-
beitung internationaler Konflikte aufeinander angewie-
sen.

Viertens. Das Zwischenabkommen und ein späterer
Vertrag können das Bindeglied für weitere Initiativen
sein.

Fünftens. Die Verhaltensänderung des Iran ist Teil äu-
ßeren und inneren Wandels.

Sechstens. Weitere Abrüstung in Europa und im Na-
hen Osten sowie präventive Rüstungskontrolle bleiben
unerlässlich und können vorbildlich wirken.

Ich möchte versuchen, zu diesen sechs Schlussfolge-
rungen grundsätzliche Bemerkungen zu machen:

Erstens. In der Tat, Herr Bundesaußenminister, Diplo-
matie und Vertrauensbildung haben Vorrang, insbeson-
dere deswegen, weil sie ein guter europäischer Erfah-
rungsschatz sind. Mit Diplomatie und Vertrauensbildung
ist die Teilung in Europa überwunden worden, und
gleichzeitig sind Spannungen abgebaut worden. Deswe-
gen ist dieses Instrumentarium das Instrumentarium der
ersten Wahl.

Mit dem Zwischenabkommen mit dem Iran stehen
wir möglicherweise – ich will jetzt nicht unbedingt
große historische Worte wählen – durchaus an einem
Wendepunkt, weil der Nahe und Mittlere Osten in den
letzten Jahren immer wieder auch Schablone für soge-
nannte große Pläne war und teilweise auch Interventio-
nen von außen hat erdulden und erleiden müssen. An
dieser Stelle ist möglicherweise sozusagen ein Wende-
punkt in der internationalen Politik gegeben. Ich bin froh
– so kann ich als Sozialdemokrat nur sagen –, dass ich
Mitglied einer Partei bin, die damals in Regierungsver-
antwortung die Intervention im Irak gegen alle Wider-
stände abgelehnt hat. Ich finde, das war damals eine
richtige Entscheidung.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn man vom zweiten Erfahrungsschatz spricht,
geht es darum, aus den Erfahrungen der Entspannungs-
politik zu lernen. Wir brauchen heute, in Zeiten neuer
Spannungen, eine Entspannungspolitik – darüber haben
wir, glaube ich, keine unterschiedlichen Auffassungen –,
indem wir Realitäten zwar anerkennen, uns aber nicht
mit ihnen abfinden. Das ist sozusagen der Kern von
„Wandel durch Annäherung“. Ich glaube, dass dieser Er-
fahrungsschatz durchaus Wirkung entfaltet, insbeson-
dere dann, wenn Europa darum gebeten wird, an der Be-
arbeitung internationaler Krisen mitzuarbeiten.

Der andere Aspekt in dieser Frage ist nach meinem
Dafürhalten, dass die Umbrüche in der arabischen Welt
durchaus Instabilitäten aufzeigen, wahrscheinlich auch
für die nächsten Jahrzehnte, auch auf Europa bezogen.
Aber die dortigen Machthaber wissen auch – ich glaube,
einige sind klug genug –: Sie brauchen Wandel, Wandel
im Äußeren und Wandel im Inneren. Das sollten wir
nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch unterstüt-
zen.

Zur zweiten Anmerkung, die ich machen will. In der
Europäischen Union können wir gemeinsam zum Nut-
zen vieler etwas erreichen. Ich finde, auch das wird
durch das Zwischenübereinkommen mit dem Iran deut-
lich. Die Europäische Union hat mit ihrer vielgescholte-
nen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bewie-
sen, dass Europa durchaus in der Lage ist, Instrumente
aus dem historischen Erfahrungsschatz anzubieten und
sie zum Nutzen aller einzusetzen. Es waren Deutschland,
Großbritannien und Frankreich, die 2003 diese Initiative
gestartet haben. Ich danke allen Bundesregierungen und
den Diplomatinnen und Diplomaten, dass sie so nachhal-
tig und so beharrlich an der Erreichung dieses Zieles ge-
arbeitet haben. Ich danke natürlich auch der amtierenden
Bundesregierung und Ihnen, Herr Bundesaußenminister.

Darüber hinaus sollen hier aber auch Lady Ashton
und der im Aufbau befindliche Europäische Auswärtige
Dienst genannt werden; denn deren aktuelles Handeln ist
ein Bravourstück auf dem Weg zu einer Herausbildung
einer zukünftigen europäischen Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik. Ich bin froh, dass hierüber im
Parlament sozusagen Gemeinsamkeit besteht; schließ-
lich haben wir in den vergangenen Jahren durchaus den
einen oder anderen Außenminister in Europa erlebt, der
nicht immer Gutes über Lady Ashton gesagt hat.

Im Rahmen meiner zweiten Anmerkung will ich auch
den Deutschen Bundestag erwähnen. Ich glaube, jetzt
kommt es auch auf uns an, darauf, dass wir unsere Arbeit
machen. Wenn ich es richtig beobachte, dann könnten
die Parlamente im Iran und offensichtlich auch in den
USA – der Kongress auf der einen, die Madschlis auf der
anderen Seite – einer erfolgreichen Umsetzung des Ab-
kommens möglicherweise den einen oder anderen Stein
in den Weg legen. Ich finde, wir Parlamentarierinnen
und Parlamentarier können eine Menge zur Vertrauens-
bildung beitragen. Deswegen wäre ich froh, wenn von-
seiten des deutschen Parlamentes Initiativen ausgingen,
auch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Iran
von diesem wichtigen Abkommen zu überzeugen.

Ein weiterer Punkt. Es wird möglicherweise dazu
kommen, dass die Internationale Atomenergie-Organisa-
tion, die ja im Zusammenhang mit der Überprüfung des
Iran wertvolle, aber zusätzliche Arbeit leisten müssen
wird, mehr Finanzmittel braucht. Auch das muss vonsei-
ten des Deutschen Bundestages positiv beantwortet wer-
den.

Zum dritten Punkt, den ich gerne ansprechen möchte.
Wir haben gesehen, dass die USA und Russland weiter-
hin unerlässliche Partner für die Bewältigung internatio-
naler Konflikte sind. Ich finde, das eröffnet neue Chan-
cen für die Genfer Konferenz über Syrien und im
Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen
Konflikt.





Dr. Rolf Mützenich


(A) (C)



(D)(B)

Deswegen sollten, wenn es denn gelingt, zwischen
den USA und Russland zumindest bei internationalen
Krisen neues Vertrauen aufzubauen, gerade vonseiten
der Europäischen Union, aber auch vonseiten seiner Mit-
gliedsländer weitere Initiativen für eine gute Zusammen-
arbeit mit Russland ausgehen. Es sollten aber auch
durchaus offene Worte über das, was uns hinsichtlich der
Außenpolitik der Russischen Föderation nicht passt, ge-
sagt werden. Europa ist aufgerufen, dieses Momentum
einer Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA
bei weiteren internationalen Krisen zu befördern.

Europa sollte in diesem Zusammenhang aber auch die
Volksrepublik China an ihre wachsende Verantwortung
erinnern. Sie ist Teil der Sechsergruppe gewesen; sie
profitiert immer noch sehr stark von den Erfolgen, wobei
sie sich sozusagen in der zweiten oder dritten Reihe auf-
hält. Die Volksrepublik China wird in Zukunft mehr Ver-
antwortung tragen müssen. Ich glaube, Europa muss das
verlangen.

Der vierte Aspekt. Die Zwischenvereinbarung könnte
ein Bindeglied für weitere Initiativen im Nahen und
Mittleren Osten sein. Es ist sinnvoll, auch vor dem Hin-
tergrund des europäischen Erfahrungsschatzes, an den
Aufbau regionaler Sicherheitssysteme zu erinnern, um
Spannungen abzubauen und Vertrauen zu schaffen, so-
wie Abrüstung und Rüstungskontrolle als Instrument für
diese Vertrauensbildung zu beschreiben. Insbesondere
dürfen auch von Deutschland aus keine Rüstungsexporte
in Spannungsgebiete erfolgen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Können wir Sie beim Wort nehmen?)


Es gibt einen weiteren Aspekt – er ist eben angespro-
chen worden; das ist mein fünfter Punkt –: Trotz aller
Enttäuschung, dass es kein konkretes Datum im Hin-
blick auf die Schaffung einer massenvernichtungswaf-
fenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten gibt, müs-
sen wir weiter daran arbeiten. In der Fragestunde haben
wir gehört, dass die Bundesregierung hier weiterhin alles
Notwendige unternehmen wird.

Eines will ich deutlich machen: Wir können nicht im-
mer nur sagen: „Wir können etwas einbringen“, sondern
müssen auch zur Kenntnis nehmen, wenn es positive Si-
gnale in dieser Region gibt. Ich finde, der Appell vonsei-
ten des Iran und der Türkei an die syrischen Gewalt-
akteure, eine Waffenruhe zur Genfer Konferenz zu
vereinbaren, ist nicht nur wichtig, sondern unerlässlich,
auch wenn es ein nur kleiner Erfolg ist. Europa sollte das
würdigen. Deswegen bin ich der Meinung: Der Iran ge-
hört mit an den Verhandlungstisch in Genf, wenn es um
die Frage der Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien
geht.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine Verhaltensänderung des Iran ist mit Sicherheit
Teil äußeren, aber auch inneren Wandels. Deswegen will
ich auch hier noch einmal deutlich sagen: Wir vom
Deutschen Bundestag kritisieren und werden immer wie-
der darauf hinweisen, dass es Menschenrechtsverletzun-
gen im Iran gibt. Es ist an der iranischen Regierung, die
jetzige Chance, wo der außenpolitische Druck mögli-
cherweise geringer wird, zu nutzen, um im Inneren zu ei-
nem Wandel beizutragen. Auch das war immer der An-
satzpunkt einer Entspannungspolitik. Ich finde, das
gehört mit dazu.

Möglicherweise, auch wenn das auf den ersten Blick
nicht so erscheint, könnte die Situation der Instabilität
im Nahen und Mittleren Osten zu einem Umdenken im
iranischen politischen System beigetragen haben. Es
könnte dazu geführt haben, dass geglaubt wird, dass ein
Regimesturz nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Es
ist glaubhaft, was Präsident Obama gesagt hat; denn Prä-
sident Obama ist eben nicht an weiteren Instabilitäten in-
teressiert.

Wir sollten dieses kleine Fenster des Umdenkens
durchaus nutzen, um Initiativen voranzubringen. Deswe-
gen – das ist der sechste Punkt – glaube ich, dass wir in
Europa gehalten sind, mit gutem Vorbild voranzugehen.
Wir müssen für Rüstungskontrolle und Abrüstung, für
konventionelle Abrüstung, nukleare Abrüstung und viele
andere Dinge mehr eintreten. Wir müssen insbesondere
die Vertrauensbildung und die Maxime, die Präsident
Obama eingeführt hat, nämlich dass Respekt in den in-
ternationalen Beziehungen wichtig ist, voranbringen.

Zum Abschluss, meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen, möchte ich mich gerne bei Ihnen persönlich, Herr
Bundesaußenminister, für die faire und gute Zusammen-
arbeit im Auswärtigen Ausschuss bedanken. Alles Gute!


(Beifall im ganzen Hause)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800328500

Ich erteile als Nächstem das Wort dem Kollegen Jan

van Aken, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800328600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Westerwelle, das fand ich gut. Ich kann Ihnen eigentlich
in fast allen Punkten zustimmen.


(Heiterkeit – Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Das ist sogar auf den letzten Metern zu viel, Herr Kollege!)


– In einem Punkt stimme ich nicht mit Ihnen überein;
aber ansonsten kann ich wirklich fast alles teilen, was
Sie gesagt haben. Denn ich kann mich von Herzen rich-
tig über diese Einigung mit dem Iran freuen. Machen wir
uns nichts vor: Das heißt doch, dass erstens die Kriegs-
gefahr im Mittleren Osten tatsächlich ein kleines biss-
chen geringer und dass zweitens die Gefahr eines nu-
klear bewaffneten Iran tatsächlich deutlich geringer
geworden ist. Das sind zwei gute Nachrichten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Jan van Aken


(A) (C)



(D)(B)

Das ist auch ein Erfolg der Diplomatie. Ich fand es
sehr gut, dass Sie das ausdrücklich betont haben. Es ist
auch ein Erfolg der europäischen Diplomatie, der Diplo-
matie von Frau Ashton; das müssen wir hier ganz deut-
lich sagen. Danke auch an Herrn Mützenich dafür, dass
er das gesagt hat. Wir müssen Frau Ashton von hier aus
ein großes Lob aussprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eines möchte ich vorwegsagen – vielleicht gibt es da
einen Dissens –: Ich halte es für völlig absurd, jetzt so zu
tun, als ob es die harten Sanktionen waren, die den Iran
an den Verhandlungstisch bewegt haben. Ich halte das
für völlig absurd. Das können Sie gleich vergessen.
Denn auch vor einem Jahr waren die Sanktionen gegen
den Iran hammerhart. Auch vor einem Jahr war die Wirt-
schaftslage in Teheran völlig desolat, und trotzdem hat
es vor einem Jahr keine Einigung gegeben.

Es ist völlig klar: Mit noch so harten Sanktionen er-
zeugen Sie bei dieser Frage, die für den Iran eine Frage
der nationalen Souveränität ist, überhaupt keinen Druck,
um irgendeine Lösung herbeizuführen. Diese Lösung ist
erst durch zwei Wahlen möglich geworden. Die eine war
die Wiederwahl von Obama in den USA, der in der
zweiten Amtszeit eine ganz andere Flexibilität hat. Die
zweite war die Wahl des neuen iranischen Präsidenten
Rohani, der zeitgleich mit Obama zum ersten Mal seit
Jahren offensichtlich kompromiss- und verhandlungsbe-
reiter ist, als es in den Jahren zuvor der Fall war.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn alle Hardliner gewesen wären und weiter nach
harten Sanktionen gerufen hätten, dann hätte es diese Ei-
nigung nicht gegeben. Dies ist eine ganz klare Ansage an
Herrn Mißfelder von der CDU, der immer wieder einem
militärischen Angriff auf Iran das Wort geredet hat.
Wenn Herr Mißfelder in Genf mit am Verhandlungstisch
gesessen hätte, dann hätte es diese Einigung nicht gege-
ben. Ich bin froh, dass er nicht dabei war. Ich hoffe, er
wird auch in Zukunft nicht dabei sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Einigung im Atomstreit zeigt eines ganz deut-
lich: Zwang funktioniert in der Außenpolitik nur ganz,
ganz selten. Beim zivilen iranischen Atomprogramm
funktioniert es noch viel weniger. Denn es ist innerhalb
des Iran die zentrale Frage der nationalen Souveränität.
Ein noch so moderater Präsident im Iran könnte niemals
an diese Frage herangehen, könnte nicht auf Druck von
außen reagieren. Das funktioniert nicht, zumal – auch
das hat Herr Westerwelle richtigerweise gesagt – der
Iran nach dem Atomwaffensperrvertrag ein Recht auf
ein ziviles Atomprogramm hat. Er hat sogar das Recht
auf Urananreicherung. Ich persönlich finde das falsch.
Von mir aus könnten wir schon heute einen weltweiten
Atomausstieg beschließen. Aber das ist eine völlig an-
dere Debatte.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Einigung in Genf ist gut, weil sie ausgeglichen
ist, weil beide Seiten zwar kleine, aber doch gleich lange
Schritte aufeinander zugegangen sind.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Auf der einen Seite darf die Urananreicherung im Iran
weitergehen, aber nur eingeschränkt und nicht mehr mit
einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent. Zudem gibt
es einen Baustopp an den wichtigsten Anlagen, nicht nur
am Schwerwasserreaktor, sondern auch an den Uranan-
reicherungsanlagen. Auf der anderen Seite werden die
Sanktionen etwas gelockert. Das ist für mich ein tragfä-
higes Fundament für künftige Schritte.

Aus meiner Sicht gibt es jetzt vier Dinge, die wir tun
sollten – das richtet sich natürlich mehr an Herrn
Steinmeier als an Herrn Westerwelle; es ist in die Zu-
kunft gedacht –:

Erstens. Das ist ganz wichtig: Ruhe bewahren. Ma-
chen wir uns nichts vor: Es gibt genug Kräfte, die diese
Einigung nicht wollen. Es sind die Hardliner in Teheran,
die jede Art der Verhandlung mit dem Erzfeind USA ab-
lehnen. Es sind die Hardliner in Washington, die natür-
lich jede Art der Einigung mit dem Erzfeind Iran ableh-
nen. Und dann gibt es die unheilige Allianz zwischen
Israel und den Golfstaaten, die das Abkommen am liebs-
ten torpedieren würden. Wir werden Provokationen erle-
ben. Ich kann den 5+1-Staaten immer wieder nur sagen:
Ruhe bewahren, sich nicht provozieren lassen und den
Geist von Genf aufrechterhalten. Das wird in den nächs-
ten sechs Monaten das Wichtigste sein.

Zweitens. Sie sollten unbedingt und sofort in den
Ländern der Region für die Einigung werben. Ganz vorn
ist hier natürlich Israel. Werben Sie in Israel dafür, dass
diese Einigung mehr Sicherheit für Israel bedeutet und
nicht weniger. Auch das ist eine Aufgabe für einen künf-
tigen deutschen Außenminister.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Die versprochenen und beschlossenen Sank-
tionserleichterungen müssen so schnell wie möglich und
so großzügig wie möglich umgesetzt werden. Ich habe
es hier schon mehrfach gesagt: Es kostet nicht viel, auch
einmal zwei, drei Schritte in Vorleistung zu gehen. Es
geht dabei doch um Folgendes – das ist übrigens der
Dissens, den wir haben, Herr Westerwelle –: Es geht da-
rum, Vertrauen auf beiden Seiten wiederherzustellen. Es
geht nicht nur darum, dass der Westen Vertrauen in den
Iran haben muss. Auch umgekehrt gibt es dort ein be-
rechtigtes Misstrauen. Vertrauen muss auf beiden Seiten
hergestellt werden. Dabei würde es helfen – ich komme
damit zum Schluss –, in den nächsten Wochen und Mo-
naten die Sanktionserleichterungen sehr großzügig
durchzusetzen.

Viertens und letztens. Wir sollten jetzt diese Chance
nutzen, den Iran auch auf anderen Feldern einzubinden.
Herr Mützenich hat es bereits gesagt: Dabei geht es zum
Beispiel um Syrien. Aber auch der EU-Menschenrechts-
dialog mit dem Iran könnte wieder aufgenommen wer-
den. Dann könnten wir verhindern, dass die dramatische





Jan van Aken


(A) (C)



(D)(B)

Menschenrechtslage im Iran zugunsten des Atomstreits
vernachlässigt wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
keine Waffen mehr exportieren sollte. Das gilt natürlich
auch für den Iran, das gilt aber für alle Länder in dieser
Region, auch für Israel und die Golfstaaten.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800328700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Agnieszka

Brugger, Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine
große Chance mit Risiken und vor allem auch ein Erfolg
der Diplomatie, allerdings mit offenem Ausgang – so
lässt sich meiner Meinung nach das Übergangsabkom-
men, das die fünf Vetomächte der Vereinten Nationen
und Deutschland mit dem Iran in Genf verhandelt haben,
am besten beschreiben. Der Iran verpflichtet sich, Teile
seines Atomprogramms auszusetzen und mehr Inspek-
tionen seiner Anlagen zuzulassen. Im Gegenzug soll ein
Teil der Sanktionen gelockert und sollen vorerst keine
weiteren verhängt werden.

Gemischt und sehr unterschiedlich wurde dieses Ab-
kommen anschließend bewertet. Ich stehe immer noch
unter dem Eindruck, dass Sie sich, Herr Außenminister
Westerwelle, so einig mit dem Kollegen van Aken sind.
Ich finde, das ist ein ganz besonderer Moment, und das
zeigt auch, dass es hier einen großen Zuspruch für dieses
Verhandlungsergebnis gibt.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)


Sie haben das Abkommen einen Wendepunkt ge-
nannt. US-Außenminister Kerry twitterte, es sei ein ers-
ter Schritt, die Welt sicherer zu machen. Der israelische
Ministerpräsident Netanjahu hat das Abkommen hinge-
gen deutlich kritisiert. Allerdings zeigt die Debatte in
Israel nicht nur sehr nachvollziehbare Sorgen über das
iranische Atomprogramm, sondern auch sehr unter-
schiedliche Ansichten und Bewertungen dieses Abkom-
mens.

Nach Jahren der Eskalation und des eisigen Still-
stands, nach Jahren der mehr als berechtigten Sorge,
dass der Iran in Zukunft über Atomwaffen verfügen
könnte, ist nun eine erste Vereinbarung getroffen wor-
den, die allen Seiten, wie ich finde, durchaus große Zu-
geständnisse abverlangt. Das ist ein großer Erfolg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ziel muss es jetzt sein, diesen Weg der Verhandlun-
gen weiter zu beschreiten und die Vereinbarung zügig
und schnell umzusetzen, um anschließend, nach den ver-
einbarten sechs Monaten, in denen Transparenz geschaf-
fen und Vertrauen erworben werden muss, ein belastba-
res und verbindlicheres Abkommen zu erreichen. Wie
diese sechs Monate genutzt werden und wie die Umset-
zung dieser Vereinbarung ausfällt, wird dabei nicht nur
für die Entwicklung der nächsten Wochen und Monate,
sondern für Jahre ausschlaggebend sein.

Es liegt jetzt an der neuen Regierung in Teheran, der
internationalen Gemeinschaft glaubhaft zu beweisen,
dass sie ernsthaft an einer langfristigen und tragbaren
Lösung des Atomkonflikts interessiert ist. Dazu muss
der Iran nun schnell und transparent seine Vertrauens-
würdigkeit unter Beweis stellen. Die Hochanreicherung
von Uran auf 20 Prozent muss gestoppt und die beste-
henden Vorräte müssen in höchstens 5-prozentig ange-
reichertes Uran umgewandelt werden. Auch die Aktivi-
täten um den Schwerwasserreaktor Arak müssen
gestoppt und die Kontrolle durch die Internationale
Atomenergie-Organisation uneingeschränkt ermöglicht
werden. Denn nur durch die zügige und anhaltende Um-
setzung dieser Vereinbarung kann der Iran die bestehen-
den Zweifel, dass es sich um bloße Lippenbekenntnisse
handeln könnte, langsam aus dem Weg räumen.

Ziel der auferlegten Sanktionen war es, den Iran an
den Verhandlungstisch zu bringen. Das ist gelungen.
Nun muss die internationale Gemeinschaft im Gegenzug
aber auch bereit sein, die Sanktionen zu lockern, wenn
die iranische Seite ihren Verpflichtungen nachkommt.
Dabei sollten vor allem die Sanktionen im Fokus stehen,
die die Zivilbevölkerung treffen. Absolut kontraproduk-
tiv sind an dieser Stelle die Stimmen der Republikaner
aus den USA, die in der aktuellen Situation eine Ver-
schärfung der Sanktionen fordern. Das würde ein auto-
matisches Ende dieses Erfolges, ein automatisches Ende
der Verhandlungen und Gespräche bedeuten.

Meine Damen und Herren, wir sollten aber auch nicht
in allzu große Euphorie verfallen. Denn es ist zu früh,
von einer wirklichen Lösung des Atomkonflikts zu spre-
chen, weil in diesen sechs Monaten viel passieren kann,
zum Guten, aber eben auch zum Schlechten. Trotz des
berechtigten Aufatmens aufgrund dieser Einigung muss
eines klar sein: Sie ist kein Anlass, die erschreckende
Rhetorik des iranischen Regimes gegenüber Israel oder
die nach wie vor krassen und eklatanten Menschen-
rechtsverletzungen im Iran oder die verheerende Rolle,
die der Iran im blutigen Syrien-Konflikt spielt, auszu-
blenden.

Es ist aber auch klar: Das Übergangsabkommen ist
eben doch ein großer Erfolg der Diplomatie. Wer das be-
streitet, muss sich klarmachen, dass die Alternativen, die
auf dem Tisch lagen – mit dieser Formulierung wurde ja
immer wieder über einen Militärschlag gesprochen –, in
ihren Auswirkungen katastrophal gewesen wären. Auf
der einen Seite hätte nicht toleriert werden können, dass
der Iran sein Atomprogramm in vollem Umfang weiter-
betreibt, während immer schärfere Sanktionen die Zivil-
bevölkerung treffen. Auf der anderen Seite hätte eine
militärische Eskalation dieses Konflikts unberechenbare
Folgen für eine Region gehabt, die ohnehin schon durch
zahlreiche Krisen und Konflikte destabilisiert ist.





Agnieszka Brugger


(A) (C)



(D)(B)

Die Einigung ist bei allen berechtigten Zweifeln und
Unwägbarkeiten durchaus ein Anlass, Hoffnung zu fas-
sen, dass vielleicht ein Anfang gemacht wurde, diesen
Konflikt auf diplomatischem Wege zu bearbeiten und ir-
gendwann vielleicht wirklich lösen zu können. Wir soll-
ten alles dafür tun, diesen Weg entschieden weiter zu be-
schreiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stefan Liebich Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff von der CDU/CSUFraktion das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2002, als bis dahin geheime iranische Nuklearanlagen und Beschaffungsaktivitäten aufgedeckt wurden, besteht der Verdacht, dass der Iran ein geheimes Atomwaffenprogramm betreibt. Noch hat der Iran wohl keine Atomwaffen, aber die IAEO zeigt sich in ihren Berichten seit fast zehn Jahren immer besorgter über den möglichen militärischen Charakter des iranischen Nuklearprogramms. Der UN-Sicherheitsrat hat Teheran in zahlreichen Resolutionen zur Klärung der offenen Fragen aufgefordert und seit 2006 mehrere Sanktionsresolutionen verabschiedet. Deutschland und die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder setzen seit Jahren mit großer Geduld auf eine diplomatische Lösung des Konflikts. Der Iran hat aber bisher nur auf Zeit gespielt. Die nun in Genf getroffene Vereinbarung bedeutet erstmals eine politische Einigung über erste Schritte zur Lösung des Konflikts. Das begrüßen wir außerordentlich. Der Verhandlungsansatz, der auf Kooperationsangebote und gezielte Sanktionen setzt, hat sich als richtig erwiesen und zu Bewegung in den zuvor festgefahrenen Verhandlungen geführt. Es hat sich auch als richtig erwiesen, alle Optionen auf dem Tisch zu belassen. Der Iran hat einer langen Liste konkreter Forderungen zugestimmt. Sie sind, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung richtig beschrieben hat, „das größte Bremsmanöver …, seit das iranische Atomprogramm den Kinderschuhen entwachsen ist.“ Das Sanktionsregime bleibt im Kern intakt, und Teheran hat unter den Bedingungen dieses Interimsabkommens nicht die Möglichkeit, heimlich die Entwicklung umfassender nuklearer Kapazitäten voranzutreiben. Teheran muss nun der IAEO den unbegrenzten Zugang zu den Nuklearanlagen ermöglichen. Aber der Außenminister hat zu Recht gesagt: Die Genfer Übergangslösung ist noch kein Endzustand. Der Iran ist jetzt aufgefordert, nicht nur die Auflagen von Genf zu erfüllen, sondern auch die nächsten Monate zu nutzen, um eine substanzielle Lösung des Gesamtkonfliktes zu ermöglichen. Der Iran muss, gemäß den Forderungen aus verschiedenen UN-Resolutionen, endlich den ausschließlich friedlichen Charakter seines Nuklearprogramms nachprüfbar unter Beweis stellen. Wir nehmen die israelischen Besorgnisse hinsichtlich dieser ersten Vereinbarung, aber auch die der unmittelbaren Nachbarn des Iran sehr ernst. Israel kann die Gefahr seiner möglichen nuklearen Vernichtung durch den Iran nicht ignorieren. Auch die neue Koalition bekennt sich zu unserer besonderen Verantwortung gegenüber Israel. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind für uns nicht verhandelbar. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1800328800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1800328900

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt dabei:
Ein nuklear bewaffneter Iran wäre eine Gefahr für die
gesamte Region und darüber hinaus. Den weltweiten Be-
mühungen um Abrüstung und Nonproliferation würde
ein schwerer Schaden zugefügt. Ein nukleares Wettrüs-
ten wäre die Folge: Saudi-Arabien, Ägypten und auch
die Türkei haben schon erkennen lassen, dass sie sich bei
einer atomaren Bewaffnung des Iran zum nuklearen
Nachrüsten gezwungen sähen.

Niemand spricht dem Iran das Recht auf die zivile
Nutzung der Atomenergie ab. Der Iran hat aber nach sei-
nen Verpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag
kein Recht auf eine nukleare Bewaffnung. Eine iranische
Atombombe würde eine erhebliche Gefährdung des
Weltfriedens bedeuten und auch uns bedrohen. Schon
jetzt verfügt Teheran über Langstreckenraketen, die
Europa erreichen können. Wir müssen deshalb auch in
Zukunft verhindern, dass der Iran die Fähigkeit hat,
Atomwaffen herzustellen. Bis dahin halten wir – auch
die neue Koalition – an unserem doppelten Ansatz fest:
Verhandlungen und Sanktionsdruck. Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen, Außenminister
Westerwelle hat sich in den vergangenen vier Jahren mit
Verve für eine diplomatische Lösung des Konfliktes ein-
gesetzt. Herr Minister, die Vereinbarung von Genf ist
auch Ihr Erfolg. Dafür, für Ihren Dienst für unser Land
und für die stets gute und kollegiale Zusammenarbeit
möchte ich Ihnen im Namen der CDU/CSU-Fraktion un-
seren ganz besonderen Dank aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800329000

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Silberhorn

von der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1800329100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

Interimsabkommen mit dem Iran bringt Bewegung in
den Atomstreit: zum ersten Mal seit 2004 mit einem sub-
stanziellen Fortschritt. Das ist nicht nur ein erfolgreicher
Zwischenschritt für alle Beteiligten, es ist insbesondere
auch ein Verhandlungserfolg der Europäischen Union à
la bonne heure.





Thomas Silberhorn


(A) (C)



(D)(B)

So stelle ich mir europäische Integration vor: dass wir
in den wichtigen Fragen erfolgreich sind. Wenn wir den
Menschen erklären wollen, warum europäische Integra-
tion wichtig ist, dann ist es notwendig, dass die Europäi-
sche Union die wichtigen Dinge anpackt und löst und
uns nicht mit Belanglosigkeiten behelligt. Das ist ein gu-
tes Beispiel für Integration.

Ich will hinzufügen, dass sich auch das Format, in
dem verhandelt worden ist, bewährt hat und entwick-
lungsfähig ist. Ich weiß nicht, wie viele Koalitionsver-
träge es in den letzten Jahren gegeben hat, in denen steht,
dass wir einen europäischen Sitz im Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen anstreben und auch als Deutsche
bereit sind, enger mitzuarbeiten. Dieses Format der fünf
ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates plus Deutsch-
land wird den Gegebenheiten in besonderem Maße ge-
recht, und weil es sich hier bewährt hat, glaube ich, dass
es ein Format ist, das sich ausbauen lässt.

Meine Damen und Herren, dieses Interimsabkommen
ist eine Chance für die internationale Gemeinschaft ge-
nauso wie für den Iran. Wir wissen nicht, wann der Iran
die Schwelle zur Atomwaffenfähigkeit überschritten
hätte. Aber es hätte in einem Zeitraum von sechs Mona-
ten, auf den dieses Interimsabkommen ausgelegt ist,
durchaus der Fall sein können. Dann wären wir vor einer
völlig veränderten Situation gestanden. Jetzt haben wir
zumindest eine Atempause.

Das Interimsabkommen ist auch eine Chance für den
Iran, jetzt einen Kurswechsel vorzunehmen, wenngleich
klar ist: Es ist ein erster Schritt, und der Weg zu einer
dauerhaften Lösung ist noch weit. Darüber sind sich die
Verhandlungsparteien übrigens völlig im Klaren gewe-
sen; denn in dem Text ist noch nicht einmal von einem
ersten Schritt die Rede, sondern von Elementen eines
ersten Schrittes. Das zeigt, dass man sich völlig im Kla-
ren darüber ist, was noch zu tun ist.

Eine Lehre kann man aus dem bisherigen Verhand-
lungsprozess ziehen: Die Sanktionen der internationalen
Gemeinschaft haben gewirkt. Die Sanktionen sind ein
wirksames Instrument, wenn sie entschlossen von allen
durchgesetzt werden. Auch das ist eine wichtige Bot-
schaft an alle ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
Dieses Instrument hat seine Wirkung gezeigt. Wenn nun
einzelne Sanktionen suspendiert werden und wenn ein-
gefrorene Gelder durch die USA ausgezahlt werden,
dann ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese
Leistungen nur Zug um Zug gegen die Umsetzung dieses
Interimsabkommens erfolgen können.

Es muss klar sein, dass Sanktionen sofort wieder
verschärft werden müssen, wenn die Umsetzung dieses
Abkommens nicht vorankommt. Deswegen ist es not-
wendig, dass diese Inspektionen täglich durchgeführt
werden. Dass überhaupt umfassende Inspektionen ver-
einbart worden sind, ist ein wichtiger Verhandlungsfort-
schritt; denn anderenfalls hätte man gar nicht feststellen
können, wann der Iran die Schwelle zur Atomwaffen-
fähigkeit überschreitet.

Die internationale Gemeinschaft hat gleichwohl er-
hebliche Vorleistungen erbracht. Ich darf daran erinnern,
dass noch im Jahr 2004 selbst die Uranumwandlung ver-
boten worden war. Jetzt ist auch eine – zeitlich nachgela-
gerte – Anreicherung bis zu 5 Prozent zulässig, aber im-
merhin gibt es die klare Verpflichtung, dass über
5 Prozent angereichertes Uran zu verflüssigen oder zu
oxidieren ist. Dieser Abbau der Vorräte bedeutet, dass
das Interimsabkommen mehr ist als eine bloße Still-
standsverpflichtung. Es kann eine Vertrauensbasis für
eine dauerhafte Lösung bieten, wenngleich man natür-
lich feststellen muss, dass grundsätzlich alle Schritte re-
versibel sein können. Wir können nicht ausschließen,
dass sich der Iran wieder anders entscheidet, aber wir
können darauf hinwirken, dass die Sanktionen in einem
solchen Fall sofort wieder verschärft werden.

Ich kann insofern die Skepsis mancher Beteiligter und
mancher Dritter nachvollziehen. Dieses Abkommen bie-
tet aber dennoch Anlass zu verhaltenem Optimismus. Es
kann Vertrauen wachsen, wenn dieses Interimsabkom-
men jetzt umgesetzt wird und wenn die Verhandlungen
für eine dauerhafte Lösung zügig fortgesetzt werden.
Dabei werden die Fragen zum Schwerwasserreaktor in
Arak ebenso wie mögliche militärische Testversuche in
Parchin Gegenstand der Verhandlungen sein müssen.

Wir müssen – damit will ich schließen – die Beden-
ken Israels gleichwohl ernst nehmen. Ich teile nicht die
Bewertung, dass dieses Zwischenabkommen ein histori-
scher Fehler ist. Aber der Iran hat die Weltöffentlichkeit
nun einmal oft genug enttäuscht. Deswegen ist es jetzt
Sache des Iran, den Nachweis zu erbringen, dass hier
kein taktischer Zeitgewinn erzielt worden ist, sondern es
um eine ernsthafte Lösung dieses Problems geht. Immer-
hin bietet dieses Interimsabkommen die Chance, die
Verschwörungstheoretiker zu widerlegen, die glauben
machen wollen, dass alle es darauf angelegt haben, den
Iran zu isolieren.

Es gibt eine Lösung. Es gibt keinen Konflikt, der
hoffungslos und ohne Lösung wäre. Deswegen müssen
wir die iranische Öffentlichkeit, insbesondere die junge
Generation dieses Landes einbeziehen. Sie muss eine
Perspektive erhalten. Wir müssen auf wirtschaftliche
Entspannung achten und es der iranischen Führung er-
möglichen, sichtbare Ergebnisse vorzuweisen und zu
zeigen, dass sie es besser macht als die Vorgängerregie-
rung in diesem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800329200

Nach diesem Beitrag vom Kollegen Silberhorn

schließe ich die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-
Operation in Darfur (UNAMID) auf Grund-
lage der Resolution 1769 (2007) des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen vom





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)

31. Juli 2007 und folgender Resolutionen, zu-
letzt 2113 (2013) vom 30. Juli 2013

– Drucksache 18/72 –

Ich weise darauf hin, dass wir später über diesen An-
trag namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Kollege
Philipp Mißfelder, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1800329300

Herr Präsident! Eigentlich wollte auch ich dem Bun-

desaußenminister danken, aber er ist leider nicht mehr
anwesend. Der Kollege Schockenhoff hat ihm ja schon
ausführlich gedankt. Im Namen der Arbeitsgruppe „Aus-
wärtiges“ der CDU/CSU-Fraktion möchte ich dem Bun-
desaußenminister aber dennoch dafür danken, dass er
während seines vierjährigen Wirkens Deutschland als
Friedensmacht positioniert hat. Ich möchte ihm für sein
Engagement in diesem Bereich danken. Auch im Namen
von Andreas Schockenhoff möchte ich das für unsere
Fraktion betonen. Dieses Lob kann man ihm ja vielleicht
überbringen.

Meine Damen und Herren, wir beraten jetzt über ein
Mandat – das ist ähnlich wie heute Vormittag bei der De-
batte über den Einsatz im Südsudan –, das wenig Auf-
merksamkeit findet, aber einen sehr ernsten Hintergrund
hat. Wir sehen, dass die Lage im Sudan insgesamt nicht
stabil ist. Trotz der Bemühungen des Internationalen
Strafgerichtshofs in Den Haag stehen wir einer sehr gro-
ßen Herausforderung gegenüber. Bei dem Machthaber
im Sudan handelt es sich um jemanden, der des Völker-
mords angeklagt ist und mit internationalem Haftbefehl
gesucht wird. Allein die Tatsache, dass das Töten im
Land weitergeht, sollte uns besorgen. Nach Angaben der
sudanesischen Ärztevereinigung haben die Sicherheits-
kräfte im September und Anfang Oktober mehr als
200 Menschen getötet. Insgesamt 800 Menschen sollen
verhaftet worden sein.

Zum Hintergrund: Es wird zum Teil von einer Arabel-
lion gesprochen, also von einem Vorgang, der mit dem
arabischen Frühling vergleichbar ist. Allerdings sind die
Hintergründe in diesem vom Krieg zerriebenen Land na-
türlich ganz anders als in Nordafrika, weswegen man
diesen Vergleich nicht so einfach führen kann. Es wird
dort mit großer Brutalität vorgegangen. Seitens offiziel-
ler Stellen gibt es nahezu täglich Meldungen, die uns
zeigen, dass die Menschenrechte nicht ernst genommen
werden und man auch nicht an einer friedlichen
Kooperation mit der Opposition interessiert ist.

Der Informationsminister des Landes hat zum Bei-
spiel vor ein paar Tagen zur Kenntnis gegeben, dass die
Bilder, die uns aus dem Sudan erreicht haben, eigentlich
aus Ägypten stammen würden und dass die Bilder von
Opfern Fälschungen seien. Allein das zeigt, dass die
Regierung im Land selbst nicht in der Lage ist, auf dip-
lomatische Art und Weise mit uns umzugehen, sondern
dass hier gelogen wird und dass die Öffentlichkeit ge-
täuscht wird, um das Töten im eigenen Land zu vertu-
schen.

Die wirtschaftliche Situation ist spektakulär negativ.
Der Staat hat kein Geld, die Inflation ist hoch, und die
Armee, deren Angehörige immer unzufriedener werden,
verschlingt enorm viel Geld. In Ländern, die sich in
einem Konflikt befinden, ist es häufig so, dass sich die
Armee einen Großteil der Ressourcen des Landes ein-
verleibt.

Nach der Unabhängigkeit des Südsudan, über den wir
heute Vormittag diskutiert haben, hat sich die Situation
verschärft. Im Grunde müssten beide Länder kooperie-
ren; denn der Süden hat das Öl, und der Norden hat die
Pipelines und die Durchleitungswege. Trotzdem ist es
nicht möglich, ein vernünftiges Verhältnis auszubalan-
cieren, bei dem beide Länder von den wirtschaftlichen
Vorteilen des Ölexports profitieren.

Vorhin in der Diskussion ist schon über den wachsen-
den Einfluss Chinas gesprochen worden. Auch an dieser
Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass natürlich an-
dere aufstrebende Mächte in der Region präsent sind und
an der Lösung dieser Konflikte nicht immer unbedingt
konstruktiv mitwirken. Umso mehr befürworte ich unse-
ren militärischen Beitrag, den wir an dieser Stelle leis-
ten. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass er sich breit
einbettet in ein ziviles Engagement, das wir massiv vo-
rantreiben.

Die humanitäre Lage ist aber trotz des zivilen Enga-
gements dermaßen schlecht, dass eine militärische Prä-
senz vonnöten ist. Unkontrollierte Waffenströme sorgen
für einen permanenten Nachschub für alle Milizen, für
alle Regierungstruppen, die dort aktiv sind.


(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


– Schön, dass Sie es reinrufen. – Deshalb bin ich froh,
dass wir hinsichtlich der Waffenexporte eine tragfähige
Lösung gefunden haben. Ich glaube, dass der Deutsche
Bundestag gut daran tut, die Waffenexporte, die aus un-
serem Land herausgehen, stärker im Blick zu haben. Das
stellen wir mit der Koalitionsvereinbarung, die wir jetzt
auf den Weg bringen, sicher.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Legendenbildung schon vor der Unterschrift!)


Ich möchte der Bundeswehr danken, die in dieser
schwierigen Mission einen wichtigen Beitrag leistet. Die
Situation dort ist nicht ungefährlich. Wir sind mit einer
geringen Zahl Soldaten dort im Einsatz. Die maximale
Obergrenze des Mandats beträgt 50 Personen. Aktuell
sind neun Deutsche im Hauptquartier von UNAMID
eingesetzt. Wir haben vor ein paar Wochen erlebt, dass
nigerianische Soldaten, die zur internationalen Schutz-
truppe gehören, getötet wurden. Allein dieser spektaku-
läre Angriff auf vier Soldaten aus Nigeria zeigt, dass die
Situation keineswegs harmlos ist, sondern brandgefähr-
lich.





Philipp Mißfelder


(A) (C)



(D)(B)

Viele Leute vergessen, dass seit 2003 nach UNO-
Schätzung insgesamt 300 000 Menschen getötet worden
sind. Es handelt sich also um eine große Katastrophe.
Deshalb werbe ich dafür, dass wir unsere Bemühungen,
unter anderem zur Setzung von internationalen Normen
im Rahmen des Internationalen Strafgerichtshofs, voran-
treiben. Zur Durchsetzung des internationalen Rechts
müssen wir diese UNO-Mission notwendigerweise un-
terstützen. Ich bitte Sie daher im Namen meiner Fraktion
um Zustimmung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800329400

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold, SPD.


(Beifall bei der SPD)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1800329500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

diskutieren jedes Jahr über die Verlängerung des Manda-
tes, und manche fragen sich: Wir haben 10, 11, in der
Spitze 13 Soldaten dort gehabt, muss das wirklich sein?


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Ich meine ja, nicht nur aufgrund unseres parlamentari-
schen Vorbehalts – ein wichtiges Recht des Deutschen
Bundestages, das an keiner Stelle angekratzt werden darf –,
sondern auch weil es wichtig ist, dass Darfur und der
Sudan kein vergessener Konflikt werden. Das ist die
größte humanitäre Katastrophe, die wir auf unserem
Globus seit vielen Jahren haben. Deutschland, Europa
und die Vereinten Nationen können und dürfen nicht
wegschauen. Mein Vorredner hat es schon gesagt: Es
gab über 300 000 Tote, 2 Millionen Flüchtlinge, davon
250 000 im Nachbarland Tschad. Auch dort herrschen
unglaubliche Verhältnisse, die diese Region weiter de-
stabilisieren.

Dieser Konflikt ist im Jahre 2003 eskaliert; vorher
war er latent. Wir sehen heute: Es ist – trotz aller Versu-
che in den Jahren 2011 und 2013 – nur bedingt gelungen,
Friedensprozesse stärker zu implementieren; das ist ganz
eindeutig. Wir mussten lernen: Zu den ursprünglich et-
was klarer abschätzbaren Konflikten – auf der einen
Seite die Regierung des Sudans, auf der anderen Seite
eine große Rebellengruppe – sind sehr große interne
Konflikte auch unter den Aufständischen dazugekom-
men. Das heißt, dieser Konflikt ist viel komplizierter ge-
worden. Das Schlimme ist: Eigentlich gehören nicht nur
der Präsident und einige seiner Minister aus dem Sudan,
sondern auch Rebellenführer vor den Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag. Dies wäre angesagt und
das notwendige Zeichen. Wir können nur hoffen, dass
man ihrer habhaft wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der seit 2012 laufende Doha Peace Process will auch
die anderen Rebellengruppen mit einbeziehen. Das ist
ein mühsamer Prozess. Aber es ist auch Aufgabe der
Soldaten, mandatiert durch die Vereinten Nationen und
die Afrikanische Union – deshalb diese Hybridmission –,
diesen Friedensprozess trotz der komplexen Gemenge-
lage voranzubringen.

UNAMID verfügt im Augenblick wirklich über sehr
wenige Soldaten. Insgesamt sind es aber immerhin fast
15 000. Sie ist also durchaus eine UN-Mission, die Kraft
entwickeln kann. Hinzu kommt, dass wir 4 500 Soldaten
im Sudan haben. Ich möchte, obwohl wir die Bundes-
wehr entsenden, nicht vergessen, auch die Polizisten zu
erwähnen. Es sind und waren immer auch deutsche Poli-
zisten in dieser schwierigen Lage in Darfur tätig. Sie ha-
ben dabei geholfen, Polizeistrukturen aufzubauen, und
leisten wichtige Ausbildungsarbeiten. Herzlichen Dank
den Soldaten und Polizisten, die dort in unserem Auftrag
arbeiten!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wird ja immer wieder eine kritische Debatte über
die Fähigkeiten der Vereinten Nationen geführt: Können
sie solche Einsätze wirklich fahren? Haben sie die Füh-
rungsfähigkeit? Ich glaube, entscheidend wird in den
nächsten Jahren sein: Wenn man wirklich will, dass das
Gewaltmonopol bei den Vereinten Nationen liegt, dann
muss man als Staatengemeinschaft auch stärker dafür
sorgen, dass sie in der Lage sind, in solchen Missionen
tatkräftig eingesetzt zu werden und ihren Auftrag zu er-
füllen.

Insofern können wir nicht glücklich darüber sein, dass
wir Deutsche mit zehn oder elf Soldaten dabei sind. Das
ist immerhin ein erster Schritt. Aber im Grunde genom-
men ist Deutschland im Augenblick das einzige westli-
che Industrieland, das diese UN-Friedensmission über-
haupt unterstützt. Im Rahmen der Polizeimission tun es
die Türken und die Deutschen; auch das ist zu wenig.
Wir sollten uns darauf einstellen, dass wir uns, nachdem
wir unsere Aufgabe in Afghanistan beendet haben, ver-
stärkt um die internationalen Friedensmissionen der Ver-
einten Nationen kümmern müssen; dies wird erwartet.
Sie brauchen nicht in erster Linie Massen von Soldaten,
sondern Beratung, Führungsfähigkeit und technische
Unterstützung. Es ist zum Teil schändlich, wie wir die
Soldaten gerade in Afrika im Stich lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Heute Morgen haben wir schon über das andere Man-
dat im Hinblick auf den Sudan diskutiert. Da wurde von
den Linken der übliche Satz gesagt – er kommt bei Ihnen
in fast jeder Rede vor –: Mit Soldaten kann man keinen
Frieden schaffen.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! Das haben Sie gesagt!)


Frau Kollegin, das ist wohl wahr; das ist eine Binsen-
weisheit. Es behauptet aber auch niemand, dass man dies





Rainer Arnold


(A) (C)



(D)(B)

könne. Die Soldaten sind aber oft nötig, weil es sonst
überhaupt keine andere Ordnungsmacht gibt. Es gibt in
dieser geplagten Region keine funktionierenden Poli-
zeien und keine staatliche Ordnung. Ich würde mir
wünschen, die Linken würden wenigstens bei diesem
Mandat, das doppelt legitimiert ist, mit dem zutiefst hu-
manitäre Aufgaben erfüllt werden, durch das Menschen
geschützt werden, durch das entwaffnet wird – auch das
ist eine Aufgabe –, mit dem die Versorgung der Flücht-
linge sichergestellt wird und bei dem die Deutschen mit
zehn Soldaten vertreten sind, anfangen, ihre Position ein
bisschen zu reflektieren. Gerade Linke haben doch ei-
gentlich eine internationale Sichtweise auf die Krisen-
bewältigung; sie haben auch eine internationale Verant-
wortung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Sozialdemokraten stehen auch weiterhin zu die-
ser Verantwortung: Wir stimmen diesem Mandat zu.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800329600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kathrin Vogler, Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800329700

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Herr Arnold, ich weiß nicht, woher Sie
die Nebelkerzen bekommen haben, die Sie da wieder ge-
worfen haben. Reden wir doch einmal über das, worum
es heute geht: Zum sechsten Mal wollen heute alle Frak-
tionen außer der Linken den Bundeswehreinsatz im Rah-
men von UNAMID im Sudan verlängern.

Wieder behaupten Sie, dieser Einsatz sei ein wichti-
ger Beitrag zum Frieden in Darfur. Schauen wir uns also
an, wie es um den Frieden in Darfur steht! Seit dieser
Einsatz 2007 begonnen wurde, gab es eine ganze Reihe
von Friedensabkommen, die abgesichert werden sollten.
All diese Abkommen haben eines gemeinsam: Kein ein-
ziges Abkommen wurde eingehalten, weder vom suda-
nesischen Militär noch von den verschiedenen Rebellen-
gruppen. UNAMID kann schon deshalb keine
friedenssichernde Maßnahme sein, weil es keinen Frie-
den gibt, den man sichern könnte.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Jagd auf Kriegsverbrecher – lieber Kollege
Arnold, das sollten Sie wissen! – ist nicht Aufgabe von
UNAMID.

UNAMID kann noch nicht einmal die Zivilbevölke-
rung schützen, weil jeder Schritt, jedes Eingreifen mit
der sudanesischen Zentralregierung, also mit einer der
Konfliktparteien, abgestimmt werden muss.

(Rainer Arnold [SPD]: Dann müssten Sie ja für mehr Soldaten sein!)


In den letzten Monaten haben die Kämpfe wieder
massiv zugenommen. Erst vor wenigen Wochen kam es
zu Auseinandersetzungen mit unzähligen Todesopfern.
Allein in diesem Jahr haben die Vereinten Nationen in
Darfur 460 000 Flüchtlinge gezählt.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Lieber zuschauen!)


Da müssten Sie doch den Erfolg Ihrer Strategie, Militär
einzusetzen, einmal evaluieren und ehrliche Schlussfol-
gerungen ziehen!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Was sind Ihre Schlussfolgerungen?)


Denn die Gewalt – und damit das Leid von Millionen
Menschen – geht doch unvermindert weiter.

Warum ist die Situation in Darfur eigentlich so dra-
matisch? Die Konflikte sind im Kern eine Folge ökologi-
scher Verwüstungen, im wahrsten Sinne des Wortes:
Dürre und Bodenerosion haben zu massenhaftem
Hunger geführt. Die hungernden Menschen sind mitsamt
ihrem Vieh in fruchtbarere Gegenden gezogen. Dort kam
es dann zu Kämpfen um Land und Wasser. Die sudanesi-
sche Regierung hat dem nicht nur tatenlos zugesehen, sie
hat die verschiedenen Gruppen auch noch systematisch
gegeneinander ausgespielt. Auch ausländische Mächte
haben ihre Stellvertreter bewaffnet und damit die Desta-
bilisierung der Region befeuert.

Ich habe mich gefreut, als die Bundesregierung im
April dieses Jahres 16 Millionen Euro in Aussicht ge-
stellt hat, mit denen die Ursachen des Hungers in Darfur
bekämpft werden sollten. Nun lese ich, dass noch in die-
sem Jahr mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen
werden soll. Da müssen Sie sich aber ein bisschen beei-
len!


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Erst einmal Sicherheit herstellen!)


Ich hoffe nur, dass diese 16 Millionen Euro jetzt wirklich
eingesetzt werden für Projekte, die Menschen Zugang zu
Wasser und Nahrung verschaffen und die damit nachhal-
tig dem Frieden dienen – nachhaltiger jedenfalls als
UNAMID.


(Beifall bei der LINKEN)


Obwohl Sie wissen, dass, wenn man Konflikte lösen
will, man die Ursachen bekämpfen muss und Konflikte
nur politisch gelöst werden können, verlängern Sie alle
zusammen diesen kontraproduktiven Militäreinsatz ein
ums andere Mal. Die Linke macht das nicht mit, wir
werden das auch weiterhin nicht mitmachen: Wir wer-
den diesem Einsatz nicht zustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun argumentieren Sie, angesichts all des Leids dürften
wir doch nicht nichts tun. Ja, da stimme ich Ihnen zu.
Aber das Militär ist in jedem Fall und so eben auch in
diesem Fall das schlechteste Mittel. Ohne UNAMID hät-





Kathrin Vogler


(A) (C)



(D)(B)

ten wir jährlich 513 000 Euro mehr in der Staatskasse,
die wir für zivile Hilfe einsetzen könnten.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Oh Gott!)


Jetzt lese ich im Koalitionsvertrag von Union und
SPD, dass die Krisenprävention und die Bearbeitung von
Konflikten mit zivilen Mitteln ein stärkeres Gewicht be-
kommen sollen.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sehr richtig!)


Das finde ich gut. Fangen Sie doch hier und heute damit
an: Beenden Sie den Militäreinsatz, und verstärken Sie
die Anstrengungen für eine Dialoglösung!


(Beifall bei der LINKEN)


Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie sich
zuallererst dafür ein, dass die humanitäre Hilfe alle be-
dürftigen Menschen erreicht und nicht von den Konflikt-
parteien für eigene Interessen missbraucht wird.

Gleichzeitig sagt der Koalitionsvertrag auch, dass Sie
künftig noch stärker auf das Militär setzen wollen. Sie
nennen das – hier kommt wieder eine Nebelkerze – „glo-
bale Verantwortung“ und meinen militärische Interven-
tionen. Sie wollen Soldaten künftig öfter auch am Parla-
ment vorbei einsetzen und planen dafür eine eigene
Kommission, die das Parlamentsbeteiligungsgesetz
aufweichen soll, und Sie wollen die zivilen Mittel noch
stärker mit dem Militär verknüpfen.


(Rainer Arnold [SPD]: Wie kommen Sie denn auf diesen Quatsch?)


Wir haben in Afghanistan ja gesehen, wohin das
führt: Wo das Militär das Sagen hat, da können Hilfsor-
ganisationen nicht frei arbeiten.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist doch wirklich blanker Unsinn!)


Sie verlieren ihre Neutralität und werden behindert und
gefährdet.

Erst Anfang der Woche sind in Afghanistan sieben
Mitarbeiter einer französischen Hilfsorganisation getötet
worden. Daraus sollten wir auch für den Sudan endlich
Konsequenzen ziehen.

Zivile Hilfe muss unabhängig vom Militär sein. Wenn
Sie wirklich helfen wollen, dann lassen Sie das Militär
raus.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800329800

Nächste Rednerin ist Kollegin Katja Keul, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800329900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Vor zehn Jahren brach in der sudanischen
Region Darfur ein grauenhafter Bürgerkrieg um knapper
werdende Lebensgrundlagen wie Weideland und Wasser
aus. Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und
massive Vertreibungen waren die Folge. Schätzungs-
weise 300 000 Menschen verloren ihr Leben. 2 Millionen
Menschen befinden sich bis heute allein innerhalb des
Landes auf der Flucht.

Eine nicht unerhebliche Ursache dieses Elends ist der
von uns mit verursachte Klimawandel. Schon deswegen
sind wir als Teil der internationalen Gemeinschaft mit in
der Verantwortung. Wir können nur hoffen, dass die von
Dürre, Krieg und Hunger geplagten Menschen von dem
Desaster in Warschau nicht zu viel mitbekommen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Eine weitere Ursache ist die Brutalität des Regimes in
Khartoum. Umar al-Baschir, gegen den ein Haftbefehl
des Internationalen Gerichtshofs vorliegt, unterstützt
nach wie vor Milizen, die mit äußerster Brutalität gegen
die Zivilbevölkerung vorgehen, und behindert gleichzei-
tig die Arbeit von Hilfsorganisationen.

Vor sechs Jahren hat UNAMID die afrikanische Vor-
gängermission AMISOM II abgelöst. Mit 19 700 Solda-
ten, Militärbeobachtern und Polizisten ist sie eine der
größten Friedensmissionen weltweit. Daran beteiligt
sich Deutschland laut Mandat mit aktuell neun Soldaten
und vier Polizisten. Mal ganz im Ernst, liebe Kollegin-
nen und Kollegen von der Linken: An der übermäßigen
Beteiligung Deutschlands liegt es mit Sicherheit nicht,
dass sich das Waffenstillstandsabkommen bislang nicht
umsetzen ließ.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht behauptet! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist auch kein Argument!)


An alle anderen auf der anderen Seite des Hauses:
Wir sollten endlich die Kapazitäten für Peacekeeping-
Missionen der UN verstärken, statt mit bis zu 700 Solda-
tinnen und Soldaten im Mittelmeer Terroristen zu jagen.
Beenden Sie endlich diesen Quatsch! Die NATO wird es
verkraften, und die UNO dagegen kann durchaus mehr
deutsche Unterstützung gebrauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Seit Anfang dieses Jahres konstatiert der UN-Gene-
ralsekretär wieder eine Zunahme bewaffneter Auseinan-
dersetzungen in Darfur. Allein 2013 wurden 300 000
Menschen vertrieben und mindestens 800 getötet. Ange-
sichts der aktuellen Herausforderung fordert der UN-
Sicherheitsrat eine Stärkung der logistischen und opera-
tiven Fähigkeiten von UNAMID.

Was kann Deutschland im Rahmen der EU dazu bei-
tragen? Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik ist der große Schwerpunkt des EU-Rates im
Dezember. Konkrete Vorschläge für die bessere Unter-
stützung der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der
Friedenssicherung finden sich allerdings nicht auf der
Tagesordnung. Statt dessen beschäftigen sich die EU-
Staatschefs lieber damit, wie der europäische Rüstungs-
markt so gestaltet werden kann, dass die Rüstungsbe-
triebe in Zukunft trotz der Überkapazitäten überleben
können, und wie Europa endlich zu einer eigenen
Drohne kommt.





Katja Keul


(A) (C)



(D)(B)

Für die deutsche Rüstungsindustrie hat Merkel den
Weg zu neuen zahlungskräftigen Kunden in aller Welt
ohnehin schon freigemacht. Dabei sind Waffenexporte in
Krisenregionen immer eine Gefahr für den Frieden. Im
Sudan sind es vor allen Dingen China und Russland, die
mit Waffenlieferungen Öl ins Feuer gießen. Nehmen Sie
also den im Sommer von uns ratifizierten UN-Waffen-
handelsvertrag ernst, und gehen Sie mit gutem Beispiel
voran!

Den Rüstungsexportbericht jetzt zweimal im Jahr
vorzulegen, Herr Mißfelder, reicht dabei sicher nicht.
Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, hierzu
hatten wir im letzten Jahr schon ganz andere konkrete
Vorschläge auf dem Tisch liegen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Vor dem Koalitionsvertrag!)


Wenn wir unseren Blick auf Darfur, auf die Region
und die Nachbarstaaten erweitern, fällt mir noch ein wei-
teres Thema ein, das auf dem Gipfel im Dezember
Thema sein sollte. Der Nachbarstaat, die Zentralafrikani-
sche Republik, versinkt derzeit in einer Welle der Gewalt
und destabilisiert die gesamte Region. Manche Beobach-
ter sprechen von einem drohenden Genozid. Es würden
bereits Macheten in der Bevölkerung verteilt.

Was macht unsere zivile Krisenprävention? Was ma-
chen denn unsere Frühwarnsysteme? Die Franzosen hat-
ten es nach dem Putsch Anfang dieses Jahres dieses Mal
abgelehnt, die für Afrika zuständige Weltpolizei zu spie-
len. Jetzt entsenden sie in diesen Tagen doch wieder
1 000 Soldaten, um das Schlimmste zu verhindern. Wo
ist denn da bitte die europäische Strategie? In einer sol-
chen Situation kann man doch auf einem Gipfel zur Ge-
meinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht
allen Ernstes über die wirtschaftlichen Interessen der ei-
genen Rüstungsindustrie sprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Für die Menschen in Darfur hat UNAMID noch kei-
nen Frieden sichern können, aber ohne UNAMID hätten
die Hilfsorganisationen noch größere Schwierigkeiten,
den Menschen die humanitäre Hilfe zukommen zu las-
sen, die sie so dringend benötigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Den Mitarbeitern, die sich trotz der anhaltenden Gewalt
vor Ort für UNAMID und die zivilen Hilfsorganisatio-
nen einsetzen, gebührt unser aller Dank und Respekt.

Meine Fraktion ist von der Sinnhaftigkeit von UNAMID
überzeugt und wird dem Mandat wie auch in den vergange-
nen Jahren die Zustimmung erteilen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einstimmig!)


Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800330000

Es spricht jetzt Kollege Florian Hahn, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1800330100

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-

gen! Nachdem wir heute Vormittag das Mandat
UNMISS debattiert und verlängert haben – dabei ging es
um den Südsudan –, geht es jetzt um das UNAMID-
Mandat im Sudan. UNAMID ist eine Hybridmission von
Vereinten Nationen und Afrikanischer Union. An dieser
Mission sind aktuell 46 Nationen beteiligt. Deutschland
als einziges EU-Land ist aktuell mit neun oder elf – das
variiert ein wenig – Soldatinnen und Soldaten und vier
Polizisten dabei.

Die drei größten Truppensteller sind Ruanda mit
3 200 Soldaten, Nigeria mit 2 600 Soldaten und Ägypten
mit 2 500 Soldaten. Daran zeigt sich der wichtige und
essenzielle Ansatz, dass die Afrikaner selbst in die Lage
kommen müssen, auf ihrem Kontinent für Sicherheit zu
sorgen. Wir wollen sie dabei unterstützen, dass sie diese
Eigenverantwortung verstärkt übernehmen.

Warum ist dieses Mandat für Sudan so wichtig? Die
Kämpfe – das haben schon viele Kollegen in ihren
Beiträgen zum Ausdruck gebracht – zwischen Rebellen,
Milizen und Armee haben seit 2003 zu mehr als 300 000
Toten und 2,5 Millionen Flüchtlingen geführt. Die Kon-
flikte brechen immer wieder auf. Es geht dabei um Reli-
gionskonflikte; es geht um ethnische Konflikte; es geht
auch um den Zugang zu wichtigen Rohstoffen.

Es ist daher wichtig, die Umsetzung des Friedensab-
kommens von 2006 und den Friedensprozess an sich zu
unterstützen. Welchen Beitrag leistet UNAMID dabei?
Erstens einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung und
zum Aufbau, zweitens, die militärische Präsenz wirkt
mäßigend auf die Konfliktparteien, und drittens, die
Mission verhindert eine weitere Verschlechterung der
humanitären Situation. Unsere Soldaten sind im Haupt-
quartier eingesetzt, nämlich bei der Stabsfunktion im
Bereich Einsatzführung, Logistik, Ausbildung und Per-
sonal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch
einmal auf die Debatte von heute Vormittag zu dem
Mandat UNMISS zurückkommen. Ich habe mich sehr
geärgert; denn die Kollegin Buchholz, die ich jetzt leider
nicht sehe, hat dort gesagt:

… niemand braucht Soldaten, um Wasser- und Bil-
dungsprojekte durchzuführen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde das wirklich zynisch. Das müssen Sie einmal
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hilfsorgani-
sationen und deren Familien sagen.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das sagen die doch selber!)


Wir alle wissen ganz genau, dass diese Ziel massiver
Angriffe vonseiten der Rebellen sind. Sie brauchen den
Schutz von Sicherheitskräften. Wir sind im Übrigen





Florian Hahn


(A) (C)



(D)(B)

auch froh, dass UNAMID den Zugang für humanitäre
Hilfe überhaupt erst möglich macht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kolleginnen und Kollegen, dieser Einsatz genießt
vielleicht nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie beispiels-
weise der Einsatz in Afghanistan. Das mag vielleicht der
Tatsache geschuldet sein, dass nur elf Soldaten von uns
mit dabei sind. Ich bin unserem Minister de Maizière
sehr dankbar dafür, dass er gestern in unserer Fraktion,
aber auch heute in der Debatte zum UNMISS-Mandat
deutlich zum Ausdruck gebracht hat, welche Leistungen
unsere Soldaten dort vollbringen, vor allem, wenn man
bedenkt, unter welchen Voraussetzungen und unter wel-
cher Gefährdung sie dort ihren Dienst versehen. Das
kommt in der Öffentlichkeit ein bisschen zu kurz. Des-
wegen möchte ich an dieser Stelle den Soldatinnen und
Soldaten dort sehr herzlich danken und ihnen viel Er-
folg, Gesundheit und Gottes Segen für die Aufgaben
wünschen, die noch vor ihnen liegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Damen und Herren, UNAMID leistet ei-
nen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der humanitären
Situation im Sudan. UNAMID bildet den Rahmen, der
die Bewältigung der politischen Konflikte überhaupt erst
möglich macht. Wir stehen für Verlässlichkeit und Bünd-
nistreue. Wir wollen ein guter Partner bei der Gestaltung
einer gerechten Weltordnung sein. Daher müssen wir
diesem Mandat zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800330200

Nächster Redner ist Dr. Sascha Raabe, SPD.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1800330300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Im Sudan herrscht seit Jahren bittere Ar-
mut. Die humanitäre Katastrophe ist zum Teil in Verges-
senheit geraten, zum Teil leider immer nur dann im
Fokus der Öffentlichkeit, wenn wir darüber reden, ob
deutsche Soldaten dort weiter an der richtigen und wich-
tigen UNAMID-Mission teilnehmen sollen.

Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir
über ein Land reden, das dauerhaft, auch wenn keine
Kameras auf es gerichtet sind, zu den ärmsten Ländern
der Welt gehört. Es ist das Land mit der höchsten Müt-
tersterblichkeitsrate der Welt. Mehr als die Hälfte der
Menschen leben in bitterer Armut. Wir haben schon ge-
hört, dass die Konfliktursachen dort vielfältig sind: Die
Konflikte sind teils ethnisch-religiös, aber auch ganz
stark verschärft durch mangelnden Zugang zu Wasser
und Weideland. Sie sind auch dadurch bedingt, dass es
bittere Armut gibt.

Ich glaube, als Politiker im deutschen Parlament, die
über einen großen Etat verfügen können, müssen wir
mehr finanzielle Mittel aufbringen, um nicht nur in
Sudan dafür zu sorgen, dass dort, wo es Hunger und Not
gibt, geholfen werden kann, sondern auch in den Nach-
barländern Subsahara-Afrikas dafür zu sorgen, dass sich
dort so etwas wie in Sudan nicht entwickeln kann. Dafür
bitte ich Sie um Unterstützung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir möchten deshalb nicht nur den Soldatinnen und
Soldaten und den deutschen Polizeibeamten danken, die
dort ihren Dienst tun, sondern auch all den Entwick-
lungshelferinnen und Entwicklungshelfern, die unter
ganz schweren Bedingungen und auch unter Einsatz
ihres Lebens und ihrer Gesundheit dort tätig sind. Ihnen
allen auch vom ganzen Hause ein herzliches Danke-
schön!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben die Zahlen bereits gehört. Dieses Land ist
extrem gebeutelt: Es hat 300 000 Tote gegeben. Fast
2 Millionen Menschen leben in Flüchtlingslagern. Bei
aller richtigen Betrachtungsweise der Konfliktursachen,
auf die ich noch zu sprechen komme, kann ich als Ent-
wicklungspolitiker – das sage ich ausdrücklich nicht als
Verteidigungspolitiker; denn ich bin mit Leib und Seele
seit vielen Jahren Mitglied des entwicklungspolitischen
Ausschusses – die Haltung der Linksfraktion nicht ver-
stehen. Ich kann nicht verstehen, wie man sich, wenn
man weiß, dass es grausame Massenvergewaltigungen,
brutale Überfalle und gewaltsame Plünderungen gibt,
die den Alltag der Menschen dort bestimmen, dann einer
Mission verweigern kann, die versucht, den geschunde-
nen Menschen, die in Flüchtlingslagern Schutz suchen,
wenigstens ein bisschen zu helfen. Wie kann man sich
verweigern, diese Lager und die armen Menschen auch
mit militärischem Schutz zu sichern? Das ist schäbig und
verantwortungslos, und es ist absolut nicht tolerierbar.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.
Natürlich kann das Militär diesen Konflikt nicht lösen.
Ich gehöre zu denjenigen, die immer sagen – dafür
werbe ich auch –: Ja, wir brauchen Entwicklungspolitik
als vorausschauende Friedenspolitik. Wir müssen die
Mittel der zivilen Krisenprävention stärken. – Ich bin
froh, dass wir dies genauso wie die Stärkung der Rolle
des zivilen Friedensdienstes im Koalitionsvertrag festge-
schrieben haben. Es ist auch gut, dass wir im Koalitions-
vertrag festgelegt haben, den Fokus stärker auf die ärms-
ten und die fragilen Staaten zu legen. Es war sicherlich
ein Fehler – das gilt im Hinblick auf die alte Regierung –,
die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in die-
sem Jahr zu kürzen





Dr. Sascha Raabe


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und sie gemäß der mittelfristigen Finanzplanung bis
2017 weiter zu kürzen. Deshalb bin ich froh, dass wir
uns in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konn-
ten und dass in den nächsten vier Jahren ohne Finanzie-
rungsvorbehalt wenigstens 2 Milliarden Euro mehr, so-
zusagen als sicheres Geld, für die ärmsten Länder zur
Verfügung stehen. Das ist ein erster wichtiger Erfolg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage aber auch: Bei diesen zusätzlichen 2 Milliar-
den Euro dürfen wir nicht stehen bleiben. Auf dem Weg
zum 0,7-Prozent-Ziel, zu dessen Erreichen sich Deutsch-
land verpflichtet hat, gilt es, mehr finanzielle Anstren-
gungen zu unternehmen. Ich bitte auch die neuen
Kolleginnen und Kollegen im Parlament, sich partei-
übergreifend in den Haushaltsberatungen, wenn es ir-
gendwo noch Spielraum gibt – sei es durch die Einfüh-
rung einer Finanztransaktionsteuer oder aufgrund von
zusätzlichen Geldern, die durch die Bekämpfung der
Steuerflucht eingenommen werden –, dafür einzusetzen,
dass endlich mehr Geld in den vier Jahren, also mehr als
die zusätzlichen 2 Milliarden Euro, für die Entwick-
lungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt wird. Dann
brauchen wir nicht mehr über teure Militäreinsätze zu re-
den. Wir sparen viel mehr Geld, wenn wir jetzt den Men-
schen dort, aber auch in den Nachbarstaaten Sudans in
Subsahara-Afrika helfen, wo die Ärmsten der Armen le-
ben. Entwicklungspolitik als vorausschauende Friedens-
politik kann solche Konflikte wie den in Rede stehenden
verhindern.

In diesem Sinne bitte ich Sie heute um Zustimmung
zu dieser Mission und in den nächsten Haushaltsberatun-
gen – ich werde Sie daran erinnern – um Zustimmung
zur Bereitstellung von wesentlich mehr Geld für die gute
und präventive Entwicklungszusammenarbeit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800330400

Letzter Redner in dieser Aussprache ist Kollege

Johannes Selle, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Selle (CDU):
Rede ID: ID1800330500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Natür-

lich würde ich jetzt lieber sagen: Wir brauchen nach sie-
ben Jahren UNAMID diese Mission nicht mehr. Alles ist
friedlich. Entwicklung kann stattfinden. – Aber bedauer-
licherweise ist die humanitäre Lage in der Region pre-
kär. Noch immer sind 1,9 Millionen Vertriebene in
Flüchtlingslagern auf Nahrungsmittelhilfe und Unter-
stützung durch die internationale Gemeinschaft ange-
wiesen.

Die Implementierung des 2011 in Doha beschlosse-
nen Friedensabkommens hinkt dem Zeitplan hinterher.
Die wichtigsten Rebellenorganisationen, das Justice and
Equality Movement, JEM, sowie die beiden Gruppen um
Minni Minnawi und Abdel Wahid, haben das Abkom-
men zunächst abgelehnt. Der Beitritt des JEM zu diesem
Abkommen im Jahr 2013 ist als wichtiger Erfolg zu wer-
ten.

Zwischen der sudanesischen Armee und Rebellen-
gruppen wie auch zwischen den einzelnen Milizen selbst
kommt es immer wieder zu blutigen Kämpfen. UNAMID
ist daher auch sieben Jahre nach ihrem Beginn keine ein-
fache Mission. Erst am vergangenen Sonntag wurde ein
ruandischer Soldat tödlich verwundet. Es ist wichtig,
dass wir die Arbeit der Soldaten würdigen. Am Sonn-
abend letzter Woche traf ich den dienstältesten deut-
schen Offizier, Oberst Simon, in Juba, der bei UNMISS
dient. Er war außerordentlich erfreut über das Interesse
des Parlaments an der Arbeit der Soldaten und übermit-
telte die Grüße seiner Offizierskameraden, die ihn dazu
ausdrücklich aufforderten. Daher möchte auch ich allen
Soldaten und Polizisten von UN-Friedenssicherungsmis-
sionen danken. Sie bemühen sich um Sicherheit und Sta-
bilität. Ganz besonders denken wir an die deutschen Ein-
satzkontingente, die einen gefährlichen Dienst tun und
auf die für uns selbstverständlichen Annehmlichkeiten
verzichten müssen. Wir brauchen diesen Dienst, schät-
zen ihn hoch ein und werden ihn unterstützen. Wir wün-
schen den Soldaten und Polizisten eine sichere Advents-
zeit.

In der letzten Woche bat der sudanesische Innen-
minister während seines Besuches in Deutschland um
Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen des enor-
men Zustroms von Flüchtlingen aus Ostafrika, dem sich
Sudan gegenübersieht.

Das ist ein Thema, das ohne Zweifel in unserem eige-
nen Interesse liegt. Natürlich wurden von mir die wichti-
gen Themen wie Schutz der Menschenrechte, das Ver-
hältnis zum Südsudan und nicht zuletzt die Lage in
Darfur angesprochen. Immer wieder muss klargemacht
werden, dass die Wahrung der Menschenrechte für uns
oberste Priorität hat und dass die exzessive Gewaltan-
wendung, wie sie sich zuletzt im September bei Demon-
strationen in der Hauptstadt Khartoum manifestierte,
völlig inakzeptabel ist. Wir sollten alle Bemühungen un-
terstützen, die die Beilegung der Konflikte in diesem
Land auf politischem Wege voranbringen.

Ebenfalls im November befand sich eine hochrangige
Delegation der Sudan Revolutionary Front, des Zusam-
menschlusses der einzelnen Rebellenorganisationen, auf
Einladung des Auswärtigen Amtes in Berlin. Auch die-
ses Gespräch wurde genutzt, um die einzelnen Organisa-
tionen eindringlich auf ihre Verantwortung für Frieden
und Schutz der Zivilbevölkerung hinzuweisen. Wichti-
ger Punkt dabei war, dass sowohl Abdel Wahid als auch
Minni Minnawi, die beiden verbliebenen Führer von Re-
bellenorganisationen und Nichtunterzeichner des Doha-
Abkommens, mit am Tisch saßen und sich, wenn auch
verhalten, eine politische Lösung unter Führung der Su-
dan Revolutionary Front vorstellen konnten. Wir sind in
kleinen Schritten vorangekommen und waren noch nie





Johannes Selle


(A) (C)



(D)(B)

so nahe an einer politischen Lösung. Deshalb müssen
wir beharrlich in diese Richtung weitergehen.

Deutschland genießt ein hohes Ansehen auch in dieser
Region. Deshalb gehört es zu unserer Verantwortung, un-
sere relativ kleine personelle Beteiligung an UNAMID
fortzusetzen. Die zehn entsandten Bundeswehrsoldaten
und fünf Polizisten leisten im UNAMID-Hauptquartier
anerkannte und geschätzte Stabsarbeit. Deutschland ist
als einziges westliches Land an dieser Mission beteiligt.
Bei UNAMID geht es nicht nur um die militärische
Komponente der Mission, sondern es geht auch um die
politischen Anstrengungen zur Umsetzung des Doha-
Friedensvertrages.

Liebe Kollegen, die vom neuen Missionsleiter
Mohammed Ibn Chambas angekündigte Intensivierung
der politischen Bemühungen UNAMIDs müssen wir
doch unterstützen. Die Kosten der Mission sind enorm,
und mir wäre lieber, dass dieses Geld in konkrete Ent-
wicklungsprojekte investiert würde. Aber ohne Sicher-
heit kann es keine Entwicklung geben. Im Gegenteil:
Vorhandene Infrastruktur wird bei den Kämpfen zerstört.

UNAMID ist nur ein Teil unseres Ansatzes der ver-
netzten Sicherheit, neben der humanitären Hilfe und den
bereits erwähnten 16 Millionen Euro, die für Wiederauf-
bauprojekte in diesem Jahr bereitgestellt werden. Letzte-
res sollten wir als Parlament eng begleiten und vor allem
auf Eile in der Umsetzung drängen. Ein klares Ja zur
Verlängerung des Einsatzes ist ein klares Bekenntnis zu
unserer Verantwortung für Frieden und Sicherheit in der
Welt. Ein Ja ist auch ein klares Zeichen an die Afrikani-
sche Union, dass wir sie nun, da sie sich verstärkt der
Verantwortung für ihren eigenen Kontinent stellt, nicht
im Stich lassen. Stimmen Sie deshalb dem Antrag zu!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800330600

Hiermit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation in
Darfur UNAMID. Wir stimmen über den Antrag auf
Drucksache 18/72 namentlich ab. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze
einzunehmen.

Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist jetzt
der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über den Antrag
der Bundesregierung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Ich habe den Eindruck,
dass jetzt alle, die ihre Stimme abgeben wollten, dies
auch getan haben. Dann schließe ich hiermit die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Ab-
stimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)

1) Ergebnis Seite 161 C
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf:

– Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des
Investmentsteuergesetzes und anderer Ge-

(AIFMSteuer-Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG)


– Drucksache 18/68 (neu)

– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur An-
passung des Investmentsteuergesetzes und an-
derer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsge-

(AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG)


– Bericht des Hauptausschusses gemäß § 96 der
Geschäftsordnung

– Drucksache 18/113 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch
für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne hiermit die Aussprache. Erste Rednerin ist
Kollegin Ingrid Arndt-Brauer, SPD.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Frau Kollegin, bevor Sie das Wort ergreifen, darf ich
alle, die hier im Saal wichtige Gespräche führen, bitten,
diese Gespräche außerhalb des Plenarsaals fortzusetzen,
damit Sie als Rednerin uneingeschränkte Aufmerksam-
keit genießen können. – Bitte schön, Frau Kollegin.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1800330700

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe ja ein Mikro-

fon, und ich kann auch ein bisschen lauter reden.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren! Wir haben es in den nächsten
30 Minuten mit einer etwas schwierigen Materie zu tun.
Deswegen: Wer daran interessiert ist, muss ein bisschen
zuhören. Es geht um das AIFM-Steuer-Anpassungsge-
setz; das ist ein Gesetz über alternative Investmentfonds.
Wir passen das Investmentsteuergesetz und andere Ge-
setze an das AIFM-Umsetzungsgesetz an. Das ist nötig
geworden, weil Konzerne Verpflichtungen intern über-
tragen können, zum Beispiel ihre Pensionsforderungen.
Es können dafür Rückstellungen gebildet werden. Das
kann bisher in einer bestimmten Art und Weise gehan-
delt werden. Das geht – dazu komme ich gleich noch –
demnächst nicht mehr. Kleine und mittlere Unternehmen
sind davon nicht betroffen; die können ihren Gesamtauf-
wand weiterhin voll verrechnen.

Wir haben heute die erste, zweite und dritte Lesung.
Es ist das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Aber – wir
haben das schon heute Morgen gehört – es ist dringend;
denn wir brauchen Rechtssicherheit bei der Investment-
besteuerung. Wir haben am 14. Dezember 2011 ein
Urteil des Bundesfinanzhofs bekommen, das die bishe-
rige Bilanzierungspraxis bei Pensionsrückstellungen ge-
ändert hat. Die Veräußerung von Pensionsansprüchen
würde ohne gesetzliche Eingriffe beim Veräußerer soge-





Ingrid Arndt-Brauer


(A) (C)



(D)(B)

nannte stille Lasten heben, die auf einen Schlag zu
erheblichen Steuerausfällen führten. Bei der Ausgliede-
rung von Verpflichtungen realisiert der Übertragende
Verluste, sogenannte stille Lasten; der Erwerber reali-
siert einen Gewinn. Für den Fall, dass wir nicht eingrei-
fen, beziffern die Bundesländer die möglichen Steuer-
ausfälle auf 15 Milliarden Euro. Wir müssen dieses
Gesetz bis zum 31. Dezember dieses Jahres verabschie-
den, das heißt, es muss auch den Bundesrat noch recht-
zeitig erreichen.

Durch bereits in der Vergangenheit erfolgte Steuerge-
staltungen, die manche Kreditinstitute auch gezielt ge-
fördert haben, sind bisher schon Steuerausfälle von
knapp 4 Milliarden Euro entstanden. Das heißt, wir müs-
sen jetzt dringend handeln. Wir alle wissen: Wir brau-
chen Geld, nicht nur für die Umsetzung des Koalitions-
vertrags, sondern auch für alles mögliche andere.

Das Vermittlungsverfahren im Bundesrat hat sich ein
bisschen hingezogen; es ging über den Sommer, ist aber
jetzt abgeschlossen. Der vorliegende Gesetzentwurf ent-
spricht der Einigung im Bundesrat. Der gefundene Kom-
promiss ist meiner Meinung nach für alle Seiten tragbar.
Sowohl Verluste als auch Gewinne sollen steuerlich über
einen längeren Zeitraum verteilt werden, also nicht
schlagartig realisiert werden können, was ja zu erhebli-
chen Steuerausfällen führt. Verluste können steuerlich
über 15 Jahre verteilt werden. Damit sind die Steueraus-
fälle erträglich. Die Regelung führt immer noch zu ge-
ringen Mindereinnahmen, aber damit müssen wir leben.
Es geht eben um Pensionsrückstellungen, und die sind
steuerlich geltend zu machen. Auf der Seite des erwer-
benden Unternehmens werden die Gewinne nach der ge-
setzlichen Neuregelung voll einbezogen, zeitlich unbe-
grenzt. Das heißt, da findet eine Besteuerung statt. Auf
diese Weise kann die öffentliche Hand die Steuerausfälle
infolge der geltend gemachten Verluste weitestmöglich
kompensieren.

Für Altfälle, die vor dem Tag des BFH-Urteils ent-
standen sind, also vor dem 14. Dezember 2011, wird
– auch das war im Bundesrat lange sehr umstritten –
Vertrauensschutz gewährt. In den Fällen kann der An-
schaffungsertrag, der Gewinn, die Differenz zwischen
dem niedrigeren Steuerbilanzwert und dem höheren
Handelsbilanzwert, steuerlich über 20 Jahre verteilt wer-
den. Ich denke, das ist eine ganz gute Regelung; sie stellt
den Vertrauensschutz sicher. Neben der Verhinderung
von Steuersparmodellen mittels Hebung dieser stillen
Lasten beinhaltet der Gesetzentwurf eine Reihe weiterer
wichtiger Neuregelungen. Mein Kollege Lothar Binding
wird dies noch detailliert ausführen. Ich will nur kurz an-
deuten: Es gab die Diskussion, ob man Investmentkom-
manditgesellschaften für Pensionsansprüche schaffen
sollte. Wir waren eher der Meinung, dies nicht zu tun;
denn das führte nicht zu einer Steuervereinfachung. Hier
konnten wir uns aber nicht komplett durchsetzen. Jetzt
haben wir eine strikte Zweckbindung der Investment-
KG an die Abdeckung der betrieblichen Altersvorsorge-
verpflichtungen. Es ist trotzdem noch relativ kompli-
ziert. Aber wir hoffen, dass es sinnvoll ist.
Des Weiteren wird es Regelungen geben, um das
FATCA-Abkommen zum Austausch von Steuerdaten
mit den USA oder in Zukunft auch mit anderen Staaten
zu ermöglichen. Auch hierfür bilden wir heute die ge-
setzliche Grundlage. Details, auch zum Thema „Goldfin-
ger“ – das hat nichts mit James Bond zu tun, ist aber
auch recht interessant –, wird mein Kollege weiter aus-
führen.

Ich appelliere noch einmal an Sie alle, obwohl wir die
erste, zweite und dritte Lesung sehr kompakt machen:
Stimmen Sie bitte zu! Es ist sehr wichtig, dass diese
Steuerausfälle nicht entstehen, dass wir dieser Steuerge-
staltung Einhalt gebieten können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800330800

Es spricht jetzt für die Bundesregierung der Parla-

mentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk.


(Beifall bei der CDU/CSU)


H
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1800330900


Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin Arndt-Brauer hat es schon gesagt: Ein
Ziel des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes ist das
Schließen von Gestaltungslücken im Investmentsteuer-
recht. Aber dieses Gesetz hat noch andere wichtige Bau-
steine. Gleich zu Beginn möchte ich dem Kollegen
Michael Meister, unserem stellvertretenden Fraktions-
vorsitzenden, aber auch dem nordrhein-westfälischen Fi-
nanzminister, Herrn Walter-Borjans, dafür danken, dass
sie im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bun-
desrat diesen Gesetzentwurf durch hervorragende Arbeit
vorbereitet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es hat keinen Sinn mehr, sich darüber den Kopf zu
zerbrechen, warum dieser wunderbare Vermittlungsvor-
schlag von Michael Meister und Minister Walter-
Borjans das Parlament am letzten Sitzungstag der Legis-
laturperiode nicht erreicht hat. Es ist müßig, darüber
nachzusinnen. Jetzt – die Kollegin Arndt-Brauer hat das
zu Recht gesagt – müssen wir auch im Interesse des Er-
halts von Steuersubstrat diesen Gesetzentwurf in Bun-
destag und Bundesrat bis zum Jahresende beschließen.
Ich gehe übrigens davon aus, nachdem dieser Gesetzent-
wurf die Zustimmung aller Bundesländer im Bundesrat
gefunden hat, dass alle Fraktionen des Bundestages – sie
alle sind ja an Länderregierungen beteiligt, egal ob in
Form von Rot-Rot oder in Form von Rot-Grün – diesem
Vorschlag des Bundesrates, der auf einem Ergebnis des
Vermittlungsausschusses beruht, zustimmen.

Lassen Sie mich noch einmal die zentralen Inhalte
dieses Gesetzentwurfes deutlich machen. Wir müssen
aufgrund der AIFM-Richtlinie notwendige Anpassungen
im Investmentsteuergesetz vornehmen. Wir wollen Ge-





Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk


(A) (C)



(D)(B)

staltungsspielräume im Investmentsteuerrecht beenden.
Wir wollen allerdings auch im Sinne des Standortes
Deutschland die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen
schaffen, um die grenzüberschreitende Bündelung von
Altersvorsorgevermögen auch in Deutschland zu ermög-
lichen. Dafür gibt es einen schönen englischen Begriff:
Pension Asset Pooling. Ich bin immer dafür, dass wir un-
seren deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die
deutsche Übersetzung solcher schwierigen Begriffe er-
klären, vor allem wenn der Kollege Singhammer heute
dem Bundestag als Präsident vorsteht. Es geht also um
die grenzüberschreitende Bündelung von Altersvorsor-
gevermögen, was auch im Interesse der pensionsberech-
tigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutsch-
land ist.

Die Kollegin Arndt-Brauer hat es bereits gesagt: Wir
haben FATCA unterzeichnet, ein wichtiges Gesetz. Das
zeigt, dass es trotz der Beschwernisse, die wir zu Recht
in Deutschland aufgrund der NSA-Ausspähaffäre haben,
bei wichtigen deutsch-amerikanischen Gesetzesvorha-
ben bezüglich eines gemeinsamen Vorgehens bei der
Steuergestaltung vorangeht. Dann hat die Kollegin
Arndt-Brauer gesagt, dass wir jetzt endlich dem Gestal-
tungsmodell „Goldfinger“, was nichts mit James Bond
zu tun hat, einen Riegel vorgeschoben haben. Diesbe-
züglich haben wir aber auch schon mit einem vorausge-
henden Gesetz gehandelt. Jetzt schließen wir das Ganze
ab.

Lassen Sie mich zu der Bündelung grenzüberschrei-
tender Altersvorsorgevermögen kommen. Das ist wich-
tig, damit auch die Altersvorsorgesysteme grenzüber-
schreitend zusammengelegt werden können. Von den
Effizienzgewinnen – ich habe es schon gesagt – profitie-
ren am Schluss auch pensionsberechtigte Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.

Natürlich ist es wichtig – das war ja ein Begehr des
Bundesrates –, dass durch diese wichtige Maßnahme, die
dem Investitionsstandort Deutschland dient, keine neuen
Gestaltungsspielräume entstehen. Deshalb haben wir
diese neue Möglichkeit so gestaltet, dass die Gestal-
tungsspielräume, die auf der einen Seite geschlossen
werden, auf der anderen Seite nicht neu eröffnet werden
können.

Lassen Sie mich noch etwas zu FATCA sagen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse!)


Das ist ein amerikanisches Gesetzeswerk, der soge-
nannte Foreign Account Tax Compliance Act, durch den
Amerika einen wichtigen Beitrag geleistet hat, um nicht-
kooperationswillige Staaten, also Staaten, die nicht be-
reit sind, Aufklärung bei auslandsbezogenen Steuersach-
verhalten zu leisten, zum Einlenken zu bewegen.
Insofern war es gut und richtig, dass Deutschland und
andere EU-Staaten mit den USA dieses Abkommen ge-
schlossen haben. Es eröffnet uns jetzt die Möglichkeit,
an auslandsbezogene Sachverhalte in den USA heranzu-
kommen. Aber solche Auskunftsersuchen beruhen im-
mer auf Gegenseitigkeit. Wir wollen Informationen der
Amerikaner zur Aufklärung von Auslandssachverhalten
im Steuerrecht; die Amerikaner wollen Informationen
von uns. Das Ganze muss auf gesetzlicher Grundlage er-
folgen. Dabei muss man auch Belange des Datenschut-
zes berücksichtigen. Das ist in einer Verordnung gere-
gelt.

Schließlich haben wir den „Goldfinger“-Sparmodel-
len, die es ermöglicht haben, dass Steuerpflichtige durch
den Kauf von Gold künstliche Verluste erzeugen und
sich dadurch einer Besteuerung nach ihrer wahren Leis-
tungsfähigkeit entziehen konnten, im Jahressteuergesetz
den ersten Riegel vorgeschoben. Jetzt schieben wir
dieser Gestaltung endgültig einen Riegel vor. Das zeigt
übrigens, dass wir im Parlament immer, wenn wir erken-
nen, dass es missbräuchliche Gestaltung gibt, in der
Lage sind, schnell zu reagieren. Das haben wir auch bei
diesen Sachverhalten getan.

Ich darf mich noch einmal bei Michael Meister und
Minister Walter-Borjans bedanken. Wenn die nicht über
den Sommer klug vorgearbeitet hätten,


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben aber nicht abgeschlossen!)


könnten wir heute nicht einen so vorzüglichen Gesetz-
entwurf beschließen.

Jetzt würde ich sagen, liebe Vertreter der Grünen:
Gebt euch einen Ruck und handelt genauso verantwor-
tungsbewusst wie die Grünen, die in den Landesregie-
rungen beteiligt sind, und kartet hier nicht nach! Wir
wissen schon, an wem es gelegen hat, dass wir das in der
letzten Wahlperiode nicht mehr haben beschließen kön-
nen. Aber jetzt solltet ihr einmal verantwortungsbewusst
handeln, auch als Opposition, und diesem guten Gesetz-
entwurf eure Zustimmung nicht versagen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331000

Ich danke dem Staatssekretär, insbesondere für die

zusätzlichen, an das Präsidium gerichteten Erklärungen
und Erläuterungen.

Nächster Redner ist der Kollege Richard Pitterle, Die
Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800331100

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Wir beraten heute ein Gesetz, das ei-
nen sehr langen Namen trägt, vereinfacht: AIFM-Steuer-
Anpassungsgesetz. Mit diesem Gesetz sollen einige
Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Das wird von
allen Seiten betont. Der Finanzminister der nordrhein-
westfälischen rot-grünen Regierung befürchtet sogar
Milliardenverluste für den Fiskus, wenn das Gesetz
heute nicht beschlossen wird. So weit, so gut.

Aber was mir auffällt, ist, dass auch die Lobbyisten-
und Interessenverbände der Finanzindustrie dieses Ge-





Richard Pitterle


(A) (C)



(D)(B)

setz wollen und man fast keine Proteste aus dieser Rich-
tung wahrnimmt. Bei jeder klitzekleinen Regulierung
des Finanzmarktes durch die verflossene schwarz-gelbe
Koalition sah die Finanzindustrie eine Gefahr für die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands am Horizont. Ich
frage mich: Warum hier nicht? Mit diesem Gesetz wer-
den zwar Steuerschlupflöcher gestopft; aber Teile des Ge-
setzes ermöglichen der Finanzindustrie ein profitträchtiges
Geschäftsmodell. Dort geht es um die betrieblichen Pen-
sionskassen. Durch das Gesetz soll in Deutschland das
sogenannte Pension Asset Pooling ermöglicht werden.

Was bedeutet Pension Asset Pooling? Multinationale
Konzerne wollen das Pensionsvermögen der weltweit
für sie tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
bündeln und gemeinsam verwalten. Alle gesammelten
Beiträge für die Betriebsrente sollen also zentral ange-
legt, zentral verwaltet und zentral gesteuert werden. Mit
dieser Bündelung wird zwar einerseits ein höheres Anla-
gevermögen erzielt, das zu höheren Zinssätzen angelegt
sowie zu niedrigeren Kosten gemanagt werden kann;
andererseits besteht die Gefahr, dass mit einer zentra-
len Anlagepolitik die Vermögensanlagerisiken stärker
konzentriert werden. So werden Risiken aus Wechsel-
kursschwankungen oder Anlageausfällen zulasten der
Beschäftigten erhöht. Uns erscheint eine dezentrale An-
lagepolitik weniger riskant, weil damit im Hinblick auf
das gesamte weltweite Pensionsvermögen eine breitere
und bessere Streuung der anzulegenden Mittel erreicht
werden kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Bisher scheitert das weltweite Pension Asset Pooling
in Deutschland an den bestehenden steuerrechtlichen
Vorschriften. Zwar sehen wir auch, dass andere steuer-
rechtliche Regelungen Vorteile aufweisen könnten. Doch
für wen? Sicher profitiert der Fiskus, wenn sich die mul-
tinationalen Konzerne mit dem gebündelten Vermögen
dem Steuerregime im Lande unterwerfen. Aber auch die
Finanzindustrie – das ist unübersehbar – reibt sich schon
die Hände. Nach einer Untersuchung der Personalbera-
tung Towers Watson betrugen allein die von den DAX-
30-Unternehmen angesammelten Pensionsvermögens-
werte zum Jahresende 2012 circa 193 Milliarden Euro.
Das Volumen aller für ein Pooling in Betracht kommen-
den Pensionsvermögenswerte ist noch erheblich größer,
wenn man die übrigen deutschen Unternehmen sowie
ausländische Unternehmen einbezieht.

Die Linke sagt: Wenn es um die Pensionskassen der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, dann kön-
nen die Geschäftsinteressen der Finanzindustrie nicht die
entscheidende Leitlinie sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Daher können wir diesem Teil des Gesetzes nicht zu-
stimmen.

Wenn wir uns heute enthalten, dann deswegen, weil
das Gesetz weitere Inhalte enthält, mit denen tatsächlich
Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Das betrifft
zum Beispiel die Vermeidung von Steuerausfällen in ei-
ner möglichen Höhe von 15 Milliarden Euro, indem man
auf die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur
unterschiedlichen Gewinnermittlung nach Handels- und
Steuerrecht beim Verkauf von Betrieben reagiert. Hier
soll und muss dringend das Schlupfloch möglicher Steu-
ergestaltungsmodelle geschlossen werden.

Schließlich soll durch das Gesetz die Möglichkeit un-
terbunden werden, mithilfe von Rohstoffkäufen, soge-
nannten „Goldfinger“-Geschäften, Steuern zu sparen.
Mit diesen Geschäften hatten gut betuchte Menschen
über Gold- und andere Rohstofffirmen nach britischem
Recht ihre Steuerlast drücken können. Das soll künftig
mit dem Gesetz unterbunden werden. Dem wollen wir
nicht entgegentreten.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331200

Nächster Redner ist Dr. Thomas Gambke, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frage:
Die Verabschiedung dieses Gesetzes ist unabdingbar.
Aber das Gesetz ist handwerklich einfach nicht in Ord-
nung. Ich werde Ihnen erläutern, warum wir uns nicht zu
einer Enthaltung, sondern sogar zu einer Ablehnung ent-
schieden haben.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Und wo kommt das Geld her?)


– Weil wir nicht „hoffen“ wollen, Frau Arndt-Brauer,
dass da etwas in Ordnung gebracht wird, wie Sie sich
ausgedrückt haben, sondern angesichts des Volumens
und der Bedeutung „wissen“ wollen.


(Beifall der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Richtig, der Gesetzentwurf wurde in der 17. Legisla-
turperiode beraten; Frau Tillmann hat heute im Aus-
schuss darauf hingewiesen. Aber, Frau Tillmann, die
SPD hatte ihn damals abgelehnt und der Bundesrat eben-
falls.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Traurig!)


Der Gesetzentwurf ging dann in den Vermittlungsaus-
schuss, und zwar aus gutem Grund: Er musste überarbei-
tet werden. Frau Arndt-Brauer hat das Problem gerade
am Beispiel der stillen Lasten beschrieben. Es kamen
noch andere wichtige Gesichtspunkte hinzu, zum Bei-
spiel die „Goldfinger“-Regelung – darüber ist schon ge-
sprochen worden –; aber es kam eben zu keiner Verab-
schiedung. Ich war im Vermittlungsausschuss dabei, als
wir den zentralen Punkt „Asset Pooling“ und die neu
einzurichtende Kommanditgesellschaft besprochen ha-
ben. Meine Damen und Herren von der Regierung, in
diesem Punkt haben Sie versagt;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


denn es hätte die Möglichkeit bestanden – und sie be-
steht noch heute –, diesen fraglichen Aspekt getrennt zu





Dr. Thomas Gambke


(A) (C)



(D)(B)

verhandeln und den Rest, der unsere Zustimmung finden
würde, hier vorzutragen und zu verabschieden.

Ich will erläutern, warum das so gefährlich ist – Kol-
lege Pitterle hat darauf hingewiesen –: Das Volumen,
über das wir hier reden, entspricht zwei Dritteln des
Bundeshaushaltes. Wir reden also über mehrere Hundert
Milliarden Euro, die in den Pools gesammelt werden.
Wenn dann über eine transparente Besteuerung eine
Steuergestaltung im Ausland ermöglicht wird – und in
Ihrem eigenen Umdruck Nr. 8 erwähnen Sie diese Mög-
lichkeit –, woraufhin der Bundesrat in seine Begründung
schreibt, es seien möglicherweise keine Korrekturen,
sondern neue gesetzliche Vorhaben notwendig, um die
vorhandenen Löcher zu stopfen, dann kann ich nicht ver-
stehen, dass Sie dieses Gesetz heute in der vorliegenden
Form verabschieden wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Koschyk, ein Wort zum Thema Länder. Die Län-
der waren sich der Problematik bewusst. Angesichts des
Volumens, um das es hier geht, haben die Länderfinanz-
minister gesagt: Bei einem möglichen Streit können wir
den Streitwert nicht schultern; das heißt, im Falle einer
gerichtlichen Auseinandersetzung könnten wir nicht den
Klageweg beschreiten, weil der Streitwert zu hoch ist.
Deshalb müssen wir das wieder zurück in die Verantwor-
tung der Bundessteuerverwaltung geben. – So ist das
dann auch im Vermittlungsausschuss beschlossen wor-
den. Das heißt: Nicht die Länder haben den Schwarzen
Peter, sondern wir haben ihn wieder. Deshalb verstehe
ich nicht, wie Sie aus Sicht des Bundes einer Übernahme
der Risiken zustimmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch einen Punkt ansprechen, der erst kürz-
lich bekannt wurde und mich sehr betroffen gemacht hat.
Es gibt Hinweise darauf – wir prüfen das zurzeit –, dass
dieses Gesetz von einer internationalen Steuerkanzlei
ausgearbeitet wurde. Dabei wissen wir doch, dass die
Ausarbeitung eines Gesetzesvorhabens durch eine Kanz-
lei bedeutet, dass dieselbe Steuerkanzlei ihre Leistungen
gleich an einen Konzern verkaufen kann, und da sie sich
im Grunde genommen besser mit Steuerschlupflöchern
auskennt als die Finanzverwaltungen, trägt sie dann
möglicherweise dafür Sorge, dass nicht versteuerte Ge-
winne ins Ausland transferiert werden können. Ich kann
einfach nicht verstehen, wie solch eine Gesetzesvorlage
hier zur Abstimmung vorgelegt werden kann. Wie kön-
nen Sie dafür Verantwortung übernehmen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der SPD kann ich nur sagen: Wir haben eine gewisse
gemeinsame Verantwortung in Bezug auf die Hedge-
fonds. Warum haben Sie nicht aus den Fehlern gelernt?
Wenn man einmal einen Fehler macht, dann ist das okay;
aber Sie gehen ein zweites Mal ein so hohes Risiko ein.
Ich verstehe nicht, wie Sie aus Ihrer Ablehnung auf ein-
mal eine Zustimmung machen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ganz zum Schluss möchte ich noch etwas zum Ver-
fahren sagen. Es hätte die Möglichkeit gegeben, das Ge-
setz in einen funktionierenden Ausschuss einzubringen.
Heute Morgen haben wir darüber geredet. Wenn Sie das
Thema „Pension Pooling“ abgetrennt hätten, hätten wir
im Übrigen schon im Sommer ein Gesetz gehabt – ein-
schließlich FATCA, „Goldfinger“ und all den anderen
Gestaltungsmöglichkeiten –, das wir hier in großer Ei-
nigkeit in Ruhe hätten verabschieden können. SPD und
Union haben sich im Koalitionsvertrag sogar vorgenom-
men – ich habe es gestern gelesen –, ein Investmentsteu-
ergesetz auf den Weg zu bringen. Warum, um Gottes
Willen, haben Sie das nicht getan, sondern diesen kriti-
schen Teil hineingebracht? Warum wollen Sie kein or-
dentliches Gesetz verabschieden? Diesem Gesetz kön-
nen wir so nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331300

Es spricht jetzt Kollege Lothar Binding, SPD.


(Beifall bei der SPD)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1800331400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Auf die Verdächtigun-
gen, die Thomas Gambke geäußert hat, möchte ich jetzt
nicht eingehen. Ich glaube, wir warten ab, bis sie belegt
sind. Es ist natürlich sehr schwierig, das hier zu reflek-
tieren. Ich finde es auch schwierig, das an diesem Ort
vorzutragen, ohne Belege vorzulegen. Die Praktiker in
den Ländern, auch die Praktiker der Grünen, irritiert das;
denn sie sehen das offenbar anders. Ich habe so ein biss-
chen den Eindruck, dass die Grünen ablehnen, weil die
Zustimmung gesichert ist.

Es ist verständlich, dass die Grünen diesen Gesetzent-
wurf ablehnen wollen, weil er möglicherweise Fehler
enthält. Ich will gar nicht ausschließen, dass er Fehler
enthält. Der Gesetzentwurf kann Fehler enthalten. Wir
alle behaupten nicht, absolut fehlerfrei zu arbeiten. So
selbstsicher sind wir nicht. Für die Korrektur von Feh-
lern gibt es aber die Möglichkeit der Novellierung. Die
Grünen lehnen aber noch viel mehr ab – ich will nur die
Stichworte nennen –: Sie lehnen auch die Regelungen
gegen die internationale Gestaltung über Ausschüttungs-
reihenfolgen ab; sie lehnen die Regelungen gegen das
Bond-Stripping ab; sie lehnen die Regelungen gegen die
Gestaltung über Werbekostenabzugsregelungen ab; sie
lehnen die Regelungen gegen die „Goldfinger“-Gestal-
tungen ab. Durch eine Ablehnung würden der internatio-
nalen Finanzindustrie Schlupflöcher ohne Ende geöffnet.
Wollen Sie das?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachbessern, Herr Binding!)


Richard Pitterle hat gesagt, dass er den Aufschrei der
Finanzindustrie vermisst. Ich finde, allein das Fehlen ei-
ner Beschwerde seitens der Industrie oder einer gesell-
schaftlichen Gruppe ist noch kein hinreichender Beleg
dafür, dass ein Gesetzentwurf schlecht ist. Es könnte ja





Lothar Binding (Heidelberg)



(A) (C)



(D)(B)

auch sein, dass der Aufschrei ausbleibt, weil große Teile
in Ordnung sind.

Was wollen wir mit dem Gesetz erreichen? Das ist ein
Investmentfondsbesteuerungsgesetz. Jetzt kann man sa-
gen: Das haben wir doch schon geregelt. Wo ist eigent-
lich das Problem? – Der eine Grund für diesen Gesetz-
entwurf ist eine europäische Regelung. Der andere
Grund ist, dass wir klassische Fonds schon immer sehr
vorsichtig besteuert haben, weil die Erträge ihrer Kun-
den an anderer Stelle besteuert werden. Der klassische
Fonds sammelt Geld ein und investiert es. Dabei geht es
aber nicht um ein Schiff oder die Filmindustrie. Der
klassische Fonds ist auch kein Hedgefonds. Er engagiert
sich nicht im Private-Equity-Bereich. Den grauen Markt
wollen wir nicht schützen. Genau das ist das Problem,
das wir heute lösen wollen: Wir wollen die guten Fonds
in steuerlicher Hinsicht gewissermaßen schützen und die
bösen erfassen. Die Grenze zwischen diesen beiden Sei-
ten zu finden, ist natürlich extrem schwierig. Wo hört die
reine Spekulation auf, und ab wann ist die Realwirt-
schaft betroffen? Ziel ist es, diese Grenze zu definieren.

Wir haben ein kleines Problem. Mit dem Kapitalanla-
gegesetzbuch, das wir indiziert durch europäische Ge-
setzgebung aufgelegt haben – in diesem Zusammenhang
kümmern wir uns um Hedgefonds und solche Sachen –,
ist das Investmentgesetz aufgehoben worden. Jetzt ist es
dummerweise so, dass sich das Investmentsteuergesetz
auf dieses Investmentgesetz bezieht, das es aber nicht
mehr gibt. Das heißt, wir haben ein Gesetz, das sich auf
ein anderes bezieht, das es nicht mehr gibt. Jetzt hat der
Bundesfinanzminister gesagt: Das ist ein Problem. Wo-
rauf beziehen wir uns, wenn es das Gesetz nicht mehr
gibt? Wir legen ein BMF-Schreiben auf, also eine Richt-
linie, die besagt, dass das Gesetz, das es nicht mehr gibt,
doch noch in Kraft ist.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Das ist eine Hilfsmaßnahme, die zwar hilft, aber keine
Rechtssicherheit schafft. Wir wollen aber Rechtssicher-
heit, eine vernünftige Basis für die Leute, die diese Ge-
setze anwenden.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


– Genau, nach dem Stichwort „Rechtssicherheit“ hätte
Applaus kommen müssen. Das ist nämlich ein Haupt-
ziel, das mit dem AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz ver-
folgt wird. Es soll die Lücke schließen und das BMF-
Schreiben, diese Richtlinie, überflüssig machen. Inso-
fern hat dieser Gesetzentwurf heute Zustimmung ver-
dient.


(Beifall bei der SPD)


Man muss auch darauf hinweisen, warum heute Eile
geboten ist. Man könnte doch sagen: Das machen wir
nächstes Jahr. Die Antwort ist einfach: Es geht um große
Beträge – das haben wir gehört –, und die meisten Kapi-
talerträge werden bekanntlich am Jahresende besteuert.
Wenn wir dieses Gesetz nicht mehr in diesem Jahr ver-
abschieden, dann hätten alle Gestaltungsmöglichkeiten,
die ich eingangs genannt habe, für dieses Jahr Rechts-
gültigkeit.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben noch zwei Sitzungswochen, Herr Binding!)


Die Steuererträge wären weg. Das wäre auch mit Blick
auf die Ausgabenwünsche der Grünen schade. Wir wol-
len diese Steuereinnahmen sichern. Deshalb werden wir
dieses Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten lassen,
damit das gesamte Jahr 2013 erfasst ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


Deshalb steht auch in dem entsprechenden Paragra-
fen, dass es auf das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist.

Vielleicht noch eine ganz kleine Formalie: Wer die
Begründung zu dem entsprechenden § 52 des Einkom-
mensteuergesetzes liest, der findet etwas anderes. Dort
steht nämlich: „anzuwenden … nach dem Tag der Verab-
schiedung“. Das ist ein kleiner Fehler, betrifft aber nur
die Begründung. Das können wir heute nicht mehr korri-
gieren; dazu müsste ein Antrag gestellt werden. Wir wis-
sen, dass wir die Begründung nicht beschließen und dass
sich die Menschen bei der Gesetzesanwendung nicht auf
eine Begründung beziehen, sondern auf das Gesetz, und
im Gesetz steht es korrekt. Das wollte ich nur der Voll-
ständigkeit halber auch für das Protokoll erwähnen; denn
das ist für jemanden, der ein Gesetz puristisch liest, eine
kleine Auffälligkeit.

Jetzt schaffen wir eine Investmentkommanditgesell-
schaft, und man fragt sich, ob das klug ist oder nicht. Wir
schaffen eine eigene Rechtsform, um letztendlich hier
ein Problem zu lösen, das an einer anderen Stelle ziem-
lich kompliziert beschrieben ist. Die Antwort ist: Das ist
deshalb nötig, weil wir für diese Fonds eine transparent
zu besteuernde Gesellschaft brauchen. Was heißt eigent-
lich „transparent“? Transparent heißt ja durchsichtig.
Solch ein Unternehmen sieht der Finanzminister nicht,
weil dieses Unternehmen überhaupt keine Steuern zahlt,
sondern der Finanzminister sieht nur den Menschen,
dem dieses Unternehmen gehört; dieser muss dann Steu-
ern zahlen.

Beim Pension Asset Pooling – darüber haben wir
heute schon viel gelernt – ist es so, dass bestimmte steu-
erliche Regelungen der USA in Deutschland nur für
transparente Unternehmen gelten sollen. Deshalb wollen
wir das einführen. Unsere Unternehmen sollen keine
Nachteile dadurch haben, dass die USA für nicht trans-
parente Unternehmen in Deutschland, zum Beispiel Kör-
perschaften, diese Regel nicht zulassen. Um diese Rege-
lungskonformität international zu etablieren, brauchen
wir diese Kommanditgesellschaft, diese IKG. Ihre Schaf-
fung ist natürlich insofern ärgerlich, weil sie vielleicht
neue Schlupflöcher eröffnet. Deshalb wollen wir es nur
auf diesen einen Anwendungsfall konzentrieren.

Jetzt könnte man noch fragen: Warum macht ihr jetzt
eigentlich so etwas Kompliziertes, ihr wollt das Invest-
mentsteuerrecht doch sowieso im großen Stil korrigie-
ren? Die Antwort ist, dass wir hier freundlich gegenüber
denjenigen sind, die sich in diesem Metier bewegen.
Deshalb greifen wir mit dieser Spezialregelung vor. Wir
werden uns sicherlich vornehmen müssen, die Invest-





Lothar Binding (Heidelberg)



(A) (C)



(D)(B)

mentbesteuerung in den nächsten Jahren noch einmal
komplett anzugehen, natürlich europarechtskonform, das
ist klar. Aber als Vorgriff auf diese globale Lösung ist
das heute ein sehr guter erster Schritt. Ich hoffe, dass Sie
mir da folgen können.

Vielen Dank und alles Gute.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331500

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die

Kollegin Antje Tillmann, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1800331600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben heute Morgen darüber diskutiert, dass es schade
ist, dass der Deutsche Bundestag jetzt schon seit mehre-
ren Monaten in keinem geordneten Verfahren berät. Die
Debatte zeigt, dass das nicht stimmt. Aber die Debatte zu
diesem Gesetzentwurf zeigt auch, dass es auf keinen Fall
an der künftigen Koalition liegt, dass in den vier Mona-
ten, in denen keine regelmäßigen Sitzungswochen statt-
fanden, keine Gesetze verabschiedet wurden. Denn wir
hätten im September dieses Jahres sehr wohl das AIFM-
Steuer-Anpassungsgesetz verabschiedet. Wir hatten drei
Monate Zeit, diesen Gesetzentwurf zu verhandeln. Wir
hatten eine erste, zweite und dritte Lesung im Bundes-
tag. Wir hatten im Vermittlungsausschuss darüber bera-
ten. Wir hatten einen Kompromiss, der heute in dersel-
ben Form wieder eingebracht wird, übrigens von der rot-
grünen Landesregierung unterstützt, Herr Dr. Gambke.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aufgrund der Änderungen! Das muss man erläutern!)


Wir hätten den Bürgerinnen und Bürgern und den
Kleinanlegern schon drei Monate früher die Rechtssi-
cherheit geben können, die wir ihnen heute geben wol-
len. Herr Dr. Gambke, Sie sind der Einzige, den ich
heute kritisieren darf. Mit den anderen sind wir ja künf-
tig befreundet.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Verzögerung hätten wir uns ersparen können. Von
daher hoffe ich, dass wir jetzt auf dem Weg sind, diesen
Gesetzentwurf zu verabschieden. Mein Kollege Binding
hat deutlich gesagt: Die Rechtssicherheit hätte eigentlich
zum 1. Juli 2013 schon bestehen müssen, Rechtssicher-
heit nicht in Bezug auf irgendwelche bizarren Finanzin-
strumente, sondern für die Kleinanleger, für die Sparer,
für diejenigen, die vielleicht ihre Altersvorsorge auch in
Fonds investieren und über denen jetzt noch das Damo-
klesschwert der Besteuerung schwebt. Von daher ist es
eilig. Ich glaube, es ist auch an der Zeit, dass wir uns ent-
scheiden. Denn jedes Argument ist ausgetauscht, und
wir haben, Gott sei Dank, heute in der Debatte nur die
Kollegen, die die intensive Beratung im letzten Bundes-
tag mitgemacht haben.

Dieses Gesetz steht – das ist schon gesagt worden –
ganz extrem unter der Überschrift „Kampf gegen Steuer-
hinterziehung und Steuergestaltungen“. Wir gehen gegen
Bond-Stripping vor; diese ganzen Steuergestaltungen
haben ja schicke Namen. Wir verhindern, dass mit In-
vesmentfonds in Anleihen Zinsscheine und Anleihen
auseinandergenommen und voneinander getrennt in ver-
schiedenen Geschäftsjahren besteuert werden; denn
diese Steuergestaltung führt zu Steuerverlusten. Dieser
Umgehung schieben wir einen Riegel vor. Bond-Strip-
ping ist mit dem Inkraftsetzen dieses Gesetzes nicht
mehr möglich.

Wir werden auch sicherstellen, dass nur die Wer-
bungskosten abzugsfähig sind, bei denen Erträge in
Deutschland versteuert werden. Diejenigen, die hier ver-
steuern, dürfen damit zusammenhängende Aufwendun-
gen natürlich abziehen. Aber wenn die Erträge in
Deutschland steuerfrei sind, dürfen auch damit zusam-
menhängende Aufwendungen künftig nicht mehr die
deutsche Steuer mindern.

Das Gleiche machen wir bei der Ausschüttungsrei-
henfolge. Wir regeln im Gesetz erstmalig die Ausschüt-
tungsreihenfolge, um sicherzustellen, dass Erträge nicht
über Jahre durch dauerhafte Thesaurierung der Besteue-
rung entzogen sind und damit in der Finanzplanung des
Finanzministers keine Rolle spielen.

Herr Dr. Gambke, ich weiß nicht, ob dieser Gesetz-
entwurf von einer Rechtsanwalts- oder Steuerberatungs-
kanzlei erstellt worden ist. Aber ich weiß, dass wir zu-
mindest an zwei Punkten die Änderungsanträge selber
formuliert haben:

Die erste Frage lautete, ob wir OGAW genauso be-
handeln wie alternative Investmentfonds. Da haben wir
nämlich noch eine Verschärfung in den Gesetzentwurf
hineingebracht. Selbst OGAW müssen sich der Kon-
trolle unterziehen, ob der zugrundeliegende Zweck tat-
sächlich förderfähig ist.

Bei der zweiten Frage ging es um die Möglichkeit, in
erneuerbare Energien zu investieren; das dürfte ja ei-
gentlich Ihre Zustimmung finden. Diese Möglichkeit ha-
ben wir in dem Gesetzentwurf zusätzlich geschaffen.
Wir haben die Einschränkung selbst formuliert, dass die
neue Investment-KG ausschließlich auf Pensionsvermö-
gen anwendbar ist. Der ursprüngliche Gesetzentwurf
war weitgehender. Da wir in den Beratungen die Mög-
lichkeit erkannt haben, dass damit Steuergestaltungen
vorgenommen werden, haben wir sie durch einen eige-
nen Änderungsantrag eingeschränkt.

Herr Pitterle, Sie haben gesagt, Sie möchten nicht,
dass Pensionsvermögen zentralisiert in einzelne Anlage-
formen fließt. Aber das ist ja gar nicht das Problem. Es
ist nicht das Problem, welche Investitionen man mit die-
sen Anlagen tätigt, sondern wo sie verwaltet werden. Sie
alle tun, was die Risiken betrifft, so, als würden Pension-
Asset-Fonds in der Welt nicht existieren. Doch, sie exis-
tieren schon jetzt. Sie existieren heute an der deutschen





Antje Tillmann


(A) (C)



(D)(B)

Steuer vorbei. Sie existieren heute an der deutschen Auf-
sicht vorbei.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist es! Genau!)


Sie existieren als deutsches Altersvermögen, das ich sehr
viel lieber unter deutscher Kontrolle und in deutscher
Verwaltung hätte als in irgendeinem Schattenstaat, den
wir überhaupt nicht kontrollieren können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Aus meiner Sicht ist genau das Gegenteil richtig: Wir
haben mehr Kontrolle über die Altersvermögen der An-
gestellten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Unternehmen, indem wir es hier unter Aufsicht stellen.

Wir haben ja schon im ersten Durchgang verabredet,
dieses Modell selbstverständlich im Auge zu behalten.
Jede größere Steuerrechtsänderung müssen wir nach ei-
niger Zeit überprüfen. Wir müssen prüfen, ob die Fol-
gen, die wir erwartet haben, auch eingetreten sind oder
ob andere, schädliche Folgen eingetreten sind. Deshalb
werden wir dieses Gesetz natürlich im Auge behalten
und überprüfen.

Wir haben die Möglichkeit des transparenten Infor-
mationsaustausches geschaffen. Das Wort „FATCA“ ist
schon gefallen, der Begriff „Goldfinger“ schon erklärt
worden. Frau Arndt-Brauer hat auch die Pensionsver-
pflichtungen angesprochen.

Wir haben uns im Rahmen der Beratungen dieses Ge-
setzentwurfes auch mit zwei fachfremden Themen be-
fasst, die heute noch nicht angesprochen worden sind. In
der letzten Legislaturperiode haben wir in zwei Schritten
den Grundfreibetrag angehoben. Wir haben die Bürge-
rinnen und Bürger in Deutschland um 2 Milliarden Euro
entlastet, indem wir den Grundfreibetrag an die Inflation
angepasst haben. Wir wollten keine Steuern einnehmen,
die nur durch eine verringerte Kaufkraft entstanden wä-
ren. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir bei den Un-
terhaltsfreibeträgen nach § 33 des Einkommensteuerge-
setzes in gleicher Höhe auch diejenigen begünstigen, die
andere Angehörige oder nahestehende Personen unter-
halten. Das heißt, wir haben nicht nur diejenigen, die sel-
ber Steuern zahlen, entlastet, sondern wir entlasten auch
diejenigen, die Hilfe leisten. Wir stärken damit Familien,
den familiären Verbund und die Solidarität in den Fami-
lien.

Zu einem letzten Punkt, der ein bisschen klein daher-
kommt. Wir haben für Brandunterstützungsvereine
Sicherheit geschaffen. In ganz vielen – über 100 – Verei-
nen haben sich Firmen zu Brandunterstützungsvereinen
zusammengetan, um sich gegen die Gefahr von Bränden
abzusichern. Bei diesen Vereinen gab es hinsichtlich der
Versteuerung große Unsicherheit. Auch für diese Ver-
eine haben wir über einen Freibetrag Rechtssicherheit
geschaffen, wir erkennen das Engagement zugunsten der
Sicherheit von Betrieb und Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern steuerlich an. Auch das ist ein Riesenvorteil
dieses Gesetzes, auch darauf warten Vereine und Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb ist es gut und
richtig, wenn wir dieses Gesetz heute verabschieden.

Ich bin mir ziemlich sicher: Auch wenn wir das Ge-
setz in dieser Fassung noch vier Wochen weiter diskutie-
ren würden, würde Herr Dr. Gambke trotzdem nicht zu-
stimmen. Also spricht nichts dagegen, es heute zu
verabschieden. Wir schaffen damit Rechtssicherheit für
alle Bürgerinnen und Bürger.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331700

Hiermit schließe ich die Aussprache.

Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und der Linken
haben fristgemäß beantragt, gemäß § 80 Abs. 2 unserer
Geschäftsordnung ohne Ausschussüberweisung in die
zweite Beratung einzutreten. Die zweite und die dritte
Beratung sollen jetzt gleich im Anschluss erfolgen.

Wir kommen jetzt zunächst zur Abstimmung über die
Verfahrensweise in Form eines Geschäftsordnungsan-
trags. Zur Annahme dieses Geschäftsordnungsantrags ist
wiederum eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden
Mitglieder erforderlich. Deshalb frage ich jetzt zuerst
– bitte Handzeichen geben –: Wer stimmt für den Ge-
schäftsordnungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Eine Zweidrittelmehrheit ist gegeben
durch Zustimmung der Mitglieder der CDU/CSU und
der SPD und einem Teil der Linksfraktion bei Gegen-
stimmen der Grünen. Damit ist nach § 80 Abs. 2 der Ge-
schäftsordnung diese Form der Abstimmung mit der er-
forderlichen Mehrheit angenommen. Wir treten daher
unmittelbar in die zweite und die dritte Beratung ein.

Zur zweiten Beratung liegt der Bericht des Hauptaus-
schusses als Haushaltsausschuss nach § 96 Abs. 4 der
Geschäftsordnung auf Drucksache 18/113 vor.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da waren die aber fix!)


Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf auf
Drucksache 18/68 (neu) zustimmen wollen, um das
Handzeichen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Bei Zustimmung der Fraktion
der CDU/CSU und der SPD und Gegenstimmen der
Fraktion der Grünen und bei Enthaltung der Fraktion der
Linken ist dieser Gesetzentwurf damit in zweiter Bera-
tung angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Zustim-
mung der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, bei
Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
Enthaltung der Linken ist dieser Gesetzentwurf damit
angenommen.

Ich gebe jetzt das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(B)

Abstimmung zum Antrag auf Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-
Hybrid-Operation in Darfur, UNAMID, bekannt: abge-
gebene Stimmen 573. Mit Ja haben gestimmt 512. Mit
Nein haben gestimmt 59. Enthalten haben sich 2 Mit-
glieder des Hauses. Der Antrag ist damit angenommen.

(D)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571;
davon

ja: 511
nein: 58
enthalten: 2

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Julia Bartz
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. Andre Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Dr. Herlind Gundelach
Monika Grütters
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Dr. Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Rüdiger Kruse
Dr. Roy Kühne
Uwe Lagosky
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Andreas Mattfeldt
Dr. Michael Meister
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Ronald Pofalla
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)

Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier-Heite
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Reinhold Jost
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Christina Kampmann
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Daniela Kolbe (Leipzig)

Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Michelle Müntefering
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Markus Paschke
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Martin Rabanus
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Udo Schiefner
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Wolfgang Tiefensee
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(B)

Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr. Valerie Wilms
Nein

DIE LINKE

Jan van Aken
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Dr. Andre Hahn
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Cornelia Möhring
Dr. Alexander S. Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


Enthalten

SPD

Dr. Ute Finckh-Krämer
Petra Hinz (Essen)


(D)

Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 4 auf:

– Zweite und dritte Beratung des vom Bundes-
rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes über Finanz-
hilfen des Bundes zum Ausbau der Tages-
betreuung für Kinder und zur Änderung
des Kinderbetreuungsfinanzierungsgeset-
zes

– Drucksache 18/69 –

– Bericht des Hauptausschusses gemäß § 96
der Geschäftsordnung

– Drucksache 18/112 –

Wir haben heute Vormittag mit der nach § 80 Abs. 2
unserer Geschäftsordnung erforderlichen Zweidrittel-
mehrheit beschlossen, jetzt in die zweite und dritte Bera-
tung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen
des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder
und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungs-
gesetzes einzutreten.

Der Bericht des Hauptausschusses als Haushaltsaus-
schuss gemäß § 96 Abs. 4 der Geschäftsordnung liegt
auf Drucksache 18/112 vor.

Wir kommen damit unmittelbar zur Abstimmung. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf auf Drucksa-
che 18/69 zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Wir kommen jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist damit mit Zustimmung aller Fraktionen ange-
nommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus
Ernst, Susanna Karawanskij, Katja Kipping,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

(Mindestlohngesetz – MinLohnG)


– Drucksache 18/6 –
Überweisungsvorschlag:
Hauptausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kol-
lege Klaus Ernst, Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800331800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir bringen heute einen Gesetzentwurf ein, der
wortgleich dem Gesetzentwurf ist, der vom Bundesrat
am 1. März 2013 mit der Zustimmung der SPD, der Grü-
nen und der Linken beschlossen wurde. Die Höhe des
Mindestlohns wird in diesem Gesetzentwurf auf
8,50 Euro festgelegt. Wir wissen: Er schützt nicht vor
Altersarmut. Ein Mindestlohn von 10 Euro wäre not-
wendig, um eine Rente zu erhalten, mit der man im Alter
über der Grundsicherung läge, wenn man 45 Jahre lang
zu einem solchen Lohn gearbeitet hätte.

Wir bringen diesen Gesetzentwurf trotzdem ein, weil
es hier im Deutschen Bundestag eigentlich eine Mehr-





Klaus Ernst


(A) (C)



(D)(B)

heit dafür gibt. Die SPD, die Grünen und wir, wir alle
haben im Wahlkampf massiv dafür geworben, einen ent-
sprechenden Mindestlohn zu beschließen, und zwar im
Gegensatz zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart
wurde – ich sage das hier gleich –, für alle und nicht erst
ab 2017, sondern jetzt. Das steht im Gesetzentwurf des
Bundesrates.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben hier eine Mehrheit dafür und könnten
wirklich das Unwesen stoppen, dass Menschen trotz
Vollzeitarbeit nicht von ihrem Lohn leben können und
zum Amt gehen müssen, um aufzustocken. Ich sage Ih-
nen: Ich habe den Eindruck, dass die Wähler – auch die
Wähler der Sozialdemokratischen Partei –, nachdem wir
alle im Wahlkampf dafür geworben haben und auch da-
für gewählt wurden, nicht verstehen, warum es hier im
Deutschen Bundestag eine Mehrheit dafür gibt, diese
Mehrheit aber offensichtlich nicht zum Tragen kommt
und wir nicht rasch einen Mindestlohn für alle verab-
schieden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich glaube, wenn es Schule macht, dass wir ohne Not
trotz Mehrheit diese Mehrheit nicht realisieren und ent-
sprechende Gesetze beschließen, dann bekommen wir ir-
gendwann das Problem, dass sich die Leute fragen, wa-
rum sie eigentlich zur Wahl gehen,


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Verstehen Sie das wirklich nicht?)


wenn hinterher etwas ganz anderes herauskommt, als Sie
in Ihren Wahlprogrammen vereinbart und den Wählern
versprochen haben. Meine Damen und Herren, Sie ha-
ben jetzt die Möglichkeit, das zu korrigieren; das ist
dringend notwendig.

In den Koalitionsverhandlungen haben Sie zuge-
stimmt, dass die Mindestlöhne von 8,50 Euro erst ab
2017 uneingeschränkt gelten. Das ist das Jahr, in dem
die nächste Bundestagswahl stattfinden wird. Das ist die
Position, die Sie vereinbart haben.

Im Übrigen: Für wen gelten diese Mindestlohnrege-
lungen erst ab 2017? Ausgerechnet für die, die gewerk-
schaftlich organisiert sind, weil Tarifverträge, in denen
ein Lohn unterhalb der Grenze von 8,50 Euro vereinbart
wurde, bis 2017 weiter gelten sollen. Wissen Sie eigent-
lich, was Sie hier machen? Ich weiß nicht, ob Ihnen das
bewusst ist. Sie stellen damit Gewerkschaftsmitglieder
deutlich schlechter als die anderen Beschäftigten. Für
diese gilt der Mindestlohn. – Da brauchen Sie nicht mit
dem Kopf zu schütteln. Lesen Sie doch einmal Ihren Ko-
alitionsvertrag durch! Vielleicht hilft das in diesem Fall.
Dann stellen Sie nämlich fest, dass für einen Teil der Be-
schäftigten der Mindestlohn ab 2015 und für die anderen
erst ab dem 1. Januar 2017 gelten soll.

Das bedeutet: Eine ungelernte Verkäuferin im Flei-
scherhandwerk in Sachsen-Anhalt erhält 5,53 Euro. Die-
ser Lohn gilt weiter. Der Tariflohn im Gaststättenge-
werbe im Saarland von 7,38 Euro gilt weiter. Wissen Sie
eigentlich, was Sie da machen? Wissen Sie wirklich, was
Sie da tun? Ich glaube das nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die CDU hat sich in dieser Frage möglicherweise
durchgesetzt. Dabei tun Sie immer so, als ob Sie die Ta-
rifautonomie retten wollten. Wenn Sie Gewerkschafts-
mitglieder schlechterstellen als die übrigen Beschäftig-
ten, dann retten Sie nicht die Tarifautonomie. Sie
gefährden sie! Das ist das, was Sie wirklich wollen,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine weitere Formulierung lässt den Schluss zu, dass
Sie im Übrigen Saisonarbeiter von einem Mindestlohn
generell ausnehmen wollen. Es heißt im Grundgesetz:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dort steht
nichts von der Würde des Deutschen.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch für ungarische, polnische oder sonstige Saisonar-
beiter gilt das Grundgesetz. Von einem Lohn muss man
anständig leben können. Unmöglich, was Sie da verein-
bart haben.

Und: Erst ab 1. Januar 2018 planen Sie eine erste Er-
höhung der Mindestlöhne. Das bedeutet, dass der Min-
destlohn von 8,50 Euro durch die Preissteigerung dann
vielleicht nur noch 8 Euro wert ist. Damit erreichen Sie
noch nicht einmal das, was Sie wirklich wollen, nämlich
dass die Leute mit einer Arbeit nicht mehr aufstocken
müssen. Viele werden zu diesem Zeitpunkt wieder zu
Aufstockern werden, weil ihr Geld nicht reicht.

Meine Damen und Herren, was als sozialdemokrati-
sches Vorzeigeprojekt geplant war, ist ein purer Etiket-
tenschwindel.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800331900

Herr Kollege.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800332000

Ich bin sofort fertig.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800332100

Herr Kollege Ernst, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie

eine Zwischenfrage zulassen. Ich wollte nicht Ihre Rede-
zeit beschneiden.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800332200

Das finde ich sehr nett von Ihnen. Gerne lasse ich die

Zwischenfrage zu. Wer möchte mir denn eine Zwischen-
frage stellen?


Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1800332300

Herr Abgeordneter Ernst, ich will in Ihre Begründung

hinein nur zu meiner Vergewisserung die Frage stellen:
Würden Sie mit diesem Gesetzentwurf tatsächlich wis-
sentlich das Risiko eingehen, dass Sie eine ganze Reihe
von jungen Unternehmern und Dienstleistern in struktur-
schwachen Gebieten – ich weiß, wovon ich rede – in die
Insolvenz treiben oder zur Aufgabe ihres Unternehmens
zwingen? Würden Sie gleichzeitig, da Sie immer für die





Martin Patzelt


(A) (C)



(D)(B)

Arbeitnehmer eintreten, eine ganze Reihe, Hunderte, ja
vielleicht Tausende Arbeitnehmer, die zumindest einen
Teil ihres Lebensunterhaltes selber bestreiten und auch
bestreiten wollen, dann in die völlige Abhängigkeit von
Sozialtransfers schicken?


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800332400

Herr Kollege Patzelt, danke für die Frage. Selbstver-

ständlich wollen wir eines nicht, dass tatsächlich abhän-
gig Beschäftigte durch die Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohns ihren Job verlieren. Es gibt keine einzige
Studie in dieser Republik oder in Europa, die den Zu-
sammenhang herstellt, dass mit der Einführung eines
Mindestlohns Arbeitsplätze verloren gehen. Keine ein-
zige Studie!


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Kollege, Sie haben es wahrscheinlich nicht mit-
bekommen: Wir waren im letzten Jahr mit dem Aus-
schuss für Arbeit und Soziales in Österreich.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da haben Sie Ihr Ferienhaus!)


Dort gibt es einen faktischen Mindestlohn von 8,50
Euro. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere auch die Ju-
gendarbeitslosigkeit, hat in Österreich dasselbe niedrige
Niveau wie hier, trotz eines faktischen Mindestlohns von
8,50 Euro. Es gibt also keinen Zusammenhang zwischen
der Höhe des Mindestlohns und der Beschäftigung. Im
Gegenteil, es gibt einen Zusammenhang, dass durch
mehr Kaufkraft bei den Beschäftigten, die gegenwärtig 4
oder 5 Euro verdienen, die Nachfrage steigen könnte,
was insbesondere dem Mittelstand und kleineren und
mittleren Unternehmen zugutekäme. Das ist der Zusam-
menhang. Ich hoffe, dass Sie sich den einmal wirklich
vor Augen führen.


(Beifall bei der LINKEN)


Danke schön. Sie dürfen sich setzen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das geht Sie gar nichts an!)


Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen?


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt ist es aber gut! Das ist hier doch keine Talkshow!)



Martin Patzelt (CDU):
Rede ID: ID1800332500

Wenn Ihre Argumente stimmen: Warum wollen Sie

das Ganze jetzt mit einer Hauruckaktion durchziehen,
anstatt die Vereinbarung zwischen den Koalitionären ab-
zuwarten und dann in einem kontrollierten Zeitraum mit
abgefederten Folgen zu diesem Ziel zu kommen?


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Weil wir die letzten vier Jahre schon gewartet haben!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800332600

Auch das ist eine schöne Frage. Weil wir seit vier Jah-

ren, wenn nicht noch länger, in diesem Haus über die
Mindestlöhne diskutieren. Weil inzwischen in ganz Eu-
ropa um uns herum Mindestlöhne eingeführt worden
sind – teilweise fast 10 Euro; in Frankreich sind es über
9 Euro – und weil die Leute es endlich satt haben, dass
sie mit Billigstlöhnen abgespeist werden, von denen man
nicht leben kann. Deshalb ist es Zeit, dass wir das end-
lich beenden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss, meine Damen und Herren – das sage
ich insbesondere der SPD –: Sie haben jetzt die Möglich-
keit, vor Ihren Wählern nicht das Gesicht zu verlieren.
Sie haben die Möglichkeit, Ihre Mitglieder mit dem, was
Sie vereinbart haben, nicht in Verzweiflung zu treiben,
und Sie haben vor allem die Möglichkeit, den Frauen
und Männern, die offensichtlich bis zur nächsten Bun-
destagswahl 2017 warten müssen, bis sie einen vernünf-
tigen Mindestlohn kriegen, jetzt vernünftige Löhne zu
verschaffen. Das ist wichtiger als Ministerämter im
Bündnis mit falschen Partnern und gegen Ihre Überzeu-
gung zu stimmen.

Danke fürs Zuhören.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1800332700

Nächster Redner für die Fraktion von CDU/CSU ist

der Kollege Karl Schiewerling.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1800332800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ernst, das war
jetzt erhellend: Ihnen geht es um Mehrheit, uns geht es
um Menschen.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Uns geht es darum, dass wir sachgerechte Lösungen
finden. Denn in der Frage des Mindestlohns und der
Frage der Gestaltung des Arbeitsmarktes geht es nicht
nur um theoretische Lösungen, sondern in der Tat auch
darum, wie was wirkt. Der neue Kollege aus Frankfurt/
Oder hat seine Situation geschildert, die er offensichtlich
tagtäglich in den neuen Ländern erlebt.

Wenn Sie mit Mindestlöhnen aus dem europäischen
Ausland kommen: Natürlich haben wir in Österreich ei-
nen Mindestlohn – von Tarifpartnern gefunden. Natür-
lich haben wir in Frankreich einen Mindestlohn – mit der
Konsequenz, dass die Jugendarbeitslosigkeit gestiegen
ist. Natürlich haben wir in Bulgarien einen Mindestlohn.
Er liegt, glaube ich, jetzt bei 98 Cent. Natürlich haben
wir in den USA einen Mindestlohn. Er liegt bei
4,20 Dollar oder so.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!)


Sie dürfen nicht ständig Birnen mit Äpfeln vergleichen.
Ihr ganzes Ansinnen heute dient dazu, die SPD vorzu-
führen, um sie dazu zu bringen, sich hier sozusagen zu
entblößen. Das ist Ihr Interesse.





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie haben sie über den Tisch gezogen! Das ist der Punkt!)


Wenn es Ihnen wirklich um die Sache ginge, dann wür-
den Sie mit anderen Argumenten kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, einer der
großen geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft,
Professor Dr. Müller-Armack, lange Zeit, nämlich
13
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1800332900
Es
ist marktwirtschaftlich durchaus unproblematisch, einen
Mindestlohn einzuführen, solange der Gleichgewichts-
lohn nicht gestört wird. Das ist volkswirtschaftlich sau-
ber. Wer stellt aber den Gleichgewichtslohn fest? Gleich-
gewichtslohn heißt, dass der Lohn nicht höher ist als die
Produktivität. Wer stellt das fest? Der Deutsche Bundes-
tag?

Deswegen hat sich in Deutschland die Tarifautonomie
entwickelt, und deswegen haben Tarifpartner sich zu-
sammengetan, weil sie sagen: Wir kennen unsere Bran-
che. Wir wissen genau, wie die Produktivität aussieht.
Wir wissen genau, wie sich die Dinge entwickeln. – Das
ist der Grund gewesen, warum sich die CDU in diesem
Wahlkampf und in ihrem Wahlprogramm sehr deutlich
für Mindestlöhne eingesetzt hat, und zwar für tarifliche
Mindestlöhne, in Kenntnis dessen, dass die Marktzusam-
menhänge so sind, wie sie sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den
Linken, wenn ich mir Ihr Programm ansehe und es damit
vergleiche, was wir in unserem Wahlprogramm mit un-
serem Mindestlohnkonzept und der Stärkung der Tarif-
autonomie durch die erleichterte Erstreckung der Allge-
meinverbindlicherklärung, durch die Erweiterung des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für alle Branchen und
andere Dinge mehr gefordert haben, will ich Ihnen sagen
– das tut Ihnen vielleicht weh –: Wir haben für unser
Programm 41,5 Prozent Zustimmung der Bevölkerung
bekommen, und Sie sind unter 10 Prozent gesackt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen rate ich Ihnen sehr dringend, sich bei all den
Forderungen, die Sie hier äußern, zu fragen, ob Sie wirk-
lich die Menschen erreichen und ihre Gefühlslage ge-
troffen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Also, beim Mindestlohn haben wir die Mehrheit!)


In der Tat, meine Damen und Herren: Wir haben in
Deutschland in zwölf Branchen Mindestlöhne nach dem
Entsendegesetz – übrigens alle unter CDU-Kanzler-
schaft eingeführt – sowie im Bereich der Zeitarbeit, und
wir wollen nach dem Koalitionsvertrag noch weiteren
Branchen den Weg über das Entsendegesetz öffnen, da-
mit sie auf diesem Weg konform mit den Tarifpartnern
zu entsprechenden Lösungen kommen.

Wir haben gemeinsam mit der SPD im vorliegenden
Koalitionsvertrag in der Tat vereinbart – jeder weiß, dass
wir keine Freunde dieser Lösung sind; aber Koalitions-
vertrag ist Koalitionsvertrag –, dass es ab dem Jahre
2015 einen Mindestlohn gibt. Ab dem Jahre 2015 des-
wegen, weil sich beispielsweise Regionen und Branchen
darauf einstellen müssen. Ich will Ihnen einmal ganz
deutlich vor Augen führen, warum wir das so machen.
Heute hat Spiegel Online die Nachricht verbreitet – ich
bitte um Genehmigung, das kurz zu zitieren –:

Ausgerechnet die „taz“ hat gerade erklärt, dass sie
weder Mindestlohn für Volontäre noch Tarifgehalt
für ihre Redakteure zahlen kann. Wie verträgt sich
das mit dem Koalitionsvertrag?

So fragt man sich dort: Wie sollen wir das hinbekom-
men, wenn die Volontäre bei uns zukünftig 8,50 Euro
statt 5,50 Euro bekommen sollen?

Sehen Sie, auch wir sind für gerechte Löhne. Deswe-
gen haben wir mit unserem zukünftigen Koalitionspart-
ner vereinbart, den Mindestlohn in Stufen einzuführen,
sodass sich Branchen wie die oben genannte darauf ein-
stellen können. Ich halte das für weitsichtig, für klug und
für ein gutes Ergebnis der Koalitionsgespräche, in denen
mühsam darum gerungen wurde – das gestehe ich ein –,
wir aber am Schluss zu einem fairen Ergebnis gekom-
men sind, mit dem man leben kann. Das legt ganz nach
Müller-Armack die Grundlage, dass die Menschen nicht
hinten herunterfallen, die letztlich davon leben müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich auf einen weiteren Irrtum hinweisen,
den Sie, Herr Ernst, hier vorgetragen haben. Sie haben
behauptet, man könne mit einem Mindestlohn die Auf-
stocker tatsächlich davor bewahren, in Zukunft auf So-
zialhilfe angewiesen zu sein. Das ist purer Unfug. Wenn
ein Aufstocker als Alleinverdiener 8,50 Euro Mindest-
lohn bekommt und drei Kinder zu versorgen hat, wird er
weiterhin auf aufstockende Leistungen angewiesen sein.
Sie glauben doch nicht im Ernst, allein über den Min-
destlohn diese Probleme zu lösen. Die Regelung betref-
fend die Grundsicherung für Arbeitsuchende sieht vor,
dass die Regelsätze und die Bedarfssätze so angepasst
werden, dass beispielsweise die Inflation ausgeglichen
wird und die Lebenshaltungskosten berücksichtigt wer-
den. Wenn jemand wenig verdient und viele Kinder hat,
wird er auch in Zukunft auf aufstockende Leistungen an-
gewiesen sein. Ich sage Ihnen: Es ist nicht ehrenrührig,
wenn der Staat den Familien hilft, in denen Vollzeit gear-
beitet, Mindestlohn bezogen wird bzw. eine entspre-
chende tarifliche Absicherung vorliegt, das Geld aber
trotzdem nicht reicht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten
ihre finanziellen Ausgaben zu bestreiten.

Ich glaube, dass wir im Hinblick auf die Zukunft ins-
gesamt gut aufgestellt sind und dass wir mit dem vorlie-
genden Koalitionsvertrag in diesem Punkt eine gute Ent-
scheidung getroffen haben, und zwar hinsichtlich der
Gesamtheit der entsprechenden Regelungen. Dazu ge-
hört, dass wir den Abschluss von Allgemeinverbindlich-
erklärungen erleichtern wollen. Das heißt, das 50-Pro-
zent-Quorum wird wegfallen. Stattdessen muss die
Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Inte-





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)

resse geboten erscheinen. All das ist vernünftig ausge-
handelt und passt zueinander.

Die eigentliche Botschaft lautet: Wir wollen den
Menschen helfen und dafür sorgen, dass es fair zugeht,
als auch die Tarifpartnerschaft stärken. Das ist die ei-
gentliche Überschrift. Dafür stehen wir ein. Ich halte das
für den richtigen Weg.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800333000

Vielen Dank, Herr Kollege. – Schönen guten Abend

von meiner Seite aus. Ich wünsche uns zwei angenehme
Stunden.

Die nächste Rednerin ist Andrea Nahles von der SPD.


(Beifall bei der SPD)



Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1800333100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ab 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein gesetzlicher
Mindestlohn von 8,50 Euro.


(Beifall bei der SPD)


Damit verbessern wir sofort und auf einen Schlag das
Leben von Millionen Menschen. Zurzeit haben 6,9 Mil-
lionen Menschen einen Stundenlohn von weniger als
8,50 Euro. Wir haben als SPD zusammen mit den Ge-
werkschaften und vielen anderen jahrelang für die Ein-
führung eines Mindestlohns gestritten. Ich bin sehr
glücklich, dass wir das jetzt durchgekämpft haben und
dass nun der Mindestlohn kommt.


(Beifall bei der SPD)


Wenn wir von einem Mindestlohn reden, dann mei-
nen wir damit einen gesetzlich festgelegten Mindest-
lohn, der dynamisiert wird. Wir haben dafür eine Min-
destlohnkommission geschaffen. Dann reden wir davon,
dass er flächendeckend gilt, für alle Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer. Damit sind junge Menschen in Aus-
bildung nicht gemeint, um auch das zu sagen. Die sind
nämlich in einem Ausbildungsverhältnis. Dann reden
wir davon, dass es keinen Unterschied zwischen West
und Ost gibt, was uns sehr wichtig gewesen ist. Und
dann reden wir davon, dass wir tatsächlich keine Aus-
nahmen zulassen; das heißt, er gilt auch für Minijobber
und andere. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben aber – das hat Kollege Schiewerling richtig
dargestellt –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das macht er immer richtig!)


keine Veranlassung gesehen, in bestehende Tarifverträge
einzugreifen. Es gibt zurzeit noch 41 Tarifverträge in
Deutschland, die Tariflöhne unter 8,50 Euro vorsehen.
Wir wollten jetzt nicht in das, was die Tarifpartner mitei-
nander ausgehandelt haben, hineingrätschen. In vielen
dieser Tarifverträge wurden ja übrigens auch Stufen ver-
abredet, sodass die Löhne irgendwann, manche erst ab
2016, bei 8,50 Euro landen werden. Diese Tarifverträge
sollen also die Chance haben, fortzubestehen. Wohlge-
merkt, es gilt aber auch hier: Ab 31. Dezember 2016


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ab 01.01.17!)


gilt überall, auch da, ein Mindestlohn von 8,50 Euro.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800333200

Frau Kollegin Nahles, sind Sie bereit, eine Zwischen-

frage zuzulassen?


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1800333300

Nein, momentan nicht. Ich möchte jetzt weiter aus-

führen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800333400

Herr Schlecht, dann wird nichts daraus.


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1800333500

Darüber hinaus lassen wir auch zu, dass noch neue

Tarifverträge geschlossen werden. Warum auch nicht?
Wir reden hier über Branchen und Regionen, in denen
wir Tarifvertragswüsten haben, in denen die tarifvertrag-
liche Abdeckung weniger als 40 Prozent beträgt. Warum
sollten wir den Gewerkschaften jetzt nicht die Möglich-
keit geben, neue Tarifverträge auszuhandeln, die zu-
nächst weniger als 8,50 Euro vorsehen?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es ist doch geradezu verrückt, daraus ein Problem zu
machen. Das hat auch Michael Sommer, der das gestern
kommentiert hat, klar gesagt – ich zitiere –: Wir sind be-
reit, in diese Verhandlungen hereinzugehen, um man-
chen Branchen zu ermöglichen, in den Mindestlohn hin-
einzuwachsen. – Herr Ernst, Sie haben das eben als
großes Problem für die Gewerkschaften dargestellt. Die
aber wollen das und haben genau diese tarifliche Ausge-
staltung gewünscht. Deswegen kann ich mir nicht vor-
stellen, dass das eine Regelung gegen die Gewerkschaf-
ten ist. Nein, im Gegenteil, es ist eine Regelung mit den
Gewerkschaften, die wir uns vorgenommen haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir müssen aber auch wirksame Kontrollen durchset-
zen. Es darf uns nicht passieren, dass durch die Einfüh-
rung von Mindestlöhnen Wettbewerbsverzerrungen ent-
stehen, weil der eine Unternehmer sie zahlt, der andere
aber nicht. Da haben wir eine ordnungspolitische Auf-
gabe vor uns. Das heißt auch, dass wir den Zoll, der da-
für zuständig ist, entsprechend personell ausstatten müs-
sen.

Wir müssen vor allem auch sicherstellen – das ist eine
wichtige Sache –, dass wir die Branchen, die sich das
momentan noch nicht vorstellen können und Probleme
sehen, in den Dialog integrieren. Wir haben nur gesagt:
Wir wollen mit den Branchen, in denen es Anpassungs-
schwierigkeiten gibt, für die wir Übergangsregelungen
brauchen, ins Gespräch kommen und Lösungen suchen;
denn das Ziel muss doch sein, dass es nachher funktio-
niert, und zwar so, dass alle gut damit leben können und





Andrea Nahles


(A) (C)



(D)(B)

es den Menschen nutzt. Das ist der Anspruch, den wir in
diesem Koalitionsvertrag niedergelegt haben. Das wer-
den wir auch hinbekommen. Da bin ich sehr sicher.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist ja schön, Herr Ernst, dass Sie Ihre Spielchen
spielen und Gesetzentwürfe einbringen. Damit sind Sie
von Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von
10 Euro ja sogar ohne Verhandlungen abgerückt. Sie
schlagen ja in Ihrem Gesetzentwurf heute 8,50 Euro vor.
Das finden wir klasse. Wir waren schon immer der Mei-
nung, dass das eine vernünftige Lösung ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir vor allem haben kein Problem damit, dass das ein
Kompromiss ist. Das ist nämlich etwas, was dazugehört,
wenn man in einer Demokratie Mehrheiten bildet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist nichts, was mich belastet; das ist etwas, was ganz
normal ist. Kompromiss bedeutet, dass man aufeinander
zugeht. Aber das Entscheidende ist: Es ist ein guter
Kompromiss geworden, vor allem für die Menschen in
Deutschland. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte Ihnen sagen – das ist mir vor allem wich-
tig –, dass wir nicht nur den Mindestlohn regeln, sondern
dass wir ein Gesamtpaket schnüren. Eine so deutliche
Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung, wie
wir es uns hier vorgenommen haben, bedeutet, dass in
Zukunft viele ganz normale Arbeitnehmer in Deutsch-
land vielleicht wieder Weihnachtsgeld bekommen,
30 statt 24 Urlaubstage haben. Bisher ist es so, dass Ar-
beitnehmer da, wo es keine Tarifverträge gibt, das nicht
haben. Wenn wir die Möglichkeit der Allgemeinverbind-
licherklärung verbessern, dann tun wir auch für ganz
viele Arbeitnehmer etwas, die mehr als den Mindestlohn
verdienen. Wir wollen aber, dass es auch denen am Ende
besser geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass die Ta-
rifpartnerschaft in Deutschland immer mehr unterhöhlt
und zum Flickenteppich wird. Warum? Gerade in der
Krise, die wir vor einigen Jahren erlebt haben, hat sich
die Tarifpartnerschaft als Stabilitätsfaktor und Stärke un-
seres Landes erwiesen. Die Vorschläge, die wir hier erar-
beitet haben, werden einen riesigen Beitrag zur Fortset-
zung dieser Entwicklung leisten.

Es wird ja öffentlich kritisiert, die Große Koalition
stehe für viel Klein-Klein.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja auch!)


Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von
8,50 Euro haben wir aber einen Durchbruch geschafft.
Wenn das kein Meilenstein ist, dann frage ich mich: Was
ist sonst ein Meilenstein?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Keine Steuererhöhungen!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800333600

Danke, Frau Kollegin. – Ich erteile das Wort dem

Kollegen Klaus Ernst zu einer Kurzintervention. Andrea
Nahles, Sie haben anschließend die Möglichkeit, zu er-
widern.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800333700

Frau Nahles, ich habe den Eindruck, Ihr Beitrag

orientierte sich an dem Lied, das Sie hier einmal gesun-
gen haben: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Singen!)


Ich möchte Sie darauf hinweisen, warum es in einigen
Bereichen tatsächlich so schlechte Tarifverträge, die Sie
jetzt auch noch fortschreiben wollen, gibt. Die Ursache
dafür ist, dass Gewerkschaften dort noch Arbeitgeber
gefunden haben, die bereit waren, oft äußerst schlechte
Tarifverträge abzuschließen, um zumindest noch
schlechtere Löhne zu verhindern. Die Gewerkschaften
haben nie Tariflöhne in dieser Höhe gewollt. Kaum ein-
mal kam in den Löhnen in diesen Bereichen die Leis-
tungsfähigkeit, das Engagement der Beschäftigten zum
Ausdruck.

Jetzt habe ich eine Frage an Sie. Wie wollen Sie es ei-
gentlich jemandem erklären, dass für einen Beschäftig-
ten, der in keiner Gewerkschaft und nicht tarifgebunden
ist, ab 1. Januar 2015 der Mindestlohn gilt, während er
selber, der in einem anderen Betrieb der gleichen Bran-
che, der womöglich auf der anderen Straßenseite liegt
und in dem ein Tarifvertrag gilt, arbeitet, weniger Lohn
bekommt, da die Neuregelung des Mindestlohns für ihn
erst zwei Jahre später gilt?


(Zuruf von der SPD: Na und? – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist das Problem?)


– „Na und?“ Wenn das für Sie, Herr Kollege, kein Pro-
blem ist, dann müssten Sie wirklich einmal über Ihr Ver-
hältnis zu den Gewerkschaften nachdenken.

Im Ergebnis stellen Sie mit Ihrer Politik – ich bleibe
dabei – die Gewerkschaften schlechter. Wenn Sie Ge-
werkschaftsmitglieder schlechterstellen als diejenigen,
die nicht in einer Gewerkschaft sind, für die also kein
Tarifvertrag gilt, dann ist das keine Beförderung, son-
dern eine Gefährdung der Tarifautonomie.

Ich möchte, bitte schön, wissen, wie Sie das beschrie-
bene Dilemma auflösen wollen? Was wollen Sie denn
dem Arbeitnehmer sagen, der dieselbe Arbeit wie ein





Klaus Ernst


(A) (C)



(D)

Kollege macht, aber durch Ihre Regelung ab 2015 weni-
ger verdient?


(Beifall bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das muss ich aber nicht verstehen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Nein, das muss ich auch nicht verstehen!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800333800

Frau Nahles, zur Erwiderung, bitte.


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1800333900

Herr Ernst, erstens möchte ich, bevor hier Gerüchte

aufkommen, einmal klarstellen: Durch diese Regelung
wird niemand weniger als vorher verdienen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber weniger als der andere!)


Das Gegenteil ist der Fall.
Zweitens. Ich möchte Ihnen sagen, dass wir ausdrück-

lich festgehalten haben, dass es um Verabredungen mit
repräsentativen Tarifpartnern geht. Wir haben unsere Er-
fahrungen mit der Leiharbeit gemacht, als nicht reprä-
sentative Gewerkschaften Dumpingtarife ausgehandelt
haben. Dass das nicht mehr möglich ist, werden wir mit
dieser Regelung klarstellen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das sind Werbetarifverträge!)


Drittens. Die Unternehmen konnten gegenüber den
Gewerkschaften oft deshalb schlechtere Löhne durch-
drücken, weil es in ganzen Regionen überhaupt keine
Tarifstrukturen mehr gibt. Das ist vor allem in Ost-
deutschland der Fall. Wenn wir das strukturell verbes-
sern können, dann haben die Arbeitnehmer auf Dauer et-
was von dieser Regelung.

Als Letztes möchte ich Ihnen sagen, dass wir ganz si-
cher sind, dass wir es schaffen werden, die von mir hier
bereits dargestellte Möglichkeit zur einfacheren All-
gemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen auch
schnell durchzusetzen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Da bin ich gespannt!)


Was wir da machen, das muss man zusammendenken.
Sie picken sich einen Punkt heraus. Es gibt aber ein Ge-
samtpaket. In der Kombination ist so eine deutliche Ver-
besserung da.

Im Übrigen: Letzter Termin ist der 31. Dezember
2016, Herr Ernst.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: 01.01.17!)

Dann gilt das Günstigkeitsprinzip für alle bestehenden
Tarifverträge, und dann haben wir einen Mindestlohn
von 8,50 Euro überall.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: In drei Jahren!)

Das ist der Zusammenhang. Ich bitte Sie, das zur Kennt-
nis zu nehmen.


(Beifall bei der SPD)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334000

Vielen Dank. – Das Wort als nächste Rednerin hat

Brigitte Pothmer von Bündnis 90/Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334100

Frau Präsidentin, vielleicht darf ich zunächst sagen:

Ich freue mich, dass ich unter Ihrer Amtsführung, –


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334200

Ich hoffe, das bleibt so.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334300

– unter Ihrer großzügigen Amtsführung, von der ich

auch zu profitieren hoffe,


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


heute hier meine Rede halten darf.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334400

Das wird Ihnen nicht auf die Redezeit angerechnet.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334500

Ich will jetzt ganz deutlich sagen, Herr Ernst: Ich

halte es für einen großen gesellschaftlichen Fortschritt,
dass es zukünftig auch in Deutschland einen flächende-
ckenden Mindestlohn geben soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich halte es im Übrigen auch für einen Fortschritt – das
sage ich einmal zur rechten Seite des Hauses –, dass es
inzwischen offensichtlich doch Einigkeit darüber gibt,
dass der Mindestlohn nicht der Untergang des Abend-
lands ist, sondern ein sinnvolles Instrument, um Lohndum-
ping und Armutslöhne zu bekämpfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber, liebe Frau Nahles, ich habe mir den Koalitions-
vertrag zu dem Thema natürlich sehr genau angesehen.
Ich gebe zu: Da war eine ganze Menge Ernüchterung da-
bei. – Sie können nicht wegreden: Mindestens bei der
Einführung des Mindestlohns haben Sie ein Zweiklas-
sensystem. Für die einen gilt: Der Mindestlohn tritt 2015
in Kraft. Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Ich
halte es für notwendig, dass es eine Übergangsphase
gibt; natürlich kann man einen Mindestlohn nicht von
heute auf morgen einführen. Aber warum soll das, was
für die einen Betriebe möglich ist, sich nämlich bis 2015
darauf einzustellen, für die anderen nicht möglich sein?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Nahles, Sie werden gefragt werden. Wie wollen
Sie es zum Beispiel den Beschäftigten des Wach- und
Sicherheitsgewerbes, die nach einem repräsentativen Ta-
rifvertrag 7,50 Euro verdienen, den Wäschereibeschäf-
tigten, den Floristinnen, den Gärtnerinnen und den Tank-

(B)






Brigitte Pothmer


(A) (C)



(D)(B)

warten erklären, dass sie noch zwei weitere Jahre für
Dumpinglöhne arbeiten müssen? Ausgerechnet die – da
hat Herr Ernst doch vollkommen recht –, die gewerk-
schaftlich organisiert sind, deren Betriebe sich unter dem
Dach der Tarifvereinigung befinden, werden jetzt be-
straft. Das ist ein Problem. Das können Sie nicht vom
Tisch wischen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Das ist keine Petitesse. Es ist auch keine kleine Gruppe.
Es sind ungefähr 1 Million Menschen betroffen.

Ich glaube nicht, Herr Schiewerling, dass Sie mit die-
sem Konzept Tarifverträge attraktiver machen. Wenn die
Beschäftigten, die unter einen Tarifvertrag fallen, erle-
ben, dass sie weniger verdienen als die, die in den soge-
nannten weißen Flecken arbeiten, dann macht es das
nicht attraktiver, sich in diesem Bereich zu engagieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Einen weiteren Punkt finde ich problematisch. Sie
frieren den Mindestlohn für vier Jahre ein.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau!)


– Genau. – Was heißt das denn konkret? Das heißt, dass
der Mindestlohn 2018 real eigentlich nur noch 7,50 Euro
beträgt. 2018 haben wir, was den realen Wert angeht, ei-
nen Mindestlohn von 7,50 Euro. Damit machen Sie aber
Ihre eigene Argumentation kaputt. Sie haben gesagt,
8,50 Euro brauchen wir mindestens, damit ein alleinste-
hender Vollzeitbeschäftigter von seinem Lohn leben
kann, ohne dass er zusätzlich Hartz IV bekommt. Wenn
Sie den Mindestlohn so einfrieren, dann schicken Sie da-
mit 2018 alle wieder in die Jobcenter. Das ist ein Pro-
blem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich finde im Übrigen auch, dass Sie mit der Konstruk-
tion der Mindestlohnkommission einen Riesenfehler be-
gehen. Sie degradieren die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, die in dieser Kommission mitarbeiten
sollen, zu stimmlosen Beratern. Das hat mit der Low Pay
Commission, die es in England gibt und die für den
Mindestlohn eine sehr große Akzeptanz geschaffen hat –
auch im Arbeitgeberlager –, überhaupt nichts mehr zu
tun.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es! Richtig!)


Wenn Sie die Mindestlohnkommission so lassen, wie
Sie sie konzipiert haben, dann prognostiziere ich Ihnen,
dass es zu den alten Grabenkämpfen zwischen Arbeitge-
berlager und Gewerkschaften kommt, wie wir sie jetzt
im Tarifausschuss haben. Das wird zum Stillstand füh-
ren. Das wird uns nicht weiterbringen. Deswegen müs-
sen wir etwas tun. Sie verpfuschen mit diesem Konzept
die Mindestlohnkommission. Das ist ein großer Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Jetzt hoffe ich auf das Gesetzgebungsverfahren. Ich
hoffe, dass wir in diesem Gesetzgebungsverfahren tat-
sächlich die Chance erhalten, unsere guten, nachvoll-
ziehbaren und sachlichen Argumente einzubringen, Sie
damit zu überzeugen. Ich verspreche Ihnen: Wenn es um
einen guten Mindestlohn geht, dann machen wir jeder-
zeit Überstunden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334600

Danke, Frau Kollegin, liebe Brigitte Pothmer. – Als

nächster Redner hat das Wort Dr. Matthias Zimmer,
CDU/CSU.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1800334700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich ge-

stehe, ich war sehr gespannt darauf, wie sich die Linke,
diese Erben der geistigen Tradition eines Karl Marx, nun
als stärkste Oppositionskraft im Deutschen Bundestag
aufstellen würde. Würden wir intellektuelle Feuerwerke
zu erwarten haben, tiefsinnige Einwände gegen eine
Politik der Großen Koalition – dialektisch geschult –,
zukunftsweisende Alternativvorschläge?


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ihr sollt es ja auch verstehen!)


Als ich den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
eines Mindestlohns in die Hand nahm, war ich dann
doch etwas enttäuscht. Es ist eins zu eins der Gesetzent-
wurf der SPD aus der letzten Legislaturperiode,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ja der Clou!)


also ein reines Plagiat. Nun ist ein Plagiat häufig ja auch
Ausdruck einer besonderen Verehrung,


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


aber hier hatte ich eher den Eindruck: Es ist der Versuch,
parlamentarische Spielchen zu treiben, wie ich sie im
Deutschen Bundestag nicht vermutet hätte.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir heute schon ganz schön viele gespielt!)


Und so drängt sich angesichts Ihrer Spielchen doch der
Verdacht auf: Die einreichende Fraktion ist weniger in
der intellektuellen Tradition von Karl Marx als in der
Slapsticktradition von Groucho Marx.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde es schade, wie Sie dieses Thema missbrauchen.
Das haben die Menschen, die auf Mindestlöhne ange-
wiesen sind, nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Matthias Zimmer


(A) (C)



(D)(B)

Meine Damen und Herren, das Thema Mindestlohn
hat uns in der letzten Legislaturperiode sehr beschäftigt.
Ich darf an dieser Stelle an den verstorbenen Kollegen
Ottmar Schreiner erinnern. Er hatte in einer seiner letz-
ten Reden – auch zum Thema Mindestlohn – Adam
Smith zitiert. Und Smith, dieser Stammvater des Kapita-
lismus, hatte in seinem Buch über den Wohlstand der
Nationen – wohlgemerkt: den Wohlstand der Nationen,
nicht den Reichtum Einzelner – den Begriff des gerech-
ten Lohns geprägt. Smith hatte diesen definiert als einen
Lohn, den ein Arbeiter braucht, um sich und seine Fami-
lie zu ernähren. Das Thema ist also schon über 200 Jahre
alt.


(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])


Es ist im Übrigen auch in einer ganz ähnlichen Formu-
lierung in der ersten großen Sozialenzyklika der katholi-
schen Kirche von 1891 verwendet worden und seither
auch eines der Schmuckkästchen christlich-sozialer Tra-
dition.

Smith war zwar Ökonom, aber er war auch – darauf
hat Ottmar Schreiner ebenfalls hingewiesen – Moralphi-
losoph. Ihm war schon klar, dass der Markt kein Selbst-
zweck ist, sondern dass er auf den Menschen bezogen
sein muss. Für Smith war deshalb klar: Der Mensch ist
Mittelpunkt. Bei den modernen Ökonomen hat man bis-
weilen den Eindruck: Der Mensch ist Mittel. Punkt! –
Das kann und darf aber unser Anspruch in der Politik
nicht sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der Markt ist keine Naturgewalt, kein Schicksal. Er
ist, mit einem Wort von Werner Sombart, die Kulturleis-
tung des Menschen zur Daseinsvorsorge. Weil es eine
Kulturleistung ist, muss der Markt auch geordnet werden
und die Werte widerspiegeln, die uns wichtig sind.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Ich sehe schon manchmal mit Sorge, wie normativ
blind die Vertreter der heutigen Volkswirtschaftslehre
sind. Unter dem Bild des Homo oeconomicus, einer im
Übrigen einzigen Beleidigung des Menschen, wird da
Politik beurteilt in einer Art und Weise, der das hörende
Herz völlig fehlt. Ich weiß beispielsweise nicht, worauf
so mancher Ökonom seine Warnung gründet, ein Min-
destlohn führe zum Abbau von Arbeitsplätzen.


(Zuruf des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ich habe da zwei Einwände.

Der erste Einwand ist ein moralischer. Professor Sinn
hat einmal geschrieben, man müsse den Lohn nur weit
genug fallen lassen, dann bekomme jeder eine Arbeit.
Das mag ökonomisch richtig sein. Es ist aber zynisch
und entspricht zumindest meinem Bild von einer Wirt-
schaft in einer Demokratie nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Einwand ist ein ökonomischer. Ich kenne
keine wissenschaftliche Studie – Herr Kollege Ernst, Sie
hatten das bereits in Ihrer Replik auf die Zwischenfrage
erwähnt –, die einen Zusammenhang von Mindestlohn
und Arbeitsplatzverlust schlüssig nachgewiesen hätte.
Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall. Deswegen rate
ich dazu, gerade an dieser Stelle den sogenannten öko-
nomischen Sachverstand mit einer Prise Skepsis zu ge-
nießen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass wir zum
Mindestlohn eine vernünftige Lösung gefunden haben,
und ich wünsche mir, dass die intellektuelle Leistung der
stärksten Oppositionspartei künftig in mehr bestehen
möge als in der Aneignung fremder Leistung.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber die eigenen Leute bei Ihnen verstehen das nicht! Das ist doch das Problem!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800334800

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Zimmer. – Als nächs-

ter Redner hat Hubertus Heil von der SPD das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1800334900

Sehr geehrte Frau Präsidentin Claudia Roth! Meine

sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen
und Herren von der Linkspartei, es mag ja Parteien in
diesem Hause geben, die ohne ein gesundes Feindbild
gegenüber politischen Mitbewerbern nicht durch den
Tag kommen. Ich finde, Ihre Rede und Ihre Art und
Weise, wie Sie hier auftreten, entlarvt Sie selbst. Es geht
Ihnen offensichtlich nicht mehr um die betroffenen Men-
schen, für die wir den gesetzlichen Mindestlohn einfüh-
ren, sondern es geht Ihnen darum, Ihr Profilchen zu
schärfen. Das ist aber billig und hat mit der Sache nichts
zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das mag zum einen damit zu tun haben, dass es Ihnen
möglicherweise gefällt, Sozialdemokraten in Regie-
rungsverantwortung wieder als Feindbild zu haben, und
dass Sie so Ihre disparaten Truppen zusammenhalten
können.

Zum anderen mag das damit zu tun haben, Herr Ernst,
dass Sie möglicherweise das Gefühl haben, dass Ihnen
ein Thema, was Sie nie wirklich richtig besetzt haben,
ganz abhandenkommt, weil Sozialdemokraten nicht da-
für sorgen, dass das in Resolutionen steht, sondern dass
es für den Menschen auch in das Gesetz kommt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wenn es nur so wäre!)






Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)

Ich möchte an dieser Stelle einmal sehr deutlich sa-
gen: Die Mutter des Erfolgs ist meine Kollegin Andrea
Nahles. Liebe Andrea, ganz herzlichen Dank dafür.


(Beifall bei der SPD)


Es ist der SPD unter der Leitung von Andrea Nahles ge-
lungen, in der entsprechenden Arbeitsgruppe bei den
Koalitionsverhandlungen dafür zu sorgen, dass zum
1. Januar 2015 für Millionen von Menschen der gesetzli-
che Mindestlohn endlich Realität wird. Um es deutlich
zu sagen: Die kriegen mehr Geld. Sie tun ja gerade so,
als würden sie weniger Geld bekommen. Das können Sie
an dieser Stelle doch einmal anerkennen und sollten es
nicht schlechtreden, wenn es Ihnen wirklich um die
Menschen geht.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Ja, es gibt bis 2017 Übergangsregelungen.
Wenn man allerdings genau in den Entwurf der Koali-
tionsvereinbarung schaut, erkennt man, dass dies nicht
die Folgen hat, die Sie hier beschrieben haben. Sie haben
behauptet, dass der Mindestlohn dann beispielsweise für
ganze Berufsgruppen nicht gelten wird. Das stimmt
nicht. Auch Minijobber bekommen dann den Mindest-
lohn.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist doch keine Berufsgruppe!)


Auch was die Saisonkräfte betrifft, sage ich Ihnen: Das,
was Sie behaupten, stimmt nicht.

Ich sage Ihnen etwas zu der Frage, wie es sich mit
denjenigen verhält, für die zwischen 2015 und dem
31. Dezember 2016 tatsächlich noch abweichende Rege-
lungen gelten: Das sind Menschen, bei denen es die
Chance gibt, die Tarifbindung – gerade in Ostdeutsch-
land – zu stärken.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch die Tarifverträge nicht attraktiver!)


Herr Ernst, Sie und ich sind Mitglied einer Gewerk-
schaft, der IG Metall. Ich frage Sie an dieser Stelle:
Wundern Sie sich nicht zumindest darüber, dass Hartmut
Meine, den wir beide gut kennen, den Mitgliedern mei-
ner Partei bei dem anstehenden Mitgliedervotum eine
Zustimmung empfiehlt, gerade aus dem Grund, dass wir,
ausdrücklich im Interesse der arbeitenden Menschen in
diesem Land, die Tarifbindung mit dem Gesamtpaket
– mit dieser Regelung zum gesetzlichen Mindestlohn,
übrigens auch mit den Rentenregelungen – wieder stär-
ken? Das tun übrigens die Vorsitzenden aller DGB-Ein-
zelgewerkschaften. Wollen Sie die für bekloppt erklä-
ren? Das frage ich an dieser Stelle einfach einmal unter
Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Haben Sie das Gefühl, dass die Führungen der Gewerk-
schaften keine Ahnung mehr von den arbeitenden Men-
schen in diesem Land haben? Wollen Sie die Gewerk-
schaftsbewegung in diesem Land diffamieren? Oder
geht es Ihnen – das will ich Ihnen gar nicht unterstellen,
weil Sie ein überzeugter Gewerkschafter sind – tatsäch-
lich um das, was ich vorhin gesagt habe, nämlich darum,
solch eine billige Aktion zu machen, die mit der Lebens-
realität aber nichts zu tun hat?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Nachdem wir eben etwas über Philosophie gehört ha-
ben, sage ich Ihnen: Es gibt einen Maßstab für gute Poli-
tik, den Max Weber geprägt hat. Danach sind die drei
Eigenschaften guter Politik die Bereitschaft, Verantwor-
tung zu übernehmen – das tun wir mit dieser Regelung,
für die Menschen, die sie brauchen –, eine leidenschaftli-
che Überzeugung – in dieser Regelung steckt die sozial-
demokratische Leidenschaft, dafür zu sorgen, dass Men-
schen, die hart arbeiten, davon leben können, die
Leidenschaft, das Leben der Menschen konkret zu ver-
bessern, die jetzt unter Armutslöhnen zu leiden haben –
sowie das notwendige Augenmaß im politischen Han-
deln. Augenmaß umfasst auch die Fähigkeit zu guten
Kompromissen in der Demokratie.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Kollege Ernst, ich spreche Ihnen eines nicht ab,
nämlich dass Sie eine leidenschaftliche Überzeugung ha-
ben; das ist auch in Ordnung. Was Ihnen fehlt, ist jede
Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung und jede
Fähigkeit, das richtige Augenmaß für einen politischen
Kompromiss zu finden. Das ist der Grund, warum Sie in
der Opposition bleiben.


(Beifall bei der SPD)


Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die So-
zialdemokraten haben Wort gehalten: Es wird den ge-
setzlichen Mindestlohn geben. Wir sorgen dafür, dass
Menschen, die hart arbeiten, von der Arbeit leben kön-
nen. Wir sorgen dafür, dass vor allen Dingen eines in
diesem Land wieder nach vorne kommt – denn unser
Ziel ist nicht, dass Menschen vom Mindestlohn leben
müssen; unser Ziel ist, dass die Menschen wieder an-
ständige Löhne bekommen –: Mit der Regelung, die wir
gefunden haben, stärken wir die Tarifbindung, also das,
was die soziale Marktwirtschaft in diesem Land einmal
ausgemacht hat, gerade auch in den Bereichen Ost-
deutschlands, in denen sie nicht mehr Realität ist. Des-
halb sage ich Ihnen: Wir sind stolz auf das, was wir
durchgesetzt haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800335000

Danke, Herr Kollege Hubertus Heil. – Ich gebe

Michael Schlecht von den Linken das Wort zu einer
Kurzintervention.


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800335100

Herr Kollege Heil, ein Missverständnis muss man

vielleicht gleich ausräumen: Ein Mindestlohn von
8,50 Euro ist natürlich ein Fortschritt, auch wenn die
Linke meint, dass ein Mindestlohn von mindestens
10 Euro, eher noch mehr – vor allen Dingen in der Zeit-





Michael Schlecht


(A) (C)



(D)(B)

achse, die hier angedacht ist –, notwendig ist. – Ich sage
das nur, um diesen Punkt einmal klarzustellen.

Viel wichtiger ist aber ein Punkt, auf den Sie jetzt
nicht eingegangen sind und den Frau Pothmer schon the-
matisiert hat. Was sagen Sie eigentlich den Mitgliedern
Ihrer Partei dazu, dass es zwar einen Mindestlohn von
8,50 Euro zum 1. Januar 2015 geben wird, aber in der
Koalitionsvereinbarung festgelegt ist, dass der Mindest-
lohn von 8,50 Euro für mindestens drei Jahre festge-
schrieben bleibt und möglichst erst Anfang 2018 korri-
giert werden kann? Dabei ist vollkommen offen, wie der
Mechanismus ausgestaltet wird, der regelt, ob es dann
wirklich einmal mehr wird. Was sagen Sie, wenn das
Mitglied fragt, warum Sie sich darauf eingelassen haben,
dass dort drei Jahre nichts passiert?

Ich war 20 Jahre lang Tarifpolitiker. Ich hätte nie ei-
nen Tarifabschluss getroffen, bei dem man sich für drei
Jahre festlegt, und zwar im Lichte einer unabsehbaren
Inflation. Wenn Inflation stattfindet, dann sind die
8,50 Euro im Jahr 2018 vermutlich nur noch so viel wert
wie heute 7,50 Euro.

Was sagen Sie Ihrem Mitglied, wenn es Sie fragt: Wa-
rum trefft ihr diese Festlegung für drei Jahre, wenn es
gleichzeitig im Deutschen Bundestag eine Mehrheit da-
für gäbe, einen Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1. Ja-
nuar 2015 ohne eine derartige Festlegung zu vereinba-
ren? Das ist doch wirklich ein großer Unterschied.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800335200

Hubertus Heil hat die Möglichkeit zu einer Antwort.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1800335300

Lieber Kollege Schlecht, auch Sie waren und sind in

der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Ich finde es ein biss-
chen schade, dass Sie nicht auf den Einwand eingegan-
gen sind, dass beispielsweise die Führung sämtlicher
Gewerkschaften des DGB unsere Vereinbarung unter-
stützt.

Aber ich will Ihre Frage beantworten. Sie haben mich
gefragt, was ich meinen Mitgliedern sagen würde. Ers-
tens. Da ich meine Mitglieder kenne – in der Sozialde-
mokratie sind verantwortliche Menschen –, weiß ich,
dass sie eines wissen: In Deutschland gibt es derzeit
1 Million Menschen, die weniger als 5 Euro in der
Stunde verdienen. Mit der Regelung, die wir gefunden
haben,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch die Tarifparteien, lieber Hubertus!)


verbessern wir ab dem 1. Januar 2015 die Lebenssitua-
tion dieser Menschen auf einen Schlag. Darauf sind wir
Sozialdemokraten stolz.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Ja, diese Übergangszeit ist ein Kompro-
miss, und zwar, wie ich finde, kein fauler, sondern ein
angemessener. Wenn wir alleine auf der Welt wären,
würden wir das vielleicht anders machen, das sage ich
auch; aber der Kompromiss führt dazu, dass die Tarif-
bindung in unserem Land gestärkt wird.

Es stimmt übrigens schlicht und ergreifend nicht, dass
alle Tarifverträge bis zum 31. Dezember 2016 laufen; es
gibt auch einige, die vorher auslaufen. Wir bekommen
den Mindestlohn vor allen Dingen in den Bereichen, in
denen wir ihn dringend brauchen: in den weißen Flecken
nicht tarifgebundener Bereiche. Ich glaube – korrigiert
mich, liebe Kollegen –, in Ostdeutschland arbeiten mitt-
lerweile 40 Prozent der Beschäftigten in Bereichen, die
keine Tarifbindung mehr haben. Wir sorgen dafür, dass
auch sie zum 1. Januar 2015 auf einen Schlag den ge-
setzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro bekommen.

Meine Antwort an Sie – Sie haben gefragt, wie meine
Mitglieder das finden – ist deshalb: Meine Mitglieder
wissen, dass wir das Leben von Millionen von Men-
schen zum 1. Januar 2015 konkret verbessern. Sie wis-
sen, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn
kommt, dass es keine regionale Differenzierung mehr
gibt und dass ab 2017 für ganz Deutschland endgültig
der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt
wird.

Frau Kollegin Pothmer, in diesem Zusammenhang
möchte ich darauf hinweisen: Die Low Pay Commission
wird dafür sorgen, dass die 8,50 Euro nicht das letzte
Wort sind, sondern dass es im Laufe der Geschichte na-
türlich Anpassungen geben wird. Auf diese Leistung für
die Menschen sind wir, wie gesagt, stolz.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800335400

Danke, Herr Kollege. – Als letzten Redner in dieser

spannenden Debatte rufe ich Paul Lehrieder von der
CDU/CSU auf. Sie haben das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1800335500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Mir ging es wie meinen Vorrednern. Als der
Gesetzentwurf der Linkspartei eingebracht wurde, war
mir völlig klar: Wir diskutieren über einen Mindestlohn
von 10 Euro. Nichts anderes habe ich in den letzten Mo-
naten hier in diesem Hohen Haus von Ihnen, Herr Klaus
Ernst, und den Mitgliedern Ihrer Partei vernommen.

Jetzt lese ich in Ihrem Gesetzentwurf in § 4:

Der Mindestlohn beläuft sich auf mindestens
8,50 Euro brutto …

Sie haben bereits erklärt, dass Sie – Copy and Paste – ei-
nen SPD-Antrag zugrunde gelegt haben. Aber bitte
schön: Dann müssen Sie auch die Begründung überar-
beiten.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist der Kompromiss! Das ist das, was die SPD und die Grünen wollen – eigentlich! Sagen sie!)






Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)

Im dritten Absatz Ihrer Begründung schreiben Sie:

Besonders betroffen von Stundenlöhnen unter
10 Euro sind in Deutschland Frauen.

Wenn Sie also schon Anträge abschreiben, passen Sie
wenigstens die Begründung an; sonst sieht man, welche
Lohnhöhe diese Leistung wert ist.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe das Gefühl
– Sie haben sich ja schon ein Stück weit entlarvt –, dass
es Ihnen nicht um die Menschen in unserem Land geht.
Ihnen haben Sie bis vor wenigen Wochen vorgegaukelt:
Unter einem Stundenlohn von 10 Euro ist ein menschen-
würdiges Leben nicht möglich. Jetzt kommen Sie, lieber
Kollege Klaus Ernst, und sagen: 8,50 Euro reichen auch.
Das ist doch Trickserei. – Frau Präsidentin, Herr Kollege
Ernst will mir eine Frage stellen.


(Heiterkeit)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800335600

Wollen Sie antworten?


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1800335700

Ja, natürlich. Das ist abgesprochen, Frau Präsidentin;

ich räume es ein.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800335800

Ach, abgesprochen? Das könnten Sie mir ja vorher

sagen. Dann kann ich mich darauf einstellen. – Herr Kol-
lege Ernst, Sie haben also eine Frage.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800335900

Herr Kollege Lehrieder, ich wollte nur darauf hinwei-

sen: 8,50 Euro kommt vor 10 Euro.


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD: Ah!)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1800336000

So weit kann ich auch rechnen.


(Anette Kramme [SPD]: Volksschule Sauerland!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800336100

Ja, zur Volksschule müsste er vielleicht noch einmal

gehen, dann würde er auch merken, dass es bei der Rente
anders ist.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal da-
rauf hinweisen: 8,50 Euro ist eine Höhe, mit der gegen-
wärtig alle Parteien hier im Deutschen Bundestag ein-
verstanden sind; letztendlich haben alle im Bundesrat
einen entsprechenden Antrag gestellt, auch mit Zustim-
mung unserer Partei, die, wie Sie wissen, Regierungs-
partei in Brandenburg ist. Das bedeutet, wir hätten für
diesen Gesetzentwurf eine Mehrheit, wenn sich jede Par-
tei an das halten würde, was sie bei der Bundestagswahl
gesagt hat, und an das, wofür sie selber im Bundesrat ge-
stimmt hat.

(Beifall bei der LINKEN)


Können Sie mir folgen, wenn ich sage, dass es aus
Sicht eines Menschen, der einen Mindestlohn von
10 Euro für richtiger hält, durchaus akzeptabel ist,
8,50 Euro zu fordern, wenn man dafür eine Mehrheit hat,
weil ja 8,50 Euro, wie gesagt, vor 10 Euro ist und das
deshalb ein richtiger Schritt wäre? Das ist unsere Posi-
tion, die wir hier eingebracht haben, Herr Lehrieder. Die
Bürgerinnen und Bürger in diesem Land fragen sich
doch Folgendes: Wenn es im Bundestag jetzt eine Mehr-
heit dafür gibt, einen Mindestlohn von 8,50 Euro einzu-
führen, und zwar ohne Ausnahme und nicht erst ab 2017,
warum führt man ihn dann nicht einfach ein? Wir haben
sie doch deswegen gewählt. – Können Sie sich das vor-
stellen?


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1800336200

Lieber Kollege, ich stelle eine Gegenfrage: Wofür ste-

hen Sie jetzt eigentlich? Stehen Sie für einen Mindest-
lohn von 10 Euro, den Sie noch vor wenigen Wochen für
richtig gehalten haben,


(Zurufe von der LINKEN: Ja!)


oder ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro aus Ihrer Sicht
inzwischen ausreichend? Herr Kollege Ernst, ich unter-
stelle Ihnen schlicht und ergreifend, dass Sie jetzt einen
Mindestlohn von 8,50 Euro fordern, um unsere neue Le-
bensabschnittsgefährtin ein bisschen zu ärgern,


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


um die SPD ein bisschen in die Bredouille zu bringen,
und nicht aus Überzeugung.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Er hat das böse Wort gesagt!)


Lieber Kollege Klaus Ernst, nicht lachen, hören Sie mir
lieber zu; das ist wichtig. Wenn es Ihnen um die Men-
schen gegangen wäre, dann hätten Sie weiterhin 10 Euro
gefordert. Ich stelle fest: Die Linkspartei hat das Ziel ei-
nes Mindestlohns in Höhe von 10 Euro zumindest vo-
rübergehend aufgegeben – Punkt. Das ist der Erkennt-
nisgewinn dieses Abends.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein, das haben wir nicht aufgegeben! – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Wir wollen 12 Euro!)


Sie können sich setzen, Herr Ernst. Viel mehr gibt es
dazu nicht zu sagen.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich persönlich
kein großer Fan eines politisch festgesetzten Mindest-
lohns bin und gerne bei unserem bisherigen, bewährten
Modell geblieben wäre, nach dem die Lohnfindung al-
lein Aufgabe der Tarifpartner war. Nicht mit einem poli-
tischen Mindestlohn, sondern mit einer marktwirtschaft-
lich organisierten Lohnuntergrenze sind wir in den
letzten Jahren gut gefahren, wie die arbeitsmarkt- und
die sozialpolitische Bilanz der unionsgeführten Bundes-
regierung ganz deutlich zeigt. Wir haben es trotz Krise
geschafft, die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Wir haben





Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)

es sogar geschafft, sie unter die 3-Millionen-Marke zu
bringen.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nicht die Politik geschafft!)


– Auch die Politik, Frau Kollegin Müller-Gemmeke.

Klar ist allerdings auch, dass man in einer Koalition
Kompromisse eingehen muss, insbesondere dann, wenn
die Vorstellungen sehr weit auseinanderliegen, wie das
bei der Festsetzung von Lohnuntergrenzen der Fall war.
Ich denke, wir haben mit dem gestern präsentierten Ko-
alitionsvertrag von CDU, CSU und SPD einen guten und
vor allem fairen Kompromiss gefunden, mit dem wir da-
für Sorge tragen, dass es den Menschen in unserem Land
besser geht und neue Chancen entstehen. Wir haben zur
Kenntnis genommen, dass ein flächendeckender gesetz-
licher Mindestlohn eine Herzensangelegenheit unseres
Partners ist. Unter Führung unserer Arbeitsministerin
Frau von der Leyen haben wir mit der sogenannten Low
Pay Commission, der Lohnfindungskommission – ich
möchte ein gutes deutsches Wort dafür benutzen –, eine
Möglichkeit zur Stärkung der Tarifvertragsparteien ge-
funden. Zum 1. Januar 2015 soll es einen flächendecken-
den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ge-
ben. Die Höhe des jeweiligen Mindestlohns wird von
einer Kommission bestehend aus jeweils drei Vertretern
von Gewerkschaften – das sollte Sie freuen, Herr Ernst –
und Arbeitgebern plus einem Vorsitzenden in regelmäßi-
gen Abständen geprüft, gegebenenfalls angepasst und
sodann mittels einer Rechtsverordnung staatlich er-
streckt und somit allgemeinverbindlich. Jede Partei kann
zusätzlich einen wissenschaftlichen Berater für die Min-
destlohnkommission benennen, der jedoch kein Stimm-
recht erhalten wird. Mit seinem Sachverstand soll er die
Arbeit der Lohnfindungskommission begleiten.

Ich sage aber auch ganz deutlich, dass durch die Ein-
führung eines Mindestlohns keine Arbeitsplätze verloren
gehen dürfen. Hierfür hat sich die Union mit aller Kraft
eingesetzt, und das wird sie auch zukünftig tun. Frau
Nahles, Sie haben ausgeführt, dass wir eine Regelung
wollen, die allen Menschen nutzt. Dabei müssen wir
auch an die denken, die möglicherweise durchs Raster
fallen, wenn der Mindestlohn zu schnell eingeführt wird
und deswegen in manchen Regionen oder Branchen tat-
sächlich Arbeitsplätze vernichtet werden. Wir sollten
deswegen genau hinsehen, wenn wir in das Gesetzge-
bungsverfahren einsteigen. Ich bitte in diesem Zusam-
menhang um die konstruktive Mitwirkung der Freunde
von der Linkspartei. Mal sehen, was Sie da Gutes ein-
bringen können.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das war jetzt ein Angebot, oder? Das habe ich jedenfalls so verstanden!)


Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens werden wir
einige Aspekte zu berücksichtigen haben:

Die Einführung eines bundesweiten Mindestlohns
ohne regionale Ausnahmen bereitet mir insbesondere
mit Blick auf die ostdeutschen Länder große Sorgen.
Meiner Ansicht nach besteht die Gefahr, dass zahlreiche
Arbeitsplätze wegfallen. Denn in den neuen Bundeslän-
dern arbeitet bekanntermaßen ein Viertel der Menschen
für weniger als 8,50 Euro pro Stunde; im Westen sind es
lediglich 12 Prozent.

Auch bei unserer europaweit gelobten dualen Ausbil-
dung müssen wir ganz genau hinschauen. Da Lehrlinge
derzeit im Schnitt zwischen 670 und 740 Euro im Monat
verdienen, sehe ich die Gefahr, dass Schulabgänger sich
zunächst kurzfristig einen Mindestlohnjob suchen, bei
dem sie pro Stunde mehr als das Doppelte verdienen,
statt eine Ausbildung zu beginnen. Auch dieses Risiko,
diese Gefahr sollten wir in der Gesetzgebung berück-
sichtigen. Wir sollten darüber nachdenken und uns inso-
fern hier auch ehrlich machen.

Schwierigkeiten können sich auch im Bereich der
Werkverträge oder bei den sogenannten Niedriglöhnern
ergeben, die nicht zu einem festen Stundenlohn arbeiten.
Hier besteht die Gefahr, dass der Mindestlohn umgangen
wird und die Schwarzarbeit zunimmt.

Durch den nun erstmalig kommenden einheitlichen
flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn verlieren
die Tarifparteien – dies wurde bereits angesprochen –
bedauerlicherweise an Einfluss. Das sollte auch Ihnen
Sorge machen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Einfach immer noch mehr Sorgen!)


Allerdings konnten wir in den Verhandlungen erreichen,
dass es den Tarifpartnern bis Ende 2016 weiterhin mög-
lich ist, Übergangsfristen festzulegen, und dass derzeit
geltende Tarifverträge bis dahin fortgelten. Das heißt
konkret, dass die Tarifpartner bis zur endgültigen Ein-
führung des Mindestlohns auch Abschlüsse vereinbaren
können, die unter 8,50 Euro liegen. Von den Vorrednern
wurde bereits darauf hingewiesen.

Unsere neue Vizepräsidentin gibt mir ein Zeichen,
dass ich allmählich zum Ende kommen muss. – Ich bitte
alle Wohlmeinenden, alle, denen es um die Menschen im
Land geht, beim anstehenden Gesetzgebungsverfahren
konstruktiv mitzuwirken. Wir werden schon etwas Ge-
scheites herauskriegen. Herr Ernst, Frau Nahles, das
werden wir schon hinbekommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800336300

Danke schön, Herr Kollege.

Ich schließe damit die Aussprache. Interfraktionell
wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache
18/6 an den Hauptausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu
andere Vorschläge? – Ich sehe und höre nichts. Das ist
also nicht der Fall. Damit ist die Überweisung zur gro-
ßen Freude der Kollegen bei der Linkspartei so beschlos-
sen.





Vizepräsidentin Claudia Roth


(A) (C)



(D)(B)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Annalena
Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Risiko und Haftung zusammenführen – Gläu-
bigerbeteiligung nach EZB-Bankentest si-
cherstellen

– Drucksache 18/97 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Annalena
Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsam die Haftung der Steuerzahlerin-
nen und Steuerzahler beenden – Für einen
einheitlichen europäischen Restrukturie-
rungsmechanismus

– Drucksache 18/98 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre eini-
ges, aber dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich gebe das Wort Dr. Gerhard Schick von Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die-
sen Tagesordnungspunkt heute beantragt, weil auf euro-
päischer Ebene gerade ein Thema von enormer
Wichtigkeit verhandelt wird und wir uns als deutsches
Parlament – Regierungsbildung hin oder her – dringend
damit beschäftigen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich zitiere Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums
der Europäischen Zentralbank: Das Projekt Banken-
union ist das vielleicht größte und wichtigste seit Grün-
dung der Europäischen Währungsunion. – Ich finde, das
kann man genau so sagen. Denn es geht um nicht mehr
und nicht weniger als den Schutz der Steuerzahler vor
erneuten Milliardenrisiken in Form der Übernahme von
Bankschulden, die eigentlich mit dem Steuerzahler
nichts zu tun haben sollten.

Über fünf Jahre nach der Lehman-Pleite ist es immer
noch nicht gesichert, dass, wenn eine Bank wackelt,
nicht der Steuerzahler in die Pflicht genommen wird.
Daran muss sich endlich etwas ändern. Wir in Deutsch-
land haben das bei der Commerzbank, der IKB und der
Hypo Real Estate erlebt, und das gilt auch in Europa.
Unsere Fraktion hat einmal nachrechnen lassen, wie viel
Steuerzahlergeld umsonst – besser gesagt: fälschlicher-
weise – aufgewendet wurde, um Bankschulden in Eu-
ropa zu übernehmen. Das Ergebnis: Allein bei sieben
Bankenrettungen hätten über 35 Milliarden Euro Steuer-
gelder in Zypern, in Spanien und in Griechenland ge-
spart werden können. Spanien hätte wahrscheinlich kein
Rettungsprogramm gebraucht. Wir wollen, dass das
nicht noch einmal vorkommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Europäische Union hat das ja auch erkannt. Seit
Mitte 2012 stehen das Projekt Bankenunion und das
Thema Bankenabwicklung fest auf der Agenda. Wäh-
rend hier die Regierungsbildung stattfindet, während
hier das Parlament noch gar nicht richtig arbeitsfähig ist,
verhandelt der Bundesfinanzminister auf europäischer
Ebene natürlich weiter über dieses Projekt. Insbesondere
an zwei Punkten gilt es jetzt nachzusteuern, weil er da
auf dem falschen Pfad ist, und das kann teuer kommen.

Wir haben zwei Anträge eingebracht, die genau diese
zwei Punkte behandeln.

Der erste Aspekt ist folgender: Wir brauchen eine
Trennung zwischen Banken und Nationalstaaten, weil
diese Verknüpfung dazu geführt hat, dass, wenn eine
Bank wackelt, die Schulden auf den Staat übertragen
werden. So weit sind sich eigentlich alle einig. Doch im
Koalitionsvertrag findet man dazu nur wackelige Formu-
lierungen wie: „Künftig soll da etwas gemacht werden“
oder: „Perspektivisch soll es einen Restrukturierungs-
fonds geben“, und man versteckt sich erneut hinter recht-
lichen Fragestellungen. De facto heißt das: Deutschland
steht beim wichtigen Projekt eines europäischen Ab-
wicklungsfonds, den die Banken finanzieren, auf der
Bremse. Das ist falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens ist es falsch, dass die Entscheidung über die
Abwicklung einer Bank nach dem Vorschlag des Bun-
desfinanzministers von den nationalen Regierungen zu
treffen ist. Man muss doch daraus lernen, dass genau
diese Art von Verhandlungen zwischen den Regierungen
in der Vergangenheit erst zu diesen Milliardenlasten ge-
führt haben. Wir brauchen endlich eine Institution in Eu-
ropa, deren klarer gesetzlicher Auftrag es ist, den Steuer-
zahler vor neuen Lasten, die aus der Bankenrettung
resultieren, zu schützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist Eile geboten, jetzt den Steuerzahler zu schüt-
zen. Denn aufgrund des Stresstests der Europäischen
Zentralbank wird sich schon sehr bald die Frage stellen:
Was machen wir, wenn neuer Kapitalbedarf besteht? –
Der Ministerrat, der Ecofin, hat unter Mitwirkung der
noch amtierenden Bundesregierung vor zwei Wochen
die Risiken für den Steuerzahler ganz nebenbei deutlich
erhöht.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ach ja? Wie denn?)


Noch im Sommer dieses Jahres sagte uns Staatssekretär
Steffen im Rahmen einer Beratung im Finanzausschuss,
bevor der Steuerzahler in die Pflicht genommen werde,
müssten erst einmal mindestens 8 Prozent der Bilanz-
summe von den Gläubigern getragen werden.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja, und? Das geht doch!)






Dr. Gerhard Schick


(A) (C)



(D)(B)

In dem neuen Ecofin-Beschluss ist dieser Punkt nicht
mehr enthalten.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das ist doch eine klare Konditionalität! Das kann man doch festlegen! Bauen Sie hier doch nicht so einen Popanz auf!)


An genau dieser Stelle haken wir ein und sagen: Hier
muss nachgesteuert werden. Es muss sichergestellt wer-
den, dass als Erstes die Gläubiger zahlen müssen und
nicht wieder auf den Steuerzahler Rekurs genommen
wird. – Wenn man hinterher jammert, ist es zu spät. Jetzt
ist es an der Zeit, die Bedingungen richtig festzulegen,
damit nicht erneut die Steuerzahlerinnen und Steuerzah-
ler in Europa in die Pflicht genommen werden. Das ist
unser Ziel.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800336400

Danke schön, Herr Kollege. Sie haben Ihre Redezeit

gar nicht ausgeschöpft; das kenne ich sonst anders. –


(Manfred Zöllmer [SPD]: Die Anträge sind ja auch sehr dünn!)


Nächster Redner ist Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1800336500

Frau Bundestagspräsidentin! Vielleicht geht die Re-

dezeit, die nicht ausgenutzt wird, ja an Sie über. Aber ich
glaube, das ist nicht der Fall.

Herr Schick, Sie haben ganz richtig gesagt, dass der
Zweck dieser Debatte wahrscheinlich nicht Ihre Anträge
sind – sie halte ich nämlich für überflüssig –, sondern die
Tatsache ist, dass sich die Welt zwischen Bundestags-
wahl und Koalitionsbildung weitergedreht hat. Während
sich die Welt weitergedreht hat, haben sich auch die Fi-
nanzmärkte weitergedreht. Auch die europäische Ge-
setzgebung hat sich weitergedreht. Das heißt, es sind
wichtige Entscheidungen getroffen worden. Wir sind bei
dem für den Verbraucherschutz so wichtigen Thema
MiFID weitergekommen. Wir sind bei dem für die Versi-
cherungen so wichtigen Projekt Solvency weitergekom-
men. Wir sind bei der zweiten Etappe im Hinblick auf
die Bankenunion auf der Zielgeraden. Insofern ist es gut
und richtig, dass sich der Deutsche Bundestag hier und
heute zu diesem Thema positioniert.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Zustimmung!)


Wenn man in die 17. Legislaturperiode zurückblickt
und sich die letzten vier Jahre vor Augen führt, stellt
man fest: Wir haben mehr als 30 Gesetze und Initiativen
auf den Weg gebracht, um die Finanzmärkte zwar nicht
zu bändigen, sie aber ein wenig sicherer zu machen. Wir
haben dafür gesorgt, dass die Finanzinstitutionen weni-
ger Risiken eingehen. Wir haben dafür gesorgt, dass die
Risikotragfähigkeit steigt. Wir haben dafür gesorgt, dass
wir, zumindest auf nationaler Ebene, vernünftige Auf-
sichtsstrukturen bekommen. Wir haben einen Restruktu-
rierungsmechanismus erarbeitet. Wir haben ziemlich
viel für den Verbraucherschutz getan.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich ansehen,
was im Koalitionsvertrag niedergelegt ist, stellen Sie
fest, dass dieser Weg weitergegangen wird und sich ei-
gentlich gar nicht schrecklich viel geändert hat. Wir wer-
den damit leben müssen, dass unsere – wie hat es Paul
Lehrieder eben genannt? – neue Lebensgefährtin – ich
hoffe nicht, dass sie unsere neue Lebensrestbegleiterin
ist –


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Lebensabschnittspartnerin! – Joachim Poß [SPD]: Nein! Nicht Lebensgefährtin, sondern Lebensabschnittsbegleiterin – das ist auch schon verdammt viel!)


– unsere Lebensabschnittsbegleiterin, genau – sicherlich
auch beim Thema Bankenregulierung einige sozialde-
mokratische Akzente mit einbringen wird. Das heißt, die
Regelungen werden ein bisschen anders ausgestaltet.
Aber die Grundlinie wird gleich bleiben. In der letzten
Legislaturperiode haben wir ja erkannt, dass die Unter-
schiede nicht so groß waren, und das ist auch gut so.

Im Rahmen der Regulierung haben wir festgestellt,
dass der nationale Gesetzgeber an Grenzen stößt. Wir
haben das festgestellt, als wir in einem nationalen Al-
leingang Leerverkäufe verboten haben; wir waren froh,
dass man das auf europäischer Ebene nachvollzogen hat.
Wir haben das festgestellt, als wir als eines der ersten
Länder den Hochfrequenzhandel reguliert haben; es ist
gut, dass das auch in der MiFID nachvollzogen wird.
Wir haben das festgestellt, als wir als eines der ersten
Länder ein Trennbankengesetz auf den Weg gebracht ha-
ben. Ich glaube, das wird unter Berücksichtigung der
Liikanen-Vorschläge auf europäischer Ebene noch viel
wirkmächtiger.

Wir haben festgestellt, meine Damen und Herren,
dass das Restrukturierungsgesetz, das wir gemacht ha-
ben, bestenfalls für größere national tätige Banken
reicht, aber nicht für international tätige Banken.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Inzwischen geben Sie es zu! Damals haben Sie mir noch widersprochen!)


Das ist auch ganz normal, meine Damen und Herren:
weil Finanzmärkte an nationalen Grenzen nicht haltma-
chen. Die meisten Finanzinstitutionen agieren überregio-
nal und über nationale Grenzen hinweg. Selbst Finanz-
institutionen, die innerhalb nationaler Grenzen arbeiten,
haben ein Schadenspotenzial, das über Landesgrenzen
hinausreicht. Wir haben das in Spanien gesehen: Die
Caixas – wahrlich nicht große Institute – hatten die Welt
mit Produkten beglückt, die Schwierigkeiten machten.
Das führte dazu, dass Spanien unter den ESM-Schirm
schlüpfen musste.

Insofern ist es gut und richtig, zu sagen: Wir haben
gelernt, wir brauchen internationale Regeln. – Die Re-





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

geln, die wir in den letzten vier Jahren eingeführt haben,
waren gar nicht so schlecht. Wir brauchen aber auch in-
ternationale Aufsichtsstrukturen, und wir brauchen inter-
nationale Problemlösungsmechanismen. Das war genau
der Punkt, an dem der Gipfel vom 29. Juni 2012 – es wa-
ren die Morgenstunden des 29. Juni 2012 – angesetzt hat
mit dem Bekenntnis: Ja, wir brauchen eine Banken-
union.

Wir stehen zu dieser Bankenunion. Diese Banken-
union wird einen Überwachungsmechanismus, einen
Aufsichtsmechanismus, und einen Abwicklungsmecha-
nismus umfassen. Wir werden uns im Rahmen der Ban-
kenunion auch noch mit einer dritten Säule beschäftigen
müssen, nämlich einer harmonisierten Einlagensiche-
rung.

Bei dem gemeinsamen Aufsichtsmechanismus sind
wir sehr weit gekommen: Die Europäische Zentralbank
wird das übernehmen; sie wird Mitte nächsten Jahres an
den Start gehen. Es laufen schon jetzt vorbereitende Ak-
tionen, Belastungstests; das ist auch gut und richtig so.

Es war nicht ganz einfach, das zu verhandeln, Herr
Schick. Es gab große Probleme bei der Trennung der
Geldpolitik von der Aufsichtspolitik im Rahmen der Eu-
ropäischen Zentralbank. Wir waren auch nicht ganz ein-
verstanden mit dem Vorschlag von Herrn Barnier, dass
sich die europäische Aufsicht bis in die kleinsten Veräs-
telungen des deutschen Finanzsystems erstrecken soll,
dass die europäische Aufsichtsbehörde auch auf Spar-
kassen, Volksbanken und kleine Privatbanken direkten
Zugriff bekommen soll. Wir haben uns erfolgreich dage-
gen gewehrt. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass
dies im Interesse der Menschen in Deutschland und im
Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt sind wir in der zweiten Etappe; da geht es um
den Abwicklungsmechanismus. Es gibt eine große Über-
einstimmung: Wir brauchen Abwicklungsregeln, wir
brauchen Abwicklungsinstitutionen, und wir brauchen
Geld für die Abwicklung, einen Abwicklungsfonds.

Wir sind uns bei den Abwicklungsregeln einig, dass
wir eine Haftungskaskade brauchen. Wir wollen, dass
zuerst die Eigentümer der Finanzinstitutionen haften.
Wir wollen, dass danach die Gläubiger – diejenigen, die
diesen Finanzinstitutionen Geld gegeben haben; Aus-
nahme: Kleinanleger – haften. Wir wollen, dass dann ein
von Banken gefütterter Fonds für die ganze Sache haftet.
Jetzt kommen wir zu einem Punkt, an dem wir unter-
schiedliche Vorstellungen haben: Wir wollen, dass die
Nationalstaaten in der Verpflichtung bleiben, sich um
ihre Banken zu kümmern.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und damit der Steuerzahler!)


Erst wenn das passiert ist, soll der europäische Steuer-
zahler eingreifen; das ist uns ganz wichtig.

An diesem Punkt gibt es einen Bruch, an dem wir mo-
mentan verhandeln. Sie sagen, die Nationalstaaten müss-
ten aus der Haftungskaskade herausgenommen werden,
weil, wenn wir eine europäische Regulierung haben,
auch eine europäische Verantwortung besteht, also auch
europäische Haftung nötig ist. Ich will Ihnen drei Bei-
spiele nennen, die diesen Gedanken widerlegen: Der Er-
folg einer Bank hängt nicht allein davon ab, ob die Re-
gulierung erfolgreich ist. Wenn es, wie in Griechenland,
keine funktionierende Administration gibt, dann schadet
das den lokalen Banken und erhöht das Insolvenzrisiko.
Wenn, wie bei den Immobilien in Spanien, zugelassen
wird, dass Blasen entstehen, dann schwächt das die Ban-
ken. Es gibt also eine nationale Verantwortung. Wenn,
wie in Frankreich, eine verfehlte Steuer- und Haushalts-
politik gemacht wird, dann schwächt das die dortigen
Banken und führt dazu, dass Risiken entstehen. Deswe-
gen, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir
die Nationalstaaten bei der Rettung bzw. Abwicklung
von Banken nicht komplett aus der Verantwortung ent-
lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben behauptet, wir würden uns bei unserer Ab-
lehnung eines europäischen Abwicklungsfonds hinter
rechtlichen Begründungen verschanzen. Rechtlich, das
hört sich für die Öffentlichkeit technisch an, so als ob je-
mand das Richtige wolle, ihm aber irgendwelche Leute
mit rechtlichen Bedenken einen Strich durch die Rech-
nung machten. Fakt ist: Für einen gemeinsamen europäi-
schen Abwicklungsfonds fehlt uns in den europäischen
Verträgen momentan die Rechtsgrundlage. Jetzt kann
man sagen: „Das ist nicht schlimm“; aber wir haben hier
in Deutschland andere Erfahrungen gemacht. Wir haben
einige Kollegen hier im Haus – es gibt da auch einige
Professoren –, die alle Regelungen gerne daraufhin über-
prüfen, ob sie auch im Einklang mit dem Recht stehen.
Sehen Sie es uns also bitte nach, dass wir beim Thema
europäischer Abwicklungsfonds sehr vorsichtig sind und
sagen: Solange wir dafür keine Rechtsgrundlage haben,
brauchen wir ein System aus verschiedenen nationalen
Fonds, die einander ergänzen.

Wir haben aber noch ein weiteres Problem mit dieser
Bankenunion. Als diese Veranstaltung am 29. Juni 2012
zu Ende war, haben einige Staatschefs aus südeuropäi-
schen Ländern und auch der von Irland gesagt: Prima,
ich muss jetzt nur ganz schnell unterschreiben, dass ich
mich einem Aufsichtsmechanismus unterwerfe, dann
habe ich eine Restmülldeponie für alle meine mit den
Banken verbundenen Probleme gefunden. Alles, was ich
früher in die Bankenrefinanzierung gesteckt und wofür
ich Schulden gemacht habe, kann ich jetzt dorthin verla-
gern. Dann habe ich genug frisches Geld zur Verfügung,
um meine unterkapitalisierten Banken zu stärken, und
dann habe ich gegebenenfalls auch Geld, um die Ab-
wicklung von Banken zu organisieren.

Genau das wollen wir nicht. Wir wollen eine Banken-
union, die nach vorne gerichtet ist und in die „saubere“
Banken aufgenommen werden. Deswegen ist es auch
wichtig, dass jetzt der Belastungstest erfolgt, bevor wir
damit starten. Das halte ich für gut und richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Punkte diskutieren wir auf europäischer Ebene.





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

Jetzt komme ich aber noch einmal zurück zu dem An-
trag der Grünen. Der Antrag der Grünen steht in einer
weniger guten Tradition der letzten vier Jahre.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einer guten!)


Es wird nämlich ein Bruch konstruiert, den es wahr-
scheinlich auch gibt. Die Grünen sagen: Wir wollen als
aufrechte Europäer möglichst europäische Lösungen,
wir wollen den europäischen Institutionen ganz viel
Kompetenz geben und ihnen die notwendigen Mittel zur
Verfügung stellen, während ihr von der CDU hier immer
zurückhaltend seid. „Ihr bremst“, sagen Sie.

Ganz ehrlich: Wir sind zurückhaltend, weil wir abwä-
gen, ob es dem Subsidiaritätsgedanken entspricht, dass
wir Dinge an die europäische Ebene abgeben,


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie merken, dass es Quatsch war!)


und weil wir glauben, dass wir einige Dinge national
besser regeln können. Wir wägen ab, indem wir uns fra-
gen: Was kostet das unseren Steuerzahlern? Welche Be-
deutung hat das industriepolitisch? Was bedeutet das für
unsere Sparkassen, für unsere Volksbanken und für un-
sere Mittelständler? Schließlich wägen wir ab, was das
für die Menschen in diesem Land bedeutet, die das
Ganze nicht nur verstehen, sondern auch bezahlen müs-
sen. Wenn sie das nicht verstehen und nicht mitgenom-
men werden, dann geben sie ihre Wählerstimmen – das
haben wir sehr deutlich gesehen – Rechtsradikalen, an-
deren Radikalen, Euro-Skeptischen und sonstigen Par-
teien, was wir alle nicht wollen. Daher sind wir zögerlich
und bremsen manchmal gerne.

Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung in dieser
Wahlperiode. Ihre Anträge lehnen wir ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800336600

Danke, Herr Kollege Brinkhaus. – Als nächster Red-

ner spricht für die SPD Joachim Poß.


(Beifall bei der SPD)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1800336700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will mich zunächst an einen möglichen Lebensab-
schnittspartner richten, an meinen Vorredner Brinkmann.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Brinkhaus!)


– „Brinkhaus“, Entschuldigung. Das war jetzt wirklich
keine Absicht.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ich habe keinen weißen Kittel an!)


– Ach so, Sie haben gleich assoziiert. Nein, diese Asso-
ziation wollte ich hier nicht in den Raum stellen. Ich will
Ihnen aber Folgendes sagen:

Erstens. Sie haben über die Kaskadenregelung ge-
sprochen. Eines der größten Probleme für unsere Steuer-
zahlerinnen und Steuerzahler ist sicherlich, dass das
nicht erst 2018, sondern schon 2015 kommt, um Risiken
zu begrenzen. Das scheint mir eher das Thema zu sein,
über das wir hier diskutieren sollten.

Zweitens. Frau Merkel, die demnächst ja auch eine
mögliche Lebensabschnittspartnerin ist – je nachdem,
was in meiner Partei dazu gesagt wird –


(Zuruf von der CDU/CSU: Chefin!)


– eine Chefin gibt es ja nicht; wir alle sind frei gewählte
Abgeordnete –, hatte am 29. Juni 2012 eine schwache
Minute. Das passiert ja jedem einmal. Sie hat damals
eine Zusage gegeben, und wir versuchen jetzt gemein-
schaftlich, das rückabzuwickeln – wenn wir hier ehrlich
diskutieren wollen, dann müssen wir auch sagen, dass
wir das mit dem Koalitionsvertrag in der vorliegenden
Fassung ja versucht haben; Herr Schäuble hat das vorher
im Grunde genommen auch schon versucht –, was durch
die Zusage von Frau Merkel am 29. Juni 2012 ausgelöst
wurde.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir sind ja unter uns! Da kann man es ja offen sagen!)


Im laufenden Jahr sind die Finanzmärkte von drama-
tischen Verwerfungen verschont geblieben. Trotzdem
sollte niemand davon ausgehen, dass jetzt bereits alles
getan ist, um Crashs und Bank Runs für die Zukunft zu
vermeiden. Noch steht die europäische Bankenunion
nicht, noch sind erst Regeln für die europäische Aufsicht
verabschiedet worden. Das Abwicklungsregime – Sie
haben darauf hingewiesen – und die Einlagensicherung
im europäischen Kontext sind noch nicht beschlossen,
und die Zeit drängt.

Wir wissen: Im nächsten Jahr, 2014, wird ein neues
Europäisches Parlament gewählt, und es wird eine neue
EU-Kommission geben. Die Bankenunion sollte vorher
in trockenen Tüchern sein, sonst drohen Verzögerungen,
die wir nicht wollen. Darüber besteht, glaube ich, im
Großen und Ganzen Einigkeit hier im Hohen Hause.

Wir werden es also nur dann schaffen, zeitnah zur eu-
ropäischen Bankenaufsicht ein europäisches Abwick-
lungsregime zu etablieren, wenn das nicht mit einer Ver-
tragsänderung einhergeht. Eine Änderung der
europäischen Verträge braucht nach aller Erfahrung ihre
Zeit und würde nicht über Nacht durchzusetzen sein. Im
Ecofin, dem Rat der europäischen Wirtschafts- und
Finanzminister, wird zurzeit noch darüber gestritten, was
im Rahmen der bestehenden Verträge geht und was nicht
geht. Da hat – warum sollte man das hier verschweigen –
der geschäftsführende deutsche Finanzminister Wolfgang
Schäuble eine spezielle Rechtsauffassung, die von vielen
anderen seiner Kollegen und von der EU-Kommission
nicht geteilt wird.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und von der SPD?)


– Von der EZB auch nicht.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, von der SPD!)






Joachim Poß


(A) (C)



(D)(B)

– Von der SPD wird diese Auffassung ebenfalls nicht ge-
teilt. Es ist gut, dass Sie so nette Hinweise geben, Herr
Kollege.

Wir erwarten, dass es hier bald zu einer einvernehmli-
chen Lösung kommt. Im Koalitionsvertrag von CDU,
CSU und SPD ist angesichts der Sachlage relativ klar
formuliert, Herr Kollege Schick:

Vor diesem Hintergrund unterstützen wir den zügi-
gen Aufbau einer europäischen Abwicklungsbe-
hörde … und eines einheitlichen europäischen Ab-
wicklungsfonds, der perspektivisch vollständig
durch Bankenabgaben finanziert werden soll.

Wenn man sich Ihren Antrag zum Restrukturierungs-
mechanismus anschaut, dann muss man sagen: Er ist
auch nicht ganz widerspruchsfrei. Im Großen und Gan-
zen haben wir, Grüne und SPD, in der Beurteilung dieses
Politikbereichs, etwa bei der Euro-Raum-Stabilisierung
und bei der Finanzmarktregulierung, in der Vergangen-
heit weitgehend übereingestimmt. Aber auch da scheint
mir noch nicht alles ausformuliert zu sein. Ich will damit
nur andeuten: Ich glaube, da sind noch alle Parteien,
wenn man sich einmal bescheiden zurücknimmt, in ei-
nem Prozess.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800336800

Herr Kollege, lassen Sie eine Frage von Gerhard

Schick zu?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1800336900

Gerne.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800337000

Danke. – Gerhard Schick, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, mich interessiert, was Sie denn von
dem Vorhaben des Bundesfinanzministers halten, dass
die nationalen Regierungen, deren Kompetenzen der
Kollege Brinkhaus gerade noch einmal deutlich geschil-
dert hat, gemeinsam über die Abwicklung einer Bank
verhandeln sollen, und was Sie von dem Vorschlag des
Bundesfinanzministers halten, dass es ein Netz von na-
tionalen Fonds in nationaler Verantwortung geben soll,
sodass im Zweifelsfall die Steuerzahler eines Landes he-
rangezogen werden könnten.

Das war bisher nicht die Position der SPD, wenn ich
das richtig verfolgt habe. Mich interessiert, was die neue
Koalition, wenn sie dann mit Ihnen gebildet wird, auf
europäischer Ebene verhandeln wird; denn es geht um
die Verhandlungen jetzt und nicht darum, was perspekti-
visch zu erwarten ist.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1800337100

Herr Kollege Schick, das kann zu diesem Zeitpunkt

höchstens durch informelle Gespräche geschehen. Sie
wissen ja, wie das geht. Wir führen diese informellen
Gespräche mit dem geschäftsführenden Bundesfinanz-
minister und machen aus unseren Überzeugungen keinen
Hehl. Dazu gehört, dass wir einen europäischen Ansatz
einem Netzwerk auf nationaler Ebene vorziehen. Das
haben wir auch zu verstehen gegeben. Wir sind mitten in
einem Diskussionsprozess, soweit die Dinge nicht ganz
eindeutig durch die Koalitionsvereinbarungen festgelegt
sind.

Wir stimmen aber darin überein, auf einer starken Be-
teiligung der Bankengläubiger und Bankeneigner zu be-
stehen, bevor nationale staatliche Mittel oder vielleicht
sogar ESM-Mittel zur Bankenrestrukturierung oder -ab-
wicklung eingesetzt werden; das ist vollkommen richtig.
Ich denke, dass wir hierfür insgesamt in der Koalitions-
vereinbarung ein kluges Verständnis entwickelt haben.

Nachdem die Zusage am 29. Juni 2012 gemacht
wurde, wollen wir eine direkte Bankenrekapitalisierung
aus dem ESM nur unter äußerst restriktiven Bedingun-
gen und als Ultima Ratio überhaupt möglich machen.
Dies muss konditioniert geschehen, und zwar so, dass
dieses Instrument vermutlich eher nicht genutzt werden
wird. Gleichzeitig erhalten die Märkte das Signal, dass
wir in Europa nichts ausschließen, um die Finanzmarkt-
stabilität zu verteidigen und zu sichern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800337200

Danke, Joachim Poß. – Jetzt kommt der nächste Red-

ner – kein Lebensabschnittspartner –, Dr. Axel Troost.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800337300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Für uns Linke bleibt die europäische Bankenunion vor
allen Dingen eines: ein völlig unausgereiftes Konzept,
das bisher mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.
Wenn es wirklich stimmt, dass das Projekt eine ähnliche
Bedeutung hat wie die Einführung des Euro, dann muss
man sagen, dass hier sehr, sehr schlampig gearbeitet
wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Erstens. Fangen wir mit der europäischen Bankenauf-
sicht an, die der erste Schritt bzw. das Fundament ist. Es
bleibt dabei: Die juristische Konstruktion, die mit der
Ansiedlung einer europäischen Bankenaufsicht bei der
EZB gefunden worden ist, ist und bleibt eine Notlösung.
Sie ist juristisch umstritten und macht die EZB nicht
stark für die Auseinandersetzung mit den Banken.

Zweitens. Die Ansiedlung bei der EZB ist und bleibt
falsch. Die Brandmauer gegenüber der Geldpolitik ist
nicht zu errichten. Insofern bleibt es nicht nur eine Not-
lösung, sondern es ist eine falsche Konstruktion.

Drittens. Der Hintergrund der bekannten Ergebnisse
in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli letzten Jahres bzw.
das Motiv, das Ganze der EZB zu übertragen, ist, Ban-
ken möglichst schnell einen Zugang zum ESM zu ver-
schaffen.





Dr. Axel Troost


(A) (C)



(D)(B)


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nein! Das ist doch falsch!)


Deswegen muss ruck, zuck gehandelt werden.

Wenn man sich das aber im Einzelnen anschaut, wird
deutlich: Es ist sehr vieles unklar. Die Bankenunion ist
sozusagen eine Euro-Zonen-Aufsicht. London als großer
Kapitalmarkt bleibt außen vor. Es ist völlig unklar, wie
die Schnittstellen funktionieren sollen. Es wird damit lo-
gischerweise zu einer Rivalität mit der existierenden eu-
ropäischen Bankenaufsicht, der EBA, kommen, und das
wird auch so bleiben. Wir gehen weg von der Allfinanz-
aufsicht, die wir bisher in Deutschland hatten. Die Kon-
trollrechte des Europäischen Parlaments sind eher gerin-
ger als die Kontrollrechte, die wir bei der BaFin haben.

Insofern steht von diesem ganzen Konstrukt der Auf-
sicht, obwohl so getan wird, als stände es schon, erst
sehr wenig. Die BaFin hat sich auf dieses „sehr wenig“
vorbereitet und stellt zusätzliches Personal ein, um diese
Schnittstelle erst einmal doppelt abzusichern, weil man
Angst vor dem hat, was passiert.

Jetzt aber zum zweiten Schritt der Bankenunion, un-
serem eigentlichen Thema: dem europäischen Abwick-
lungsregime und Abwicklungsfonds für Banken. Eine
Bankenabwicklung, wenn sie wirklich erfolgt, muss
quasi an einem Wochenende durchgeführt werden. Sonst
drohen Börsenchaos und ein Run auf andere Banken. Es
ist völlig unklar, welches Gremium solche Entscheidun-
gen in kurzer Zeit fällen soll, insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass wir 17 Euro-Staaten haben, die mit der
Abwicklung beschäftigt sind, jede große Bank aber eine
Zweigstelle in London hat. Diese Zweigstellen sind aber
gerade nicht in das Abwicklungsregime einbezogen.

Es bleibt das Problem des hohen Gläubigerschutzes.
Natürlich ist es richtig, dass Eigentümer und Gläubiger
beteiligt werden sollen. Aber machen wir uns nichts vor:
Clevere Gläubiger und clevere Eigentümer werden sich
frühzeitig verabschieden und sich damit eben nicht in die
Pflicht nehmen lassen.

Aber selbst wenn das passiert, haben wir damit die
Chance, vielleicht 30 Prozent oder, wenn es ganz hoch
kommt, 40 Prozent abzudecken. Der Rest bleibt bei gi-
gantisch großen Banken. Sie sagen zumindest heute in
der Debatte: Dann kommt die Bankenabgabe; dann
kommt der Bankenfonds, und zwar nach deutschem Mo-
dell.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja!)


Was bedeutet das deutsche Modell? Ich habe auf eine
Anfrage beim Finanzministerium die Zahlen für 2013 er-
halten: Das Aufkommen aus der Bankenabgabe beträgt
520 Millionen Euro bei einem Rückgang des Aufkom-
mens der privaten Großbanken um über 43 Prozent.
Über drei Jahre hinweg haben wir den Fonds um
1,8 Milliarden Euro aufgestockt. Sie sagen, Sie benöti-
gen mindestens 70 Milliarden Euro. Dann brauchen wir
noch 113 Jahre, um diesen Fonds in Deutschland aufzu-
bauen. Und Sie wollen jetzt allen sagen: Wenn wir die-
ses Modell auf Europa übertragen, dann wird das eine
Erfolgsgeschichte. – Das ist pure Augenwischerei.

(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden bei dem gigantischen Volumen, das Ban-
ken heute nach wie vor haben, mit so einer Bankenab-
gabe keine Finanzierungsalternative haben. Insofern
bleibt es dabei: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
werden betroffen bleiben. Deswegen gibt es aus unserer
Sicht nur eines: Wir müssen die Banken verkleinern. Wir
müssen den Finanzsektor herunterfahren. Sonst gibt es
keine Chance, sich vor den Risiken zu schützen, die es
nach wie vor dort gibt. Das ist ganz zentral.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Letzter Punkt. Liebe Kollegen von der SPD, wenn ich
mir den Koalitionsvertrag im Bereich des Themenfeldes
Finanzmärkte genau anschaue, dann kann ich nicht wirk-
lich erkennen, wo Ihr Eintritt in die Koalition Verände-
rungen im Vergleich zur vorangegangenen Koalition von
CDU, CSU und FDP mit sich bringt. Ich kann keine
wirklichen Veränderungen erkennen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800337400

Danke schön, Herr Kollege. – Der nächste Redner in

dieser Debatte ist Dr. Hans Michelbach von der CDU/
CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1800337500

Frau Präsidentin, ich grüße Sie.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800337600

Grüß Gott. – Wir sind aus Bayern.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1800337700

Frau Roth, Sie sind eine bayerische Landsfrau. Ich

hätte nie gedacht, dass Sie einmal Präsidentin werden.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800337800

Das habe ich auch nicht gedacht.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1800337900

Aber das ist eine schöne Sache. Auf jeden Fall gratu-

liere ich Ihnen, Frau Präsidentin.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800338000

Danke.


(Heiterkeit)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1800338100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Unser neuer Koalitionsvertrag legt klare Re-
geln für die Finanzmärkte fest. Der Grundsatz, dass in
Zukunft kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt
und kein Finanzmarkt ohne angemessene Regulierung
bleiben darf, gilt weiterhin; das ist gut so.





Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) (C)



(D)(B)

Wir bekennen uns in der Koalition gemeinsam zu
strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsstandards für
Banken gemäß Basel III mit verbindlichen Schulden-
obergrenzen, die den Risikogehalt der Geschäftsmodelle
angemessen berücksichtigen. Wir bekennen uns zum be-
währten Drei-Säulen-System der deutschen Kreditinsti-
tute und werden seine Besonderheiten auch in Zukunft
angemessen berücksichtigen.

Wir unterstützen auf europäischer Ebene die Vor-
schläge der Liikanen-Expertengruppe, die eine Regulie-
rung der Schattenbanken vorsieht. Wir begrüßen die
Beibehaltung des Grundsatzes „Hilfe nur gegen Refor-
men“ in der EU-Rettungspolitik einschließlich der Ab-
wehr einer europäischen Gemeinschaftshaftung über
Euro-Bonds, Schuldentilgungsfonds oder ein zentrales
europäisches Einlagensicherungssystem.

Wir haben klare Vorstellungen betreffend eine funk-
tionierende Bankenunion. Eine solche Union muss aus
einer einheitlichen Bankenaufsicht, einem einheitlichen
Regelwerk und einem einheitlichen Mechanismus zur
Bankenabwicklung bestehen. Meine Damen und Herren
von den Grünen, Nachhilfeunterricht durch die von Ih-
nen vorgelegten Anträge benötigen wir nicht. Ihre An-
träge sind obsolet und nichts anderes als grüner Finanz-
marktpopanz. Es ist deutlich zu erkennen, dass wir die
Finanzmarktregulierung weit vorangebracht haben und
auch in Zukunft weiter in die richtige Richtung voran-
bringen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sage Ihnen zum Thema einheitlicher europäischer
Restrukturierungsmechanismus: Wir wollen diesen Ab-
wicklungsmechanismus auf einer rechtssicheren Grund-
lage errichten, sodass Banken rechtzeitig, effektiv und
effizient abgewickelt werden können. Ein zentraler Ab-
wicklungsfonds darf aber nicht gleichzeitig die Blau-
pause für einen zentralisierten europäischen Einlagensi-
cherungsfonds sein. Ich glaube, das wäre falsch.

Ich teile die Auffassung, dass in der nächsten Krise,
soweit es irgendwie möglich ist, nicht die Steuerzahler,
sondern die privaten Eigentümer und Gläubiger, also
diejenigen, die auch Gewinnchancen hatten, die Lasten
tragen. Risikohaftung ist auch Teil der sozialen Markt-
wirtschaft. Daher unterstützen wir den zügigen Aufbau
einer Abwicklungsbehörde, insbesondere für die system-
relevanten, grenzüberschreitend tätigen Banken. Dafür
bedarf es einer rechtssicheren europäischen Grundlage;
das ist das Wesentliche. Auf Basis der allgemeinen Bin-
nenmarktkompetenz nach Art. 114 des AEUV wird nur
ein Netzwerk aus nationalen Fonds und nationalen Ban-
kenabgaben möglich sein. Damit ist klar, dass die Er-
richtung eines einheitlichen Fonds unter Berücksichti-
gung der Verantwortung der betroffenen Mitgliedstaaten
sichergestellt werden muss. Es hilft aber nichts, die Haf-
tung eines Staates durch die Haftung vieler Staaten zu
ersetzen. Das bringt nichts und löst nicht die Verqui-
ckung von Banken und Staat auf. Wir brauchen die klare
Haftungskaskade, von der wir immer gesprochen haben.
Den Teufelskreis, in dem sich Pleitebanken und Ver-
schuldungsstaaten befinden, wollen wir durchbrechen.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schaffen Sie ja nicht!)


Angeschlagene Staaten und schwache Banken dürfen
eben nicht in eine beschleunigte Abwärtsspirale kom-
men.

Klar ist, dass auch eine direkte Kreditvergabe des
ESM an den Bankenfonds abzulehnen ist. Hier bliebe
die nationale Budgethoheit nicht ausreichend gewahrt.
Das muss man klar sehen. Die Haftung von nur einem
Staat würde auf andere Staaten verteilt werden. Das ist
nicht Sinn und Zweck einer gemeinsamen europäischen
Währung.

Kredite durch den ESM setzen keine Anreize für
einen Staat, Risiken im nationalen Bankensektor von
vornherein möglichst gering zu halten. Der Haftungs-
grundsatz muss auch in der Bankenunion erhalten blei-
ben. Das ist unsere wesentliche Botschaft für diesen Be-
reich. Eine Bankenunion, in der nur national tätige,
kleinere Banken für risikoreiche Institute haften, darf es
ebenfalls nicht geben.

Deswegen müssen wir zum Thema Gläubigerbeteili-
gung im Antrag der Grünen sagen: Sie verlangen eine
Mindestbeteiligung der Bankinvestoren in Höhe von
8 Prozent der Bilanzsumme jeder Bank und unterstellen,
dass aus der Erklärung des Ecofin nicht deutlich werde,
in welchem Umfang eine Beteiligung privater Gläubiger
vor einer staatlichen Rekapitalisierung oder einem ESM-
Programm erfolgen muss.

Diese Annahme ist willkürlich, und sie ist falsch. Die
Erklärung des Ecofin vom 14. November dieses Jahres
macht das Gegenteil deutlich, nämlich dass erstens im
Fall einer Kapitallücke bei einem Stresstest nicht der
Steuerzahler zahlen soll, dass zweitens eine Haftungs-
kaskade gilt – für diese hatte sich unser Bundesfinanz-
minister Wolfgang Schäuble eingesetzt – und dass drit-
tens die Schließung der Kapitallücken durch die Banken
selbst erfolgen muss. Gelingt dies nicht, muss Beihilfe-
recht mittels Einbeziehung von Gläubigern erfolgen, und
zwar bevor öffentliche Mittel der Mitgliedstaaten einge-
setzt werden dürfen.

Dabei ist wichtig, zu beachten, dass das Beihilferecht
für Bail-in nur Mindestvorgaben macht, aber keine
Obergrenzen festsetzt. Will also ein Mitgliedstaat beim
Bail-in über die Mindestanforderungen hinausgehen, so
kann er dies tun. Kann ein Mitgliedstaat verbleibende
Kapitalisierungskosten nicht aus eigener Kraft decken,
so kann er Hilfe beim ESM beantragen. Diese muss er
aber als Mitgliedstaat beantragen. In der Ecofin-Erklä-
rung wird festgelegt, dass vor einer Bereitstellung von
ESM-Mitteln ein angemessenes Bail-in unter Beachtung
des Beihilferechts stattfinden muss. Auch hier gilt, dass
das Beihilferecht nur eine Mindestanforderung darstellt,
über die man hinausgehen kann.

Wir müssen hinsichtlich all dieser Entwicklungen bei
der Bankenunion deutlich machen, dass wir in der letz-
ten Legislaturperiode gemeinsam durchgesetzt haben,
dass der Deutsche Bundestag bei diesen Maßnahmen ein
faktisches Vetorecht hat. Wir sollten selbstbewusst im-





Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) (C)



(D)(B)

mer wieder deutlich machen, dass es einen Automatis-
mus nicht gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zum Abschluss ein Fazit ziehen: Die
Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs im
Euro-Raum werden immer deutlicher, und der Euro-
Raum findet allmählich seinen Weg aus der Krise. Es
gibt die notwendigen Reformen mit stärkeren Haushalts-
konsolidierungen. Das ist gut so. Wir sind auf dem rich-
tigen Weg. Wir haben die richtigen Fundamente gelegt.
Deswegen: Lassen Sie uns gemeinsam mit der Finanz-
marktregulierung fortfahren! Dann können wir alles da-
für tun, dass die Steuerzahler nicht mehr an den Hilfs-
maßnahmen beteiligt werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800338200

Danke, Herr Kollege Dr. Michelbach. – Der letzte

Redner in dieser Debatte ist Manfred Zöllmer von der
SPD.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1800338300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist schon erstaunlich, zu erfahren, was der Chef der
Deutschen Bank auf der Euro Finance Week von sich ge-
geben hat. Er hat natürlich Regulierung kritisiert – das
gehört immer dazu –, und dann hat er gesagt, das Kon-
zept von „too big to fail“ sei Unsinn, damit müsse nun
Schluss sein. Lieber Herr Fitschen, „too big to fail“ ist
kein Unsinn, „too big to fail“ ist das Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist wirklich schon dreist, so unverfroren wieder die
alte Melodie zu singen, dass Gewinne privatisiert und
Verluste sozialisiert werden. Denn das ist die Konse-
quenz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen feststellen, dass die wesentliche Ursache
der Euro-Krise die Finanzmarktkrise war. Sie hat die
Staaten in die Überschuldung getrieben – die Ausnahme
war Griechenland –, weil Banken, die überschuldet wa-
ren, nicht den normalen marktwirtschaftlichen Gang in
die Insolvenz antreten konnten. Hier könnte man Herrn
Fitschen einmal über den Ordnungsrahmen einer Markt-
wirtschaft aufklären. Aber lassen wir das. Wenden wir
uns jetzt Europa zu.

Oberstes politisches Ziel der Sozialdemokratie ist es,
zu verhindern, dass der Steuerzahler erneut bluten muss,
und deswegen unterstützten wir von Anfang an die Ban-
kenunion in Europa. Sie ist eine der zentralen Maßnah-
men, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern.
Der geplante Stresstest der EZB soll sicherstellen, dass
die Altlasten im Bankensystem vor Eintritt in die Ban-
kenunion bereinigt werden. Wir wissen nicht, wie groß
diese Altlasten sind; aber wir haben Befürchtungen, dass
sie einfach da sind. Sanierung und Rekapitalisierung von
Banken im europäischen Raum sind deshalb eine vor-
dringliche Aufgabe.

Wir haben über die Bankenaufsicht gesprochen. Ich
will wegen meiner begrenzten Redezeit da nicht in die
Details gehen. Lieber Kollege Troost, darüber sollten
wir noch einmal separat diskutieren. Es muss jetzt darum
gehen, eine entsprechende Regelung für die Abwicklung
und Restrukturierung von Banken zu treffen: Wer macht
es? Wer entscheidet? Wer finanziert?

Ein Abwicklungsverfahren für marode Banken in
Europa muss praktikabel sein – Herr Schick, ich stimme
Ihnen zu, es muss über das Wochenende entschieden
werden können; das ist völlig klar –; aber es muss auch
rechtssicher sein. Warum rechtssicher? Weil in diesem
Bereich jede Entscheidung mit Sicherheit beklagt wird.
Wenn man das Ganze auf einer unsicheren Rechtsgrund-
lage durchführt, dann richtet man großes Chaos an.

Nun gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Das muss man einfach konzedieren; das ist so. Ich bin
kein Jurist – zum Glück.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Markus Grübel [CDU/CSU]: Ah!)


Aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Und wir
müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesfinanz-
minister eine ganz klare Rechtsauffassung hat, die er von
Anfang an geäußert hat. Er hat gesagt: Art. 114 AEUV
ist nicht ausreichend. – Es geht um die Frage: Ist es noch
Harmonisierung, oder ist es schon Zentralisierung? Da-
rüber streiten sich die Juristen. Wir können diesen Streit
nicht entscheiden; aber wir müssen politisch fordern,
dass wir eine wasserdichte Lösung finden, die Rechts-
sicherheit gewährt, die also vor Gericht Bestand hat. Das
ist unsere politische Forderung.

Darüber hinaus brauchen wir eine Abwicklungs-
behörde für die systemrelevanten grenzüberschreitenden
Banken. Darüber, wie man das organisiert, gibt es ver-
schiedene Vorschläge. Nun muss es darum gehen, in den
Verhandlungen in Brüssel einen rechtssicheren Kompro-
miss zu finden. Wenn das auf der Basis der bestehenden
Verträge nicht möglich ist, dann muss es als Zwischen-
lösung ein intergouvernementales Netzwerk mit nationa-
len Bankenabgaben geben,


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sich im Wahlkampf aber noch anders angehört!)


bis die rechtlichen Voraussetzungen für eine gemein-
schaftliche Institution geschaffen sind. Bis dahin bleiben
die Mitgliedstaaten in der Tat in der Verantwortung.

Aber Ziel bleibt, eine gemeinsame europäische Ban-
kenabgabe einzuführen. Das ist für uns Sozialdemokra-
ten wichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn das oberste Ziel ist es: Steuerzahler dürfen nicht
noch einmal herangezogen werden. Deshalb soll die
Haftungskaskade kommen; dazu ist schon einiges gesagt
worden.





Manfred Zöllmer


(A) (C)



(D)(B)

Nun haben wir aber das Problem, dass die Frage,
wann die Neuregelung eigentlich in Kraft tritt, noch un-
beantwortet ist. Das ist ein entscheidender Punkt. Die
aktuellen Haftungsregeln gelten bisher bis 2018. Die
Neuregelung muss aber vor Ablauf der aktuellen Haf-
tungsregeln in Kraft treten. Das ist unsere politische
Auffassung. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, das der
Minister erreichen muss, damit wir hier vernünftige
Strukturen haben.

Lieber Herr Schick, in Ihrem Antrag taucht so etwas
nicht auf.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten auch einen Antrag stellen können!)


Wir sind bei Ihren Anträgen von der Qualität her eigent-
lich mehr gewohnt. Was Sie uns mit diesen Anträgen
präsentieren, ist ein bisschen dünn.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen wir noch mehr stellen? Das können wir machen!)


– Gern,


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Reizen Sie ihn nicht, Herr Zöllmer!)


aber dann ein bisschen substanzieller und auf den Sach-
verhalt bezogen!


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das war jetzt das Schlusswort!)


Zur Rekapitalisierung der Banken und zum ESM hat
der Kollege Poß Entsprechendes gesagt. Da hat es die
Zusage der Bundeskanzlerin im Juli gegeben, unter
Schwarz-Gelb noch. Das können wir jetzt nicht vom
Tisch wischen. Was wir können, ist, dem Finanzminister
eine glückliche Hand bei den schwierigen Verhandlun-
gen in Brüssel zu wünschen;


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder sich einmischen!)


denn wir wissen: Wir müssen jetzt Nägel mit Köpfen
machen – ich komme zum Schluss –, durch die Europa-
wahl verlieren wir sonst viel zu viel Zeit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU])



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800338400

Danke, Herr Kollege. – Damit schließe ich die Aus-

sprache.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die Anträge
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf den Drucksa-
chen 18/97 und 18/98. Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen wünscht jeweils Abstimmung in der Sache; die
Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der Linken
wünschen jeweils die Überweisung an den Hauptaus-
schuss.
Jetzt möchte ich zuerst feststellen, ob es eine Mehr-
heit für die Ausschussüberweisungen gibt. Ich frage des-
halb: Wer stimmt für die beantragten Überweisungen? –
Wer stimmt dagegen? – Eigentlich kann sich jetzt nie-
mand mehr enthalten. Ich frage trotzdem: Wer enthält
sich? – Bei Zustimmung von CDU/CSU, SPD und Lin-
ken und Ablehnung durch Bündnis 90/Die Grünen sind
die Überweisungen so beschlossen. Deswegen stimmen
wir heute in der Sache nicht ab.

Vielen Dank für diese Debatte; ich habe viel gelernt.

Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vor-
schlag für eine Verordnung des Rates über
das Programm „Europa für Bürgerinnen und
Bürger“ für den Zeitraum 2014–2020

– Drucksache 18/13 –
Überweisungsvorschlag:
Hauptausschuss

Auch hier wurde nach interfraktioneller Vereinbarung
für die Aussprache eine Zeit von 38 Minuten vorgese-
hen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Ich sehe nur jeman-
den, der unbedingt ganz schnell reden will. Dann ist die
Zeit für die Aussprache sofort so beschlossen, und ich
gebe Markus Grübel das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1800338500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Gesetz, das wir heute beraten, ist wirklich kurz. Es
besteht aus drei Sätzen. Im Verhältnis 2:1 werden diese
Sätze auf zwei Artikel verteilt. Damit wird es wahr-
scheinlich das kürzeste Gesetz sein, das wir in dieser
Wahlperiode beraten.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der Euro-Rettungsschirm war kürzer!)


Das Gesetz schafft die Rechtsgrundlage für die Zu-
stimmung des deutschen Vertreters im Rat zum Vor-
schlag für eine Verordnung über die Fortführung des
Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“, wie
es etwas sperrig heißt. Diese europäische Verordnung
hat nach einer langen Vorbemerkung 16 Artikel. Man
kann das eigentlich zusammenfassen oder auf den Punkt
bringen mit: Das Programm will Europa erlebbar ma-
chen.

Es geht darum, über Ländergrenzen hinweg Bürgerin-
nen und Bürger, insbesondere die Jugend, zusammenzu-
bringen. Es geht darum, die europäische Idee zu bewer-
ben und Europa den Menschen näherzubringen. Das
Programm setzt an der Zivilgesellschaft an und baut auf
bürgerschaftliches Engagement. Es setzt auf die kleinen
Einheiten, insbesondere auf Vereine und die Kommunen.

Mit dem neuen Programm für den Zeitraum 2014 bis
2020 soll ein breites Spektrum an unterschiedlichen Ak-
tionen abgedeckt werden. Ein bunter Strauß von Maß-
nahmen ist in dem Programm möglich. Es soll beispiels-





Markus Grübel


(A) (C)



(D)(B)

weise umfassen: Bürgerbegegnungen, Kontakte und
Debatten zu Bürgerschaftsthemen, Veranstaltungen auf
Ebene der Europäischen Union, Initiativen zur Sensibili-
sierung für Meilensteine in der Geschichte Europas so-
wie Initiativen mit dem Ziel, den europäischen Bürgerin-
nen und Bürgern, insbesondere der Jugend bei uns in
Europa, die Geschichte der Europäischen Union und die
Funktionsweise der Organe der Europäischen Union nä-
herzubringen, und Debatten über europäische Themen.

Dieses Programm passt gut zu dem, was wir, die
CDU/CSU, in unserem Regierungsprogramm zu Europa
und zum Ehrenamt gesagt haben. Es findet sich auch im
Koalitionsvertrag wieder.

Für unser Gemeinwesen ist das Engagement der Bür-
gerinnen und Bürger eine unverzichtbare Säule. Der Ge-
danke des bürgerschaftlichen Engagements und Ehren-
amts ist nicht nur für das Miteinander innerhalb unseres
Landes von zentraler Bedeutung. Es dient auch dem Zu-
sammenhalt und dem Miteinander innerhalb Europas.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Förderung von Projekten, mit denen gerade jun-
gen Menschen die Geschichte und das Wertefundament
der Europäischen Union nähergebracht werden, ist wich-
tig. Gerade in diesen Tagen, in Zeiten der Wirtschafts-
und Finanzkrise – das zeigte auch der letzte Tagesord-
nungspunkt – haben wir gemerkt, dass die Europäische
Union einen Ansehensverlust erlitten hat. Beim Thema
Europa denken wir an den Euro, an Krisenstaaten und
Rettungspakete, aber viel zu wenig an die positiven As-
pekte der europäischen Einigung. Gerade der Jugend
sollte die Geschichte Europas – Kriege und Vertrei-
bung einerseits sowie die Aussöhnung nach 1945 ande-
rerseits – stärker bewusst gemacht werden.

Sinnvoll ist daher, dass die Themen „europäisches
Geschichtsbewusstsein“ und „demokratisches Engage-
ment und Bürgerbeteiligung“ die inhaltlichen Schwer-
punkte sein sollen. Die Jugend, die die deutsche Teilung
und die Teilung Europas nicht erlebt hat und die weder
Krieg noch Stau an der Zollstation auf dem Brenner er-
lebt hat, für Europa zu begeistern, ist ein wichtiges An-
liegen des Programms.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darum ist es gut und richtig, Europa erlebbar zu ma-
chen. Es ist gut und richtig, Europa positiv erlebbar zu
machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800338600

Danke, Herr Kollege. – An den Stau am Brenner kann

ich mich auch noch erinnern.

Die nächste Rednerin ist Petra Crone für die SPD.


(Beifall bei der SPD)


Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1800338700

Frau Präsidentin, Glückwunsch zu Ihrer ersten Sit-

zungsleitung! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen!
Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass einer der
ersten Tagesordnungspunkte der 18. Wahlperiode das
Thema „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ ist. Der
Gesetzentwurf der noch amtierenden Regierung mit dem
etwas sperrigen Titel – der Entwurf ist kurz, aber der Ti-
tel ist sehr lang – „Gesetz zum Vorschlag für eine Ver-
ordnung des Rates über das Programm ‚Europa für Bür-
gerinnen und Bürger‘ für den Zeitraum 2014–2020“ soll
die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass der
deutsche Vertreter oder die deutsche Vertreterin im Rat
dem Vorschlag des Rates zustimmen kann. Das hört sich
technisch an und ist auch weitgehend technisch. Die Vo-
raussetzung aufgrund des Integrationsverantwortungsge-
setzes ermöglicht es uns aber, eine inhaltliche Debatte
zum Thema „Europa und Bürgerbeteiligung“ zu führen.
Das begrüßen wir, die SPD-Bundestagsfraktion, sehr.


(Beifall bei der SPD)


„Europa für Bürgerinnen und Bürger“ – das hört sich
gut an. Die zur Abstimmung stehende EU-Verordnung
soll die Themen „Europäisches Geschichtsbewusstsein“
und „Demokratisches Engagement und Bürgerbeteili-
gung“ zu inhaltlichen Schwerpunkten machen. Auch das
hört sich gut an. Allerdings darf es nicht bei schönen
Worten, aber wenig Taten bleiben.

Der vorliegende Vorschlag des Rates ist zunächst eine
Ansammlung schöner Worte, die einen angesichts der
Politik der EU-Kommission in den letzten Jahren zwei-
feln lässt; denn es nützt überhaupt nichts, schöne Pro-
gramme und Aktivitäten ins Leben zu rufen, wenn Eu-
ropa von den Menschen vorwiegend mit Finanzen,
Binnenmarkt, Ellenbogen, Sparbeschlüssen und Besser-
wisserei des Nordens gegenüber dem Süden in Verbin-
dung gebracht wird. Europa braucht mehr Solidarität,
Respekt, Begegnung und Menschlichkeit.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU])


Diese Werte schaffen wir nicht mit Aktionsprogrammen,
sondern nur mit solidarischer, sozialer und weitsichtiger
Politik sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene.

Doch wäre es ungerecht, die Verordnung auf schöne
Worte zu reduzieren; denn die Einzelziele „Europäisches
Geschichtsbewusstsein“ und „Demokratisches Engage-
ment und Bürgerbeteiligung“ werden konkret mit Leben
erfüllt. Außerdem verstärken die genannten Programme
die Begegnung und die Solidarität von EU-Bürgerinnen
und -Bürgern. Die EU-Verordnung soll das Lernen und
die Kooperationsaktivitäten von EU-Bürgern fördern,
Kontaktstellen für das Programm einrichten und entspre-
chende Analysen implementieren.

Offen bleibt für die SPD-Bundestagsfraktion, wie die
Evaluierungen der Programme konkret erfolgen sollen
und inwiefern die Nachhaltigkeit gesichert ist. Wir sehen
doch, dass sich immer weniger eher einkommensschwa-
che und bildungsfernere Bevölkerungsschichten am
bürgerschaftlichen Engagement beteiligen. In diesem
Zusammenhang hätte ich mir vor allem einen sozioöko-





Petra Crone


(A) (C)



(D)(B)

nomischen Gradmesser für die Evaluierungen ge-
wünscht. Auch die Aspekte Alter und Geschlecht wer-
den lediglich vorgeschlagen. Dazu wird uns die
Bundesregierung in den Ausschüssen noch mehr mittei-
len müssen.

In der 17. Wahlperiode ist leider die Chance verpasst
worden, Engagementpolitik gemeinsam mit der Zivilge-
sellschaft zukunftsfest weiterzuentwickeln. Insofern
überrascht es mich und freut es mich natürlich auch, dass
die Bundesregierung der EU-Verordnung im Rat zustim-
men möchte.

Bürgerschaftliches Engagement kann die staatli-
chen Institutionen nur ergänzen, wenn es über die
entsprechenden Mittel und öffentlichen Räume ver-
fügt.

Diesen Worten von Wolfgang Thierse schließe ich
mich an und freue mich, auf dieser Grundlage die kom-
menden Gespräche zur Verordnung zu führen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800338800

Herzlichen Dank, liebe Petra Crone. – Nächster Red-

ner in dieser Debatte: Andrej Hunko von der Linken.


(Beifall bei der LINKEN)



Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800338900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir re-

den über das Programm „Europa für Bürgerinnen und
Bürger“ für die Jahre 2014 bis 2020. Für das Programm
sind 229 Millionen Euro vorgesehen, mit dem Ziel der
„Verbesserung der Voraussetzungen für eine demokrati-
sche Bürgerbeteiligung“. Das hört sich schön an.

Zur Verbesserung der Voraussetzungen für eine de-
mokratische Bürgerbeteiligung wären allerdings vor al-
lem mehr demokratische Rechte der Bürgerinnen und
Bürger angezeigt, wäre es angezeigt, das Demokratiede-
fizit auf europäischer Ebene anzugehen. Ich rede hier
unter anderem von der Europäischen Bürgerinitiative,
die in der vorliegenden Ratsverordnung als „einzigartige
Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger direkt an der
Gestaltung der EU-Rechtsvorschriften mitwirken zu las-
sen“, dargestellt wird.

Leider muss man sagen, dass die EBI eine einzigartig
eingeschränkte Möglichkeit zur Mitwirkung ist, unter
anderem, weil sie an die Umsetzung der bestehenden
Verträge gebunden ist. Ich habe mir einmal die Liste der
von der Europäischen Kommission abgelehnten Bürger-
initiativen der letzten Monate ausdrucken lassen. Da
wurde zum Beispiel die Bildung einer öffentlichen Bank
für eine soziale, ökologische und solidarische Entwick-
lung abgelehnt, weil sie nicht in den Verträgen vorgese-
hen ist. Ein europaweiter Atomausstieg wurde wegen
Euratom abgelehnt. Eine Initiative gegen die grausame
Behandlung von Tieren wurde abgelehnt. Ein europa-
weites Referendum, um demokratische Defizite aufzu-
heben, wurde abgelehnt. Das ist leider die Realität.
Die Linke fordert hier mehr Demokratie auf europäi-
scher Ebene, damit solche Initiativen, in denen sich Bür-
gerinnen und Bürger für europäische Themen engagie-
ren, auch wirklich eine Chance haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ähnlich wie bei der
EBI verhält es sich leider auch mit dem Programm „Eu-
ropa für Bürgerinnen und Bürger“. Die Mittelvergabe
wird vorrangig an den „Bezug zu den Strategien der
Union“ gebunden. Die Strategie „Europa 2020“ als radi-
kalisierte Fortsetzung der gescheiterten Lissabon-Strate-
gie mit dem Dogma der EU als wettbewerbsfähigstem
Wirtschaftsraum der Welt wird damit zur praktischen
Richtschnur für Projektanträge. Kritische Projektträger,
die vielleicht alternative Europa-Visionen haben, dürften
es schwer haben. Völlig weltfremd wird es, wenn es in
der Verordnung heißt – Zitat –:

… die eindrucksvollen Errungenschaften in puncto
Frieden und Stabilität in Europa, langfristiges nach-
haltiges Wachstum … haben nicht immer zu einem
starken Zugehörigkeitsgefühl der Bürgerinnen und
Bürger zur EU geführt.

Das ist ja auch eben angesprochen worden.

Auf Deutsch: Viele Menschen, insbesondere in Süd-
europa, wenden sich von der EU ab, misstrauen ihr, und
zwar gerade wegen der Art und Weise, wie EU-Kommis-
sion und EZB als Teil der Troika mit wirtschaftlichen
und sozialen Problemen umgehen, nämlich durch Kür-
zungen von sozialen Leistungen, von Löhnen, durch Per-
sonalabbau im öffentlichen Dienst, durch Deregulierung
und erzwungene Privatisierung bis hin zur Wasserver-
sorgung. Eine solche Politik führt zur Entfremdung der
Bürgerinnen und Bürger von der EU.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist jetzt leider auch zu befürchten, dass Projekte,
die im Einklang mit der gegenwärtigen EU-Strategie ste-
hen, bei der Mittelvergabe bevorzugt werden, während
kritische Projekte drohen leer auszugehen. Das lehnen
wir ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein letzter, aber wichtiger Punkt: In der Ratsverord-
nung ist von „europäischer Identität“ die Rede, im Kon-
text des Gedenkens an die Verbrechen totalitärer Regime
in Europa. Bis zu 20 Prozent der Mittel könnten für Pro-
jekte abgerufen werden, die sich „mit den Ursachen für
die totalitären Regime in der neueren Geschichte Euro-
pas“ auseinandersetzen. So notwendig die Auseinander-
setzung mit dem Naziregime in Deutschland einerseits
und dem Stalinismus in der Sowjetunion andererseits ist
und so notwendig es wäre, sich darüber hinaus mit dem
europäischen Kolonialismus und dem Ersten Weltkrieg
auseinanderzusetzen, so entschieden lehnen wir jedoch
die Gleichsetzung von Naziregime und Stalinismus ab,
wie sie in der fragwürdigen Totalitarismustheorie zum
Ausdruck kommt,


(Beifall bei der LINKEN)






Andrej Hunko


(A) (C)



(D)(B)

nicht zuletzt, weil sie auch eine Relativierung des Holo-
causts darstellt. Auf jeden Fall sollte die Frage des Sinns
und Unsinns einer Totalitarismustheorie Gegenstand der
wissenschaftlichen Forschung sein und nicht zum Be-
zugsmerkmal bei der Vergabe von Mitteln zum Beispiel
an Thinktanks oder Geschichtsvereine werden.

Aus diesem Grund hat auch die Linksfraktion im Eu-
ropäischen Parlament die entsprechende Verordnung ab-
gelehnt. In ihrem Minderheitenvotum heißt es dazu:

Wir haben gegen den Bericht gestimmt, weil wir
uns für die folgenden Werte einsetzen:

– die Vielfalt und Achtung der verschiedenen Kul-
turen und Völker Europas

– die Trennung von politischer Tätigkeit und der
Arbeit von Historikern und Forschern

– die demokratischen Grundsätze, die Diskussionen
und die Möglichkeit einer kritischen Sicht der Eu-
ropäischen Union, ihres Aufbaus und ihrer Ge-
schichte einschließen.

Dem können wir uns hier im Bundestag nur anschließen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bin
gespannt, wie qualifiziert sich der heute gegründete
Hauptausschuss mit diesem Thema auseinandersetzen
wird.

Vielen Dank.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800339000

Danke schön, Herr Kollege. – Dann kommt jetzt ein

qualifizierter Beitrag unseres Kollegen Manuel Sarrazin,
Bündnis 90/Die Grünen.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800339100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viel-

leicht ein Wort zur Faktenlage: Über das Programm „Eu-
ropa für Bürgerinnen und Bürger“ werden Städtepartner-
schaften, Vereine, Bildungs-, Forschungs-, Kultur- und
Jugendeinrichtungen, Stiftungen und Gewerkschaften
gefördert, und die geförderten Aktionen müssen grund-
sätzlich transnational durchgeführt werden oder eine eu-
ropäische Dimension haben.

Ich dachte eigentlich, dass das Thema der internatio-
nalen Begegnungsarbeit etwas wäre, das sogar mich mit
den Idealen der Linkspartei verbindet.


(Kerstin Griese [SPD]: Heute nicht!)


Aber man kann natürlich, so wie Sie es tun, die finan-
zielle Förderung dieses Bereichs mit fast 200 Millionen
Euro ablehnen und hier irgendwelche geschichtspoliti-
schen Ausführungen machen.


(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Das steht da aber so drin!)


Vielleicht sollte man sich doch noch einmal vor Au-
gen führen, verehrter Kollege Hunko, dass wir im nächs-
ten Jahr verschiedenste Jahrestage haben, die auch vor
dem Hintergrund der Europawahl und gerade vor dem
Hintergrund der Krise eine wunderbare Gelegenheit bie-
ten, beim Thema Geschichtsbewusstsein etwas vorzule-
ben.


(Andrej Hunko [DIE LINKE]: 100 Jahre Erster Weltkrieg!)


– Wir haben nächstes Jahr den 100. Jahrestag des Be-
ginns des Ersten Weltkrieges. Jetzt können wir einmal
schauen, ob Ihnen auch die weiteren Jahrestage einfal-
len. Zum Beispiel haben wir im August einen Jahrestag:
75 Jahre Hitler-Stalin-Pakt. Das ist durchaus eine Gele-
genheit, über die Geschichte Europas zu reden und auch
die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts kritisch aufzu-
greifen. Im Juni nächsten Jahres ist beispielsweise das
25-jährige Jubiläum der ersten teildemokratischen Wah-
len in der Volksrepublik Polen. Das ist ein wirklich gran-
dioses Datum, um das Geschichtsbewusstsein zu stärken
und dabei die gesamteuropäische Dimension einzubezie-
hen, die nicht klassisch westeuropäisch-links geprägt ist.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass wir eine
sehr wichtige Debatte führen, nicht, weil dieses Pro-
gramm etwa das wichtigste wäre, auch nicht, weil hier
die Flexibilitätsklausel angewandt wird und wir aktiv die
Verfassungsidentität unseres Grundgesetzes nach der
Lissabon-Rechtsprechung des Verfassungsgerichts le-
ben, sondern weil es hier darum geht, Gelder freigeben
zu können, damit die genannten Institutionen und die
Städtepartnerschaften so schnell wie möglich auf die
Gelder zugreifen und Projekte durchführen können, da-
mit sich Menschen in Europa treffen und begegnen kön-
nen.

Leider debattieren wir den Gesetzentwurf erst jetzt.
Er wurde uns von der Bundesregierung so spät vorge-
legt, obwohl zumindest politisch schon seit Monaten die
Zahl, die am Ende der Haushaltsverhandlungen heraus-
kommen würde, vorlag. Das Problem ist, dass wir es nun
aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund des Gesetzge-
bungsverfahrens in Deutschland im Zusammenhang mit
dem Bundesrat und der erst dann folgenden Ratsbe-
schlüsse nicht hinbekommen werden, dass tatsächlich ab
Januar Mittel fließen können.

Das heißt, das europäische Miteinander wird – zumin-
dest zum 1. Januar des geschichtsträchtigen Jahres 2014,
in dem sich der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939
sowie die Osterweiterung 2004 jährt – erst einmal ausge-
setzt, weil diese Regierung und auch dieses Parlament
aufgrund der langen Koalitionsverhandlungen nicht
rechtzeitig aus dem Knick gekommen sind und weil sich
die alte Regierung nicht getraut hat, einfach einmal bis
zum Ende der Legislatur vorzudenken.

Das andere ist: Wir sagen oft sehr allgemein, es gebe
eine große, böse Sparpolitik in Europa. Hier bietet sich
eine gute Gelegenheit, zu sagen, dass es wirklich schade
ist, dass die Politik, die Schwarz-Gelb im Zuge der Ver-
handlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen in den
letzten Jahren gemacht hat, zu allgemeinen Einsparun-
gen im EU-Haushalt geführt hat, was wiederum dazu
führt, dass dieses Programm zur Förderung von Städte-
partnerschaften, das die Begegnung junger Menschen
fördern soll, in der vorliegenden Fassung weniger Mittel
zur Verfügung hat. Dem Programm wurden zwischen





Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)

2013 und 2014 5 Millionen Euro gestrichen, und in der
gesamten neuen Förderperiode stehen 30 Millionen Euro
weniger zur Verfügung.

Ich kann nur sagen: Da wurde der Rotstift an der fal-
schen Stelle angesetzt. Dadurch fallen unserer Meinung
nach wohlmeinende, lobenswerte und unterstützens-
werte Projekte einem falschen Politikstil in Bezug auf
die Finanzierung der Europäischen Union zum Opfer.

Meine Damen und Herren, wir üben nicht nur Kritik,
wir haben auch Vorschläge, wie man das Programm kon-
kret ausgestalten könnte. Die Grünen haben immer auf
allen Ebenen Verbesserungsvorschläge gemacht, unsere
europäische Fraktion hat diese auch vorgetragen. Am
Ende haben wir dem vorliegenden Programm trotzdem
zugestimmt, weil wir, im Gegensatz zur Linkspartei,
meinen: Es ist gut, wenn sich junge Menschen treffen,
wenn über Städtepartnerschaften und Kulturinstitutionen
Menschen miteinander über Geschichte und Politik ins
Gespräch kommen.


(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Deswegen stimmen wir dem vorliegenden Gesetzent-
wurf zu.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800339200

Danke schön, Herr Kollege Sarrazin. – Nächste Red-

nerin: Daniela Ludwig für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1800339300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über den Inhalt des Programms, über das wir heute de-
battieren, ist bereits viel Richtiges gesagt worden. Sehen
Sie mir nach, dass ich das alles an dieser Stelle nicht
wiederholen möchte.

Ich glaube schon, dass das Programm jenseits der Kri-
tik, die man auch vorbringen möchte, eine gewisse Da-
seinsberechtigung hat, zum einen natürlich, weil es Ge-
nerationen und auch Institutionen über die Grenzen in
Europa hinweg verbinden soll, zum anderen aber – und
so verstehe ich es ein klein wenig –, weil es auch ge-
wisse Vorurteile gegenüber der Europäischen Union, die
gerade junge Menschen in sich tragen, beseitigen soll.

Wir alle wissen, dass es viele junge Menschen gibt,
die weder einen Krieg miterlebt haben noch die Teilung
Europas bewusst wahrgenommen haben. Für sie ist Eu-
ropa in allererster Linie nicht das, was es für uns ist,
nämlich ein gigantisches Friedenswerk, sondern für sie
ist es teilweise lästig. Sie nehmen Europa wahr als die
EU-Kommission, die mit sinnlosen Richtlinien und Ver-
ordnungen um sich wirft. Die Gurkenkrümmung ist ein
gern genanntes Beispiel. Ich weiß nicht, ob Sie wissen,
dass die Europäische Kommission bereits seit zehn Jah-
ren an einer Schnullerkettenverordnung arbeitet, um
möglichst viele Unfälle durch Schnullerketten zu verhin-
dern. Das ist das – so lustig es klingt –, was die Men-
schen wahrnehmen


(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Die Troika!)


und was letztlich dafür sorgt, dass sie etwas frustriert
sind, was die europäische Entwicklung angeht.

Umso wichtiger ist es, dass wir nicht nur mit Pro-
grammen wie diesem, über das wir heute debattieren,
dieser oftmals aufkeimenden Frustration gerade auch un-
ter jüngeren Menschen entgegenwirken, sondern dass
wir in unserer täglichen politischen Arbeit, für die wir
Verantwortung tragen, auch darauf hinwirken, dass Eu-
ropa transparenter, bürgerfreundlicher und an der einen
oder anderen Stelle demokratischer wird, und zwar nicht
nur dann, wenn wir das Europäische Parlament wählen.

Deswegen finde ich es gut, dass wir diesen Gesetzent-
wurf heute auf den Weg bringen. Dadurch werden gute
Initiativen finanziell gefördert. Diese Initiativen möge es
bitte auch weiterhin geben. Daran müssen wir alle ein
Interesse haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen aber auch ein Interesse daran haben, dass
klar wird – auch dafür ist dieses Programm gut –, dass
Europa nicht irgendwo über uns ist, sondern dass es im-
mer bei uns, dass es zwischen uns ist.

Wir haben uns das Subsidiaritätsprinzip immer ganz
groß auf die Fahnen geschrieben: Es soll ein Europa der
Regionen sein. Es soll ein Mitmacheuropa werden; die
Menschen sollen Europa mitgestalten. – Die Menschen
können Europa am besten mitgestalten, wenn wir sie or-
dentlich darüber informieren, was Europa für ihr tägli-
ches Leben bedeutet, wie sie Europa positiv für sich nut-
zen können. Ich glaube, dass wir die bei den Menschen
vorhandene Skepsis gegenüber Europa nicht nur mithilfe
dieses Programms, sondern auch durch unser tägliches
politisches Handeln spürbar abbauen können. Deshalb
ist dieses Programm, wie ich finde, ein Schritt in die
richtige Richtung. Wir wollen nicht länger nur über die
Gurkenrichtlinie, über die Schnullerkettenverordnung
und über Euro-Rettungspakete sprechen, sondern auch
darüber, dass es ein Europa der Völkerverständigung
und insbesondere ein Europa der Jugend geben muss,
von dem alle Nationen profitieren.

Ich bin sehr froh, dass wir dieses Programm heute auf
den Weg bringen und die Bundesregierung zustimmen
will. Ich bin angesichts all der guten und konstruktiven
Vorschläge, die wir von den verschiedenen Seiten gehört
haben, sicher, dass wir einen guten Weg finden werden,
dieses Programm bei uns in Deutschland ordentlich um-
zusetzen.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800339400

Danke schön, Frau Kollegin Ludwig. – Nächste Red-

nerin ist Kerstin Griese für die SPD.


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1800339500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist sehr sinnvoll, das Programm „Europa für Bürge-
rinnen und Bürger“, das es schon eine Zeit lang gibt,
weiterzuführen – das beschließen wir heute –; denn es ist
wichtig, Menschen für die europäische Idee zu begeis-
tern. Das erreicht man übrigens am wenigsten, wenn
man mit platten Vorurteilen, mit krummen Gurken oder
Schnullerketten argumentiert. Man muss die Menschen
vielmehr für die europäische Idee begeistern,


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Ich sehe, Sie haben nicht zugehört, Frau Griese!)


man muss Europa erlebbar machen. Viele junge Men-
schen, die ich kenne, erleben Europa in ihrem Alltag als
eine Selbstverständlichkeit. Sie sind begeisterte und
überzeugte Europäerinnen und Europäer.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland stimmt diesem Programm als letzter EU-
Mitgliedstaat zu. Deshalb ist die Angelegenheit ein biss-
chen dringlich. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir die
beiden Schwerpunkte des Programms unterstützen.

Der erste Schwerpunkt ist schon genannt worden: Das
europäische Geschichtsbewusstsein soll gestärkt wer-
den. In einer Studie der FU Berlin aus dem Jahr 2012
wurde festgestellt, dass nur die Hälfte der befragten
Schülerinnen und Schüler den NS-Staat und nur ein Drit-
tel die DDR als Diktatur einordnen. In Sachen Ge-
schichtswissen gibt es also noch einiges zu tun. Die Stu-
die zeigt sehr deutlich, dass das Wissen über die
Geschichte Deutschlands und Europas verbessert wer-
den muss; denn nur wenn man etwas über die Ge-
schichte, auch über die eigene Geschichte weiß, kann
man daraus lernen und mit diesem Wissen die Zukunft
gestalten.

Das ist auch deshalb wichtig, weil gerade in Zeiten
großer Angst oder wenn Ängste geschürt werden, Ge-
schichtswissen oft verloren geht. Ich will nur ein Bei-
spiel nennen: Es ist besorgniserregend, dass in Griechen-
land die rechtsextreme, neofaschistische Partei Goldene
Morgenröte inzwischen mit fast 30 Abgeordneten im
Parlament sitzt. Das ist besorgniserregend und absolut
geschichtsvergessen.


(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Aber Folge der Politik!)


Aber auch in Ländern wie Frankreich und Ungarn erhal-
ten rechtspopulistische Parteien Zuspruch und werden
Angehörige der Roma-Minderheit verfolgt und diskrimi-
niert. Um Diskriminierung und Gewalt zu verhindern, ist
es wichtig, dass in Europa ein Bewusstsein für die ge-
meinsame Geschichte entwickelt wird. Den Menschen
musst bewusst sein, dass Europa für Frieden und für das
solidarische Miteinander der Völker steht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube, junge Menschen brauchen einen Kom-
pass, um sich zurechtzufinden. Wenn sie in den Projek-
ten, die über dieses Programm gefördert werden, Europa
als eine Idee des Friedens begreifen, wenn sie lernen,
dass die europäische Idee uns die längste Friedensphase
gebracht hat, die wir je in Europa hatten, wenn sie ein
Bewusstsein für diese Qualität Europas entwickeln, dann
ist das von besonderem Wert.

Über dieses Programm sind bereits schöne Projekte
gefördert worden, zum Beispiel der Europäische Ge-
schichtsweg. In einem niedersächsischen Ort haben Ju-
gendliche aus Deutschland, Frankreich, den Niederlan-
den und Polen gemeinsam die Geschichte untersucht.
Sie haben Tafeln entworfen, auf denen in fünf Sprachen
europäische Themen behandelt werden, von den Römern
über Karl den Großen, die Reformation, die Erklärung
der Menschen- und Bürgerrechte bis hin zu den beiden
Weltkriegen.

Man darf Geschichte lernen, beschreiben und auch
vergleichen, aber man darf sie nicht gleichsetzen. Des-
halb finde ich es wichtig, dass wir im nächsten Jahr den
75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs bege-
hen, dass wir an den Beginn dieses fürchterlichen Krie-
ges erinnern, dass wir im nächsten Jahr aber auch an den
25. Jahrestag des Falls der Mauer erinnern und dieses
freudige Ereignis begehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der zweite Schwerpunkt des EU-Programms ist die
Stärkung des demokratischen Engagements und der Bür-
gerbeteiligung, also Europa wirklich von unten denken,
den Bürgerinnen und Bürgern in Europa klarmachen,
dass sie Macht und Einfluss haben. Wir haben in unserer
Koalitionsvereinbarung, so sie denn von unseren Mit-
gliedern unterstützt werden wird, dazu eine schöne Aus-
sage, die ich Ihnen zitieren will:

Die Herausbildung einer europäischen Zivilgesell-
schaft ist eine essentielle Voraussetzung für eine
lebendige europäische Demokratie. Besonders
wichtig ist es, dafür auch die Jugendpolitik weiter-
zuentwickeln.

Das sind zwei der guten Sätze in diesem Koalitionsver-
trag.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Da zeigt sich auch ein Zusammenhang zwischen den
beiden Themenschwerpunkten: Das Lernen aus der Ge-
schichte, um heute Demokratie engagiert gestalten zu
können, ist besonders wichtig für die junge Generation,
die Europa so erleben kann.

Ich als Abgeordnete habe das große Glück – wann hat
man das schon einmal? –, dass aus diesem Programm ein
Projekt in meinem Wahlkreis gefördert wurde. Nur
2 Städte in Deutschland und 37 Städte europaweit wur-
den bezüglich ihrer Städtepartnerschaften gefördert. Die
Stadt Velbert hat vor ein paar Tagen eine große Partner-
schaftskonferenz mit ihren Partnerstädten durchgeführt,
ein Partnerschaftsnetzwerk gegründet und wird vor der
Europawahl ein internationales Jugendcamp durchfüh-
ren. Sie macht all das auch, um darauf aufmerksam zu
machen, dass zu einem Europa der Bürgerinnen und





Kerstin Griese


(A) (C)



(D)(B)

Bürger gehört, dass möglichst viele Menschen zur Euro-
pawahl gehen. Es sollte unser gemeinsames Anliegen
sein, klarzumachen, dass Demokratie zu Europa gehört
und die Europawahl eine bessere Wahlbeteiligung als in
den letzten Jahren braucht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei dieser Europawahl wird es zum ersten Mal mög-
lich sein, einen europäischen Spitzenkandidaten zu wäh-
len. Das ist für uns Sozialdemokraten eine tolle Sache,
weil unser Spitzenkandidat Martin Schulz ist. Wir sind
großer Hoffnung, dass er ein grandioses Ergebnis erzie-
len wird.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und für uns andere?)


Damit wird Europa ein Gesicht und eine Stimme gege-
ben. Es ist oft so, dass Menschen Europa als fern wahr-
nehmen. Da kann man einmal live und leibhaftig erle-
ben, wie europäische Leidenschaft aussieht, und vor
allem, wie sie sich anhört. Das beginnt im Aachener
Grenzgebiet und geht bis nach ganz Europa. Insofern
glaube ich: Europa muss praktisch erfahrbar werden. Es
bleibt unsere Aufgabe, das den Menschen zu vermitteln.

Die Europäische Bürgerinitiative ist schon genannt
worden. Sie haben nur Negativbeispiele genannt. Ich
will sagen, dass ich es sehr erfreulich finde, dass die Eu-
ropäische Bürgerinitiative „Wasser ist Menschenrecht“
schon so erfolgreich war,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


dass der Bereich Wasser aus der EU-Konzessionsrichtli-
nie herausgenommen worden ist. Die Bürgerinnen und
Bürger Europas haben gesagt: Wasser ist ein Menschen-
recht.

Deshalb hoffe ich, dass möglichst viele Bürgerinnen
und Bürger sowie engagierte Menschen aus Vereinen,
Verbänden und Initiativen an diesem EU-Programm teil-
haben können, dass sie zur Stärkung des europäischen
Geschichtsbewusstseins und der europäischen Zivilge-
sellschaft beitragen werden. Dafür wünsche ich allen
viel Erfolg.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800339600

Das Wort hat der Kollege Dr. Johann Wadephul für

die Unionsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1800339700

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsi-

dentin! Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass
wir in Europa vor historischen Jahrestagen stehen. Vor
100 Jahren ist Willy Brandt geboren worden. Ich möchte
großkoalitionär mit einem Ausspruch von ihm, meinem
schleswig-holsteinischen Landsmann, beginnen. Willy
Brandt hat einmal gesagt:

Mit den Europa-Verhandlungen ist es wie mit dem
Liebesspiel der Elefanten: Alles spielt sich auf ho-
her Ebene ab, wirbelt viel Staub auf – und es dauert
sehr lange, bis etwas dabei herauskommt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und bei Koalitionsverhandlungen?)


Man hätte ihm diese zoologischen Kenntnisse gar nicht
zugetraut, aber auch da hatte er wahrscheinlich recht.

Wer verhandelt, der schlägt sich nicht. Das ist in Eu-
ropa nicht immer selbstverständlich gewesen. Es wurde
schon darauf hingewiesen: Der Erste Weltkrieg brach
vor 99 Jahren aus. Wir begehen im nächsten Jahr den
100. Jahrestag. Auch auf den Angriff auf Polen ist hinge-
wiesen worden. Das waren schlimme Zeiten. Auch auf
dem Balkan hat es noch vor ganz kurzer Zeit Auseinan-
dersetzungen gegeben. Deswegen, glaube ich, müssen
wir, auch wenn es schwer ist und junge Menschen das
nicht sofort nachempfinden können – auch für uns liegen
diese Ereignisse schon etliche Zeit zurück –, immer wie-
der den jungen Menschen sagen, was für ein Frie-
densprojekt Europa ist und wie dankbar wir sein können,
dass wir dieses Europa haben


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und dass Europa die richtige Lehre aus der Vergangen-
heit ist. Insbesondere Deutschland muss da selbstkritisch
sein.

Aber – auch das haben die Kollegen gesagt –: Diese
Europäische Union, dieses gemeinsame Europa darf
keine Kopfgeburt sein. Es darf keine Union sein, um de-
ren Zukunft sich allein Politiker, Wissenschaftler oder
Vertreter wirtschaftlicher Interessen streiten. Sie muss in
den Herzen der Menschen verankert werden. Da müssen
wir uns schon kritisch fragen, ob uns das gelungen ist.
Ich glaube, wir haben Fortschritte erzielt. Auf die Euro-
pawahlen im nächsten Jahr ist hingewiesen worden.
Wollen wir hoffen, dass die Wahlbeteiligung hoch sein
wird und insbesondere solche Parteien gewählt werden,
die Europa positiv gegenüberstehen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


die sich zwar streiten, aber, lieber Herr Hunko, Europa
wollen.

Ich gebe Ihnen recht: Mehr Demokratie ist auf euro-
päischer Ebene notwendig. Betrachtet man die Art und
Weise, wie die Gesetzgebung auf europäischer Ebene
abläuft, muss man sagen: Das ist noch nicht die Demo-
kratie, die wir uns vorstellen.


(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Ui!)


Deswegen brauchen wir mehr Europa und mehr Rechte
für das Europäische Parlament.


(Caren Marks [SPD]: Ja!)






Dr. Johann Wadephul


(A) (C)



(D)(B)

Dann wird es auch leichter werden, Europa den Men-
schen zu erläutern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte auf zwei Punkte eingehen, die gerade
eben auch hier in der Diskussion eine Rolle gespielt ha-
ben.

Der erste Aspekt, Herr Hunko, betrifft die Euro-Skep-
sis, die in Griechenland bzw. in Südeuropa insgesamt
verbreitet ist. Sie haben sie darauf zurückgeführt, dass
die Troika im Rahmen der Staatsschuldenkrise Auflagen
gemacht hat, und gesagt, dass man dort deswegen nicht
mehr so sehr für Europa ist. In der Tat: Es gibt in Grie-
chenland von rechts und auch von ganz links Kräfte, die
antieuropäisch sind; das stimmt, und das kann man sehr
schnell analysieren. Gefahr für eine freiheitliche Demo-
kratie droht übrigens immer – das will ich Ihnen ganz
offen sagen; Sie werden es nicht gerne hören – von ganz
rechts und von ganz links, lieber Herr Hunko.


(Beifall bei der CDU/CSU – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Und aus der Mitte!)


Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen; das ist so.

Aber es gibt nicht nur in Griechenland Euro-Skepsis.
Es gibt sie auch anderswo, beispielsweise in Großbritan-
nien, und das, obwohl dieses Land noch nicht einmal zur
Euro-Zone gehört. Hier kann man keinen ursächlichen
Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise oder mit
Auflagen der Europäischen Union herstellen. Trotzdem
gibt es auch dort Euro-Skepsis.

Wenn wir ganz ehrlich sind: Auch bei der Bundes-
tagswahl hat Euro-Skepsis eine Rolle gespielt. Die AfD
ist zwar an der Fünfprozentklausel gescheitert, aber
Euro-Skepsis gibt es, wie gesagt, auch in Deutschland
und England. Es ist konsequent, dieser Skepsis insge-
samt entgegenzutreten. Deswegen hat die Union die
Absicht, mit einem europapolitisch positiven Programm
und vor allen Dingen mit einem Politiker mit britischen
Wurzeln zur Europawahl anzutreten, der aus Schottland
kommt. Die Schotten sind proeuropäisch. David
McAllister ist der Richtige, der das verkörpert


(Beifall bei der CDU/CSU)


und dafür sorgen wird, dass wir sicherlich wieder mit ei-
ner starken CDU/CSU in der EVP-Gruppe vertreten sein
werden.

Ich glaube, dieses Programm ist richtig. Es ist not-
wendig, dass wir es hier und heute gesetzgeberisch auf
den Weg bringen. Wir alle sollten auch bei uns zu Hause
einen Beitrag leisten. Es gibt nichts Gutes, außer man tut
es. Also: Lassen Sie uns alle gemeinsam jeden Tag auch
bei uns zu Hause für Europa eintreten!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800339800

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/13 an den Hauptausschuss vor-
geschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus
Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Abschaffung der sachgrundlosen Befris-
tung
– Drucksache 18/7 –
Überweisungsvorschlag:
Hauptausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Jutta Krellmann für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800339900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade,
dass wir heute erst so spät abends über das Thema
„Sachgrundlose Befristung“ reden. Ich glaube nämlich,
das ist ein sehr wichtiges, ein existenzielles Thema. Es
ist so wichtig, dass ich mir wünschen würde, diese De-
batte und die Ergebnisse dieser Debatte kämen noch
heute bei den Menschen im Lande an, damit man da-
rüber reden kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte mit einem Beispiel aus der Praxis, das ich
gerade erlebt habe, beginnen. Vor einer Woche war ich
Gast bei der Betriebsversammlung eines Berliner Call-
centers. Mehrere Hundert Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter telefonieren und beraten dort, unter anderem für
die Bundesagentur für Arbeit. Ich war schockiert, als ich
hörte, wie viele engagierte Belegschaftsmitglieder in ei-
nem unsicheren, befristeten Arbeitsverhältnis festhän-
gen: sagenhafte 95 Prozent der Belegschaft. Nur 5 Pro-
zent haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist
ungeheuerlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Befristete Arbeitsverträge bedeuten für die Beschäftig-
ten massiven Druck und unsichere Zukunftsperspekti-
ven; das ist in besagtem Callcenter sehr deutlich ge-
worden: Auf der Betriebsversammlung klagten
alleinerziehende Frauen, dass sie „freiwillig“ samstags
arbeiten sollen. Sie wissen nicht, wo sie ihre Kinder
währenddessen unterbringen können. Sie wissen aber
genau: Wer samstags nicht arbeitet, bekommt bei der
Verlängerung seines befristeten Arbeitsvertrages Pro-
bleme. Was, bitte schön, soll daran freiwillig sein? Das
ist doch Erpressung!


(Beifall bei der LINKEN)






Jutta Krellmann


(A) (C)



(D)(B)

Arbeitshetze, Überstunden, Arbeit am Wochenende und
zu späten Zeiten: Durch befristete Verträge wird den
Beschäftigten mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlage
gedroht. Hinzu kommt schlechte Bezahlung: Stunden-
löhne von 7,90 Euro sind keine Seltenheit. Es gibt kei-
nen Tarifvertrag, und der Arbeitsschutz ist mangelhaft.

Das Problem ist: Das geschilderte Beispiel ist kein
Exotenbeispiel. Verhältnisse wie in diesem Callcenter
findet man in Tausenden von Betrieben. Trotzdem ste-
hen viele der Beschäftigten zu ihrem Job und sind von
dem Produkt, über das sie beraten, überzeugt. Die Be-
schäftigten lassen sich trotz aller Widrigkeiten nicht un-
terkriegen. In dem gleichen Callcenter haben die Be-
schäftigten vor fünf Monaten einen Betriebsrat gewählt.
Ich finde, unter den Bedingungen von massenhaften Be-
fristungen ist es wirklich eine große Leistung, einen Be-
triebsrat zu wählen. Das verdient unsere Anerkennung.


(Beifall bei der LINKEN)


Dieser Betriebsrat muss wieder neu gewählt werden. Bei
fast der Hälfte der Betriebsratsmitglieder laufen die
Verträge aus oder sie sind noch nicht verlängert. Das
Problem ist: Befristet Beschäftigte genießen keinen
Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.
Befristet beschäftigte Betriebsräte genießen darüber hi-
naus keinen besonderen Kündigungsschutz nach dem
Betriebsverfassungsgesetz. Das Unternehmen hat es in
der Hand, unliebsame Beschäftigte und kritische
Betriebsräte problemlos loszuwerden; angesichts der
Befristung der Arbeitsverträge ist das nur eine Frage der
Zeit.

Das Schlimme ist: Die Unternehmen dürfen all dies;
alles, was dort passiert, ist rechtlich zulässig. Deshalb
müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen jetzt
schnell geändert werden, und zwar noch vor der nächs-
ten Betriebsratswahl im Frühjahr nächsten Jahres.


(Beifall bei der LINKEN)


Belegschaften dürfen durch Befristungen nicht weiter
daran gehindert werden, ihre Rechte wahrzunehmen.
Dieses Callcenter ist kein Einzelfall in Deutschland.
Deswegen meine Bitte und meine Aufforderung an alle:
Die Linke hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie er in
der letzten Legislaturperiode teilweise genau in ähnli-
cher Form vorgeschlagen wurde von uns, von den Grü-
nen und von der SPD. Zu sachgrundlosen Befristungen
steht in den Koalitionsvereinbarungen kein Wort.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Stimmt! Das hat auch einen Grund!)


Das heißt für mich: Es kann keinen Grund geben, warum
man unserem Antrag jetzt nicht zustimmt.


(Beifall bei der LINKEN)


Tausende von Menschen bekämen eine Zukunftsper-
spektive, bekämen Sicherheit für sich und ihre Familien,
könnten für den Betriebsrat kandidieren. Deswegen
meine Bitte: Stimmen Sie zu, damit wir Beschäftigten,
die in Befristungen festhängen, endlich eine Perspektive
geben können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340000

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege

Dr. Carsten Linnemann das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1800340100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir spre-
chen heute über das Arbeitsmarktinstrument „Sach-
grundlose Befristung“. Das Ganze passiert im Lichte der
Koalitionsverhandlungen, die wir gestern abgeschlossen
haben.

Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen fak-
tisch alle Arbeitsmarktinstrumente angesehen – immer
unter der Überschrift: „Wo gibt es Schieflagen? Wo
müssen wir etwas ändern?“ Beim Thema Zeitarbeit ha-
ben wir beispielsweise das Problem der Höchstüberlas-
sungsdauer gelöst – ich persönlich hätte mir 24 Monate
gewünscht, aber wir haben uns auf 18 Monate geeinigt;
so ist das mit Kompromissen –, bei den Werkverträgen
haben wir die Informationsrechte neu geregelt, und bei
der sachgrundlosen Befristung haben wir – vor allen
Dingen die Union – keinen Änderungsbedarf gesehen.

Frau Krellmann, ich will Ihnen jetzt auch einmal sa-
gen, warum nicht, und ich will all das, was Sie erklärt
haben, ein bisschen relativieren:

Erster Punkt. Sie müssen sich natürlich erst einmal
ansehen, wie viele Menschen in Deutschland ein befris-
tetes und wie viele ein unbefristetes Angestelltenverhält-
nis haben. Ich habe mir einmal die Zahlen vom IAB, ei-
nem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit
– es ist also höchst unverdächtig –, angeschaut. Es sagt,
dass der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse seit 2006
mit unter 9 Prozent etwa gleichbleibend ist. Das heißt im
Umkehrschluss: 91 Prozent der Menschen in Deutsch-
land haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist
erst einmal eine gute Botschaft für dieses Land.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu den Neueinstellungen: Der Anteil der befristeten
Neueinstellungen liegt seit 2005 in der Tat in einem Kor-
ridor von 43 bis 47 Prozent; aktuell sind es 44 Prozent.
Die entscheidende Kennziffer ist aber doch die Übernah-
mequote. Es geht darum, dass die Menschen, die einen
befristeten Arbeitsvertrag bekommen, auch die Aussicht
auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. Diese
Übernahmequote ist in den letzten Jahren signifikant ge-
stiegen. 2009 wurden 30 Prozent von ihrem Arbeitgeber
übernommen, jetzt liegt die Quote bei 39 Prozent, weil
gerade auch die Arbeitgeber im Mittelstand, die kleinen
und mittleren Betriebe, händeringend neue Beschäftigte
suchen und deshalb einen großen Anreiz haben, diese
Menschen möglichst schnell unbefristet einzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das heißt, dieses Instrument ist eine Brücke in den Ar-
beitsmarkt – gerade für Berufseinsteiger.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Dr. Carsten Linnemann


(A) (C)



(D)(B)

Frau Krellmann, lassen Sie mich der Fairness halber
zweitens sagen: Sie sprachen von den Gewerkschaften.
Interessant ist, dass die Gewerkschaften diese sach-
grundlose Befristung einschränken bzw. abschaffen wol-
len, während sie sie in den Tarifverträgen gleichzeitig
selbst erlauben – gerade die DGB-Gewerkschaften –,
und zwar nicht nur für 24 Monate, sondern sie nutzen
auch die Öffnungsklausel und weiten diese sachgrund-
lose Befristung auf 48 Monate aus.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Das hat die IG BCE, die Industriegewerkschaft Bergbau,
Chemie, Energie, in fast allen Tarifverträgen so geregelt,


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: So ist das!)


und auch für die IG Metall in Baden-Württemberg gel-
ten diese 48 Monate in einigen Verträgen.

Es macht deshalb keinen Sinn, dass der Gesetzgeber
etwas verbietet, was bei vielen Tarifvertragsparteien
gang und gäbe ist; und deswegen sehen wir hier auch
keinen Änderungsbedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340200

Kollege Linnemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage

oder Bemerkung der Kollegin Krellmann?


Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1800340300

Ich möchte meine Rede gerne zu Ende bringen; ich

bin sofort fertig.

Drittens. Das letzte Beispiel ist die Frage – Sie haben
das indirekt ja auch angesprochen –: Wo wird befristet?
Wo finden Befristungen statt? Interessant ist, dass die
Quote der befristeten Arbeitsverhältnisse in der Privat-
wirtschaft bei rund 7 Prozent liegt, während sie im öffent-
lichen Dienst mehr als doppelt so hoch ist. Im Bereich
„Erziehung und Unterrichtung“ liegt sie beispielsweise
bei 17 Prozent. Bei den Neueinstellungen wird das noch
deutlicher: Im Bereich „Erziehung und Unterricht“ – öf-
fentliche Verwaltung bzw. öffentliche Hand – beträgt die
Quote fast 80 Prozent, während es im Mittelstand rund
20 Prozent sind, zum Beispiel 23 Prozent im Bereich
„Baugewerbe, Information und Kommunikation“ usw.
Das heißt, der Staat als Arbeitgeber muss erst einmal
selbst seine Praxis überprüfen, bevor er überhaupt daran
denken kann, regulierend in den Markt einzugreifen, um
Mittelständler unter Druck zu setzen.

Der Grund für diese Unterschiede ist klar: Es gibt ei-
nen eigenen Sachgrund in der öffentlichen Verwaltung,
nämlich die Mittelbefristung. Diesen Sachgrund gibt es
im Mittelstand nicht. Es gibt keinen Sachgrund Auf-
tragslage oder Konjunkturlage. Wenn es ihn gäbe, dann
könnte man ja über alles reden, aber den gibt es nicht.
Deshalb halten wir an der sachgrundlosen Befristung
fest.
Wir sehen hier keinen Änderungsbedarf. Wir brau-
chen die flexiblen Arbeitsmarktinstrumente für die Er-
folge am Arbeitsmarkt, und deshalb lehnen wir Ihren
Antrag ab.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340400

Die Kollegin Krellmann hat zu einer Kurzinterven-

tion das Wort.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340500

Herr Linnemann, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist,

dass die Tarifverträge, von denen Sie gesprochen haben,
Tarifregelungen vorsehen, die in der Krise ganz bewusst
gemacht wurden, um zu verhindern, dass die Menschen
erwerbslos werden. Sie boten neben der Kurzarbeit eine
Möglichkeit, Menschen im Betrieb zu halten. Dieses In-
strument soll nicht in der Zeit genutzt werden, in der es
der Wirtschaft gut geht und wo man dieses Instrument
im Grunde gar nicht braucht, sondern einen Fachkräfte-
mangel beklagt.

Das Problem ist: Von befristeten Verträgen sind
2,7 Millionen Menschen betroffen. Das sind fast 10 Pro-
zent. Das heißt in der Konsequenz, 50 Prozent aller Neu-
einstellungen werden befristet eingestellt, obwohl es
eine Probezeit gibt, von der Sie eben gar nicht gespro-
chen haben. Für das, was Sie beschrieben haben, ist die
Probezeit da und nicht die Befristung von Beschäfti-
gungsverhältnissen.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340600

Sie haben das Wort zur Erwiderung, Kollege

Linnemann.


Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1800340700

Frau Krellmann, ich meine die laufenden Tarifver-

träge. Sie sind nicht auf die Zeit von damals beschränkt,
sondern es handelt sich um laufende Tarifverträge.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ich kenne sie!)


Ich war selber in der Arbeitsgruppe Arbeit und Sozia-
les bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Es ist öffent-
lich – es ist auch nicht schlimm, das zu sagen –, wer die
Gesprächspartner waren. Auf der anderen Seite waren
zwei Vertreter der Gewerkschaft, die selbst als Chef ei-
ner Gewerkschaft diese Tarifverträge unterschrieben ha-
ben, die es noch immer gibt. Das ist einfach eine sachli-
che Beschreibung.

Noch einmal, Frau Krellmann: Die meisten befriste-
ten Verträge gibt es im öffentlichen Dienst. Fangen wir
doch erst einmal da an, bevor wir versuchen, regulierend
in den Markt, in den Mittelstand einzugreifen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800340800

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Anette

Kramme das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1800340900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Dr. Linnemann und liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Union, die Große Koalition, die
im Raum steht, wird leider nichts daran ändern, dass wir
in der einen oder anderen Frage dennoch unterschiedli-
cher Meinung sind.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Schade!)


Das wird sich natürlich auch nicht so ohne Weiteres än-
dern.

Ich muss ausnahmsweise der Frau Krellmann von den
Linken recht geben, dass uns das angesprochene Thema
befristete Beschäftigung sehr am Herzen liegt. Dabei
geht es um die prekäre Beschäftigung insgesamt. Um
wieder zum Koalitionsfrieden zurückzukommen: Ich
finde, wir haben gemeinsam in dem möglichen Vertrag
eine Menge erreicht, was dazu führen wird, dass die Zahl
der prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Bundes-
republik Deutschland abnehmen wird.


(Beifall bei der SPD)


Da haben wir das Thema Mindestlohn. Ab dem 1. Ja-
nuar 2015 werden wir bundesweit einen flächendecken-
den, einheitlichen Mindestlohn einführen. Ich finde, das
ist ein großer Erfolg für Deutschland. Das ist geradezu
ein historisches Ereignis.


(Beifall bei der SPD)


Wir gestatten es den Tarifvertragsparteien sogar, da-
rüber hinauszugehen, zu sagen: Dieser gesetzliche Min-
destlohn ist uns nicht hoch genug. Wir wollen über einen
eigenen Mindestlohntarifvertrag einen noch höheren er-
reichen. – Auch das ist eine gute Geschichte.

Dann haben wir ein Thema aufgegriffen, von dem ich
behaupte: Es war in den letzten 20 oder 30 Jahren in die-
sem Raume nicht einmal diskussionsfähig. Wir haben
gesagt: Wir gehen das Tarifvertragsgesetz an und refor-
mieren die Allgemeinverbindlicherklärung. Für diejeni-
gen, die es nicht so genau wissen: Die Allgemeinver-
bindlicherklärung soll bewirken, dass in einer Branche
ein Tarifvertrag wie ein Gesetz wirkt. Damit sollen mög-
liche Missstände in einem Bereich beseitigt werden.

Wir kümmern uns auch um das Thema Leiharbeit.
Die Höchstüberlassungsdauer soll künftig bei lediglich
18 Monaten liegen. Das ist eine prima Geschichte. Wir
ändern auch Kleinigkeiten – sie sind leider nicht hinrei-
chend – beim Thema Equal Pay. Ich kann weitere Dinge
nennen, beispielsweise bei der Entgeltgleichheit, die ins-
besondere Frauen betrifft. Ich finde es einen Skandal,
dass Frauen in dieser Republik im Schnitt immer noch
wesentlich weniger verdienen als Männer.


(Beifall bei der SPD)

Wenn den Frauen künftig ein Auskunftsanspruch hilft,
um Entgeltgleichheit durchzusetzen, dann ist das eine
großartige Geschichte.

Meine Damen und Herren von der Union, lassen Sie
mich bei dieser Gelegenheit für die Art und Weise dan-
ken, in der diese Koalitionsverhandlungen verlaufen
sind. Meine Erfahrung war: Es waren konstruktive und
fachkundige Gespräche, und das ist richtig gut gelaufen.

Aber jedem Vertrag ist immanent, dass ein Kompro-
miss damit einhergeht. Ein Kompromiss beinhaltet ge-
genseitiges Nachgeben. Es gibt sogar den gängigen
Spruch: Ein guter Kompromiss liegt dann vor, wenn
beide Seiten heftig über denselben schimpfen. Ich kann
Ihnen sicher sagen, dass wir als SPD dies an der einen
oder anderen Stelle tun.

Wenn wir über das Thema Maut reden, dann wird mir
ganz anders. Wenn wir über die Fortsetzung des Betreu-
ungsgeldes reden, bin ich auch nicht gerade erfreut. Wir
wären auch der Auffassung gewesen, dass wir für dieses
Land Steuererhöhungen gebraucht hätten. Aber wir ha-
ben diese nicht durchsetzen können. So ist auch das
Thema sachgrundlose Befristung eines, das uns leider
nicht zufriedenstellt.

Es gibt eine Menge Fakten, die dafür sprechen, die
sachgrundlose Befristung zu streichen. Fast 50 Prozent
aller Neueinstellungen erfolgen befristet, wie erwähnt,
gerade im öffentlichen Dienst, wobei meine persönliche
Haltung zu dem Thema ist, dass gerade der öffentliche
Dienst eine Vorbildfunktion einnehmen müsste, was Be-
schäftigungsverhältnisse angeht.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Daran können an sich alle hier im Raum mitwirken. Alle
sind in irgendwelchen Landesregierungen vertreten und
haben natürlich auch die Möglichkeit, mit den Kommu-
nen zu reden. Ich finde, wir sollten dieses Thema ge-
meinsam angehen.

Leider sind mittlerweile fast 10 Prozent aller Arbeits-
verhältnisse insgesamt befristet. Dabei gibt es einen As-
pekt, der, finde ich, besonders betroffen macht. Es sind
gerade die jungen Menschen, die von Befristungen be-
troffen sind. 19 Prozent aller jungen Menschen bis
34 Jahre haben einen befristeten Arbeitsvertrag. Das ist
eine Gruppe von Menschen, die in ihrer Lebensplanung
eingeschränkt sind, und das in einem Alter, in dem an
sich jede Menge Entscheidungen zu treffen sind, etwa ob
man eine Familie gründet, ob man Investitionen größerer
Art tätigt usw. Es geht also um die Lebensplanung.

Befristete Beschäftigung hat auch etwas mit der
Durchsetzung von Rechten zu tun. Umso häufiger sind
befristet Beschäftigte deshalb überdies von Niedriglöh-
nen betroffen.

Meine Damen und Herren von der Union, vielleicht
überlegen Sie sich das Ganze noch einmal. Sie haben
jetzt jede Menge gute Argumente geliefert bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschlie-
ßend Folgendes sagen: Der Koalitionsvertrag als solcher





Anette Kramme


(A) (C)



(D)

ändert nichts an unserer Haltung zu befristeter Beschäfti-
gung, wobei wir weitergehend der Auffassung sind, dass
man auch über die Sachgrundbefristung nachdenken
müsste. Ein Beispiel sei an dieser Stelle genannt.

In meinem Wahlkreis gibt es ein Klinikum mit über
2 000 Beschäftigten. Dort gibt es auch immer wieder Er-
ziehungszeitvertretungen. In einem solchen großen
Krankenhaus gibt es jede Menge identischer Stationen:
mehrere internistische Stationen, mehrere chirurgische
Stationen, mehrere Intensivstationen usw. Statt jeweils
mit Sachgrundbefristungen zu arbeiten, könnte man
auch wunderbar Springer einsetzen. Alle gemeinsam
müssen also auf allen Ebenen mitwirken, damit auch das
besser wird.

Unsere Position ist nicht verändert. Deshalb sagt auch
unsere Fraktion Ja zu diesem Koalitionsvertrag. Ich bin
mir sicher, unsere Mitglieder werden es auch tun. In dem
Sinne hoffe ich, dass sich in den nächsten vier Jahren tat-
sächlich etwas positiv für die Menschen in diesem Lande
wendet.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341000

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

legin Beate Müller-Gemmeke das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Mittlerweile hat fast jeder zweite
neue Job ein Verfallsdatum, Herr Linnemann; das ist das
Problem und nicht die absolute Zahl. Diese Entwicklung
sehen wir mit großer Sorge. Deswegen haben wir in der
letzten Wahlperiode einen fast identischen Antrag in den
Bundestag eingebracht – wie heute die Linke. Wir hatten
gehofft, dass sich die Große Koalition – anders als
Schwarz-Gelb – endlich mit diesem Problem befasst und
sich ihm stellt. Im Koalitionsvertrag steht aber kein ein-
ziges Wort zur sachgrundlosen Befristung. Ich finde, das
geht überhaupt nicht. Ein Kapitel „Vollbeschäftigung,
gute Arbeit und soziale Sicherheit“ ohne das Thema Be-
fristung geht nicht; denn das ignoriert die Sorgen und die
Ängste der Menschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich bleibe ganz kurz beim Koalitionsvertrag, weil die-
ser mehrfach angesprochen wurde. Natürlich sind Kom-
promisse notwendig, und natürlich gibt es auch Verbes-
serungen. Über den Mindestlohn haben wir schon
diskutiert. Die Tarifautonomie wird gestärkt; das ist mir
persönlich ein besonderes Anliegen. Die Werkverträge
werden – ich sage mal – reguliert. Da sehen wir auch un-
sere Vorschläge teilweise verwirklicht. Das heißt, hier
stimmt die Richtung. Ich hoffe: Sie setzen das auch
wirklich um.

Bei anderen Themen haben wir aber heftige Kritik.
Enttäuschend finde ich beispielsweise die Pläne bei der
Leiharbeit. Equal Pay soll es erst nach neun Monaten ge-
ben; das kennen wir eigentlich nur von der FDP. Das
geht gar nicht. Die Begrenzung der Überlassungszeit ist
richtig. Aber sie ist zu lang und muss vor allem an den
Arbeitsplatz gebunden werden. Das heißt, bei der Leih-
arbeit werden wir uns noch viel streiten.


(Beifall der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Minijobs. Hier
fehlt die Rentenversicherungspflicht; das kann ich über-
haupt nicht verstehen.


(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Eine Leerstelle gibt es insbesondere beim Beschäftigten-
datenschutz. Hier brauchen wir endlich faire Regelungen
zum Schutz der Beschäftigten.

Das Kapitel „Gute Arbeit“ hat also etliche Lücken.
Uns, der Opposition, wird die Arbeit nicht ausgehen. Die
Diskussionen im Ausschuss gehen weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Zurück zu den Befristungen; denn das Thema ist mir
schon wichtig. Da es keine Koalitionspläne gibt, über die
man reden kann, werde ich – wie in den letzten vier Jah-
ren – einfach die Situation beschreiben, damit hier end-
lich etwas passiert. Die sachgrundlose Befristung hat
sich in den letzten Jahren wie ein Virus ausgebreitet. Die
Arbeitgeber nutzen natürlich diesen Vorteil; denn das er-
möglicht ihnen eine extrem flexible Personalpolitik. Der
Preis für die Beschäftigten ist aber hoch, wir meinen: zu
hoch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Beschäftigte, die befristet angestellt sind, haben ein ho-
hes Armutsrisiko. Sie werden viel häufiger arbeitslos als
regulär Beschäftigte. Sie können auch nicht über den
Tag hinaus planen. Die ständige Unsicherheit belastet
die Menschen. Viele machen sich Sorgen über die
Zukunft und haben Angst vor Krankheit und Armut im
Alter. Lebensqualität sieht anders aus.

Wer weiterbeschäftigt werden will, verhält sich ruhig
und wird nicht gerade auf seine Rechte pochen. Man
verschlechtert ja nicht leichtfertig mögliche Chancen.
Das wissen auch die Arbeitgeber. Deswegen sind die
Arbeitsbedingungen häufig schlechter als bei regulärer
Beschäftigung. Der Lohn ist niedriger, und es gibt weder
Aufstiegs- noch Weiterbildungsmöglichkeiten. Das alles
zusammen ist für uns nicht akzeptabel.

Dabei beschäftigt mich eine Entwicklung ganz beson-
ders; Frau Kramme hat sie schon angesprochen: Gerade
junge Menschen sind von Befristungen besonders stark
betroffen. Lebensplanung ist etwas, worüber viele jün-
gere Beschäftigte nur noch müde lächeln können. Das ist
nicht nur ungerecht, sondern mit Blick auf den demogra-
fischen Wandel auch verantwortungslos; denn gerade

(B)






Beate Müller-Gemmeke


(A) (C)



(D)(B)

junge Menschen brauchen ihren Platz in unserer älter
werdenden Gesellschaft. Auch deswegen wollen wir die
sachgrundlose Befristung abschaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])


Ich höre immer, Betriebe seien dann nicht mehr flexi-
bel genug in ihrer Personalplanung. Dazu sage ich: Es
gibt eine ausreichend lange Probezeit. Kleine Betriebe
sind vom Kündigungsschutz ganz befreit. Für die ande-
ren gibt es noch immer die Befristung aus sachlichem
Grund, beispielsweise für einen Zusatzauftrag, bei
Saisonarbeiten oder für ein bestimmtes Projekt. Gleiches
gilt bei Elternzeit, bei längerem Urlaub oder Krankheit.
Wer gute Gründe hat, könnte also weiterhin befristen.
Sachgrundlos, also einfach willkürlich, das soll aber
künftig nicht mehr möglich sein. Durch Befristungen
darf das unternehmerische Risiko nicht einfach auf die
Beschäftigten übertragen werden. Auch der Kündi-
gungsschutz darf nicht umgangen werden. Nur so wäre
es richtig und auch fair.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Unser Ziel ist es also, eine neue, eine gerechte Ba-
lance herzustellen, die den Interessen der Arbeitgeber
und der Beschäftigten gleichermaßen gerecht wird. Fle-
xible Arbeitsverhältnisse dürfen keine Einbahnstraße
sein; denn die Menschen brauchen soziale Sicherheit.
Das Thema steht, wie ich schon gesagt habe, nicht im
Koalitionsvertrag. Wir werden aber dranbleiben. Das
kann ich Ihnen versichern.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341100

Das Wort hat der Kollege Dr. Johann Wadephul für

die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1800341200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In der Tat steht zur sachgrundlosen Befristung
nichts im Koalitionsvertrag, und das hat seinen Grund,
nämlich den, dass wir an den Regelungen nichts ändern
werden. Ich will Ihnen das kurz begründen.

Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnis-
sen gibt es seit Mitte der 80er-Jahre. Eingeführt wurde
sie von Arbeitsminister Norbert Blüm. Nachdem sie
Erfolge zeitigte und dafür gesorgt hat, dass es mehr
Beschäftigung gegeben hat, war es Rot-Grün, Frau Kol-
legin Müller-Gemmeke, die diese in das Teilzeit- und
Befristungsgesetz überführt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann auch lernen!)

Es war die Abgeordnete Dr. Thea Dückert, die am
26. Oktober 2000, damals der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angehörend, zur Einführung dieses Gesetzes
sagte:

Im Ganzen wird die Befristung ohne sachlichen
Grund weiterhin ermöglicht; das ist uns wichtig.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Recht hat sie!)


Ich muss sagen: Die Kollegin Dückert hatte recht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Arbeitsmarktlage gibt ihr recht. Bleiben Sie doch
bitte bei dem, was Sie selber erkannt haben. Das hat für
mehr Beschäftigung in Deutschland gesorgt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Verabschieden Sie sich doch nicht von allen Reformen,
die Sie durchgeführt haben! Es ist doch eine etwas schi-
zophrene Situation: Wir werden europaweit dafür
bewundert, uns wird dafür auf die Schultern geklopft. Da
kommt man sich als Unionsmensch eigenartig vor: Wir
werden dafür gelobt, was Rot-Grün für sinnvolle Refor-
men durchgeführt hat. Die mussten wir an manchen Stel-
len – bei Hartz IV haben Sie die Kinder vergessen usw. –
nachbessern. Das haben wir gemacht. Sie haben dem
auch zugestimmt. Sie haben notwendige Arbeitsmarktre-
formen durchgeführt. Jetzt haben diese Erfolg. Aber das
Schizophrene ist, dass Sie diese wieder zurückdrehen
wollen. Das ist völlig irrsinnig, und das werden wir nicht
machen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Arbeitsvolumen ist nicht gestiegen! Die Jobs sind schlechter! Das ist eine Märchenstunde hier!)


Diese Reformen waren richtig und notwendig. Sie sor-
gen für Arbeitsplätze, und deswegen bleibt es dabei.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist keine Märchenstunde. Schauen Sie sich doch
schlicht und ergreifend die Arbeitsmarktzahlen in
Deutschland an.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber die Armut steigt! Das können Sie nachlesen!)


Wir haben noch nie so viele sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte gehabt wie heute.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht das Thema!)


Wir haben eine exzellente Situation in allen Kassen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Niedriglöhne! Die Armut steigt! Die Altersarmut steigt! Sie verlagern die Probleme nach hinten und schieben sie weg! Unmöglich!)


– Liebe Kollegen der Linksfraktion, Sie merken – diesen
Verhandlungserfolg kann die SPD in der Tat für sich ver-
buchen –, dass Ihnen sozialpolitisch sämtliche Felle
wegschwimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Dr. Johann Wadephul


(A) (C)



(D)(B)

Deswegen fangen Sie in einer parlamentarischen Unge-
duld an, diese Themen noch einmal hochzukochen. Es
ist schlicht und ergreifend in dem Bereich nicht mehr zu
erreichen. Wir müssen bei dem bleiben, was sinnvoller-
weise vereinbart worden ist.

Ich möchte in dieser Debatte zumindest einmal – das
hat der Kollege Linnemann vorhin auch schon gemacht –
auf die Arbeitgeberseite zu sprechen kommen. Auch die
gibt es. Nicht jeder Arbeitgeber, insbesondere der im be-
troffenen Mittelstand, ist ein schlimmer Ausbeuter, der
jungen Menschen, von denen Sie hier die ganze Zeit re-
den, die Zukunft verbauen will. Wir reden doch prak-
tisch über den Mittelstand. Befristete Arbeitsverhältnisse
haben faktisch im Bereich der Kleinstbetriebe, das heißt
in Betrieben mit bis zu zehn Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern, gar keine Bedeutung, weil diese Betriebe
ohnehin jederzeit kündigen können. Da gilt das Kündi-
gungsschutzgesetz überhaupt nicht.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gebe ich Ihnen ausnahmsweise recht!)


Die Regelungen haben ebenso wenig Bedeutung bei
größeren, tarifgebundenen Unternehmen, wo es entwe-
der Haustarifverträge oder die von dem Kollegen
Dr. Linnemann schon erwähnten Tarifverträge gibt
– Stichwort IG BCE –, die eine zum Teil noch viel län-
gere sachgrundlose Befristung zulassen. Betroffen sind
die Betriebe, die sich in der schwierigen Sandwichposi-
tion, also dazwischen, befinden, das heißt mehr als zehn
Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer haben, aber noch
kein Großbetrieb sind, der ohnehin mitbestimmt ist, wo
es einen Betriebsrat gibt, wo es eine Gewerkschaft gibt,
wo auf solche Sachen ohnehin mit Einstellungskriterien
und mit einem Haustarifvertrag reagiert wird. Diese Be-
triebe schaffen Arbeitsplätze in Deutschland. Sie brau-
chen in diesem Haus einen Anwalt, und das werden die
Unionsfraktion und Personen wie Herr Dr. Linnemann
als Vorsitzender unserer Mittelstands- und Wirtschafts-
vereinigung sein. Menschen wie er sorgen dafür, dass
diese Betriebe weiterhin einen Anwalt im Bundestag ha-
ben. Sie brauchen die Möglichkeit der sachgrundlosen
Befristung, um atmen zu können.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Um Leiharbeit einzuführen!)


Täuschen Sie sich nicht: Vermeintliche Sachgründe
wie „Wir haben jetzt einen Auftrag, und zur Abwicklung
dieses Auftrages stellen wir befristet mehr Menschen
ein“ sind vor Arbeitsgerichten in Deutschland unsicher.
Ich bin in diesem Bereich seit einigen Jahren beratend
tätig. Als verantwortlicher Jurist wird man keinem Be-
triebsinhaber sagen können: Mit dieser Begründung
kannst du dich, wenn die Auftragslage schlechter wird
oder wenn dieser Auftrag abgewickelt ist, ohne Weiteres
und ohne Abfindung wieder von den Arbeitnehmern
trennen. – Diese Trennung wollen die Arbeitgeber ja
nicht, um den Arbeitnehmern irgendetwas Schlechtes zu
tun, sondern weil sie schlicht und ergreifend nicht mehr
bezahlbar sind. Bevor Betriebe in die Gefahr kommen,
notleidend zu werden oder sogar in die Insolvenz zu ge-
hen, zumindest in eine ganz schwere Schieflage zu kom-
men, müssen wir dem Mittelstand die Luft zum Atmen
geben. Insofern ist es richtig, dass dieses Instrumenta-
rium erhalten bleibt.

Wenn man sich den Koalitionsvertrag insgesamt an-
schaut – das ist in dieser Debatte etwas zu kurz gekom-
men –, dann muss man sagen: Er ist nicht zu mittel-
standslastig, sondern er ist gerade im sozialpolitischen
Bereich erheblicher Kritik aus dem Arbeitgeberlager
ausgesetzt. Deswegen geht Ihre Kritik, dass wir die Inte-
ressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht
hinreichend gewürdigt hätten, vollkommen fehl. Das ist
ein ausgewogener Koalitionsvertrag. Auch in diesem
Bereich werden wir ihn umsetzen und dafür sorgen, dass
es noch mehr Beschäftigung in Deutschland gibt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341300

Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1800341400

Sehr gehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Einmal mehr beschäftigen wir uns heute mit
der sachgrundlosen Befristung, einem arbeitsrechtlichen
Instrument, das sich bewährt hat und dessen Abschaf-
fung unseren Arbeitsmarkt belasten würde; Vorredner
haben bereits darauf hingewiesen.

Die Lage auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ist so gut
wie noch nie. Wir haben so hohe Beschäftigungsquoten
wie nie zuvor, mit Abstand die geringste Jugendarbeits-
losigkeit innerhalb der EU, und unserer Wirtschaft geht
es ausgesprochen gut. Wir haben – das besagen die ak-
tuellen Zahlen – über 300 000 mehr sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Vergleich zum
Vorjahresniveau. Wir haben insgesamt so viele sozial-
versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie
noch nie auf deutschem Grund und Boden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber die Armut steigt! Das kann man überall nachlesen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Lesen Sie keine Zeitung, oder was?)


Großen Anteil an diesem Erfolg haben unsere flexi-
blen Beschäftigungsformen; das gehört zur Wahrheit.
Frau Kollegin Müller-Gemmeke, es war die rot-grüne
Bundesregierung, die das Teilzeit- und Befristungsge-
setz, das zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, einge-
führt hat. Das war angesichts des damaligen verkrusteten
Arbeitsmarkts richtig.

Jetzt kommt Frau Kollegin Krellmann und sagt: Wir
haben aber jetzt Fachkräftemangel; es schaut wieder
ganz anders aus. – Frau Kollegin Krellmann, es gibt kei-
nen Grund dazu, jetzt schon übermütig zu werden. Wir
drehen das, was damals an Lockerung auf dem Arbeits-
markt gemacht worden ist, nicht zurück. Wir fahren un-
sere Volkswirtschaft nicht mutwillig an die Wand, wie es





Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)

unsere westlichen Nachbarn in Frankreich derzeit im Be-
griff sind zu tun.

Lassen Sie uns nicht übermütig werden. Lassen Sie
uns die probaten, die richtigen Instrumente, die Rot-
Grün sinnvollerweise eingeführt hat, nutzen und nicht
das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir sollten diese
Instrumente tatsächlich weiterentwickeln. Frau Kollegin
Kramme hat darauf hingewiesen: Entsprechend sind wir
bei der Leiharbeit vorgegangen; wir haben trotz unter-
schiedlicher Vorstellungen Equal Pay eingeführt. Wir
haben etliches Gute, etliches Sinnvolle zur Einschrän-
kung von Missbräuchen bei flexiblen arbeitsmarktpoliti-
schen Instrumenten auf den Weg gebracht. Aber ein
kompletter Verzicht auf die sachgrundlose Befristung
würde den Arbeitsmarkt absolut kontraproduktiv belas-
ten. Deshalb ist dieser Verzicht auch nicht im Koalitions-
vertrag enthalten.

Meine Damen und Herren, die aus diesen Instrumen-
ten resultierende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat
zu einem beachtlichen Beschäftigungszuwachs geführt.
Darauf können wir zu Recht stolz sein. Daran haben
mehrere Bundesregierungen über mehrere Legislaturpe-
rioden mitgearbeitet. Wir sollten uns auch hüten, jetzt an
diesen Bedingungen zu rütteln.

Ihr Entwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen der Lin-
ken, ist aber genau solch ein Versuch. Mit der Abschaf-
fung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhält-
nissen würde ein bewährtes Instrument ersatzlos
gestrichen, das für viele Unternehmen Anreize bietet,
mehr Personal einzustellen, und das für die Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer eine wichtige Brücke in
eine unbefristete Beschäftigung ist.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können doch befristet einstellen!)


– Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie haben doch si-
cher dem Kollegen Linnemann aufmerksam zugehört. Er
hat gesagt: Wenn 40 Prozent aus einem befristeten Ar-
beitsverhältnis fest übernommen werden, dann sind das
40 Prozent Chancen, dann erhalten 40 Prozent der Men-
schen für ihre Lebensplanung eine Perspektive.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit den anderen?)


Das gehört zur Wahrheit dazu.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das heißt, 60 Prozent der Leute haben keine Perspektive! Das findest du gut! 60 Prozent der Menschen ohne Perspektive!)


Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wäre
ein Nachteil für die Beschäftigungssituation in Deutsch-
land. Deshalb lehnen wir den Entwurf ab, meine Damen
und Herren.

Selbstverständlich würde auch ich mir wünschen,
dass alle Menschen in unserem Land von Anfang an ei-
nen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. Das ist der
Idealfall. Auf diesen arbeiten wir mit ganzer Kraft hin.
Allerdings gibt es durchaus Situationen, in denen eine
Befristung nicht nur sinnvoll, sondern geradezu geboten
ist. Nur durch diese Flexibilisierung können wir mehr
Menschen erfolgreich in Arbeit bringen. Das muss letzt-
lich unser aller vorrangiges Ziel sein.

Befristete Verträge haben hier eine wichtige Funktion
und schaffen Anreize für Unternehmen, bei vorüberge-
hend guter Auftragslage mehr Arbeitnehmer zu beschäf-
tigen. Das schafft Jobs,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Auftragslage schafft Jobs! Toll!)


die viele Firmen nicht vergeben würden, wenn es die
Möglichkeit der Befristung nicht gäbe. Für die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer birgt dies zugleich die
Chance, sich zu beweisen und nach guter verlässlicher
Arbeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erhalten.

Ja, es ist richtig: Wir müssen schauen, was im öffent-
lichen Dienst passiert. Frau Kollegin Kramme, wir beide
kommen aus Bayern. Wir wissen: Das Bayerische Kin-
derbildungs- und -betreuungsgesetz sieht vor, dass El-
tern bei den Kindergärten immer nur jahresweise buchen
können. Dass da unbefristete Arbeitsverhältnisse für den
Träger schwierig sind, liegt in der Natur der Sache. Wir
werden sehen müssen, dass wir für qualifizierte Jugend-
erzieherinnen in stärkerem Maße unbefristete Arbeits-
verhältnisse hinbekommen und mit Springern bzw. mit
anderen flexiblen Arbeitsverhältnissen trotzdem etwas
mehr Flexibilität erreichen können.

Gerade in Zeiten, in denen es auf dem Arbeitsmarkt
so gut geht wie jetzt, sollten wir diese Instrumente – ich
habe es vorhin bereits ausgeführt – nicht verwerfen, son-
dern uns darauf besinnen, warum wir derzeit so wenig
Arbeitslose haben.

Sicherlich stimme ich mit Ihnen überein, dass sich an
der konkreten Ausgestaltung weiter feilen lässt, um Un-
gerechtigkeiten weitestgehend zu vermeiden und eventu-
ellem Missbrauch wirksam entgegenzuwirken.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Unsere Lebensabschnittsgefährtin von der SPD hat
bereits darauf hingewiesen, dass sie nicht locker lassen
werden, dass sie aufpassen werden, dass wir die richti-
gen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt machen. Aber
ich warne davor, zum jetzigen Zeitpunkt das Kind mit
dem Bade auszuschütten, übermütig zu werden und die
sinnvollen rot-grünen Reformen der Agenda 2010 in
Bausch und Bogen zu verdammen und über Bord zu
werfen. Liebe Frau Müller-Gemmeke, ihr habt das da-
mals richtig gemacht. Wir machen richtig weiter. Helfen
Sie in der Legislaturperiode mit! Dann kriegen wir etwas
Gescheites hin.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341500

Ich schließe die Aussprache.





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 18/7 an den Hauptausschuss vor-
geschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Frithjof Schmidt, Omid Nouripour, Agnieszka
Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Operation Active Endeavour beenden

– Drucksache 18/99 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Frithjof Schmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist sicher schon spät, aber es ist notwendig, dass wir
uns im Plenum mit diesem Bundeswehreinsatz noch vor
Ende des Jahres beschäftigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundeswehr beteiligt sich seit über zehn Jahren
an der Operation Active Endeavour. Der Sinn dieser mi-
litärischen Sondermission zur Aufklärung und Terrorbe-
kämpfung im Mittelmeerraum ist schon seit langem
mehr als fragwürdig. Die Begründung des Einsatzes mit
dem NATO-Bündnisfall durch Art. 5 des Nordatlantik-
vertrages als Reaktion auf die Angriffe auf das World
Trade Center in New York ist inzwischen völkerrechtlich
hochproblematisch, mindestens jedoch schon lange
überholt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Bündnisfall gehört aufgehoben.


(Beifall der Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] und Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])


Genau das haben wir letztes Jahr beantragt und gegen
eine Mandatserteilung gestimmt. Die Sozialdemokraten
und die Linke waren ebenfalls dagegen.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Es ist eigentlich ein Grund zur Freude, wenn die ge-
schäftsführende Bundesregierung darauf verzichtet, ein
neues Mandat zu beantragen. Es läuft dann nämlich zum
31. Dezember dieses Jahres aus. Aber dann hört man
Ankündigungen aus den Reihen von SPD und CDU,
dass der Einsatz einfach ohne Mandat 2014 fortgesetzt
werden soll. Jede Bundesregierung seit 2003 hat für die-
sen Einsatz ein Mandat des Bundestages für notwendig
gehalten. Herr de Maizière hat das hier vor elf Monaten
so begründet:

Wenngleich der Schwerpunkt der Operation in der
Präsenz und Überwachung liegt, sieht der Opera-
tionsplan … nach wie vor die Anwendung militäri-
scher Gewalt zur Erfüllung des Auftrages vor, auch
wenn die Anwendung der entsprechenden Befug-
nisse in der Vergangenheit überwiegend nicht zum
Tragen gekommen ist. Die Mandatierung der deut-
schen Beteiligung durch den Deutschen Bundestag
bleibt aufgrund der exekutiven Anteile des Auftra-
ges weiterhin erforderlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Recht hat er damit gehabt, der Herr de Maizière. Wer
in diesen Einsatz Soldaten schicken will, der braucht da-
für ein Mandat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das war 2013 so, und das ist auch 2014 so. Weder die
Lage noch der Operationsplan der NATO haben sich in
zentralen Punkten verändert. Wenn aus SPD und CDU/
CSU jetzt die Zustimmungspflichtigkeit durch den Bun-
destag verneint wird, dann höhlen Sie die parlamentari-
sche Kontrolle von Bundeswehreinsätzen im Kern aus
und schaffen einen unseligen Präzedenzfall. Und deswe-
gen muss hier klargestellt werden, was die Große Koali-
tion vorhat. Ohne Mandat müssen Sie die deutsche Be-
teiligung an OAE beenden. Ich frage Sie: Sind Sie bereit
dazu, oder wollen Sie wirklich das Parlament für das
nächste Jahr umgehen? Wir alle wissen, dass Einsätze
wie in Mali oder vor der Küste des Libanon durchaus in
Grauzonen zwischen Polen wie Ausbildung oder Über-
wachung und möglichen Kampfhandlungen angesiedelt
sind. Seit langem gab es in diesem Haus eine Art Grund-
konsens zwischen allen Fraktionen: Im Zweifel für die
Mandatspflichtigkeit. Die Soldatinnen und Soldaten im
Einsatz brauchen diese Klarheit des Mandates. Unter-
schiedliche Rechtsinterpretationen zwischen den Frak-
tionen des Bundestages dürfen nicht auf ihrem Rücken
ausgetragen werden. Im Zweifel braucht es ein Mandat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,
Sie haben das bisher gewusst und getragen. Es war gut,
dass wir diesen Konsens hatten. Ich sage Ihnen: Ich mag
nicht glauben, dass ausgerechnet Sozialdemokraten das
jetzt infrage stellen und die Union zu einer Revision ih-
rer bisher richtigen Grundsatzposition nötigen, nur weil
sie ein taktisches Abstimmungsproblem in der Großen
Koalition kommen sehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man sich einmal vorstellen!)


Das wäre wirklich ein trauriges Versagen und ist der Pro-
grammatik der Sozialdemokraten nicht würdig.


(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Man beachte den Konjunktiv!)






Dr. Frithjof Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Stellen Sie die Beteiligung an der Operation Active En-
deavour ein! Wenn Sie dazu nicht die Kraft haben, dann
verabschieden Sie mit Ihrer Mehrheit ein Mandat. Aber
hören Sie auf, das Parlamentsbeteiligungsgesetz poli-
tisch zu beschädigen!

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341600

Der Kollege Roderich Kiesewetter hat für die Unions-

fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1800341700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr
Dr. Schmidt, ich glaube, einige Ihrer Fragen kann ich so-
gar so beantworten, dass Sie erstaunt und erfreut sein
werden. Ich denke, dass wir noch genügend Zeit für eine
ausreichende parlamentarische Befassung zu diesem
Thema haben werden.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt denn das?)


Aber blicken wir kurz zurück: Es geht um das Mittel-
meer. Wenn wir das Mittelmeer betrachten, so wissen
wir, dass es eines der wichtigsten Transitrouten für den
weltweiten Wirtschafts- und Handelsverkehr ist, dass es
nicht nur aus handelspolitischer und wirtschaftspoliti-
scher Bedeutung eine ganz entscheidende Region ist.
Vielmehr geht es hier auch um den innereuropäischen
und den transpazifischen Handel; es geht um den trans-
atlantischen Handel.

Wir haben Anfang des letzten Jahrzehnts eine Ent-
scheidung getroffen, den Terrorismus zu bekämpfen, sei-
nerzeit in der Auffassung, hier Bündnisverteidigung leis-
ten zu müssen, und haben Art. 5 des NATO-Vertrages als
Begründung genommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800341800

Kollege Kiesewetter, gestatten Sie eine Frage oder

Bemerkung des Kollegen Gehrcke?


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1800341900

Ja, gerne, Herr Gehrcke. Wir haben ja Zeit.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800342000

Das hatten Sie ja bereits festgestellt, dass genügend

Zeit zur Verfügung steht. – Könnten Sie Ihre Aussage et-
was präzisieren? Dass noch genügend Zeit zur Verfü-
gung steht, hat niemand bestritten – bis zum 31. Dezem-
ber. Kann ich Ihre Aussage so interpretieren, dass Sie als
Teil der Mehrheitspartei der Koalition hier klarmachen:
„Es wird einen Mandatsantrag der Bundesregierung ge-
ben, und er wird rechtzeitig dem Parlament vorgelegt“?
Das heißt, noch im Dezember.

Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1800342100

Ich will Ihnen ermöglichen, dass Sie sich wieder hin-

setzen können. Ich werde im Laufe meiner Rede darauf
eingehen. Sie bekommen eine Antwort.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Bestens!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ent-
scheidende ist, dass wir eine Weiterentwicklung dieser
Operation erlebt haben. Diese Weiterentwicklung der
Operation bedeutet: zusätzliche Lagebeurteilung, Kom-
munikation und Kooperation mit Mittelmeeranrainern.
Deshalb ist unsere Bundesregierung seit einigen Jahren
bemüht, in der NATO dafür zu werben, dass wir den
Art.-5-Prozess überdenken.

Herr Kollege Gehrcke, Sie werden eine Antwort auf
Ihre Frage bekommen, ich möchte aber zunächst auf den
Antrag der Grünen eingehen.

Herr Schmidt, Sie haben mit Ihrem Antrag zwei zen-
trale Vorwürfe in den Raum gestellt, auf die ich eingehen
möchte. Zum einen sprechen Sie davon, dass es zumin-
dest 2012 keine Mehrheit für den Einsatz gab, und leiten
daraus ab, dass das auch weiterhin so ist. Zum anderen
äußern Sie den Vorwurf, dass die Bundesregierung oder
die Mehrheitsfraktionen den Parlamentsvorbehalt umge-
hen möchten.

Zum ersten Punkt, zu den Mehrheiten, ist zu sagen,
dass die parlamentarische Debatte 2012 durchaus anders
verlaufen ist – Sie nicken –, als Sie es darstellen. Die
Opposition, insbesondere SPD und Grüne, hat vor allem
rechtliche Begründungen für das Abstimmungsverhalten
vorgebracht. Sie haben sich nicht politisch gegen den
Einsatz maritimer Streitkräfte im Mittelmeer im Rahmen
der Operation Active Endeavour ausgesprochen. Sie
haben die rechtliche Begründung abgelehnt. Mit der
Feststellung des Bündnisfalls durch den Nordatlantikrat,
damals im Sinne des Art. 5 NATO-Vertrag, war
Deutschland im Rahmen der kollektiven Verteidigung
aufgefordert, einen Beitrag zu leisten. Es gab auch ent-
sprechende UNO-Resolutionen – die sind Ihnen be-
kannt – von 2001, nämlich die Resolutionen 1368 und
1373 des Weltsicherheitsrates.

Wir sind uns in Deutschland, glaube ich, mittlerweile
einig, dass wir zu einer Weiterentwicklung über den
Art. 5 NATO-Vertrag hinaus kommen müssen. Dafür
setzen wir uns auch bei unseren NATO-Partnern ein.
Denn wir sollten gerade den kooperativen Ansatz von
Sicherheit ausdehnen, indem wir zum Beispiel verstärkt
Anrainerstaaten wie Tunesien oder Algerien in diese
Mission mit einbeziehen. Im Übrigen gibt es auch eine
Parlamentarische Versammlung der Union für den Mit-
telmeerraum, wo wir solche Fragen diskutieren können.

Ich möchte gerade bei den jüngeren Kolleginnen und
Kollegen, die erstmals hier im Bundestag sind, Werbung
für diese Parlamentarische Versammlung machen, die
unsere südliche Nachbarschaft intensiv einbezieht.

Die sicherheitspolitische Notwendigkeit des Einsat-
zes im Mittelmeer wird – das werden wir sehen – im Ja-
nuar vielleicht weiterhin von einer breiten Mehrheit des
Parlaments getragen. Ich kann das auch aus den Koali-





Roderich Kiesewetter


(A) (C)



(D)(B)

tionsgesprächen bestätigen. In unserer Arbeitsgruppe
„Außen, Verteidigung und Entwicklung“ haben wir in-
tensiv darüber gesprochen. Wir wollen eine parlamenta-
rische Absicherung.

Aber ich möchte gerade deshalb auf Ihren zweiten,
viel gewichtigeren Vorwurf eingehen: die mangelnde
Parlamentsbeteiligung.

Wir haben im Koalitionsvertrag – die Mitglieder der
SPD müssen ja noch zustimmen – eindeutig klarge-
macht, dass eine Einschränkung des Parlamentsvorbe-
halts bei Mandatsentscheidungen nicht infrage kommt.
Wir werden bestimmte Fragen der Beteiligung in inter-
nationalen Stäben über ein Jahr hinweg in einer unab-
hängigen Kommission beraten und dann über die Ergeb-
nisse diskutieren.

Die Einsätze der Bundeswehr werden aber auch künf-
tig vom Parlament entschieden. Die parlamentarische
Beteiligung ist, glaube ich, unbestritten, und wir werden
auch künftig dieses bewährte Mittel fortsetzen. Das Ver-
fahren zur künftigen Fortführung des OAE-Mandats, das
Sie ja angemahnt haben, Herr Dr. Schmidt, lässt an die-
ser Grundhaltung keinen Zweifel. Ich möchte das gerne
näher erläutern und komme damit auch auf Ihre Frage,
Herr Gehrcke, zurück.

Die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Opera-
tion Active Endeavour wird in ihrer bisherigen Form am
31. Dezember enden und wird im Jahre 2014 in geänder-
ter Form fortgesetzt. Wie sieht das im Einzelnen aus?
Die künftige Beteiligung deutscher Streitkräfte wird sich
nur noch auf den bündnisgemeinsamen Beitrag im Rah-
men der schwimmenden Verbände der NATO, also im
ständigen maritimen Einsatzverband und im Minen-
abwehrverband, und der fliegenden Verbände, bei
AWACS, beschränken. Die bisherige Beteiligung im
Rahmen des sogenannten Transits im Mittelmeer wird
entfallen.

Was bedeutet das? Künftig werden deutsche Schiffe
außerhalb der ständigen Verbände keine Aufgaben der
Operation Active Endeavour mehr übernehmen. Bisher
war es so, dass Schiffe, sobald sie ins Mittelmeer einfuh-
ren, quasi die Flagge der OAE, der Operation Active
Endeavour, gehisst haben und sich die deutschen Solda-
ten auf den deutschen Schiffen gewissermaßen den
Mantel der Operation Active Endeavour angezogen ha-
ben.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das hat Sinn gemacht!)


Diesen Mantel werden sie abstreifen; er wird bei Ein-
fahrt künftig in der Kajüte bleiben. Früher wurde er erst
bei Ausfahrt wieder abgelegt.

Generell ist also festzuhalten, dass es bei der deut-
schen Beteiligung an den ständigen Einsatzverbänden
bleiben wird und wir in der NATO darauf hinwirken
werden, dass die Operation modifiziert wird. Der Opera-
tionsplan und die damit verbundenen Einsatzregeln
sehen keine Maßnahmen mit irgendwelchen Eingriffsbe-
fugnissen vor. Das hat sich gegenüber den ersten Manda-
ten der Jahre von 2001 bis 2003 deutlich geändert. Es
kommt hinzu, dass im Januar 2014, also im übernächsten
Monat, keinerlei deutsche Einsätze bei NATO-integrier-
ten maritimen und fliegenden Verbänden unter dem
Mandat der OAE vorgesehen sind. Im Januar wird also
kein deutsches Schiff an einem ständigen Einsatzver-
band der NATO teilnehmen.

Über die Notwendigkeit einer Parlamentsentschei-
dung kann deshalb nach dem Beschluss des Kabinetts im
Januar entschieden werden. Also wird es im Januar nach
einer Kabinettsentscheidung um die Frage gehen: Muss
man das Parlament noch beteiligen oder nicht? – In je-
dem Falle hört es auf, dass sich deutsche Schiffe der
Marine, wann immer sie das Mittelmeer befahren, den
Mantel der Operation Active Endeavour überstreifen.
Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bünd-
nis 90/Die Grünen, damit ist Ihr Antrag in weiten Teilen
obsolet.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschlie-
ßend drei Punkte zum Einsatz im Rahmen der Operation
Active Endeavour ansprechen: zur Bedrohung, zu den
Partnern und zur strategischen Bedeutung.

Zunächst zur Bedrohung. Ich glaube, es ist auch aus
sicherheitspolitischen Gründen wichtig, dass es weiter-
hin eine internationale Präsenz der NATO im Mittelmeer
gibt. Die Bedrohungen und Ereignisse sind bekannt: Es
geht um den internationalen Terrorismus, um Fragen der
Proliferation, um den Chemiewaffeneinsatz in Syrien; es
gibt weitere negative Beispiele. Diese Bedrohungen und
Ereignisse sind real.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800342200

Kollege Kiesewetter, gestatten Sie eine Frage oder

Bemerkung der Kollegin Keul?


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1800342300

Ja, gerne.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1800342400

Herr Kollege Kiesewetter, es ist eine sehr interessante

Wendung, die Sie hier in den letzten 24 Stunden vollzo-
gen haben. Nur zum besseren Verständnis – damit wir
wissen, was Sie uns gerade erklärt haben –: Was heißt
das für den Operationsplan, der nach wie vor exekutive
Bestandteile enthält? Wird der Operationsplan durch na-
tionale Vorbehalte eingeschränkt, oder wird er gar nicht
mehr Grundlage des Einsatzes der deutschen Streitkräfte
sein?


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1800342500

Frau Keul, es gibt keinen Grund, den Operationsplan

zu ändern, weil wir unseren Beitrag bisher im Rahmen
einer NATO-Mission leisten.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er enthält exekutive Bestandteile, die bislang dazu führten, dass Sie selbst es für mandatspflichtig erklärt haben!)


– Das ist richtig; das ändert sich auch nicht. Der Opera-
tionsplan ändert sich nicht dadurch, dass sich deutsche
Schiffe nicht mehr als allein fahrende Schiffe an der





Roderich Kiesewetter


(A) (C)



(D)(B)

Operation beteiligen; der Operationsplan bleibt unverän-
dert. Es ist eine Frage der Kabinettsentscheidung, ob
sich Deutschland weiter daran beteiligt. Diese Entschei-
dung fällt im Januar, und dann sehen wir weiter. – Vielen
Dank, Frau Keul.

Viel wichtiger aber ist, dass der Einsatz im Rahmen
der Operation Active Endeavour in den anderen NATO-
Mitgliedstaaten unumstritten ist. Das heißt, es kommt
darauf an, dass wir innerhalb der NATO für eine Fortent-
wicklung werben. Wir wollen verlässliche Partner inner-
halb der NATO sein; das haben wir heute auch bei den
Diskussionen über UNAMID und UNMISS gezeigt.
Hier können wir uns entsprechend einbringen.

An das Thema Partner möchte ich anknüpfen.
Deutschland kann aktuelle und auch künftige sicher-
heitspolitische Herausforderungen nur in enger Abstim-
mung mit den europäischen und transatlantischen Part-
nern meistern. Die Verlängerung der OAE ist bei uns in
der Diskussion, bei unseren Partnern insgesamt aber un-
umstritten. Wir setzen auf Verlässlichkeit und Kontinui-
tät und versuchen seit einigen Jahren, innerhalb der
NATO dafür zu werben, den Anteil der Einsätze nach
Art. 5 des NATO-Vertrages zu verändern. Wir werden
sehen, was die nächsten Jahre bringen.

Letztlich aber – das ist mein abschließender Punkt –
geht es natürlich auch um die strategische Bedeutung
nicht nur der Operation Active Endeavour, sondern der
Mittelmeerregion insgesamt. Die Operation Active
Endeavour, die wir deutlich abgeschwächt haben und die
ja wenig exekutive Anteile hat, ist ein Instrument zur
Vertrauensbildung und zur Kooperation mit unseren
Partnern geworden. Wir dürfen die Lage vor Ort nicht
unterschätzen, auch mit Blick auf die Beteiligung der
Staaten in der südlichen Nachbarschaft. Mit dem
Schwerpunkt auf Aufklärung, Seeraumüberwachung
und Lagefeststellung leistet die Operation Active
Endeavour nun einmal einen wesentlichen Beitrag. Die
Frage ist: Wie können wir das, was diese Operation leis-
tet, in einer fortentwickelten Operation erhalten? Es ist
der Kooperationsgedanke, der hier, wie ich glaube, ganz
wesentlich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie
uns gemeinsam darüber nachdenken, wie man diese
Operation weiterentwickeln kann. Ich denke, dass wir
uns zumindest in den beiden möglicherweise bald regie-
renden Parteien einig sind, dass dies nur in ganz enger
Abstimmung mit der NATO geschehen kann.

Lieber Herr Kollege Bartels, ich bin auf Ihren Beitrag
gespannt. Ich weiß, wie sehr die SPD gerungen hat. Ich
glaube aber, dass wir nun gemeinsam eine Lösung ge-
funden haben, mit der wir nicht nur gut leben können,
sondern mit der wir auch in Brüssel unsere deutsche
Position sehr gut vertreten und dafür werben können,
dass die Operation Active Endeavour eine zunehmend
kooperative Mission zur Beteiligung von Partnern in der
südlichen Nachbarschaft wird.

Aus diesen sehr nachvollziehbaren Gründen werden
wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ablehnen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800342600

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für

die SPD-Fraktion.


Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1800342700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kollege Kiesewetter, es ist spannend, Ihnen zuzuhören.
Sie gehörten ja schon einer Regierungsfraktion an.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Und Sie bald!)


Insofern haben Sie einen kleinen Informationsvor-
sprung, den Sie uns hier dargelegt haben. Man wird dann
im Kabinett noch diskutieren müssen – Sie haben es ge-
sagt –, was konkret geschehen soll.

Heute ist klar, Kollege Schmidt: Wir reden nicht über
eine Mandatsverlängerung, sondern über das Auslaufen
dieses Mandats. Es gibt keinen Antrag auf Verlängerung.
Sie haben den Antrag gestellt, das festzustellen. Das tun
wir hier durch Wortbeiträge: Das Mandat läuft am
31. Dezember dieses Jahres aus.

Die SPD hat seit 2009 mit der Ablehnung von OEF
auch OAE abgelehnt. Ab 2010 waren das eigenständige
Mandate, die wir ebenfalls jeweils im Bundestag abge-
lehnt haben. Im letzten Jahr haben wir festgestellt, dass
auch bei den damaligen Regierungsfraktionen und den
Rednern der Regierung, Minister de Maizière und
Staatsminister Link von der FDP, ein Nachdenken da-
rüber eingesetzt hat, ob das eigentlich noch richtig ist,
was wir da im Mittelmeer machen. Ich zitiere, was
Minister de Maizière in der Debatte vom 29. November
2012 dazu gesagt hat. Er sagte, man müsse eine Diskus-
sion führen über die Notwendigkeit der Beibehaltung
des Bündnisfalls, und diese Diskussion werde in der
NATO von Deutschland initiiert. – Das war 2012. Staats-
minister Michael Link sagte damals:

Ja, die Bundesregierung setzt sich aktiv und enga-
giert in der NATO dafür ein, dass der Bündnisfall
als Grundlage für den OAE-Einsatz der NATO im
Mittelmeer künftig entfallen kann.

Das ist bisher ohne Ergebnis geblieben. Insofern wird
man daran arbeiten müssen. Die Äußerungen waren
damals schon im Sinne des Mandatsnamens: Active
Endeavour – tätiges Bemühen. Es gab also auch in der
NATO tätiges Bemühen, hier etwas zu ändern. Aber
noch ist nichts passiert.

Wir Sozialdemokraten stellen fest: Zwölf Jahre nach
9/11 kann man nicht mehr so gut von Selbstverteidigung
und Bündnisfall reden. Damals, als wir alle konkret vom
Terror betroffen waren, war dies richtig. Wir mussten im
Rahmen des Bündnisses etwas tun, im Rahmen der Ope-
ration Enduring Freedom, die zunächst keine NATO-Ak-
tion war. Dies haben wir mandatiert; aber das Mandat
läuft jetzt aus. So ist auch OAE zu einem Prüffall für die
neue Koalition geworden.

Natürlich besteht auf der Welt noch immer Terrorge-
fahr, auch für Deutschland. Zu bekämpfen ist der Terro-
rismus in konkreten militärischen Missionen, sofern er
überhaupt militärisch bekämpft werden kann. So eine





Dr. Hans-Peter Bartels


(A) (C)



(D)(B)

konkrete Mission haben wir in Afghanistan. Ansonsten
ist Terrorismus überall auf der Welt durch die Polizei zu
bekämpfen, insbesondere durch die internationale Zu-
sammenarbeit der Polizei. Er ist dort zu bekämpfen, wo
er droht, aber nicht in erster, zweiter oder dritter Linie
durch ein NATO-Geschwader im Mittelmeer.


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Die Mission im Mittelmeer ist heute eher symbolisch.
Gleichzeitig wissen wir aber, dass die NATO im Mittel-
meer präsent sein muss


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Richtig!)


und auch vorher schon im Mittelmeer präsent gewesen
ist,


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


und zwar mit Standing Naval Force. Wir haben zwei
Maritime Groups mit Fregatten, und wir haben zwei Mi-
nensuchverbände der NATO, davon jeweils einen Ver-
band im Mittelmeer. An jeweils mindestens einem Ver-
band beteiligt sich Deutschland. Insofern sind wir im
Mittelmeer immer mit eigenen Kräften vertreten.

Diese ständigen NATO-Verbände sind auch der Kern
von OAE. OAE ist sozusagen keine Operation aus sich
heraus. Es gibt quasi die Tradition, eine Operation zu
sein. Die längere Tradition hat aber die Standing Naval
Force im Mittelmeer. Diese Forces sind Kern der jewei-
ligen OAE-Mission, die einem eigenen Befehlshaber un-
tersteht. Diese Forces wären aber auch ohne OAE dort.
Auch wir wären ohne die Operation Active Endeavour
dort.

Ich habe mir von der Marine berichten lassen, was wir
in den letzten zwei Jahren im Mittelmeer im Einsatz hat-
ten: Wir waren mit 14 Fregatten, 3 Unterstützungsschif-
fen, 4 Minenabwehreinheiten und einem U-Boot betei-
ligt. – Nicht gleichzeitig. Kollege Gädechens rechnet
schon die Größe der neuen Flotte aus, die mit der Gro-
ßen Koalition kommt.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Guter Mann!)


Das ist eine erhebliche Präsenz. Wir sind kontinuierlich
vor Ort. Außerhalb von UNIFIL – östliches Mittelmeer –
haben wir eine dauerhafte, ständige, erhebliche Präsenz
deutscher Marinestreitkräfte im Mittelmeer. Das soll
auch so bleiben. Das ist sinnvoll. Das ist notwendig. Das
ist auch vorher so gewesen. Aber ob wir dafür eine Ope-
ration auf der Grundlage eines Bündnisfalls, auf der
Grundlage von Art. 5 des NATO-Vertrages brauchen,
stellen wir doch sehr in Zweifel. Wir freuen uns, dass
das unser Koalitionspartner in spe auch so sieht. Das ist
an den Äußerungen in der letzten Debatte und Ihren Äu-
ßerungen heute abzulesen. Da ziehen wir am gleichen
Strang.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Sehr schön!)


Wir müssen die Sache in der NATO klären. Es gibt
drei Möglichkeiten: Entweder die OAE entfällt – dann
gibt es auch kein Mandatierungsproblem –, oder die exe-
kutiven Befugnisse von OAE – Frau Kollegin Keul hat
den Operationsplan angesprochen – entfallen. Dann wird
das eine reine Beobachtungsgeschichte sein: Man sichtet
den Schiffsverkehr und meldet an irgendeine Zentrale.
Das kann man ohne Mandat machen. Wenn das nicht der
Fall ist, wenn OAE bleibt, haben wir immer noch das
Problem bzw. die Frage zu klären, was mit AWACS ist;
denn AWACS ist eine integrierte Verwendung. Wenn
AWACS eingesetzt wird, dann können wir mit unseren
deutschen Kräften an Bord der AWACS-Maschinen, die
von Geilenkirchen aus starten, im Zweifel die ganze
Mission lahmlegen. Das ist nicht in unserem Interesse.
Wir müssen darüber reden, ob das extra mandatiert wer-
den muss. Ist der AWACS-Einsatz mandatspflichtig,
wenn wir an der Operation ansonsten nicht teilnehmen,
diesen Baustein aus dem NATO-Einsatz aber nicht he-
rausnehmen wollen? Das muss das Kabinett klären,
wenn wir endlich ein Kabinett haben, das handlungsfä-
hig ist.

Für uns ist klar – ich glaube, das kann ich für alle bis-
herigen, künftigen und gern gesehenen Koalitionspartner
sagen –: Es darf keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte
in bewaffneten Unternehmungen geben, ohne dass das
Parlament darüber entschieden hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Grundsatz ist für uns nicht verhandelbar. Er gilt
auch für die Zukunft dieses Mandats, über die noch zu
verhandeln sein wird. Es ist aber auch klar, dass es, wenn
es keine bewaffnete Unternehmung gibt, keine Manda-
tierung durch das Parlament geben muss. Wir müssen
den Parlamentsvorbehalt nicht ins Leere laufen lassen.

Das alte Mandat läuft also aus. Ob es ein neues geben
wird, ist offen. Geklärt wird das von der neuen Regie-
rung, auf die wir uns freuen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Das war ein sehr vernünftiger Beitrag!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800342800

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800342900

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Wir als Linke unterstützen den
Antrag der Grünenfraktion, die jetzt laufende Mission zu
beenden. Ich muss meinem Vorredner von der SPD und
dem Vorredner von der CDU/CSU-Fraktion eines sagen:
Ich finde, das, was Sie hier heute Abend präsentieren, ist
nichts weiter als eine Vernebelungsstrategie.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)






Sevim Dağdelen


(A) (C)



(D)(B)

Der eine sagt: Das Mandat wird auslaufen; wir wer-
den im neuen Jahr schauen, ob es ein neues modifiziertes
Mandat geben wird. Das wird dann das Kabinett eventu-
ell beschließen, und dann wird es eventuell eine Behand-
lung hier im Bundestag gemäß Parlamentsbeteiligungs-
gesetz geben.


(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: So ist das!)


Das ist meiner Meinung nach ganz schön viel „eventu-
ell“.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Kollege von der SPD sagt, wir müssten jetzt drei
Dinge angehen, drei Fragen seien zentral. Man müsse
jetzt mit der NATO darüber sprechen, dass entweder
OAE komplett entfällt oder eben die Exekutivbefugnisse
entfallen, und darüber, wie die AWACS-Einsätze fortge-
führt werden, wenn OAE weiterhin besteht.

Ich finde, es ist wirklich mehr als fragwürdig, wie Sie
hier über einen eventuellen Einsatz bewaffneter Streit-
kräfte, das heißt einen Bundeswehreinsatz im Ausland,
reden. Sie haben hier heute Abend nur irgendwelche
Taschenspielertricks präsentiert.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie sagen, dass die Schiffe dann eine andere Fahne ha-
ben werden, als ob es hier um eine bunte Segelregatta im
Mittelmeer geht.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Machen Sie sich doch kundig!)


Sie sagen uns hier, dass die deutschen Schiffe nach Ende
des Jahres einfach eine andere Fahne hissen werden als
vorher, nämlich die NATO-Fahne OAE. Es geht bei die-
ser Mission doch nicht nur um Fahnen, sondern um eine
flächendeckende Überwachung des Mittelmeers. Das hat
auch der noch geschäftsführende Verteidigungsminister
gestern Nachmittag der Linksfraktion bestätigt, als er zu
den aktuellen drei Mandaten bei uns gesprochen hat.

Hinzu kommt noch etwas. Ich würde Sie gern einmal
fragen, ob das auch eine Rolle spielt. Bei der Mission
soll es jetzt auch darum gehen, dass NATO-Schiffe im
Mittelmeer zur Flüchtlingsjagd, zur Hetze gegen Flücht-
linge, die aus dem Norden Afrikas kommen, eingesetzt
werden sollen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Unverschämtheit! Das gibt es doch wohl nicht!)


– Sie brauchen hier gar nicht so loszubrüllen. – Meine
Frage an die zukünftigen Koalitionsfraktionen ist, ob das
Bestandteil Ihrer bisherigen Diskussionen darüber ist,
wie Sie ein neues modifiziertes Mandat im Mittelmeer
gestalten wollen, oder nicht.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Entschuldigen Sie sich!)


Das ist eine berechtigte Frage. Es gibt Presseberichte,


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Wo denn? Im Neuen Deutschland, oder was?)

dass NATO-Schiffe gegen Flüchtlinge eingesetzt werden
sollen. Wenn Sie nicht so getroffen wären, würden Sie
hier nicht so brüllen.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wir sind nicht getroffen! – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Wir korrigieren Sie nur!)


Ich möchte eine Antwort auf die Frage haben, ob in dem
neuen Mandat möglicherweise auch Flüchtlingsbekämp-
fung vorgesehen wird.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Bekämpfung? Wir helfen den Flüchtlingen!)


Das Zweite, was ich hier ansprechen möchte, ist – es
ist schon angesprochen worden – der NATO-Vertrag. So
wie ich es heute Abend gesehen habe, sind eigentlich
alle Fraktionen dafür, dass der Bündnisfall nach Art. 5
des NATO-Vertrages hier weg muss. Das würde heißen,
dass es keine Beistandsverpflichtung mehr gibt, dass das
aufgehoben wird. Ich kann nur für meine Fraktion spre-
chen: Wir würden es begrüßen und unterstützen, wenn
Sie sagen, dass Art. 5 des NATO-Vertrages hier eigent-
lich nicht mehr gilt. In diesem Zusammenhang wieder-
hole ich unsere Aufforderung an Sie, an die künftigen
Koalitionsfraktionen, hier keine Vernebelungsstrategie
zu betreiben, sondern mit dem Parlament, mit den Oppo-
sitionsfraktionen darüber zu sprechen, was genau Sie ei-
gentlich planen.

Ich sage Ihnen noch eines: Dieser Einsatz wird keinen
einzigen Tag ohne Mandat des Bundestages stattfinden.
Wir werden gegebenenfalls den Weg nach Karlsruhe ge-
hen, wie vielfach zuvor. Darauf können Sie sich verlas-
sen. Kein Tag ohne Parlamentsbeteiligung, ohne Manda-
tierung für diesen Einsatz!


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Setzen! Sechs!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800343000

Das Wort hat die Kollegin Julia Bartz für die Unions-

fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Julia Bartz (CSU):
Rede ID: ID1800343100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Den Vorwurf, dass deutsche Soldaten
Flüchtlinge hetzen, weisen wir in diesem Haus entschie-
den zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie hören mir nicht zu!)


Der Antrag der Grünen fordert de facto das sofortige
Ende der Beteiligung Deutschlands an der Operation
Active Endeavour und somit den Rückzug deutscher
Truppen aus dieser NATO-Operation.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das scheint Sie ja überzeugt zu haben!)






Julia Bartz


(A) (C)



(D)(B)

Den Forderungen Ihres Antrags widerspreche ich deut-
lich. Auch wenn eine nähere Betrachtung dieser Opera-
tion lohnt, ziehe ich andere Schlüsse, als Sie es tun.

Wir streben eine Fort- und Weiterentwicklung der
Operation Active Endeavour an. Ihren Vorwurf, dass bis-
lang noch nichts geschehen sei, lasse ich nicht gelten.
Wir verfolgen bereits seit längerer Zeit die Umwandlung
der Mission in eine nicht auf Art. 5 des NATO-Vertrages
gestützte Mission. Ende April 2013 haben wir hierzu ei-
nen NATO-Beschluss erreicht, der eine Perspektive für
2014/2015 aufzeigt. Innerhalb der NATO, einer Kon-
sensorganisation, verhandeln wir darüber mit 27 Bünd-
nispartnern. Das braucht Zeit. Schnellschüsse haben
noch nie zu einer robusten Lösung geführt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es gibt gute Gründe, die für eine Präsenz im Mittel-
meer sprechen:

Erstens. Das Mittelmeer gehört zu den wichtigsten in-
terkontinentalen Seewegen weltweit und hat eine zuneh-
mende sicherheitspolitische Relevanz. Angesichts unse-
rer wirtschaftlichen Verflechtungen und unserer starken
Abhängigkeit von funktionierenden Seewegen liegt die
sichere Nutzung des Mittelmeeres in unserem Interesse.
Es ist für den innereuropäischen und transatlantischen
Handel von geostrategisch vitaler Bedeutung. Rund ein
Drittel aller über See verschifften Güter und ein Viertel
aller Öltransporte weltweit werden durch das Mittelmeer
geleitet. Jährlich durchqueren es 220 000 Handels-
schiffe. Zur sicheren Nutzung des Mittelmeeres leistet
die Operation Active Endeavour einen wichtigen Bei-
trag.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Lage in Nordafrika hat sich im vergangenen Jahr
nicht beruhigt. Die Instabilität dieser Region hat weitrei-
chende Auswirkungen auf unsere europäische und deut-
sche Sicherheitsarchitektur. Neben dem Menschen-,
Drogen- und Waffenhandel nimmt die Zahl terroristi-
scher Aktivitäten im gesamten nordafrikanischen Raum
zu. Daher nimmt die Präsenz der NATO einen präventi-
ven Ordnungsfaktor ein. Angesichts der Umwälzungen
in der arabischen Welt brauchen wir ein aktuelles Lage-
bild der Region. Der Charakter der Operation Active
Endeavour ist deshalb zunehmend durch die Möglichkeit
bestimmt, auf multinationale und ressortübergreifende
Informationsnetzwerke zurückzugreifen, den Datenaus-
tausch mit zivilen Stellen zu forcieren und die Beteili-
gung von Nicht-NATO-Staaten zu fördern. OAE gibt uns
dank maritimer und fliegender Aufklärung ein dichtes
Lagebild über den gesamten Mittelmeerraum. Ein Aus-
tritt aus diesem Informationsnetzwerk wäre töricht und
fahrlässig.

Zweitens. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit
2001 an der Operation Active Endeavour beteiligt. Als
drittgrößter Truppensteller der OAE sind wir unseren
Bündnispartnern in ganz besonderer Weise verpflichtet.
Wir müssen unserer Rolle in der NATO gerecht werden.
Wir stehen in der Verantwortung. Gleichzeitig stellt die
weitere Beteiligung sicher, dass Deutschland den politi-
schen Beistand im Sinne einer verlässlichen Bündnis-
solidarität aufrechterhält. Zudem gewährleisten wir un-
seren militärischen Beitrag im Rahmen der ständigen
maritimen Einsatzverbände der NATO. Ein unilateraler
Ausstieg aus der Operation Active Endeavour wäre mit
einem erheblichen bündnis- und militärpolitischen
Schaden verbunden. Vielmehr sollten wir die deutsche
Verlässlichkeit im Bündnis und über das Bündnis hinaus
aufrechterhalten.

Drittens. OAE ist keine reine NATO-Angelegenheit.
Verschiedene Länder, darunter auch Russland, haben
sich an dieser Operation beteiligt. OAE hat sich in den
vergangenen Jahren zu einer regelrechten Kooperations-
plattform gewandelt, an der auch viele Mittelmeeranrai-
ner mitwirken. Die Operation dient also neben den
sicherheitspolitischen Aspekten der Vertrauensbildung
über das Bündnis hinaus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, die Präsenz der NATO im Mittel-
meerraum ist uns in vielerlei Hinsicht nützlich und dient
der Sicherheitsvorsorge Deutschlands. Die Instabilität
Nordafrikas, die Signalwirkung unserer internationalen
Zusammenarbeit und unsere bündnispolitische Verant-
wortung sprechen für eine weitere Beteiligung.

Abschließend möchte ich den Soldatinnen und Solda-
ten der Bundeswehr danken, insbesondere all jenen, die
bei der Operation Active Endeavour eingesetzt waren.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1800343200

Kollegin Bartz, das war Ihre erste Rede hier im Ho-

hen Hause. Ich gratuliere Ihnen nicht nur dazu, dass Sie
diese Rede für Ihre Fraktion gehalten haben, sondern
auch dazu, dass Ihnen etwas gelungen ist, was den we-
nigsten Kolleginnen und Kollegen bei ihrer ersten Rede
gelingt, nämlich die Redezeit nicht nur einzuhalten, son-
dern sie sogar zu unterschreiten und damit das Präsidium
nicht in Probleme zu stürzen, wie es sich bei einer ersten
Rede verhalten soll. Wir wünschen Ihnen alles Gute für
Ihre weitere Arbeit.


(Beifall)


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/99. Die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache.
Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen
Überweisung an den Hauptausschuss.

Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den
Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb:
Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die
Überweisung mit den Stimmen der Unionsfraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der antragstellen-
den Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, und der Fraktion





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(B)

Die Linke so beschlossen. Damit stimmen wir über den
Antrag auf Drucksache 18/99 heute nicht in der Sache
ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Der Termin für
die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags wird Ih-
nen rechtzeitig bekannt gegeben.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute für Ihre sonstigen Vorhaben am heutigen Abend.