Protokoll:
17221

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 221

  • date_rangeDatum: 20. Februar 2013

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:03 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/221 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 221. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 I n h a l t : Zur Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiter- bildung in der Altenpflege (Drucksache 17/12327) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Verordnung zur Markttransparenzstelle für Kraft- stoffe; weitere Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27411 A 27411 A 27411 C 27411 B 27411 D 27411 D 27412 C 27412 C 27413 A 27413 A 27413 B 27413 C 27413 D 27414 A 27414 B 27414 B 27414 C 27414 D 27415 A 27415 B 27415 D 27416 A 27416 B 27416 C 27416 C 27416 D 27416 D 27417 A 27417 B 27417 B 27417 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 17/12342) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Andrea Wicklein (SPD) Reduzierung des messbaren Erfüllungsauf- wandes Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Behandlung der Konzessionsrichtlinie der EU im Trilogverfahren Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Abstimmungsverhalten der Bundesregierung in Rat und Kommission der EU zum vorlie- genden Entwurf der Konzessionsrichtlinie Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veröffentlichung des Gutachtens der Prognos AG zur Umsetzung von Art. 7 der EU-Energieeffizienzrichtlinie Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 5 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Regelungen bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas (Fracking) Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 6 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verbot der Privatisierung der Trinkwas- serversorgung auf EU-Ebene Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 7 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zum Ausbau der Elektromobilität 27417 D 27418 A 27418 B 27418 B 27418 C 27418 C 27418 D 27419 A 27419 A 27419 C 27420 B 27420 C 27421 C 27421 D 27422 B 27423 B 27423 C 27424 B 27425 A 27425 C 27426 A 27426 B 27427 B 27427 C 27428 C 27428 D 27429 A 27429 C 27430 A 27431 A 27432 A 27432 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 III Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 8 Wolfgang Tiefensee (SPD) Stärkung der KfW als Mittelstandsbank Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 9 Wolfgang Tiefensee (SPD) Kürzung der Mittel der Gemeinschaftsauf- gabe „Verbesserung der regionalen Wirt- schaftstruktur“ Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 26 und 27 Martin Dörmann (SPD) Auskunftspflicht der öffentlichen Behör- den als prinzipielle Forderung aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zum Missbrauch von Leiharbeit im Lichte der Berichte über Vorfälle bei Amazon . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militä- rischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Be- schlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Ja- nuar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/12367) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Un- terstützungsmission in Mali unter afrika- nischer Führung (AFISMA) auf Grund- lage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/12368) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 27433 C 27434 A 27435 A 27435 B 27436 A 27436 C 27438 B 27438 D 27440 D 27440 D 27441 D 27442 D 27443 D 27444 D 27446 A 27447 B 27448 C 27450 A 27451 A 27452 B 27453 D 27455 B 27455 B 27455 C 27456 C 27457 B 27458 D 27460 D 27462 C 27463 D 27464 D 27466 A 27467 A 27468 C 27468 D 27469 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Anlage 2 Mündliche Frage 10 Ingo Egloff (SPD) Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbs- fähigkeit der maritimen Wirtschaft Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 11 Ingo Egloff (SPD) Flächendeckende Breitbandversorgung der Privathaushalte Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 12 Rolf Hempelmann (SPD) Maßnahmen der Bundesregierung zum Abschluss der Doha-Welthandelsrunde Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 13 Klaus Barthel (SPD) Verantwortungsbewusste Genehmigungspoli- tik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 14 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verkauf von Rüstungsgütern an Usbekis- tan durch Großbritannien im Rahmen des ISAF-Abzugs und gemeinsame Abspra- chen unter den beteiligten Staaten Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 15 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aus Deutschland exportierte und in den USA für Privatpersonen käufliche Schuss- waffen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 16 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Programme, Strategien und Neubauvorha- ben betreffend Atomkraft in Europa Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 17 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Menschenrechtslage in Saudi-Arabien; Rolle Saudi-Arabiens bei der materiellen Unter- stützung gewaltbereiter islamischen Grup- pierungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 18 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Flugverbotszone über Syrien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 20 Niema Movassat (DIE LINKE) Kritik an Äußerungen des deutschen Bot- schafters in Namibia Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27469 C 27470 C 27470 D 27471 A 27471 B 27471 C 27471 D 27472 D 27473 A 27473 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 V Anlage 12 Mündliche Frage 22 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausrichtung des EU-Haushalts auf wachs- tums- und beschäftigungsfördernde Inves- titionen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 23 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahlungsverpflichtungen Griechenlands an die EU in den Jahren 2014 bis 2020 Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 28 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Kontakte der ukrainischen Partei Swoboda zu anderen rechtsnationalistischen Parteien in Europa Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 29 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ergebnis der EU-Studie zum Europäischen Kriminalaktennachweissystem (EPRIS) und Eignung anderer Systeme Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 30 Brigitte Zypries (SPD) Änderungsvorschläge für den Gesetzesent- wurf gegen Abmahnmissbrauch und unse- riöse Geschäftspraktiken in der Kultur- wirtschaft Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 31 Brigitte Zypries (SPD) Warnhinweismodell als Alternative gegen Bagatellisierung von Rechtsverletzungen in der Kulturwirtschaft Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Fragen 32 und 33 Gerold Reichenbach (SPD) Berücksichtigung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) bei der Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäfts- praktiken und Handhabe des vorgesehenen Abmahndeckels Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Fragen 34 und 35 Kerstin Tack (SPD) Wirksame Begrenzung missbräuchlicher Abmahnungen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 36 Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitliche Begrenzung der Modernisierungs- umlage nach § 559 BGB und Verlängerung des Zeitraums zur Berechnung der ortsüb- lichen Vergleichsmiete Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 37 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 27473 C 27474 A 27474 A 27474 B 27474 D 27475 A 27475 B 27475 C 27476 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Unterstützung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hartmut Hopp und Entschädigung der Opfer von Colonia Dignidad Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 38 Andrea Wicklein (SPD) Einführung steuerlicher Forschungsförde- rung in der 17. Legislaturperiode Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 39 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Berücksichtigung der unecht rückwirken- den Anhebung des Grundfreibetrags bei bereits festgesetzten Einkommensteuervo- rauszahlungen und Ermessensspielraum der Finanzbehörden Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 40 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Zusätzliche Bürokratiekosten für die Ver- waltung bzw. Wirtschaft bei Anwendung der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 und Änderungsvorschlag des Bundes- rates bzgl. der steuerlichen Bewertung nach Rückstellungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 41 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Aktuelles System des Länderfinanzaus- gleichs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 42 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Einhaltung von Mindeststandards für ver- antwortungsvolles Handeln im Steuerbe- reich gemäß OECD-Standard durch Dritt- länder Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 43 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Leistungen nach dem SGB II über die Dauer einer dreijährigen schulischen Aus- bildung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 44 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan und Finanzierung der Forschung zur Verringerung der Wettbewerbsnach- teile heimischer Eiweißpflanzen im Rah- men der Eiweißpflanzenstrategie Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Fragen 45 und 46 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirtschaftlicher Schaden durch den Pfer- defleischskandal und weitergehende Dekla- rationspflichten für Zutaten in Fertigpro- dukten Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 47 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne und Erfolgsaussichten der militäri- schen Ausbildungshilfe in Mali 27476 B 27476 D 27476 D 27477 A 27477 B 27477 C 27477 D 27478 A 27478 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 VII Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 48 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufbau einer funktionsfähigen Luftwaffe der afghanischen Streitkräfte Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 49 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Schweizer Modellprodukt zur Erlaubnis für Physiotherapeuten zur Abweichung von der Verordnung des behandelnden Arztes Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Frage 50 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Entscheidung über die Erbringung von Heilmitteln durch den Arzt anstatt durch den Heilmittelerbringer Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Fragen 51 und 52 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kostenexplosion beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und Konsequenzen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 53 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nutzung von Dossiers und Sprechzetteln der untersten Ebene des BMVBS durch Bundesminister Dr. Peter Ramsauer; Ein- richtung einer Sonderkommission „Stutt- gart 21“ Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Frage 54 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zuwendungen für Projekte im Rahmen der Schaufenster Elektromobilität Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Barrierefreiheit im nationalen und grenz- überschreitenden Fernbuslinienverkehrs Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 57 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Festsetzung von Standards zur Barriere- freiheit für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 58 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Projektanmeldungen von Ländern und In- stitutionen für den Bundesverkehrswege- plan 2015 27479 A 27479 B 27479 C 27479 D 27480 A 27480 B 27480 C 27480 D 27481 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Frage 59 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Notifizierung über die in Europa laufenden Programme, Strategien und Neubauvorha- ben zu Atomkraft und Verfahrensbeteili- gung Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Fragen 60 und 61 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transport von Brennelementen des russi- schen Kernkraftwerks Baltijskaja Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 62 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wassermanagement im Flusssystem von Spree und Dahme Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Fragen 63 und 64 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stützung des europäischen Emissionshan- dels Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 65 Niema Movassat (DIE LINKE) Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27481 C 27481 C 27482 B 27482 C 27482 D 27483 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27411 (A) (C) (D)(B) 221. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigung 219. Sitzung, Seite 27184 D, der zweite Absatz ist wie folgt zu lesen: „Im Jahr 2004 waren es 560 Millio- nen Euro, und letztes Jahr waren es 785 Millionen Euro, weil wir wissen, wie wichtig der internationale Austausch zum Beispiel auch für die Konfliktpräven- tion und die Konfliktbewältigung ist, schlicht: weil Menschen, die gute Erfahrungen im Betreiben von Sport gemacht haben, einander weniger bekämpfen.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27469 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Ingo Egloff (SPD) (Druck- sache 17/12342, Frage 10): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung angesichts der aktuellen Probleme der Schiffsfinanzierung, Werftenauslastung und Entwicklung der Offshoreindustrie in Deutschland vor dem Hintergrund der Aussage im Koalitions- vertrag zwischen CDU, CSU und FDP, die Wettbewerbsfähig- keit der maritimen Wirtschaft in Deutschland stärken zu wollen? Die Bundesregierung hat in der laufenden Legislatur- periode die Rahmenbedingungen für die deutsche maritime Wirtschaft weiter gestärkt. Den deutschen Werften ist es daher trotz des schwierigen Marktumfelds gelungen, sich auf die veränderten Anforderungen des Marktes einzustellen: a) Schiffsfinanzierung. Mit den bestehenden staatli- chen Finanzierungsinstrumenten von Bund und Küsten- ländern steht dem deutschen Schiffbau ein sehr guter und wirkungsvoller Förderrahmen zur Verfügung. Die Bundesregierung setzt diese Finanzierungsinstrumente im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten flexibel ein. Dies hat sie in vielen Einzelfällen bewiesen. Die Bundesregierung hat allein im Jahr 2012 Export- kreditgarantien – Hermesdeckungen – in Höhe von 1,9 Milliarden Euro für zivile Schiffbauprojekte verge- ben. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung durch sogenannte CIRR-Zinsausgleichsgarantien die deutschen Werften im globalen Wettbewerb. Seit Ein- führung des neuen Schiffbau-CIRR-Systems Mitte 2007 wurden Zinsausgleichsgarantien für 74 Schiffsneubauten mit einem Auftragsvolumen in Höhe von rund 11,3 Mil- liarden Euro zugesagt. Darüber hinaus werden die Werften durch die Schiff- baubürgschaften der Länder wirkungsvoll unterstützt. Im Rahmen des inzwischen ausgelaufenen Wirtschaftsfonds Deutschland hat sich der Bund umfangreich an Bürg- schaften für Werften beteiligt und damit einen wesentli- chen Beitrag zur Sicherung des Werftenstandorts Deutschland geleistet. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 20.02.2013 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 20.02.2013 Freitag, Dagmar SPD 20.02.2013 Gabriel, Sigmar SPD 20.02.2013 Gottschalck, Ulrike SPD 20.02.2013 Hempelmann, Rolf SPD 20.02.2013 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Dr. Kofler, Bärbel SPD 20.02.2013 Kolbe, Daniela SPD 20.02.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Lay, Caren DIE LINKE 20.02.2013 Meinhardt, Patrick FDP 20.02.2013 Möhring, Cornelia DIE LINKE 20.02.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 20.02.2013 Nahles, Andrea SPD 20.02.2013 Pawelski, Rita CDU/CSU 20.02.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 20.02.2013 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 20.02.2013 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 20.02.2013 Schreiner, Ottmar SPD 20.02.2013 Süßmair, Alexander DIE LINKE 20.02.2013 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20.02.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 20.02.2013 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 27470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) Die Lage in der deutschen Seewirtschaft ist weiterhin sehr schwierig. Dies führt zu erheblichen Finanzierungs- problemen für die Reeder. Staatliche Finanzierungspro- gramme zur Überwindung von zyklischen und struktu- rellen Problemen einer Branche wären aber keine geeignete Lösung und könnten unausweichliche Anpas- sungsprozesse nur verzögern. Die Bundesregierung trägt aber im Maritimen Bündnis erheblich dazu bei, den Schifffahrtsstandort Deutschland zu sichern. Dies erfolgt zum Beispiel über die Tonnagesteuer, aber auch durch die Förderung von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt. Um die deutsche Flagge zu stärken, werden derzeit zudem Möglichkeiten zur Modernisie- rung der Flaggenstaatverwaltung geprüft. b) Werftenauslastung. Die Umsätze deutscher Werften haben sich zuletzt stabilisiert, und es konnten wichtige neue Aufträge, unter anderem im Offshoresek- tor, akquiriert werden. Die Schiffbauproduktion lag in den ersten neun Monaten des Jahres 2012 bei rund 2 Milliarden Euro und der Auftragsbestand bei 7,2 Mil- liarden Euro. Es liegt in erster Linie in der Verantwortung der Werf- ten, den notwendigen strukturellen Wandel zu bewerk- stelligen und sich im internationalen Wettbewerb zu be- haupten. Den deutschen Werften ist inzwischen die Umstellung auf den Spezialschiffbau gelungen. Deut- sche Werften setzen sich durch innovative, hochqualita- tive und auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Produkte am Markt durch. Hierbei werden sie durch die genannten staatlichen Finanzierungsinstrumente erfolg- reich begleitet. Innovationen werden durch das Förder- programm „Innovativer Schiffbau sichert wettbewerbs- fähige Arbeitsplätze“ unterstützt. Die Bundesregierung stellt hierfür 13 Millionen Euro im Jahr 2013 zur Verfügung. Die Bundesländer beteiligen sich an dem Programm mit zusätzlich bis zu 13 Millionen Euro. c) Offshoreindustrie. Die Bundesregierung legt Prio- rität auf die Umsetzung der Energiewende. Sie unter- nimmt daher auch zentrale Aktivitäten, um den Ausbau der Offshorewindenergie voranzutreiben. Davon profitiert auch die maritime Wirtschaft. Wichtige Maßnahmen wur- den bereits umgesetzt. Dazu zählen unter anderem die Übernahme der Netzanbindung durch die Übertragungs- netzbetreiber, die Einführung eines sogenannten Stau- chungsmodells für die Vergütung des aus Offshorewind- energieanlagen erzeugten Stroms im Rahmen der EEG- Novelle 2012, die Auflage des KfW-Sonderkreditpro- gramms „Offshorewindenergie“ mit einem Gesamtvolu- men von maximal 5 Milliarden Euro zur Finanzierung der Errichtung von bis zu zehn Offshorewindparks, die Regelung der bis dahin unklaren Haftungsfragen bei Netzverzögerungen und -unterbrechungen sowie die Einführung des Offshorenetzentwicklungsplans. Eine enge Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Branche der Offshorewindenergie ist ein wichtiges Thema. Dieses wird in einem von der Stiftung Off- shorewindenergie moderierten und von der Bundesregie- rung begleiteten Arbeitskreis seit einigen Jahren voran- gebracht. Zuletzt hat die Bundesregierung zusammen mit dem Arbeitskreis die zweite Konferenz „Maritime Wirtschaft – Partner der Energiewende“ veranstaltet. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Ingo Egloff (SPD) (Druck- sache 17/12342, Frage 11): Was tut die Bundesregierung, um ihrer Aussage im Koali- tionsvertrag gerecht zu werden, eine flächendeckende Breit- bandversorgung zu erreichen, und welche Bandbreite wird derzeit für jeden Haushalt mindestens erreicht? In Deutschland ist eine weitgehende flächendeckende Grundversorgung inzwischen gewährleistet. Mitte 2012 konnten 99,5 Prozent aller Haushalte Bandbreiten mit einer Downloadrate von mindestens 1 Megabit pro Se- kunde nutzen. Insbesondere durch die im europäischen Vergleich frühzeitige Bereitstellung von Frequenzen der digitalen Dividende für hochleistungsfähige Mobilfunk- netze konnte eine Vielzahl von Versorgungslücken ge- schlossen werden. Per Satellit können jederzeit im Be- darfsfall die Leistungsraten rasch deutlich gesteigert werden. Zudem können mit Mitteln aus den Gemeinschafts- aufgaben „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs- tenschutzes“, GAK, sowie „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, in Gebieten, die mit Band- breiten von weniger als 2 Megabit pro Sekunde versorgt sind, Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandver- sorgung gefördert werden. Die Breitbandstrategie der Bundesregierung wird kontinuierlich weiterentwickelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Rahmenbedingungen, die den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen über den Markt fördern. Mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes wurden im Bereich Regulierung und durch Vorgaben zur Mitnutzung vorhandener Infrastrukturelemente wesentli- che Voraussetzungen für mehr Investitionen geschaffen. Weiterhin wurden bestehende Finanzierungsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, und der Land- wirtschaftlichen Rentenbank, LR, für den Breitbandaus- bau nutzbar gemacht, mit dem Breitbandbüro ein kompetenter Ansprechpartner etabliert und die Koordi- nierung der Maßnahmen von Bund, Ländern, Kommu- nen und Wirtschaft intensiviert. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Rolf Hempelmann (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 12): Was unternimmt die Bundesregierung aktuell, um ihr Ver- sprechen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten, die Doha- Welthandelsrunde zügig abzuschließen? Die Verhandlungen in Genf konzentrieren sich schon seit längerem darauf, eine Verständigung zu Teilfragen des Doha-Mandates bei der 9. WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2013 zu erreichen. Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission in dem Bemühen, kon- sensfähige Lösungen insbesondere für einen Abschluss der Verhandlungen über Handelserleichterungen zu erar- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27471 (A) (C) (D)(B) beiten. Sie ist dazu auf allen Ebenen in regelmäßigem und engem Kontakt mit Kommission, EU-Mitgliedstaa- ten sowie Vertretern von Drittstaaten. Bundesminister Rösler hat dazu am 18. Februar mit seiner französischen Kollegin gesprochen, Staatssekretärin Herkes war An- fang Februar in Genf zu Gesprächen mit WTO-General- direktor Lamy und den Botschaftern wichtiger WTO- Mitglieder. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Klaus Barthel (SPD) (Druck- sache 17/12342, Frage 13): Wie passt die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP festgeschriebene Aussage einer „verantwortungsbe- wussten Genehmigungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungs- gütern“ zu Berichten über die Lieferung von Leopard-2-Pan- zern in kritische Regionen oder aktuell von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien? Der Bundesregierung sind die Medienberichte be- kannt. Sie sind spekulativ, und die Bundesregierung wird diese nicht kommentieren. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hält die Bundesregierung an den derzeit gel- tenden Rüstungsexportbestimmungen fest. Genehmi- gungsentscheidungen über den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern richten sich nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgü- tern“ aus dem Jahr 2000 und dem „Gemeinsamen Stand- punkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechno- logie und Militärgütern“. Bei jedem Antrag prüft die Bundesregierung sehr gründlich vor dem Hintergrund der Lage in der Region und dem betroffenen Land unter anderem die Bedeutung der beantragten Ausfuhr für die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region – Kriterium 4 des Gemeinsamen Stand- punkts der EU. Auch der Achtung der Menschenrechte – Kriterium 2 des Gemeinsamen Standpunkts – sowie den Einsatzmöglichkeiten der zu liefernden Rüstungsgü- ter kommt bei der Prüfung besondere Bedeutung zu. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 14): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über jüngst bekannt gewordene Planungen Großbritanniens (vergleiche The Times vom 8. Februar 2013), im Rahmen des ISAF-Ab- zugs aus Afghanistan und als Gegenleistung für die Bereitstel- lung von Transitmöglichkeiten Rüstungsgüter an Usbekistan zu verkaufen, und werden Fragen von Verkauf oder Überlas- sung von Rüstungsgütern im Rahmen des ISAF-Abzugs unter den NATO-Staaten bzw. den EU-Mitgliedstaaten, die an den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsexporten ge- bunden sind, besprochen? Der Bundesregierung liegen zu jüngst bekannt gewor- denen Planungen Großbritanniens, im Rahmen des ISAF- Abzugs aus Afghanistan und als Gegenleistung für die Bereitstellung von Transitmöglichkeiten Rüstungsgüter an Usbekistan zu verkaufen, keine eigenen Erkenntnisse vor. Fragen über Verkauf oder Überlassung von Rüs- tungsgütern im Rahmen des ISAF-Abzugs wurden in- nerhalb der NATO bisher nicht erörtert. Im Rahmen der NATO finden regelmäßig gegenseitige Unterrichtungen über Stand der Planungen und Verlauf der Rückver- legung der ISAF-Truppenstellerstaaten statt. Die Über- lassung von Rüstungsgütern an Transitstaaten ist nicht Gegenstand dieser Unterrichtungen. Unter den EU-Mitgliedstaaten, die an den Gemeinsa- men Standpunkt der Europäischen Union zu Rüstungs- exporten gebunden sind, fand in der zuständigen Rats- arbeitsgruppe COARM bisher keine entsprechende Erörterung statt. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 15): Wie viele und welche Arten von Schusswaffen, die in den USA von Privatpersonen erworben werden können, sind in den vergangenen zehn Jahren von Deutschland aus in die USA exportiert worden? Welche Schusswaffen in den USA von Privatperso- nen erworben werden können, kann nicht beantwortet werden. Dies hängt unter anderem von den Waffengeset- zen der einzelnen US-Bundesstaaten ab, die unterschied- lich ausgestaltet sind. Für Lieferungen aus Deutschland gilt einschränkend, dass Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen nur zugunsten staatlicher Stellen, nicht aber zugunsten von Privatpersonen erteilt werden kön- nen. Zur Frage, wie viele Schusswaffen in den USA er- worben wurden, sind lediglich Zahlen verfügbar, die sich auf sämtliche Endverwender in den USA und nicht ausschließlich auf Privatpersonen beziehen. Im Zeitraum 2003 bis 2012 wurden Genehmigungen zur endgültigen Ausfuhr von Schusswaffen (nur komplette Waffen) der Ausfuhrlistenpositionen A0001A, A0001B und A0001C in einer Gesamtzahl von 2 539 751 Stück erteilt. Die An- zahl verteilte sich auf Kriegswaffen (33 583 Stück), Jagd- und Sportwaffen (29 042 Stück), sonstige Ge- wehre, Flinten und Büchsen (425 639 Stück) und Faust- feuerwaffen (2 051 487 Stück). Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 16): In welcher aktuellen Phase/welchem Verfahrensstand be- finden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die in Europa 27472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) laufenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben, die Atomkraft betreffen – wie beispielsweise das polnische Atomprogramm, die belgische und tschechische Energiestra- tegie und die Vorhaben Hinkley Point und Temelin 3 und 4; der Vollständigkeit halber wird gebeten, nicht auf andere Bun- destagsdrucksachen zu verweisen –, und für wann erwartet die Bundesregierung jeweils den Abschluss dieser aktuellen Phasen/Verfahrensabschnitte (falls unklar, bitte geschätzte oder umschreibende Angabe machen)? 18 Staaten in Europa betreiben Kernkraftwerke, KKW, drei davon haben politisch verbindlich beschlos- sen, dies zu beenden: Deutschland, Belgien und die Schweiz. In sechs europäischen Staaten gibt es Pläne, in die Kernkraftnutzung einzusteigen: die drei baltischen Staaten gemeinsam mit dem geplanten KKW Visaginas in Litauen sowie Polen, Belarus und die Türkei. 19 Staaten in Europa verzichten aus verschiedenen Gründen auf nukleare Energiegewinnung. Großbritannien möchte seinen alternden KKW-Be- stand modernisieren und plant Neubauten. Die französi- sche Électricité de France, EdF, die in Großbritannien acht KKW betreibt, will zwei Blöcke in Hinkley Point/ Somerset und zwei in Sizewell/Suffolk errichten. Für Hinkley Point hat sie am 26. November 2012 die soge- nannte nukleare Standortbewilligung erhalten. Die Bau- genehmigung steht jedoch noch aus. Geplant ist dort laut EdF ein moderner europäischer Druckwasserreaktor des Typs EPR, European Pressurized Water Reactor, von Areva. Die französische Regierung hat angekündigt, den An- teil der Stromerzeugung aus KKW langfristig von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren. Die dafür erforderliche Ener- giestrategie soll unter anderem den Ausbau erneuerbarer Energieträger umfassen und wird derzeit national erör- tert. Präsident François Hollande hat zugesichert, dass das KKW Fessenheim im Laufe seiner Amtszeit abge- schaltet und der moderne europäische Druckwasserreak- tor EPR in Flamanville weitergebaut werden wird. Die belgische Regierung hat im Juli 2012 den schritt- weisen Ausstieg des Landes aus der Kernenergie zwi- schen 2015 und 2025 sowie das Neubauverbot für KKW bekräftigt. Sie hat zudem die Laufzeit bestehender Blö- cke auf 40 Jahre begrenzt. Noch ungeklärt ist jedoch die energiepolitische Strategie, vor allem, welche Quellen der Stromerzeugung den Nuklearstrom (gegenwärtig 54 Prozent) ersetzen sollen. Das tschechische Umweltministerium hat am 18. Ja- nuar 2013 dem Neubau von zwei Reaktoren in Temelin zugestimmt, nachdem die Umweltverträglichkeitsprü- fung, UVP, abgeschlossen wurde. Eine Entscheidung über den Lieferanten soll bis Jahresende fallen, beab- sichtigt sind Druckwasserreaktoren der sogenannten III. Generation mit einer Leistung von je 1 700 Mega- watt. Das tschechische Energiekonzept – vom Kabinett am 8. November 2012 indossiert – sieht in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten einen Anstieg des Nuklear- stromanteils von 30 auf 50 bis 60 Prozent vor. In Polen hat die Standortsuche für ein erstes KKW begonnen. Nach Angaben der Regierung in Warschau soll 2013 oder 2014 das Verfahren zur UVP für das Bau- vorhaben an einem vom Betreiber zu benennenden und der Atomaufsicht zu genehmigenden Standort beginnen. Das erste KKW soll nach polnischer Planung im Jahr 2025, ein zweites im Jahr 2030 ans Netz gehen. Aller- dings sind in Polen auch kritische Fragen zur Wirtschaft- lichkeit dieses Schrittes zu vernehmen. In Belarus will im Sommer 2013 die russische Firma Atomstroyexport mit dem Bau eines KKW mit zwei Blöcken, Druckwasserreaktoren der III. Generation mit insgesamt 2 400 Megawatt, in Ostrowez nahe der litaui- schen Grenze beginnen. Das KKW soll circa 30 Prozent des nationalen Strombedarfs decken und frühestens 2018 in Betrieb gehen. Im Kaliningrader Gebiet baut Russland das KKW Bal- tiskaya. Mit dem Bau des nuklearen Teils von Block 1 wurde im Februar 2012 begonnen, Ende 2012 wurde die Kernauffangeinrichtung – „Core Catcher“ – montiert. Für den Block 2 wurde mit dem Baugrubenaushub im Juni 2012 begonnen. Die beiden Blöcke sollen 2017 bzw. 2018 in Betrieb gehen. Die Türkei will bis 2023 ihren Strombedarf vorwie- gend aus heimischen Energiequellen erzeugen (Wasser- kraft, Braunkohle, Wind, Sonne, Geothermie) und die Energieeffizienz erheblich steigern. Gleichzeitig plant die Regierung den Bau von KKW an drei Standorten – Akkuyu am Mittelmeer, Sinop und Tekirdag am Schwarzen Meer – mit insgesamt 15 Gigawatt Leistung, die ab 2023 etwa 13 Prozent zur nationalen Strompro- duktion beitragen sollen. Zum KKW in Akkuyu läuft derzeit die Umweltverträglichkeitsprüfung, es soll 2018 bis 2021 ans Netz gehen. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 17): Wie schätzt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ein, und welche Rolle spielt nach Kenntnis der Bundesregierung Saudi-Arabien bei der materiellen Un- terstützung von gewaltbereiten (oder extremistischen) islami- schen Gruppierungen? Staat und Gesellschaft im Königreich Saudi-Arabien sind von einer konservativen Tradition des Islam ge- prägt. König Abdullah hat sich einer schrittweisen Mo- dernisierung des Landes verschrieben, was die Bundes- regierung unterstützt. Es bestehen aber – wie im aktuellen Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ausgeführt – in Saudi-Arabien weiterhin Defizite im Be- reich des Menschenrechtsschutzes. Die Bundesregierung bringt dies bei ihren bilateralen Kontakten regelmäßig zur Sprache. Dies hat auch der Bundesminister des Aus- wärtigen, Dr. Guido Westerwelle, bei seinen Gesprächen im März 2012 in Riad getan. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Die saudi-arabische Regierung hat öffentlich immer wieder unterstrichen, dass sie keine extremistischen Gruppen im Ausland unterstütze. Es gebe allenfalls fi- nanzielle Hilfen von privaten Akteuren, die sich von der Regierung nicht in vollem Umfang kontrollieren ließen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27473 (A) (C) (D)(B) Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 18): Entspricht es der Haltung der Bundesregierung, dass „die Frage einer Flugverbotszone“ (in Syrien) „sich zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht stellt, oder steht die Bundesregierung zu ihrer gegenüber dem Deutschen Bundestag ausdrücklich gemachten Zusicherung, dass der Patriot-Einsatz „nicht der Einrichtung oder Überwachung einer Flugverbotszone über syrischem Territorium“ dient? Die Verlegung deutscher Luftabwehrsysteme des Typs Patriot zur Verstärkung der integrierten NATO- Luftverteidigung in der Türkei ist eine rein defensive Maßnahme. Sie dient ausschließlich dem Schutz der türkischen Bevölkerung. Die Patriot-Batterien sind in der Türkei so stationiert, dass sie nicht in den syrischen Luftraum hineinwirken können. Bereits in der offiziellen Anfrage der Türkei an den NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vom 21. November 2012 wird klargestellt, dass die angefrag- ten Luftverteidigungssysteme ausdrücklich nicht zur Einrichtung oder Unterstützung einer Flugverbotszone eingesetzt werden. Insofern stellt sich die Frage der Ein- richtung einer Flugverbotszone in syrischem Luftraum aus Sicht der Bundesregierung in der Tat nicht. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck- sache 17/12342, Frage 20): Hat der deutsche Botschafter in Namibia, Onno Hückmann, seine in der namibischen Politik und Öffentlichkeit viel kriti- sierten öffentlichen Worte gegenüber dem Premierminister Hage Geingob, dass „die ständige Erwähnung von Reparatio- nen die florierenden bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern trüben“ könnte (siehe Windhoek Observer, 8. Februar 2013, sowie The Namibian und Allgemeine Zeitung, 12. Fe- bruar 2013), in Absprache mit der Bundesregierung ausge- sprochen, und wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, dass derartige Äußerungen gegenüber dem Premierminister Namibias sehr unsensibel und den Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia höchst abträglich sind und als ein koloniales Verhalten der Einmischung in Angelegenheiten ei- nes souveränen Staates empfunden werden, in dem erfreuli- cherweise Meinungsfreiheit herrscht? Der am 4. Dezember 2012 neu ernannte namibische Premierminister, Hage Geingob, empfing den deutschen Botschafter Onno Hückmann am 5. Februar 2013 zu ei- nem Antrittsbesuch. Dabei wurde das gesamte Spektrum der bilateralen Beziehungen erörtert. Die Frage von Re- parationen wurde dabei nur am Rande berührt. Das in der Fragestellung angeführte Zitat aus dem Windhoek Observer vom 8. Februar 2013 gibt die Worte des Botschafters in diesem Zusammenhang nicht zutref- fend wieder. Botschafter Hückmann brachte vielmehr in Übereinstimmung mit der Position der Bundesregierung zum Ausdruck, dass sich Deutschland unverändert zu seiner historischen Verantwortung bekennt, an einer um- fassenden Partnerschaft mit Namibia interessiert bleibt, die deutsch-namibischen Beziehungen aber nicht auf eine Diskussion über Reparationen reduziert werden sollten und eine noch stärkere Orientierung auf Zu- kunftsfragen geboten sei. Das Gespräch zwischen dem namibischen Premier- minister und dem deutschen Botschafter war auf Wunsch der namibischen Seite presseöffentlich. Die Bundes- regierung hält die in einigen „Kommentaren“ in der na- mibischen Presse zum Ausdruck gekommene Kritik an den Äußerungen von Botschafter Hückmann in der Sa- che für unberechtigt. Die Bundesregierung weist auch die in der Frage ent- haltene Unterstellung zurück, Botschafter Hückmann habe sich gegenüber dem namibischen Premierminister unsensibel verhalten und sich in einer Weise geäußert, die den Beziehungen zwischen Deutschland und Nami- bia abträglich wäre. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/12342, Frage 22): Stimmt die Bundesregierung zu, dass sie das am 21. Juni 2012 mit den Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vereinbarte Ziel, den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 dafür einzusetzen, dass der EU- Haushalt auf wachstums- und beschäftigungsfördernde Inves- titionen ausgerichtet wird und es nicht zu Kürzungen zulasten von Investitionen in den Struktur- und Kohäsionsfonds kommt, beim Kompromiss des Europäischen Rates vom 8. Februar 2013 verfehlt hat? Das Ziel einer deutlichen Neugewichtung zugunsten von wachstums- und beschäftigungsfördernden Investi- tionen hat die Bundesregierung klar erreicht: Die Rubrik 1 a „Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung“ wird im Vergleich zu 2007 bis 2013 um 34 Milliarden Euro, das heißt um 37 Prozent aufge- stockt, inklusive der geplanten Inflationsanpassung so- gar um 52 Milliarden Euro, das heißt 58 Prozent. Damit erhöht sich der Anteil der Rubrik 1 a am Mehrjährigen Finanzrahmen von 9 auf 13 Prozent. Der Umfang der Connecting-Europe-Fazilität ist etwa doppelt so groß wie bei den entsprechenden Vorgänger- programmen. In der Strukturpolitik wurden durch das von Deutsch- land durchgesetzte Better-Spending-Konzept eine ver- besserte Ausgabenqualität und eine stärkere Konzentra- tion auf Wachstum und Beschäftigung erreicht. Innerhalb der Strukturpolitik werden 6 Milliarden Euro zur Be- kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zweckgebunden. Durch eine Überprüfungsklausel können Mitglied- staaten in besonders schwieriger Lage in der zweiten Hälfte des Finanzrahmens zusammengenommen bis zu 4 Milliarden Euro zusätzliche Strukturfördermittel erhal- ten. 27474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/12342, Frage 23): Wird Griechenland auf der Grundlage des Kompromisses des Europäischen Rates vom 8. Februar 2013 voraussichtlich mehr als in den Jahren 2014 bis 2020 in den EU-Haushalt ein- zahlen müssen (eventuell durch neue Rabatte für andere Mit- gliedstaaten)? Der Beitrag eines Mitgliedstaates zum EU-Haushalt ist stark abhängig von der tatsächlichen Höhe der Ausga- ben. Diese kann auch unterhalb der vereinbarten Ober- grenze liegen. Zudem ist der konkrete Beitrag auch von der Entwicklung des Bruttonationaleinkommens des be- treffenden Mitgliedstaates abhängig. Soweit die Bundesregierung dies heute absehen kann, wird es ab 2014 keinen Anstieg der Beiträge der Helleni- schen Republik zum EU-Haushalt geben. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 28): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Kontak- ten zwischen der rechtsnationalistischen ukrainischen Partei Swoboda und rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland und anderen Ländern der Europäischen Union, und inwiefern hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Swoboda-Fraktion im neugewählten ukrainischen Parlament bereits rechtsextremistische Tendenzen erkennen lassen? Der Bundesregierung sind keine Kontakte der Swoboda-Fraktion im neugewählten ukrainischen Par- lament mit rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland bekannt geworden. Laut Eigenangaben im Internet unterhält die Swoboda „Auslandsrepräsentanzen“ unter anderem in den USA, Kanada, Tschechien, Österreich, Italien, Frankreich und Großbritannien. Zudem habe die entsprechende Reprä- sentanz in Österreich Anfang 2009 Gespräche mit Ver- tretern der dortigen Freiheitlichen Partei Österreichs, FPÖ, geführt. Die Fraktion der Partei Swoboda hat nach Kenntnis der Bundesregierung im neugewählten ukrainischen Par- lament bisher keine rechtsextremistischen Tendenzen er- kennen lassen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 29): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Ergebnis der EU-Studie zum Europäischen Kriminal- aktennachweissystem, EPRIS, die die Umsetzung eines Fund- stellennachweises bestimmter polizeilicher Daten zum beschleunigten Datenaustausch unter Polizeien der EU-Mit- gliedstaaten unter anderem zu politischem Aktivismus anläss- lich von Gipfelprotesten, dessen Notwendigkeit auf EU- Ebene die Bundesregierung besonders stark betont hatte (ver- gleiche die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu Frage 9 auf Bundestags- drucksache 17/5136), untersuchte, und für welche anderen Lösungen zur Bereitstellung der angemahnten Funktionalität, etwa unter Nutzung bestehender Systeme (Art. 99 des Schen- gener Durchführungsübereinkommens im Schengener Infor- mationssystem, Europol Informationssystem, Prümer Be- schlüsse), will sich die Bundesregierung einsetzen, bzw. welche hält sie überhaupt für geeignet? Die EU-Machbarkeitsstudie zu einem European Police Records Index System, EPRIS, kommt zu der Schluss- folgerung, dass für die Umsetzung von EPRIS kein neues System oder Instrument geschaffen werden sollte. Diese Schlussfolgerung kann von der Bundesregierung grundsätzlich nachvollzogen werden. Auch wird von der Bundesregierung die in der Studie dargelegte Einschätzung geteilt, dass gegenwärtig keines der verschiedenen für den polizeilichen Informations- austausch nutzbaren Systeme und Verfahren in der EU den Bedarf nach einer EPRIS-Funktionalität vollständig deckt. Daher wird begrüßt, dass zu diesem Zweck wei- tere Untersuchungen durchgeführt werden sollen, wie diese Lücke im Rahmen der bestehenden Rechtsinstru- mente und Systeme geschlossen werden könnte, um die EPRIS-Funktionalität abzubilden. Hierzu hielte die Bun- desregierung ein entsprechendes Rechtsgutachten der Europäischen Kommission für hilfreich. Bei den in Rede stehenden, bereits existierenden Instru- menten handelt es sich um das Schengener Informations- system, SIS, das Europol Informationssystem, EIS, und das Prümer Verfahren, Prümer Beschlüsse. Die Bundesre- gierung hat hinsichtlich der etwaigen Nutzung eines dieser Instrumente/Verfahren zur Abbildung der EPRIS-Funktio- nalität bisher keine Präferenz und wartet für eine weitere Bewertung die Ergebnisse der Studien/Gutachten ab. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 30): Wie bewertet der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, die Einschätzung des Bundes- ministeriums der Justiz, derzufolge der Entwurf eines Geset- zes gegen unseriöse Geschäftspraktiken mit den Änderungs- wünschen des Beauftragten für Kultur und Medien „die Abmahnanwälte so kaum noch schrecken“ werde, und teilt er die Einschätzung, dass – sollten diese Änderungsvorschläge aufgenommen werden – das Gesetz keinen wirksamen Beitrag gegen unseriöse Geschäftspraktiken und gegen den Abmahn- missbrauch leisten kann? Die Bundesregierung ist sich einig, dass Abmahn- missbrauch einzudämmen ist. Damit soll eine Verbesse- rung der Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden. Zugleich muss ein angemessener Inte- ressenausgleich mit den Interessen der Rechteinhaber gefunden werden. Die noch offenen Fragen zu dem Ent- wurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken sind inzwischen mit dem BKM geklärt, und der Entwurf Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27475 (A) (C) (D)(B) ist an Länder und Verbände versandt worden. Ich halte es daher derzeit nicht für zielführend, angebliche Äuße- rungen des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder des Bundesjustizministeriums zu kom- mentieren, die inzwischen ohnehin überholt sind. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Zypries (SPD) (Drucksache 17/12342, Frage 31): Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, die Position, die von der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem BIU, dem Bundesverband Mu- sikindustrie, der SPIO, dem VPRT und dem VUT vertreten wird (vergleiche hierzu http://m.heise.de/newsticker/meldung/ Abmahnunwesen-Kulturindustrie-gegen-gelb-schwarzen-Kom promiss-1802478.html?from-classic=1), dass der Vorschlag der Koalitionsfraktionen zu einer weiteren Bagatellisierung von Rechtsverletzungen im Internet führen würde, und vertritt der BKM auch die Auffassung, dass hierzu das von den Ver- bänden geforderte Warnhinweismodell, welches das Bundes- justizministerium kategorisch abgeblockt habe, eine sinnvolle und rechtlich vertretbare Alternative wäre? In der Diskussion um Urheberrechtsverletzungen im Internet begegnet man vielen Aussagen zu Bagatellisie- rungen. Im Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen un- seriöse Geschäftspraktiken kommt es darauf an, einen angemessenen Interessenausgleich zu finden. Die Ansichten zu sogenannten Warnhinweismodellen gehen innerhalb der Bundesregierung auseinander. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Gerold Reichenbach (SPD) (Druck- sache 17/12342, Fragen 32 und 33): Ist der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, der Auffassung, dass er hinreichend an der Ressortabstimmung des Gesetzentwurfs gegen unseriöse Ge- schäftspraktiken beteiligt wurde und dass seine Bedenken und Änderungswünsche im Rahmen der Ressortabstimmung hinrei- chend berücksichtigt worden sind? Warum hat der BKM erst einen Tag vor der Kabinettsbefas- sung auf die Absetzung von der Tagesordnung gedrängt, und wie will der BKM sicherstellen, dass der vorgesehene Abmahn- deckel nur in den Fällen greift, in denen der Abgemahnte zum ersten Mal auf Unterlassung verpflichtet werden soll? Zu Frage 32: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, BKM, hat sich wie alle anderen betroffenen Ressorts in diese Ressortabstimmung eingebracht. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM ge- klärt, und der Entwurf ist an Länder und Verbände ver- sandt worden. Zu Frage 33: Ein Gesetzentwurf kann den allgemeinen Üblichkei- ten entsprechend erst im Kabinett behandelt werden, wenn die Ressortabstimmung abgeschlossen ist. Jegliche Planung ist bis dahin vorläufig. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen der Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) (Drucksache 17/12342, Fragen 34 und 35): Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die – laut Medienberichten – vonseiten der Koali- tionsfraktionen der CDU/CSU und FDP geäußerte Sorge, dass mit der zeitlichen Verzögerung beim Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken das erklärte Ziel der Bundesregierung, die missbräuchlichen Abmahnungen wirksam zu begrenzen, nicht mehr erreicht werden kann und dass er damit den Verbrauche- rinnen und Verbrauchern, die zu Unrecht abgemahnt und mit überhöhten Gebühren überzogen werden, einen Bärendienst erwiesen hat? Teilt der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die Einschätzung, dass er ohne Not einen Kompro- miss zwischen den Koalitionsfraktionen „ausgehebelt“ hat, der zwar insgesamt als nicht weitgehend genug anzusehen ist, um dem Abmahnmissbrauch wirksam zu begegnen, der aber als ein wichtiger erster Schritt zum Schutz der Verbraucherin- nen und Verbraucher angesehen werden kann, und wie erklärt er diesen, dass die Bundesregierung – wie in allen anderen Fragen bei der Modernisierung des Urheberrechtes – weiter- hin untätig bleibt? Zu Frage 34: Die Bundesregierung ist sich einig, dass Abmahnmiss- brauch einzudämmen ist. Damit soll eine Verbesserung der Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden. Zugleich muss ein angemessener Interessenaus- gleich mit den Rechteinhabern gefunden werden. Die noch offenen Fragen zu dem Entwurf eines Gesetzes ge- gen unseriöse Geschäftspraktiken sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Ich halte es daher derzeit nicht für zielführend, angebliche Äußerungen des Beauf- tragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder des Bundesjustizministeriums zu kommentieren, die in- zwischen ohnehin überholt sind. Im Übrigen steht noch ausreichend Zeit zur Verfü- gung, um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Zu Frage 35: Ein Gesetzentwurf kann den allgemeinen Üblichkei- ten entsprechend erst im Kabinett behandelt werden, wenn die Ressortabstimmung abgeschlossen ist. Jegliche Planung ist bis dahin vorläufig. Die noch offenen Fragen sind inzwischen mit dem BKM geklärt und der Entwurf ist an Länder und Verbände versandt worden. Im Übrigen ist die Bundesregierung bei der Moderni- sierung des Urheberrechts nicht untätig. So hat sie den Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorgelegt. Auch wird das Bundesministerium der Justiz in Kürze einen Referentenentwurf zu verwaisten Werken versenden. 27476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 36): Warum wurden die mietrechtlichen Forderungen, die Modernisierungsumlage nach § 559 des Bürgerlichen Gesetz- buchs, BGB, zeitlich zu begrenzen sowie den Zeitraum zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB auf zehn Jahre zu verlängern, nicht bei der abgeschlossenen Mietrechtsnovelle berücksichtigt bzw. einge- bracht? Ihre Frage betrifft zwei unterschiedliche Sachver- halte, nämlich zum einen die Mieterhöhung nach Moder- nisierung in Bestandsmietverträgen nach § 559 BGB und zum anderen die Frage, wie die ortsübliche Vergleichs- miete in Bestandsmietverträgen nach § 558 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist. Richtig ist, dass diese beiden Sachverhalte nicht Gegenstand des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs waren. Denn bei diesem Gesetz ging es nicht um die Neuordnung des Miethöherechts, sondern im Schwerpunkt um die energetische Modernisierung von Wohnraum und um die Bekämpfung des „Miet- nomadentums“. Initiativen, in diesem Gesetzgebungsvorhaben auch grundlegende Änderungen des Miethöherechts vorzu- sehen, haben zu Recht keine Mehrheit gefunden: Eine Befristung der Mieterhöhung nach Modernisierung könnte die Anreize mindern, den vermieteten Woh- nungsbestand zu modernisieren. Dies wäre gerade in Zeiten der Energiewende kontraproduktiv. Deshalb bleibt die Regelung des § 559 BGB strukturell unverän- dert bestehen. Auch bleibt es dabei, die ortsübliche Vergleichsmiete auf Grundlage der vereinbarten oder ge- änderten Mieten der letzten vier Jahre zu bestimmen und nicht der letzten zehn Jahre. Das Recht des Vermieters, die ortsübliche Vergleichsmiete zu fordern, dient dem Interessenausgleich, weil er wegen des sozialen Kündi- gungsschutzes gehindert ist, im Wege der Änderungs- kündigung eine aktuell vielleicht deutlich höhere Markt- miete zu erzielen. Vor diesem Hintergrund muss das Mietrecht aber – auch aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Eigentumsschutzes des Vermieters – einen Mechanismus bereithalten, um eine angemessene Anpassung der Miete in einem bestehenden Mietverhältnis zu ermöglichen. Deshalb sollte sich die ortsübliche Vergleichsmiete durch Einbeziehung auch älterer Bestandsverträge nicht noch weiter von der aktuellen Marktmiete entfernen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 37): Gehört zu den Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus der Verurteilung der ehemaligen Führungsmitglieder der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad Gerhard Mücke, Gunter Schaffrik, Gerd Seewald, Dennys Alvear, Kurt Schnel- lenkamp durch den Obersten Gerichtshof von Chile am 25. Januar 2013 zu langjährigen Haftstrafen wegen systemati- schen sexuellen Missbrauchs in der Colonia Dignidad, ins- besondere aus der Verurteilung des ehemaligen Arztes der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, gegen den in Abwesenheit eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt wurde, der aber bereits 2011 vor der chilenischen Justiz nach Deutschland ge- flohen war, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Krefeld gegen Hartmut Hopp zu unterstützen, etwa durch di- plomatische Bemühungen rasch die Akten aus Chile zu er- halten, und gehört zu diesen Schlussfolgerungen auch, den Opfern der Straftaten eine angemessene Entschädigung zu leisten? Die Bundesregierung kann zum Stand eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Krefeld keine Stellung nehmen. Hierfür bitte ich um Verständnis. Die Bundesregierung wird jedoch im Bereich der justi- ziellen Rechtshilfe in Strafsachen im Rahmen ihrer Zu- ständigkeit – zum Beispiel bei der Übermittlung eines Rechtshilfeersuchens und einer entsprechenden Anfrage der zuständigen Staatsanwaltschaft – Unterstützung leis- ten. Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz, OEG, kommen leider nicht in Betracht, da dieses Gesetz Entschädigungen für Gewalttaten im Ausland nur dann vorsieht, wenn diese Gewalttaten nach dem 1. Juli 2009 stattgefunden haben. Zudem könnten solche Ansprüche auch nur Deutsche und in Deutschland lebende Auslän- der geltend machen, nicht aber Ausländer, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Ausland haben. Auch andere Entschädigungsmöglichkeiten stehen der Bundesregierung leider nicht zur Verfügung. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Druck- sache 17/12342, Frage 38): Plant die Bundesregierung die Einführung der im Koali- tionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigten steuerlichen Forschungsförderung noch in dieser Legislatur? Im Bundeshaushalt 2013 und im geltenden Finanz- plan ist eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht berücksichtigt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 39): Wie ist die erfolgte unecht rückwirkende Anhebung des Grundfreibetrags im Rahmen von bereits festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen zu berücksichtigen, und besteht hinsichtlich der Reduzierung von bisher festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen infolge der Tarifänderung ein Ermessensspielraum seitens der Finanzbehörden? Die Einkommensteuervorauszahlungen bemessen sich nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nach Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27477 (A) (C) (D)(B) der Einkommensteuer der letzten Veranlagung. Eine Anpassung an die tatsächlich zu erwartende Einkom- mensteuerschuld ist dennoch auf Antrag möglich. Sie kann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der letzten Festsetzung glaubhaft macht. Die Anpassung der Vorauszahlungen nach der sich für den Veranlagungs- zeitraum voraussichtlich ergebenen Einkommensteuer kann der Steuerpflichtige dann formlos beim Finanzamt beantragen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 40): Mit welchen zusätzlichen jährlichen Bürokratiekosten für die Verwaltung bzw. Wirtschaft rechnet die Bundesregierung bei Anwendung von R 6.3 Abs. 1 der Einkommensteuer-Än- derungsrichtlinien, EStÄR 2012, wonach angemessene Kos- ten der allgemeinen Verwaltung, angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung zwin- gend in die steuerlichen Herstellungskosten einzufließen ha- ben, und welche Haltung vertritt die Bundesregierung gegen- über dem Änderungsvorschlag des Bundesrates gemäß dem Beschluss 681/12 hinsichtlich R 5.7 Abs. 1 EStÄR 2012 in Bezug auf die steuerliche Bewertung nach Rückstellungen? Der Nationale Normenkontrollrat hat in seiner Stel- lungnahme zu den Einkommensteuer-Änderungsrichtli- nien 2012 eine Abschätzung des Erfüllungsaufwandes der Regelung 6.3 angeregt. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung unterstützt die Streichung des Satzes 3 in R 5.7 Abs. 1 EStÄR 2012 und die Über- nahme des Regelungsgehaltes in R 6.11 Abs. 3 EStÄR 2012. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 41): Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der Ab- sichtserklärung einiger Bundesländer, gegen das aktuelle Sys- tem des Länderfinanzausgleichs zu klagen, und sieht die Bun- desregierung negative Leistungsanreize in dem aktuellen System des Länderfinanzausgleichs? Es ist das gute Recht jedes Landes, gegen die bundes- gesetzlichen Regelungen zum Länderfinanzausgleich zu klagen. Dem Vernehmen nach soll die Klage von Bayern und Hessen Ende Februar 2013 eingereicht werden. Die Bundesregierung wird ihre Haltung zu den von Bayern und Hessen vorgebrachten Kritikpunkten auf der Grund- lage der Ausführungen in der Klageschrift festlegen. Die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzaus- gleichs ab dem Jahr 2020 wird ein politischer Schwer- punkt der nächsten Legislaturperiode sein. Dabei muss die Bundesregierung grundsätzlich die Interessen aller Bundesländer und damit ganz Deutschlands im Blick ha- ben. Jedem konkreten Finanzausgleichssystem liegt die Abwägung zwischen den finanziellen Ausgleichserfor- dernissen und den mit dem Ausgleich verbundenen ne- gativen Anreizwirkungen zugrunde. Dies gilt auch für die bestehenden Regelungen, die im Jahr 2001 einver- nehmlich von Bund und allen Ländern festgelegt worden waren. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 42): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Dritt- länder, die die Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich gemäß dem OECD-Standard nicht einhalten, und welche konkreten Mindestanforderungen sind dies? Die Grundsätze der OECD zu Transparenz und effek- tivem Informationsaustausch für Besteuerungszwecke, die mittlerweile international – auch durch Übernahme in dem UN-Muster für Doppelbesteuerungsabkommen – als OECD-Standard anerkannt sind, besagen im Kern: Der Zugang der Steuerbehörden zu besteuerungsrele- vanten Informationen muss gewährleistet sein. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass diese Informationen auf Ersuchen an ausländische Steuerbehörden für Zwe- cke der Sachverhaltsaufklärung weitergegeben werden können, zum Beispiel aufgrund zwei- oder mehrseitiger Vereinbarungen. Zu den Informationen, die zugänglich sein müssen, gehören neben Bankinformationen auch In- formationen über die Eigentumsverhältnisse an Gesell- schaften. Bis heute hat es kein wichtiges Finanzzentrum nach Aufforderung abgelehnt, mit Deutschland den OECD- Standard zu vereinbaren. Damit hat das Steuerhinterzie- hungsbekämpfungsgesetz – ebenso wie Maßnahmen vergleichbarer Art anderer Staaten – sein Ziel erreicht, und kein Staat oder Gebiet ist als „unkooperativ“ im Sinne des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes anzusehen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/ CSU) (Drucksache 17/12342, Frage 43): Inwiefern sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Selbstbehalt anzupassen, wenn ein Empfänger von Leistun- gen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch eine drei- jährige schulische Ausbildung absolviert, bei der das dritte Ausbildungsjahr selbst finanziert werden muss, da der Bil- dungsgutschein nur für zwei Jahre ausgelegt ist? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Frage- stellung auf mögliche Veränderungen beim Freibetrag 27478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) nach § 11 b Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, abzielt, die erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, in die Lage versetzen sollen, Weiterbildungskosten selbst zu finanzieren. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 81 und 82 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, SGB III, bedürfen der Zulassung durch eine fachkundige Stelle, §§ 176 f. SGB III. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Jobcenter Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit §§ 81 ff. SGB III erbringen. Zu den Anforderungen für die Zulas- sung gehört unter anderem, dass die Finanzierung der Maßnahme in Gänze gesichert sein muss – gegebenen- falls für das letzte Maßnahmedrittel auf der Grundlage bundes- oder landesrechtlicher Regelungen, siehe § 180 Abs. 4 Satz 2 SGB III. Finanzierungsdefizite, wie in der Frage unterstellt, sind deshalb nach dieser Gesetzeslage regelmäßig ausgeschlossen. Im Ergebnis erwägt die Bundesregierung deshalb auch nicht die Möglichkeit, die Freibeträge für Maßnahmeteilnehmer zu modifizie- ren. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 44): Wie soll die im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie ge- plante Forschung zur Verringerung der Wettbewerbsnachteile heimischer Eiweißpflanzen finanziert werden, ohne dabei Vorhaben im Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen der nachhaltigen Landwirtschaft, zum Bei- spiel Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich Tierwohl, Stärkung der Innovationskraft der Akteure im Öko- landbau, Qualifizierungsmaßnahmen für Ernährungshand- werk und -wirtschaft, zu beschneiden, und welcher zeitliche Rahmen ist für die Ausgaben der Eiweißpflanzenstrategie vorgesehen? Die Eiweißpflanzenstrategie, EPS, ist auf eine mittel- und langfristige Verbesserung der Eiweißversorgung aus heimischen Eiweißpflanzen ausgerichtet. Sie kommt glei- chermaßen dem ökologischen Landbau sowie der konven- tionellen Landwirtschaft zugute. Die im Rahmen der Strate- gie geplanten Projekte werden über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft, BÖLN (Kap. 1005 686 02), finanziert. Für diesen Titel stehen derzeit 17 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Um eine Finanzierung der Projekte der EPS zu ermöglichen, soll der BÖLN-Titel um 2 Mil- lionen Euro mit Mitteln aus dem Programm zur Innova- tionsförderung des BMELV verstärkt werden. Es werden auch weiterhin diverse Maßnahmen und Projekte zum ökologischen Landbau und zu anderen nachhaltigen Formen der Landwirtschaft gefördert wie zum Beispiel zur Regionalvermarktung, zur Klimawir- kung und zum integrierten Pflanzenschutz. Der bisherige Planungshorizont für die EPS reicht bis in das Jahr 2017. Dabei sind Praxisnetzwerke in den Be- reichen Soja und Lupine – 2013 bis 2016 – sowie Acker- bohne und Erbse – 2014 bis 2017 – mit entsprechenden Forschungsaktivitäten geplant. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 45 und 46): Plant die Bundesregierung als Konsequenz aus dem ak- tuellen Pferdefleischskandal weitergehende Deklarations- pflichten für Zutaten in Fertigprodukten und, wenn nein, wa- rum nicht? In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesre- gierung im aktuellen Lebensmittelskandal Produkte vernich- tet, und wie groß ist der entstandene wirtschaftliche Schaden? Zu Frage 45: Die Herkunft von Zutaten muss derzeit auf verarbeite- ten Lebensmitteln nicht angegeben werden. Um die In- formation der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen, setzt sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission in Brüssel für eine Erweiterung der Herkunftskennzeich- nung von Zutaten im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (sogenannte Lebensmittel-Informations- verordnung) ein. Dies ist Teil des am 18. Februar 2013 zwischen den Verbraucherschutzministerinnen und -mi- nistern der Länder und des Bundes vereinbarten Aktions- planes „Aufklärung – Transparenz – Information – Re- gionalität“. Die EU-Verordnung enthält einen weitreichendenden Prüfauftrag an die Europäische Kommission zur Her- kunftskennzeichnung und deren Zutaten. So muss die Europäische Kommission unter anderem bis 13. Dezem- ber 2013 einen Bericht vorlegen, ob eine Herkunftskenn- zeichnung auch für Lebensmittel mit der Zutat Fleisch sinnvoll und machbar ist. Die Bundesregierung begrüßt die Ankündigung der Europäischen Kommission, diesen Bericht aufgrund der aktuellen Ereignisse früher als ge- plant vorzulegen. Eine Erweiterung der Herkunftskennzeichnung ist ein wichtiger Beitrag zur Rückgewinnung des verloren gegangenen Verbrauchervertrauens in die Lebensmittel- produktion. Zu Frage 46: Wie der fortlaufende Informationsfluss aus dem EU- Schnellwarnsystem zeigt, ist die tatsächliche Dimension des Geschehens noch nicht bekannt. Daher gibt es auch noch keine belastbaren Zahlen zum Umfang der vernich- teten Lebensmittel. Auch der entstandene wirtschaftliche Schaden lässt sich somit momentan noch nicht beziffern. In jedem Falle muss das Geschehen vollständig auf- geklärt und müssen die Ursachen beseitigt werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27479 (A) (C) (D)(B) Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fra- ge 47): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Medienberichten (The New York Times, 13. Januar 2013, und andere), wonach drei der vier bis 2012 von den USA ausgebil- deten malischen Kampfeinheiten im Norden Malis 2012 mit Waffen, Fahrzeugen nebst 1 600 weiteren Soldaten zu den Is- lamisten desertierten, sowie aus der langjährigen offenbar fehlgeleiteten US-Militärausbildung des malischen Putschis- tenführers Amadou Sanogo (taz, 5. April 2012) hinsichtlich der Erfolgsaussichten eigener Pläne, Bundeswehr und andere EU-Staaten sollten nun malische Soldaten erfolgreich ausbil- den, und welche Konsequenzen für die Auswahl der auszu- bildenden malischen Regierungssoldaten aus Meldungen (FAZ, 9., 12. Februar 2013, Süddeutsche Zeitung, 11. Februar 2013), wonach derzeit unter anderem in einem Militärlager der Regierungsarmee nahe der Hauptstadt Bamako Anhänger des gestürzten Präsidenten in der Armee andere Regierungs- soldaten beschießen, die gemeutert, die frühere Regierung ge- stürzt und die jetzige Regierung an die Macht geputscht hat- ten? Nachdem die Tuareg 2012 ihren Kampf für einen un- abhängigen Staat begannen, kam es in der malischen Ar- mee zur Desertion vieler tuaregstämmiger Soldaten. Konkrete Angaben über Anzahl, Ausbildung oder Be- waffnung liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Ausbildung der malischen Streitkräfte im Rah- men der europäischen Trainingsmission soll diese befä- higen, erfolgreich die staatliche Integrität Malis im Kampf gegen den Terrorismus zu gewährleisten. Sie ist im Rahmen des nationalen Dialogs und der Aussöhnung zwischen dem Süden und dem Norden Malis in die Um- setzung des politischen Fahrplans eingebettet. Konkrete Ausbildungspläne werden derzeit zwischen der Europäi- schen Trainingsmission in Mali und den malischen Streitkräften abgestimmt. Die Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Einheiten der malischen Streitkräfte wurde durch Staats- präsident Traoré als Oberbefehlshaber der malischen Streitkräfte vorerst beendet. Dies ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass die politischen Institutionen die Kontrolle über die Streitkräfte gewinnen. Seit Beginn der Operation SERVAL im Januar 2013 haben die Ex- Putschisten innerhalb der malischen Armee an Einfluss verloren. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 48): Ab wann werden die afghanischen Streitkräfte nach Ein- schätzung der Bundesregierung über eine funktionsfähige Luftwaffe verfügen, und wie lange werden die afghanischen Streitkräfte in diesem Bereich noch auf die Unterstützung dritter Staaten angewiesen sein? Der Aufbau der afghanischen Luftstreitkräfte ist kon- zeptionell so ausgeplant, dass im Jahr 2016 die volle Einsatzbereitschaft angestrebt wird. Bis dahin werden im Schwerpunkt der Ausbau taktischer Lufttransport- kapazitäten und der Aufbau eines nachhaltigen Aus- bildungsprogramms vorangetrieben. Weiterhin gilt es, durchhaltefähige Logistikstrukturen aufzubauen und die erforderliche Infrastruktur zu schaffen. Aufgrund des langsamen Voranschreitens, insbeson- dere im Bereich der Ausbildung, Ersatzteilversorgung und Modernisierung des Luftfahrzeugbestands, erscheint das Ziel von eigenständig operierenden afghanischen Luftstreitkräften in 2016 sehr ambitioniert. Nach derzei- tiger Einschätzung wird eine Unterstützung durch dritte Staaten bis über das Jahr 2016 hinaus erforderlich sein. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 49): Ist der Bundesregierung der Zwischenbericht „Prozesseva- luation und vorläufige Resultate“ der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften bekannt, in dem ein Modellpro- jekt der Krankenkasse BIG untersucht wurde, bei dem es Phy- siotherapeuten erlaubt wurde, von der Verordnung des behan- delnden Arztes abzuweichen, was nach der Untersuchung zu einer Verbesserung der Versorgung geführt hat, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Die Bundesregierung hat Kenntnis von dem Zwischen- bericht. Es handelt sich um eine erste Teilauswertung des Projekts auf der Grundlage von 59 Endbefunden. Der Zwischenbericht lässt allenfalls gewisse Tendenzen er- kennen, erlaubt aber keine darüber hinausgehenden Schlussfolgerungen. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Frage 50): Welche wissenschaftliche Evidenz belegt, dass es für Pa- tientinnen und Patienten sinnvoll ist, dass die Verschreibung von Heilmitteln sowohl bezüglich der Menge als auch bezüg- lich der durchzuführenden Maßnahmen durch den Arzt statt durch den Heilmittelerbringer erfolgt, und warum wird daran festgehalten, falls dafür keine Evidenz vorliegen sollte? Es gehört zu den Kernaufgaben von Ärztinnen und Ärzten, die für die Behandlung der Patientinnen und Pa- tienten notwendigen Maßnahmen festzulegen. Hierzu zählt auch die Entscheidung über die medizinisch notwen- digen Heilmittelbehandlungen. Modellvorhaben in der vertragsärztlichen Versorgung (vergleiche § 63 Abs. 3 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V) können vorse- hen, dass Physiotherapeutinnen und -therapeuten im Rah- men der ärztlich veranlassten Heilmittelbehandlung ein höheres Maß an Verantwortung übernehmen und Aus- wahl und Dauer der physikalischen Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten selbst bestimmen. 27480 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) Welche Auswirkungen dies für die Behandlung der Pa- tientinnen und Patienten hat, muss in den Modellvorha- ben gezeigt werden. Insoweit ist Evidenz zu fordern. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 51 und 52): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel aus der Kostenexplosion des Bahnhofspro- jekts Stuttgart 21 in Milliardenhöhe und den darin deutlich werdenden Planungsmängeln des Projekts, nachdem sie in ih- rer Rede am 15. September 2010 in der Debatte zum Bundes- haushalt 2011 in diesem Bauvorhaben noch einen Beweis für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gesehen hat, und sieht die Bundeskanzlerin dieses Projekt mit dem heutigen Kenntnis- stand noch immer als wirtschaftlich und notwendig an? Wird die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Wahrneh- mung ihrer Richtlinienkompetenz das Bahnhofsprojekt Stutt- gart 21 und die bekannt gewordene Kostenexplosion zur Chefinsache machen und die zuständigen Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und Dr. Wolfgang Schäuble anweisen, für maximale Transparenz zu sorgen und eine unabhängige Prü- fung des Zahlenwerks vornehmen zu lassen? Die Bundeskanzlerin hält das Projekt Stuttgart 21 un- verändert für sinnvoll. Die verkehrlichen und städtebau- lichen Argumente, die für dieses Verkehrsvorhaben spre- chen, haben sich nicht geändert. Die Bundeskanzlerin will, dass die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG gewissenhaft ihrer Kontrollaufgabe nachkommen. In diesem Rahmen haben die Aufsichts- räte eine Reihe von Fragen zu den möglichen Kostenrisi- ken an den Vorstand der Deutschen Bahn AG gerichtet. Der Prüfprozess des Aufsichtsrates ist noch nicht abge- schlossen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 53): Inwiefern nutzt der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, Dossiers bzw. Sprech- zettel der untersten Ebene seines Hauses für seine Arbeit, wie sie der Bundesminister in einem Interview mit dem ZDF am 5. Februar 2013 im Zusammenhang mit dem Projekt Stutt- gart 21 und einer Stellungnahme der Bundesministeriums- abteilung LA 17 erwähnt, und aus welchen Gründen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bisher keine Sonderkommission Stuttgart 21 analog zur Sonderkommission BER zum neuen Berliner Flughafen ein- gerichtet? Sogenannte Sprechzettel sind fachliche Unterlagen zur Vorbereitung von Gesprächsterminen, an denen Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung teilnehmen. Sie werden von den einzelnen Referaten themenspezifisch und unabhängig davon verfasst, auf welcher Arbeitsebene das Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im jeweiligen Gespräch vertreten wird. Sprechzettel stellen insofern eine jeweils aktuelle Zusammenstellung der ge- fragten fachlichen Inhalte dar und können auch Empfeh- lungen für eine bestimmte Gesprächsführung enthalten. Sie sind dagegen nicht Ausdruck einer abgestimmten Meinung der Hausleitung. In diesem Fall handelte sich um die Vorbereitung für einen Staatssekretär zur Teil- nahme an einem Workshop zu Stuttgart 21. Stuttgart 21 ist kein Bedarfsplanvorhaben des Bun- des, sondern ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deut- schen Bahn AG mit ihren regionalen Projektpartnern in Baden-Württemberg. Der Bund ist kein Projektpartner, sondern nimmt mit drei Vertretern im Rahmen des Ak- tienrechts im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG seine Verantwortung als hundertprozentiger Eigentümer wahr. Die Einrichtung einer Sonderkommission im Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist somit nicht erforderlich. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 54): Aus welchen Gründen sind bisher im Jahr 2013 keine Zu- wendungen für Projekte im Rahmen der Schaufenster Elektro- mobilität erteilt worden, und wann werden die Mittel ihre Wirkung entfalten können? Sobald das Bundesministerium der Finanzen die er- forderlichen Haushaltsmittel und Verpflichtungsermäch- tigungen per Bewirtschaftungsrundschreiben zum Ener- gie- und Klimafonds bereitstellt, werden diese in den Jahren 2013 bis 2016 abfließen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/12342, Fragen 55 und 56): Wie viele Fernbuslinien gibt es mit Stand 1. Februar 2013 in Deutschland, und welche dieser Fernbuslinien bieten auch Rollstuhlfahrern die Möglichkeit der Mitreise an (bitte Anbie- ter und Strecke nennen)? In welcher Weise begleitet und unterstützt die Bundesre- gierung die Schaffung von Barrierefreiheit im nationalen so- wie im grenzüberschreitenden Fernbuslinienverkehr? Zu Frage 55: Die Anzahl der Fernbuslinien ist nicht bekannt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung hat eine Umfrage bei den Ländern zur Anzahl der nationalen Fernbuslinien gestartet und wird voraussicht- lich Mitte März über die Ergebnisse verfügen. Gegen- stand dieser Umfrage ist nicht die Möglichkeit der Mit- reise von Rollstuhlfahrern. Diese Auskunft kann zurzeit nur direkt von den Anbietern erteilt werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27481 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 56: Nach § 42 b in Verbindung mit § 62 Abs. 3 Personen- beförderungsgesetz müssen neue Omnibusse ab dem 1. Januar 2016 mit mindestens zwei Stellplätzen für Rollstuhlnutzer ausgerüstet sein. Ab dem 1. Januar 2020 gilt dies für alle Omnibusse, die im Fernbuslinienver- kehr eingesetzt werden. Diese Vorschrift gilt nicht für den grenzüberschreiten- den Linienverkehr innerhalb der Europäischen Union. Die Bundesregierung wird auf der Grundlage eines vom Deutschen Bundestag in seiner 195. Sitzung am 27. Sep- tember 2012 verabschiedeten Entschließungsantrags und nach dessen Maßgaben prüfen, ob auf EU-Ebene Rege- lungen geschaffen oder verbessert werden sollen, die ei- nen europaweit einheitlichen barrierefreien Fernbuslinien- verkehr gewährleisten. Je nach Ergebnis der Prüfung wird die Bundesregierung gegebenenfalls die Initiative für eine Änderung der betreffenden Regelungen ergreifen, vergleiche dazu Entschließungsantrag der Fraktionen, CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregie- rung – Bundestagsdrucksachen 17/8233, 17/10857 –, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeför- derungsrechtlicher Vorschriften, Bundestagsdrucksache 17/10859). Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 57): Welche Rolle spielt für die Bundesregierung die Festset- zung von Standards zu Barrierefreiheit für die Verkehrsinfra- struktur des Bundes, und warum findet die Barrierefreiheit im Grundkonzept für den BVWP 2015 keine Erwähnung? Die Barrierefreiheit für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes betrifft den Eisenbahnbereich. Die Zielbestim- mung zur Barrierefreiheit für den Eisenbahnbereich ist durch Art. 52 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze konkreti- siert worden. Der dementsprechend geänderte § 2 Abs. 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, verpflichtet die Eisenbahnen, Programme für die Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstellen, mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Die im Wettbewerb am Verkehrs- markt operierenden Eisenbahnunternehmen haben die Bedingungen für die Herstellung der Barrierefreiheit im Einzelnen in eigener unternehmerischer Verantwortung zu regeln und darüber zu entscheiden, welche Art Maß- nahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit ergriffen und zu welchen Zeitpunkten Investitionen von ihnen aufzu- bringen sind. Die Barrierefreiheit ist in der Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 nicht gesondert er- wähnt, da sie schon, wie oben ausgeführt, ihrer Bedeu- tung entsprechend gesetzlich geregelt ist. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage58): Von welchen Ländern bzw. Institutionen liegen der Bun- desregierung bereits Projektanmeldungen für den Bundesver- kehrswegeplan, BVWP, 2015 in welchem Umfang vor? Für die Bundeswasserstraßen sind von insgesamt 33 Ländern bzw. Institutionen 139 sich teilweise de- ckende Anmeldungen eingegangen. Für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstra- ßen laufen noch die Fristen zur Anmeldung von Projek- ten (Juni bzw. September 2013). Wie im „Konzept zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes 2015“ angekündigt, werden die vorgeschlagenen Projekte nach Ablauf der Fristen und Aufbereitung der Projektanmeldungen im Internet veröffentlicht. Dies wird voraussichtlich Ende des Jahres 2013 der Fall sein. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 59): Wann genau wurde die Bundesregierung über die aktuell in Europa laufenden die Atomkraft betreffenden Programme, Strategien und Neubauvorhaben – solche wie in Frage 16 ge- nannt – erstmals notifiziert, und bei welchen nimmt sie selbst keinen aktiven Part im Rahmen grenzüberschreitender Ver- fahrensbeteiligung wahr – unter aktivem Part wird einer wie der der Bundesregierung beim polnischen Atomprogramm verstanden? Bei der Unterrichtung im zwischenstaatlichen Verhält- nis über geplante Projekte sowie über Pläne und Pro- gramme im Bereich der Kernenergie kommen unterschied- liche völkerrechtliche und EU-rechtliche Vorschriften zur Anwendung. Nach den Bestimmungen der Espoo-Konvention vom 25. Februar 1991 sowie der Richtlinie 2011/92/EU, UVP-Richtlinie, sind die Vertragsstaaten der Konvention und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ver- pflichtet, sich über geplante UVP-pflichtige Projekte zu unterrichten, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Gebiet des anderen Vertrags- oder Mitgliedstaats haben können. Eine entsprechende Notifikation der Bun- desrepublik Deutschland fand in den letzten Jahren für folgende Kernkraftwerksvorhaben statt: Errichtung einer neuen Kernkraftanlage am Standort Temelin/Tschechi- sche Republik einschließlich Fortleitung der Leistung in das Umspannwerk Kocin – Unterrichtung des Bundes- ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit, BMU, durch Schreiben des Ministeriums für Umwelt der Tschechischen Republik vom 6. August 2008; Errichtung neuer Kernkraftwerksblöcke am Stand- ort Paks/Ungarn – Unterrichtung des BMU durch Schreiben des Ministeriums für nationale Entwicklung der Republik Ungarn vom 12. Februar 2013. 27482 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 (A) (C) (D)(B) Zur geplanten Errichtung eines Kernkraftwerkes am Standort Hinkley Point in Großbritannien hat die Bun- desregierung keine Notifizierung erhalten. Zu notifizieren sind nach den Bestimmungen des Protokolls vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umwelt- verträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rah- men – sogenanntes SEA-Protokoll – sowie nach der Richtlinie 2001/42/EG, SUP-Richtlinie, auch Pläne und Programme der Vertrags- oder Mitgliedstaaten, die einer Strategischen Umweltprüfung bedürfen und deren Durchführung erhebliche nachteilige Umweltauswirkun- gen auf das Gebiet eines anderen Vertrags- oder Mitgliedstaats haben kann. Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat die Republik Polen die Bundesregie- rung mit Schreiben des polnischen Ministeriums für Wirtschaft vom 18. Juli 2011 und elektronischer Nach- richt vom 20. Juli 2011 über die Durchführung eines Verfahrens zur Aufstellung eines Nuklearprogramms un- terrichtet. Zu etwaigen Energieprogrammen der Tschechischen Republik oder Sloweniens ist der Bundesregierung keine Notifikation zugegangen. Bei Notifizierungen, die Projekte, Pläne oder Pro- gramme im Bereich der Kernenergie betreffen, veran- lasst das Bundesumweltministerium im Regelfall gemäß § 9 b des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprü- fung, UVPG, in Verbindung mit § 24 Atomgesetz, AtG, eine Weiterleitung an die Behörde, die für ein entspre- chendes Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Dabei wird es sich meist um eine oder mehrere Landesbehör- den handeln. Je nach Vorhabenart kann aber auch eine Bundesbehörde zuständig sein, so zum Beispiel wenn es sich um ein UVP-pflichtiges Vorhaben handelt, für des- sen Durchführung in Deutschland nach § 23 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig wäre. Auch im Rahmen des grenzüberschreitenden SUP-Verfahrens zum Entwurf des Kernenergieprogramms der Republik Polen hat die Bundesregierung im Rahmen der grenz- überschreitenden SUP eine eigene Stellungnahme ab- gegeben, da das Programm das gesamte polnische Staatsgebiet betraf und entsprechende Planungszustän- digkeiten in Deutschland auf Landesebene nicht beste- hen. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fra- gen des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fragen 60 und 61): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in Zukunft Brennelemente des Kernkraftwerks Baltijskaja per Schiff durch das Kattegat transportiert werden, und kann die Bun- desregierung ausschließen, dass Brennelemente des Kern- kraftwerks Baltijskaja in Zukunft zur Wiederaufbereitung per Schiff ins englische Sellafield transportiert werden? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in Zukunft Brennelemente des Kernkraftwerks Baltijskaja per Schiff über deutsche Häfen transportiert werden, und kann die Bundes- regierung ausschließen, dass Transporte per Schiff durch den Nord-Ostsee-Kanal stattfinden? Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung für oder gegen die Nutzung der Kernenergie das souveräne Recht eines jeden Staates ist. Jeder Staat ist dabei auch für die Sicherheit seiner nuklearen Anlagen und die mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Transporte ver- antwortlich. Dies gilt auch für die Russische Föderation. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu Frage 23 vom 22. Januar 2013 (Bundestagsdrucksache 17/12178) hat die Bundesregierung berichtet, dass bei bilateralen Ge- sprächen die russische Seite informierte, dass der An- bzw. Abtransport der Brennelemente per Bahn und Schiff von bzw. nach Sankt Petersburg in Einklang mit den russischen und internationalen Anforderungen erfol- gen wird. In meiner Antwort vom 12. Februar 2013 auf Ihre schriftliche Frage (Arbeitsnummer 2/58) wurde der gleiche Sachverhalt nochmals vertieft dargelegt. Schon aus geografischen Gründen ist bei Transporten von Brennelementen oder radioaktiven Abfällen aus dem – zukünftigen – Betrieb des Kernkraftwerkes Bal- tijskaja bei Kaliningrad nach Sankt Petersburg eine Pas- sage durch das Kattegatt über deutsche Häfen oder den Nord-Ostsee-Kanal nicht erforderlich. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Frage 62): Inwieweit wird auf den Eisenockereintrag aus den Altta- gebaukippen und den durch den Grundwasseranstieg wieder durchströmten Mooren in die Gewässer im Flusssystem der Spree und der Dahme mit einem veränderten Wassermanage- ment reagiert, und welche Rolle spielt in diesem Zusammen- hang das Wehr Große Tränke? Die Gewässer Spree und Dahme sind Gewässer erster Ordnung, deren Bewirtschaftung in die Zuständigkeit des Landes Brandenburg fallen. Dies gilt auch für die Steuerung des Wasserhaushaltes. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12342, Fra- gen 63 und 64): Gibt es inzwischen eine abgestimmte Position der Bundes- regierung zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Stützung des europäischen Emissionshandels, wie zum Beispiel dem „Backloading“-Vorschlag, und wie genau sieht diese Position aus? Welche Schlussfolgerungen oder Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Appell von namhaften Unterneh- men zur Stützung des europäischen Emissionshandels, der am 7. Februar 2013 unter dem Titel „Investitionssicherheit für ambitionierte EU-Klimaziele: den Emissionshandel reparie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Februar 2013 27483 (A) (C) (D)(B) ren“ (http://germanwatch.org/de/6271) vorgestellt wurde und in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „Klimaschutz und Investitionssicherheit gemeinsam voranzubringen“, und wird sich der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie für das genannte Anliegen der Unternehmen einsetzen? Zu Frage 63: Die Bundesregierung hat bisher keine gemeinsame Haltung zu den Vorschlägen der Europäischen Kommis- sion zur Stützung des europäischen Emissionshandels. Zu Frage 64: Die Bundesregierung wird den Appell der Unterneh- men bei ihrer Meinungsbildung berücksichtigen. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck- sache 17/12342, Frage 65): Welche neuen Erkenntnisse und Ergebnisse der jüngsten Gespräche mit der ruandischen Außenministerin Louise Mushikiwabo haben die Bundesregierung veranlasst, die seit Sommer 2012 eingefrorenen Mittel der Entwicklungszusam- menarbeit mit Ruanda in Höhe von 7 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2012 und 2013 wieder freizugeben, und heißt dieser Schritt, dass die Bundesregierung die UN-Berichte, die eine offene Beteiligung Ruandas am Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo anklagen und genau be- schreiben, nun als fehlerhaft oder unglaubwürdig einstuft? Die Entscheidung, 7 Millionen Euro allgemeine Budget- hilfe in den Schwerpunkt „Nachhaltige Wirtschaftsent- wicklung“, insbesondere „Berufliche Bildung“, zu reprogrammieren, fiel vor dem Hintergrund der seit No- vember 2012 wahrgenommenen zunehmend positiven Rolle der ruandischen Regierung im Konflikt im Osten der Demokratische Republik Kongo sowie der gravie- renden Auswirkungen der Budgethilfeentscheidungen auf den ruandischen Haushalt und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Positiv bewertet wurden in diesem Zusammenhang die Verurteilung der Gewalt durch die RWA-Regierung, ihre Aufforderung an die Gruppe M23, die Waffen nie- derzulegen, die Förderung der Verhandlungen in Kam- pala zwischen der Regierung der Demokratische Repu- blik Kongo und M 23 sowie die aktive Teilnahme am regionalen Prozess unter dem Dach der ICGLR. Darüber hinaus war und ist Ruanda bereit, das vom VN-GS initiierte VN-Rahmenabkommen zum Ostkongo zu unterzeichnen. Die Bundesregierung hat mit der Ent- scheidung die Erwartung an die RWA-Regierung ge- knüpft, auch weiter im politischen Prozess engagiert zu bleiben und diesen aktiv zu unterstützen. Die Würdigung der positiven Schritte Ruandas beinhaltet keine Neube- wertung der Berichte der VN-Expertengruppe. 221. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege TOP 2 Befragung der Bundesregierung TOP 3 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zum Missbrauch von Leiharbeit ZP 2 Bundeswehreinsatz in Mali (EUTM Mali, AFISMA) Anlagen
Gesamtes Protokol
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722100000

Ich grüße Sie sehr herzlich und wünsche uns gemein-

sam einen schönen Nachmittag. Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Frak-
tionen der CDU/CSU und der FDP haben fristgerecht
beantragt, die heutige Tagesordnung um die erste Bera-
tung der Anträge der Bundesregierung zur Entsendung
deutscher Streitkräfte nach Mali – das sind die Drucksa-
chen 17/12367 und 17/12368 – zu erweitern. Die Vorla-
gen sollen heute als letzter Punkt mit einer Debattenzeit
von einer Stunde beraten werden.

Wortmeldungen zu diesem Geschäftsordnungsantrag
liegen mir nicht vor. Wir kommen daher gleich zur Ab-
stimmung.

Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der FDP? – Das sind die Koalitions-
fraktionen, die Fraktion der Sozialdemokraten und die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Das ist
die Fraktion Die Linke. Vorsichtshalber: Enthaltungen? –
Keine. Der Aufsetzungsantrag ist angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-
kung der beruflichen Aus- und Weiterbildung
in der Altenpflege

– Drucksache 17/12327 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wir
kommen daher gleich zur Überweisung.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/12327 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.

Dann haben wir gemeinsam die Überweisung so be-
schlossen.

Wir kommen noch zu einer nachträglichen Aus-
schussüberweisung: Zwischen den Fraktionen ist ver-
einbart, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP auf Drucksache 17/12179, der bereits
am 31. Januar 2013 (219. Sitzung) an die Ausschüsse
überwiesen wurde, nachträglich an den Haushaltsaus-
schuss (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsord-
nung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Dann haben wir gemeinsam die Über-
weisung so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Ta-
gesordnungspunkt 2 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Verordnung zur Markttrans-
parenzstelle für Kraftstoffe.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie, Kollege Hans-
Joachim Otto. Bitte schön, Herr Parlamentarischer
Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722100100


Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Am 12. Dezember vergangenen Jahres ist
eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
schränkungen in Kraft getreten, wonach künftig jede
Preisänderung an den Tankstellen der Markttransparenz-
stelle für Kraftstoffe gemeldet werden muss. Das Bun-
desministerium für Wirtschaft und Technologie hat zur
Umsetzung dieses Gesetzes gestern die Verordnung zur
Markttransparenzstelle für Kraftstoffe vorgelegt.

Die Markttransparenzstelle stärkt den Wettbewerb auf
den Kraftstoffmärkten in zweierlei Hinsicht:

Zum einen wird der Autofahrer auf der Basis von ak-
tuellen, flächendeckenden und zuverlässigen Informatio-
nen über die Preise an den umliegenden Tankstellen





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


künftig in der Lage sein, gezielt die günstigste Tankstelle
anzusteuern. Das erhöht natürlich den Wettbewerbs-
druck und hoffentlich auch die Preise.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was? Das erhöht die Preise? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freud lässt grüßen!)


– Nein, das erhöht nicht die Preise; das erhöht den Wett-
bewerbsdruck und verhindert weitere Preiserhöhungen.

Zum anderen werden es die von der Markttranspa-
renzstelle erhobenen Daten dem Bundeskartellamt künf-
tig leichter ermöglichen, effektiv gegen missbräuchliche
Praktiken der Mineralölkonzerne am Kraftstoffmarkt
vorzugehen, zum Beispiel gegen die sogenannte Preis-
Kosten-Schere bei der Belieferung freier Tankstellen.

In diesem Zusammenhang muss ich allerdings darauf
hinweisen, dass die Preis-Kosten-Schere im Moment
deshalb nicht wirksam vom Bundeskartellamt bekämpft
werden kann, weil der Bundesrat bisher noch die achte
Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-
gen blockiert. Namens der Bundesregierung kann ich
nur dazu aufrufen, hier sehr schnell zu einer Lösung zu
kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verordnung
schafft die technischen Voraussetzungen, damit das Bun-
deskartellamt die Markttransparenzstelle einrichten
kann. Aktuelle Preise von Kraftstoffen der Sorten Super
E5, Super E10 und Diesel sind künftig innerhalb von
fünf Minuten nach ihrer Änderung elektronisch zu mel-
den. Die Markttransparenzstelle stellt die Daten dann
kostenlos und elektronisch Verbraucherinformations-
diensten zur Verfügung. Das können der ADAC und an-
dere Automobilklubs sein, das können Hersteller von
Navigationsgeräten, Anbieter von Smartphone-Apps
oder Anbieter von Internetseiten sein. Diese Anbieter
können wiederum geeignete Programme und Applikatio-
nen anbieten, die den Autofahrern aktuelle und standort-
bezogene Auskünfte über die Kraftstoffpreise ermögli-
chen. Um die Betreiber ganz kleiner Tankstellen nicht
übermäßig mit Bürokratie zu belasten, kann die Markt-
transparenzstelle diese von der Meldepflicht befreien.

Die Verordnung bedarf nunmehr noch der Zustim-
mung des Bundestages. Angesichts der Bedeutung der
Markttransparenzstelle für die Verbraucherinnern und
Verbraucher geht die Bundesregierung davon aus, dass
der Bundestag sehr rasch der Verordnung zustimmen
wird. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die neue
Markttransparenzstelle für Kraftstoffe noch vor Beginn
der Sommerferien ihre Arbeit aufnehmen kann. Ich kann
Ihnen jedenfalls versichern, dass beim Bundeskartellamt
bereits mit Hochdruck an der technischen Umsetzung
gearbeitet wird.

Herr Präsident, das war mein knapper Bericht.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722100200

Vielen Dank. Jetzt schauen wir einmal, ob die Frage-

stellungen auch knapp sind. – Als Erstes gebe ich Frau
Kollegin Schwarzelühr-Sutter das Wort zur Fragestel-
lung. Bitte schön, Frau Kollegin.


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722100300

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich möchte an das

anknüpfen, was Sie am Ende Ihrer Rede gesagt haben.
Bis wann rechnen Sie mit der technischen Umsetzung?
Kann der Verbraucher zum Beispiel damit rechnen, dass
bis Ostern Transparenz geschaffen wird und er einen
Überblick über die Benzinpreise erhält?

Worin liegt für den Verbraucher tatsächlich der Vor-
teil? Sie verfügen jetzt vielleicht über aktuelle Informa-
tionen und sehen, wie flächendeckend die Preise steigen;
aber damit wird nicht vermittelt, ob eine Manipulation
vorliegt und eine Absprache der Preise stattfindet.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722100400


Frau Kollegin, Sie haben mir mehrere Fragen gestellt.
Zur ersten Frage, bis wann das technisch möglich sein
wird: Wir gehen davon aus – das habe ich schon gesagt –,
dass wir bis zum Beginn der Sommerferien alles hinbe-
kommen werden. Es liegt allerdings in der gemeinsamen
Verantwortung von uns Abgeordneten, dass der Bundes-
tag dieser Verordnung zustimmt. Die Markttransparenz-
stelle wird dann ihre Arbeit aufnehmen. Wie schnell die
jeweiligen Anbieter – also die Anbieter von Apps wie
„clever-tanken“, der ADAC, die Anbieter von Naviga-
tionsgeräten – es technisch umsetzen, liegt natürlich
nicht in der Hand der Bundesregierung; aber da Vorar-
beiten geleistet wurden, sind wir zuversichtlich, dass wir
es jedenfalls noch vor den Sommerferien hinbekommen.

Ihre zweite Frage war, welchen Nutzen die Verbrau-
cher haben. Ich glaube schon, dass der Nutzen für die
Verbraucher deutlich ansteigen wird, weil jetzt gewähr-
leistet ist, dass alle Tankstellenbetreiber flächendeckend
innerhalb von fünf Minuten Preisänderungen anzeigen.
Das hat es bisher nicht gegeben. Bisher mussten erst die
Daten eingepflegt werden. Nun gibt es auch wesentlich
zuverlässigere Informationen. Wir gehen davon aus,
dass dadurch die Transparenz für die Verbraucherinnen
und Verbraucher, also für die Autofahrer, wesentlich ver-
bessert wird.

Zu Ihrer dritten Frage: Lassen die von SPD und Grü-
nen regierten Bundesländer die 8. GWB-Novelle im
Bundesrat passieren, dann ist das Bundeskartellamt in
der Tat in der Lage, missbräuchliche Praktiken der Mi-
neralölkonzerne schneller zu erkennen, weil es die Daten
schneller erhält. Daher mein Appell an Sie – Sie kom-
men ja aus Baden-Württemberg –: Sie können auf Ihre
Landesregierung sicherlich segensreich einwirken. Der
Landeswirtschaftsminister ist aus Ihrer Partei.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das schmerzt!)


– Nein, das ist Ihre Aufgabe, nicht meine. – Er wird si-
cherlich wissen, dass es sehr vorteilhaft wäre, wenn die
8. GWB-Novelle bald in Kraft treten kann.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722100500

Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist unser Kol-

lege Stephan Kühn.






(A) (C)



(D)(B)



Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722100600

Herzlichen Dank. – Der Minister hat eine Benzin-

preisbremse angekündigt, aber herausgekommen ist eine
Benzinpreis-App. Das ist nichts Revolutionäres; denn es
gibt – Sie haben es schon angesprochen – bereits
mehrere Apps und Portale wie „clever-tanken“ oder
TankCheck.de, die dem Verbraucher die Preise anzeigen.

Herr Staatssekretär, dazu habe ich folgende Frage. Sie
haben das Thema „flächendeckende Information für den
Verbraucher“ angesprochen. Sie haben nun eine Baga-
tell- und Härtefallklausel eingeführt, die vorsieht, dass
bestimmte Tankstellen von der Pflicht befreit werden,
die Preise zu nennen. Die Grenze dafür soll bei
1 000 Kubikmeter Kraftstoffabsatz pro Jahr liegen.
Experten sagen, das würde insbesondere im ländlichen
Raum dazu führen, dass für den Verbraucher weiße Fle-
cken entstehen, weil das Netz dort bekanntlich weniger
dicht ist und die Absatzmengen bei Tankstellen im länd-
lichen Raum ebenfalls geringer sind. Können Sie mir
den Grund dafür nennen, dass bei genau 1 000 Kubik-
metern die Grenze gezogen wurde? Wie beurteilen Sie
die Auswirkung dieser Grenze insbesondere auf den
ländlichen Raum?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722100700


Lieber Kollege Kühn, die Bundesregierung ist sich
der Tatsache bewusst, dass die elektronische Meldung
jeder Kraftstoffpreisänderung gerade für kleinste Tank-
stellen eine gewisse bürokratische Erschwernis darstellt.
Deswegen haben wir uns nach vielfältigen Rückspra-
chen und Anhörungen dafür entschieden, eine solche
Bagatellgrenze einzuführen.

Alle Informationen, über die wir bisher verfügen, ins-
besondere vom Verband der Freien Tankstellen, deuten
darauf hin, dass sich selbst die kleinsten Tankstellen frei-
willig an der Meldung beteiligen werden, weil es von
Vorteil ist, wenn man für die Verbraucher sichtbar ist.
Wenn eine Tankstelle in einer App oder auf den entspre-
chenden Portalen nicht zu sehen ist, dann werden die
Autofahrerinnen und Autofahrer diese Tankstelle nicht
ansteuern.

Ich möchte Ihnen auch noch sagen, lieber Kollege: Es
ist nicht nur eine App. Es geht um eine erhöhte Transpa-
renz für alle Marktteilnehmer. Das wird zu einem Wett-
bewerbsdruck führen. Deswegen sollten Sie das nicht so
geringschätzen, sondern mit uns dafür streiten, dass mit
dieser erhöhten Transparenz für die Verbraucherinnen
und Verbraucher und für das Preisniveau einiges Positive
bewirkt werden wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722100800

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin Frau Kollegin

Dagmar Enkelmann.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722100900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

das war offenkundig die zentrale Frage, mit der sich das
Kabinett heute beschäftigt hat.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722101000


Gestern.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722101100

Oder gestern. – Das Problem ist doch nicht die Infor-

mation. Der Kollege hat bereits darauf hingewiesen – so-
zusagen als Werbeblock –, wo man im Internet beispiels-
weise günstige Tankstellen finden kann. Das
Hauptproblem sind doch die Preisabsprachen zwischen
den Konzernen, wodurch zwischen den Tankstellen
kaum Preisunterschiede bestehen. Ich frage Sie: Was
wollen Sie konkret gegen die Preisabsprachen der Kon-
zerne machen?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722101200


Liebe Frau Kollegin Enkelmann, wie Sie wissen, ist
das Bundeskartellamt beauftragt, solche Preisabsprachen
zu bekämpfen. Das Bundeskartellamt ist in dieser Frage
äußerst engagiert. Es hat große Untersuchungen vorge-
nommen, die ergeben haben: Solche Preisabsprachen,
wie Sie sie hier behaupten, konnten nicht festgestellt
werden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach Gott! So naiv kann man nicht sein!)


Die Maßnahmen für mehr Transparenz, die wir jetzt er-
greifen, sind jedenfalls durchaus geeignet, dass das Bun-
deskartellamt missbräuchliche Preisabsprachen bekämp-
fen kann, da es ja zusätzliche Informationen und
Hinweise erhält.

Sie nehmen bitte auch zur Kenntnis, dass es auf dem
deutschen Mineralölmarkt nicht nur die großen Kon-
zerne gibt, sondern auch andere, konzernunabhängige
Tankstellen. Wir wollen mit unserer Markttransparenz-
stelle dazu beitragen, dass die Tankstellen, die die güns-
tigsten Preise anbieten – das werden in vielen Fällen
freie Tankstellen sein –, zusätzlichen Umsatz machen
und damit an Markteinfluss gewinnen. Ich meine, liebe
Frau Kollegin Enkelmann, das müsste auch im Sinne Ih-
rer Fraktion und in Ihrem eigenen Sinne sein.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wenn es denn einmal so wäre!)


– So wird es sein, liebe Frau Kollegin.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722101300

Nächster Fragesteller Kollege Manfred Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1722101400

Sie sprachen davon, dass Belastungen auf die Tank-

stellenpächter, die Tankstellenbetreiber zukommen wer-
den und es Ausnahmen für kleinere Tankstellen geben
wird. In welcher Größenordnung werden denn durch die
Anschaffung von zusätzlichem Equipment und zusätzli-
chen Terminals im Zusammenhang mit der elektroni-
schen Meldepflicht Kosten für die Tankstellenpächter,
die Tankstellenbetreiber entstehen? Wer trägt diese Kos-
ten? Der Tankstellenbetreiber, der Tankstellenpächter?
Wie wird das geregelt?






(A) (C)



(D)(B)


H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722101500


Danke für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, darauf
hinzuweisen, dass die Meldepflicht jeweils denjenigen
trifft, der die Preissetzungshoheit hat. Bei den großen
Mineralölkonzernen ist es so, dass die Meldung immer
von der Zentrale erfolgt und nicht von der einzelnen
Tankstelle. Das heißt, das Equipment, nach dem Sie fra-
gen, muss in der Zentrale des Mineralölunternehmens
angeschafft werden, sodass der einzelne Pächter einer
Tankstelle, der von der Zentrale einen Preis diktiert bzw.
vorgegeben bekommt, gar nichts machen muss. Das ist
– jetzt komme ich noch einmal auf die Frage des Kolle-
gen Kühn zurück – bei den kleinen Tankstellen, die kon-
zernunabhängig sind, anders. Diese Tankstellen müssen
das entsprechende Equipment, die entsprechenden Ge-
räte für die elektronische Übermittlung selbst anschaf-
fen. Für diese kleinen Tankstellen haben wir deshalb
eine Bagatellgrenze vorgesehen. Das alles macht, glaube
ich, Sinn. Für 95 Prozent aller Tankstellen wird die Re-
gelung keine zusätzliche Kostenbelastung mit sich brin-
gen, weil die Meldung seitens der großen Konzerne er-
folgt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722101600

Nächster Fragesteller unser Kollege Uwe Beckmeyer.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ich habe keine Frage!)


– Gut, dann natürlich die Lady. Bitte schön, Frau Kolle-
gin Rita Schwarzelühr-Sutter.


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722101700

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,

wie stellt dieser Verordnungsentwurf sicher, dass die
App-Entwickler nicht eine willkürliche Auswahl be-
stimmter Tankstellen vornehmen? Dieses Verfahren birgt
schließlich ein gewisses Manipulationspotenzial. Werden
in die Auswahl auch rabattierte Preise für bestimmte Ver-
brauchergruppen aufgenommen, oder wie wird mit die-
sem Sachverhalt umgegangen?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722101800


Auch für diese Frage möchte ich mich ausdrücklich
bedanken, weil mir das Gelegenheit gibt, ein weiteres
Detail dieser Verordnung zu erläutern.

Der Markttransparenzstelle werden in der Verordnung
bestimmte Kriterien genannt, denen die Informationspor-
tale genügen müssen, um die Daten kostenlos zu erhalten.
Die Informationsportale müssen also bestimmten Zuver-
lässigkeitskriterien genügen. Nur dann werden sie zuge-
lassen. Nur dann erhalten sie die Daten im Rahmen des
Informationsflusses kostenlos. Ganz klar ist natürlich,
dass eine zuverlässige, flächendeckende und zeitnahe
Zurverfügungstellung der Informationen gewährleistet
sein muss. Wer gegen seine Pflichten verstößt, unterliegt
den Bußgeldvorschriften des Gesetzes gegen Wettbe-
werbsbeschränkungen. Diese Bußgelder sind ganz be-
trächtlich, sodass wir keinen Anlass haben, daran zu

zweifeln, dass diese Meldungen den Verbraucher letztlich
zuverlässig und präzise erreichen werden.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722101900

Vielen Dank. – Nächster Fragesteller Kollege Oliver

Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722102000

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Otto, es ist schon in-

teressant – ich glaube, das ist ein Novum –, dass das Er-
gebnis einer Kabinettssitzung eine App ist und wir hier
im Hohen Hause darüber diskutieren.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722102100


Lieber Herr Krischer!


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722102200

Moment, wir sind immer noch bei der Frage, und das

Recht zur Fragestellung hat der Kollege Krischer. – Bitte
schön.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722102300

Danke, Herr Präsident. – Ich möchte darauf zu spre-

chen kommen, dass das Thema „Kraftstoffe und Benzin-
preis-App“ von der Bundesregierung sozusagen im
Nachhinein in die Aufgabenliste der Markttransparenz-
stelle geschoben wurde. Die Markttransparenzstelle
sollte sich eigentlich mit Fragen des Wettbewerbs auf
dem Markt der leitungsgebundenen Energieversorgung
– Strom und Gas – beschäftigen. Vor diesem Hinter-
grund wären meine Fragen an Sie: Wie ist der Stand
hier? Wie weit ist die Einrichtung der Markttransparenz-
stelle in diesen Bereichen gediehen?

Vor allen Dingen geht es mir um Folgendes: Wir dis-
kutieren im Moment sehr intensiv die stark fallenden
Börsenpreise, nicht nur im Spotmarkt, sondern auch im
Terminmarkt. Diese Preissenkungen kommen aber über-
haupt nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern
an. Was gedenkt die Bundesregierung, vielleicht auch
mithilfe der Markttransparenzstelle, hiergegen zu unter-
nehmen?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722102400


Lieber Herr Kollege Krischer, zunächst einmal
möchte ich an dieser Stelle jedenfalls, Herr Präsident,
klarstellen: Es geht nicht nur um eine App, sondern es
geht insgesamt um erheblich mehr Transparenz für alle
Beteiligten.

Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass diese
Markttransparenzstelle nicht irgendwie hintendran oder,
wie Sie es formuliert haben, im Nachhinein herange-
klatscht worden ist, sondern dass sie unter sehr sorgfälti-
ger Vorbereitung von diesem Hohen Hause mit Mehrheit
beschlossen worden ist. Das sollten Sie nicht untermi-
nieren. Das ist keine Schnapsidee des Bundeswirt-
schaftsministeriums, sondern das basiert auf einem Be-
schluss dieses Hohen Hauses.





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


Drittens, lieber Herr Kollege Krischer, muss ich Ih-
nen, da Sie von mir immer sehr präzise Antworten er-
warten, auf Ihre Frage nach den Aufgaben der Markt-
transparenzstelle für andere Dinge als Kraftstoffe leider
sagen, dass ich Ihnen diese Antwort aktuell nicht geben
kann. Das Thema der heutigen Regierungsbefragung
– nur das wurde in der gestrigen Kabinettssitzung in die-
sem Zusammenhang auch tatsächlich thematisiert – ist
die Rechtsverordnung zur Markttransparenzstelle für
Kraftstoffe. Die Antwort auf die Frage, wie weit die Ent-
wicklungen bei der Markttransparenzstelle in den ande-
ren Bereichen gediehen sind, kann ich Ihnen, wenn Sie
mögen, gern schriftlich nachliefern. Aber den Stand der
Dinge kann ich Ihnen jetzt auswendig – Sie wollen ja
eine präzise Information haben – an dieser Stelle leider
nicht referieren. Da bitte ich um Ihr Verständnis.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722102500

Nächster Fragesteller unser Kollege Wolfgang

Tiefensee.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722102600

Herr Staatssekretär, wenn wir noch einmal auf die ur-

sprüngliche Diskussion und den Anlass zurückblicken,
stellen wir fest, dass es wohl Ziel der Bundesregierung
und namentlich des Wirtschaftsministers war – das
wurde breit in der Presse veröffentlicht –, keine Strom-
preis-, sondern eine Kraftstoffpreisbremse einzuführen.
Am Ende ist nichts anderes herauskommen, als dass wir
offenkundig machen, welcher Preis an welcher Tank-
stelle genommen wird. So weit die Vorbemerkung.

Jetzt die Frage: Frau Enkelmann hat auf die kartell-
rechtlich relevanten Preisabsprachen hingewiesen. Frau
Enkelmann, leider ist es nicht so, dass man davon reden
könnte, vielmehr wurde uns von der Bundesnetzagentur
der entsprechende Mechanismus beschrieben. Die Tank-
stellenbetreiber orientieren sich im Laufe des Vormittags
an demjenigen, der den Preis erhöht. Sie brauchen also
nur den anderen beobachten und nachziehen. Abspra-
chen sind insofern gar nicht nötig.

Her
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1722102700
Wenn sich herausstellt, dass tat-
sächlich die Preisabsprachen in der beschriebenen Weise,
nämlich in Form eines Nachziehens sämtlicher Tankstel-
lenbetreiber bzw. Spritlieferanten bis zum höchsten Preis,
laufen, wird die Bundesregierung dann weitere Maßnah-
men einleiten, um ihrem ursprünglichen Ziel gerecht zu
werden? Oder bleibt es heute bei der Erklärung, dass über
eine Markttransparenzstelle hinaus nichts möglich ist?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722102800


Lieber Herr Kollege Tiefensee, Sie erinnern sich als
Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Bundestages,

dass wir eine sehr ausführliche und sorgfältige Diskus-
sion darüber geführt haben, mit welchen marktwirt-
schaftlichen Instrumenten wir eine Preisbremse auf dem
Kraftstoffmarkt erzielen können.

Die große Mehrheit aller Experten sagte uns: Zumin-
dest der erste Schritt liegt darin, mehr Transparenz zu
schaffen. Deswegen will ich an dieser Stelle nochmals
betonen: Die Schaffung von Transparenz durch Apps
und anderes ist eine ganz wichtige Voraussetzung, dass
nicht eintritt, was Sie eben beschrieben haben, dass man
nämlich einfach bei anderen Betreibern den Preis ab-
schreibt. Denn dann hätte man keinen Vorteil mehr im
Markt.

Wir versprechen uns nun Folgendes: Wenn der Ver-
braucher die Informationen rege nutzt und seine
Schlüsse aus der Tatsache zieht, dass an einer Tankstelle
der Preis signifikant niedriger ist als an einer anderen,
dann werden diese Tankstellen nicht einfach höhere
Preise abkupfern, sondern stolz darauf sein, einen niedri-
gen Preis zu haben; denn dadurch werden sie auch mehr
Umsatz machen. Ob dann weitere Maßnahmen, die, Herr
Kollege Tiefensee, auch immer marktwirtschaftlich in
Ordnung und rechtlich möglich sein müssen, notwendig
und sinnvoll sein werden, wird sich zu einem späteren
Zeitpunkt herausstellen.

Der neu zu wählende Deutsche Bundestag wird eva-
luieren, ob diese Maßnahme erfolgreich war. Wir gehen
davon aus, dass sie erfolgreich sein wird. In der nächsten
Legislaturperiode müsste dann darüber diskutiert wer-
den, welche weiteren Maßnahmen überhaupt in Betracht
kommen. Wir denken allerdings, dass diese Maßnahme
die effektivste ist, weil sie den Verbraucher miteinbe-
zieht und weil sie Wettbewerbsdruck auf die einzelnen
Tankstellen ausübt. Deswegen meine ich, dass das ein
sehr sinnvoller Schritt ist, der, wie Sie wissen, internatio-
nalen Beispielen folgt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722102900

Kollege Stephan Kühn ist der nächste Fragesteller.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722103000

Herr Staatssekretär, auch von uns ist ja begrüßt wor-

den, dass mehr Transparenz hergestellt werden soll.
Aber wir können das marktwirtschaftliche Prinzip, dass
mit steigender Nachfrage nach Kraftstoffen – nicht na-
tional, sondern international – die Preise steigen, nicht
außer Kraft setzen. Insofern frage ich, ob Sie uns hier
darstellen können, welchen Preiseffekt in Cent Sie durch
die Markttransparenzstelle, also durch die stärkere
Transparenz insbesondere in Form von Apps, erwarten
und wie das im Verhältnis zur allgemeinen Preisentwick-
lung steht. National steigt die Nachfrage zwar nicht, aber
gerade in Asien, in verschiedenen Schwellen- und Ent-
wicklungsländern steigen die Motorisierung und damit
die Nachfrage nach Kraftstoff. Das wirkt sich natürlich
auch auf die Preise hier aus. Wie steht das im Verhältnis
zueinander, und wie können für den Verbraucher am
Ende tatsächlich geringere Preise erreicht werden?






(A) (C)



(D)(B)


H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722103100


Lieber Herr Kollege Kühn, der Sinn der Markttrans-
parenzstelle ist natürlich in erster Linie, die von vielen
Verbraucherinnen und Verbrauchern als missbräuchlich
oder jedenfalls als sehr problematisch empfundenen hef-
tigen Preisschwankungen zu vermeiden. Das heißt, wir
wollen auf einem gegebenen Marktniveau dafür sorgen,
dass der Verbraucher in der Lage ist, den in seinem Um-
feld günstigsten Kraftstoff zu beziehen.

Natürlich ist die Markttransparenzstelle kein Instru-
ment, das die weltweiten Marktkräfte außer Kraft setzen
kann. Wenn, wie Sie beschreiben, die Nachfrage nach
Benzin weltweit steigt und sich infolgedessen mögli-
cherweise auch die Benzinpreise erhöhen, dann werden
Sie mit einer Markttransparenzstelle – und übrigens auch
mit anderen Maßnahmen – nicht verhindern können,
dass die Preise steigen. Es ist aber gar nicht ausgemacht,
ob dieser Effekt eintritt.

Sie erinnern sich, dass sich allein durch Fracking in
den USA eine erhebliche Verschiebung auf den interna-
tionalen Energiemärkten abzeichnet. Der Kohlepreis hat
sich allein schon durch die Ankündigung, dass Fracking
in den USA betrieben wird, erheblich verändert. Es ist
nicht auszuschließen, dass solche Veränderungen zu ei-
ner Senkung des Benzinpreises auf den weltweiten Spot-
märkten führen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722103200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe, dass es zu

diesem Themenbereich keine Fragestellung mehr gibt.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Hans-Joachim Otto.


(Beifall bei der FDP)


– Den Beifall kann man mitnehmen.

Wir kommen jetzt zu Fragen zu anderen Themen der
heutigen Kabinettssitzung. Hier hat das Wort unser Kol-
lege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722103300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wollte die Bundes-

regierung zu einer etwas kostspieligeren Unternehmung
als einer App befragen. Wir haben in der sitzungsfreien
Zeit gehört bzw. Nachrichten erhalten, dass die bisheri-
gen Berechnungen der Kosten von Stuttgart 21 wohl
weit übertroffen werden und sowohl das Fertigstellungs-
datum, also der Verlauf des Projekts, als auch der Kos-
tenrahmen des Projekts völlig offen sind. Deshalb
möchte ich die Bundesregierung nach ihren jetzigen
Überlegungen zu den Kosten befragen. Wie stark wird
die Bundeskasse durch Stuttgart 21 zusätzlich belastet
werden, oder, wenn die Bundeskasse nicht belastet wer-
den soll, wie viel kostet es die Bahn und damit indirekt
den Eigner Bund, wenn an diesem Projekt in der jetzigen
Form festgehalten wird? Ich frage dies vor dem Hinter-
grund, dass die Stadt Stuttgart und das Land Baden-
Württemberg erklärt haben, keinen Cent über die bishe-
rigen Zusagen hinaus beizusteuern.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722103400

Für die Bundesregierung Herr Parlamentarischer

Staatssekretär Enak Ferlemann, bitte.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722103500


Sehr geehrter Herr Kollege, ich beantworte die Frage
sehr gerne. Derzeit ist uns als Eigentümer der DB AG
nur bekannt, dass die DB AG mit Mehrkosten von
1,1 Milliarden Euro rechnet und bei einer Einschätzung
der zusätzlichen Risiken einen Betrag von weiteren
1,2 Milliarden Euro evaluiert hat. Derzeit finden dazu
Besprechungen statt. Wir überprüfen die Kosten, und
wir hinterfragen. Aber es ist Sache des Aufsichtsrates,
hier für Aufklärung zu sorgen und dann gegebenenfalls
entsprechende Beschlüsse zu fassen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722103600

Zu einer Nachfrage hat sich zunächst Kollege Stephan

Kühn gemeldet.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722103700

Herzlichen Dank. – Herr Staatssekretär, können Sie

uns sagen, wie die Bundesregierung die Wirtschaftlich-
keit dieses Projekts vor dem Hintergrund der Zahlen, die
Sie gerade genannt haben, bewertet? Es kursieren ja
auch andere Zahlen. So ist für das Gesamtprojekt von
Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro die Rede. Wie
bewerten Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieses Pro-
jekts vor dem Hintergrund der neuen Zahlen?


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722103800

Bitte schön, Parlamentarischer Staatssekretär Enak

Ferlemann.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722103900


Herr Kollege, Sie haben die Frage schon selbst beant-
wortet. Es kursieren viele, viele Zahlen, die nicht korrekt
sind. Den Betrag von 10 Milliarden Euro kann ich mit-
nichten bestätigen. Es ist, wie gesagt, Aufgabe des Auf-
sichtsrates, hier für Aufklärung zu sorgen und entspre-
chende Beschlüsse zu fassen.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch Zahlen genannt!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722104000

Es gibt eine Wortmeldung des Kollegen Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722104100

Sie haben gerade zwei Zahlen genannt. Wir als Bun-

destagsabgeordnete haben letztlich die Haushaltsverant-
wortung, egal ob die Mehrkosten im Bundeshaushalt als
Mindereinnahmen bei der Deutschen Bahn zu Buche
schlagen oder ob wir sie aus dem Bundeshaushalt direkt
in die DB Netz AG „hineinkübeln“. Das Geld ist fort
– und fort ist fort –, und wir müssen das verantworten.

Es geht um ein Unternehmen, dessen Eigner zu
100 Prozent der Bund ist. Der Bund ist in allen Organen,





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


im Aufsichtsrat wie im Vorstand, vertreten bzw. hat die
Mitglieder ausgewählt und gewählt. Insofern erwarte ich
eigentlich, dass Sie uns sagen, wo für den Bund bei die-
sem Projekt die Grenze der finanziellen Belastbarkeit
liegt oder ob man weiter scheibchenweise vorgehen und
jedes Jahr 1 oder 2 Milliarden Euro drauflegen will, bis
man am Ende des Bauprojektes bei einer bestimmten
Endsumme angekommen ist. Ich möchte von Ihnen wis-
sen: Wo ist nach Meinung der Bundesregierung die Be-
lastungsgrenze im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit
des Projektes, sodass sie sagt: „Das ist haushaltspolitisch
nicht mehr zu verantworten“, oder gibt es dafür keine
Obergrenze?


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722104200

Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722104300


Herr Kollege, Sie gelten gemeinhin als kluger Jurist.
Insofern sollten Sie wissen, dass dies ein Projekt der
DB AG ist, das nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert
wird. Es handelt sich um ein eigenwirtschaftliches Pro-
jekt derjenigen, die Stuttgart 21 umsetzen wollen. Direkt
fließt aus dem Bundeshaushalt für dieses Projekt kein
Geld, mit Ausnahme einer Festfinanzierung von
563 Millionen Euro, die wir allerdings auch dann ge-
braucht hätten, wenn wir den Bahnhof im Normalzu-
stand hätten sanieren müssen. Es gibt also einen Festzu-
schuss, dessen Höhe sich aufgrund der Veränderung des
Projekts aber nicht verändern wird. Insofern gibt es hier
kein Risiko für den Bundeshaushalt. Ob sich die DB AG
in Anbetracht der zu ermittelnden Zahlen die Frage nach
der Wirtschaftlichkeit stellt, hat der Aufsichtsrat zu ent-
scheiden. Diese Untersuchungen und Ermittlungen lau-
fen zurzeit.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722104400

Jetzt folgt zunächst eine Nachfrage des Kollegen

Lenkert, dann eine des Kollegen Volker Beck.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722104500

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, ich habe eine

Nachfrage. Im Rahmen des Volksentscheids zu Stutt-
gart 21 sind ja bestimmte Angaben gemacht worden,
auch solche zu den Kosten. Wie ist es juristisch zu be-
werten, dass die Kosten, mit denen gerechnet wird, nicht
sehr lange Zeit danach deutlich steigen? Ist davon auszu-
gehen, dass damals Falschangaben gemacht wurden?
Wie stehen Sie dazu?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722104600


Sehr geehrter Kollege, die Bundesregierung ist für
den Volksentscheid nicht verantwortlich.


(Lachen bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722104700

Kollege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722104800

Zunächst einmal eine Vorbemerkung, Herr Präsident,

zu meiner Verantwortlichkeit: Ich bin kein Jurist –


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722104900

Auch nicht ehrenhalber.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722105000

– damit mir meine Befähigung zum Wissenschaftsmi-

nister nicht irgendwann entzogen wird, weil ich mir hier
im Plenum einen akademischen Titel erschlichen hätte.

Zum anderen scheint mir das Thema Verantwortlich-
keit die zentrale Frage zu sein. Der Bund ist 100-prozen-
tiger Eigner der DB. Gleichzeitig sagen Sie uns: Was
dort an Kosten anfällt, das interessiert uns gar nicht und
geht uns nichts an; denn die DB ist ja privatwirtschaft-
lich organisiert.

Ich finde, so können wir mit diesem Thema, das die
Steuerzahler und die Bahnkunden betrifft, nicht umge-
hen. Das ist das Geld des Bundes – egal ob auf dem
Konto „DB“ steht oder ob es sich um die Kasse des Bun-
desfinanzministers handelt –, und wir wissen doch alle:
Am Ende des Tages zahlt der Steuerzahler drauf, wenn
der Bundesfinanzminister weniger Geld von der DB be-
kommt oder zusätzliches Geld in die DB investieren
muss.

Deshalb bitte ich Sie wirklich, zu sagen: Was ist die
Position der Bundesregierung als Eigner der DB? Wo ist
die finanzielle Belastungsgrenze für Stuttgart 21, bei der
Sie sagen: „Vor diesem Hintergrund ist es zum jetzigen
Zeitpunkt bei diesen Zahlen nicht mehr verantwortlich,
dieses Projekt weiterzubauen“? Ihren Ausführungen bis
jetzt entnehme ich, dass es keine Belastungsgrenze gibt,
dass Stuttgart 21 kosten darf, was es wolle, weil es sich
ja um DB-Geld handelt. Wenn Sie das nicht so sehen,
dann sagen Sie uns: Wo liegt bei dem Projekt Stutt-
gart 21 die Belastungsgrenze der Bundesregierung, der
Bundesrepublik Deutschland, als Eigner der DB AG?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722105100


Herr Kollege, ich bitte die vorige Mutmaßung zu ent-
schuldigen. Ich habe Sie da für mehr gehalten, als es tat-
sächlich ist. Das tut mir leid.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bedanke mich für das Kompliment!)


Die Fragestellung, die Sie aufgebracht haben, richtete
sich auf die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.
Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind zum derzei-
tigen Zeitpunkt überhaupt nicht erkennbar. Insofern
brauchen Sie als Abgeordneter, der den Bundeshaushalt
letztlich kontrolliert und mit zu verantworten hat, keine
Sorge um den Bundesetat zu haben.

Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt von
mehreren Projektbeteiligten. Die Projektbeteiligten müs-
sen untereinander eine Finanzierung finden, wenn sie
Mehrbedarf feststellen. Wie hoch der Mehrbedarf im





Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann


(A) (C)



(D)(B)


Einzelnen ist, wird zurzeit untersucht und festgestellt.
Dann wird es Vertragsverhandlungen mit den Projektbe-
teiligten geben; diese Verhandlungen sind übrigens
schon aufgenommen worden. Daraus wird für die DB
AG gegebenenfalls eine Belastung entstehen – die aber
keine Rückwirkungen auf den Bundeshaushalt haben
muss und dieses Parlament insofern auch nicht betreffen
muss.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722105200

Ich habe jetzt noch die Wortmeldungen des Kollegen

Ralph Lenkert und des Kollegen Stephan Kühn, dann
noch Volker Beck, und dann können wir dieses Thema,
glaube ich, abschließen. – Ralph Lenkert.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722105300

Herr Staatssekretär, es besteht kein Zweifel, dass die

Bundesregierung für den Volksentscheid nicht zuständig
ist.

Nach meinem Kenntnisstand befindet sich die Deut-
sche Bahn AG aber zu 100 Prozent im Eigentum der
Bundesrepublik Deutschland, und die Aufsichtsfunktion
obliegt auch dem Verkehrsministerium. Insofern ist die
Bundesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die
Deutsche Bahn AG wahrheitsgemäße Angaben macht;
andernfalls käme sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nach.
Deswegen stelle ich Ihnen – sozusagen als Aufsichtsrats-
vertreter, stellvertretend für das Verkehrsministerium –
jetzt die Frage: Inwieweit hat es juristische Konsequen-
zen, dass die Kosten des Projekts Stuttgart 21 in so kur-
zer Zeit derart explodiert sind? Meiner Ansicht nach sind
Falschaussagen gemacht worden. Oder können Sie be-
weisen, dass die Kostensteigerungen, die in den letzten
Monaten entstanden sind, vorher auf keinen Fall abseh-
bar waren?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722105400


Diese Frage beantworte ich Ihnen gerne. Das zu klä-
ren, ist eine Aufgabe des Aufsichtsrates. Die Kollegen,
die im Aufsichtsrat Sitz und Stimme haben, werden ge-
nau diese Fragen, in Ihrem Sinne, kritisch stellen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722105500

Kollege Stephan Kühn.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722105600
Es gibt keine

Belastungsrisiken für den Bundeshaushalt, und wenn
Mehrkosten entstehen, ist das Sache der DB AG. – Nun
soll die DB AG ja Dividende an ihren Eigentümer aus-
schütten. In den Bundeshaushalt sollen mindestens
500 Millionen Euro fließen, jährlich wachsend; ich
glaube, das geht dann bis 700 Millionen Euro.

Meine Frage: Sehen Sie, sollte dieses Projekt zu einer
erheblichen Mehrbelastung für die DB führen, ein Ri-
siko, dass die Dividende an den Bund als Eigentümer in
dieser Höhe nicht mehr ausgeschüttet werden kann?

Die zweite Frage ist die Frage, die ich vorhin schon
einmal gestellt habe. Sie hatten Zahlen zu den Ihnen be-
kannten Mehrkosten genannt: 1,1 Milliarden Euro mehr
plus ein Risiko von 1,2 Milliarden Euro – wenn ich die
Zahlen vorhin richtig verstanden habe. Deshalb noch
einmal die Frage: Wie bewerten Sie vor dem Hinter-
grund dieser Ihnen bekannten Zahlen die Wirtschaftlich-
keit des Projektes?

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1722105700


Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Projektes
ist Aufgabe des Vorstandes der DB AG, der an den Auf-
sichtsrat zu berichten hat. Das wird in der Sitzung am
5. März 2013 der Fall sein. Vorher kann sich die Bundes-
regierung dazu auch gar nicht äußern.

Zu der Frage, ob die Dividendenfähigkeit in Gefahr
ist: Mitnichten, in keinem Fall.


Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722105800

Die letzte Frage vom Kollegen Volker Beck.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722105900

Da sagt man immer, aus der Befragung der Bundesre-

gierung lerne man nichts. Offensichtlich ist das wirt-
schaftliche Ergebnis der DB AG für die Dividende völlig
ohne Belang. Das ist interessant. Es ist eine Erkenntnis,
die ich als Fachfremder mitnehme, und ich bin dankbar
für diese neuen Einsichten in wirtschaftliche Zusammen-
hänge.

Ich möchte trotzdem noch einmal – zum dritten Mal –
die gleiche Frage stellen; ich weiß, ich bin da ein biss-
chen unoriginell. Aber unabhängig davon, wie Sie die
Auswirkungen auf den Bundeshaushalt einschätzen, will
ich wissen: Was ist die Position der Bundesregierung ge-
genüber dem Parlament und in den Gremien der DB AG
im Hinblick darauf, wo die Grenze für die Finanzierung
von Stuttgart 21 erreicht ist, bei der Sie sagen, das Fest-
halten an diesem Projekt sei bei dieser Finanzdimension
nicht mehr zu vertreten? Ich frage Sie als Eigner der DB
AG, auch vor dem Hintergrund, dass in deren Aufsichts-
rat auch die Position der Bundesregierung vertreten
wird.

Können Sie die Frage beim dritten Versuch bitte end-
lich einmal mit einer Zahl beantworten?

E
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722106000


Sehr geehrter Herr Kollege, sooft Sie auch fragen: Ich
kann Ihnen keine andere Auskunft geben, als es die
Rechtslage hergibt. Es ist Aufgabe des Vorstandes, diese
Zahlen zu ermitteln und vorzulegen. Der Aufsichtsrat
hat die Aufgabe, das zu kontrollieren und dann gegebe-
nenfalls Entscheidungen zu fällen. Es ist nicht eine di-
rekte Aufgabe des Eigentümers, dies zu tun. Insofern
kann ich Ihre Frage nur so beantworten, wie ich es schon
zweimal getan habe.





Parl. Staatssekretär Enak Ferlemann


(A) (C)



(D)(B)



(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, der Berliner Flughafen wird uns noch als Lappalie erscheinen!)



Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1722106100

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage vorsichts-

halber, ob es noch weitere Fragen an die Bundesregie-
rung gibt, bevor wir zur Fragestunde kommen. – Da dies
nicht der Fall ist, beende ich die Befragung.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3:

Fragestunde

– Drucksache 17/12342 –

Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/12342
in der üblichen Reihenfolge auf.

Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bun-
deskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Herr Staats-
minister Eckart von Klaeden zur Verfügung.

Frage 1 kommt von unserer Kollegin Frau Andrea
Wicklein:

Wie und bis wann plant die Bundesregierung die im Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP für den Bürokra-
tieabbau angestrebte Reduzierung des messbaren Erfüllungs-
aufwands um 25 Prozent zu erreichen?

Bitte schön, Herr Staatsminister.

E
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722106200


Frau Kollegin Wicklein, beim Erfüllungsaufwand ist
danach zu unterscheiden, ob es sich um Bürokratiekos-
ten aus Informationspflichten oder um sonstigen Erfül-
lungsaufwand handelt.

Was Erstere betrifft, so hat die Bundesregierung die
Informationspflichten der Wirtschaft bis Ende 2011 um
mehr als 22 Prozent reduziert. Im Dezember 2011 haben
wir darüber hinaus weitere Maßnahmen beschlossen, um
das Ziel zu erreichen. Davon sind im letzten Jahr we-
sentliche Maßnahmen umgesetzt worden. Ich erinnere
nur an das E-Government-Gesetz oder die Abschaffung
der Praxisgebühr.

Zur nachhaltigen Sicherung dieser Abbauerfolge hat
die Bundesregierung im letzten Jahr den Bürokratiekos-
tenindex eingeführt. Der Aufwuchs im letzten Jahr war
stabil. Wir sind dem Ziel nachgekommen, ihn dauerhaft
niedrig zu halten. Es hat lediglich einen Aufwuchs um
einen viertel Prozentpunkt gegeben.

Was den sonstigen Erfüllungsaufwand angeht, so ha-
ben wir verschiedene Lebens- und Rechtsbereiche unter-
sucht, wie dies auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Dabei ist bei einigen herausgekommen, dass die Sen-
kung des Erfüllungsaufwandes vor allem Änderungen
im materiellen Recht erfordern würde, was ausdrücklich
nicht Gegenstand des Programms ist. In anderen Fällen
haben wir erhebliche Reduzierungsmöglichkeiten identi-
fiziert. Diese ergeben sich insbesondere durch das Pro-
jekt „Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungs- und
Prüffristen“, und zwar in einem Umfang von 2,5 Milliar-
den Euro. Das ist auch Bestandteil des Jahressteuerge-

setzes 2013 gewesen, das im Bundesrat bedauerlicher-
weise abgelehnt wurde.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1722106300

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Wicklein.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722106400

Gibt es definierte Projekte, die die Bundesregierung

noch bis zum Ende der Legislaturperiode plant, um ihr
Ziel eines Bürokratieabbaus um 25 Prozent zu errei-
chen?

E
Andrea Wicklein (SPD):
Rede ID: ID1722106500


Ja, Frau Kollegin, es gibt hier noch eine Reihe von
Projekten. Wir sind mittlerweile im untergesetzlichen
Bereich angekommen. Dazu gehört unter anderem die
Neufassung der sogenannten GoBIT – das sind die
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-
Einsatz –, wodurch die Möglichkeiten, die gesetzlich be-
reits geschaffen worden sind – die elektronische Rech-
nungslegung usw.; Sie kennen die Umstände –, für die
Unternehmen verfahrenssicher realisiert werden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1722106600

Ihre zweite Nachfrage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722106700

Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Aktivitä-

ten der Bundesregierung hinsichtlich des Bürokratie-
aufwuchses durch EU-Verordnungen und -Richtlinien.
Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung
in der Richtung getroffen, den bewährten Normen-
kontrollrat, den wir hier in Deutschland gemeinsam in-
stalliert haben, auch auf der europäischen Ebene durch-
zusetzen?

E
Andrea Wicklein (SPD):
Rede ID: ID1722106800


Dazu haben wir eine ganze Reihe von Maßnahmen
ergriffen. Insbesondere im Europäischen Rat setzen wir
uns ja immer wieder dafür ein, dass auf europäischer
Ebene ein Gremium vergleichbar dem Nationalen
Normenkontrollrat geschaffen wird. Dafür haben wir im
Rat bisher bedauerlicherweise keine Mehrheit bekom-
men, und auch die Kommission ist nicht bereit, ein ent-
sprechendes Gremium zu schaffen, weil sie die Sorge
hat, dass durch ein solches Gremium ihre Initiativfunk-
tion eingeschränkt werden könnte.

Gleichwohl ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass
das Mandat der Stoiber-Gruppe nicht nur verlängert,
sondern auch ausgedehnt wird, und das Europäische
Parlament hat entsprechende Initiativen zur Über-
wachung der Bürokratiekosten eingeleitet. Meine per-
sönliche Idealvorstellung ist ein gemeinsames Gremium
von Rat, Kommission und Parlament auf europäischer
Ebene, das die Bürokratiekosten nicht nur beobachtet,
sondern in Bezug auf die Senkung auch initiativ werden
kann.





Staatsminister Eckart von Klaeden


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben in der Bundesregierung darüber hinaus ein
Programm beschlossen, mit dem wir im Rahmen unserer
Entscheidungsprozesse, bevor es also überhaupt zu
Richtlinien oder Verordnungen kommt, unsere Ministe-
rien gut darauf vorbereiten können, auch in den Beratun-
gen in Brüssel dafür zu sorgen, dass auf die Bürokratie-
kosten geachtet wird und dass die Kommission
veranlasst wird, bei der Darlegung ihrer Vorschläge auch
die Bürokratiekosten und den Erfüllungsaufwand für die
einzelnen Branchen und Länder auszuweisen.

Darüber hinaus will ich stichwortartig nur die Sonder-
regelung, die wir für kleinere und mittlere Unternehmen
angeregt und durchgesetzt haben, und den Mittelstands-
monitor nennen, der beim Bundeswirtschaftsministe-
rium geführt wird und kleine und mittlere Unternehmen,
aber auch die Wirtschaft in Deutschland insgesamt früh-
zeitig über Regelungsvorhaben auf europäischer Ebene
informiert, wodurch wir uns auch einen Rückfluss für
unsere Aktivitäten in Brüssel versprechen.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1722106900

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Der Parla-
mentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto ist erneut
gefordert.

Die Frage 2 kommt vom Kollegen Ralph Lenkert:
Warum wird die Konzessionsrichtlinie der Europäischen

Union, EU, im Trilogverfahren behandelt?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722107000


Lieber Herr Kollege Lenkert, zu Ihrer, aber vor allen
Dingen zur Information der Zuhörerinnen und Zuhörer
will ich ganz kurz darstellen, wie das Verfahren generell
läuft:

Die Konzessionsrichtlinie wird im ordentlichen Ge-
setzgebungsverfahren gemäß Art. 294 AEUV – das ist
die Bezeichnung nach dem Lissabon-Vertrag – behandelt.
Dieses Gesetzgebungsverfahren stellt den Regelfall dar
und erfordert neben der Verabschiedung des Regelungs-
entwurfs durch den Rat die Zustimmung des Europäi-
schen Parlaments. Es sind drei Lesungen vorgesehen. –
Lieber Herr Kollege, bitte leihen Sie mir Ihr geschätztes
Ohr, während ich Ihnen antworte.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich höre genau zu!)


Um die Verständigung zwischen den Institutionen zu
beschleunigen und auf diese Weise eine rasche, am
aktuellen Handlungsbedarf orientierte Gesetzgebung zu
ermöglichen, haben sich bereits seit dem Vertrag von
Maastricht sogenannte Triloge etabliert. Diese Triloge
sind informelle Gespräche zwischen dem Rat, dem Eu-
ropäischen Parlament und der Kommission. Sie dienen
in der Regel dazu, sich über einen Standpunkt des Euro-
päischen Parlaments zu verständigen, dem der Rat be-
reits in der ersten Lesung zugestimmt hat. Eine Vielzahl

von Rechtsakten kann damit bereits in erster Lesung ver-
abschiedet werden.

Ich will Ihnen eine Zahl geben: Im ersten Halbjahr
2012 wurden damals unter der dänischen Ratspräsident-
schaft 40 von 46 Rechtssetzungsvorschlägen in der ers-
ten Lesung durch das Trilogverfahren abgeschlossen.
Die Einsetzung von Trilogen ist allerdings nicht auf die
erste Lesung des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt,
sondern kann auch später noch im Rahmen der zweiten
Lesung sowie vor dem Vermittlungsverfahren oder der
dritten Lesung vereinbart werden.

Am 10. Dezember 2012 hat sich der EU-Wett-
bewerbsfähigkeitsrat – auch mit der Zustimmung
Deutschlands; danach werden Sie vielleicht noch fragen –
auf ein Verhandlungsmandat für den anstehenden Trilog
zum gesamten Legislativpaket zur Modernisierung des
Vergaberechtes mit dem Europäischen Parlament und
der Kommission geeinigt. Der Binnenmarktausschuss
des Europäischen Parlamentes allerdings hat bisher noch
kein Mandat für den Trilog erteilt. Deswegen sage ich
Ihnen abschließend: Es ist also zum jetzigen Zeitpunkt
noch gar nicht definitiv entschieden, ob das Trilogver-
fahren bei dieser Konzessionsrichtlinie überhaupt An-
wendung findet.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722107100

Da der Kollege Ralph Lenkert genau zugehört hat,

seine erste Nachfrage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722107200

Herr Kollege Staatssekretär, ich habe Ihre Ausführun-

gen mit meinen Notizen verglichen. Ich werfe Ihnen,
wenn Sie vom Zettel ablesen, auch nicht vor, dass Sie
mich nicht ansehen. Das nur als ganz kleine Richtigstel-
lung.

Nachdem Sie dem Trilogverfahren zugestimmt ha-
ben, ergibt sich für mich die Frage: Wieso versucht man,
im Eilverfahren – das ist nämlich ein Trilogverfahren –
ein so wichtiges Verfahren durchzupeitschen, bei dem es
um nicht mehr und nicht weniger als um die mögliche
Privatisierung der Wasserversorgung geht? Wasser ist
ein öffentliches Gut. Ich habe den Eindruck, dass die
Bundesregierung mit dem Trilogverfahren an dieser
Stelle versucht, das Ganze außerhalb der Öffentlichkeit
schnell durchzuschieben, um im Prinzip Widersprüche
auch aus den eigenen Reihen zu verhindern.

Ich stelle deswegen die Frage an Sie: Haben Sie dem
vorliegenden Entwurf zur Konzessionsrichtlinie in
seiner jetzigen Fassung zugestimmt, und welches Minis-
terium war da federführend?

H
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722107300


Lieber Herr Kollege, Sie nehmen jetzt praktisch Ihre
eigene zweite Frage vorweg. Um der Geschäftsordnung
Genüge zu tun, bleibe ich bei Ihrer ersten Frage.

Ich kann Ihre Einschätzung nicht teilen, dass das
Trilogverfahren ein Durchpeitschen im Eilverfahren sei.
Ich habe Ihnen ganz bewusst geschildert, dass unter der





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


dänischen Ratspräsidentschaft – die Dänen stehen nicht
im Ruf, alles durchzupeitschen oder undemokratisch zu
sein – im ersten Halbjahr 2012 40 von 46 Rechtsset-
zungsvorschlägen im sogenannten Trilogverfahren ent-
schieden wurden. Warum? Weil man dieses Verfahren
bei aller Transparenz relativ schnell und zügig gestalten
kann.

Deswegen kann ich den Vorwurf überhaupt nicht ver-
stehen, dass hier ein Ausnahmefall geschaffen würde
und die Öffentlichkeit oder das Parlament oder der Rat
in irgendeiner Weise nicht angemessen beteiligt würden.
Im Gegenteil: Das Trilogverfahren ist der Normalfall.
Wenn sich alle drei Beteiligten, Kommission, Parlament
und Rat, darauf verständigen, dann wird so verfahren.
Die Bundesregierung ist der Meinung, dass dieses
Verfahren – wir kommen zum Inhalt der Konzessions-
richtlinie bei Ihrer zweiten Frage – in der Tat geeignet
ist, in diesem Regelverfahren behandelt zu werden.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722107400

Jetzt kommt die zweite Nachfrage. Bitte schön.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722107500

Noch in der ersten Frage.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722107600

Ja, Ihre erste Frage; bei mir ist es die zweite.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722107700

He
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722107800
Wie wollen
Sie sicherstellen, dass in diesem beschleunigten Verfah-
ren die Meinung sowohl der verschiedenen Ministerien
als auch des Bundestages, der ja im Prinzip sozusagen
Ihr Weisungsgeber ist, ausreichend berücksichtigt wer-
den kann?

H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1722107900


Herr Kollege, das ist genauso wie in den dreistufigen
Verfahren. Es ist nicht so, dass durch das Trilogverfah-
ren irgendeine Stufe komplett ausgeschaltet wird, son-
dern die Bundesregierung hat über den Wettbewerbs-
fähigkeitsrat immer Möglichkeiten, einzuwirken. Das
Europäische Parlament muss beteiligt werden. Ich habe
Ihnen bereits geschildet, dass der Ausschuss für Binnen-
markt und Verbraucherschutz des Europäischen Parla-
ments zurzeit noch mit sich ringt, ob er diesem Verfah-
ren zustimmt.

Deswegen: Ich meine, es ist kein Nachteil, dass ein
Punkt, der über lange Zeit sehr sorgfältig diskutiert wor-
den ist, dann auch in einem demokratischen Verfahren
zur Abstimmung kommt. Ich sehe keinen Vorteil darin,
Herr Lenkert, dass man jetzt ein unter Umständen jahre-
langes Diskussionsverfahren beginnt. Die Dinge liegen
auf dem Tisch.

Ich werde gleich auch zu Ihrer zweiten Frage, die das
Inhaltliche betrifft, Stellung nehmen. Ich denke, die
Frage ist sehr übersichtlich. Dabei werden wir beide

mutmaßlich unterschiedlicher Auffassung sein; aber die
Frage ist entscheidungsreif.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722108000

Vielen Dank. – Noch zu der Frage? – Bitte schön,

Herr Hunko.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722108100

Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage, die sich

auch auf das Verfahren bezieht. Am 12. und 13. April
tagt in Dublin ein informeller EU-Ministerrat für Wirt-
schaft und Finanzen. Meine Frage ist, ob dort auch über
die Konzessionsrichtlinie gesprochen wird und ob Sie
auf eine Änderung der Richtlinie oder auch auf eine
Änderung des Zeitplans drängen, die es ermöglichen
würde, dass sich der Bundestag damit befassen und seine
Meinung einbringen kann.

H
Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722108200


Lieber Herr Kollege Hunko, nehmen Sie es mir nicht
übel, aber ich weiß nicht, ob sich der EU-Ministerrat für
Wirtschaft und Finanzen, der Ecofin-Rat, in Dublin
damit beschäftigen kann. Ich gehöre diesem Rat nicht
an. Die Entscheidung über das Verfahren liegt jetzt in
Händen des Binnenmarktausschusses des Europäischen
Parlaments. Wenn der Binnenmarktausschuss des Euro-
päischen Parlaments grünes Licht gibt, gilt: Alle anderen
Beteiligten haben diesem ordnungsgemäßen Verfahren
zugestimmt, und die Beteiligung des Deutschen Bundes-
tages und des Europäischen Parlaments allzumal ist wie
immer gewährleistet. Es ist keineswegs so, dass das Tri-
logverfahren ein Geheimverfahren hinter geschlossenen
Türen wäre; es ist vielmehr ein Verfahren, das im Regel-
fall angewendet wird und das alle demokratischen Mit-
wirkungsmöglichkeiten der Beteiligten garantiert.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722108300

Vielen Dank. – Jetzt rufe ich die Frage 3 auf, die

gleichzeitig die zweite Frage des Kollegen Ralph
Lenkert ist:

Werden die Vertreter der Bundesregierung in Rat und
Kommission der EU dem vorliegenden Entwurf der Konzes-
sionsrichtlinie zustimmen, der eine Privatisierung der kom-
munalen Wasserwirtschaft in Deutschland ermöglicht?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722108400


Diese Frage des Kollegen Lenkert kann ich bejahen.
Die Bundesregierung hat im EU-Wettbewerbsfähigkeits-
rat am 10. Dezember 2012 dem Verhandlungsmandat für
den anstehenden Trilog zum Entwurf der Konzessions-
richtlinie mit dem Europäischen Parlament und der
Kommission zugestimmt und damit auch grünes Licht
für den Entwurf der Konzessionsrichtlinie gegeben.

Aus gegebenem Anlass – weil es auch eine große Dis-
kussion in der europäischen Öffentlichkeit gibt – will ich
darauf hinweisen, dass sich aus dem Richtlinienentwurf
kein Zwang zur Privatisierung, auch nicht im Bereich
der Wasserwirtschaft, ergibt.





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zwang nicht!)


Das ist absolut klar und unzweifelhaft: Es gibt keinen
Zwang zur Privatisierung der Wasserwirtschaft, auch
wenn das in der Öffentlichkeit seit langer Zeit immer
wieder anders behauptet wird.

Schon heute können Kommunen darüber entscheiden,
ob sie die Wasserversorgung selbst erbringen oder sich
dafür eines privaten Unternehmens bedienen wollen.
Diese Wahlfreiheit der Kommunen, von der viele Kom-
munen Gebrauch gemacht haben, bleibt nach dem Ent-
wurf der Konzessionsrichtlinie auch künftig gewahrt.
Wenn aber, Herr Kollege Lenkert, eine Kommune sich
dazu entscheidet, die Wasserversorgung an einen Priva-
ten zu vergeben, dann muss die Kommune dies transpa-
rent und diskriminierungsfrei tun.

Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Kollege Lenkert,
dass Sie irgendetwas dagegen haben, dass dann, wenn
die Wasserversorgung an einen Privaten vergeben wird,
das transparent und diskriminierungsfrei zu erfolgen hat.
Nur dies ist in der Konzessionsrichtlinie – auch in Nach-
zeichnung einer ohnedies seit vielen Jahren bestehenden
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – ent-
halten und nichts davon, dass hier ein irgendwie gearte-
ter Zwang zur Privatisierung ausgeübt wird. Das ist defi-
nitiv nicht der Fall.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722108500

Herr Kollege Lenkert, Ihre erste Nachfrage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722108600

Herr Staatssekretär, in dem Fall, dass man die Kon-

zessionsrichtlinie für sich allein betrachtet, könnte ich
Ihnen fast zustimmen. Aber es gibt bei uns eine Schul-
denbremse und viele Kommunen, die unter der Finanz-
aufsicht der Länder stehen.

In diesem Zusammenhang besteht folgende Situation:
Wenn eine Kommune in ihr Wassernetz investieren
muss, um es zu modernisieren, und wenn die Finanzauf-
sicht die dafür notwendigen Kredite nicht genehmigt,
dann ist die Kommune durch die Finanzaufsicht ge-
zwungen, dieses Wassernetz öffentlich auszuschreiben.
Damit erzeugen Sie doch indirekt einen Zwang zur Pri-
vatisierung von Maßnahmen in Bereichen der Daseins-
vorsorge. Diesen Zwang üben Sie indirekt aus.

Da es aus meiner Sicht gerade im kommunalen Be-
reich unabhängig von der Parteimitgliedschaft Konsens
ist, dass die Wasserversorgung in der Hoheit der öffentli-
chen Hand bleiben soll, frage ich Sie noch einmal: Wer-
den Sie eine Veränderung der Konzessionsrichtlinie an-
streben?

H
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722108700


Lieber Herr Kollege, die Logik Ihrer Frage erschließt
sich mir nicht.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich kann verstehen, dass Sie das nicht können!)


Wenn sich manche Kommunen aufgrund ihrer schwieri-
gen finanziellen Lage, wie Sie sagen, veranlasst sehen,
über eine Privatisierung ihrer Wasserversorgung nachzu-
denken, dann hat das nichts, aber auch gar nichts mit der
Konzessionsrichtlinie zu tun. Schon bisher, ohne diese
Konzessionsrichtlinie, waren die Kommunen in der
Lage oder, wie Sie sagen, manchmal sogar gezwungen,
ihre Wasserversorgung an Private zu vergeben.

Ich meine sogar, umgekehrt wird ein Schuh daraus,
Herr Kollege Lenkert. Wir sorgen mit der Konzessions-
richtlinie und den nachfolgenden Gesetzen, die dann in
Deutschland dazu getroffen werden, dafür, dass eine
Kommune die Wasserversorgung nicht unter der Hand
an irgendeinen Spezi vergeben kann, sondern das muss
in einem transparenten, diskriminierungsfreien Verfah-
ren ablaufen. Das heißt im Klartext: Es ist doch eher ein
Hemmnis für eine Kommune, die Wasserversorgung an
einen Privaten zu vergeben, da sie gezwungen ist, sie in
einem sauberen Verfahren zu vergeben.

Alles, was innerhalb von öffentlicher Verwaltung ge-
schieht – dies betrifft auch die Zusammenarbeit von
Wasserversorgungsverbänden und -genossenschaften –
unterliegt nicht der Konzessionsrichtlinie, muss nicht in
dem dort festgelegten Verfahren vergeben werden, son-
dern kann in freiem Verfahren erfolgen. Nur dann, wenn
ein Privater eingeschaltet wird, muss ein sauberes Ver-
fahren her. Ich kann mir wirklich nicht erklären – auch
aus Ihrer Sicht nicht, Herr Kollege –, warum Sie gegen
den Entwurf dieser Vorschrift inhaltliche Einwände er-
heben.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722108800

Kollege Ralph Lenkert, Ihre zweite Nachfrage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722108900

Herr Staatssekretär, viele Kommunen haben Stadt-

werke, die im Querverbund arbeiten.

H
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722109000


Ja.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722109100

Genau an dieser Stelle setzt Ihre Konzessionsrichtli-

nie an. Wenn es nämlich in den Stadtwerken auch noch
private Beteiligungen gibt, dann ist nach dieser Konzes-
sionsrichtlinie eine Vergabe innerhalb der Stadtwerke im
Prinzip ausgeschlossen, dann muss europaweit ausge-
schrieben werden. Damit zwingen Sie de facto die Kom-
munen, die Hoheit aufzugeben. Dies sollte auch Ihnen
bekannt sein. Ich behaupte hier, dies ist der eigentliche
Grund, weshalb das Wirtschaftsministerium dieser Kon-
zessionsrichtlinie zugestimmt hat.

Jetzt bitte ich Sie, mir meine Aussage zu widerlegen.

H
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722109200


Das will ich gerne tun. – Lieber Herr Kollege, ganz
einfach: Das, was in der Konzessionsrichtlinie steht, ist





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


ohnedies gängige, anerkannte Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofs.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Dann brauchen wir sie doch nicht!)


– Moment. – Der Europäische Gerichtshof ist seit vielen
Jahren der Meinung, dass, wie bei der Vergabe von ande-
ren Leistungen, insbesondere beim Einkauf von Waren
und Ähnlichem, ein sauberes Verfahren bei bestimmten
Grenzen festgelegt werden muss. Der Europäische Ge-
richtshof war der Meinung, dass das auch für Dienstleis-
tungskonzessionen gilt. Diese Rechtsprechung besteht.

Warum gibt es diese Richtlinie? Um einige rechtliche
Zweifelsfragen im Detail zu beseitigen und um für
Rechtsklarheit für alle zu sorgen. Lieber Herr Kollege,
es ist nicht so – insbesondere in der Wasserversorgung
nicht –, dass sich durch diese Richtlinie irgendetwas an
der rechtlichen Lage ändern würde; das ist nicht der Fall.
Vielmehr wird die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes gesetzlich verankert.

Deswegen muss ich Ihnen offen sagen: Die große
Aufregung, die inzwischen in der Öffentlichkeit über
den Entwurf der Konzessionsrichtlinie herrscht, kann
ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722109300

Wir kommen jetzt zu weiteren Nachfragen zu dieser

Frage. Zunächst Kollegin Dagmar Enkelmann.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722109400

Herr Staatssekretär, Sie reden von Transparenz und

sauberen Verfahren. Wir reden aber über die Privatisie-
rung eines öffentlichen Guts. Erfahrungen, was die Pri-
vatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge betrifft, ha-
ben wir in den letzten Jahren zuhauf gemacht. Deswegen
lautet meine Frage: Hat die Bundesregierung die Folgen
einer möglichen Privatisierung – einschließlich die der
Wasserversorgung – tatsächlich geprüft, um schon jetzt
sagen zu können, dass sie dieser Konzessionsrichtlinie
zustimmt, und wie stehen Sie zu der Europäischen Bür-
gerinitiative und den mehr als einer Million Menschen
– ich hoffe, dass es noch mehr werden –, die sich gegen
eine Privatisierung der Wasserversorgung aussprechen?

H
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722109500


Liebe Frau Kollegin Enkelmann, schon bevor dieser
Richtlinienentwurf auch nur erörtert wurde, seit Jahr-
zehnten, gibt es in Deutschland private Wasserversorger,
die Leistungen mit höchster Qualität und ohne jegliche
Bedenken erbringen. Es ist nicht so, dass Leistungen nur
dann gut sind, wenn sie von kommunaler bzw. staatli-
cher Hand erbracht werden. Es gibt viele private Anbie-
ter – auch bei den Wasserversorgern –, die Produkte mit
hervorragender Qualität anbieten, ohne dass das jemals
– auch von Ihnen nicht – gerügt worden wäre. Allein
weil die privaten Unternehmen der Wasserversorgung
keinen Anlass zu Bedenken geben, sehen wir überhaupt
keinen Grund, die Privatisierung der Wasserversorgung
zu verbieten, was Sie offensichtlich wollen.


(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


– Lieber Herr Kollege, lassen Sie mich meine Antwort
noch zu Ende ausführen.

Wie stehe ich, wie steht die Bundesregierung zu die-
ser Europäischen Bürgerinitiative? Wir sind der Auffas-
sung, dass diese Bürgerinitiative Behauptungen aufstellt,
die so nicht der Wahrheit entsprechen. Wir sind der Auf-
fassung, dass der Vorwurf, dass hier eine Privatisierung
der Wasserversorgung erzwungen werde, falsch ist. Ich
habe schon versucht, das dem Kollegen Lenkert klarzu-
machen; ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist. Auf je-
den Fall werden wir den Bürgerinnen und Bürgern, die
diese Bürgerinitiative unterstützen, sagen, dass es nicht
berechtigt ist, solche Gefahren heraufzubeschwören, wie
es diese Bürgerinitiative tut.

Ich möchte Ihnen, liebe Frau Kollegin Enkelmann,
nahelegen: Lesen Sie den Konzessionsrichtlinienent-
wurf, und Sie werden feststellen, dass das, was die Bür-
gerinitiative behauptet, in dieser Konzessionsrichtlinie
mitnichten enthalten ist.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wiederum ist Quatsch!)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722109600

Kollege Oliver Krischer stellt die nächste Nachfrage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722109700

Herr Staatssekretär Otto, ich interpretiere Ihre Aussa-

gen so, dass all diejenigen, die sich dazu kritisch äußern
– die Bürgerinitiative, viele Verbände und kommunale
Spitzenverbände –, das Ganze nicht richtig verstanden
haben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nur der Herr Staatssekretär kennt sich aus!)


H
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722109800


Nein, das habe ich so nicht gesagt.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722109900

Das Wort hat der Kollege Oliver Krischer.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722110000

Ich werde gleich eine entsprechende Frage stellen.

Dann können Sie mir das noch einmal erläutern.

Ich habe eine Debatte im Wirtschaftsausschuss ver-
folgt, in der sich vier von fünf Fraktionen – das waren
nicht nur Oppositionsfraktionen – kritisch bzw. teilweise
sehr kritisch zu diesem Richtlinienentwurf geäußert ha-
ben. Sie stellen das jetzt so dar, als ob es nach der Richt-
linie keinen Zwang zur Ausschreibung gäbe. Das mag
für kommunale Unternehmen zutreffen, die allein die
Wasserversorgung betreiben. Das ist in Deutschland aber
eher der Ausnahmefall; zumindest gibt es sehr viele
kommunale Stadtwerke, die die Wasserversorgung im
Verbund mit Energieversorgung und anderen Dienstleis-
tungen in privatwirtschaftlicher Rechtsform, etwa der





Oliver Krischer


(A) (C)



(D)(B)


GmbH, betreiben. Das ist das, was die Bürgerinnen und
Bürger kennen.

Deshalb meine Frage an Sie: Muss die Kommune
nach dem vorliegenden Richtlinienentwurf nie aus-
schreiben, wenn solche Unternehmen dort tätig sind, und
würden Sie als Bundesregierung das dann auch weiter-
hin in Brüssel so unterstützen?

H
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722110100


Zunächst einmal möchte ich die Gelegenheit nutzen,
klarzustellen, dass ich mitnichten gesagt habe, dass alle,
die den Aufruf der Bürgerinitiative unterschrieben ha-
ben, keine Ahnung haben. Ich habe nur darauf hingewie-
sen, dass in dem Aufruf, den ich natürlich gelesen habe,
Behauptungen enthalten sind, die der Wirklichkeit nicht
entsprechen. Das ist der Punkt, und an dem halte ich
auch fest.

Herr Kollege Krischer, um auf Ihre Frage zurückzu-
kommen: Es ist definitiv so: Wenn bei einem Unterneh-
men, das die Wasserversorgung betreiben will, außer der
öffentlichen Hand ein Privater beteiligt ist – das kann
auch in einer privatwirtschaftlichen Rechtsform sein,
etwa GmbH oder AG – und die Beteiligung des Privaten
nicht größer ist als 20 Prozent, dann ist die Leistung
nicht auszuschreiben.

Die Fälle, die Sie genannt haben, bestätige ich. Es ist
so, dass viele Stadtwerke nicht nur die Wasserversor-
gung, sondern auch die Energieversorgung, die Abfall-
entsorgung usw. betreiben. Wenn die private Beteiligung
nicht über 20 Prozent liegt, ist das nach wie vor, wie bis-
her, nicht ausschreibungspflichtig. Die Stadtwerke kön-
nen sich mit einem benachbarten Stadtwerk und auch
mit einer GmbH, die in einer benachbarten Kommune in
kommunaler Hand ist, zusammentun.

In dem Moment, wo eine Kommune sagt: „Wir neh-
men einen privaten Investor herein, der mehr als 20 Pro-
zent der Anteile des Unternehmens hat“, besteht doch
die Frage: Was ist eigentlich dagegen einzuwenden, dass
die Vergabe dann transparent und diskriminierungsfrei
erfolgen soll? Wollen Sie es wirklich zulassen, dass un-
ter Umständen irgendein Amigo – ein grüner, schwarzer,
blauer oder was auch immer – den Auftrag bekommt und
möglicherweise bestimmte Vorteile erlangt? Das wollen
Sie sicher nicht. Sie werden doch mit mir gemeinsam da-
für kämpfen, dass die Vergabe an einen Privaten diskri-
minierungsfrei erfolgt. Darüber sind wir uns, Grüne und
Bundesregierung, doch völlig einig, hoffe ich.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722110200

Ich bitte, jetzt immer auch auf die Zeit zu achten, da

wir noch viele weitere Fragen haben. – Als Nächster un-
ser Kollege Wolfgang Tiefensee. Bitte schön.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722110300

He
Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722110400
Welche Leistun-
gen der kommunalen Daseinsvorsorge werden jetzt neu-
erdings in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie

einbezogen und demzufolge einer neuen Form von Wett-
bewerb unterworfen?

Es ist nicht so, wie Sie suggerieren, dass es keine Re-
geln gäbe. Auch momentan müssen diese Leistungen
nach strikten Regeln ausgeschrieben werden. Das sind
die allgemeinen Regeln, Verfahrensweisen der Europäi-
schen Union; das ist in einem Vertrag mit allgemeinen
Grundsätzen geregelt.

Jetzt ist die Frage: Nimmt man diese Leistungen der
öffentlichen Daseinsvorsorge in den Anwendungsbe-
reich der Richtlinie hinein und stellt sie in einen beson-
deren Wettbewerb? Da frage ich Sie nun: Wieso ist es
möglich, Rettungsdienste und kommunale Kreditbe-
schaffung mehr oder minder mit einem Federstrich aus
dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie he-
rauszunehmen, die Wasserversorgung aber nicht, obwohl
doch Letztere wesentlich mehr zur Daseinsvorsorge bei-
trägt? Oder würden Sie im Umkehrschluss behaupten,
dass beim Rettungswesen die Amigos, egal ob schwarz,
braun oder grün, Zugriff haben dürfen?

H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1722110500


Herr Kollege Tiefensee, um das noch einmal klarzu-
stellen: Es ist nicht so, dass wir, wie Sie eben formuliert
haben, die Wasserversorgung durch die Konzessions-
richtlinie einem zusätzlichen Wettbewerb aussetzen. Es ist
vielmehr so, dass wir die Vergabe der Wasserversorgung
einem sauberen und transparenten Verfahren unterwerfen
wollen, wie das der Regelfall bei allen Dienstleistungs-
konzessionen ist, die von einer Kommune vergeben wer-
den.

Sie sprechen die Ausnahmen beispielsweise für die
Rettungsdienste an. Ich habe diese Ausnahme nicht ein-
geführt; ich persönlich bin der Meinung, dass man
durchaus bei allem sauber und transparent verfahren
könnte.

Bei der Wasserversorgung hat man möglicherweise
deshalb keine Ausnahme vorgesehen, weil die wirt-
schaftlichen Volumina, die bei der Wasserversorgung an-
fallen, natürlich einen ungleich größeren Umfang haben
als diejenigen bei einem Rettungsdienst – so wichtig ein
Rettungsdienst auch ist, auch der Rettungsdienst dient
der Daseinsvorsorge und ist eine sehr wichtige Einrich-
tung.


(Jens Ackermann [FDP]: Sehr richtig!)


Aber wir reden natürlich bei der Wasserversorgung über
Werte, über wirtschaftliche Volumina, die um einen Fak-
tor X wesentlich größer sind. Das wird mutmaßlich die
Überlegung sein.

Herr Kollege Tiefensee, ein Angebot: Wenn Sie der
Meinung sind, dass zukünftig für alle Dienstleistungs-
konzessionen Ausschreibungspflicht gelten soll, können
Sie jedenfalls mit mir darüber reden.


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Eine grobe Verzerrung! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!)







(A) (C)



(D)(B)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722110600

Nächster Fragesteller: unser Kollege Dr. Diether

Dehm.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722110700

Herr Kollege und Herr Staatssekretär, Sie sind mir

auch persönlich gut bekannt als gebildeter Mensch, der
Verständnis dafür hat, dass so viele Kulturschaffende, –

H
Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722110800


Jetzt nicht so viel Lob, das macht mir nur Probleme.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722110900

– die Sie kennen, beispielsweise der Kabarettist

Pelzig, die Initiative gegen die Wasserprivatisierung un-
terstützen. Ich will den Streit einmal beiseitelassen, –


Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722111000

Deshalb wollten Sie fragen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722111100

– da Sie ja prinzipiell der Meinung sind, dass die Pri-

vaten das alles so gut können, wir hingegen immer mei-
nen, dass zivilisierte, öffentlich kontrollierte Regeln
auch für die Bürger zu einem höheren Maß an Transpa-
renz und zu nachvollziehbarer Qualitätskontrolle führen.

Ich will Sie fragen – das ist eine ganz persönliche
Frage, weil ich weiß, dass Sie nicht nur mit der Kultur
viel zu tun, sondern auch einen guten Geschmack haben –,
ob Sie denn seit der Übernahme der Wasserversorgung
in London durch ein privates Unternehmen einmal in
London waren. Thames Water, eine frühere Tochter von
RWE, hat dort die Wasserversorgung übernommen. Jetzt
wird das Themsewasser zu Trinkwasser recycelt. Ich
frage Sie, ob Sie nach dieser Übernahme durch ein pri-
vates Unternehmen, eine ehemalige Tochter von RWE,
einmal in London waren und dort freiwillig aus dem
Wasserhahn getrunken haben.

H
Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722111200


Lieber Kollege Dr. Dehm, eine persönliche Frage,
eine persönliche Antwort: Ich war in den letzten andert-
halb Jahren nicht in London, und ich würde ohnedies
– das kann ich Ihnen sagen – in keinem Fall aus dem
Wasserhahn trinken, egal ob das Wasser von RWE oder
von einem kommunalen Wasserversorger ist.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nicht einmal hier im Bundestag?)


– Nein, auch nicht hier im Bundestag. Es gibt hier wun-
derbare Angebote. Ich will doch, dass die Kantine Um-
satz macht. Ein paar Cent sind bei einem Staatssekretär
noch übrig, um sich ein Mineralwasser zu kaufen.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722111300

Nächste Nachfrage – wir sind immer noch bei der

Frage 3 –: Kollege Andrej Hunko. Bitte schön, Herr
Hunko.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722111400

Herr Kollege, Sie hatten eben in der Antwort auf Kol-

legen Lenkert der Europäischen Bürgerinitiative „right
to water“ unterstellt, dass sie die Konzessionsrichtlinie
falsch interpretiert und sozusagen als Schreckensszena-
rio eine Privatisierung an die Wand malt.

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass die
Konzessionsrichtlinie gar nicht direkter Gegenstand die-
ser Europäischen Bürgerinitiative ist – dazu würde ich
Sie auch gern fragen –; vielmehr geht es darum, dass die
Kommission einen neuen Vorschlag macht – ich zitiere –,
der „das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grund-
versorgung entsprechend der Resolution der Vereinten
Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser-
und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentli-
che Dienstleistung für alle Menschen fördert“.

Das ist der Vorschlag, zu dem jetzt Unterschriften ge-
sammelt werden. Er bezieht sich aber nicht direkt auf die
Konzessionsrichtlinie und ist übrigens schon älter als die
ganze Debatte um diese Richtlinie. Vielleicht dazu noch
einmal die Frage: Könnten Sie dieses Anliegen unter-
stützen?

H
Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722111500


Lieber Herr Kollege Hunko, Sie haben die Frage 6 ge-
stellt, die sich genau auf diesen Sachverhalt bezieht. Ich
würde vorschlagen, dass ich an dieser Stelle darauf ein-
gehe.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722111600

Nein, das machen wir nicht. Wir gehen nach der ur-

sprünglichen Reihenfolge vor, weil ansonsten diejenigen
benachteiligt sind, die Fragen zu den Fragen 4 und 5 ha-
ben.

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722111700


Also gut, Herr Präsident, dann mache ich das sehr
gerne so.

Lieber Herr Kollege Hunko, es ist in der Tat so, dass
die UNO-Vollversammlung den Zugang zu sauberem
Wasser als ein elementares Menschenrecht bezeichnet
hat. Dieser Auffassung schließt sich die Bundesregie-
rung selbstverständlich an. Wir sind allerdings der Auf-
fassung, dass der Zugang zu sauberem Wasser mitnich-
ten nur durch öffentliche, staatliche Institutionen
gewährleistet werden kann. Kollege Tiefensee hat vorhin
beispielsweise die Rettungsdienste angesprochen; ich
nenne ein anderes Beispiel: die Krankenhäuser. Es gibt
ein elementares Menschenrecht auf Gesundheit. Aber
deswegen betreiben wir nicht jeden Rettungsdienst und
auch nicht jedes Krankenhaus in staatlicher Regie. Nie-
mand zweifelt daran, dass der Zugang zu sauberem Was-
ser ein elementares Menschenrecht ist.

Aber ich bin Ihnen jedenfalls in einem Punkt sehr
dankbar: Diese Bürgerinitiative, die in der Öffentlichkeit
immer so dargestellt wird, als wende sie sich gegen die
Konzessionsrichtlinie, strebt in Wahrheit eine Verände-





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


rung des rechtlichen Status an. Ich stelle klar: Durch die
Konzessionsrichtlinie erfolgt keine Veränderung des der-
zeitigen Status; es erfolgt nur eine Klarstellung des be-
stehenden rechtlichen Zustandes. Wer also eine Verände-
rung des rechtlichen Zustandes möchte, das sind
diejenigen, die diese Bürgerinitiative unterstützen. Die-
ser Auffassung kann man ja sein; Sie sind es mutmaß-
lich. Nur, wir von der Bundesregierung sind nicht der
Auffassung, dass das Menschenrecht auf Zugang zu sau-
berem Wasser nur vom Staat und durch öffentliche Stel-
len gewährleistet werden kann. Vielmehr sind wir der
Meinung, dass es viele gute, hoch leistungsfähige, zu-
verlässige private Wasserversorger in Deutschland und
auch in anderen Ländern gibt.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722111800

Wir kommen nun zur Frage 4 des Kollegen Oliver

Krischer:
Wann wird das eigentlich für „Ende Dezember 2012“


(siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/10984)

Kurzgutachten bei der Prognos AG zur Ermittlung der Daten-
und Informationsgrundlagen zur Entwicklung eines Konzepts
für die nationale Umsetzung von Art. 7 der EU-Energieeffizi-

(Zwischengebnissen ist das Gutachten bisher gekommen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. H Lieber Herr Kollege Krischer, Sie fragen danach, wann ein von Ihnen genau bezeichnetes Gutachten der Prognos AG veröffentlicht werde. Da wir uns ja so gut verstehen, kann ich Ihnen die erfreuliche Nachricht geben, dass der Endbericht der Prognos AG zum Kurzgutachten „Endenergieeinsparungsziel gem. Art. 7 EED und Abschätzung der durch politische Maßnahmen erreichbaren Energieeinsparungen“ – das ist der etwas sperrige Titel des Gutachtens – zwischenzeitlich auf den Internetseiten des BMWi veröffentlicht worden ist und von Ihnen und von jedem und jeder anderen abgerufen werde kann. Wir freuen uns darüber, wenn davon rege Gebrauch gemacht wird. Und trotzdem möchte der Kollege Oliver Krischer nachfragen. – Bitte schön. Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Da sieht man, wie erfolgreich eine Frage sein kann: Sie haben das Gutachten gestern pünktlich zur Beantwortung der Frage veröffentlicht. Noch einmal herzlichen Dank dafür, dass das so prompt geklappt hat. H So bin ich. Das ist aber auch nicht irgendein Gutachten, sondern das ist das Gutachten, das die Grundlage dafür sein soll – so steht es jedenfalls in einer Beantwortung einer älteren Anfrage der grünen Bundestagsfraktion –, wie die Energieeffizienzrichtlinie in Deutschland umgesetzt werden soll. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie sich mit diesem Gutachten intensiver beschäftigt haben. Mich würde natürlich interessieren, welche Konsequenzen Sie jetzt daraus ziehen. Ganz konkret gefragt: Welche der genannten oder nicht genannten Maßnahmen wird die Bundesregierung denn nun ergreifen, um das von der EU vorgegebene Energieeffizienzziel zu erreichen? H Lieber Herr Kollege Krischer, Sie trauen mir ja viel zu, wenn Sie meinen, dass ich ein Gutachten allein deswegen ins Netz stelle, weil Sie mich hier fragen. Ich kann Sie beruhigen: Diese Einflussmöglichkeiten habe ich nicht. Die Prognos AG hat uns das Gutachten ein bisschen verspätet geliefert, man schaut es sich auch noch an, und dann ist es gestern ins Netz gestellt worden. Ich freue mich jedenfalls darüber, dass ich Ihnen jetzt Vollzug melden kann. Sie werden es sicherlich aber nicht als unziemlich betrachten, dass wir zu einem Gutachten von diesem Umfang und von dieser politischen Bedeutung, worauf Sie zu Recht hingewiesen haben, das wir erst vor wenigen Tagen erhalten haben, noch keine Auswertung fertiggestellt haben, sodass wir Ihnen auch noch keine abschließende Antworten auf all diese Fragen geben können. Ich kann allerdings schon eine erste, vorläufige zusammenfassende Stellungnahme abgeben: Die Bundesregierung fühlt sich durch dieses Gutachten sehr darin bestätigt, da es zu dem Ergebnis kommt, dass wir dann, wenn man all die Instrumente zusammenrechnet, die wir in Deutschland zur Steigerung der Energieeffizienz haben, das von Art. 7 der Energieeffizienzrichtlinie geforderte Einsparziel erreichen. Deswegen fühlen wir uns durch dieses Gutachten – das ist eine vorläufige und zusammenfassende Bewertung – durchaus bestätigt. Ich gehe davon aus, lieber Herr Kollege Krischer, dass wir in den zuständigen Ausschüssen über dieses Gutachten und über die einzelnen Maßnahmen – das ist völlig legitim und richtig – noch ausgiebig diskutieren werden. Ihre weitere Nachfrage, Herr Kollege Krischer. Herzlichen Dank. – Herr Otto, ich teile Ihre Einschät zung, dass dieses Gutachten – das sagen auch viele Fachleute, die es geschafft haben, dieses seit gestern veröffentlichte Gutachten zu bewerten – zu dem Ergebnis kommt, man müsse über die bisherigen Maßnahmen hinaus fast gar nichts mehr tun, um das Effizienzziel zu erreichen. Das erstaunt alle, die sich mit dem Thema Ener Oliver Krischer gieeffizienz auseinandersetzen. Wenn man sich das Gutachten anschaut, sieht man, dass zum Beispiel die Lkw-Maut oder der Ausbau der erneuerbaren Energien, den ich ausdrücklich unterstütze, der aber zunächst einmal nichts mit Energieeffizienz zu tun hat, sondern nur eine andere Form der Energieerzeugung ist, und eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, wie zum Beispiel Netzentgelte, in Anrechnung gebracht werden, um bestimmte Vorgaben der EU rechnerisch zu erfüllen. Meine Frage ist: Sehen Sie das auch so? Finden Sie, dass zum Beispiel der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Lkw-Maut usw. ein Teil der Umsetzung der EU-Effizienzrichtlinie sind? H Lieber Herr Kollege Krischer, ich wiederhole: Eine Diskussion darüber wird noch sorgfältig in den Ausschüssen geführt werden müssen. Da die Befragung allein dieses Ressorts schon relativ viel Zeit in Anspruch genommen hat, möchte ich mit Blick auf den Herrn Präsidenten keine lange Antwort geben. Klar ist – das ist das Einzige, was ich dazu sagen will –, dass Maßnahmen, die zur Erhöhung der Energieeffizienz maßgeblich beitragen, egal zu welchem Zeitpunkt sie begonnen wurden, selbstverständlich in zulässiger Weise im Rahmen des Art. 7 der Energieeffizienzrichtlinie berücksichtigt werden können. Welche es dann sind, darüber werden wir noch im Einzelnen diskutieren. Vielen Dank. – Jetzt rufe ich die Frage 5 des Frage stellers Oliver Krischer auf: Wie sieht der weitere Zeitplan für gesetzliche Regelungen bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas vor dem Hintergrund aus, dass „noch in dieser Wahlperiode“ klare gesetzliche Regeln vonseiten der Bundesregierung geschaffen werden sollen welche angeforderten konkreten Regelungsvorschläge (bitte einzeln aufschlüsseln)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722111900
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722112000
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722112100
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722112200
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722112300
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722112400
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722112500
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722112600




(A) (C)


(D)(B)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722112700
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722112800
eingebracht?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722112900


Meine Antwort: Eine Arbeitsgruppe der Koalitions-
fraktionen hat sich Ende Januar darauf verständigt, dass
die zuständigen Ressorts – es sind vier – der Arbeits-
gruppe Regelungsvorschläge zum Fracking bis zur Sit-
zungswoche vom 18. bis zum 22. Februar, also bis zum
Ende dieser Woche, vorlegen. Derzeit erarbeiten – genau
in diesem Moment; das weiß ich – das Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Technologie sowie das Bundes-
ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit Regelungsvorschläge zur Änderung des
Wasserhaushaltsgesetzes – das wird vom BMU gemacht –
bzw. zur Änderung der UVP-Verordnung Bergbau – das
wird vom Bundeswirtschaftsministerium gemacht – auf-
grund der konkreten Vorstellungen und Anregungen der
Fraktionen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Dies ist ein sehr engagierter Zeitplan. In der nächsten

Woche haben wir wieder eine Sitzungswoche. Dann
werden Sie mit Sicherheit wissen, wie diese Vorschläge
aussehen. Bis zum Ende dieser Woche muss ich Sie lei-
der um Geduld bitten.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722113000

Und trotzdem hat der Kollege Oliver Krischer eine

Nachfrage.

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722113100


Ich habe es befürchtet.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722113200

Wenn Sie bei diesem Thema immer so schnell arbei-

ten würden, wäre es schön. Wir hören seit zweieinhalb
Jahren immer wieder, es soll Gesetzesinitiativen bzw.
Gesetzesänderungen geben. Das haben wir schon von
verschiedenen Ministern gehört, die heute nicht mehr im
Amt sind, und am Ende ist nie etwas passiert. Deshalb
gestatten Sie mir eine Nachfrage. Ich erlebe jetzt den
Kollegen Altmaier, der sich zu diesem Thema sehr inten-
siv äußert und sogar ein generelles Fracking-Verbot in
die Debatte bringt, was ich mit den Koalitionsfraktionen
bisher gar nicht so sehr in Verbindung gebracht habe,
sondern eher mit anderen Teilen dieses Hauses.

Es wird unter anderem auch immer gesagt, Fracking
in Trinkwasserschutzgebieten solle verboten werden;
dies solle ein Teil der neuen Regelung sein. Nach meiner
Kenntnis gibt es in Deutschland drei Trinkwasserschutz-
zonen: I, II und III. In den Zonen I und II ist Fracking
nach gängiger Regelung ohnehin nicht zugelassen. Es
bliebe noch die Trinkwasserschutzzone III. Hier ist dies
in der Regel auch nicht zulässig oder nur unter bestimm-
ten Einschränkungen. Mich würde einfach interessieren:
Was planen Sie im Hinblick auf Trinkwasserschutzge-
biete im Detail?

H
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722113300


Lieber Herr Kollege Krischer, ich habe das Gefühl,
dass Sie bei meiner Antwort auf die erste Frage nicht
aufmerksam zugehört haben. Ich habe Ihnen gesagt:
Über die Details können wir frühestens in der nächsten
Woche reden. – Ich möchte Ihnen auch sagen, dass Herr
Bundesumweltminister Altmaier keineswegs einem all-
gemeinen Verbot von Fracking das Wort geredet hat; er
hat nur gesagt: Wenn wir so hohe Anforderungen stellen,
wie wir es momentan vorhaben, dann wird es sehr
schwer werden, in Deutschland Fracking zu betreiben. –
Das will ich so wiedergeben, obwohl ich nicht für Herrn
Altmaier verantwortlich bin; das sind andere Kollegen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie antworten für die Bundesregierung insgesamt!)


Aber ich denke, dass man hier nicht stehen lassen kann,
dass Herr Altmaier jemals von einem Verbot von Fra-
cking in Deutschland gesprochen hat.





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)



(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie fracken wollen, macht es natürlich Sinn, dass wir das Leitungswasser nicht mehr trinken sollen!)


– Er hatte ja nach London gefragt und nicht nach
Deutschland.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722113400

Jetzt ist der Kollege Oliver Krischer dran. Jeder kann

sich noch melden; ich nehme das gerne auf. – Bitte
schön, Kollege Oliver Krischer.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722113500

Herr Staatssekretär Otto, da muss ich Ihnen leider wi-

dersprechen. Herr Altmaier hat laut einer Reuters-Mel-
dung vom 17. Februar wörtlich gesagt:

Wir sollten vor einem generellen Fracking-Verbot
nicht zurückschrecken …


(Zurufe von der LINKEN: Ah!)


Es gibt mehrere entsprechende Aussagen. Das heißt,
auch bei Herrn Altmaier spielt das offensichtlich eine
Rolle. Nun erleben wir es bei dem Herrn öfter, dass viel
angekündigt wird und nachher wenig dabei herum-
kommt; da kenne ich noch andere Beispiele.

Meine Frage ist: Wie steht die Bundesregierung denn
grundsätzlich zu der Thematik? Kann ich davon ausge-
hen, dass die Regelungen, an denen Sie jetzt arbeiten,
dazu führen sollen, dass Fracking in Deutschland grund-
sätzlich möglich ist, oder kann ich davon ausgehen, dass
am Ende tatsächlich eher eine Einschränkung vorgenom-
men wird – wie auch immer man sie vornimmt; man
muss nicht von einem generellen Verbot sprechen –, die
so weit geht, dass kein Fracking stattfindet? Sie müssten
da schon eine Grundtendenz nennen können.

H
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722113600


Lieber Herr Kollege Krischer, Sie fragen nicht nach
den Details; generell kann ich Ihnen sagen, dass es nach
dem Meinungsstand der Arbeitsgruppen, die aktuell ta-
gen, darauf hinausläuft, eine sehr eingeschränkte, ver-
antwortungsbewusste Nutzung von Fracking unter be-
stimmten Voraussetzungen zuzulassen.

Nachdem Sie es schon der Presse entnommen haben,
kann ich bestätigen, dass wir darüber nachdenken, bei
allen Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung
durchführen zu lassen, und wir in der Tat prüfen, wie es
sich mit Wasserschutzgebieten verhält; Sie haben es
eben schon angesprochen. Das sind die beiden zentralen
Punkte: Umweltverträglichkeitsprüfung und Verträglich-
keit des Frackings mit Wasserschutzgebieten.

Ich kann Ihnen – das hatte ich Ihnen schon gesagt –
auch beim besten Willen wirklich nicht mehr als das sa-
gen, weil es sich im Moment noch in der Abstimmung
befindet. Aber ich glaube, ich kann Ihnen ankündigen,
dass wir in der kommenden Sitzungswoche, die auch die
kommende Kalenderwoche ist, sprechfähig sein werden.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722113700

Zusatzfrage unserer Kollegin Frau Dorothea Steiner.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722113800

Herr Staatssekretär Otto, Ihre Formulierung – Sie

streben eine „sehr eingeschränkte, verantwortungsbe-
wusste Nutzung“ an – bringt mich zu der Frage: Wie
kann denn bei den Kenntnissen, die wir über Auswirkun-
gen des Frackens und über seine Einwirkung auf den Bo-
den haben, eine eingeschränkte, aber verantwortungs-
volle Nutzung möglich sein? Glauben Sie, dass Sie eine
solche Form der Nutzung über eine UVP erreichen kön-
nen? UVP können auch das Ergebnis haben, dass man
überhaupt nichts vornehmen darf. Was heißt hier „ver-
antwortungsbewusst“? Das ist eine Grundsatzfrage und
keine Detailfrage; es sollte sicherlich möglich sein, da-
rauf eine Antwort zu geben.

H
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722113900


Liebe Frau Kollegin Steiner, Ihnen ist sicherlich be-
kannt, dass in Deutschland bereits jetzt, in diesem Mo-
ment, und schon seit Jahrzehnten Fracking betrieben
wird. Es ist also nicht so, dass wir jetzt die Möglichkeit
eröffnen müssten. Im Gegenteil: Wir wissen um die Ge-
fahren und handeln im Hinblick auf den Schutz des
Trinkwassers und der Umwelt verantwortungsbewusst.
Wir überlegen uns zusätzliche Regeln hinsichtlich der
Frage, unter welchen Bedingungen Fracking stattfinden
oder eben nicht stattfinden darf. Es ist nicht so, dass wir
das liberalisieren. Im Gegenteil ist es so, dass wir zusätz-
liche Regelungen schaffen.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich noch was fragen?)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722114000

Nein, Frau Steiner. Der Kollege Ralph Lenkert hat

sich jetzt gemeldet. – Bitte.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722114100


Die Linke ist gegen jede Form von Fracking in konven-
tionellen Erdgaslagerstätten.

Ich möchte Ihnen folgende Frage stellen. Sie sprachen
vorhin an, dass das Wirtschaftsministerium plant, das
Bergrecht zu verändern. Im aktuellen Bergrecht ist die
Möglichkeit vorgesehen, dass per Verordnung ein Fonds
eingerichtet wird, der im Falle der Nichtzahlungsfähig-
keit des betroffenen Bergbauunternehmens bei größeren
Umweltschäden einspringt. Planen Sie im Zusammen-
hang mit Ihren Überlegungen zum Fracking, endlich ei-
nen solchen Fonds einzurichten, damit die Möglichkeit
besteht, im Schadensfall die Betroffenen zu entschädi-
gen, falls das Bergbauunternehmen nicht zahlen kann?

H
Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722114200


Lieber Herr Kollege, ich habe eben schon dem Kol-
legen Krischer sehr deutlich gesagt, dass es unverant-
wortlich wäre, Wasserstandsmeldungen über laufende





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


Abstimmungsgespräche zu übermitteln. Das betrifft Fra-
cking. Ihre Frage zielt allerdings weit darüber hinaus.
Ich darf Sie bitten, für die nächste Sitzungswoche eine
entsprechende Frage vorzubereiten, dann werden wir Ih-
nen darauf auch eine Antwort geben. Einfach so, aus der
Hüfte geschossen, zu sagen, was wir in den nächsten
zehn Jahren vielleicht alles machen, das scheint mir
nicht seriös zu sein. Ich möchte Sie anregen: Stellen Sie
Ihre Frage in mündlicher oder schriftlicher Form, dann
bekommen Sie auch eine seriöse Antwort.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kriegen wir jetzt von der Bundesregierung schon die Fragen vorgeschrieben? Das ist ein Service!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1722114300

Frau Kollegin Steiner, bitte.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722114400

Herr Staatssekretär Otto, Sie haben sich zwar gerade

etwas unverbindlich und beliebig ausgedrückt, dennoch
stelle ich fest, dass Sie zwei Bedingungen genannt ha-
ben, die gegeben sein müssen, um Fracking einzuschrän-
ken bzw. zu verhindern. Im Umkehrschluss heißt das
aber: Alles andere ist erlaubt. Das heißt, Sie wollen Fra-
cking im großen Maßstab zulassen bzw. alles beim der-
zeitigen Umfang belassen. Aber so viel zugelassenes
Fracking, wie Sie das gerade unterstellt haben, gibt es
nicht. Es gibt vielerorts Moratorien. Wir wissen, welche
Folgen verantwortungsloses Handeln hat und fragen uns
daher: Was wird sich ändern, wenn Sie Fracking doch
weiterhin zulassen wollen?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722114500


Liebe Frau Kollegin, ich überlasse das Ihrem Urteil.
Ich schließe mich dem nicht an, dass ich Ihnen unver-
bindlich und unkonkret geantwortet habe. Vielmehr
möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich Ih-
nen sogar erste Antworten und Einschätzungen auf Fra-
gen gebe, die im Moment eigentlich überhaupt noch
nicht zu beantworten sind. Ich hätte mich zurückziehen
können und sagen: Die Kollegen tagen im Moment, also
gibt es überhaupt keine Antwort.

Ich meine, dass ich sehr viel konkreter bin, wenn ich
Ihnen sage: Wir arbeiten konkret an der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung und an der Frage, inwieweit Wasser-
schutzzonen zu beachten sind. Liebe Frau Kollegin,
schon allein deswegen, weil ich den Kollegen Altmaier
sehr schätze, wäre ich doch mit dem Klammerbeutel ge-
pudert, wenn ich Ihnen hier definitiv sagen würde: Es
gibt kein Moratorium, es gibt kein Verbot und Ähnli-
ches. Ich kann Ihnen nur sagen, wie der momentane
Stand der Dinge ist.

Die Fraktionen haben sich in anderer Weise geäußert.
Aber warten wir doch alle einmal ab, wie sich die Fach-
leute, die im Moment darüber beraten, entscheiden wer-
den. Ob ein Moratorium oder ein Verbot herauskommt
oder ob es eher, wie Sie es eben beschrieben haben, auf
strengere Voraussetzungen hinausläuft, das weiß ich

nicht. Ich lege aber Wert darauf, festzuhalten: Wir stellen
auf jeden Fall zusätzliche Anforderungen an die Durch-
führung von Fracking in Deutschland. Von Ihnen wird
manchmal der Eindruck erweckt, als ob wir jetzt alles li-
beralisieren oder freigeben. Wir wissen, dass Fracking
eine sehr problematische, nur mit großem Verantwor-
tungsbewusstsein zu betreibende Abbaumethode ist, und
dementsprechend werden wir uns auch verhalten.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass wir das jetzt mal nach zwei Jahren hören!)



Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722114600

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren mit un-

serer Liste fort.

Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Andrej Hunko auf:
Inwiefern hat sich die Bundesregierung auf EU-Ebene da-

für eingesetzt, die Privatisierung der Trinkwasserversorgung
zu verbieten, und sieht sie die in den Richtlinienvorschlägen
der EU-Kommission zur öffentlichen Auftragsvergabe

(KOM[2011] 895 endg. und KOM[2011] 896 endg.) vorgese-

hene Möglichkeit zur Privatisierung der Trinkwasserversor-
gung in Widerspruch zur Resolution 64/292 der UNO-Voll-
versammlung vom 28. Juli 2010, die den Zugang zu sauberem

(bitte begründen)


Bitte schön, Herr Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722114700


Lieber Herr Präsident, ich hatte vorhin schon auf eine
ähnliche Frage des Kollegen Hunko geantwortet: Die
Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene, namentlich
bei der Konzessionsrichtlinie, dafür ein, dass das kom-
munale Selbstverwaltungsrecht gestärkt wird. Das heißt,
wir legen es in die Hand der einzelnen Kommune, ob sie
die Wasserversorgung in eigener Hand, durch Eigenbe-
triebe, in Form einer GmbH oder Ähnliches betreibt,
oder ob sie sich dafür, ganz oder teilweise, privater Un-
ternehmen bedient. Jede Maßnahme, die es verbietet, die
Trinkwasserversorgung in private Hände zu legen, wäre
eine unter Umständen sogar verfassungsrechtlich frag-
würdige Einschränkung des kommunalen Selbstverwal-
tungsrechts. Das, lieber Herr Kollege Hunko, mögen Sie
bitte auch bedenken.

Ihre Frage dazu, dass die Vollversammlung der Ver-
einten Nationen den Zugang zu sauberem Wasser als ein
elementares Menschenrecht bezeichnet hat, habe ich
auch schon beantwortet. Ich möchte das hier aber noch
einmal klarstellen: Wir teilen als Bundesregierung ohne
Wenn und Aber diesen Beschluss; aber wir sind der Mei-
nung, dass wir jedenfalls in Deutschland – so weit kön-
nen wir das als Bundesregierung beurteilen – einen Zu-
gang zu sauberem Wasser auch dort gewährleisten
können, wo private Anbieter entweder zusammen mit ei-
nem öffentlichen Anbieter oder allein die Wasserversor-
gung betreiben. Hier liegt also keine Gefährdung vor.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zu welchem Preis? Was kostet das?)






Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


– Frau Kollegin Enkelmann, ich lege Wert darauf, dass
auch nach dem Beschluss der Vereinten Nationen es den
einzelnen Vertragsstaaten ausdrücklich überlassen
bleibt, wie sie eine funktionierende Wasserinfrastruktur
schaffen und wie sie die Versorgung mit sauberem
Trinkwasser in der Zukunft vorschreiben. Es ist also
nicht so, dass die Vollversammlung der Vereinten Natio-
nen uns dazu zwingt oder auch nur an uns appelliert,
dass wir die Wasserversorgung in staatliche bzw. kom-
munale Hand nehmen. Das ist nicht der Fall.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es muss auch bezahlbar sein!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722114800

Herr Kollege Hunko, Sie haben eine Nachfrage.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722114900

Herr Kollege Otto, ich würde gerne noch einmal auf

den ersten Teil meiner Frage eingehen. Wir haben da-
rüber eben schon relativ ausführlich diskutiert, aber ich
habe doch noch eine Nachfrage dazu. Sie sagten, dass
Sie die Wasserversorgung in die Hand der Kommunen
– kommunale Selbstverwaltung – legen, dass die Kom-
munen völlig frei seien in der Entscheidung, ob sie die
Wasserversorgung in öffentlicher Hand behalten oder in
private Hände geben wollen, wofür dann jedoch eine
europaweite Ausschreibung zwingend vorgeschrieben
sei. Mit Blick auf die Schuldenbremse, auf den Fiskal-
pakt, der die Handlungsfähigkeit der Kommunen in den
nächsten Jahren weiter einschränken wird, möchte ich
nachfragen: Für wie realistisch halten Sie es angesichts
der Finanzsituation der Kommunen – ich komme aus
NRW, dort sind sehr viele Kommunen in Finanznot –,
dass die Kommunen tatsächlich eine freie Entscheidung
treffen können? Ist nicht doch ein ökonomischer Druck,
eine Druckkulisse aufgebaut worden, die letztendlich zur
Privatisierung führt?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722115000


Lieber Kollege Hunko, ich bin außerordentlich über-
rascht, dass ausgerechnet aus Ihrer Fraktion diese Frage
kommt; denn ich kann mich noch sehr genau daran erin-
nern, dass die Linksfraktion in Hamburg und anderen
Städten die Rekommunalisierung von Stromversor-
gungsnetzen forderte.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, genau!)


Das heißt, dass es den Kommunen auch in Zeiten der
Schuldenbremse und angesichts ihrer finanziellen Pro-
bleme möglich ist – auch Hamburg ist eine Kommune –,
das Rad zurückzudrehen, also nicht stärker der privaten
Seite zuzuneigen, sondern für Hunderte von Millionen
Euro ein Netz zurückzukaufen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Damit Strom auch zukünftig bezahlbar ist!)


Das beweist doch, dass es keinen zwangsläufigen Me-
chanismus gibt, dass eine Kommune gezwungen wird,
die Wasserversorgung zu privatisieren. Es ist im Gegen-

teil sogar so: Die kommunale Wasserversorgung wird in
den allermeisten Fällen von den Kommunen so betrie-
ben, dass dabei ein gewisser Gewinn herausspringt.
Wenn eine Kommune die kommunale Wasserversorgung
gut organisiert betreibt, besteht also überhaupt kein
Grund, sie zu veräußern. Wenn sie das erfolgreich betrei-
ben, dann sollen sie das auch weiter betreiben.

Klare Feststellung: Die Bundesregierung zwingt
keine Kommune, irgendetwas zu privatisieren. Wir sa-
gen nur: Wenn sie privatisieren, dann müssen sie ein fai-
res, transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren
anwenden.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722115100

Wollen Sie die Möglichkeit der zweiten Nachfrage

nutzen? – Bitte schön.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722115200

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Otto, ich will das,

was Sie gesagt haben, jetzt nicht kommentieren. Bei der
Frage, was als vorwärts- und was als rückwärtsgerichtet
angesehen wird, haben wir einfach gegensätzliche Auf-
fassungen. Wir betrachten öffentliches Eigentum gerade
im Bereich der Daseinsvorsorge als etwas, was nach
vorne gerichtet ist. Darauf will ich jetzt aber nicht näher
eingehen.

Ich will noch einmal auf die von Ihnen erwähnte
UNO-Resolution eingehen und dazu eine Nachfrage
stellen. Ich sage an dieser Stelle, dass ich froh bin, dass
Deutschland das mit unterstützt hat. Darin heißt es:

Die Generalversammlung …

– der UNO –

erkennt das Recht auf einwandfreies und sauberes
Trinkwasser und Sanitärversorgung als ein Men-
schenrecht an …

Später heißt es weiter: Sie fordert die Staaten und inter-
nationalen Organisationen auf, insbesondere für die Ent-
wicklungsländer Sorge zu tragen,

die Anstrengungen zur Bereitstellung von einwand-
freiem, sauberem, zugänglichem und erschwingli-
chem Trinkwasser und zur Sanitärversorgung für
alle zu verstärken.

Es gibt Erfahrungen mit privaten Anbietern hier in
Berlin, in London – das ist eben erwähnt worden – und
in vielen anderen Städten. Nach der Privatisierung sind
die Preise schnell gestiegen, wodurch die Erschwing-
lichkeit des Trinkwassers reduziert wurde.

Meine Frage lautet: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass
diese UNO-Resolution, der Sie zugestimmt haben, durch
das, was Sie als „vorwärts“ bezeichnen, verletzt wird?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722115300


Nein, Herr Kollege Hunko. Die Bundesregierung ver-
fügt über keinerlei Erkenntnisse, dass eine Wasserver-
sorgung durch private Unternehmen generell teurer oder
schlechter als durch kommunale Unternehmen ist. Das





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


entspricht auch der Stellungnahme des Verbandes kom-
munaler Unternehmen.

Man kann auch nach den Erfahrungen, die wir in
Deutschland machen, nicht generell sagen: Eine Dienst-
leistung, die von der öffentlichen Hand erbracht wird, ist
automatisch besser und billiger als eine Dienstleistung,
die von privater Hand erbracht wird.


(Zuruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


Deswegen sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zu
dieser von der Vollversammlung der Vereinten Nationen
beschlossenen Resolution zum Grundrecht auf freien
Zugang zu Trinkwasser. Das wird bei uns gewährleistet.

Das Wasser ist in Deutschland generell sehr er-
schwinglich, und die Preise sind in den letzten Jahren
auch nicht signifikant angestiegen. Das ist in anderen
Bereichen der Daseinsvorsorge völlig anders. Daher be-
steht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die deutschen
Bürgerinnen und Bürger einen Zugang zu sauberem
Wasser zu erschwinglichen Preisen haben. Das ist ge-
währleistet.


Andrej Hunko (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722115400

Jetzt komme ich zu weiteren Nachfragen zu diesem

Themenbereich: zunächst vom Kollegen Ralph Lenkert,
dann von der Kollegin Dagmar Enkelmann.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722115500

Herr Staatssekretär, die UN-Resolution betrachtet den

ungehinderten Zugang zu Trinkwasser als Menschen-
recht – so ebenfalls die Sicht der EU und auch unsere
Sicht.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die EU! Gegen die NATO! Gegen die UN!)


Mich bewegt eine Frage. Sie haben vorhin bei der
Antwort auf eine andere Frage geäußert, dass Sie selbst
nie Wasser aus der Leitung trinken. Das Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz er-
klärt regelmäßig, dass Trinkwasser aus der Leitung eines
der besten und am besten überprüften Lebensmittel in
unserem Land ist.

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722115600


Schön.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722115700

In Großbritannien und in anderen Ländern ist es mit

einem gewissen Risiko verbunden, Leitungswasser zu
trinken.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: In Italien auch!)


Das war nicht immer so. Vor der Privatisierung waren die
Zustände dort anders. Das heißt: Es gibt durchaus Bei-
spiele auf dieser Welt und auch innerhalb der EU, die

nachweisen, dass die Trinkwasserqualität deutlich schlech-
ter geworden ist, nachdem eine Privatisierung stattgefun-
den hat.

Ich frage die Bundesregierung deshalb, wieso sie die
Erfahrung aus anderen Ländern einfach ausblendet.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722115800


Lieber Herr Kollege, die Bundesregierung wertet die
Erfahrungen aus Deutschland aus. In Deutschland haben
wir in großem Umfang auch private und gemischte – öf-
fentlich-rechtliche und private – Anbieter. Wir haben ein
hervorragendes Niveau.


(Patrick Döring [FDP]: Genau!)


Ich könnte ja Leitungswasser trinken; ich werde mir
aufgrund Ihres Ratschlags überlegen, ob ich nicht doch
Leitungswasser trinke, damit die Linken zufrieden sind.


(Zurufe von der LINKEN: Bravo!)


Aber Spaß beiseite: Wir haben in Deutschland – das
ist unstreitig – ein hervorragendes Niveau der Wasser-
versorgung. Wir haben das erreicht, indem die Kommu-
nen darüber entscheiden, wie sie das organisieren.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Es gibt überhaupt keine Veranlassung, das kommunale
Selbstverwaltungsrecht einzuschränken, die Kommunen
zu zwingen, ihre Wasserversorgung in die eigene Hand
zu nehmen, obwohl sie vielleicht seit Jahrzehnten mit ei-
nem privaten Versorger gut zusammenarbeiten.

Sie müssen sich auch unter Demokratiegesichtspunk-
ten einmal die Frage stellen: Ist das denn so demokra-
tisch, wenn man hier in Berlin beschließt, dass alle Kom-
munen das so und so zu machen haben – egal, wie das
vor Ort geregelt ist? Haben Sie doch Vertrauen zu Ihren
Kommunalpolitikern. Sie sollen entscheiden, wie sie es
am besten machen. Die Bundesregierung sieht keine
Veranlassung dazu, hier einzugreifen.

Ein Letztes. Die Bundesregierung hat keine Informa-
tionen darüber, dass die Übertragung der Wasserversor-
gung auf einen privaten Versorger zu einem Qualitätsab-
fall und zu einem Preisanstieg führt. Diese Erkenntnisse
gibt es nicht; jedenfalls haben wir diese Erkenntnisse
nicht. Wie es in London ist, kann ich hier nicht abschlie-
ßend beurteilen; aber es gibt sicherlich auch Fälle in an-
deren europäischen Ländern.


(Zurufe von der LINKEN: Braunschweig!)


– Braunschweig. Jetzt ruft hier jeder etwas dazwischen.
Ich könnte jetzt genauso gut Hinterbasewinkel rufen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es gibt ausreichend Beispiele!)


– Liebe Kollegen, ganz ruhig.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722115900

So, Sie kommen jetzt bitte zum Ende der Beantwor-

tung dieser Frage, Herr Staatssekretär.






(A) (C)



(D)(B)


H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722116000


Die Bundesregierung hat keine gesicherten oder sons-
tigen Informationen darüber, dass die Privatisierung der
Wasserversorgung zwangsläufig dazu führt, dass das
Wasser schlechter und der Preis höher wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722116100

Jetzt hat Frau Kollegin Dagmar Enkelmann noch eine

Nachfrage zu diesem Themenkomplex. Dann geht es
weiter.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722116200

Herr Staatssekretär, da Sie FDP-Mitglied sind, erklärt

sich natürlich für jeden die Wettbewerbshörigkeit, die
Sie hier durchschimmern lassen. Aber Sie sind Mitglied
der Bundesregierung und antworten hier als Mitglied der
Bundesregierung. Vorhin war meine Frage, ob die Bun-
desregierung die Folgen einer möglichen Privatisierung
der Wasserversorgung geprüft hat, die Folgen für die
Bürgerinnen und Bürger und insbesondere die Frage der
Bezahlbarkeit des öffentlichen Guts Wasser.

Ich stelle die Frage noch einmal. Wir reden hier nicht
nur über Qualität, sondern auch darüber, dass das öffent-
liche Gut Wasser auch künftig für alle bezahlbar sein
soll. Ist dies von der Bundesregierung ausreichend ge-
prüft worden, und kann sie vor diesem Hintergrund
möglicherweise verstehen, weshalb es Rekommunalisie-
rungen von zum Beispiel Stromnetzen gibt, damit das
öffentliche Gut Strom bzw. Energie künftig für alle be-
zahlbar ist?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722116300


Liebe Frau Kollegin Enkelmann, damit wir uns rich-
tig verstehen: Ich bin auf jeden Fall nicht mehr wettbe-
werbshörig, als Sie staatshörig sind.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Oh, das hat mich getroffen!)


Zu Ihrer Frage will ich klarstellen: Die Bundesregie-
rung hat keine über den allgemeinen Anlass hinausge-
hende Veranlassung, über die Folgen der Privatisierung
von Trinkwasserversorgung nachzudenken. Denn nach
unserer Überzeugung wird durch die Konzessionsrichtli-
nie kein Zwang zur Privatisierung ausgeübt. Im Gegen-
teil: Dadurch werden klare und harte Regeln geschaffen.
Wenn man an einen Privaten überträgt, muss man ein
Vergabeverfahren durchlaufen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das muss man heute auch!)


Bitte denken Sie daran: Das Vergabeverfahren ist eine
gewisse Schranke. Es ist sehr viel einfacher, die Versor-
gung auf einen anderen öffentlich-rechtlichen Träger zu
übertragen; da brauche ich kein Vergabeverfahren zu
starten. Wenn wir in der innerdeutschen Umsetzung die-
ser Richtlinie, wenn sie denn kommt, dafür sorgen, dass
ein hartes Vergabeverfahren stattfinden muss, dann ist
das doch eher eine Schranke als eine Öffnung für Priva-
tisierung.

Seien Sie doch offen, Frau Enkelmann, so wie Kol-
lege Hunko. Ihnen geht es nicht um die Konzessions-
richtlinie, sondern allein darum, dass Sie den Kommu-
nen verbieten wollen, die Wasserversorgung zukünftig
von privaten Trägern betreiben zu lassen. Das ist Ihr An-
liegen. Kollege Hunko hat das sehr offen gesagt. Ich
finde, Sie sollten jetzt nicht auf die Konzessionsrichtli-
nie verweisen. Die Konzessionsrichtlinie ändert nichts
daran. Sie basiert auf geltendem Recht.

Es ist doch nicht so, dass dort in Deutschland, wo die
Wasserversorgung durch private Betreiber erfolgt, der
Notstand ausgebrochen ist und die Preise wesentlich hö-
her sind. Das ist nicht der Fall. Ich will mich auch ge-
genüber der Kritik an den seriösen und erfolgreichen
Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland verwah-
ren, die zum Teil in privater Hand sind. Sie stellen es
hier so dar, als ob dort Kloake aus dem Wasserhahn
komme. Das ist doch nicht der Fall.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Darüber habe ich nicht gesprochen! Es geht um die Bezahlbarkeit!)


– Doch, Sie haben gesagt, welche Folgen es hat, wenn
die Wasserversorgung privatisiert wird. – Wir haben in
Deutschland eine zum Teil privatisierte Wasserversor-
gung, und das hat zu einem hohen Niveau und zu hoher
Qualität geführt.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722116400

Ich bitte, die Zeit einzuhalten.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722116500


Ich bin fertig.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es geht auch um Bezahlbarkeit!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722116600

Jetzt Kollege Wolfgang Tiefensee mit noch einer

Nachfrage zu diesem Fragenkomplex.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722116700

Das ist ein spannendes Thema. Deshalb, Herr Staats-

sekretär, gestatte ich mir noch einen Hinweis. Ich be-
mühe mich, dies nicht unbedingt in eine Frage zu klei-
den.

Meiner Ansicht nach, Herr Otto, sind Sie auf dem fal-
schen Dampfer, und zwar aus folgendem Grund: Mein
Thema ist nicht so sehr, ob wir privatisieren oder nicht
– denn es gibt in Deutschland eine privatisierte bzw. teil-
privatisierte Wasserversorgung –,


(Patrick Döring [FDP]: Eben!)


sondern das Thema ist, dass durch die Konzessionsricht-
linie ein bewährtes Verfahren verändert wird. Der Wett-
bewerb, der bisher subsidiär in den Kommunen stattfand
und bei dem natürlich alle in Deutschland geltenden
Ausschreibungsregelungen beachtet werden mussten,
wird jetzt in einen europäischen Kontext gestellt, in den





Wolfgang Tiefensee


(A) (C)



(D)(B)


Kontext eines Wettbewerbsrechts, das weit über die Auf-
gaben der öffentlichen Daseinsvorsorge hinausgeht.

Ich weiß aus meinen früheren Funktionen – Stich-
wort: Vergabe von Transportleistungen an Busunterneh-
men –, dass wir in Deutschland ein völlig anderes Sys-
tem der Daseinsvorsorge haben. Mir leuchtet nicht ein,
warum wir ein bewährtes System ungefragt und ohne
Not aufgeben, nur weil es zufälligerweise in die Konzes-
sionsrichtlinie aufgenommen worden ist. Deshalb meine
Frage – um meine Ausführungen in eine Frage zu klei-
den, Herr Präsident –: Sehen Sie nicht vielmehr die Not-
wendigkeit, das bestehende Verfahren und damit die
subsidiäre Zuordnung dieser Aufgabe an die Kommunen
so zu erhalten, wie es sich in der Vergangenheit bewährt
hat?

H
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722116800


Lieber Herr Kollege Tiefensee, allein deshalb, weil
Sie jetzt in die erste Reihe Ihrer Fraktion aufgerückt
sind, sind Sie noch nicht automatisch auf dem richtigen
und bin ich nicht automatisch auf dem falschen Damp-
fer.

Darf ich Sie darauf hinweisen – da kenne ich mich
aus; ich habe als Anwalt in diesem Bereich gearbeitet –,
dass der Europäische Gerichtshof die Vergabe von
Dienstleistungskonzessionen bereits seit vielen, vielen
Jahren, seit mehr als zehn Jahren, sowieso per Richter-
recht dem Zwang zu einem transparenten, diskriminie-
rungsfreien Verfahren unterwirft?

Ich selbst war als Anwalt an einer entsprechenden
Entscheidung beteiligt; ich weiß, wovon ich rede. Beim
Europäischen Gerichtshof hat es eine Fülle von Verfah-
ren gegeben. Der Wunsch der Kommission ist, hier
Rechtsklarheit herbeizuführen. Es ist nicht der Wunsch
der Kommission, irgendetwas zu verändern und eine
neue Wettbewerbssituation zu schaffen, sondern ihr
Wunsch ist, für die durch die Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofes seit über zehn Jahren bestehende
Situation einen Ordnungsrahmen vorzugeben, damit je-
der weiß, woran er ist. Deswegen, lieber Herr Kollege
Tiefensee, sage ich Ihnen – auch wenn ich Maritimer
Koordinator bin –: Lassen Sie das mit dem Dampfer!

Ich möchte alle Kollegen, die gutwillig sind – das un-
terstelle ich allen –, herzlich einladen: Lesen Sie die
Konzessionsrichtlinie und schauen Sie sich an, wie die
bisherige Rechtslage war! Dann werden Sie feststellen,
dass durch die Konzessionsrichtlinie praktisch nichts ge-
ändert wird, dass aber – umgekehrt – einige, die diese
Bürgerinitiative unterstützen, den derzeitigen Zustand
offensichtlich verändern und das kommunale Selbstver-
waltungsrecht einschränken wollen. Ob Sie das wollen,
lieber Herr Kollege Tiefensee, mögen Sie selber ent-
scheiden. Dazu, auf welchem Dampfer sich wer von uns
befindet, komme ich bei späterer Gelegenheit.


(Iris Gleicke [SPD]: Leichtmatrose!)



Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722116900

Jetzt kommen wir zur Frage 7 unserer Kollegin Rita

Schwarzelühr-Sutter:
Wie möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und

Technologie die Aussagen aus dem Koalitionsvertrag zwi-
schen CDU, CSU und FDP umsetzen, wonach 2020 1 Mil-
lion Elektrofahrzeuge auf die Straßen gebracht werden soll
und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird,
angesichts des aktuellen Bestandes von rund 69 000 Hybrid-
und 7 500 reinen Elektroautos bei 43 Millionen Pkw?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722117000


Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Frau Kollegin,
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
arbeitet gemeinsam mit den anderen zuständigen Res-
sorts – dem Verkehrsministerium, dem Umweltministe-
rium und dem BMBF, also dem Bundesministerium für
Bildung und Forschung – mit großer Intensität an der
Umsetzung des „Regierungsprogramms Elektromobili-
tät“. Gemäß der Nationalen Plattform Elektromobilität
befindet sich Deutschland derzeit in einer Marktvorbe-
reitungsphase. Die deutschen Automobilhersteller wer-
den in der Marktvorbereitungsphase in der Lage sein,
über 15 neue elektrifizierte Fahrzeugmodelle für den
Verkauf anzubieten; diese Fahrzeuge – die ersten sind ja
schon auf dem Markt – werden schrittweise angeboten.
Der sich anschließende Markthochlauf ist bis zum Jahre
2017 avisiert, und mit Elektromobilität als Massenmarkt
ist dann bis 2020 zu rechnen.

Die Bundesregierung liegt bei der Umsetzung des Re-
gierungsprogramms im Zeitplan. Die Bundesregierung
setzt die Rahmenbedingungen – nur das ist unsere Auf-
gabe – so, dass die Elektromobilität eine Chance hat,
sich im globalen Wettbewerb zu entwickeln. Die Ent-
wicklung muss aber – da sind wir uns hoffentlich einig –
vom Markt getragen werden. Um dies zu erleichtern,
wurde die Kraftfahrzeugsteuer zum 1. Januar 2013, also
zum Anfang dieses Jahres, reformiert. Die Änderung der
Besteuerung von Dienstwagen befindet sich noch im Ge-
setzgebungsverfahren; sie war Teil des Jahressteuerge-
setzes 2013. Sie erinnern sich, dass die rot-grün regierten
Länder dieses Gesetz gestoppt haben.

Im Mittelpunkt des Regierungsprogramms steht die
Forschungsförderung. Die zuständigen Ressorts fördern
Elektromobilität im Rahmen des weltweit einzigartigen
Programms „Schaufenster Elektromobilität“. Zudem fi-
nanziert das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie im Rahmen seiner Ressortforschung mit
großer Intensität und großen Volumina eine Vielzahl von
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet
der Elektromobilität.

Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass der
Standort Deutschland mit der Umsetzung des Maßnah-
menbündels einen entscheidenden Schritt dabei voran-
kommt, Deutschland bis zum Jahr 2020 nicht nur zu ei-
nem Leitmarkt, sondern auch zu einem Leitanbieter für
Elektromobilität werden zu lassen.






(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722117100

Die Kollegin hat eine Nachfrage.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722117200

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, im vergangenen

Jahr waren in Deutschland gerade einmal knapp 70 000
Elektrofahrzeuge zugelassen, und die Zahl der Neuzu-
lassungen hat die Zahl 3 000 nicht erreicht. Da ist es
schon sehr ambitioniert, zu sagen: Wir sind im Zeitplan.

Neue Maßnahmen sind nicht erkennbar. Inwieweit
versuchen Sie – auch durch Anreize für Verbraucher –,
die Elektromobilität zu fördern? Auf europäischer Ebene
wird überlegt, der Automobilindustrie mit Super Credits
entgegenzukommen. Wo ist der Zusammenhang mit dem
Verbraucher, und wie soll in Zukunft mehr Elektromobi-
lität vorangebracht werden?

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722117300


Liebe Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, ich habe
gesagt, dass die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen
im Zeitplan ist. Es ist nicht unsere Aufgabe, den Markt
zu manipulieren oder in den Markt einzugreifen. Meine
Aussage zum Zeitplan ist also zu trennen von der Frage,
wie viele Elektroautos momentan auf den Straßen sind.
Ich bitte, das gedanklich zu trennen.

Neben den Forschungsvorhaben, dem „Schaufenster
Elektromobilität“, den Fördermaßnahmen setzen wir
– ich habe das schon gesagt – auch Anreize. Wir haben
bereits gehandelt: Seit dem 1. Januar 2013 entfällt die
Kraftfahrzeugsteuer für Elektrofahrzeuge für einen
langen Zeitraum. Wenn die von Ihnen geführten Länder-
regierungen dazu beitrügen, dass das Jahressteuergesetz
2013 doch noch käme, wären wir im Hinblick auf die
Dienstwagen auch ein Stück weiter; dann würde ein wei-
terer Anreiz gesetzt.

Wir sind aber skeptisch, ob es sinnvoll wäre, nachdem
wir eine Abwrackprämie in Milliardenhöhe gezahlt ha-
ben, jetzt auch noch eine Anschaffungsprämie zu zahlen.
Das wäre sozial bedenklich. Einige Menschen in
Deutschland sind nämlich überhaupt nicht in der Lage,
sich ein Auto anzuschaffen. Sie müssten dann aber dazu
beitragen, dass sich andere Leute ein schickes Elektro-
auto kaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine solche
Anschaffungsprämie unter dem Gesichtspunkt der Ge-
rechtigkeit, aber natürlich auch unter ordnungspoliti-
schen Gesichtspunkten zurzeit nicht angedacht wird.


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722117400

Die Kollegin hat eine zweite Nachfrage. Bitte schön.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722117500

Herr Staatssekretär, Sie haben das Stichwort „soziale

Gerechtigkeit“ angesprochen. Ich habe überhaupt nicht
an Anreize in Form einer Kaufprämie gedacht.

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722117600


Doch, doch! Das habe ich Ihren Ausführungen so ent-
nommen.


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722117700

Es gibt ja auch andere Anreize. Zum Beispiel weiß

man, dass das Elektroauto in Mobilitätskonzepte einge-
bettet sein muss.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722117800


Ja!


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722117900

Was hat die Bundesregierung da in ihrem Instrumen-

tenkasten, und was davon hat sie auf den Weg gebracht
bzw. gedenkt sie noch auf den Weg zu bringen? Sie
sagen einerseits: Unser Ziel sind 1 Million Elektroautos
bis 2020. – Abgesehen von etwas Forschungsförderung
geben Sie aber keine weiteren Anreize. Daher möchte
ich doch noch einmal in Richtung Mobilitätskonzepte
inklusive E-Mobilität fragen.

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722118000


Liebe Frau Kollegin, was die Zahlen angeht, bitte ich,
dass Sie sich vor Augen halten, dass wir uns in der
Marktvorbereitungsphase befinden. Natürlich haben wir
die 1 Million Elektroautos noch nicht erreicht; diese
Zahl ist ja bis 2020 terminiert.

Zum Zweiten möchte ich sagen: Natürlich denken wir
auch über Anreize nichtmonetärer Art nach. Zum Bei-
spiel gibt es in vielen Parkhäusern schon Extraparkplätze
und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Zum Beispiel
fördern viele Kommunen Carsharing-Projekte, und viele
Kommunen haben ihre Fahrzeugflotte teilweise auf
Elektrofahrzeuge umgestellt.

Wir werden auch, liebe Frau Kollegin Schwarzelühr-
Sutter, darüber sprechen können, ob wir eines Tages
– auch das sind Modelle, über die man diskutiert – durch
Änderungen der Straßenverkehrsordnung möglicher-
weise gewisse Anreize für Elektrofahrzeuge schaffen.
Dies alles sind legitime Überlegungen, über die wir,
wenn wir in die Marktsituation hineinkommen – wir sind
jetzt noch in der Marktvorbereitungsphase –, miteinan-
der diskutieren können. Da sind wir nicht vernagelt. Wir
diskutieren in der Tat ganz praktische Modelle – beim
Parken, mit Linien, durch Änderungen in der Straßen-
verkehrsordnung –, um dort Anreize zu setzen. Das ist
legitim, aber in der jetzigen Phase noch nicht angesagt.


Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):
Rede ID: ID1722118100

Damit sind wir bei Frage 8 des Kollegen Tiefensee:

Wie stimmt die Aussage im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP, die KfW Bankengruppe mit ihren Kern-
aufgaben als Mittelstandsbank zu stärken, mit der angestreb-
ten Gewinnausschüttung überein, wie sie auch im Jahreswirt-
schaftsbericht thematisiert wird?

Herr Staatssekretär.






(A) (C)



(D)(B)


H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722118200


Lieber Herr Kollege Tiefensee, wie Sie wissen – und
was Sie hoffentlich auch unterstützen werden –, ist die
Förderung des Mittelstandes eine gesetzlich definierte
Kernaufgabe der KfW. Eine sachgemäße Gewinnaus-
schüttung bei Aufrechterhaltung einer ausreichenden
Kapitalausstattung schränkt die Fördermöglichkeit der
KfW nicht ein, denn der Gewinn ist das, was nach
Abzug der für die Förderung notwendigen Mittel übrig-
bleibt. Daher weist auch der Jahreswirtschaftsbericht
explizit darauf hin, dass die Unterstützung der Mittel-
standsfinanzierung durch eine Gewinnausschüttung kei-
nerlei Einschränkungen erfahren darf.

Die KfW ist nach ersten vorläufigen Ergebnissen im
Jahre 2012 die bestverdienende Bank Deutschlands. Sie
wird voraussichtlich über 2 Milliarden Euro Nettoge-
winn erzielen. Sie verfügt bereits derzeit über eine sehr
komfortable Ausstattung mit Eigenkapital. Vor diesem
Hintergrund erscheint das grundsätzliche Anliegen der
Anteilseigner der Bank, an den Gewinnen auch einmal
zu partizipieren, durchaus nachvollziehbar.

Die KfW hat als drittgrößte Bank Deutschlands in-
zwischen eine Größe und ein Geschäftsvolumen er-
reicht, die ein weiteres steiles Wachstum nicht als priori-
tär, sondern ordnungspolitisch möglicherweise sogar als
diskussionswürdig erscheinen lassen. Vor diesem Hinter-
grund ist auch eine dieses Wachstum begleitende
Ausweitung des Eigenkapitals durch weitere Gewinnthe-
saurierung nicht mehr zwingend geboten.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722118300

Herr Tiefensee, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte

schön.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722118400

Lieber Herr Staatssekretär, wenn ich richtig infor-

miert bin, wird am 20. März 2013 die finanzielle Voraus-
schau 2014 im Kabinett beschlossen. In dieser Voraus-
schau taucht der Betrag der Gewinnausschüttung mit
4 Milliarden Euro auf.

Wir wissen, dass zur Ausschüttung durch die KfW
eine Änderung des KfW-Gesetzes nötig ist, da im jetzi-
gen KfW-Gesetz ein Ausschüttungsverbot verankert ist.
Nun lese ich ausweislich der Presse vom 15. Februar
2013 beispielsweise in der FAZ, dass sich die Bundesre-
gierung doch von diesem Vorschlag wegbewegt.

Meine Frage ist: Hält die Bundesregierung an der
Ausschüttung durch die KfW in Höhe des genannten Vo-
lumens fest, oder, wenn sie das nicht tut, geht sie damit
auf eine der zentralen Forderungen der Opposition in der
Haushaltsdebatte 2013, die im November erfolgt ist
– ähnlich sehen das die Banker der KfW –, ein: die KfW
nicht mit einer Ausschüttung zu belasten?

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722118500


Lieber Herr Kollege Tiefensee, diese Presseberichte
habe ich ebenfalls gelesen, und ich muss Ihnen sagen,

ich halte es für eine sehr intelligente Alternativlösung,
wenn die KfW durch einen verstärkten Einsatz dazu bei-
trägt, dass sich der Bund aus der einen oder anderen För-
dermaßnahme, bei der zusätzlich direkte Fördermittel zu
vergeben wären, zurückziehen kann und damit indirekt
die KfW in diese Rolle kommt.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass dies – jeden-
falls für das Haushaltsjahr 2013/2014 – eine sehr nach-
denkenswerte Alternative ist, die dann hoffentlich auch
auf Ihre Unterstützung stößt. Uns allen ist bekannt – und
ich bestätige das –, dass eine Teilausschüttung der Ge-
winne der KfW selbstverständlich einer Änderung des
KfW-Gesetzes bedürfte. Ich persönlich gehe nicht mehr
davon aus, dass dies noch in dieser Legislaturperiode
passieren wird.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722118600

Herr Tiefensee, Sie haben noch eine Nachfrage.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722118700

Vielen Dank. – Lieber Herr Staatssekretär, ich stelle

fest, dass die angestrebte Teilausschüttung damit min-
destens für 2013/2014 obsolet ist und gegebenenfalls
durch zwei Instrumente ersetzt wird, wenn ich das rich-
tig gelesen habe. Das erste Instrument haben Sie ange-
sprochen: Der Bund verzichtet auf die Überweisung
bestimmter Beträge an die KfW. Als zweites Instrument
ist daran gedacht, innerhalb der KfW eine Art Fonds zu
bilden und den Ministerien einen Zugriff auf diesen
Fonds zu erlauben.

Meine Fragen richten sich auf diesen Fonds:

Erstens. Wie weit sind diese Überlegungen gediehen,
wenn sie bestehen?

Zweitens. Wenn wiederum ein Betrag in Rede steht:
Inwieweit werden Sie das Parlament einbeziehen, wenn
es darum geht, diesen Fonds und den Zugriff durch die
Bundesregierung auszugestalten?

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722118800


Lieber Herr Kollege Tiefensee, es gibt in diesen Wo-
chen Gespräche zwischen der Bundesregierung und der
Führung der KfW über die Vorschläge, die unterbreitet
worden sind. Ich kann deshalb Ihre Annahme, von der
Sie eben gesprochen haben, dass nämlich eine Gewinn-
thesaurierung zwangsläufig für alle Zeiten obsolet ge-
worden ist, nicht bestätigen, sondern wir reden mit der
KfW. Ich habe Ihnen gesagt: Realistischerweise wird es
– Sie wissen, welche Folgen das hat – in dieser Legisla-
turperiode zu keiner Änderung des KfW-Gesetzes mehr
kommen. Ich glaube, diese Annahme ist sehr realistisch.

Ob dann in den Folgejahren an eine teilweise Ge-
winnausschüttung zu denken ist oder ob man hier die
Vorschläge der KfW berücksichtigt, ist im Moment noch
Gegenstand von Gesprächen. Es wäre wirklich nicht ver-
antwortbar, wenn man jetzt über den Fonds, den Sie ge-
nannt haben, und darüber spekulieren würde, wie der
Zugriff der Parlamentarier dann im Einzelnen zu erfol-
gen hat.





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


Eines ist klar: Wenn es sich um Bundesmittel handelt,
die im Bundeshaushalt irgendeine Verwendung finden,
dann werden die Abgeordneten dieses Hohen Hauses
hier mitzureden haben. Es gibt in der Bundesregierung
keine schwarzen Kassen. Es gibt das Haushaltsrecht, das
hier zu erfüllen ist. Das ist aber keine Aussage im Detail,
weil die Gespräche noch laufen.

Ob es überhaupt einen solchen Fonds geben wird, ist
im Moment noch gar nicht klar. Ich glaube aber, die
Sorge, dass dem Bundeshaushalt hier irgendwie unter
dem Tisch irgendwelche Mittel zufließen, kann ich Ih-
nen komplett nehmen, egal wer die nächste Bundesre-
gierung bilden wird. Das wird keine Bundesregierung in
Deutschland tun; denn hier gilt das Haushaltsrecht.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722118900

Damit sind wir bei Frage 9 ebenfalls des Kollegen

Tiefensee:
Wie passt die aktuelle Kürzung der Mittel der Gemein-

schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur“ mit der Aussage im Koalitionsvertrag zusammen,
die Förderung auf dem Niveau von 2008 zu belassen?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722119000


Herr Kollege Tiefensee, Sie haben den Koalitionsver-
trag nicht präzise wiedergegeben, mutmaßlich noch
nicht einmal gelesen. Deswegen will ich Ihnen vorlesen,
was wir dort geschrieben haben – ich zitiere –:

Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur … wird auf hohem Ni-
veau und mit bundesweit einheitlichen Maßstäben
fortgeführt.

Genau das tun wir. Es ist nirgendwo gesagt worden,
dass das tabu ist und dort kein Cent gespart werden darf,
sondern wir haben in unserem Haushalt 2013 mit der
mittelfristigen Finanzplanung klare Prioritäten gesetzt:
Wir konsolidieren strukturell – dazu zwingt uns ja auch
die Schuldenbremse – und stärken das Wachstum, indem
wir uns auf Zukunftsinvestitionen konzentrieren.

In diesem Zusammenhang muss dann eben auch die
GRW – das ist die Abkürzung für diese Gemeinschafts-
aufgabe – einen gewissen Beitrag zur Haushaltskonsoli-
dierung leisten. Daher wurden die Mittel im Zeitraum
bis 2013 gegenüber 2008 minimal reduziert. Mit einem
Mittelansatz von jetzt immerhin noch 582,794 Millionen
Euro kann aber die GRW auch 2013 eine Förderung auf
hohem Niveau – das haben wir im Koalitionsvertrag ver-
einbart – gewährleisten.

Die GRW wird mit dieser Mittelausstattung auch zu-
künftig das zentrale Instrument der Regionalpolitik blei-
ben. Wir denken, dass wir mit den gut 582 Millionen
Euro, die durch Ländermittel und kommunale Mittel in
vielen Fällen noch aufgestockt werden, ein sehr wir-
kungsvolles Instrument zur Förderung der Regionen ha-
ben.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722119100

Herr Tiefensee, eine Nachfrage.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722119200

Ich bekenne, dass ich den Koalitionsvertrag nicht aus-

wendig kenne.

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722119300


Das ist schlecht, Herr Tiefensee. Das sollten Sie.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722119400

Ich befürchte nur, lieber Herr Staatssekretär, dass

nicht einmal die Regierung ihn kennt, geschweige denn
umsetzt. Aus diesem Grunde richtet sich die Kritik eher
an Sie selbst.

Jetzt zum Sachverhalt. Ich habe nach der Höhe der
Mittel aus dem Jahre 2008 in Relation zu der Höhe in
2012/2013 gefragt. Sie wissen aber, dass erstens dieser
Titel natürlich in den Jahren dazwischen wesentlich hö-
her war und über 600 Millionen Euro betrug und dass
zweitens die GRW durch die sogenannte Investitionszu-
lage ergänzt wurde, wodurch mindestens ein Betrag von
etwa 600 bis 700 Millionen Euro hinzukam. Manche
sprechen von 1 Milliarde Euro, die hier ausgegeben wor-
den ist, um strukturschwache Gebiete zu unterstützen.

Jetzt meine Frage. Stimmen Sie mit mir überein, dass
der Befund richtig ist, dass es in Deutschland nach wie
vor Diskrepanzen in der wirtschaftlichen Entwicklung
der Regionen gibt, und dass es darum geht, einen Aus-
gleich zu schaffen, und zwar unter Berücksichtigung der
Einsparungen im Haushalt und dem Einhalten der Schul-
denbremse? Wir brauchen sicherlich Incentives.

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die GRW ein
zentrales Instrument ist und es angesichts der Kürzung
europäischer Mittel, wie wir jetzt wissen, und angesichts
des Auslaufens der Investitionszulage eigentlich drin-
gend geboten wäre, diese Gelder auf hohem Niveau, und
zwar auf dem Niveau des Vorjahres oder sogar auf höhe-
rem Niveau, fortzuführen, um eine selbsttragende Wirt-
schaft zu generieren?

H
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722119500


Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich klar mit Ja beant-
worten. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Mei-
nung, dass die GRW ein wirksames Instrument ist, um
regionale Unterschiede auszugleichen. In diesem Zu-
sammenhang will ich aber klarstellen: Es gibt regionale
Unterschiede nicht nur zwischen West und Ost, sondern
auch zwischen Nord und Süd und in unterschiedlichen
Regionen. Inzwischen gibt es Gott sei Dank auch in den
neuen Bundesländern eine zum Teil hervorragende und
beispielhafte Infrastruktur, während unter Umständen ei-
nige westliche Länder Strukturschwächen aufweisen. Ich
glaube, das ist zwischen uns unstreitig.

Natürlich ist es so, lieber Herr Kollege Tiefensee,
dass wir, wenn wir ein Füllhorn voller Gelder hätten,
gerne zusätzliche Mittel in die GRW einstellen würden.
Wir sind in der Tat der Auffassung, dass die GRW-Mittel
viel Gutes bewirkt haben. Aber wir wissen alle, dass wir
in einer Zeit leben, in der wir den Haushalt dringend





Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto


(A) (C)



(D)(B)


strukturell konsolidieren müssen. Dazu gehört eben
auch: Sie können den Haushalt nicht strukturell konsoli-
dieren, ohne die großen Flaggschiffe – es handelt sich
schließlich um 582 Millionen Euro für 2013 und
569 Millionen Euro für 2014; das sind Riesenbeträge –
anzugreifen. Ohne gewisse Beiträge werden Sie den
Haushalt nicht strukturell konsolidieren können.

Ich glaube aber trotzdem, Herr Kollege Tiefensee,
dass wir mit diesen weit über 500 Millionen Euro, die
wir hier zur Verfügung stellen, mit der Zusatzfinanzie-
rung durch die Länder und durch die Kommunen, wei-
terhin sehr substanzielle und sehr wirkungsvolle Bei-
träge leisten können, um die regionalen Unterschiede
auszugleichen. Wir werden uns – das wissen Sie, da-
rüber haben wir vor kurzem im Wirtschaftsausschuss
diskutiert – auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass
die Flexibilität der europäischen Fördermittel größer
sein wird, als in einem ersten Vorschlag der Europäi-
schen Kommission vorgegeben.

Wir sind uns im Ziel einig: Es gibt regionale Struktur-
schwächen, zu deren Überwindung Anreize mit staatli-
chen Mitteln gegeben werden müssen. Darin gibt es zwi-
schen uns überhaupt keinen Dissens. Aber ich denke,
dass wir uns mit der Höhe dieser Mittel 23 Jahre nach
der deutschen Wiedervereinigung durchaus sehen lassen
und Gutes bewirken können: auch in dem Zeitraum bis
2016.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722119600

Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Tiefensee. Bitte.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722119700

Vielen Dank. – Uns ist bewusst, dass die Mittel der

GRW nicht nur im Osten eingesetzt werden; es geht da-
bei um strukturschwache Gebiete. Eine kurze Frage:
Sind Sie im Rückblick auf die Entscheidungen der
schwarz-gelben Koalition aus dem Jahr 2010 nicht mit
mir einer Meinung, dass die Aufstockung der GRW-Mit-
tel und damit die Förderung strukturschwacher Gebiete
eine höhere Priorität hätte besitzen müssen als die Unter-
stützung von Hotels und dass die 1,2 Milliarden Euro da-
für besser angelegt gewesen wären?

H
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722119800


Ehrlich gesagt, Herr Kollege Tiefensee, finde ich, das
ist eine billige Frage.


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Mal sehen! Kommt auf die Antwort an!)


Ich finde, sie ist Ihrem intellektuellen Niveau nicht ange-
messen.

Die Förderung der Hotels, die im Jahr 2009 beschlos-
sen worden ist und die ich jetzt hier gar nicht mehr zu
verteidigen habe, war ja keine Alternative zu den GRW-
Mitteln. Sie war vielmehr die Reaktion darauf, dass in
den allermeisten europäischen Ländern die Mehrwert-
steuer für Hotelbetriebe und zum Teil sogar für Gaststät-
tenbetriebe auf niedrigerem Niveau lag als in Deutsch-
land. Wir haben nur faire Wettbewerbsbedingungen für

die deutsche Hotellerie herbeigeführt. Es war aber nicht
so wie bei kommunizierenden Röhren; wir haben nicht
gesagt: Wir geben etwas an die Hoteliers, und deswegen
streichen wir bei den GRW-Mitteln.


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Haushalt ist immer kompliziert!)


Lieber Herr Kollege Tiefensee – ich weiß gar nicht,
ob ich Sie nach dieser Frage noch als „lieb“ anreden
sollte –,


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Das machen Sie immer!)


ich kann Ihnen sagen: Ausgerechnet in dem Jahr, in dem
wir die Steuerermäßigung für die Hoteliers eingeführt
haben – das war im Haushaltsjahr 2010 –, hatten wir mit
der Investitionszulage die höchsten Beiträge zur GRW
zu verzeichnen, sodass sich die Logik Ihrer Frage mir
nicht erschließt. Wenn Sie uns einreden wollen, dass das
Geld für die GRW an die Hotels geflossen ist, dann kann
ich Ihnen die Zahl für 2010 nennen: 624 Millionen Euro
GRW-Mittel plus 597 Millionen Euro Investitionszu-
lage. Das ist der historisch höchste Stand, justament in
dem Jahr, in dem wir die Mehrwertsteuer für das Hotel-
gewerbe dem europäischen Niveau angepasst haben.


(Wolfgang Tiefensee [SPD]: GRW beschlossen von der Großen Koalition 2010!)


Ganz ehrlich: Ich schätze Sie viel zu sehr, als dass ich
diese Frage für sinnvoll halte.


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1722119900

Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Ingo Egloff, die

Frage 12 des Kollegen Rolf Hempelmann, die Frage 13
des Kollegen Klaus Barthel, die Frage 14 der Kollegin
Viola von Cramon-Taubadel und die Frage 15 der Kolle-
gin Katja Keul werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amts. Die Frage 16 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl und
die Fragen 17 und 18 des Kollegen Rolf Mützenich wer-
den schriftlich beantwortet. Der Kollege Gloser, der die
Frage 19 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfah-
ren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die
Frage 20 des Kollegen Niema Movassat wird schriftlich
beantwortet. Der Kollege Schwanholz, der die Frage 21
gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 22 und 23
der Abgeordneten Lisa Paus werden schriftlich beant-
wortet.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fra-
gen steht Herr Staatssekretär Dr. Bergner bereit. Der Ab-
geordnete Siegmund Ehrmann, der die Fragen 24 und 25
gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in
der Geschäftsordnung vorgesehen.

Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Martin
Dörmann:

Welche Maßnahmen oder Initiativen wird der Beauftragte
der Bundesregierung für Kultur und Medien – vor dem Hin-
tergrund der Tatsache, dass die Bundesregierung offensicht-
lich zu der Rechtsauffassung gelangt ist, dass Bundesbehör-





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


den weder auf der Grundlage der Landespressegesetze noch
aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes zur Erteilung von
Auskünften verpflichtet werden können; entsprechend der
Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses beim Bun-
desverwaltungsgericht – ergreifen, um den Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts (BVerfGE 20, 162 – Spiegel) Rech-
nung zu tragen, denen zufolge das Institut der freien Presse
den Staat verpflichtet, in seiner Rechtsordnung dem Postulat
der Pressefreiheit Rechnung zu tragen und Auskunftspflichten
der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus
Art. 5 Abs. 1 GG zu schaffen, und inwieweit war der Beauf-
tragte der Bundesregierung für Kultur und Medien an der Ab-
stimmung dieser offensichtlich neuen Rechtsauffassung betei-
ligt?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1722120000


Frau Präsidentin, ich würde gerne die Fragen 26 und
27 des Kollegen Dörmann gemeinsam beantworten.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722120100

Dann rufe ich auch die Frage 27 auf:

Wann sind der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
und Medien und die Bundesregierung zu der Rechtsauffas-
sung gelangt, dass Journalisten rechtliche Ansprüche auf Aus-
kunft nur nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 1. Januar

(vergleiche die Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen 29 bis 32 des Abgeordneten Lars Klingbeil auf Bundestagsdrucksache 17/12304)

wann will die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um die

(BVerfGE 20, 162 – Spiegel)

chen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Art. 5
Abs. 1 GG gesetzlich zu schaffen sind?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722120200


Herr Kollege Dörmann, ich antworte wie folgt: Die
Frage, ob Bundesbehörden auf Grundlage der Landes-
pressegesetze zur Erteilung von Auskünften verpflichtet
werden können, wird in Rechtsprechung und Literatur
unterschiedlich bewertet. Das Bundesverwaltungsge-
richt wird in einem Verfahren zur presserechtlichen Aus-
kunftspflicht, das heute mündlich verhandelt wird, eine
Entscheidung treffen. Um ehrlich zu sein: Ich erwartete
die Entscheidung vor meiner Beantwortung der Frage.
Das Urteil muss jetzt in Leipzig fast zeitgleich ergehen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in
dieser Frage bleibt also auch jetzt noch abzuwarten.

Unabhängig von einer Verpflichtung nach Landes-
presserecht ist nicht zu erwarten, dass sich die Praxis
von Bundesbehörden zu Presseanfragen ändert. Denn
auch bisher werden Presseanfragen von Bundesbehörden
beantwortet, wenn das Pressegesetz eines Landes – wie
es zum Beispiel in Bremen der Fall ist – nur Landesbe-
hörden verpflichtet.

Die Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteres-
ses beim Bundesverwaltungsgericht, der gemäß § 35
Verwaltungsgerichtsordnung eine eigenständige Be-
hörde ist – eigenständig beim Bundesinnenminister –,
die aus gesamtstaatlicher Perspektive das Bundesinte-
resse im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
vermittelt, zielt dementsprechend nicht darauf ab, die

Pressefreiheit einzuschränken, wie teilweise in den Me-
dien berichtet wurde. Die Stellungnahme behandelt im
Wesentlichen nur die Rechtsfrage zur Abgrenzung der
Kompetenzen zwischen Land und Bund.

Auf der Grundlage von Art. 5 des Grundgesetzes sind
in gewissem Umfang auch Auskunftspflichten der Be-
hörden gegenüber der Presse anerkannt – dazu gibt es
eine einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts –, die allerdings nur im Sinne einer allge-
meinen Unterrichtungspflicht zu verstehen sind, über de-
ren Umfang und Modalitäten die staatlichen Stellen
eigenverantwortlich bestimmen können – auch hier
weise ich auf die bisherige Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts hin –, und nicht als durchsetzbarer
Auskunftsanspruch im konkreten Einzelfall.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts überlässt das Grundgesetz es dem Gesetzgeber
von Bund und Ländern, in Abwägung des betroffenen
privaten und öffentlichen Interesses zu regeln, ob und
unter welchen Voraussetzungen derartige Ansprüche
entstehen. Auch hier gilt der Hinweis auf das entspre-
chende Bundesverwaltungsgerichtsurteil.

Weder die Pressefreiheit noch die Informationsfrei-
heit geben einen Anspruch auf Eröffnung einer Informa-
tionsquelle. Hier verweise ich auf das Bundesverfas-
sungsgerichtsurteil zur Rundfunkfreiheit.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722120300

Herr Dörmann, haben Sie eine Nachfrage?


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722120400

Ja.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722120500

Bitte schön.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722120600

Herr Kollege Bergner, wenn ich das richtig verstehe,

haben Sie sich gerade nicht von der Rechtsauffassung
des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwal-
tungsgericht distanziert. Jetzt hoffen jedenfalls meine
Fraktion und ich, dass das Bundesverwaltungsgericht
eine pressefreundliche Interpretation der Rechtslage vor-
nimmt, die von dem abweicht, was der Vertreter des
Bundes dort vorgetragen hat.

Aber wenn ich das richtig verstehe, sagen Sie – etwas
vereinfacht ausgedrückt –: Na ja, an der Praxis wird sich
nicht viel ändern, man wird dann mehr oder weniger
freiwillig das befolgen, was in den Landespressegeset-
zen steht. Aber der Rechtsstreit geht ja gerade darum,
dass sich hier eben in einem Fall nicht daran gehalten,
sondern gesagt wird, dass mache alles zu viel Aufwand.
In der juristischen Begründung der Verweigerung der
Auskünfte an die Presse wird vom Vertreter des Bundes-
interesses die juristische Argumentation, die Sie nur an-
gedeutet haben, dargelegt.

Im Umkehrschluss: Mal unterstellt, das Bundesver-
waltungsgericht würde diese Rechtsauffassung teilen,
die der Vertreter des Bundesinteresses vorgetragen hat,





Martin Dörmann


(A) (C)



(D)(B)


sehen Sie dann nicht, um Rechtssicherheit zu schaffen,
die Notwendigkeit, entsprechende Bundesregelungen
herbeizuführen, die nicht nur sozusagen eine freiwillige
Erfüllung der in den Landespressegesetzen enthaltenen
Bestimmungen von den Bundesbehörden sicherstellt,
sondern eben auch eine Rechtssicherheit für die Journa-
listinnen und Journalisten, die aufgrund der Pressefrei-
heit besondere Informationsbedürfnisse haben? Sehen
Sie da nicht einen Handlungsbedarf, sollte das Bundes-
verwaltungsgericht diese Rechtsauffassung teilen?

D
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722120700


Herr Kollege Dörmann, zunächst einmal: Ich habe da-
rauf hingewiesen, dass wir ein offenes Gerichtsverfahren
haben und dass wir auch aus Respekt vor dem Bundes-
verwaltungsgericht gehalten sind, das Urteil abzuwarten,
ehe wir uns abschließend positionieren.

Ich habe zum Zweiten gesagt, dass nach bisheriger
Praxis, die von den unmittelbaren Auskunftsrechten
nach Art. 5 des Grundgesetzes gespeist wird, im pflicht-
gemäßen Ermessen durch die Bundesbehörden den Jour-
nalistenanfragen Auskunft gegeben wird.

Die Frage, ob es, wenn durch das Bundesverwal-
tungsgericht eine entsprechende ausschließliche Gültig-
keit für Landesbehörden festgestellt wird, hierzu noch
einer Bundesgesetzgebung bedürfe – so habe ich Ihre
Frage verstanden –, ist eine Frage, die sich gewisserma-
ßen erst im Lichte eines entsprechenden Urteils diskutie-
ren lässt; denn nach der Kompetenzverteilung zwischen
Bund und Ländern liegt die Gesetzgebungskompetenz in
diesen Fragen bei den Ländern. Das heißt, wir kommen
rechtlich gesehen in eine Situation, die sehr sorgfältig
abgewogen werden muss.

Ich sage noch einmal: Aus unserer Sicht besteht über-
haupt kein Anlass, von einer Einschränkung der Presse-
freiheit zu sprechen. Der in Rede stehende Streitfall
– ich kenne ihn im Einzelnen nicht; ich weiß nicht, um
welches Auskunftsrecht es sich hier handelt – hat dazu
geführt, dass Rechtsklarheit bezüglich der Verbindlich-
keit der Landespressegesetze für die Auskunftspflicht
von Bundesbehörden besteht. Aber völlig unabhängig
davon haben sich die Bundesbehörden und die Bundes-
regierung immer in der Pflicht gesehen, im pflichtgemä-
ßen Ermessen Auskunft auf Presseanfragen zu geben.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722120800

Sie haben eine zweite Nachfrage, bitte schön.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722120900

Herr Kollege Bergner, Sie haben nicht wirklich zur

Klarheit beigetragen, um das offen zu sagen; denn es
gibt nur zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Die eine
ist: Die Landespressegesetze binden auch die Bundesbe-
hörden. Ich hoffe, dass das Bundesverwaltungsgericht
entsprechend entscheidet.

D
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722121000


Das wissen wir beide zur Stunde nicht.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722121100

Nein, das wissen wir nicht. Das ist schade. Wir lassen

uns fortlaufend elektronisch informieren und wissen da-
her, dass das Gericht gerade berät. Jeden Augenblick
kann eine Entscheidung verkündet werden.

Wenn es so sein sollte, dass Landespressegesetze
auch Bundesbehörden binden, dann ergibt sich daraus
der Anspruch der Presse bzw. von Journalisten, Informa-
tionen von Bundesbehörden abzurufen. Sollte das nicht
so sein, dann wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass
sich das aus Art. 5 des Grundgesetzes ergeben könnte,
aus dem Grundrecht der Freiheit der Presse. Das Bun-
desverfassungsgericht hat geurteilt, dass daraus auch
Auskunftspflichten des Staates und damit der staatlichen
Behörden resultieren. Der Bundesvertreter vertritt aber
die Rechtsauffassung, dass aus Art. 5 kein unmittelbares
Auskunftsrecht resultiert, sondern dass es dazu einer
spezialgesetzlichen Regelung bedarf.

Meine Frage ist eindeutig: Wenn die Landespressege-
setze die Bundesbehörden nicht verpflichten, Auskunft
zu geben – und zwar nicht nur im Rahmen eines Ermes-
sensspielraums, den die Bundesbehörden selber definie-
ren –, dann muss darüber nachgedacht werden, ob nicht
der Bundesgesetzgeber gefordert ist, sodass die staatli-
chen Behörden nicht allein aufgrund von Ermessensent-
scheidungen Auskünfte erteilen, sondern anhand ganz
klarer Grundsätze. Wie Sie wissen, sehen die Landes-
pressegesetze nicht unbeschränkte Auskunftspflichten
vor. Vielmehr wird dort eine Abwägung nach bestimm-
ten Kriterien vorgenommen. Zum Beispiel kann Ge-
heimhaltung ein Grund sein, warum eine Information
nicht gegeben wird. Eine entsprechende Regelung wäre
sinnvoll, um in jedem Fall Rechtssicherheit zu schaffen.

Da wir beide auf das Urteil warten, ist es bedauerlich,
dass Sie – wenn ich Sie richtig verstanden habe – den
dahinterliegenden Sachverhalt nicht so genau kennen.

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722121200


Ich kenne den Sachverhalt, der zu dieser rechtlichen
Konfliktlage geführt hat, im Einzelnen nicht. Ich habe
nur zu vertreten, weshalb wir in Respekt vor der Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten
wollen.

Herr Kollege, ich klassifiziere aus Sicht der Bundes-
regierung Ihre Frage, ob es für die Anwendung des
Art. 5 des Grundgesetzes in Bezug auf Presseauskünfte
einer spezialgesetzlichen Regelung auf Bundesebene be-
dürfe, als durchaus interessant. Nur, haben Sie Verständ-
nis dafür, dass ich es für seriöser halte, wenn wir das Ur-
teil und die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts
abwarten und analysieren, bevor wir der Frage nachge-
hen, ob Gesetzgebungsbedarf besteht. Dies gilt umso
mehr, als wir der Auffassung sind, dass die Bundesregie-
rung und die Bundesbehörden den Auskunftsersuchen
der Presse auf der Rechtsgrundlage des Art. 5 und der
entsprechenden verfassungsgerichtlichen Auslegung
nachgekommen sind. Ich weise jedenfalls das Ansinnen
zurück, der Bundesregierung im Rahmen dieses durch-





Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner


(A) (C)



(D)(B)


aus interessanten Kompetenzrechtsstreits vorzuwerfen,
sie respektiere die Pressefreiheit nicht hinreichend.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722121300

Ich weise jetzt darauf hin, dass wir in etwa fünf Minu-

ten mit der Aktuellen Stunde beginnen. – Möchten Sie
von Ihrem Recht Gebrauch machen, Herr Dörmann,
auch zu Ihrer zweiten Frage noch Nachfragen zu stellen?
Das soll Ihnen dann gern gewährt sein.


(Martin Dörmann [SPD]: Selbstverständlich! Wir wollen die Zeit ja sinnvoll nutzen!)


– Bitte schön.


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722121400

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege

Bergner, ich versuche es jetzt einmal andersherum: Tei-
len Sie meine Auffassung, dass das von Ihnen aus Art. 5
des Grundgesetzes hergeleitete besondere Recht der
freien Presse auf Auskünfte auch von Behörden nicht al-
lein erfüllt werden kann und sollte, indem man auf die
Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes verweist?
Der Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz ist ge-
nau die Rechtsauffassung, die der Vertreter des Bundes-
interesses beim Bundesverwaltungsgericht vorgetragen
hat. Da gelten aber Einschränkungen, sowohl was den
Anwendungsbereich angeht als auch was Fristen angeht
– das können bis zu drei Monate sein –; im Einzelnen ist
das relativ kompliziert. Sie wissen ganz genau, dass die
Presse auf möglichst schnelle Information angewiesen
ist. Teilen Sie also meine Auffassung, dass nicht allein
mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz die aus
Art. 5 des Grundgesetzes hergeleiteten Rechte der Presse
sichergestellt werden können?

D
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722121500


Herr Kollege Dörmann, ich bin vermutlich wie Sie
der Auffassung, dass das Informationsfreiheitsgesetz
– ich sage es jetzt einmal so – ein Jedermannsrecht
schafft, das im konkreten Fall natürlich auch von Journa-
listen genutzt werden kann. Mir ist bekannt, dass es von
Journalisten genutzt wird, dass es von ihnen allerdings
nicht in ihrer beruflichen Rolle wahrgenommen wird,
sondern so wie von jedem anderen Bürger auch, der Er-
kenntnisse über die Arbeit einer Verwaltung oder einer
Behörde erlangen will.

Insofern – das will ich Ihnen auch zugestehen – sind
die Regeln des Informationsfreiheitsgesetzes gewisser-
maßen an die Voraussetzungen eines Jedermannsrechts
angepasst. Demgegenüber dienen Auskünfte, die man
explizit der Presse gegenüber erteilt, im Grunde der Re-
alisierung der Pressefreiheit. Ich glaube, dass diese Un-
terscheidung bei den bisherigen Presseauskünften durch
die Bundesregierung, durch die Behörden des Bundes je-
weils beachtet wurde.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722121600

Möchten Sie eine weitere Nachfrage stellen?


Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722121700

Ja. Ich glaube, dann sind die zwei Minuten, die wir in

der Fragestunde jetzt noch haben, sinnvoll genutzt.

Noch einmal andersherum: Herr Kollege Bergner,
teilt die Bundesregierung die von dem Vertreter des Bun-
desinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vorgetra-
gene Rechtsauffassung bzw. ist diese Rechtsauffassung
mit den einzelnen beteiligten Ministerien abgestimmt?
Gibt es da eine einheitliche Meinung der Bundesregie-
rung? Ist es eine Meinung, die insbesondere das Bundes-
innenministerium teilt? Ist der Beauftragte der Bundes-
regierung für Kultur und Medien einbezogen worden?
Also: Ist die Rechtsauffassung, die der Vertreter des
Bundesinteresses dort zum Ausdruck gebracht hat, die
einheitliche Rechtsauffassung der Bundesregierung?

D
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722121800


Herr Kollege, Sie wissen, dass in § 35 der Verwal-
tungsgerichtsordnung der Vertreter des Bundesinteresses
– so ist es dargestellt – eine eigenständige Größe ist, die
nicht an Weisungen irgendeines Ressorts gebunden ist.
Dieser Vertreter bezieht dort in Würdigung des Sachver-
halts die entsprechenden Rechtspositionen.

Insofern können Sie davon ausgehen, dass der Vertre-
ter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsge-
richt seine Position nicht gewissermaßen auf Weisung
oder in spezifischer Interessenwahrnehmung irgendeines
der Ressorts zum Ausdruck gebracht hat, sondern dass
es ihm um die Rechtssituation, um die Kompetenzvertei-
lung zwischen Bund und Ländern im Presserecht, ging
und dass dies der Kern der Einlassung des Vertreters des
Bundesinteresses war.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1722121900

Damit beende ich die Fragestunde.

Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD

Haltung der Bundesregierung zum Miss-
brauch von Leiharbeit im Lichte der Berichte
über Vorfälle bei Amazon

Als erste Rednerin rufe ich die Kollegin Anette
Kramme für die SPD-Fraktion auf.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1722122000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich habe mir vorhin noch einmal diesen Bei-
trag der ARD angeschaut; Ausgeliefert heißt er. Es ist
tatsächlich ein Ausgeliefertsein von Leiharbeitnehmern,
die für die Firma Amazon tätig waren.

Da sind unglaubliche Vorgänge passiert. Bei der An-
werbung sind die Menschen davon ausgegangen, dass
sie einen anderen Vertragspartner haben, als es dann tat-
sächlich der Fall war: Statt Amazon war es eine Leihar-
beitsfirma. Die Löhne haben sich als niedriger als erwar-





Anette Kramme


(A) (C)



(D)(B)


tet herausgestellt: Statt 9,68 Euro immerhin 12 Prozent
weniger, 8,52 Euro. Tagelang wurde bei einzelnen Leih-
arbeitnehmern der Arbeitsantritt hinausgezögert, um ent-
sprechend dem Arbeitsanfall bei Amazon agieren zu
können. Überhaupt war ganz viel Warten bei den Leihar-
beitnehmern angesagt: Warten auf den Bus, der sie zur
Firma gebracht hat bzw. wieder zurück zur Unterkunft;
Warten, wenn keine Arbeit da war. Die Unterkünfte wa-
ren überfüllt, teilweise wohl auch in einem verheerenden
Zustand.

Es gibt einen Aspekt, der dem Ganzen die Krone auf-
gesetzt hat: eine Sicherheitsfirma, deren Mitarbeiter
paramilitärisch aufgetreten sind und die möglicherweise
der rechten Szene zuzuordnen ist. Ich denke, es hat sehr
einschüchternd auf diese Menschen gewirkt, wenn einer-
seits Taschen kontrolliert worden sind, aber andererseits
wohl auch die Unterkunftsräume. Wir haben den Ver-
dacht, dass Sozialversicherungsabgaben auf die Kosten
der Unterkunft, auf die Kosten für Logis nicht abgeführt
worden sind, die wohl durch die Leiharbeitsfirma über-
nommen worden sind.

Meines Erachtens kann man das Ganze mit folgen-
dem Begriff zusammenfassen: Da hat Menschenschinde-
rei stattgefunden. Es ist eine barbarische Ausbeutung,
die wir bei der Firma Amazon zu beobachten haben.

Aber der Skandal bei Amazon bezieht sich nicht nur
auf die Leiharbeitnehmer. Beispielsweise war es am
Standort Koblenz in der Weihnachtszeit so, dass von
3 300 Beschäftigten tatsächlich nur 200 über eine Fest-
anstellung verfügten. Am Standort Augsburg ist es so,
dass auch nur knapp 20 Prozent der bei Amazon tätigen
Menschen unbefristete Arbeitsverträge haben.

So stellt sich natürlich folgende Frage: Was macht
Politik? Die Politik droht mit dem Entzug der Verleih-
erlaubnis für eine einzelne Leiharbeitsfirma. Ich sage:
Damit ist Politik oder, um es konkret an Namen festzu-
machen, die Bundesministerin von der Leyen nicht bes-
ser als ihre Kollegin Aigner. Man kündigt lautstark wir-
kungslose Maßnahmen an, ohne tatsächlich zum
Handeln bereit zu sein.


(Beifall bei der SPD – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)


Bundesministerin von der Leyen hechelt von Schlecker
zu Amazon. Es gibt keinerlei Bereitschaft, anzuerken-
nen, dass hinter all den Praktiken dieser Firmen Methoden
und Prinzipien stehen, die den gesamten Arbeitsmarkt in
Deutschland insbesondere im Niedriglohnsektor immer
wieder beeinträchtigen.

Hier stellt sich die Frage an die Regierungskoalition,
was mit dem Vorhaben Mindestlohn ist. Wenn ich mir
die Vorschläge von der Leyens anschaue, stelle ich fest,
dass sie auch nicht sonderlich schön sind. Zu sagen, dass
ein Mindestlohn immer dann keine Anwendung findet,
wenn ein Tarifvertrag existiert oder auf einen solchen
Bezug genommen wird, ist nichts anderes als Heuchelei.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es Hunderte von
Tarifverträgen, die Löhne von unter 6,50 Euro pro
Stunde vorsehen.

Was ist mit Ihren Vorhaben zur Leiharbeit? Es gab
großartige Ankündigungen der Ministerin. Und was
macht man?


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Alles umgesetzt! Anders als bei Olaf Scholz!)


Man schließt eine winzige Regelungslücke. Man nimmt
dem sogenannten Drehtüreffekt die Wirkung; aber man
ist nicht einmal bereit, die europäische Leiharbeitsricht-
linie europarechtskonform umzusetzen, geschweige
denn, konsequent Equal Pay und Equal Treatment einzu-
führen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU])


Was machen Sie gegen Befristungen in dieser Repu-
blik, Herr Fuchtel? Wir wissen, dass je nach Konjunktur-
lage 40 bis 50 Prozent aller Neueinstellungen befristet
sind. Auch hiergegen kein Vorgehen, auch wenn es so
einfach wäre, zumindest die sachgrundlose Befristung
zu streichen. Was ist mit der Ausstattung von Kontroll-
behörden? Man kann es mit einem Satz zusammenfas-
sen: Diese Bundesregierung ist nicht bereit, Recht und
Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu realisieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sie leben auf dem Mond!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722122100

Jetzt hat der erfreulicherweise eingetroffene Kollege

Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1722122200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Wir alle waren, denke ich,
überrascht und geschockt, als wir diese Berichterstattung
über die Situation von Beschäftigten, die für die Firma
Amazon arbeiten, im Fernsehen gesehen haben. Ich bin
der Bundesarbeitsministerin außerordentlich dankbar,
dass sie sofort die Bundesagentur für Arbeit und den
deutschen Zoll in Bewegung gesetzt hat, um sich genau
anzusehen, was sich dort abspielt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will der Mär entgegentreten, Frau von der Leyen
habe nichts getan. Das Gegenteil ist richtig. Ohne diese
Informationen und ohne die Aufklärungsarbeit, die so-
fort begonnen hat, wären wir nicht so weit.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Ergebnisse liegen mit Ausnahme eines Ergebnisses
bis zur Stunde noch nicht vor: dass bei der Zeitarbeits-
firma, die für die Firma Amazon gearbeitet hat, offen-
sichtlich – so hat die Bundesagentur für Arbeit gerade





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)


mitgeteilt – Unregelmäßigkeiten festgestellt worden
sind.


(Anette Kramme [SPD]: Wie erstaunlich!)


Ich kann zur Stunde nicht bewerten, in welcher Form, in
welchem Umfang und in welchem Stil Unregelmäßig-
keiten geschehen sind. Dies Ergebnis aber zeigt vor allen
Dingen eines, Frau Kramme, meine Damen und Herren:
Die Kontrolle funktioniert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang)

Sie damit sagen, alles ist bestens? – Anette
Kramme [SPD]: Wie viele Kontrollen machen
Sie denn bundesweit? Wie stark haben Sie die
Aufgaben ausgeweitet? – Hans-Joachim
Fuchtel [CDU/CSU], an die SPD gewandt:
Anders als bei euch!)

Ich bin dankbar, dass die Instrumentarien greifen. Ich
will es Ihnen auch sehr deutlich sagen: Die Kontrolle
funktioniert auch deswegen


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Medien haben funktioniert, nicht Ihre Kontrolle! Das ist der Witz des Jahrhunderts!)


– daher rate ich, die Situation bei der Firma Amazon
nicht dafür auszunutzen, jetzt eine Generaldebatte zu
führen –, weil die Mittel der Bundesagentur für Arbeit
aufgestockt wurden und es in diesem Bereich mehr Mit-
arbeiter gibt. Von 2009 bis heute haben wir wesentlich
mehr Kontrollen durchgeführt als im Zeitraum von 2005
bis 2009.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nichts gemerkt!)


Auch dies ist ein Verdienst der Bundesarbeitsministerin.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo hat man das denn aufgeschrieben, was Sie hier verlesen?)


Allerdings will ich auch deutlich sagen, dass wir die
Prüfergebnisse des Zolls abzuwarten haben. Der Zoll be-
sucht einen Betrieb, sammelt Daten und wertet diese an-
schließend in seinen Diensträumen aus. Sobald diese
Auswertungen vorliegen, werden wir ebenso entspre-
chend informiert werden.


(Anette Kramme [SPD]: Wären sie mal präventiv kontrolliert worden!)


Es gibt einen Mindestlohn in der Zeitarbeit. Seit 2010
hat diese Koalition im Deutschen Bundestag die Zeit-
arbeitsbranche reguliert. Dies fing damit an, dass der
Kollege Heinz Kolb und ich gemeinsam aufgrund des
Schlecker-Vorgangs die Drehtürklausel durchgesetzt ha-
ben.

Wir haben durchgesetzt, dass es einen Mindestlohn in
der Zeitarbeit gibt.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Gleiches Geld für gleiche Arbeit sieht anders aus!)


Wir haben durchgesetzt, dass sich die Arbeitgeberseite
in diesem Bereich neu strukturiert hat. Ich will akzeptie-
ren, dass durch die berechtigte Klage gegen eine Ge-
werkschaft Klarheit entstanden ist, was ein Tarifpartner
und was kein Tarifpartner ist. Ich wünsche, dass alle Un-
ternehmen, die noch zur Überprüfung anstehen, diese
Prüfung ordentlich bestehen.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen deutlich sa-
gen, was mich bei diesem Thema umtreibt. Das sind
nicht die Fragen, die im Augenblick brandaktuell disku-
tiert werden. Mich treibt um, dass Kunden – so meinen
das ja einige – durch ihr Verhalten Firmen in Deutsch-
land, wie die Firma Amazon, an ihre ethische Verant-
wortung erinnern sollten.


(Sabine Stüber [DIE LINKE]: Oh ja!)


Wenn ein Unternehmen durch Kunden darauf aufmerk-
sam gemacht werden muss, was unternehmerisch verant-
wortliches Handeln ist, dann stimmt etwas in diesem
Unternehmen nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Unternehmen, die sich diesen ethischen Herausforderun-
gen nicht stellen, werden sich am Markt auf Dauer nicht
durchsetzen. Es gibt viele Beispiele. Wer glaubt, er
könnte in Goldgräberstimmung oder nach Wildwestma-
nier ohne Rücksicht auf ein Menschenbild, ohne Rück-
sicht auf bestehende Strukturen und ohne Rücksicht auf
Gesetze operieren, wird feststellen, dass er scheitert.
Zeitarbeit ist im wesentlichen Maße reguliert. Ich wehre
mich dagegen, dass durch diesen Vorgang bei Amazon
per se alle Zeitarbeitsfirmen vorgeführt werden. Am
Dienstag hat mir der Chef der IG Metall, Berthold
Huber, in einem Gespräch ausdrücklich bestätigt, dass
die IG Metall mit den beiden großen Zeitarbeitsverbän-
den bei den Verhandlungen über die Tarife ausgespro-
chen gute Erfahrungen gesammelt hat. Dort geht man
gut und fair miteinander um. Deswegen rate ich dazu,
die Situation bei Amazon nicht zum Anlass zu nehmen,
alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Ich rate in al-
ler Klarheit dazu, darauf aufmerksam zu machen, was
unternehmerische Ethik, unternehmerische Verantwor-
tung ist, und kriminelles Fehlverhalten mit dem Ziel von
Gewinnmaximierung anzuprangern bzw. abzustellen.
Dafür haben wir die Kontrollen. Ich bin froh, dass das
Kontrollsystem in Deutschland funktioniert.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722122300

Jetzt hat Jutta Krellmann das Wort für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1722122400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Her-

ren! Für mich ist Amazon ein Beispiel dafür, dass es
nicht funktioniert. Ich habe eine völlig andere Position
dazu.





Jutta Krellmann


(A) (C)



(D)(B)


Im Dezember letzten Jahres haben sich zahlreiche
Spanierinnen und Spanier darüber gefreut, dass sie einen
Arbeitsplatz in Deutschland bekommen können. Sie ha-
ben ihn in Bad Hersfeld in Hessen gefunden. Zwei Tage
bevor es losgehen sollte – die Koffer sind schon gepackt –,
bekommen sie die Information: Ach nee, es ist doch
nicht die Firma Amazon. Es ist die Leiharbeitsfirma
Trenkwalder. Frau Kramme hat gesagt, dass der Lohn
der Leiharbeiter, der von der Leiharbeitsfirma gezahlt
wurde, entsprechend gering war. Er entsprach zwar den
Tarifen der Leiharbeit, aber nicht dem Grundsatz „Glei-
ches Geld für gleiche Arbeit“. Und es war auch nicht
das, was man den spanischen Kolleginnen und Kollegen
ursprünglich versprochen hat. Die Koffer sind gepackt,
die Erwartungen sind groß. Und jetzt? Trotzdem fahren,
obwohl es kein Arbeitsplatz bei Amazon ist? In Hessen
angekommen, werden sie in einer Ferienanlage kaser-
niert und bewacht durch eine Sicherheitsfirma mit dem
Namen H.E.S.S.

Trenkwalder selbst – das muss man sich auf der
Zunge zergehen lassen – ist seit Anfang an bei dem
Leiharbeitsboom dabei. Sie war eine der ersten Leihar-
beitsfirmen, die die mittlerweile für rechtswidrig erklär-
ten Tarife mit den christlichen Gewerkschaften abge-
schlossen hat. Der ehemalige Arbeitgeberpräsident
Dieter Hundt war zwischen 2007 und 2009 Aufsichts-
ratsvorsitzender dieser Leiharbeitsfirma. Ich finde, dass
hier unglaubliche Seilschaften zutage kommen. Die
wirtschaftlich schwierige Situation der spanischen
Beschäftigten wurde gnadenlos ausgenutzt. Der Fall
Amazon wirft ein Licht auf die schäbige Ausbeutung,
die in Deutschland durch Leiharbeit mittlerweile mög-
lich geworden ist.

Ähnlich wie bei Schlecker und plötzlich, wie aus dem
Dornröschenschlaf erwacht, kündigt die Ministerin an,
im Fall Amazon zu handeln. Frau Ministerin von der
Leyen ist hier; vielleicht kann sie etwas dazu sagen, wie
der Stand ist; wir haben gerade von Herrn Schiewerling
etwas dazu gehört.

Sie wollen der Leiharbeitsfirma die Lizenz entziehen.
Aber Amazon kommt ohne Konsequenzen davon; die
sind unschuldig. Dabei hat Amazon nachweislich von
den schikanierenden Kontrollen durch die Sicherheits-
firma H.E.S.S. gewusst. Amazon hat das Lohndumping
der Leiharbeitsfirma billigend in Kauf genommen.
Amazon hat Konsequenzen verdient; aber da ist bisher
Fehlanzeige. Firmen wie Amazon nutzen nur die gesetz-
lichen Möglichkeiten, die ihnen die Politik gegeben hat.
Dass sie damit oftmals am Rande der Legalität arbeiten,
wird bewusst in Kauf genommen.


(Beifall der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Wirkungsvolle Kontrollen scheitern am mangelnden
Personal und an unzureichenden Vorgaben.

Wenn wir die Kontrollen bei Leiharbeitsfirmen mit
den Kontrollen bei Hartz-IV-Empfängern vergleichen,
dann wird klar: Irgendwie wird hier mit unterschiedli-
chem Maß gemessen.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine Leiharbeitsfirma kann sich in Deutschland nahezu
alles erlauben und muss kaum Kontrollen und Sanktio-
nen befürchten. Ein Hartz-IV-Empfänger oder eine
Hartz-IV-Empfängerin muss dagegen strikte Vorgaben
einhalten, und jeder Verstoß wird gnadenlos bestraft.
Das ist Realität am deutschen Arbeitsmarkt. Wenn wir
den Missbrauch in der Leiharbeit wirklich beenden wol-
len, dann müssen wir die Leiharbeit abschaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Deregulierung am deutschen Arbeitsmarkt jährt
sich am 14. März dieses Jahres. Die Agenda 2010 hat
zur massiven Ausweitung prekärer Beschäftigungsfor-
men wie Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Werkverträge,
Scheinselbstständigkeit usw. geführt. Aktuell können
1,4 Millionen Menschen von ihrem Lohn nicht leben
und müssen zusätzlich aufstocken; oftmals sind es
Leiharbeitsbeschäftigte. Unternehmen wie Amazon ge-
hen dabei nur durch die Türe, die ihnen von Rot-Grün
geöffnet worden ist.

Die Missstände abzuschaffen, bedeutet, die unsozia-
len Hartz-IV-Gesetze abzuschaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Nur die Linke steht für eine konsequente Reform des Ar-
beitsmarktes zum Schutz der Beschäftigten. Die Linke
will das Verbot der Leiharbeit, eine strikte Regulierung
von Werkverträgen und eine konsequente Rücknahme
der Hartz-Gesetze,


(Beifall bei der LINKEN)


nicht nur von Hartz IV, sondern insbesondere auch von
Hartz I.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hartz III auch?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722122500

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die

FDP-Fraktion.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722122600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will zunächst sagen, dass ich durchaus dankbar dafür
bin, dass wir heute Gelegenheit haben, hier im Deut-
schen Bundestag über den Beitrag vom 13. Februar zu
debattieren, und will vorab feststellen, dass ich die Vor-
gänge und Entwicklungen, über die berichtet wird, nicht
nur mit großer Aufmerksamkeit, sondern auch mit einer
gewissen Sorge verfolge. Ich möchte die Gelegenheit
nutzen, das Ganze vielleicht etwas differenzierter darzu-
stellen.

Frau Kollegin Krellmann hat hier – wenn auch in er-
zählerischer Form –


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: In verfälschender Form!)


die Vorwürfe vorgetragen, die erhoben werden: Arbeits-
verträge seien kurzfristig zuungunsten der Mitarbeiter
verändert worden. Die Anstellungen erfolgten, anders
als erwartet, nicht bei Amazon, sondern bei der Zeitar-





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) (C)



(D)(B)


beitsfirma T. Sie haben den Namen genannt, Trenkwalder;
dann kann ich es auch sagen. Die Unterbringung der an-
geworbenen Mitarbeiter sei in unzumutbaren Sammel-
unterkünften erfolgt. Es habe einen unorganisierten
Transport zur Arbeitsstätte und zurück in überladenen
Bussen gegeben; bei transportbedingten Ausfallzeiten
habe es keine Entlohnung gegeben. Vor allen Dingen sei
eine Überwachung und möglicherweise eine Nötigung
durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirma erfolgt, die da
zum Einsatz kam. Es gibt Vorwürfe, dass die Angestell-
ten der Sicherheitsfirma aus dem rechtsradikalen Milieu
kämen. Zudem gebe es mögliche Meldeversäumnisse im
Zusammenhang mit geldwerten Vorteilen bei Kost und
Logis gegenüber den Sozialversicherungen. – Das sind
die Vorwürfe, die erhoben werden.

Bevor wir es abschichten, möchte ich zunächst einmal
feststellen, dass sich die Vorwürfe – auch wenn das
Thema der heutigen Aktuellen Stunde dies nicht hergibt –
zunächst nicht gegen Amazon richten. Ich will so viel
sagen: Amazon muss sich sicherlich fragen lassen, ob
man bei der Auswahl des Zeitarbeitsunternehmens die
nötige Sorgfalt hat walten lassen. Das kann man beurtei-
len, wenn die Berichte von der BA und von der FKS, der
Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die ergänzend tätig ge-
worden ist, vorliegen. Die Vorwürfe, die im Übrigen er-
hoben werden, richten sich aber zunächst an die Adresse
der Zeitarbeitsfirma und lassen sich in drei Komplexe
unterteilen. Was den arbeitsrechtlichen Teil anbetrifft:
Die Arbeitskräfte wurden unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen angeworben. Das wird man prüfen müssen,
auch die finanziellen Konditionen. Was den sozialversi-
cherungsrechtlichen Teil betrifft, ist zu klären, ob Kost
und Logis möglicherweise nicht als geldwerter Vorteil
aufgeführt und abgerechnet wurden. Besonders gravie-
rend ist aus meiner Sicht der strafrechtliche Sachverhalt.
Hier geht es darum, zu prüfen, ob die Zeitarbeiter tat-
sächlich durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirma genötigt
worden sind. Dem müsste gegebenenfalls durch die ört-
lichen Strafverfolgungsbehörden nachgegangen werden.
Falls sich herausstellen sollte, dass die Anschuldigungen
zutreffen, müssen die Vorgänge strafrechtlich geahndet
werden. – Das alles muss man sich sachlich vor Augen
führen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mit den Prü-
fungen durch die Bundesagentur zeitnah begonnen wor-
den ist. Soweit ich gehört habe, sind die Prüfungen abge-
schlossen. Erste Ergebnisse liegen vor.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Es gibt keine Ergebnisse!)


– Da wissen Sie weniger als ich, Frau Kollegin Künast.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Kollege von der CDU hat gesagt: Es gibt keine Ergebnisse!)


– Es liegen durchaus Ergebnisse vor, die im gesetzlich
bestehenden Verfahren ausgewertet werden müssen. Im
Extremfall könnte dem Zeitarbeitsunternehmen die Li-
zenz entzogen werden. Es könnte aber auch sein, dass
dieses Zeitarbeitsunternehmen künftig bestimmte Aufla-
gen erfüllen muss. All das bewegt sich in einem geord-

neten Rahmen, innerhalb dessen die ausführende Be-
hörde die bestehenden Gesetze und ergänzenden
Verordnungen bzw. Richtlinien und Weisungen anwen-
den kann.

Sie wollten dieses Thema heute skandalisieren und zu
einem Generalangriff auf die Zeitarbeit nutzen. Doch
dazu taugen diese Vorgänge nicht. Da bin ich ausdrück-
lich bei meinem Kollegen Karl Schiewerling.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Sie sollten sich schämen!)


Ich unterstütze ausdrücklich, was er gesagt hat – ich will
es von meiner Seite wiederholen –: Wir werden, wie da-
mals bei Schlecker, sofort reagieren, wenn es Hinweise
gibt, dass es hier flächendeckenden Missbrauch gegeben
hat; aber das ist nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse
nicht zu erwarten. Ich rate dazu, die Erwartungen etwas
tiefer zu hängen. Ich weiß, die Opposition ist derzeit da-
bei, alles zu verteufeln, was diese Regierung macht: von
der Zeitarbeit bis zum Mindestlohn. Aber dieser Schuss
geht nach hinten los.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sollen wir denn bei Ihnen schlechtmachen?)


Politischer Handlungsbedarf – das will ich hier fest-
halten – besteht nach jetzigem Erkenntnisstand nicht.
Mit den bestehenden Gesetzen sind wir durchaus in der
Lage, angemessen und, wenn nötig, auch mit harten
Maßnahmen auf die erhobenen Vorwürfe zu antworten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie auch noch etwas zur Sache?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722122700

Für Bündnis 90/Die Grünen hat Beate Müller-

Gemmeke das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Der Skandal „Amazon“ zeigt wieder
einmal deutlich: In Deutschland läuft etwas gewaltig
schief.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Die Grünen laufen schief!)


Die Arbeitswelt wird immer rauer und ungerechter, das
Gefühl für Anstand geht verloren. Empörung reicht hier
nicht aus; wir brauchen endlich wieder soziale Leitplan-
ken auf dem Arbeitsmarkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Arbeitsbedingungen bei Amazon können nur als
menschenunwürdig bezeichnet werden. Die Leiharbeits-
kräfte wurden schamlos ausgebeutet. Sie mussten zu
lange arbeiten und haben zu wenig Geld verdient. Sie





Beate Müller-Gemmeke


(A) (C)



(D)(B)


waren schlecht untergebracht und falsch informiert. Be-
sonders skandalös ist, dass die Beschäftigten auf Schritt
und Tritt bespitzelt wurden, auch in ihrem Privatbereich
nach der Arbeit. Dieser Vorfall führt zu großer Aufre-
gung, zu Unverständnis und Wut bei den Menschen, und
das zu Recht. Ich hoffe, dass entsprechende Konsequen-
zen gezogen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn Amazon Menschen offensichtlich wie Waren
behandelt, dann erfordert das politische Reaktionen. Das
weiß auch Frau von der Leyen, die jetzt wieder hektisch
Aufklärung fordert und Konsequenzen androht. Ankün-
digungen reichen aber nicht. Notwendig sind lückenlose
und umfassende Prüfungen, und zwar erstens bei der
Leiharbeitsfirma.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das findet statt!)


Hier muss die Bundesagentur für Arbeit penibel über-
prüfen, ob korrekt, in voller Höhe und durchgängig, be-
zahlt wurde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tut sie!)


Wenn die aktuell bestätigten Verstöße relevant sind
– und das ist das Entscheidende –, darf Frau von der
Leyen die Karte „Lizenzentzug“ nicht nur ankündigen,
sondern muss sie auch spielen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das macht die Bundesagentur schon von sich aus! Das ist auch gut so!)


Zweitens muss konsequent geprüft werden, ob gegen die
Sicherheitsfirma wegen Nötigung ermittelt werden kann.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vollkommen klar! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das macht aber der Staatsanwalt und nicht die Frau Ministerin!)


Drittens – das ist mir ganz besonders wichtig – muss
Amazon selbst bezüglich Arbeitsbedingungen, Daten-
schutz und Steuertricks auf den Prüfstand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es reicht nicht aus, wenn der Konzern hektisch seiner Si-
cherheits- und seiner Leiharbeitsfirma kündigt. So ein-
fach kann sich Amazon nicht seiner unternehmerischen
Verantwortung entziehen.


(Beifall der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Verantwortung ist ein gutes Stichwort, um auf die
politische Verantwortung hinzuweisen: Heute geht es
nicht nur um diesen Skandal. „Arbeit muss sich wieder
lohnen!“ – das ist das Motto von Schwarz-Gelb. Inzwi-
schen arbeiten aber fast 25 Prozent der Beschäftigten un-
ter prekären Arbeitsbedingungen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Den Niedriglohnsektor hat Rot-Grün eingeführt!)


Niedrige Löhne, Minijobs, Befristungen, Leiharbeit,
Werkverträge, Scheinselbstständigkeit – das ist die Re-
alität. Amazon nutzt diese Fehlentwicklungen auf dem
Arbeitsmarkt und hat sein Geschäftsmodell perfektio-
niert. Aber auch viele andere Beschäftigte leiden unter
schlechten Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und
Unsicherheit. Sie sind ungeschützt aufgrund von Tarif-
flucht und fehlenden Betriebsräten. Sie, die Regierungs-
fraktionen, ignorieren diese Fehlentwicklungen und zei-
gen keinerlei Empathie für die Verliererinnen und
Verlierer auf unserem Arbeitsmarkt. Das ist nicht akzep-
tabel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD])


Als Reaktion auf diesen Skandal brauchen wir keine
schönen Worte und inhaltslosen Ankündigungen. Not-
wendig sind Anerkennung und Wertschätzung von Ar-
beit. Die unsäglichen Arbeitsbedingungen bei Amazon
sind nicht allein durch die Leiharbeit entstanden – Herr
Kolb, da haben Sie recht –, aber natürlich müssen die
Lücken bei der Leiharbeit geschlossen werden. Wir
Grüne fordern schon lange vehement Equal Pay, Mitbe-
stimmungsrechte und vor allem effektive Kontrollen, die
in dem vorliegenden Fall nicht funktioniert haben. Das
allein reicht aber nicht. Die Lohndrückerei geht mit
zweifelhaften Werkvertragskonstruktionen weiter. Auch
hier brauchen wir klare Regelungen. Vor allem aber
muss der Trend zu immer mehr Befristungen gestoppt
werden. Amazon ist auch hierfür ein extremes Beispiel;
denn im neuen Lager in Koblenz sind von den 3 300 Be-
schäftigten gerade einmal 200 unbefristet angestellt.
3 100 sind befristet angestellt. Auch das ist ein Skandal.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Fakten sind schon lange bekannt. Diese Regie-
rung kümmert sich aber nicht um die Sorgen der Be-
schäftigten. Sie unternimmt nichts gegen die Tarifflucht.
Sie bringt keinen Mindestlohn zustande. Stattdessen
streitet sie über eine Mogelpackung. Sie verweigert jeg-
liche Regulierung auf dem Arbeitsmarkt. Die Hinweise
auf soziale Verwerfungen hingegen streicht sie aus ihrem
eigenen Armuts- und Reichtumsbericht. Mit dieser Poli-
tik muss endlich Schluss sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD])


Wir brauchen soziale Leitplanken auf dem Arbeits-
markt. Ich habe es schon gesagt: Der Wert von Arbeit
muss endlich wieder im Mittelpunkt stehen. Es geht um
die Würde des Menschen, auch in der Arbeitswelt. Wenn
hier nicht schnell ein Umdenken stattfindet, wird es bald
wieder einen neuen Fall wie Schlecker oder Amazon ge-
ben. Deswegen empfehle ich der Bundesregierung, sich
die Krokodilstränen wegen Amazon zu sparen und mit
der Arbeit zu beginnen – in der Zeit, die ihr noch bleibt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1722122800

Jetzt hat Gitta Connemann das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722122900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Welt-

weit hat der Bericht Ausgeliefert! der ARD für Entsetzen
gesorgt. Das sind, wie ich finde, gespenstische Bilder.
Eines liegt auf der Hand: Die Vorwürfe müssen über-
prüft werden. Wenn diese Vorwürfe nur zu einem Teil
stimmen, dann sind wir alle Augenzeugen eines Skan-
dals. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion sage ich an die-
ser Stelle: Das ist ein Verhalten, das abstoßend ist, das
menschenunwürdig ist und gegen das wir uns mit aller
Kraft stemmen und wehren werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Alle Fakten müssen jetzt so schnell wie möglich auf
den Tisch. Deshalb bin ich Ihnen, liebe Frau Ministerin
Dr. von der Leyen, sehr dankbar; denn nach Bekannt-
werden der Vorwürfe haben Sie tatsächlich sofort gehan-
delt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!)


Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie sagten, das sei Ak-
tionismus. Für mich ist das kein Aktionismus. Ich er-
hoffe, erwarte und erbitte mir von einer Ministerin, dass
sie ihre Aufgaben erledigt. Das hat diese Ministerin in
bester Weise gemacht, weil ihr an der Hilfe für Men-
schen gelegen ist – offensichtlich anders als Ihnen;


(Beifall bei der CDU/CSU)


denn ich stelle in dieser Debatte fest, dass Sie ein Ge-
fecht gegen die Zeitarbeit austragen. Die Frage ist aber:
Liegt das Problem tatsächlich bei der Zeitarbeit? Schon
jetzt steht nach den Prüfungen fest,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch gar keine Ergebnisse!)


dass das System von Amazon komplex ist. Es geht eben
nicht nur um Zeitarbeit. Da gab es Transportunterneh-
men, Sicherheitsdienste und Beherbergungsbetriebe. Da-
von sind die Zeitarbeitsunternehmen zu unterscheiden,
deren Mitarbeiter Auftragsspitzen abdeckten. Die Minis-
terin hat strenge Konsequenzen angekündigt. Sollte die
Sonderprüfung ergeben, dass Regelungen nicht einge-
halten worden sind, werden diese Firmen mit dem Ver-
lust ihrer Lizenz rechnen müssen.

Das ist übrigens kein Sonderfall; denn es ist dieser
Ministerin zu verdanken, dass die Anzahl der Prüfungen
nach Vorfällen im AÜG in den letzten drei Jahren um
93 Prozent erhöht worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Noch ein Kniefall!)


Das ist übrigens anders als zur Zeit des Arbeitsministers
Olaf Scholz. Auch darauf möchte hinweisen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ach? Der ist schuld?)


Das zeigt nicht nur, dass der Kollege Schiewerling recht
hat, dass die Kontrolle stimmt, sondern auch, dass das
Gesetz funktioniert.


(Anette Kramme [SPD]: Und warum hat das nicht präventiv funktioniert? Die Vorwürfe sind seit Jahren bekannt!)


Zeitarbeit ist nicht das eigentliche Problem; das wis-
sen Sie übrigens auch, liebe Frau Kollegin Kramme. Ich
darf aus einem Antrag der SPD zitieren, den wir morgen
debattieren werden. Darin steht sehr deutlich:

Die Leiharbeit ist für Unternehmen unattraktiver
geworden, seitdem eine Reihe von zwingenden
Vorgaben … ins deutsche Recht übernommen wer-
den musste. Für die Leiharbeit existiert mittlerweile
ein Mindestlohn.

Genau so ist es – aber nur dank des Einsatzes der christ-
lich-liberalen Koalition. Sie sind daran jahrelang ge-
scheitert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: „Danke, SPD“, heißt das! – Weiterer Zuruf von der SPD: Dank der SPD in der Vermittlungsrunde! – Gegenrufe von der CDU/CSU)


Lassen Sie Ihren heiligen Zorn gegen eine Branche,
die der Turbo am Arbeitsmarkt gewesen ist und die im-
mer für die Schwächsten am Arbeitsmarkt eine Brücke
in Beschäftigung gewesen ist! Damit begegnen Sie an
dieser Stelle übrigens auch nicht dem Problem; denn die
Hauptfrage in einer solchen Debatte müsste doch sein:
Welche Verantwortung trägt ein Unternehmen wie Ama-
zon?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Die Verantwortlichen dort waschen ihre Hände in Un-
schuld. Schuld sind immer die anderen, sagt Amazon,
nach dem Motto: Mein Name ist Hase; ich weiß von
nichts.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und werden sie geprüft?)


Aber ist es damit getan, zu sagen, die Sicherheit der Mit-
arbeiter werde sehr ernst genommen, während Arbeit-
nehmer von einem Sicherheitsdienst schikaniert werden,
und zu erklären, man sei um das Wohlergehen der Mitar-
beiter besorgt, während diese in einer Ferienanlage zu-
sammengepfercht wurden? Unsere Antwort lautet: Nein,
das reicht nicht. Es gehört zur Verantwortung eines Kon-
zerns, nicht nur über Sozialstandards zu reden, sondern
auch für ihre Einhaltung zu sorgen, und zwar an jeder
Stelle der Kette.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Gitta Connemann


(A) (C)



(D)(B)


Zwar ist inzwischen der Sicherheitsdienst geschasst
worden, ebenso wie das Unternehmen, das für die Unter-
bringung zuständig war. Aber die Frage lautet: Wäre das
auch ohne öffentlichen Druck passiert?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht durch Kontrollen?)


Ich persönlich befürchte, dass das nicht der Fall gewesen
wäre. Vielmehr entsteht der Eindruck, als ob Arbeits-
und Lebensbedingungen sowie Fragen der Ethik für ei-
nen Konzern wie Amazon erst dann eine Rolle spielen,
wenn sich die Kunden abwenden. Das hat für mich per-
sönlich sowie für unsere Fraktion mit sozialer Unterneh-
mensverantwortung nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Grundsätzlich nicht vorzuwerfen ist einem Unterneh-
men wie Amazon, dass es Zeitarbeitnehmer beschäftigt.
Dass das Geschäftsmodell von Versandhändlern ohne
diese in einer Hochsaison wie Weihnachten nicht funk-
tioniert, muss jedem bekannt sein.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es andere Möglichkeiten! Arbeitszeitkonten zum Beispiel!)


Es handelt sich um eine saisonale Spitze und damit um
eine klassische Situation für Zeitarbeit. Nur so kann üb-
rigens Auslieferung 24 Stunden am Tag klappen. Die
Kunden wollten das bislang auch so. Etwa jedes fünfte
Buch in Deutschland wird inzwischen über Amazon ver-
kauft. Der Buchhandel vor Ort liegt übrigens an vielen
Stellen am Boden; denn es ist so einfach: ein paar
Klicks, und dann kommen die Pakete ins Haus. Aber ich
sage auch: Jeder Klick bewirkt etwas. Vielleicht wäre es
für uns alle besser, beim nächsten Geschenkeeinkauf
doch mal wieder um die Ecke zu gehen.

Ich bin davon überzeugt, dass erst dann, wenn viele
Verbraucher bewusst kaufen, die Amazons, aber auch
die Zalandos der Welt merken, dass sie nicht alles ma-
chen können, um ihren Profit zu steigern – und das wäre
gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722123000

Jetzt hat Michael Roth das Wort für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1722123100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seit 1998 darf ich den nordhessischen Wahlkreis Werra-
Meißner – Hersfeld-Rotenburg hier im Bundestag ver-
treten, eine Region, die seit 1989 aus der Randlage in die
Mitte Deutschlands und Europas gerückt ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


Die Region Bad Hersfeld ist eine der bedeutenden Mobi-
litäts- und Logistikdrehscheiben in Deutschland und Eu-
ropa. Tausende von neuen Arbeitsplätzen sind in den

vergangenen Jahren in unserer Region geschaffen wor-
den,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Über jeden Arbeitsplatz haben wir uns gefreut!)


bei Logistikern, Distributionszentren, Buchgrossisten und
eben auch Internetkaufhäusern wie Amazon.

Amazon ist mit rund 4 000 Beschäftigten der größte
Arbeitgeber. Das ist kein Zufall. Das ist auch nicht vom
Himmel gefallen. Das ist vor allem das Ergebnis guter
kommunalpolitischer Entscheidungen;


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und landespolitischer Entscheidungen!)


die Kommunen haben sehr viel Geld in die Hand genom-
men und Engagement gezeigt. Es ist das Verdienst unse-
rer zentralen Lage und einer guten Infrastruktur im Be-
reich Verkehr, es ist vor allem aber auch das Verdienst
ganz tüchtiger, engagierter Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer, die zu keinem großen Lohn eine hervorra-
gende Arbeit leisten und damit dazu beigetragen haben,
dass aus einer Region in einer Randlage eine boomende
Region geworden ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Rede von Frau Kramme hörte sich anders an!)


Wir profitieren von der Logistikbranche. Wir haben
eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit. Die Standortkom-
munen haben hohe Steuereinnahmen. Neue Qualifizie-
rungsangebote haben sich entwickelt, beispielsweise ein
duales Studium in der Logistikwirtschaft. Aber wo Licht
ist, ist eben auch Schatten. Im Falle von Amazon ist sehr
viel Schatten. Dort gibt es eine hohe Zahl von befristeten
Arbeitsverträgen; circa 50 Prozent der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer bei Amazon sind nur befristet be-
schäftigt. Wir haben eine hohe Zahl von Menschen, die
darauf angewiesen sind, zum Landkreis zu gehen, um
ihre niedrigen Löhne aufzustocken, und leider – das er-
lebe ich immer wieder in meinen Sprechstunden, in de-
nen nicht wenige Beschäftigte von Amazon und anderen
Logistikunternehmen um Rat suchen – ist die Motivation
relativ gering, weil die Jobs oft ein schlechtes Image ha-
ben.

Daran ist Amazon maßgeblich selbst schuld, da das
Unternehmen eine beispiellose Geheimniskrämerei be-
trieben hat. Transparente Unternehmensführung, Dialog
mit der Öffentlichkeit sowie Dialog und Austausch mit
den Medien sehen anders aus. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von CDU/CSU und FDP, das hat nichts mit
Kontrollen zu tun. Wir wurden nicht durch Kontrollen,
sondern durch die Medien auf diesen Skandal aufmerk-
sam gemacht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist meiner Fraktion im Oktober vergangenen Jahres
erstmals gelungen, einen hohen Verantwortlichen von
Amazon zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung
über die Arbeitsbedingungen zu bewegen. Ich erinnere an
GLS. Auch dieses Unternehmen hat seinen Hauptsitz in
meinem Wahlkreis, in Neuenstein. Günter Wallraff hat





Michael Roth (Heringen)



(A) (C)



(D)(B)


dort im vergangenen Jahr eine Reportage über die Ar-
beitsbedingungen gemacht. Bis heute verweigert dieses
Unternehmen ein Gespräch mit einem Bundestagsabge-
ordneten, weil man die Öffentlichkeit und offensichtlich
auch die Kritik scheut. Insofern kann ich nur hoffen, dass
die Reaktionen für diese Unternehmen ein heilsamer
Schock sind. Jetzt muss aufgeklärt werden, jetzt müssen
Missbräuche abgestellt werden; denn es gibt Gründe da-
für, dass diese Branche über ein so schlechtes Image ver-
fügt.

Ich kann mich den Vorrednerinnen und Vorrednern in
dieser Hinsicht nur anschließen. Wir brauchen eine Wie-
derbelebung der Kultur der sozialen Verantwortung. Un-
ternehmen, die rein profitorientiert an den Interessen der
Beschäftigten vorbeiarbeiten, können nicht im Sinne der
sozialen Marktwirtschaft sein. Insofern ist diese Debatte,
die wir heute führen, gut; aber konkrete Taten, liebe Kol-
leginnen und Kollegen der Koalition, sind besser. Die
Politik ist es den Beschäftigten, aber auch den verant-
wortungsbewussten Unternehmen und der Kommunal-
politik schuldig, endlich tätig zu werden. Wir als Gesetz-
geber sind für den Rahmen unternehmerischen Handelns
verantwortlich. Es liegt in unserer Hand, ob Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer ihren Glauben an die so-
ziale Marktwirtschaft wiedererlangen. Wenn uns das
nicht gelingt, dann geht in unserem Land mehr kaputt als
die Reputation eines großen Internetkaufhauses.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr staatstragend!)


Meine Fraktion redet nicht nur und stellt nicht nur den
Antrag, hier und heute diese Aktuelle Stunde durchzu-
führen, sondern wir streiten – und das schon seit
Jahren – für das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Ar-
beit“. Wir wollen den Niedriglohnsektor austrocknen.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und wir haben es gemacht!)


Wir kämpfen für einen flächendeckenden gesetzlichen
Mindestlohn. Wir müssen die Leiharbeit begrenzen. Wir
müssen die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ausbauen. Diese Regierung hat außer
wohlmeinenden Worten nichts zustande gebracht.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Mindestlohn, Herr Kollege! – Gitta Connemann [CDU/ CSU]: Mindestlohn in der Zeitarbeit! Gucken Sie sich mal Ihre eigenen Anträge an!)


Voraussetzung für einen Politikwechsel hin zu mehr so-
zialer Gerechtigkeit ist die Abwahl von Schwarz-Gelb.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich hoffe, dass das den Wählerinnen und Wählern klar
ist.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Eine seltsame Betrachtung der Realität, Herr Kollege!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722123200

Johannes Vogel hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1722123300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, wir alle sind uns einig – das ist heute auch
aus den Wortbeiträgen hervorgegangen –, dass die Zu-
stände, die in der Fernsehsendung kritisiert wurden,
wenn die Vorwürfe zutreffen, inakzeptabel sind. Aber,
lieber Kollege Roth: Sie von der Opposition, gerade Sie
von der SPD-Fraktion, versuchen, daraus Ihr politisches
Süppchen zu kochen und dieser Koalition einen Vorwurf
zu machen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ja, natürlich! Was denn sonst? – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er ist wenigstens ehrlich!)


Man muss sich einmal die Frage stellen: Welche Vor-
würfe wurden in der Sendung erhoben? Ich denke, wir
alle haben die Sendung gesehen. Ich würde die Vorwürfe
folgendermaßen zusammenfassen: Amazon hat den Mit-
arbeitern, wenn das alles zutrifft, falsche Versprechun-
gen gemacht.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wie die FDP!)


Amazon hat eine skandalöse Sicherheitsfirma engagiert.
Amazon hat ein fragwürdiges Transportunternehmen en-
gagiert. Es wurden nicht nur Arbeitnehmerrechte, also
Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Unterneh-
men, sondern auch ganz grundlegende Menschenrechte
missachtet, zum Beispiel durch den Sicherheitsdienst die
Unverletzlichkeit der Wohnung. Ich will eines ganz klar
sagen – das gilt für meine Fraktion, aber, wie ich weiß,
auch für die gesamte Koalition –: Das ist vollkommen
inakzeptabel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Und was schließen Sie daraus?)


Das ist inakzeptabel, weil Grundrechte und Arbeitneh-
merrechte missachtet werden. Das ist aber auch deshalb
inakzeptabel, weil es hier insbesondere um Arbeitneh-
mer geht, die aus dem Ausland angeworben wurden; das
unterminiert also auch den Ruf Deutschlands als Ein-
wanderungsland.

Politisch könnten Sie dieser Koalition einen Vorwurf
machen, wenn nicht gehandelt worden wäre. Das ist aber
nicht zutreffend. Ich will festhalten: Hier ist nicht der
rechtliche Rahmen das Problem, sondern hier wurde,
wenn die Vorwürfe zutreffen, gegen Gesetze verstoßen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!)


Die Aufgabe besteht natürlich darin, Kontrolle auszu-
üben, gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen und zu
handeln.





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) (C)



(D)(B)



(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Ganz genau!)


Da kann ich wirklich nur sagen: Das hat die Regierung
getan.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Am Donnerstag letzter Woche wurden die Vorwürfe
publik; es wurde medial über sie diskutiert. Am Montag
darauf, also am übernächsten Werktag, fand eine Prü-
fung statt, waren BA und Zoll im Haus.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit! – Zuruf von der SPD: Was? So schnell?)


Wiederum zwei Tage später, am übernächsten Werktag,
nämlich heute, ist die Prüfung abgeschlossen. Nun wird
ausgewertet. Eine mögliche Strafe für das Zeitarbeitsun-
ternehmen kann, wie die Kollegen schon gesagt haben,
bis hin zum Lizenzentzug gehen. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, bei aller Liebe: Politisches Nicht-
handeln sieht anders aus. Das können Sie uns schlicht
nicht vorwerfen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Diesen Vorwurf können Sie uns auch nicht generell
machen. Es wurde schon darauf hingewiesen: Unter die-
ser Arbeits- und Sozialministerin finden im Bereich der
Zeitarbeit doppelt so viele Kontrollen statt wie noch un-
ter Sozial- und Arbeitsminister Scholz von der SPD.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Auch hier gilt für diese Koalition: Politisches Nichthan-
deln, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sieht
anders aus. Dieser Pfeil fliegt auf Sie zurück.

Ich finde bemerkenswert, was Sie hier versuchen. Sie
versuchen nämlich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie
sagen nicht: „Hier hat es möglicherweise skandalöse
Rechtsverstöße eines Unternehmens gegeben“, sondern
Sie sagen: „Bei der Zeitarbeit stimmt es insgesamt nicht.“ –
Man sollte sich, glaube ich, einmal vergegenwärtigen,
was die Zeitarbeit in Deutschland leistet. Sie sorgt nicht
nur für Flexibilität, sondern bietet Menschen auch Ein-
stiegschancen. Zwei Drittel der Zeitarbeitnehmer kom-
men aus der Arbeitslosigkeit. 40 Prozent von ihnen ha-
ben gar keine berufliche Qualifikation. Das ist ein Wert,
den man nicht wegwerfen sollte.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ständiges Wiederholen macht es doch nicht besser! Das stimmt nicht!)


Bedenken Sie auch, was diese Koalition gemacht hat.
Wir haben den Mindestlohn in der Zeitarbeit eingeführt.


(Anette Kramme [SPD]: Das war Ergebnis des Vermittlungsausschusses und geschah unter Verweigerung der FDP!)


Wir haben dafür gesorgt, dass die Tarifpartner jetzt eine
schrittweise Angleichung an Equal Pay vornehmen.
Diese Koalition hat dem Missbrauch schon durch die so-

genannte Anti-Schlecker-Klausel einen Riegel vorge-
schoben. Man kann also festhalten: Diese Koalition hat
die Zeitarbeit so reguliert, dass Missbrauch gesetzlich
verhindert wird, aber ihre Vorteile für die Menschen er-
halten werden. Wenn einzelne schwarze Schafe immer
noch gegen Gesetze verstoßen, dann ist es richtig, dass
die Behörden reagieren. Das tun sie, wie ich eben ausge-
führt habe, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Befristungen?)


Ich will zum Abschluss noch etwas sagen. Liebe Frau
Kollegin Müller-Gemmeke und liebe Frau Kollegin
Kramme, Sie haben auch in einer anderen Hinsicht ver-
sucht, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, und damit das
Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Sie nehmen diesen
Fall als Beleg dafür, dass am Arbeitsmarkt alles schlecht
sei. Ich habe in der Debatte zwei Begründungen gehört:

Erstens: Es sei alles schlecht, und wir bräuchten den
gesetzlichen Mindestlohn, den Sie fordern. Es ist wirk-
lich bemerkenswert, dass Sie diesen Fall als Beleg für
die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns neh-
men.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Er eignet sich dafür überhaupt nicht!)


Denn zum einen gibt es in der Zeitarbeit einen tariflichen
Mindestlohn, den diese Koalition ermöglicht hat,


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um die gesamten Rahmenbedingungen!)


und zum anderen liegt der Lohn, der den Zeitarbeitneh-
mern im konkreten Fall gezahlt wurde, über dem, was
Sie als gesetzlichen Mindestlohn fordern. Worauf wollen
Sie also hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen? Doch
ganz sicher nicht auf die angebliche Notwendigkeit eines
gesetzlichen Mindestlohns, die Sie immer wieder be-
haupten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie wollten auch einmal etwas gesagt haben!)


Zweitens kritisieren Sie die Befristung. Liebe Frau
Kollegin Müller-Gemmeke, Sie sind uns schuldig ge-
blieben, zu erklären, was die Beschäftigung von Zeitar-
beitnehmern im konkreten Fall mit Befristung zu tun ha-
ben soll. Wenn es um Befristung geht, sollten wir, glaube
ich, nicht die Unwahrheit erzählen. Sie wissen so gut wie
wir, dass Befristung in Deutschland nicht zunimmt; das
sagt uns das Statistische Bundesamt. Außerdem hat die
große Mehrheit der Menschen, die in Deutschland be-
fristet eingestellt werden, fünf Jahre danach einen unbe-
fristeten Vertrag, die Hälfte beim selben Arbeitgeber.
Befristung als Beleg für eine Verrohung am Arbeits-
markt zu klassifizieren und nicht als das, was sie in
Wahrheit ist, nämlich eine Einstiegschance für die Men-
schen, ist unredlich.





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) (C)



(D)(B)


In diesem Sinne: Wir alle sind geschockt über das,
was dort vorgefallen ist. Gut, dass jetzt kontrolliert wird.
Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Als Beleg
für die angebliche Untätigkeit dieser Koalition am Ar-
beitsmarkt eignen sich diese Vorfälle bei aller Liebe
nicht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722123400

Jetzt hat Gabriele Lösekrug-Möller für die SPD-Frak-

tion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1722123500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Was wäre eigentlich gewe-
sen, wenn diese Reportage nicht ausgestrahlt worden
wäre? Wäre die Wahnsinnskontrolle, auf die Sie so stolz
sind, dann wahrscheinlich schon vor Weihnachten in
Gang gesetzt worden? Wären dann die Hunderte und
Tausende, die da gelitten haben, erkannt worden, und die
Bundesregierung hätte diesem Missbrauch abgeholfen?
Wäre das wirklich so gewesen?


(Beifall der Abg. Anette Kramme [SPD])


Kann man stolz sein auf eine Kontrolle, die offenkundig
gar nicht stattgefunden hat? Denn es hat sie nicht gege-
ben im Weihnachtsgeschäft bei Amazon.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


„Vorsicht, wenn man sich so selbst lobt!“, würde ich da
sagen.

Ich denke, wir müssen den Medien dankbar sein. Die
Bundesregierung müsste entsprechende Schreiben schon
in Serie ausgefertigt haben; denn es bedarf offenkundig
des medialen Drucks, bevor Kontrolle in Gang gesetzt
wird. Das ist doch die Wirklichkeit, über die wir hier re-
den müssen.


(Beifall bei der SPD)


Ich finde, was wir bisher gehört haben, war kein Ruh-
mesblatt für die Regierung.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Welchen Überwachungsstaat wünschen Sie sich eigentlich? Dass ohne Hinweise kontrolliert wird?)


Ich würde sagen, es ist wieder so weit. Die Ministerin
für Arbeit und Soziales schleckert durch das Land; denn
es ist ganz so, wie wir es bei Schlecker erlebt haben: Zu-
erst sehen wir größtmögliche Empörung – zu Recht –,
weil Missstände da sind. Als nächster Akt werden die
Vorfälle als Einzelfall deklariert; dann ist der Gesetzge-
ber aus dem Schneider, wirksame Maßnahmen zu ergrei-
fen, die vielen zugutekommen. Dann folgt eine kleine
Lösung, und wenn die mediale Aufmerksamkeit sich
wieder anderen Themen zuwendet, sinkt das Engage-
ment. – So erleben wir unsere Regierung,


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Nein, nein! Das ist völlig falsch!)


und damit sind wir als Sozialdemokraten absolut nicht
einverstanden.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt einen ganz großen blinden Fleck. Sie meinen
immer, das sei kein strukturelles Problem. Ich sage Ih-
nen aber: Das ist ein strukturelles Problem.


(Beifall bei der SPD)


Wer diese Vorfälle auf einen bedauerlichen Einzelfall re-
duziert, kann in der Lösung schon nicht mehr überzeu-
gen. Wir kennen verbale Kraftmeierei seitens der Bun-
desregierung hinlänglich.

Ich zitiere, was Thomas Öchsner dieser Tage in der
Süddeutschen Zeitung geschrieben hat:

Das Vermieten von Arbeitnehmern ist mittlerweile
zu einem Symbol für Exzesse im Land des Jobwun-
ders geworden.

Er titelt seinen Kommentar „Ausbeutung als Teil des Ge-
schäftserfolgs“, und leider, leider hat er recht,


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehen Sie auch, was er weiter unten geschrieben hat?)


weil er die Dimension des Problems erkannt hat. Im Üb-
rigen haben wir auch hier – denn, Herr Kolb, wir haben
einen Antrag zur Leiharbeit vorgelegt, und dem konnten
Sie sich ja nicht anschließen – rechtzeitig auf die Lücken
hingewiesen, die bestehen. Sie leugnen das und empören
sich dann, wenn so etwas wie bei Amazon stattfindet.
Ich sage Ihnen: Die vielen Kontrollen, auf die Sie stolz
sind, reichen nicht aus. Setzen Sie das doch bitte einmal
ins Verhältnis zur wachsenden Zahl der Leiharbeit, dann
ist auch die Erhöhung der Kontrollen überhaupt kein
Ruhmesblatt mehr.

Ich möchte Ihnen allerdings auch eine andere Seite
nicht vorenthalten, denn es gibt eine andere Seite des
Skandals. Das sind die Rolle und die Verantwortung der
Kunden und Verbraucher. Wenn wir in einer Aktuellen
Stunde darüber reden, dann muss auch diese Seite be-
leuchtet werden, und ich nehme kein Jota von meiner
Kritik an der Bundesregierung zurück; verstehen Sie
mich da nicht falsch.

Aber wenn wir uns die Rolle der Verbraucherinnen
und Verbraucher anschauen, dann frage ich mich: Die
Kabinettsmitglieder haben bestimmt keinen Amazon-
Account? Ich glaube, niemand aus Ihrer Fraktion hat je-
mals den Onlineshop genutzt, um schnell an ein Produkt
zu kommen! Denn das ist das Problem: Wir leben inzwi-
schen in einer Gesellschaft, in der wir glauben, wir müs-
sen jedes Produkt innerhalb von 24 Stunden haben. Wir
wollen es haben, ohne Lieferkosten zu bezahlen. Wir
wollen es zu einem niedrigen Preis haben, und dann
glauben wir noch, wir müssten nicht dahinterschauen,
wie die Arbeits- und Lohnbedingungen der Beschäftig-
ten sind, die diesen ganzen Service leisten. Ich finde, so





Gabriele Lösekrug-Möller


(A) (C)



(D)(B)


viel Selbstkritik muss sein, wenn man glaubwürdige
Politik machen will.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte Ihnen noch ein Letztes mit auf den Weg
geben; die paar Sekunden Redezeit reichen noch aus.
Nach der Reportage in der ARD, der Berichterstattung in
den Medien und unserer Debatte kann niemand mehr sa-
gen: „Das habe ich aber nicht gewusst.“ Wir können uns
dazu verhalten. Ich erwarte von einer Bundesregierung,
die die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinneninteres-
sen im Blick hat, mehr als eine Einzelfallprüfung, und
schon gar nicht erwarte ich, dass eine verspätete Kon-
trolle Anlass zu Selbstlob ist. Das stinkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722123600

Herr Kollege Dr. Matthias Zimmer hat das Wort für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1722123700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Darüber,

dass das ein Skandal ist, sind wir uns, denke ich, alle ei-
nig. Was da aufgedeckt worden ist, hat mit Respekt und
Würde der Arbeit überhaupt nichts zu tun.

Nun hat Amazon relativ schnell reagiert und die Zu-
sammenarbeit mit den Firmen, die für die Unterbringung
und den Transport zuständig waren, ebenso gekündigt
wie der Sicherheitsfirma. Die Bundesagentur hat
Amazon aufgefordert, die Vorwürfe zu klären. Ich habe
eben noch einmal auf die Webpage von Amazon ge-
schaut. Die Presseerklärung, die dort zu lesen war, fand
ich, ehrlich gesagt, ein wenig dünn. Da ist in der Tat von
unternehmerischer Verantwortung für gute Arbeit relativ
wenig zu spüren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Tatsächlich hat aber die Ministerin die Prüfung der
Zeitarbeitsfirma veranlasst, und die Bundesagentur hat
soeben gemeldet, sie habe Verstöße gegen das Arbeit-
nehmerüberlassungsgesetz festgestellt und werde in ei-
nem Verwaltungsverfahren über Konsequenzen ent-
scheiden. Dies kann bis zum Verlust der Lizenz gehen.
Und – ich denke, für Amazon beinahe noch dramatischer –
die Kunden haben reagiert, haben ihrer Wut in Inter-
netforen Luft gemacht oder schlicht ihre Konten bei
Amazon löschen lassen; ein veritabler Ansehensverlust
für die Firma. War es das wert?

Nun könnte man sagen, ein Missbrauch ist aufgedeckt
worden, Politik und Öffentlichkeit haben schnell re-
agiert, eine juristische Bewertung steht noch aus. Aber
das ist nicht der Hintergrund dieser Aktuellen Stunde.
Hintergrund ist der Versuch, über die Vorgänge bei
Amazon die Zeitarbeit generell in ein schlechtes Licht zu
rücken.


(Klaus Barthel [SPD]: Keine Runde Mitleid!)


Anders kann ich mir die Erregungs- und Empörungsspit-
zen, die hier aufgetreten sind, auch nicht vorstellen. Es
geht Ihnen gar nicht um die Hilfe für die Menschen,
meine Damen und Herren von der Opposition, es geht
Ihnen darum, die Bundesregierung und die Zeitarbeit zu
diskreditieren, und das ist falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich verstehe, dass manche Firmen zur Abfederung
von Auftragsspitzen Zeitarbeitnehmer beschäftigen. Das
ist auch bei Amazon der Fall. An den beiden Standorten
in Bad Hersfeld – der Kollege Roth hat es erwähnt – sind
insgesamt 2 800 Mitarbeiter dauerhaft beschäftigt, doch
es gibt Auftragsspitzen, die nur mit vorübergehend täti-
gen Mitarbeitern abgearbeitet werden können. Das be-
trifft vor allen Dingen das Weihnachtsgeschäft.

Hierfür hat Amazon in den vergangenen Jahren auch
mithilfe der Bundesagentur Arbeitnehmer aus dem Aus-
land angeworben, ohne dass es zu Problemen kam. Im
letzten Jahr ist eine Zeitarbeitsfirma zwischengeschaltet
worden. Über die Praktiken dieser Firma, des Sicher-
heitsdienstes und der Firma, die für die Unterbringung
und den Transport zuständig war, sprechen wir heute im
Wesentlichen, aber nicht über die Arbeitsbedingungen
bei Amazon generell.

Ich will an dieser Stelle auch sagen: Für die Region
um Bad Hersfeld war die Ansiedlung von Amazon ein
Glücksfall, eben weil hier auch in hoher Zahl dauerhafte
Arbeitsstellen geschaffen worden sind. Das muss man
bei aller Aufregung auch einmal hervorheben dürfen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viele waren es ja wohl nicht! Außer die Hersfelder wohnen in Spanien!)


– 2 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verehrte
Frau Künast, finde ich schon eine ganz beachtliche Leis-
tung.

Gerade für das Segment „ungelernte Arbeitskräfte“
ist Amazon ein guter Arbeitgeber. Immer wieder werden
befristete Stellen in unbefristete umgewandelt. Die Re-
gionalagentur der Bundesagentur ist mit Amazon in Ge-
sprächen darüber, wie der Bedarf an Arbeitskräften
künftig gedeckt werden kann.

Worüber ich mich aber immer wieder ärgere, ist, dass
das sinnvolle Instrument der Zeitarbeit durch wenige
schwarze Schafe diskreditiert wird. In Deutschland sind
zurzeit etwa 800 000 Menschen in der Zeitarbeit tätig.
Davon sind zwei Drittel zuvor nicht beschäftigt gewe-
sen. Für sie ist die Zeitarbeit also der Weg in den Ar-
beitsmarkt und vielleicht auch in eine dauerhafte Be-
schäftigung.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aber nicht die ollen Kamellen! 10 Prozent sind langzeitarbeitslos gewesen!)


Die Zeitarbeit unterliegt dem Arbeitsrecht und den
gesetzlichen Schutzansprüchen. Wir haben in dieser Le-
gislaturperiode einmal eine missbräuchliche Nutzung





Dr. Matthias Zimmer


(A) (C)



(D)(B)


von Zeitarbeit verboten, Stichwort Schlecker; der Kol-
lege Kolb hat darauf hingewiesen. Wir haben mittler-
weile einen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche, und
auch hinsichtlich der Entlohnungsangleichung hat es
deutliche Fortschritte gegeben.

Wir haben also deutliche Verbesserungen der Rah-
menbedingungen für die Zeitarbeit erreicht. Der Gesetz-
geber alleine kann es aber nicht richten, auch nicht die
Kontrollinstanzen bei der Bundesagentur für Arbeit und
der Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

Ich denke, dass dieser Fall eines deutlich macht, dass
nämlich ein solcher Missbrauch auch zu einem PR-Pro-
blem der Firma wird, die mit Fremdfirmen zusammen-
arbeitet. Ich hoffe sehr, dass andere Firmen hieraus ler-
nen, dass sie mit für das verantwortlich sind, was die von
ihnen beauftragten Dritten tun, und dass sie schon im ei-
genen Interesse darauf pochen, dass sich solche Vor-
kommnisse wie bei Amazon nicht mehr wiederholen.

Einen guten Ruf kann man nicht kaufen, aber man
kann ihn schnell verlieren. Damit mag sich dann nach ei-
nem alten Sprichwort zwar ungeniert leben, aber nicht
mehr erfolgreich wirtschaften lassen.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Jetzt hat Klaus Barthel das Wort für die SPD-Frak tion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss mich schon sehr wundern. Hier wird uns von einem angeblichen Einzelfall berichtet. Im Unterschied dazu stellen wir in der Realität doch fest: Amazon ist fast überall. Schauen wir uns den Versandhandel an. Das ist eine der typischen neuen Dienstleistungsbranchen, in der viele Arbeitsplätze entstehen; das ist ein neuer Boom. In diesen neuen Dienstleistungsbranchen gibt es bisher aber eben kaum gewerkschaftliche Traditionen und Organisationen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie neu sind, dann können sie keine Traditionen haben!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722123800

(Beifall bei der SPD)

Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1722123900

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Na, na!)


Wer sich damit beschäftigt, der weiß: Bei Amazon
wird seit Jahren darum gekämpft, dass es in Betrieben
mit vierstelliger Beschäftigtenzahl einen Betriebsrat
gibt, dass dort ein Tarifvertrag angewandt wird und dass
dort einfach normales Recht umgesetzt wird. Kein
Mensch hat sich bis jetzt dafür interessiert. Das ist nicht
nur bei Amazon so, sondern in vielen Teilen dieser
neuen Dienstleistungsbranche.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Betriebsratswahlen zu organisieren!)


Wir haben es in diesem Bereich mit einer Umwälzung
zu tun, die zum Beispiel auch dazu führt, dass im Einzel-
handel insgesamt inzwischen ein nahezu tarifloser Zu-
stand herrscht und dass es im Moment gar keinen Weg
mehr zu geben scheint, dort wieder zu einem Tarifver-
trag zu kommen.

Reden wir einmal von Amazon, weil hier immer be-
hauptet wird, wir brauchen die ganzen flexiblen Be-
schäftigungsformen für kleinere und mittlere Unterneh-
men. Amazon ist eben nicht der Tante-Emma-Laden um
die Ecke, der sich mal durch Leiharbeiter oder Minijob-
ber aushelfen lassen muss, sondern Amazon ist ein glo-
baler, riesiger Konzern mit erheblicher Marktmacht,
8 000 Beschäftigten in Deutschland und einer Gewinn-
marge von 20 Prozent, der jetzt sogar das Bundeskartell-
amt am Hals hat. Da fragt man sich schon: Haben die das
wirklich nötig?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt also keinen ökonomischen Grund für die
Schweinereien, die da passieren. Es gibt keinen ökono-
mischen Grund dafür, dass zwei Drittel der Beschäftig-
ten bei Amazon – damit kommen wir hier langsam zur
Rechtslage – befristet beschäftigt sind, dass sie 10 bis
20 Prozent unter dem Tarifvertrag bezahlt werden, dass
in vielen Betrieben kein Betriebsrat vorhanden ist und
dass dort die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nicht
nur wie Sklaven behandelt werden, sondern auch noch
schlechter als die Festangestellten bezahlt werden.

Da sind Sie dann alle überrascht. Das ist doch kein
Einzelfall. Das ist die Spitze des Eisbergs der Prekarisie-
rung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist die Spitze dessen,
dass inzwischen 50 Prozent aller neuen Arbeitsverhält-
nisse befristet sind. Das ist die Spitze dessen, dass sich
der Anteil der Leiharbeit in den letzten zehn Jahren mehr
als verdoppelt hat, dass die Leiharbeiterinnen und Leih-
arbeiter im Durchschnitt 40 Prozent weniger Lohn
bekommen als die Festangestellten, dass es einen Nie-
driglohnsektor von 23 Prozent gibt und dass es einen
Missbrauch der Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der
Europäischen Union in großem Stil gibt. Da reden Sie
hier von kriminellen Einzelfällen! Das ist inzwischen die
Realität auf einem großen Teil des deutschen Arbeits-
markts.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dann haben wir die Debatte, die ich gerne weiterfüh-
ren möchte, aber aus Zeitgründen abkürzen muss, ob
man jetzt die Schuld wirklich bei den Verbraucherinnen
und Verbrauchern suchen kann. Da will ich einmal den
Gedanken von Frau Lösekrug-Möller fortführen. Ich
glaube, in einem sozialen Rechtsstaat, in einer sozialen
Marktwirtschaft muss sich der Verbraucher darauf ver-
lassen können, dass Rind Rind ist und dass Pferd Pferd
ist. Der Verbraucher muss auch nicht fragen, ob es bei





Klaus Barthel


(A) (C)



(D)(B)


dem Kauf eines Buches, das er sich zuschicken lässt,
nach Recht und Gesetz zugeht. Vielmehr hat ein sozialer
Rechtsstaat dafür zu sorgen, dass sich der Verbraucher
darauf verlassen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier wurden auch höhere Preise und die „Geiz ist
geil“-Mentalität angesprochen. Höhere Preise garantie-
ren doch keine guten Arbeitsbedingungen. Auch das ist
Realität. Das haben wir bei Adidas gesehen. Das haben
wir bei Apple in China gesehen. Das haben wir im Lu-
xushotel „Bayerischer Hof“ in München gesehen und wo
auch immer wir hinschauen: Teuer, teuer, teuer, aber
auch schlechte Arbeitsbedingungen.

Frau von der Leyen – erst einmal großen Respekt da-
für, dass Sie sich diese Debatte hier anhören –,


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Keine Sternstunde ist das!)


wir müssen doch hier feststellen, dass seit Monaten kein
Tag mehr vergeht, wo nicht Schwarz-Gelb irgendwelche
sozialen Gewissensfragen stellt. Aber Sie haben eben
den Missbrauch bei der Leiharbeit nicht gestoppt,


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Natürlich haben wir ihn gestoppt! Das haben wir doch alles gemacht!)


sondern Sie können ihn nur dann stoppen, wenn Sie
rechtlich etwas verändern: Equal Pay vom ersten Tag an,
damit auch die 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die weniger als drei Monate im Entleih-
betrieb beschäftigt sind, etwas davon haben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Ausnahmen im Gesetz haben Sie geschaffen!)


Begrenzung der Einsatzdauer bei Leiharbeit, Kündi-
gungsschutz und vor allen Dingen – das ist hier bei
Amazon besonders wichtig –:


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie wollten das doch so! Sie haben es doch eingeführt! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer hat es denn gemacht?)


Sorgen Sie dafür, dass Betriebsräte – Frau Präsidentin,
sorgen Sie bitte einmal für Ruhe, man kann ja hier nicht
reden –


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das können Sie sowieso nicht!)


im Entleihbetrieb für die Arbeitsbedingungen im Be-
trieb, wo die Leiharbeiter arbeiten, zuständig sind.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722124000

Es ist auch so, dass Ihre Redezeit zu Ende ist, Herr

Kollege.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1722124100

Solange Sie das nicht tun, wird man auch solche Prak-

tiken wie bei Amazon kaum aufdecken können. Deswe-

gen müssen Sie auch bei der Mitbestimmung in der Be-
triebsverfassung etwas ändern. Wir müssen auch dabei
etwas ändern, dass die Bundesagentur für Arbeit im
Grunde auch noch Beihilfe zu solchen Praktiken liefert.

Das heißt: Hören Sie auf, so zu tun, als würden Sie et-
was tun, sondern tun Sie etwas: Abschaffung der sach-
grundlosen Befristung, Einführung von Mindestlöhnen,
Regulierung der Leiharbeit.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722124200

Herr Kollege.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1722124300

Dann können wir hier weiterkommen. Dann können

Sie hier weiter „Skandal, Skandal“ schreien.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das haben Sie doch geschrien!)


Aber bevor Sie nicht die rechtlichen Grundlagen auf
dem Arbeitsmarkt verändern, brauchen wir uns hier
nicht weiter zu echauffieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722124400

Jetzt hat Paul Lehrieder das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1722124500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe
Frau Kollegin Beate Müller-Gemmeke, man kann es Ih-
nen nicht recht machen. Hätte unsere Arbeitsministerin
auch nur drei, vier Tage zugewartet, um dann eine Prü-
fung durch die Bundesagentur für Arbeit anzuregen, hät-
ten Sie gesagt: Sie schläft; sie ist eine Ministerin der
ruhigen Hand. – Jetzt hat sie unverzüglich ohne schuld-
haftes Zögern am ersten Werktag nach Bekanntwerden
der Vorkommnisse direkt die Bundesagentur eingeschal-
tet, um die Prüfung vorzunehmen, und Sie schwadronie-
ren irgendetwas von einer hektischen Arbeitsministerin.


(Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Ich habe nicht die Prüfung der Leiharbeitsfirma angesprochen! Was ist mit Amazon?)


Ich bin froh, dass wir diese dynamische Arbeitsministe-
rin haben, die unverzüglich die Prüfung eingeleitet hat,
um die Missstände aufzuklären.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Anette Kramme [SPD]: Fleißkarten sammeln!)


Auch die liebe Frau Kollegin Krellmann: Sie haben
eben in Ihrem Sammelsurium von Forderungen natürlich
wieder dargetan, dass in den letzten Jahren ausschließ-
lich im prekären Bereich Arbeitsverhältnisse entstanden
sein sollen. Das wird auch durch Wiederholung nicht
wahrer. Wir haben dank der christlich-liberalen Koali-
tion eine Arbeitslosenquote von 7,4 Prozent. Vor drei
Jahren waren es 8,3 Prozent. Wir haben aber derzeit





Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)


nicht nur 342 000 Arbeitslose weniger in Deutschland zu
verzeichnen, sondern wir haben auch 1,5 Millionen so-
zialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse
mehr. Davon sind nur 350 000 geringfügig Beschäftigte.
Auch das gehört zur Wahrheit.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Keine Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse, die sind gesunken!)


– Ich habe gesagt: 350 000 geringfügige Beschäftigte. –
Wir haben dreimal so viel Vollzeitbeschäftigte wie ge-
ringfügig Beschäftigte. Liebe Frau Kollegin Krellmann,
darauf muss noch einmal hingewiesen werden, wenn Sie
am Mikrofon abermals eine Legendenbildung betreiben.

Meine Damen und Herren, der Internetversandhänd-
ler Amazon – es wurde bereits mehrmals darauf hinge-
wiesen – ist der größte Onlinehändler der Welt. Allein in
Deutschland hat Amazon im vergangenen Jahr in seinen
sieben Logistikzentren 6,5 Milliarden Euro umgesetzt.
In diesem Lichte wiegen die in der aktuellen Bericht-
erstattung geschilderten Vorwürfe über die Lebens- und
Arbeitsbedingungen der eingesetzten Zeitarbeiter in der
deutschen Niederlassung von Amazon schwer. Auslän-
dische Zeitarbeiter sollen in überbelegten Ferienwoh-
nungen untergebracht und schlechter bezahlt worden
sein als versprochen. Die fälligen Sozialbeiträge für die
Beschäftigten sollen nicht korrekt abgeführt worden
sein. Des Weiteren sollen sie von Sicherheitsunterneh-
men auf Schritt und Tritt kontrolliert und schikaniert
worden sein. Herr Kollege Vogel hat zu Recht darauf
hingewiesen, dass dies ein Verstoß gegen das Grund-
recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 des
Grundgesetzes ist. Wir alle haben die Berichte über die
spanisch sprechende Dame gesehen, die gesagt hat: Sie
waren bei uns in der Dusche und im Schlafzimmer; wir
wurden überall überwacht. – So kann es natürlich nicht
gehen.

Sollten sich die Vorwürfe im vorliegenden Fall erhär-
ten und hierzulande Leiharbeiter unter Verstoß gegen das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und unter menschen-
unwürdigen Bedingungen beschäftigt worden sein, müs-
sen ganz ohne Frage Konsequenzen gezogen werden.
Dass es uns um die Menschen geht, zeigen die jetzt
durchgeführten Prüfungen. Wir wollen diese Auswüchse
und Missbräuche des Arbeitnehmerüberlassungsgeset-
zes, welche – auch darauf muss hingewiesen werden –
seinerzeit unter Rot-Grün erleichtert worden sind, unter-
binden. Uns geht es um die Menschen. Uns geht es nicht
darum, lieber Herr Kollege Roth, nach dem Motto
„Schwarz-Gelb muss weg“ eine Regierung wegzube-
kommen, wie Sie im letzten Satz Ihrer Rede ausgeführt
haben.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das wundert mich jetzt, dass Sie das anders sehen!)


Uns geht es vielmehr darum, den Menschen zu helfen.
Das ist es, was uns von Ihnen unterscheidet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Hierzu bedarf es jedoch zunächst einer genauen Un-
tersuchung, um Klarheit über die Arbeitsbedingungen

von Saisonkräften bei Amazon zu erhalten. Das Bundes-
ministerium für Arbeit und Soziales lässt derzeit durch
die Bundesagentur die Arbeit der betroffenen Zeitar-
beitsfirma, die mit der deutschen Niederlassung des In-
ternetversandhändlers Amazon zusammenarbeitet, auf
mögliche Verstöße gegen die rechtmäßige Durchführung
des AÜG überprüfen. Erste Ergebnisse werden in Kürze
erwartet.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sind heute heraus!)


– Ja, sie sind heute herausgekommen. Mittlerweile wehrt
sich das Unternehmen schon gegen die Begründetheit
der teilweise festgestellten Vorwürfe. – Gegenstand der
Prüfung ist unter anderem, ob die derzeit gültige Lohn-
untergrenze von 7,50 Euro bzw. 8,19 Euro pro Stunde
vorliegend eingehalten wurde oder ob es beispielsweise
für Kost und Logis unzulässige Lohnabzüge gab.

Wenn die Opposition hier reflexartig abermals die
Forderung nach einem einheitlichen gesetzlichen flä-
chendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro erhebt:


(Zuruf von der SPD: 8,50 Euro!)


Wir sind schon viel weiter als ihr. Kommen Sie doch zu
uns! Wir haben mit der FDP zusammen in der Leiharbeit
einen Mindestlohn eingeführt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben im Übrigen im Sommer mit den Gewerk-
schaften auch eine Verbesserung beim Equal Pay auf den
Weg gebracht. Wir haben erst gestern mit IG-Metall-
Chef Berthold Huber ein Gespräch darüber geführt, wie
die zeitlich befristete sukzessive Angleichung der Löhne
bei Leiharbeitsfirmen in Stammunternehmen wirkt. Er
hat gesagt, das funktioniere hervorragend. Die Gewerk-
schaften, denen wir mehr zutrauen als die Linken oder
die SPD, haben einen guten Weg vorgegeben, wie wir
Equal Pay sukzessive erreichen können und die Ausbeu-
tung von Leiharbeitern in Stammunternehmen verhin-
dert werden kann.

Meine Damen und Herren, sollte sich der Verdacht
bestätigen und für Amazon tätige Zeitarbeitsunterneh-
men gegen das Gesetz verstoßen haben, so stehen ausrei-
chend gesetzliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfü-
gung. Die betroffenen Zeitarbeitsfirmen, denen ein
Missbrauch nachgewiesen werden kann und die bei-
spielsweise nicht nachweisen können, dass der Mindest-
lohn gezahlt oder die Sozialbeiträge ordnungsgemäß ab-
geführt worden sind, haben mit erlaubnisrechtlichen
Konsequenzen zu rechnen. Auch dabei bin ich unserer
Arbeitsministerin sehr dankbar, die deutlich mit dem
Entzug der Erlaubnis für die Zeitarbeitsunternehmen ge-
wunken hat und das auch konsequent umsetzen wird.

Meine Damen und Herren, wenn Frau Kollegin
Lösekrug-Möller eine flächendeckende Überwachung
aller Unternehmen fordert, die sich im Bereich der Zeit-
arbeit betätigen, bin ich ein bisschen skeptisch. Wir
kommen wieder sehr schnell in einen sehr reglementier-
ten Überwachungsstaat. Wir sind froh und dankbar, dass
bei Anhaltspunkten die Kontrolle funktioniert hat. Wir





Paul Lehrieder


(A) (C)



(D)(B)


werden uns allerdings Gedanken darüber machen müs-
sen, warum sich im Fall von Amazon beispielsweise die
aus Spanien, aus Polen kommenden –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722124600

Herr Kollege.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1722124700

– sofort, Frau Kollegin –


(Heiterkeit)


Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht eher getraut
haben, diese Vorgänge publik zu machen, warum hier
überhaupt erst ein Fernsehteam darauf hinweisen
musste. Wir werden uns weiter Gedanken darüber ma-
chen müssen, wie wir es erreichen können, dass sich mit
unseren Sozialgesetzen vielleicht noch nicht so bewan-
derte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Miss-
ständen entsprechend an uns wenden können.

Frau Präsidentin, ich bedanke mich sehr herzlich für
Ihr freundliches Räuspern hinter mir und für die Geduld
mit mir. Sie können davon ausgehen, dass wir als christ-
lich-liberale Koalition das Problem einem ordnungsge-
mäßen, vernünftigen Ende zuführen werden.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dann beeilt euch mal! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Viel Zeit habt ihr nicht mehr!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722124800

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe auf die Zusatzpunkte 2 a und b:

a) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Entsendung bewaffneter deutscher Streit-
kräfte zur Beteiligung an der EU-geführten
militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali
auf Grundlage des Ersuchens der Regierung
von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP
des Rates der Europäischen Union (EU) vom
17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in
Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012)

und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen

– Drucksache 17/12367 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Entsendung bewaffneter deutscher Streit-
kräfte zur Unterstützung der Internationalen
Unterstützungsmission in Mali unter afrikani-
scher Führung (AFISMA) auf Grundlage der

Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen

– Drucksache 17/12368 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Hierzu ist verabredet, eine Stunde lang zu debattie-
ren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann
haben wir das so beschlossen.

Als Erstem gebe ich das Wort dem Bundesminister
der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute das wei-
tere Vorgehen in Mali, und das – wenn ich mir den Hin-
weis erlauben darf – auch zu einer guten Tageszeit.

Zunächst: Es war richtig und wichtig, dass Frankreich
zügig gegen den Vormarsch der islamistischen Kämpfer
in den Süden Malis vorgegangen ist. Für die schnelle
Entschlusskraft Frankreichs habe ich persönlich großen
Respekt. Frankreich hat zwei Soldaten verloren, erst ges-
tern den zweiten. Unser Beileid gilt den Angehörigen
und Frankreich. Es war auch richtig, dass wir, wir Deut-
schen, schnell auf der Ebene unterhalb der Einsatz-
schwelle mit Transportkapazität denjenigen geholfen ha-
ben, die überhaupt keine Transportkapazität hatten,
nämlich den afrikanischen Staaten.

Aber auf dem Weg zur nachhaltigen Beilegung des
Konflikts in Mali war die militärische Intervention erst
der Beginn eines Weges, eines militärischen, eines poli-
tischen, eines ökonomischen, vielleicht auch eines reli-
giösen Weges. Mein Kollege Westerwelle wird zu den
politischen Aspekten natürlich gleich noch vortragen.
Mali selbst muss seinen Bürgerinnen und Bürgern Frie-
den und Stabilität gewährleisten können. Aber bis mali-
sche Streitkräfte und Sicherheitskräfte diese Stabilisie-
rungsaufgabe allein erfüllen können, brauchen sie
Ausbildung und Hilfe.

Mit der europäischen Ausbildungsmission wollen wir
unsere afrikanischen Partner so stärken, dass es künftig
nicht mehr zu einem Machtvakuum kommen kann und
sie selbst in der Lage sind, solche Krisen möglichst ei-
genständig zu meistern. Dabei gilt es, den malischen
Streitkräften – ehrlich gesagt – ziemlich grundlegende
Fähigkeiten zu vermitteln und zunächst einmal vier ma-
lische Gefechtsverbände auszubilden und ihnen das bei-
zubringen, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte kön-
nen müssen.

Die europäische Ausbildungsmission wird ihre Arbeit
zunächst in Bamako und am Ausbildungsort Koulikoro
aufnehmen. Neben insbesondere der Pionierausbildung





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)


stellen wir die sanitätsdienstliche Versorgung sicher und
unterstützen auch im Bereich der Sanitätsausbildung. Es
werden auch einige Offiziere im Hauptquartier sein. Es
kommt ein Unterstützungselement hinzu, dessen Grö-
ßenordnung wir noch nicht genau kennen, weil es erst
nach Abschluss der näheren Erkundungen festgelegt
werden kann. Insgesamt bitten wir um die Zustimmung
zu einer Höchstgrenze von bis zu 180 deutschen Solda-
tinnen und Soldaten bei EUTM.

Die Dauer des Einsatzes wird zunächst auf ein Jahr
befristet sein. Ich sage ausdrücklich „zunächst“, denn die
Erfahrung zeigt, der Aufbau von nachhaltig friedenser-
haltenden Strukturen, gerade auch der Aufbau von Si-
cherheitsstrukturen ist hochkomplex und dauert meist
länger, als man sich das vorher in seinen Planungen
überlegt und zurechtgelegt hat. Wir brauchen wohl Ge-
duld und Ausdauer.

Meine Damen und Herren, der Sicherheitsrat hat mit
der Resolution 2085 die internationale Unterstützungs-
mission in Mali unter afrikanischer Führung, AFISMA,
mandatiert. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert,
das zu unterstützen. Ziel von AFISMA ist es, die mali-
sche Übergangsregierung bei der Wiederherstellung ih-
rer Autorität sowie beim Schutz der Bevölkerung zu un-
terstützen. Wir wollen mit dem zweiten Mandat, das wir
Ihnen heute vorlegen, die deutschen Unterstützungsleis-
tungen zusammenfassen. Alle deutschen Unterstüt-
zungsleistungen für AFISMA und damit auch für Frank-
reich erfolgen auf der Grundlage der Resolution 2085
des Sicherheitsrates. Bestehende Einsatzbeschränkungen
werden aufgehoben.

Die Bundeswehr leistet logistische Unterstützung
durch Lufttransport und Luftbetankung. Die bisher un-
terhalb der Einsatzschwelle eingesetzten Lufttransport-
fähigkeiten werden in das Mandat einbezogen. Trans-
portunterstützung erfolgt durch die ECOWAS- und
Anrainerstaaten nach Mali und innerhalb Malis. Die Per-
sonalobergrenze für diese Mission liegt bei 150 Solda-
tinnen und Soldaten. Damit kommen wir auch der Bitte
Frankreichs nach, Luftbetankung für französische Flug-
zeuge bereitzustellen, die AFISMA unterstützen. So
können die französischen Flugzeuge bei ihren Unterstüt-
zungsflügen für AFISMA in der Luft betankt werden.
Die Zertifizierung ist seit einigen Tagen abgeschlossen.

Die Entscheidung der Bundesregierung, um deren Zu-
stimmung wir Sie in den Beratungen auch in der nächs-
ten Woche bitten, ist gut überlegt. Sie ist eindeutig. Sie
ist international abgestimmt, und sie ist verantwortbar.
Ich füge hinzu: Wenn wir Soldaten in einen Einsatz schi-
cken, dann ist das eine ernste Angelegenheit. EUTM ist
ein Ausbildungseinsatz. AFISMA ist ein logistischer
Unterstützungseinsatz, nicht mehr, aber auch nicht weni-
ger. Jeder Einsatz kann für unsere Soldaten vor Ort ge-
fährlich werden. Asymmetrischen Bedrohungen müssen
wir begegnen und uns gegen sie wappnen. Ich will da-
rüber keinerlei Illusionen verbreiten.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1722124900

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ströbele?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Ich erlaube Ihnen gerne, Herr Ströbele, eine Zwi-
schenfrage zu stellen. Das vermeidet eine Kurzinterven-
tion.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125000

Herr Ströbele, bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Herr Minister, dass Sie Ihren Redefluss etwas
unterbrochen haben. – Sie sagen, dieser Einsatz ist gut
überlegt. Nun hat Deutschland bis vor ungefähr einem
Jahr dieselbe Armee in Mali ausgebildet. Diese Ausbil-
dung wurde dann beendet, weil diese Armee die Regie-
rung weggeputscht hat. Nun sagen Sie ein Jahr später,
dass wir diese Armee, die geputscht hat und die wir nicht
mehr ausbilden wollten, weil sie geputscht hat, unterstüt-
zen wollen, obwohl damals nicht nur die Ausbildung zu-
rückgeführt wurde, sondern auch die sonstige Unterstüt-
zung der Regierung in Mali beendet bzw. reduziert
wurde. Können Sie mir erklären, warum eine Armee, de-
ren Angehörige zwischenzeitlich zu Tausenden zu den
Islamisten übergelaufen sind und sich noch vor ein paar
Tagen in einem Armeestützpunkt nahe Bamako gegen-
seitig beschossen haben, ausgebildet und ihr beigebracht
werden soll, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte
– so habe ich mir Ihre Aussage notiert – leisten können?
Warum ist dieser Armee nicht zuvor beigebracht wor-
den, was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte leisten kön-
nen? Wieso gehen Sie nun davon aus, dass diese Truppe
durch die Ausbildung der Bundeswehr besser wird? Das
will mir nicht in den Kopf. Verlassen Sie sich allein da-
rauf, dass die dortigen Streitkräfte sagen: „Wir wollen
jetzt immer lieb sein“?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Nein, Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben die Er-
klärung eigentlich selbst gegeben: Die malischen Streit-
kräfte sind in keinem guten Zustand. Wir waren mit vier,
fünf, sechs Soldaten dabei und haben Pioniere ausgebil-
det. Ehrlich bzw. etwas arrogant gesagt: Die, die wir aus-
gebildet haben – wir haben zu ihnen noch ein bisschen
Kontakt –, gehören sicherlich zu den Besseren der mali-
schen Streitkräfte,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche sind die Besseren? – Gegenruf des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Die von uns ausgebildet worden sind! – Weiterer Gegenruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]: Hören Sie einmal zu!)


aber es waren eben nur wenige.

Herr Ströbele, ob es überhaupt die Armee ist, die aus-
gebildet wird, oder ob es malische Staatsbürger sind, die
wir erst zu Soldaten machen und zu einer Streitkraft zu-
sammenführen, das wird man vor Ort sehen. Der Zu-
stand ist so, dass dieses Land endlich demokratisch und
rechtsstaatlich geführte Streitkräfte braucht. Solche hat





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)


es bisher nicht, und diese kann das Land nicht aus eige-
ner Kraft schaffen – aus den Gründen, die Sie geschil-
dert haben: Die Soldaten haben sich untereinander be-
schossen. Der Hauptmann Sanogo weiß nicht, wem
seine Loyalität gehört. Die Regierung ist zu schwach,
um die Streitkräfte zu führen.

Deswegen ist es richtig, dass die Europäische Union
mit rund 200 Ausbildern konsequent, konsolidiert und
rechtsstaatlich die malischen Streitkräfte nun einer Ent-
wicklung zuführt, die das verhindert, was zu dem geführt
hat, was es jetzt gibt. Das ist genau der Auftrag.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, zu einer offenen und ehrli-
chen Debatte um Mali gehört auch die Erkenntnis, dass
wir dort – ich sagte es zu Beginn – sicher erst am Anfang
eines langen Weges stehen. Streitkräfte können und müs-
sen jetzt einen unverzichtbaren Beitrag leisten, aber es
bleibt nur ein Beitrag. Und ich ergänze: Auf die länger-
fristige Entwicklung in Mali werden wir Europäer wohl
eher nur einen begrenzten Einfluss haben. Den Einfluss,
den wir haben, sollten wir aber nutzen, um die Menschen
in Mali nach besten Kräften beim Wiederaufbau ihres ei-
genen Staates zu unterstützen.

Unsere Soldaten brauchen unsere Unterstützung. Un-
sere guten Wünsche begleiten sie auf ihrem Weg. Ich
bitte Sie alle um breite Zustimmung zu den beiden Man-
daten – so wie es sich ja abzeichnet – auf dem Weg zu ei-
nem besseren Mali.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125100

Rainer Arnold hat das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Es ist in der Tat ein gemeinsames europäisches In-
teresse, dass im nördlichen Afrika die Stabilität nicht
weiter zerbricht. Staatszerfall mit Rückzugsräumen für
internationale Terroristen, für Gotteskrieger, die dort
Ausbildung betreiben, betrifft uns im Augenblick mittel-
bar – mit Flüchtlingsströmen, mit schwerster Kriminali-
tät, mit Entführungen in dieser Region –, würde uns aber
sehr bald auch sehr direkt betreffen, weil die Agenda der
sogenannten Gotteskrieger im Sahel eine globale ist. Sie
bekämpfen unsere offenen demokratischen Gesellschaf-
ten, unsere Art, zu leben. Dies ist kein Problem für
Frankreich alleine; es ist in der Tat ein gemeinsames eu-
ropäisches Problem.

Richtig ist aber schon: Die französischen Partner ha-
ben aufgrund ihrer Geschichte, ihrer manchmal auch be-
sonderen Interessenlage in dieser Region besondere Ver-
antwortung. Sie haben aber auch besondere Expertise
und Erfahrung sowie besondere militärische Fähigkei-
ten. Deshalb war es richtig und gut – das muss man hier
ausdrücklich sagen –, dass die französischen Partner ent-
schlossen reagiert und eben nicht zugewartet haben, bis

das ganze Land Mali in die Hände derer fällt, die mit ih-
ren Waffen die Menschen am brutalsten unterdrücken.

Richtig ist auch: Würde Europa, würde Deutschland
Frankreich allzu sehr alleinlassen, würde damit auch
eine wichtige Idee, nämlich die Idee einer vertieften eu-
ropäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoli-
tik, die dringend notwendig ist, massiv beschädigt.


(Zurufe von der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


An dieser Stelle, wo es um die Entwicklung hin zu einer
vertieften europäischen Sicherheitspolitik geht, würde
ich mir durchaus ein bisschen größere Ambitionen der
Bundesregierung wünschen. Ich sage: Für uns Sozialde-
mokraten ist dieses Argument auch ein Argument dafür,
dass wir am Ende diese Mandate mit möglichst breiter
Mehrheit verabschieden.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen bei der Debatte nicht nur zurückschauen.
Ich habe auch nicht diesen Oppositionsreflex, dass man
immer dagegen sein muss, wenn die Regierung etwas
vorschlägt. In der Sicherheitspolitik sehen wir eine ge-
meinsame Verantwortung. Aber wir müssen schon an
etwas erinnern, vor allen Dingen den Herrn Außen-
minister: Der Start dieser Debatte war bei der Bundesre-
gierung äußerst – äußerst! – holprig. Was Sie ursprüng-
lich mit den beiden Fliegern geplant hatten, war in
keiner Weise ausreichend. Wir haben Ihnen vorausge-
sagt, dass die zwei Transall nicht reichen werden, weil es
den deutschen Interessen und der deutschen Verantwor-
tung nicht gerecht wird.

Die Bundesrepublik hat bei den Vereinten Nationen
beiden Resolutionen zugestimmt, und nun muss man
auch konsequent sein.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Die SPD war doch gar nicht dabei!)


Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland
Frankreich ein bisschen unterstützt, aber es im Grunde
genommen den Franzosen überlässt, ambitioniert dafür
sorgen, dass es am Ende gelingt und erfolgreich wird.
Ich wünsche mir schon, dass sichtbar wird: Wir haben
ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Aufgabe,
dass Mali wieder zurück auf den stabilen Weg geführt
wird, auf dem das Land übrigens in den letzten 15 Jahren
vor dem Hintergrund der Fragilität in dieser Region
durchaus war.

Der Minister der Verteidigung hat dieses Mandat
heute vorgestellt; dazu brauche ich gar nicht mehr viel
zu sagen. Ich bin durchaus der Auffassung, dass der Um-
fang und auch die Definition des Auftrages, dass die
Ausweitung, auch Sanitätssoldaten dorthin zu schicken,
richtig sind und dass es auch notwendig ist, die bisheri-
gen Kapazitäten im Lufttransport endlich in ein korrek-
tes Mandat, das vom Deutschen Bundestag abgesegnet
wird, zu bringen. Das haben wir Ihnen zu Beginn auch
gesagt. Wenn Sie es jetzt nachgelagert heilen, ist dies si-
cherlich richtig.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, wir brauchen dann nicht zu klagen!)






Rainer Arnold


(A) (C)



(D)(B)


Für die Debatte um Mali gilt für uns alle aber auch,
ganz bewusst die Lehren aus Afghanistan zu ziehen.

Die erste ist, nicht zuzuwarten, bis ein Land in die
Hände von fundamentalistischen Islamisten fällt, die uns
dann bedrohen, indem sie Rückzugsräume für Terroris-
ten zur Verfügung stellen.

Die zweite Lehre ist, nicht zu glauben, dass man ein-
fach von außen mit 130 000 Soldaten kommen und ein
Land stabilisieren kann. Es ist ganz klar: Es war in Af-
ghanistan und es ist jetzt von vornherein in Mali der
richtige Weg, örtliche Sicherheitskräfte zu qualifizieren
und sie, wo es sein muss, auch auszustatten sowie regio-
nale Sicherheitsarchitekturen in jeder Hinsicht zu stär-
ken.

Die dritte Lehre ist: Wir haben in Afghanistan deut-
lich gemerkt, dass Militär zwar Zeitfenster offenhalten
kann, damit andere Akteure – Diplomaten, Zivilgesell-
schaft, Teilhaber an wirtschaftlichen Beziehungen – die
Prozesse voranbringen können; aber Militär kann letzt-
lich die Probleme nicht lösen. Deshalb sind die politi-
schen Prozesse vom ersten Tag an entscheidend.

Der deutsche Außenminister hat zu Beginn der Mali-
Debatte im Grunde genommen dreimal am Tag gesagt:
Es bedarf politischer Prozesse. – Das ist nicht falsch. Sie
haben ja nachher Gelegenheit zu reden, Herr Minister.
Wir wünschten uns schon, dass Sie dann auch einmal ein
bisschen liefern und erklären, was die Deutschen tun, um
diese politischen Prozesse in Mali voranzubringen. Was
ist mit der Roadmap, die beschlossen worden ist? Ist es
richtig, bereits im Juni Wahlen abzuhalten, oder muss
man sich nicht die Zeit nehmen, damit die Registrierung
zur Wahl möglich wird und die Seriosität und die demo-
kratischen Prinzipien der Wahl von den Menschen ein-
gesehen und akzeptiert werden können? Wie gehen wir
mit der komplizierten Situation um, dass die MNLA, die
Tuareg-Aufständischen jetzt wieder in die Prozesse ein-
gebunden werden, wir aber doch gleichzeitig hören, dass
sie im Land in der Breite eben keine Akzeptanz in der
Gesellschaft haben? Ich weiß, es gibt keine einfachen
Antworten. Aber dazu müssten Sie sich schon einmal
äußern.

Wir würden auch gern einmal hören, was die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit tut bzw. wie sie sich ver-
stärkt engagiert, um den Malis und den Nachbarstaaten
zu helfen, mit den unglaublichen Flüchtlingsströmen
umzugehen. Natürlich erwarten wir auch, dass Sie sich
zu der UN-Mission – es wäre ja richtig, wenn sie im
März beschlossen würde – entsprechend äußern.

Viele haben gesagt – die Linken tun es auch heute
wieder –: Verhandeln ist das Maß der Dinge. – Natürlich
ist Verhandeln immer besser, als Militär einzusetzen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


– Das ist eine Binsenweisheit, Herr Kollege. – Aber ich
frage mich schon: Wann merken die Linken – vielleicht
irgendwann doch –, dass Verhandeln zwar besser ist,
dass man aber Partner auf der anderen Seite braucht, mit
denen man noch verhandeln kann, die überhaupt noch
die Freiheit haben, zu verhandeln? Hätte Frankreich, wie

Sie forderten, in Mali zugeschaut und nicht verhindert,
dass das ganze Land unter die Fittiche von fundamenta-
listischen Gotteskriegern gerät, dann hätten Sie auch nie-
manden zum Verhandeln gehabt.


(Zuruf von der LINKEN)


Es ist doch klar: Mit manchen Tuareg-Gruppen und über
deren durchaus akzeptable Interessen kann und muss
man in Mali reden. Aber glauben Sie wirklich, dass Sie
mit islamistischen Fundamentalisten, die nichts anderes
vorhaben, als die Region zu destabilisieren und unsere
Art zu leben zu bekämpfen,


(Zuruf von der LINKEN: Aber auch in Syrien!)


über irgendetwas verhandeln können? Will Gregor Gysi
jetzt auch einmal nach Mali fahren, um diese Probleme
zu lösen?


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Nein, ich wünsche mir, dass die Linken der Wirklichkeit
ein bisschen mehr ins Auge schauen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125300

Herr Kollege!


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1722125400

Wir in den anderen Fraktionen sehen die gemeinsame

Verantwortung. Meine Fraktion wird nächste Woche da-
rüber beraten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es am
Ende eine breite Akzeptanz für die Wahrnehmung dieser
Aufgabe geben wird.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125500

Herr Kollege!


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1722125600

Ich komme zum Ende. – Ich bin auch sehr zuversicht-

lich, dass wir die Bundesregierung kritisch, aber kon-
struktiv ermuntern, den politischen Prozess in Mali akti-
ver zu gestalten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125700

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle hat das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Frau Präsidentin! Herr Kollege Arnold, zunächst eine
Bemerkung vorab: Dass Sie angekündigt haben, dass Sie
die Mandate, die die Bundesregierung in Person des Ver-
teidigungsministers eben hier eingebracht hat, mutmaß-
lich unterstützen werden, begrüße ich natürlich. Ich ver-
stehe auch, dass Sie das eine oder andere Wort nach





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) (C)



(D)(B)


innen an Ihre eigene Partei richten müssen und Fragen
aufwerfen, die keine deutsche Bundesregierung beant-
worten kann. Wären wir als Bundesregierung in der
Lage, Ihnen ein Patentrezept mit entsprechenden Fahr-
plänen vorzulegen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wenigstens ein Rezept!)


wie die Stabilität und der Frieden in der gesamten Sahel-
region wiederhergestellt werden könnten, würden wir
keinen Augenblick zögern.

Wir wollen auch nicht so tun, als sei dies eine Angele-
genheit, die allein von Europa aus beeinflusst oder ge-
staltet werden könnte. Letzten Endes geht es auch bei
diesem Mandat darum, dass wir Europäer erkennen müs-
sen, dass das hier, wie es auch die Vereinten Nationen
beschlossen haben, zuallererst in afrikanischer Verant-
wortung liegt. Wir sind betroffen; aber es ist in afrikani-
scher Verantwortung. Deswegen trainieren und bilden
wir die Afrikaner so aus, dass sie ihren eigenen Beitrag
zur Stabilisierung im Norden Malis wahrnehmen kön-
nen. Aber wir können nicht alles leisten, und wir dürfen
gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern auch nicht
die Illusion erwecken, als sei der Deutsche Bundestag in
der Lage, allein die Mali-Krise zu lösen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das sind wir nicht. Wir leisten einen Beitrag, und alles
andere ist für das eigene heimische Parteipublikum, aber
dieser Debatte nicht angemessen.

Drei Ursachen haben uns in diese Lage gebracht.
Wenn ich „uns“ sage, dann unterstütze ich ausdrücklich
auch das, was Sie, Herr Kollege Arnold, und auch der
Verteidigungsminister Thomas de Maizière gesagt ha-
ben.

Erstens. Wir als Europäer sind betroffen, weil der
Norden Malis eine Staatsgrenze vom Mittelmeer entfernt
ist. Wir können nicht zusehen, wie im Norden Malis ein
sicherer Hafen für den Terrorismus gebaut wird, der
dann wiederum auch für uns eine Bedrohung in unserem
eigenen Land in Mitteleuropa bedeutete. Dies ist der ei-
gentliche Grund für das Mandat, und das müssen wir
auch unseren Bürgerinnen und Bürgern sagen. Wir hel-
fen also nicht nur altruistisch Menschen vor Ort – das
tun wir auch –, sondern in einer zusammenwachsenden
Welt geht es auch darum – vor allen Dingen das müssen
wir unseren eigenen Bürgerinnen und Bürgern sagen –,
unsere Freiheit, unsere offene Gesellschaft und die Art,
wie wir in Europa leben, zu verteidigen.


(Zuruf von der LINKEN: Am Hindukusch!)


Dies beschreibt die Aufgabe, die jetzt im Norden Malis
wahrgenommen wird.

Die Schwierigkeiten sind kurzfristig durch den Putsch
im März letzten Jahres entstanden. Dies hat dazu ge-
führt, dass eine massive Auseinandersetzung stattgefun-
den hat, in der die ohnehin sehr schwachen staatsorgani-
satorischen Kräfte noch einmal geschwächt worden sind.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt unterstützen wir wen?)


Es hat – darauf haben Sie, Herr Kollege Ströbele, auch
keine Antwort – innerhalb der malischen Armee also er-
hebliche Kämpfe und Auseinandersetzungen gegeben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wen bilden wir jetzt aus? Welche Seite?)


– Ich komme darauf. – Dies einfach zu sagen und dann
nichts zu tun, ist die falsche Schlussfolgerung.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht besser!)


– Herr Kollege Ströbele, wirklich! Nur weil man einen
Panorama-Bericht gesehen hat, hat man sich mit diesem
Thema noch nicht richtig befasst. Das muss ich Ihnen
wirklich einmal sagen. Das, was Sie hier einbringen, ist
sehr oberflächlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zweitens. Das, was in Libyen stattgefunden hat, hat
enormes Potenzial an Kraft und Gewalt und leider auch
an Waffen und an Geld in Umlauf gesetzt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kamen die Waffen her?)


Dies hat zusammen mit dem Putsch, der im März statt-
fand, den Konflikt natürlich noch einmal zugespitzt.

Jetzt kommen wir zu dem, worüber ich hier eigentlich
sprechen möchte, nachdem der Verteidigungsminister
das Mandat, wie ich finde, richtigerweise umfassend be-
gründet und eingebracht hat: Die eigentliche Ursache,
die Hauptursache, auf die wir uns im politischen Prozess
konzentrieren müssen, liegt darin, dass die Benachteili-
gung des Nordens als eine gesamtstaatliche Aufgabe an-
gegangen werden muss. Das heißt, die Situation Malis
nördlich des Nigerbogens zeigt nicht erst neuerdings,
sondern mindestens seit dem Tuareg-Aufstand in den
90er-Jahren, dass die Bevölkerung dort berechtigter-
weise das Gefühl hat, dass sie unterprivilegiert ist, dass
sie vom Kernland Mali nicht ausreichend berücksichtigt
wird und dass sie an der besseren wirtschaftlichen Ent-
wicklung im Kernland Malis nicht teilhat. Das hängt
auch sehr stark mit den Grenzen, die gezogen worden
sind, zusammen. Wir wissen natürlich alle, was dies mit
der europäischen Geschichte zu tun hat. Das wollen wir
nicht verschweigen. Die Menschen, die dort leben, ha-
ben nicht die soziale und die wirtschaftliche Teilhabe.

Ich war dort und habe Gespräche geführt. Ich habe
auch mit den Repräsentanten der Tuareg gesprochen. Sie
sagten: Verwechseln Sie nicht diejenigen, die jetzt
kämpfen, mit uns und unseren berechtigten Interessen.
Wir haben mit diesen Terroristen nichts zu tun. Es sind
in weiten Teilen Terroristen aus dem Ausland, die in das
Land hineingebracht worden sind


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


und die uns jetzt quälen und unterdrücken. – Das ist die
eigentliche Ursache. Darauf konzentriert sich auch der
politische Prozess.

Herr Kollege Arnold, natürlich ist die Frage bezüglich
der Roadmap, die Sie aufwerfen, berechtigt. Die Road-





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) (C)



(D)(B)


map ist übrigens mit europäischer und deutscher Unter-
stützung verabschiedet worden. Wir haben über die
Roadmap gesprochen. Wir haben mit den Betroffenen
verhandelt. Diese Roadmap sieht vor, dass man zur ver-
fassungsmäßigen Ordnung zurückkehrt. Das beantwortet
übrigens auch Ihre Frage, Herr Kollege Ströbele. Nur die
Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung wird auch
staatliche Ordnungskraft wiederherstellen und dafür sor-
gen, dass ein Primat der Politik in der Lage sein wird,
zum Beispiel Streitkräfte einzusetzen und nach innen
wie nach außen zu kontrollieren. So ist es.

Es ist richtig, die Frage zu stellen: Sind Wahlen im
Sommer möglich? Nach den Gesprächen, die ich mit
François Hollande und vor allem mit dem Außenminis-
ter Laurent Fabius am Montag geführt habe, ist mein
Eindruck, dass die Franzosen und die afrikanischen Part-
ner die Herausforderung, ob ein solcher Wahlprozess
zum avisierten Zeitpunkt möglich ist, sehr genau sehen.
Was ist aber die Alternative? Die Wahlen abzusagen und
in eine Jahreszeit zu verschieben, in der man über
Monate nicht mehr wählen kann? Das funktioniert nicht.
Deswegen wäre es falsch, wenn wir die Roadmap, die
gerade in Mali beschlossen worden ist, von Europa aus
infrage stellen würden, weil wir Zweifel haben. Das
Wichtigste ist, dass der politische Prozess in Gang ge-
kommen ist. Dazu zählt die Roadmap. Die Bundesregie-
rung unterstützt diesen politischen Prozess und auch
diese Roadmap und stellt sie nicht infrage. Es ist näm-
lich wirklich der Hoffnungsschimmer in einer ohnehin
sehr schweren Lage, meine sehr geehrten Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir werden natürlich bei der Umsetzung der Road-
map helfen. Das haben wir angeboten. Das ist nichts
Neues. Das haben auch die Regierungen vor uns getan.
In den 90er-Jahren hat Deutschland eine wichtige Rolle
gespielt, zum Beispiel beim politischen Vermittlungs-
prozess. Diese werden wir wieder einnehmen. Die euro-
päische Entwicklungszusammenarbeit hat den Kontakt
mit Mali wieder aufgenommen. Das heißt, dort, wo die
Roadmap sichtbar ist, also der politische Prozess begon-
nen hat, den wir bei früheren Debatten im Deutschen
Bundestag zu diesem Thema verlangt haben, sind wir
umgekehrt bereit, die Entwicklungszusammenarbeit
wieder aufzunehmen und zu forcieren. Das ist auch für
die Menschen wichtig, weil im Norden oftmals schon
wenig eine ganze Menge ist, um soziale, politische und
wirtschaftliche Partizipation voranzubringen.

Auf die beiden Mandate muss ich nicht mehr einge-
hen, weil sie umfassend begründet worden sind. Im
Zusammenhang mit dem politischen Prozess muss man
sich schon mit etwas Hintergrund und Tiefgang mit die-
sen Themen befassen. Ich möchte Ihnen nur mitteilen,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass derzeit in New
York bei den Vereinten Nationen diskutiert und erörtert
wird, ob das zweite Mandat, also nicht das europäische
Ausbildungsmandat, das von europäischer Ebene auf
15 Monate angelegt worden ist – wir legen es auf
12 Monate an, weil das die Regelung zwischen Bundes-
tag und Bundesregierung ist –, sondern das unmittelbare

logistische Unterstützungsmandat – so nenne ich es ein-
mal –, in eine Blauhelmmission überführt werden kann.
Ich kündige das hier nicht an – das habe ich den Obleu-
ten in unserem Gespräch am Dienstag auch gesagt –,
will Sie aber nicht im Unklaren darüber lassen.
Herr Gehrcke, Sie wissen das: Ich habe da nie etwas im
Unklaren gelassen. Wir beraten derzeit darüber, ob es ein
solches Blauhelmmandat der Vereinten Nationen geben
wird. Das wäre aber frühestens ab Mai möglich, und bis
dahin können wir weder die Afrikaner noch die Franzo-
sen im Stich lassen.

Deswegen ist es richtig, dass wir so handeln, wie vor-
gesehen, und die Afrikaner befähigen. Ich glaube, es ist
auch für die Franzosen die beste Form der Unterstüt-
zung, jetzt die Afrikaner zu befähigen, ihrer eigenen Ver-
antwortung in Mali nachzukommen. Das tun wir im
Rahmen eines sehr gut überlegten politischen Prozesses.
Hier stellen sich viele Fragen, die weder die deutsche
Regierung noch, wie ich glaube, irgendeine Regierung
der Welt derzeit beantworten kann. Dennoch ist es rich-
tig, dass wir so handeln. Es versteht sich von selbst, dass
wir jederzeit bereit sind, mit dem Bundestag zu reden
– vielleicht auch über ein neues Mandat –, wenn sich
Dinge, zum Beispiel in New York, verändern. Sie sehen:
Es handelt sich eben nicht um eine Politik, die sich aus-
schließlich auf das Mandat konzentriert. Vielmehr ist
und bleibt der politische Prozess im Vordergrund unserer
Bemühungen. Er birgt die einzige Möglichkeit, langfris-
tig für einen Ausgleich und für eine Stabilisierung in
Mali zu sorgen.

Damit wir uns hier nicht missverstehen, sage ich Ih-
nen nur eines: Es verhält sich genau so, wie es der Bun-
desverteidigungsminister gesagt hat. Das Mandat ist
ernst. Auch die Lage in Mali ist ernst. Ich fürchte, wir
werden in den nächsten Monaten und Jahren über isla-
mistischen Terror und über den Aufbau neuer Terrorzel-
len, und zwar an Stellen, die wir heute gar nicht auf dem
Radarschirm haben, reden müssen. Dennoch ist es rich-
tig und auch geboten, dass wir jetzt so handeln, damit
wir unseren Beitrag dazu leisten, dass vor unserer Haus-
tür keine Bedrohung für uns, unsere eigene Sicherheit
und unsere offene Gesellschaft entsteht. Diese Menschen
werden nicht von uns angegriffen, sondern sie wollen
unsere offene Art zu leben bekämpfen. Da müssen wir
eine wehrhafte Demokratie sein, nach innen wie nach
außen.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1722125800

Wolfgang Gehrcke hat das Wort für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722125900

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann vieles von dem teilen, was hier von der Analyse
her gesagt worden ist – darauf werde ich zurückkom-
men –, aber komme zu anderen Schlussfolgerungen. Die





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)


Linke wird den beiden Anträgen, die bedeuten, dass bis
zu 330 Bundeswehrsoldaten – das ist die Obergrenze –
in den Einsatz in Mali geschickt werden, nicht zustim-
men; wir werden sie ablehnen. Für uns bleibt es dabei:
Es werden in der Politik falsche Schwerpunkte gesetzt.
Dazu möchte ich ein bisschen argumentieren.

Erstens. Der Außenminister war hier gefordert, zur
Politik zu reden. Es ist eine interessante Arbeitsteilung,
Herr Westerwelle, die Sie hier akzeptieren: Der Verteidi-
gungsminister ist für das Militär zuständig; dazu äußern
Sie sich nicht. Und während der Verteidigungsminister
wenig zur Politik sagt, äußern Sie sich dazu. Ich hätte
mehr erwartet.

Meine Fraktion möchte, dass die Bundesregierung an-
dere Schwerpunkte setzt. Ich möchte, dass die Bundesre-
gierung hier deutlicher macht, welche diplomatischen
Initiativen tatsächlich unternommen werden. Ich
möchte, dass es mehr gibt als nur eine Reise des Außen-
ministers. Dazu, wie es zu einer Aussöhnung und zu
einer Verbesserung der Situation in Mali kommen soll,
haben Sie überhaupt nichts gesagt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer sich etwas mit der Situation in Mali beschäftigt
hat und mehr als eine Panorama-Sendung gesehen hat
– Sie haben sie offensichtlich auch gesehen –, konnte
seit langem mitbekommen, dass sich in Mali etwas zu-
sammenbraut; und es gab keine politische Reaktion da-
rauf. Ich stelle mir angesichts dessen selbst die Frage
und möchte sie auch Ihnen stellen: Brauchen wir nicht
eine ganz andere Friedens- und Konfliktforschung, um
solch einer Entwicklung längerfristig vorzubeugen oder
sie zu bekämpfen? Ist das nicht eine Frage, die hier erör-
tert werden muss? Brauchen wir nicht eine andere Ent-
wicklungsarbeit, die zu einer gerechteren Verteilung des
Reichtums auch in solchen Ländern beitragen kann? Das
muss zumindest thematisiert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch nachdem ich hier die Reden der beiden Minister
gehört habe, habe ich den Eindruck, dass leider auch für
die Bundesregierung gilt: Soldaten vor Diplomaten. Für
uns gilt umgekehrt: Diplomaten vor Soldaten. Das er-
achten wir für politisch notwendig.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine zweite Überlegung. Ich möchte ja, dass in Mali
geholfen wird. Ich habe von der Bundesregierung erwar-
tet, dass sie etwas mehr zu dem sagt, was sie den Verein-
ten Nationen vorschlägt. Ich will nur einige Fakten nen-
nen: Mali leidet darunter, dass es wie die ganze Sahara-
Region über einen großen Reichtum an Ressourcen, über
Naturreichtümer verfügt. Da wird der Reichtum – Uran,
Gold, Phosphate, Bauxit – zum Fluch. Man muss sich
dann vor Augen führen, dass in Mali 500 000 Hektar
Land an internationale Konzerne zum Anbau von Erd-
nüssen und nachwachsenden Rohstoffen verkauft wor-
den sind. Der Verkauf weiterer 400 000 Hektar steht
jetzt an. Auch diese ökonomischen Probleme führen
dazu, dass es zu solchen politischen Auseinandersetzun-
gen kommt. Die alte Kolonialmacht Frankreich – das

sage ich ganz offen – ist für diese Zustände mitverant-
wortlich. Sie ist daher nicht geeignet, diese zu beheben.


(Beifall bei der LINKEN)


In dieser Situation müssen die Vereinten Nationen eine
Rolle einnehmen; und das muss auch von der Bundesre-
gierung gefordert werden.

Drittens gibt es natürlich auch eine innenpolitische
Auseinandersetzung; das verhehle ich überhaupt nicht.
Ich bin dagegen, dass immer mehr Soldaten in Auslands-
einsätze geschickt werden. Herr Westerwelle, ich stehe
wieder vor dem Problem, dass ich Sie verteidigen muss.
Das tut mir furchtbar leid, das wird auch Ihnen unange-
nehm sein. Ich habe im Spiegel gelesen, dass der Partei-
vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, im Gespräch mit
einem US-Vertreter bei der Münchner Sicherheitskonfe-
renz gesagt hat:

„Der pazifistische Westerwelle“, der sich bei inter-
nationalen Konflikten gern heraushalte …

Das hat Cem Özdemir gesagt, das ist nicht dementiert
worden. Wenn Sie Pazifist wären, dann würde ich gerne
sagen: Willkommen im Klub!


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Da könnten wir uns gut treffen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Aber Herr Gehrcke, Sie sind doch kein Pazifist! Seit wann sind Sie denn Pazifist?)


Aber ich glaube es ja nicht. Ich fand es nur ganz interes-
sant, dass Özdemir dazu gesagt hat: Ein grüner Außen-
minister hätte sich bei der militärischen Hilfe nicht so
bescheiden gegeben.

Ich glaube, es gibt hier eine gewisse Umkehrung. Es
war richtig, dass sich die Bundesregierung in der
Libyen-Frage enthalten hat. Das werde ich immer wie-
der verteidigen, auch wenn ich gerne ein Nein gehört
hätte. Ich möchte nicht, dass die Situation in Mali unter
außerordentlich lautem Geschrei dazu missbraucht wird,
noch mehr Militär zu schicken. Das ist die innenpoliti-
sche Auseinandersetzung. Wenn Sie also zum Pazifis-
mus überlaufen: Herzlich willkommen! Dann können
wir uns freundlich verständigen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie müssen aber noch eine weitere Frage beantwor-
ten. In den Mali-Mandaten ist der Einsatz von Transall-
Maschinen vorgesehen. Sie haben jetzt beantragt, den
Einsatz der Transall zu mandatieren. Sie hatten mich hier
früher einmal aufgefordert: Wenn ich der Auffassung
sei, dass der Einsatz der Transall rechtswidrig gewesen
sei, dann sollte ich klagen. Wäre es nicht anständig
gewesen, wenn Sie jetzt gesagt hätten: „Sie haben recht
gehabt, es war rechtswidrig, wir haben das jetzt korri-
giert!“?


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ach! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein!)






Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)


Ich habe mit Vergnügen gesehen, dass Sie es korrigiert
haben und jetzt ein Mandat beantragen; denn das Verfas-
sungsgericht und andere sagen: Der Parlamentsvorbehalt
soll pro Parlament und nicht kontra Parlament ausgelegt
werden.

Ich will Ihnen ein letztes Problem vortragen. In der
Schilderung fängt alles so harmlos an. Ich habe überall
gelesen, dass Sie sagen: Es handelt sich nicht um einen
Kampfeinsatz. Ich sage Ihnen: Wer Soldaten einer ge-
spaltenen Armee für einen Einsatz ausbildet, ist Teil des
Kampfes. Erzählen Sie der Bevölkerung doch keinen
Unsinn.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer Flugzeuge zur Verfügung stellt, um militärische Gü-
ter und Soldaten zu transportieren, ist Teil des Kampfes
in Mali. Das ist ein Kampfeinsatz, und das sollten Sie
der Bevölkerung ehrlichkeitshalber auch sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich nehme sehr ernst, was Sie zum Terrorismus und
zu den islamistischen Banditen gesagt haben. Sie müs-
sen mir aber die Frage beantworten, warum Sie in Syrien
genau jene islamistischen Banditen mitfinanzieren und
unterstützen, die in Mali bekämpft werden. Das ist wie-
der diese Doppelbödigkeit. Dahinter ist keine Botschaft
zu erkennen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie müssen mir auch beantworten, wieso man mit Saudi-
Arabien, mit Katar und anderen Staaten weiterhin so gut
zusammenarbeitet, wo doch jeder weiß, dass Gelder aus
Saudi-Arabien, Katar und anderen Staaten in diese
Gruppen fließen. Wenn man hier keinen Strich zieht und
sagt: „Terrorismus muss politisch bekämpft werden“,
dann werden wir diese Probleme immer wieder haben.

Ich möchte gern, dass der Kampf gegen den Terroris-
mus ein Kampf gegen den Hunger ist. Das wäre ein sinn-
voller Kampf.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte gerne, dass der Kampf gegen den Terroris-
mus ein Kampf für soziale Gerechtigkeit ist. Ich möchte
gerne, dass man, wenn man gegen Terrorismus kämpft,
zugleich für kulturelle Vielfalt kämpft. Auch das hat eine
erhebliche Bedeutung.

Der Kampf gegen den Terrorismus kann gewonnen
werden. Den Krieg gegen den Terrorismus, den Sie seit
Jahren führen – vieles erinnert mich an Afghanistan –,
werden Sie nicht gewinnen. Deswegen ist die politische
Richtung, die Sie eingeschlagen haben, falsch. Das
wollte ich Ihnen vortragen. Das hat meine Fraktion über-
zeugt. Deswegen werden wir dagegen stimmen. Ich
glaube nicht, dass ich Sie überzeugt habe, aber man soll
die Hoffnung ja nicht aufgeben.

Danke sehr.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126000

Omid Nouripour hat jetzt das Wort für Bündnis 90/

Die Grünen.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722126100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dis-

kutieren heute über zwei Mandate für Einsätze der Bun-
deswehr in Mali: Zum einen geht es um eine Ausbil-
dungsmission und zum anderen um die Unterstützung
von ECOWAS und der französischen Streitkräfte in
Mali.

Beide Mandate, beide Einsätze haben im Grunde ein
und denselben Hintergrund: die Schwäche des malischen
Staates. Es gab den sogenannten Operettenputsch der
Hauptmänner, der es ermöglicht hat, dass die Rebellen
im Norden des Landes die Unabhängigkeit ausrufen
konnten. Es herrscht eine explosive Gemengelage in
dem Land, die wir wirklich lange ignoriert haben. Wir
haben sehr lange – viel zu lange – erklärt, Mali sei eine
lupenreine Demokratie. Wir haben dabei die Versor-
gungsprobleme, die Drogenrouten, die Probleme im Be-
reich der Staatlichkeit und die Folgen des Libyen-Krie-
ges ignoriert. Das war ein riesengroßer Fehler, für den
wir jetzt einen militärischen Preis zahlen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christoph Strässer [SPD])


Wir wissen alle, wie viele Waffen aus Libyen in den
Norden Malis gekommen sind.

Es gibt noch etwas. Herr Außenminister, ehrlich ge-
sagt, platzt mir fast der Kragen, wenn Sie sagen, dass
immer wieder neue islamistische Zellen entstehen wür-
den, über die man sich unterhalten müsse. Ich bin abso-
lut einverstanden, wenn Sie sagen, dass es sehr viele
Dschihadisten gibt, mit denen man keine Gespräche füh-
ren kann, weil sie keine Verhandlungen wollen. Wenn
wir heute aber darüber diskutieren, Bundeswehrangehö-
rige in eine Gefahrenzone zu schicken – sie können dort
tatsächlich in eine Gefechtssituation, in eine Gefahrensi-
tuation geraten und von Dschihadisten beschossen wer-
den; ich selbst habe in Bamako mit Augenzeugen ge-
sprochen, die mir berichtet haben, wie die Versorgung
dieser Dschihadisten von Katar aus funktioniert –, dann
müssen Sie nebenbei auch erklären, warum Sie Katar
400 Panzer geben. Das geht auf keine Kuhhaut. Das hat
mit Sicherheitspolitik überhaupt nichts mehr zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auf die militärische Frage kann es eigentlich nur eine
zivile Antwort geben. Was die Franzosen gemacht ha-
ben, war eine Notoperation, die ein Zeitfenster eröffnet
hat. Die Chance, die dieses Zeitfenster bietet, muss aber
mit zivilen und politischen Mitteln genutzt werden.

Ja, Mali braucht eine funktionierende Armee, eine,
die die territoriale Integrität des Landes herstellen kann.
Wir reden aber über eine Armee, die gespalten ist, die
zerrüttet ist, die verunsichert ist. Deshalb sind die Fragen
berechtigt: Welche Soldaten wollen wir ausbilden? Was





Omid Nouripour


(A) (C)



(D)(B)


wollen wir ihnen vermitteln? Was sind wir bereit dafür
einzusetzen? Wie soll das vorangehen, und wann verlas-
sen wir das Land wieder? Das sind völlig berechtigte
Fragen. In diesem Zusammenhang reicht der Hinweis,
dass es dazu eine Panorama-Sendung gegeben hat, ein-
fach nicht aus, Herr Außenminister.


(Beifall der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon vorher gewusst!)


Die Armee kann nur funktionieren, wenn sie demokra-
tisch und rechtsstaatlich verankert ist und es einen funk-
tionierenden Staat gibt. Ja, die Armee muss die territo-
riale Einheit gewährleisten können; aber es muss auch
eine Armee sein, vor der die Bürger Malis, egal welche
Hautfarbe sie haben, keine Angst haben müssen.

Derzeit gibt es Berichte über beängstigende Tenden-
zen. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt Beobachter ins
Land kommen, die valide Berichte darüber abgeben. Wir
erleben, dass es im Süden des Landes eine Radikalisie-
rung gegenüber den Tuaregs gibt. Immer wieder kam es
zu Situationen, in denen Selbstjustiz geübt wurde. Das
kann nicht sein. Davor müssen wir gefeit sein.

Das gilt natürlich auch für den Einsatz im Norden.
Diesen Einsatz hat Herr Brüderle, wenn ich das richtig
gelesen habe, mit ironischem Unterton „weltbewegend“
genannt. Es ist gut und richtig, dass wir jetzt darüber dis-
kutieren, dass der Einsatz von ECOWAS und die Opera-
tion Serval in eine Mission der UN-Blauhelme überführt
werden. Das ist alles andere als falsch.

Im Übrigen: Lieber Wolfgang Gehrcke, ich habe dich
gerade so verstanden, dass deine Fraktion zustimmen
würde, wenn das kommt. Ich bin sehr gespannt.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das wirst du nicht erleben! – Philipp Mißfelder [CDU/ CSU]: Was ist das für eine Kumpanei zwischen Linksextremen und Grünen?)


Noch einmal: Die politischen Instrumente sind von
zentraler Bedeutung. Wir spielen eine militärische Ne-
benrolle. Aber die Bundesrepublik hat einen hervorra-
genden Ruf in Mali. Deshalb sind wir nahezu verpflich-
tet, im Zivilen eine Hauptrolle zu spielen.

Es gibt so vieles, was man tun kann. In der Über-
gangsregierung gibt es Minister, die früher mit der GIZ
zusammengearbeitet haben. Dabei ist es relativ offen-
sichtlich: Gerade die Bundesrepublik Deutschland, die
bei der Geberkonferenz den Vorsitz hatte, muss darauf
drängen, dass die Zahlungsfähigkeit des Landes wieder
hergestellt wird. Gerade die Bundesrepublik Deutsch-
land mit langer Erfahrung bei der Dezentralisierung
muss mit dem Projekt Mali-Nord, das von dieser Bun-
desregierung eingestellt worden ist, dafür sorgen, dass
die Entwicklungszusammenarbeit wieder anläuft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gerade die Bundesrepublik muss jetzt die Netzwerke
nutzen, damit es zu einer Aussöhnung kommen kann. Es

wird nicht gelingen, ein Gelände – so groß wie Frank-
reich und Spanien mit seiner besonderen Topografie –
militärisch zu erobern und zu halten. Das ist komplett il-
lusionistisch. Deshalb muss man alles für eine Aussöh-
nung tun. Dazu kann die Bundesrepublik einiges beitra-
gen.

Wir müssen natürlich ferner helfen, dass das Land mit
der Situation der Flüchtlinge klarkommt. Das ist eine
zentrale Stabilisierungsmaßnahme – abgesehen davon,
dass es selbstverständlich notwendig ist, dort jetzt huma-
nitär zu helfen.

Die Regierung in Mali hat ein Legitimitätsproblem.
Das ist nicht schönzureden. Wir haben es zwar nicht mit
einer Putschistenarmee zu tun; aber es ist gut, dass es
eine Roadmap für Wahlen gibt. Ob die Zeiträume realis-
tisch sind und eingehalten werden können, ist fragwür-
dig. Ich finde, dass es besser und wichtiger ist, eine Wahl
gut zu organisieren, als eine Scheinwahl durchzuführen,
damit es den Europäern gefällt. Auch dabei stellt sich
natürlich die Frage, wie man helfen kann.

Alles, was noch erreicht werden kann, ist nur dann
nachhaltig, wenn wir eine politische Stabilität im Land
erreichen. Dafür können wir sehr viel tun. Aber all das
kann nicht militärisch erreicht werden; das funktioniert
nur mit politischen und zivilen Mitteln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Stimmen Sie dem zu oder nicht?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126200

Jetzt hat Philipp Mißfelder das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126300

Frau Präsidentin! Aus den Bemerkungen meines Vor-

redners bin ich nicht ganz schlau geworden. Herr
Nouripour, ich frage mich, ob Sie für Ihre Fraktion eine
Zustimmung zum Mandat signalisiert haben oder nicht.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Gute Frage!)


Gerade nach den letzten Worten, die Sie gesagt haben,
würde ich Ihnen empfehlen, zuzustimmen. Denn das ha-
ben uns auch beide Minister deutlich gemacht. Insofern
weise ich das, was Herr Gehrcke gesagt hat, zurück.

Ich wiederhole mich: Auch im Vergleich zu dem, was
in der Aktuellen Stunde von unserer Fraktion und der
Koalition geschlossen vertreten worden ist, stelle ich
fest, dass von uns niemand jemals gesagt hat, dass wir
der Meinung seien, man könne den Konflikt in Mali oder
irgendeinen anderen Konflikt auf der Welt mit militäri-
schen Maßnahmen lösen. Das hat nie jemand gesagt.


(Zustimmung bei der FDP)


Vielmehr verfolgen wir bei allem, was wir tun, einen
ganzheitlichen und umfangreichen Ansatz der vernetzten
Sicherheit. Das wird gerade an diesem Mandat sehr
deutlich. Es gab auch Stimmen aus der Fraktion der Grü-





Philipp Mißfelder


(A) (C)



(D)(B)


nen, die anfangs viel schneller einen Militäreinsatz er-
wogen haben, als es die Koalition getan hat, die von An-
fang an Zurückhaltung geübt hat.

Vor dem Hintergrund möchte ich deutlich machen,
dass wir neben den militärischen Maßnahmen alles tun,
was diplomatisch und entwicklungspolitisch notwendig
ist, um Mali zu stabilisieren und den Menschen vor Ort
zu helfen.

Bei den radikalpazifistischen Bemerkungen von
Herrn Gehrcke fehlt mir der traditionelle Anknüpfungs-
punkt der Linkspartei. Denn Ihre Haltung in den Debat-
ten um die Mandate steht im Gegensatz zu dem, was die
Linkspartei jahrzehntelang vertreten hat, als sie noch an-
ders hieß.

Zu dem, was Sie gesagt haben, möchte ich Folgendes
klarstellen: Eine solche Mandatierung fällt uns in kei-
nem Fall leicht. Der Bundesminister der Verteidigung
hat es ja zu Beginn dieser Sitzungswoche sehr deutlich
gesagt: Kein Mandat ist einfach, kein Mandat ist unge-
fährlich. Auch wenn es sich hier um eine Ausbildungs-
mission handelt, auch wenn es sich um logistische Un-
terstützung, auch wenn es sich um Sanitäter handelt: Die
Soldaten sind immer Gefahren ausgesetzt.

Deshalb fällt es uns ja auch nicht leicht, diese Manda-
tierung vorzunehmen. Aber, Herr Gehrcke, wir erhoffen
uns davon – gerade auch vom französischen Eingrei-
fen –, dass man Zeit gewinnt, um in Mali überhaupt wie-
der politikfähig zu werden. Deshalb schließen wir mili-
tärische Maßnahmen nicht aus.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist der Unterschied!)


Das ist der Unterschied. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass
Sie nicht dieselben Ziele haben wie wir, nämlich den
Menschen in Mali zu helfen – alles andere wäre gro-
tesk –; aber ich finde, dass Sie mit Ihrer Radikalableh-
nung jeglicher Auslandseinsätze der Bundeswehr falsch
liegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie unterstellen uns ja allzu häufig – Stichwort „Ver-
schwörungstheorien“ –, dass irgendwelche anderen Be-
weggründe dahinterstecken. Es ist in diesem Falle wirk-
lich so, dass wir sehr genau abwägen und uns fragen, was
dieses militärische Eingreifen letztendlich bewirken soll.
Deshalb hat hier auch niemand Hurra gerufen, als es um
ein weiteres Mandat ging. Wir haben vielmehr gesagt:
Wir beteiligen uns an keinem Abenteuer; wir unterstützen
aber natürlich diejenigen innerhalb unseres Bündnisses,
die bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Das
sind die Staaten von ECOWAS und natürlich auch unsere
französischen Freunde, die allesamt ein hohes Risiko ein-
gehen. Ich glaube, sie sind sich dessen auch bewusst.

Die zentrale Aufgabe, die wir haben, geht weit über
dieses Mandat hinaus. Daran beteiligen sich auch das
Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Unsere
Soldaten sind auch dafür bekannt, dass sie in diese Rich-
tung denken und mit ihrer Präsenz überall auf der Welt
in diese Richtung wirken. Wenn wir irgendwo militä-

risch tätig werden, sei es in einem geringeren Umfang
oder in einem größeren Umfang, verfolgen wir immer
eine politische Zielrichtung. Die politische Zielrichtung
geht weit über das Mandat hinaus. Sie geht auch weit
über eine kurzfristige Befriedung der Situation hinaus.

Wir befürchten, dass aus Befreiern irgendwann Besat-
zer werden, wenn wir uns politisch nicht mindestens ge-
nauso sehr bemühen, wie sich jetzt die Franzosen militä-
risch bemühen. Das nehmen wir sehr ernst. Vor diesem
Hintergrund tun wir alles, was in unserer Kraft steht, um
dieses Mandat politisch auszugestalten. Ich glaube, dass
Deutschland an vorderster Stelle gefordert ist, in Europa
dafür zu werben, dies auch nach der Zeit, in der der Mili-
täreinsatz im Fokus der Öffentlichkeit steht, konsequent
zu verfolgen.

Wie oft haben wir hier in Debatten, in denen es um
Afrika ging, bemängelt, dass sich die Öffentlichkeit sehr
wenig dafür interessiert? Das darf uns bei Mali nicht
passieren. In der Tagesschau und in den Regionalzeitun-
gen, überall wird jetzt unseren Bürgern erklärt, wo Mali
überhaupt liegt und welches Konfliktpotenzial es dort
gibt. Aber wenn der Militäreinsatz vorläufig erfolgreich
beendet sein wird, wird Mali aus den Schlagzeilen wie-
der verschwinden. Dann geht unsere politische Arbeit
unvermindert weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb möchte ich an dieser Stelle für die Koalition
noch einmal deutlich machen: Wir verfolgen bei diesem
Mandat einen politischen Ansatz der Entwicklungszu-
sammenarbeit, und wir wollen unseren Beitrag für eine
politisch stabile Zukunft Malis leisten. Das ist weit mehr
als der militärische Beitrag bzw. die militärische Kom-
ponente.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126400

Jetzt hat Christoph Strässer das Wort für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1722126500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dies ist ja anscheinend eine Stunde, in der Bekenntnisse
abgegeben werden. Ich sage zu Beginn: Ich bin – der
Kollege Gehrcke weiß das, weil wir uns schon seit 30,
40 Jahren kennen – kein Pazifist.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Warst du nie!)


Ich bitte in der Diskussion um Respekt und darum, dass
diejenigen, die den Pazifismus als Überzeugung vor sich
hertragen, den anderen nicht vorwerfen, sie seien
Kriegstreiber.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Christoph Strässer


(A) (C)



(D)(B)


Ich finde, es gehört in der Diskussion dazu, dass all die-
jenigen, die sich zu einer anderen Äußerung bekennen,
sich auch darüber Gedanken machen, was richtig und
was falsch ist. Aus dieser Überzeugung heraus sind ei-
nige Überlegungen sehr richtig.

Ich habe heute in der Neuen Zürcher Zeitung, die ich
ab und zu lese, eine interessante Überschrift gefunden.
In dem Artikel geht es um die Mandate, über die wir
heute reden. Die Überschrift lautet: „Kooperatives Ab-
seitsstehen“. Ich finde, das ist eine sehr charmante Be-
zeichnung für das, über das wir hier im Zusammenhang
mit den Mandaten zu diskutieren und zu entscheiden ha-
ben. Aber ich glaube, das betrifft nicht nur die Mandate.
Ich stimme dem Kollegen Mißfelder an dieser Stelle aus-
drücklich zu. Das kooperative Abseitsstehen sollte sich
auch auf unser politisches Verhältnis zu dem afrikani-
schen Nachbarkontinent beziehen. Ich habe mir, als ich
mich auf meine Rede vorbereitet habe, das „wunder-
bare“ Afrika-Konzept der Bundesregierung angeschaut,
in dem viel Gutes steht und in dem viele schöne und
bunte Bilder zu sehen sind. Ich erkenne aber nicht, dass
es dazu geführt hat, dass Afrika einen politisch-konzep-
tionellen Schwerpunkt der Politik der Bundesregierung
– ich füge selbstkritisch hinzu: und des Deutschen Bun-
destages – darstellt. Darüber müssen wir nachdenken,
und darüber müssen wir reden. Ich denke, das muss die
Konsequenz einer solchen Diskussion, wie wir sie heute
führen, sein.

Man muss sich die Frage stellen, welche Alternativen
es gibt. Was Sie gesagt haben, ist überwiegend richtig
– auch Kollege Nouripour hat darauf hingewiesen –:
Viele, viele Jahre haben wir nur zugeschaut. Es war die
„Chronik einer angekündigten Auseinandersetzung“,
schon seit den 90er-Jahren, gerade in Nordmali. Die
Tuareg waren ja ein Nomadenvolk und kein kriegeri-
sches Volk. Allerdings sind sie marginalisiert worden
und haben nach Lebensperspektiven gesucht. Das haben
wir offensichtlich nicht ernst genug genommen. Nun
sind die Islamisten auf dem Vormarsch. Die Islamisten
würde ich übrigens nicht mit den Tuareg gleichsetzen.
Auch da muss man, finde ich, sehr vorsichtig sein und
sehr genau hinschauen, was sich im Norden Malis tut.
Nachdem wir zehn Jahre lang nicht genau genug hinge-
sehen haben, nun den Schluss zu ziehen, auch heute zu
schweigen und nichts zu tun, halte ich für falsch und ein
Stück weit zynisch. Wir müssen die Entwicklungen in
Mali stoppen.

Ich glaube nicht – ich sage das jetzt etwas überspitzt –,
dass man Gruppen wie Ansar Dine und Mujao in der jet-
zigen Situation mit einer weißen Fahne und einer Media-
tion stoppen könnte. Deshalb finde ich es richtig, dass
sich die Bundesrepublik, die internationale Gemein-
schaft und die EU entschlossen haben, diesem Konflikt
mit den Mitteln zu begegnen, die aus meiner Sicht im
Moment als einzige helfen. Das sollte die Grundlage der
Diskussion über diese Mandate sein. Ich finde es richtig,
den Mandaten zuzustimmen.


(Beifall bei der SPD)


Niemand weiß – auch das ist ein Teil der Wahrheit –,
wie die militärische Auseinandersetzung ausgeht. Die

Erfolge der Franzosen sind offenbar nur von kurzer
Dauer und nicht so stabil, dass man sagen könnte: Die
militärische Auseinandersetzung ist beendet. – Die der-
zeitige Situation gibt uns die Chance, diese Diskussion
auf andere Beine zu stellen. Dabei geht es um Fragen der
humanitären Entwicklung, der Entwicklungszusammen-
arbeit und des Aufbaus von Strukturen. Herr Kollege
Ströbele, meiner Meinung nach gibt es keinen anderen
Akteur als die Malier selbst, der in der Lage wäre, lang-
fristig für geeignete Strukturen, die Sicherheit gewähr-
leisten, zu sorgen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht diese Armee!)


Ich würde mich freuen, wenn Sie mir sagen könnten, wer
außer der malischen Armee in diesem Land für Stabilität
sorgen soll.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können doch selber ausbilden!)


Ich bin sehr gespannt, auch zu erfahren, ob wir dann
wieder über eine Intervention mit anderen Mitteln als de-
nen, die jetzt zur Diskussion stehen, reden würden.

Ich finde es richtig – ich sage das ganz deutlich –, zu
sagen: Am Ende einer solchen Entwicklung muss eine
malische Ownership stehen. Alles andere wäre fatal. Es
darf und wird mit unserer Unterstützung keine dauer-
hafte Besatzung dieses Landes geben. Wir müssen aller-
dings dafür sorgen – das ist nicht nur eine Aufgabe des
Militärs und der Polizei; es müssen auch rechtsstaatliche
Strukturen geschaffen werden, die im Norden des Lan-
des komplett fehlen –, dass Unterstützung geleistet und
beim Aufbau geholfen wird, sodass sich eine Interven-
tion mit militärischen Mitteln auf mittlere Sicht erübrigt.

Meine persönliche Überzeugung ist: Ohne das, was
jetzt beschlossen worden ist – der Beitrag der Bundes-
regierung ist ja gering genug –, wäre eine auch nur an-
satzweise humane Entwicklung im Norden Malis nicht
mehr möglich gewesen. Deshalb finde ich es völlig rich-
tig, dass wir uns dort engagieren und das tun, was in den
Mandaten steht. Zumindest in der Begründung heißt es
ja – das macht mich ein bisschen hoffnungsfroh –, dass
es in der Sahelregion einen politischen Prozess geben
muss und wir dafür sorgen müssen bzw. einen Beitrag
dazu leisten können und müssen, dass sich die humani-
täre Situation verbessert.

Wir haben heute noch gar nicht oder nur ansatzweise
über das Thema Flüchtlinge gesprochen. Über eine Wie-
deraufnahme der Entwicklungszusammenarbeit möchte
ich an dieser Stelle gar nicht sprechen. Aber wir wissen
– diese Botschaft richtet sich an die Bundesregierung –,
dass es Flüchtlingsbewegungen gibt. Das World Food
Programme geht davon aus, dass die Hungersnot in der
Region zunehmen wird. Der UNHCR rechnet im Mo-
ment mit 400 000 Flüchtlingen. Die finanziellen Mittel,
die erforderlich sind, um die größte Not zu lindern, sind
noch nicht einmal zur Hälfte vorhanden.

Ich denke, wir müssten viel mehr darüber nachden-
ken, wie wir zivile Strukturen aufbauen können. Wir





Christoph Strässer


(A) (C)



(D)(B)


haben heute im AwZ über die Arbeit des Zivilen Frie-
densdienstes diskutiert. Die Mittel für den Zivilen Frie-
densdienst konnten seit Jahren keinen Aufwuchs mehr
verzeichnen. Ich finde, an diesen Stellen müssen wir ein-
fach besser werden. Wir brauchen diese zivilen Organi-
sationen, und wir brauchen den Dialog mit der mali-
schen Zivilgesellschaft. Da gibt es Strukturen, da gibt es
Ansprechpartner. Da dürfen wir in den nächsten Jahren
nicht wegschauen, wenn wir nicht wieder in eine solche
Situation kommen wollen wie heute.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126600

Florian Hahn hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1722126700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen, lassen Sie uns noch einmal ganz kurz zurückbli-
cken: 2012 haben islamistische Gruppen den nördlichen
Teil Malis – 50 Prozent des gesamten Landes – unter
ihre Kontrolle gebracht, eine Region zweimal so groß
wie die Bundesrepublik Deutschland. Sie haben die
Scharia eingeführt, sie haben Angst und Schrecken ver-
breitet. Die Menschen haben sich nicht mehr getraut,
ihre Häuser zu verlassen. Felder wurden nicht mehr be-
stellt. 350 000 Menschen sind geflüchtet. Ausbildungs-
lager für militante Islamisten sind entstanden – eine Ge-
fahr für die gesamte Sahelzone, eine Gefahr vor den
Toren Europas.

Darüber waren wir im Parlament alle gut informiert.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich dem BND dan-
ken, der offensichtlich eine neue, transparentere Kultur
der Informationspolitik gegenüber dem Parlament lebt
und pflegt. Das kann so weitergehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ereignisse
hat Bundeskanzlerin Merkel sehr früh, im Oktober 2012,
signalisiert, dass Deutschland bereit ist, bei einer koordi-
nierten europäischen Mission zur Stabilisierung Malis
Unterstützung zu leisten.

Anfang dieses Jahres starteten die Dschihadisten ei-
nen Vormarsch Richtung Süden. Malische Streitkräfte
– soweit überhaupt existent – waren nicht in der Lage,
sich dem entgegenzustellen. Damit stand die Tür nach
Bamako – einer Stadt, in der unter anderem 6 000 Fran-
zosen leben – sperrangelweit offen. Das war für Frank-
reich der Moment, zu intervenieren. Deutschland hat be-
reits wenige Tage später begonnen, logistisch und
finanziell Hilfe zu leisten. Man kann mit Fug und Recht
sagen: Ohne Frankreich gäbe es Mali heute nicht mehr.
Inzwischen konnte Frankreich zusammen mit malischen

und anderen afrikanischen Kräften die Städte im Norden
befreien und die Islamisten verdrängen.

Jetzt gilt es, das Land langfristig zu stabilisieren und
zu verhindern, dass vor den Toren Europas ein Rück-
zugsort für den internationalen Terrorismus entsteht, der
die Stabilität einer ganzen Region Afrikas gefährdet.

Hierzu wollen wir heute zwei Mandate verabschieden
und auf den Weg bringen. Zum einen wollen wir die lo-
gistische Unterstützung in Form von Transportleistun-
gen und Luftbetankungen deutlich verstärken. Damit
lassen sich zurückgewonnene Sicherheit und Stabilität in
Nordmali halten und ausbauen. Zum anderen wollen wir
einen sehr großen Beitrag bei der Ausbildung der mali-
schen Streitkräfte leisten, damit diese in Zukunft die
Verantwortung für die Sicherheit in Mali voll überneh-
men können. Inklusive der bereits stationierten Einhei-
ten werden maximal 330 deutsche Soldaten entsendet
werden. Damit gehört Deutschland nach dem Haupttrup-
pensteller Frankreich zu den größten Truppenstellern.

Dauerhafter innerer Frieden wird nur mit Geduld und
Nachhaltigkeit hergestellt werden können. Klar ist, dass
die beste Phase des militärischen Einsatzes vorbei ist.
Erste Selbstmordanschläge wie in Gao vor wenigen Ta-
gen zeigen uns, dass die Aufständischen auf asymmetri-
sche Strategie umstellen. Deswegen müssen wir nach-
haltige und menschenwürdige Strukturen aufbauen. Die
Roadmap, die als ein Ziel freie Wahlen beinhaltet, muss
weiter verfolgt werden. Ethnische Rahmenbedingungen
müssen viel stärker als bisher berücksichtigt werden.
Der Norden kann nicht zentral, vom Süden her, gesteuert
werden – hier sind föderale Ansätze vonnöten.

Es ist gut, dass dieser Einsatz von Anfang an kein rein
europäischer war, sondern in enger Absprache und unter
Beteiligung und Führung der Afrikaner stattfindet. Al-
lerdings müssen wir auch feststellen und erkennen, dass
es ohne uns nicht geht. Dazu müssen wir uns beispiels-
weise nur Finanzierung, Ausrüstung, Vertragstreue und
Führungsfähigkeit der ECOWAS genauer ansehen.

Lassen Sie mich noch kurz auf die deutsche Luftwaffe
zu sprechen kommen, die diesen Einsatz in der Hauptsa-
che stemmen wird. Beim Thema Luftbetankung konnten
anfängliche Zertifizierungsprobleme schnell gelöst wer-
den. Hier zeigt sich, wie wichtig die Luftbetankungsfä-
higkeit für Europa ist. Die Luftwaffe konnte schnell und
unproblematisch Lufttransportkapazitäten bereitstellen.
Damit unterstreicht sie Flexibilität und Handlungsfähig-
keit. Die Ressourcen der Luftwaffe sind aber endlich.
Uns muss klar sein, dass wir nun zehn Transall-Maschi-
nen in Afghanistan und Mali im Einsatz haben – übri-
gens ist die Transall vor 50 Jahren zum ersten Testflug
aufgebrochen –, und wir wissen, dass wir nicht mehr
Maschinen mit entsprechender Einsatzausrüstung zur
Verfügung haben.

Die Bundeswehr ist weiterhin am Horn von Afrika, in
Afghanistan und im Kosovo mit vielen Soldaten und
Soldatinnen im Einsatz. In der Türkei sind zwei Patriot-
Systeme zum Schutz unseres Bündnispartners installiert
worden. Damit zeigt Deutschland deutlich, dass es seiner





Florian Hahn


(A) (C)



(D)(B)


Verantwortung als Bündnispartner und als wohlhabende
Nation gerecht wird.

Abschließend wünsche ich unseren Soldatinnen und
Soldaten hier und in den Einsätzen alles Gute und Gottes
Segen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722126800

Jetzt hat noch Hartwig Fischer das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1722126900

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein ernstes Thema;

aber es gibt eben auch Politikerinnen und Politiker, die
sich mit diesem Thema nicht ausreichend befassen, es
jedoch zur Selbstdarstellung nutzen. Twitter heute, am
20. Februar, um 17.37 Uhr: Christian Ströbele – der für
die Grünen hier schon nicht mehr reden darf –: Minister
will Armee in Mali beibringen, was rechtsstaatlich ge-
führte Kräfte leisten. Das klappt doch nicht. –


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!)


Herr Ströbele, das haben Sie richtig getwittert, natürlich;
aber dann muss die Öffentlichkeit auch wissen, dass zum
Beispiel bei unseren Bundeswehrsoldaten, die im Kofi
Annan International Peacekeeping Training Centre un-
terrichten, das Thema Humanitäres Völkerrecht – früher
Kriegsvölkerrecht – zu den Lehrplänen gehört und die
Soldaten in den Beratergruppen in Afrika über diese
Grundfragen diskutieren. Dort wird über innere Führung
gesprochen. Es wird nicht nur militärisch ausgebildet,
sondern es wird so diskutiert, wie bei uns in einer demo-
kratischen Armee und in einem demokratischen Parla-
ment über legitimierte Einsätze gesprochen wird. Wenn
Sie eine solche Twitter-Meldung absetzen oder sagen,
dass Soldaten Mörder sind und Ähnliches, dann haben
Sie eine Diskussion zu verantworten, die wir in diesem
Fall nicht gebrauchen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünschte mir,
es würden viel mehr Kollegen in Delegationen nach
Afrika fahren und sich informieren. Ich bin mehrfach in
Mali gewesen. Das letzte Mal war ich im Oktober 2012
mit einer Gruppe des AwZ in Mali, darunter auch der
Kollege Binding und der Kollege Movassat. Damals
konnte man die Entwicklungen schon absehen. Die eth-
nischen Konflikte im Norden Malis gibt es seit Jahrzehn-
ten; aber sie sind dann durch ausländische Gruppen oder
Tuareg und andere, die nach Libyen gegangen sind, mit
Waffen wieder ins Land hineingetragen worden.

Wenn man hier von einem Putsch spricht – den jeder
von uns verurteilt –, dann muss man auch einmal über
die Ursachen dieses Putsches sprechen. Die Armee war,
verheerend ausgebildet, in den Norden geschickt wor-
den, mit einem einzigen Bataillon, und dieses ist von den
einströmenden Kräften aus Libyen abgeschlachtet wor-
den. Das war der Hauptgrund, warum es dann plötzlich

einen Putsch gab, nämlich weil man gesagt hat: Unsere
Soldatinnen und Soldaten sind vernachlässigt worden. –
Auch das gehört zu der Geschichte, ohne dass man den
Putsch in irgendeiner Form heroisieren würde.


(Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Nein, Herr Ströbele, Sie müssen erst einmal Redezeit
von Ihrer Fraktion bekommen. Sie können ja nachher
eine Kurzintervention machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage heute ganz bewusst nichts mehr zu den Mili-
täreinsätzen; dazu ist alles gesagt worden. Ich spreche
über die Situation in Mali, weil diese Debatte übertragen
wird und die Menschen draußen mehr darüber erfahren
sollen.

Ich nenne nur einmal die Region Timbuktu. Sie hat
408 000 Quadratkilometer. Damit ist sie weit größer als
die Bundesrepublik Deutschland. In dieser Region muss
Sicherheit hergestellt werden. Das haben die Franzosen
in einem Teilbereich geschafft. Ein Teil der terroristi-
schen Kräfte ist ausgewandert, hat sich vertreiben lassen
und beginnt nun, sein Unwesen in Niger und Burkina
Faso zu treiben. Deshalb sollten wir in der Phase danach
auch mit diesen Staaten in ständigem Gespräch und Dia-
log bleiben, um zu erfahren, wie wir sie unterstützen
können. Das Ganze ist im Augenblick nicht nur ein Pro-
blem des Nordens Malis.

Wir müssen gemeinsam das tun, was der Verteidi-
gungsminister und der Außenminister deutlich gemacht
haben, nämlich vor allen Dingen in den Kommunen des
Nordens in den nächsten Monaten für Stabilität sorgen.
Daneben müssen wir gemeinsam mit unserem Entwick-
lungsminister überzeugende Konzepte anbieten, der
– das ist vorhin nicht deutlich geworden – die Entwick-
lungshilfe nicht komplett eingestellt hat, sondern der den
verschiedenen Organisationen gemeinsam mit dem Au-
ßenministerium zunächst für den Bereich der humanitä-
ren Hilfe Mittel zur Verfügung gestellt hat. Man kann
immer sagen: Das ist nicht ausreichend. – Ich glaube
auch, dass das nicht ausreichend ist; das ist bei keinem
Konflikt ausreichend. Aber wir haben sehr viel getan,
und das wird auch von den Organisationen gewürdigt,
die uns aus Gao, Kidal, Mopti und anderen Regionen be-
richten, wo ja auch Minenfelder beseitigt werden müs-
sen.

Das heißt, hier beginnen wir nicht nur mit der huma-
nitären Hilfe, sondern wir arbeiten auch an der Entwick-
lungszusammenarbeit. Wir haben dort in der Vergangen-
heit intelligente Bewässerungssysteme und Ähnliches
bereitgestellt. Das müssen wir auch in Zukunft tun.

Ich will noch einmal zur Ausbildung des Militärs
kommen. Eigentlich haben in der Vergangenheit alle
Bundesregierungen gesagt: Es ist nicht in erster Linie
unsere Aufgabe, dass wir unser Militär in die afrikani-
schen Länder schicken, sondern unsere Daueraufgabe ist
die Ertüchtigung der Armeen in den betroffenen Ländern





Hartwig Fischer (Göttingen)



(A) (C)



(D)(B)


auch nach unseren Grundsätzen. Das tun wir in Teilbe-
reichen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Marodierende Armee!)


– Herr Ströbele, ich warte darauf, dass Sie im Verteidi-
gungsausschuss einen Antrag stellen, die Mittel dafür zu
erhöhen, damit wir in Afrika stärker in die Ausbildung
einsteigen können.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Gott sei Dank ist er da nicht drin!)


Ich hatte bisher den Eindruck, dass Sie in diesen Berei-
chen eher kürzen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen in den nächsten Wochen und Monaten
noch mehr Diplomatie und Dialog. Deshalb finde ich es
gut, dass man die Supportgruppe gemeinsam gegründet
hat.

Herr Außenminister, ich habe eine große Bitte an Sie,
der Sie ja federführend die Gespräche für die nachfol-
genden Schritte führen – auch international. Ich bin mit
Ihnen der Auffassung, dass es eine große Hoffnung ist,
dass Traoré auf der Konferenz in Addis Abeba eine
Roadmap vorgelegt und dort auch angekündigt hat, im
Juli Wahlen durchzuführen. Ich sage uns allen aber:
Diese Wahlen müssen dann auch im Norden Malis sau-
ber durchgeführt werden können. Ich habe die Sorge,
dass das nicht sichergestellt wird. Wenn das sicherge-
stellt wird, dann ist das, glaube ich, eine Riesenchance.
Wenn es uns aber gemeinsam nicht gelingt, dass die Re-
gistrierung und alles Weitere umgesetzt wird, dann
schaffen wir ein neues Konfliktfeld, weil sich der Nor-
den Malis schon immer vernachlässigt fühlt.

Sechs Minuten Redezeit sind immer viel zu wenig,
vor allen Dingen, da ich am Anfang noch auf Herrn
Ströbele eingehen musste. Ich könnte noch viel dazu sa-
gen.

Ich wünsche mir auch, dass es uns in einem langfristi-
gen Aufbauprozess gelingt, Mali als Land insgesamt
wieder zu einen. Wir in unserer Delegation haben mit
vielen Tuareg gesprochen, auch mit solchen, die im Par-
lament waren. Sie sind gemäßigt, und es sind einzig die
Fundamentalisten, die die Situation ausgenutzt haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722127000

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/12367 und 17/12368 an die Aus-
schüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung fin-
den. Damit sind Sie einverstanden? – Dann ist das so be-
schlossen.

Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 21. Februar 2013,
9 Uhr, ein.

Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Ein-
sichten.

Die Sitzung ist geschlossen.

Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1722127100