Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Nehmen Sie bitte Platz, liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Auch wenn es nach der bewegenden Stunde vor un-serer heutigen Parlamentssitzung schwerfällt, zur parla-mentarischen Tagesordnung überzugehen, werden wirgenau dies jetzt tun.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: 14. Kinder- und Jugend-bericht – Bericht über die Lebenssituation jungerMenschen und die Bestrebungen und Leistungen derKinder- und Jugendhilfe in Deutschland.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauenund Jugend, Frau Dr. Kristina Schröder. Bitte, FrauMinisterin.Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In familiärer Atmosphäre darf ich Ihnen darüber berich-ten, dass wir heute im Kabinett die Ergebnisse des14. Kinder- und Jugendberichtes und die Stellungnahmeder Bundesregierung beraten haben. Mein herzlicherDank geht erst einmal an die Kommission für die Ausar-beitung des Sachverständigengutachtens. Der Berichtsamt Stellungnahme wird dem Deutschen Bundestagund dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet werden. Wo-rum geht es in dem Bericht?Erstens. Der Bericht widmet sich ausführlich demVerhältnis zwischen privater und öffentlicher Verantwor-tung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen.Er unterstreicht, dass Familie natürlich der erste zentraleOrt für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichenist und bleibt und dass deswegen die Unterstützung derEltern in ihrer Erziehungsverantwortung so wichtig ist.Deshalb gehören hierzu Maßnahmen, die Eltern Zeit fürVerantwortung geben, etwa Elterngeld und Elternzeit,aber auch familienbewusste Arbeitszeiten. Eltern in ihrerErziehungsverantwortung zu unterstützen, heißt aberauch, dort Hilfe zu leisten, wo sie ihrer Verantwortungallein nicht gerecht werden können.Hier kommen wir zu einer Grundthese des Berichtes,die besagt: In den letzten Jahren haben wir eindeutigeine Zunahme der öffentlichen Verantwortung festzu-stellen, ohne – so die These des Berichts – dass deswe-gen die familiäre Verantwortung zurückgehen würde.Die beiden Bereiche sind also nicht wie kommunizie-rende Röhren zu verstehen, sondern oft befähigt erst dieöffentliche Verantwortung die Eltern, der familiären Ver-antwortung nachkommen zu können. Besonders schönkann man das an dem Beispiel der Frühen Hilfen deut-lich machen, die wir im Rahmen des Bundeskinder-schutzgesetzes deutlich ausgebaut haben, durch die El-tern schon während der Schwangerschaft und im erstenJahr nach der Geburt durch Familienhebammen unter-stützt werden. Diese Unterstützung durch Familienheb-ammen führt gerade dazu, dass familiäre Verantwortungauch gelebt werden kann.Zweiter Schwerpunkt des Berichtes ist die Bildungals Schlüssel für faire Chancen. Öffentliche Angebotezur frühkindlichen Bildung haben deutlich zugenom-men. Der Besuch von Kitas für unter Dreijährige ist invielen Familien eine neue Normalität. Sie wissen, dassder Bund hier seiner Verantwortung gerecht wird und fürdiesen Bereich bis zum Jahr 2014 insgesamt 5,4 Milliar-den Euro zur Verfügung gestellt hat.In diesem Zusammenhang fand ich einen Punkt sehrinteressant, auch wenn er in erster Linie die Länder mitihrer Verantwortung für die Schulpolitik betrifft, näm-lich die Aussage, die im Bericht zum Thema Ganztags-angebote gemacht wird. Wir alle wissen ja, dass es einoriginäres familienpolitisches Thema ist, gerade in derGrundschulzeit gute Betreuung zu haben. Hier stellt derBericht fest, dass inzwischen immerhin die Hälfte allerSchulen in irgendeiner Form Ganztagsangebote machtund bereits ein gutes Drittel der Kinder in Deutschlandan diesen Ganztagsangeboten teilnehmen.
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Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
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Ein dritter Eckpunkt des Berichtes ist die Bedeutungder neuen Medien. Damit widmet sich erstmals ein Kin-der- und Jugendbericht der Bundesregierung diesemThema. Verkürzt kann man sagen: Noch vor zehn Jahrenwar eindeutig das Fernsehen das Leitmedium von Kin-dern und Jugendlichen. Jetzt, nach zehn Jahren, ist esvon Handys und von Smartphones eindeutig abgelöst,und auch das Internet ist inzwischen praktisch allen Ju-gendlichen zugänglich. Es ist auch nicht mehr so, dassder Zugang schichtspezifisch ist, inzwischen ist er über-all verbreitet. In Bezug auf das Wie der Nutzung gibt esallerdings immer noch schichtspezifische Unterschiede.Aber eines stellt der Bericht fest: Für all die Befürchtun-gen, die mit der Entwicklung der neuen Medien ein-hergegangen sind – Abhängigkeit, Verrohung oder Ver-schuldung –, gibt es empirisch keine Anhaltspunkte.Der Bericht macht insgesamt sehr deutlich, dass sichdas Leben von Kindern und Jugendlichen – er blickt jaerstmals auch auf junge Erwachsene – deutlich geänderthat. Die öffentliche Verantwortung hat deutlich zuge-nommen. Hier wurde auf Bedürfnisse und Wünsche vonEltern reagiert. Entsprechend kann man sagen, dass sichdurch diese politischen Maßnahmen in den letzten Jah-ren die Chancen sehr vieler Kinder und Jugendlicherverbessert haben.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich bitte zunächst,
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den so-
eben berichtet wurde. Das Wort hat die Kollegin Katja
Dörner.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen. –
Ich würde gerne wissen, was im Kinder- und Jugendbe-
richt zum Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ ausge-
führt wird. Gedenken Sie, aus den Empfehlungen – sollte
der Bericht welche enthalten – entsprechende Konse-
quenzen zu ziehen?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Das, worauf Sie, Frau Dörner, so nett anspielen, be-
stätige ich Ihnen gerne. Im Kinder- und Jugendbericht
wird sich dafür ausgesprochen, die Kinderrechte ins
Grundgesetz aufzunehmen. Er führt die uns wohl be-
kannten Argumente an – die ja auch gewichtig sind –,
aber es gibt eben auch gewichtige Gegenargumente, die
weiterhin die Position der Bundesregierung bestimmen.
Dieser Position liegt vor allen Dingen die Überlegung
zugrunde, dass die im Grundgesetz festgelegten Rechte
für alle Menschen gelten. Wir sollten deshalb nicht so
tun, als gäbe es eine Einschränkung für Kinder.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Marlene
Rupprecht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, im
11. Kinder- und Jugendbericht wurde erstmals die öf-
fentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kin-
dern deutlich angesprochen. Das war ein Novum. Denn
bis zu diesem Zeitpunkt war das Aufwachsen von Kin-
dern eine private bzw. familiäre Angelegenheit; das
heißt, das war in erster Linie Aufgabe der Familie, erst
in zweiter Linie – bei Defiziten – wurde das Aufgabe des
Staates. Im jetzt vorliegenden Bericht wird die öffentli-
che Verantwortung eindeutig bejaht, und zwar nicht ent-
oder weder, und es geht auch nicht um eine Addition,
sondern eigentlich um eine Potenzierung all der Fähig-
keiten, die in der Gesellschaft vorhanden sein müssen,
damit Menschen gut aufwachsen. Laut Bericht ist Vo-
raussetzung dafür, dass eine Verschränkung stattfindet.
In diesem Zusammenhang denke ich unter anderem
an das Kinderschutzgesetz, bei dem es uns auf Bundes-
ebene nicht einmal gelungen ist, die unterschiedlichen
Akteure, zum Beispiel aus dem Gesundheitsbereich, so
aktiv einzubinden, dass sie sagen: Ja, es ist auch ein Teil
von uns. – Wenn wir das also nicht im SGB V unterbrin-
gen können, könnten wir es aber vielleicht in einem Prä-
ventionsgesetz oder wo auch immer unterbringen.
Lassen Sie mich den Bereich der Inklusion anspre-
chen. Bei der Inklusion haben wir manchmal das Pro-
blem, dass sie nur für Kinder mit Behinderung gilt, ob-
wohl sie eigentlich für alle gelten soll. Meine Frage ist:
Wie wollen Sie eine Verschränkung gewährleisten, weg
von der Versäulung, hin zu einem inklusiven Ansatz in
der Kinder- und Jugendhilfe unter Einbeziehung aller
Ressorts einschließlich der föderalen Strukturen und des
Privatsektors? Das ist ja wirklich eine Herkulesaufgabe.
Ich würde gerne wissen, welche ersten Schritte geplant
sind.
Das Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ hat ja
Frau Dörner eben schon angesprochen; dem schließe ich
mich an.
Frau Ministerin, bevor Sie antworten, mache ich vor-sorglich darauf aufmerksam – das gilt für Fragende wieAntwortende bei diesem Tagesordnungspunkt –, dasswir uns auf eine Fragezeit und eine Antwortzeit von je-weils einer Minute geeinigt haben. Es gibt Unterstützungdurch eine Anzeige. Das heißt, wenn das Licht rot leuch-tet, ist diese Minute tatsächlich abgelaufen. Ich bitte dasim weiteren Verlauf der Fragestunde zu beachten. –Bitte, Frau Ministerin.
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Liebe Frau Kollegin Rupprecht, das, was Sie geradeskizziert haben, ist in der Tat eine große Aufgabe. Zuerstmöchte ich auf Ihre Andeutungen zum Kinderschutzge-setz eingehen. Ich lege schon Wert darauf, dass geradedas Kinderschutzgesetz vor Ort für die entsprechende
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Zusammenarbeit sorgt. Insbesondere die Familienheb-ammen – das ist ja der Witz dabei – fungieren quasi alsLotse zwischen den unterschiedlichen Hilfesystemen.Wir müssen jetzt schauen, wie das in der Praxis läuft. Ichglaube aber, dass wir uns darüber einig sind, dass das ansich ein sehr guter Ansatz ist.Die Kommission beschreibt aber in der Tat verschie-dene Schnittstellenproblematiken, die es auf den unter-schiedlichen Ebenen nach wie vor gibt. Insbesondere imBereich der Kinder- und Jugendhilfe haben wir dieseProbleme. Wenn es um behinderte Kinder geht, ist es be-sonders problematisch, dass es hinsichtlich der Zustän-digkeiten keine klare Abgrenzung zwischen den ver-schiedenen Bereichen des SGB gibt. Ich nenne alsBeispiel die schwierige Unterscheidung zwischen seeli-scher und geistiger Behinderung.Sie wissen, dass wir eine Kommission eingesetzt ha-ben, die an der sogenannten großen Lösung arbeitet. Wirsind uns sicherlich einig, Frau Rupprecht, dass diesegroße Lösung richtig ist und wir an deren Umsetzung ar-beiten müssen. Sie wissen aber auch, dass die Hauptkruxbei dieser großen Lösung darin besteht, dass Finanz-ströme auf verschiedenen Ebenen neu geordnet werdenmüssen. Das ist zwar schwierig, aber es ist richtig, daszu tun.
Das Wort zur nächsten Frage hat die Kollegin Diana
Golze.
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Ministerin, der neue
Kinder- und Jugendbericht kommt ja zu der Feststellung,
dass es dem Sozialstaat bislang nicht gelungen ist, her-
kunftsbedingte Nachteile von Kindern und Jugendlichen
aufzufangen bzw. abzubauen. Im Gegenteil: Es wird
festgestellt, dass es eher zu einer weiteren Ungleichbe-
handlung von Kindern und Jugendlichen gekommen ist.
Der Bericht empfiehlt, die Kinder- und Jugendhilfe zu
befähigen, solche Ungleichbehandlungen abzubauen
und herkunftsbedingte Nachteile zu verringern. Ich frage
deshalb auch vor dem Hintergrund des jüngst beschlos-
senen Betreuungsgeldes, welche Maßnahmen die Bun-
desregierung ergreifen will, um dieser Empfehlung des
Berichts nachzukommen und benachteiligte Kinder und
Jugendliche zu fördern und ihre Chancen zu verbessern.
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Die Argumentation in dem Bericht ist sehr differen-
ziert, Frau Kollegin. Man kann nicht sagen, dass der Be-
richt pauschal urteilt, dass es mehr Armut gibt und sich
die Chancen verschlechtert haben. Ein solches Pauschal-
urteil wäre nicht richtig. Vielmehr stellt der Bericht fest,
dass es, wenn man den relativen Einkommensbegriff,
der ja auch seine Tücken hat, zugrunde legt, bei Kindern
zwischen ein und zehn Jahren einen ganz leichten Rück-
gang der Kinderarmut gibt. Bei den Jugendlichen und
jungen Erwachsenen wird allerdings eine leichte Erhö-
hung festgestellt. Insofern kann man nicht sagen, dass
der Bericht pauschal sagt, dass sich die Chancen von
Kindern und Jugendlichen verschlechtert haben.
Sie haben dann das Betreuungsgeld angesprochen.
Darüber können wir uns wahrscheinlich ewig streiten.
Ich will dazu nur Folgendes sagen: Ich finde, dass das
Betreuungsgeld ein weiterer Baustein ist, der belegt,
dass der Staat entsprechend der Tendenz, die ich ein-
gangs skizziert habe, umfassend dazu steht, dass auch er
eine Verantwortung für ganz junge Kinder hat. Gerade
weil der Staat diese Verantwortung wahrnehmen will,
wollen wir allen Eltern von ein- und zweijährigen Kin-
dern eine Wahlmöglichkeit geben, sodass sie entweder
ein Sachangebot in Form eines Kitaplatzes in Anspruch
nehmen oder eine Unterstützung in bar entgegennehmen
können, um die Betreuung selbst zu organisieren. Ge-
rade damit sagt der Staat indirekt: Wir fühlen uns für die
Betreuung von allen ein- und zweijährigen Kindern zu-
ständig. Das ist etwas Neues. Das gab es in Deutschland
so noch nicht.
Der Kollege Peter Tauber hat das Wort zur nächsten
Frage.
Frau Präsidentin, Ihr wunderbarer Hinweis auf den di-gitalen Countdown, der sowohl für Fragen als auch Ant-worten gilt, führt mich zu dem Themenkomplex, zu demich eine Frage stellen möchte. – Frau Ministerin, der Be-richt weist auf, dass es bereichsübergreifend fachlicheHerausforderungen gibt. Zu diesen gehört laut dem Be-richt auch die digitale Ungleichheit.Jetzt haben Sie uns in Ihren Eingangsausführungenkurz umrissen, dass die sorgenvollen Vorhersagen hin-sichtlich der Digitalisierung unseres Alltags im Hinblickauf Kinder und Jugendliche zum Teil so nicht eingetre-ten sind. Das ist zunächst einmal eine sehr positive undschöne Nachricht. Vielleicht ist es auch so, dass der eineoder andere, der mit Kindern oder Jugendlichen arbeitet,mit der Digitalisierung noch nicht so vertraut ist und da-her aus Unkenntnis so sorgenvoll argumentiert. Jeden-falls kommt der Bericht zu diesem Ergebnis.Meine Frage lautet: Welche speziellen Herausforde-rungen und welchen konkreten Einfluss durch die neuenMedien sehen Sie bezüglich des Aufwachsens von Kin-dern und Jugendlichen, und wo entstehen dadurch viel-leicht Handlungsfelder für die Politik?Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:In der Tat war mir wichtig, dass wir im Bericht bezüg-lich der neuen Medien nicht immer nur die Risiken beto-nen – dazu neigt die Politik ja gelegentlich –, sonderndass wir vor allen Dingen auch die Chancen in den Mit-telpunkt stellen. Wenn man sich anschaut, welche Aus-wirkungen die Nutzung von neuen Medien auf Kinderund Jugendliche hat, kann man erst einmal ein positivesFazit ziehen, insbesondere hinsichtlich des Schriftver-
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ständnisses. Denn neue Medien haben dazu beigetragen,dass Kinder und Jugendliche wieder mehr schriftlichmiteinander kommunizieren. Vor 15 Jahren gab es alsschriftliche Form der Kommunikation quasi nur denBrief. Dass man sich untereinander Briefe schreibt, istauch damals relativ selten vorgekommen. Die Kommu-nikation via E-Mail kann von daher schriftliche Aus-drucksformen positiv trainieren, genauso auch die Kom-munikation via soziale Netzwerke.Damit kommen wir jetzt aber zu der Problematik, dieSie angedeutet haben. In der Tat: Insbesondere bei derArt und Weise, wie soziale Netzwerke und auch dasInternet allgemein genutzt werden, gibt es starkeschichtspezifische Unterschiede und übrigens auchstarke Unterschiede zwischen Jungs und Mädels. Bei-spielsweise gibt es bei der Nutzung von Computerspie-len einerseits einen schichtspezifischen Zusammen-hang, andererseits auch einen geschlechtsspezifischen;denn sie werden vor allem von Jungen sehr stark ge-nutzt. In diesem Bereich gibt es in der Tat Probleme. Dakann dann das Internet sogar als Verstärker von sozialenUngleichheiten wirken. Deswegen sind wir sehr froh,dass sich der Bericht diesem Thema widmet.
Das Wort hat der Kollege Ulrich Schneider.
Frau Ministerin, ich möchte zur eigenständigen Ju-
gendpolitik nachfragen. Das ist ja ein Thema, das uns
hier immer wieder beschäftigt und das Sie und die Bun-
desregierung sich auf die Fahnen geschrieben haben.
Steht in dem Bericht konkret etwas zur Entwicklung der
eigenständigen Jugendpolitik, und wenn ja, gibt es Ab-
leitungen, die Sie daraus ziehen, und wenn nein, kann
man vielleicht unkonkret Ideen daraus ableiten, wie man
die eigenständige Jugendpolitik weiterentwickeln sollte?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Der Bericht widmet sich selbstverständlich diesem
Thema. Erst einmal: In dem Bericht steht, dass der An-
satz der Bundesregierung, den Versuch zu unternehmen,
gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren eine ei-
genständige Jugendpolitik zu entwickeln, richtig ist. In
dem Bericht wird auch festgestellt, dass Jugendpolitik
bisher zu oft zu problemgruppenzentriert war und genau
deswegen zu sehr abgeleitet bzw. zu wenig eigenständig
war. Daher wird der Prozess, den die Bundesregierung
mit der Allianz für die Jugend gestartet hat, als richtig
bezeichnet.
Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass es vor
allen Dingen darum geht, Partizipationsformen für Ju-
gendliche zu finden. Wir arbeiten beispielsweise gerade
gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden zu-
sammen, um solche Partizipationsmöglichkeiten zu fin-
den und vor Ort entsprechende Handreichungen zu bie-
ten. Wenn es um konkrete Vorhaben, zum Beispiel
Bauprojekte, vor Ort geht, dann sollten die, die davon
besonders betroffen sind, angemessen beteiligt werden.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Heidrun
Dittrich.
Frau Ministerin, vom 11. bis zum 13. Kinder- und Ju-
gendbericht gibt es eine Debatte über die Fachlichkeit
und die Personalausstattung der Jugendämter. Welche
Maßnahmen konnten denn ergriffen werden, um das Per-
sonal aufzustocken? Und: Sehen Sie einen Zusammen-
hang zwischen mehr Personal und besserem Kinder-
schutz?
Hier gibt es ja einen Zusammenhang mit dem Volks-
begehren in Niedersachsen, bei dem eine dritte Erziehe-
rin in Kindergartengruppen gefordert wird. Wenn Grup-
pen mit 24 Kindern eine dritte Erziehungskraft hätten
oder wenn die Gruppen insgesamt kleiner wären, könn-
ten die Kinder besser betreut werden. Sehen Sie einen
Zusammenhang zwischen den aktuellen Forderungen
der Betroffenen und den Maßnahmen, die in den Kinder-
und Jugendberichten angemahnt werden?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Frau Kollegin Dittrich, Sie haben – wenn ich das jetzt
richtig verstanden habe – zwei Themen angesprochen,
und zwar einmal das Thema Jugendämter. In der Tat ist
es in Einzelfällen natürlich eine Frage, ob die Jugendäm-
ter in den Kommunen adäquat ausgestattet sind. Aller-
dings ist dies in Deutschland ausgesprochen unterschied-
lich. Ich würde mich vor der monokausalen Annahme
hüten, eine bessere Ausstattung führe automatisch sofort
zu einer besseren Arbeit der Jugendämter. Aufgrund des-
sen, was ich von der Arbeit der Jugendämter mitbe-
komme, kann ich nur sagen: Man geht dort einer sehr
verantwortungsvollen und auch einer sehr schwierigen
Tätigkeit nach. Wie so oft, ist es so: Wenn die Jugend-
ämter gut funktionieren, nimmt keiner es wahr. Passieren
aber Fehler, die vielleicht auch trotz wohlüberdachter
Erwägungen passieren, dann werden sie schnell durch
die Medien gezogen. Deswegen sollten wir, glaube ich,
erst einmal Respekt vor dieser Arbeit zum Ausdruck
bringen.
Der zweite Themenkomplex, den Sie angesprochen
haben, war die Frage: Wie sieht es mit Erziehern in Kitas
aus? In der Tat gibt es auf die Frage, wie die Relation
von Kindern und Erziehern sein sollte, die eindeutige
Antwort, dass möglichst kleine Relationen besser für die
kindliche Entwicklung sind. Deswegen arbeiten wir ja
auch daran, mehr Personal für die Kitas zu finden. Aber
Sie wissen auch, dass dies eindeutig eine Aufgabe der
Länder und Kommunen ist. Ich habe in der Diskussion
über den Ausbau der Kinderbetreuung sehr deutlich ge-
macht, dass ich es nicht für vertretbar halte, um den Aus-
bau zu schaffen, an pädagogischen Standards zu drehen;
und dazu gehört ganz entscheidend die Relation von
Kindern und Erziehern.
Der Kollege Sönke Rix hat das Wort.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau
Ministerin, für den Bericht. Dem Vernehmen nach wird
als Schlussfolgerung im Bericht eine eigenständige Ju-
gendpolitik gefordert und auch gesagt, es wäre schön,
wenn da genauso viel Kraft hineingesteckt werden
könnte wie in die Kinderpolitik, weil – so ist in dem Be-
richt dem Vernehmen nach gesagt worden – man da an
vielen Stellen etwas erreicht hat. Sie haben davon ge-
sprochen, dass die „Allianz für Jugend“ angestoßen wor-
den ist. Nun ist die Legislaturperiode nicht mehr so lang.
Meine Frage ist: Gibt es ein oder zwei konkrete inhaltli-
che Fragestellungen in der Jugendpolitik als Schlussfol-
gerungen aus dem Bericht, die Sie aufgreifen könnten,
um daraus noch etwas zu machen?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Wenn Sie nach konkreten jugendpolitischen Schluss-
folgerungen fragen, so möchte ich zunächst darauf hin-
weisen, dass ich eine bereits genannt habe. Das ist das
Thema „Partizipation von Jugendlichen“. Ich halte dies
für ein sehr entscheidendes Thema, zum einen, um un-
sere Umwelt so zu gestalten, wie es den Bedürfnissen
entspricht, zum anderen, weil dies auch etwas mit De-
mokratielernen zu tun hat.
Das Zweite ist: Der Bericht widmet sich auch aus-
führlich der Frage, wie die Programme im Zuge der Ini-
tiative JUGEND STÄRKEN, die wir entwickelt haben,
wirken und funktionieren. Er kommt zu dem Schluss,
dass es richtig ist, dass wir so zielgenau gerade da anset-
zen, wo beispielsweise Schulabschlüsse versäumt wor-
den sind oder wo besondere Hemmnisse bei der Integra-
tion in den Arbeitsmarkt bestehen. Deshalb ist für mich
die Schlussfolgerung, hier mit den Programmen im Zuge
der Initiative JUGEND STÄRKEN – auch in Ergänzung
zu den Programmen des BMAS – einen eigenen Schwer-
punkt zu setzen.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Ewa Klamt.
Vielen Dank. – Frau Ministerin, wir alle wissen, dass
Eltern ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf
einen Krippenplatz haben. Wie schätzt die Kommission
den Stand zum Ausbau der Tagesbetreuung für unter
Dreijährige ein?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Die Kommission stellt erst einmal fest, was alles auf
den einzelnen Ebenen passiert ist. Die Kommission sagt
auch, der Rechtsanspruch kann erfüllt werden, wenn sich
alle Ebenen an ihre Zusagen halten. Genau hier ist die
große Herausforderung, über die wir ja heute Morgen
schon im Familienausschuss gesprochen haben. Der
Bund hat seine Zusagen eindeutig auf Heller und Cent
erfüllt. Ich habe auch noch nie gehört, dass dies be-
stritten wurde. Wir haben ja jetzt noch einmal 580 Mil-
lionen Euro draufgelegt, um die zusätzlich benötigten
30 000 Krippenplätze zu finanzieren.
Die Aufgabe der Länder ist zum einen, das Geld des
Bundes weiterzuleiten, also dafür zu sorgen, dass es dort
ankommt, wo es gebraucht wird; das gilt insbesondere
für die Mittel für die Betriebskosten. Zum Zweiten ist es
die Aufgabe der Länder, eigenes Geld dazuzugeben.
Drittens und vor allen Dingen ist es die Aufgabe der
Länder, für Personal zu sorgen. Sie wissen ja alle: Die
Frage des Personals ist vor Ort oft schwieriger zu beant-
worten als die Frage der Finanzen.
Für Personal zu sorgen, ist eindeutig Aufgabe der
Länder und Kommunen. Nur ein Hinweis, wie man die-
ses Problem zumindest schnell angehen könnte: 60 Pro-
zent der Erzieher in Kitas arbeiten Teilzeit. Mit Sicher-
heit gibt es darunter einen großen Teil, der sagt: Wir
würden gerne mehr arbeiten. – Auf diese Weise könnten
sehr schnell zusätzliche Fachkräfte rekrutiert werden.
Nichtsdestotrotz muss auch die Ausbildung neuer Fach-
kräfte mit Volldampf betrieben werden. Seit 2007 war
eigentlich klar, dass wir hier einen entsprechenden
Nachholbedarf haben.
Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz.
Frau Ministerin, gerade der Kinder- und Jugendbe-
richt lebt ja davon, dass viel über ihn diskutiert wird, um
Sensibilität zu schaffen. Zu einer guten Diskussionskul-
tur gehört auch, dass alle, die über ein Thema diskutie-
ren, den gleichen Wissensstand haben. Wann haben Sie
vor, diesen Bericht uns, dem Parlament und der Öffent-
lichkeit zukommen zu lassen, damit nicht Sie allein die
Wissensherrschaft darüber haben?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Umgehend. Wir haben ihn heute Morgen im Kabinett
verabschiedet. Auch Sie wissen: Es ist schwierig, einen
Bericht, bevor man ihn im Kabinett verabschiedet hat, an
das Parlament weiterzuleiten. Das ist so nicht üblich.
Deswegen: Sie können ihn umgehend erhalten.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin KatjaDörner.
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Vielen Dank. – Ich würde gerne wissen, welche Rolle
im Bericht Beschwerde- und Beteiligungsmöglichkeiten
für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen spielen,
insbesondere vor dem Hintergrund der Empfehlungen
der runden Tische. Ganz konkret würde ich gerne etwas
zum Thema Ombudschaft hören.
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Es war in der Tat eines der bedeutenden Ergebnisse
des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, dass
wir festgelegt haben – wir haben uns dazu ja auch eigene
Richtlinien gegeben –, dass es in Einrichtungen, in de-
nen ein besonderes Verhältnis der Nähe zwischen Kin-
dern und Erziehern gegeben ist, in denen zum Beispiel
übernachtet wird oder in denen Freizeiten unternommen
werden – es geht hier also wirklich um das ganze Spek-
trum vom Sportverein bis hin zu den institutionellen Ein-
richtungen der Kinder- und Jugendhilfe –, Möglich-
keiten geben muss, sich an externe und interne
Ansprechpartner zu wenden. Der Bericht widmet sich
auch diesen Ergebnissen des Runden Tisches „Sexueller
Kindesmissbrauch“.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man eine allgemein-
gültige Antwort auf die Frage geben kann, ob der An-
sprechpartner besser immer ein externer oder besser im-
mer ein interner sein sollte. Ich glaube, dass die Antwort
auf diese Frage insbesondere von der Form der Institu-
tion abhängig ist. Ich glaube aber auch, dass eines klar
sein muss: In jeder Einrichtung, in jedem Sportverein, in
jeder Schule, auch in Krankenhäusern muss klar geregelt
sein, wie man sich im Falle von Hinweisen auf sexuellen
Missbrauch zu verhalten hat. So wie in jeder Schule klar
ist, wie man sich verhält, wenn es brennt, muss auch in
einem solchen Fall klar sein, an wen man sich wendet.
Ob dafür ein externer Ansprechpartner in der Kommune,
ein Ombudsmann/eine Ombudsfrau, oder jemand in der
Einrichtung besser geeignet ist, muss, glaube ich, ganz
konkret vor Ort entschieden werden.
Das Wort hat der Kollege Peter Tauber.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Da ich den Bericht
noch nicht vorliegen habe, auch wenn die Kollegin von
den Grünen das mutmaßt, habe ich eine Frage, die ich
nicht stellen müsste, wenn ich ihn schon gelesen hätte.
Ihr Zwischenruf, Frau Kollegin, zeigt übrigens, was für
ein Verständnis von Regierungshandeln Sie haben und
wie Sie das Verhältnis zwischen der Regierung und den
die Regierung tragenden Fraktionen beurteilen.
Das lässt tief blicken, wie Sie das handhaben würden;
das ist sehr interessant, aber gar nicht meine Frage.
Meine Frage kann die Ministerin vielleicht mit einem
kurzen Ja oder Nein beantworten. Sie haben schon sehr
ausführlich darüber gesprochen, dass die Bundesregie-
rung mit großem Selbstbewusstsein vorträgt, dass der
Bund seine Verpflichtungen im Bereich des Krippenaus-
baus erfüllt hat. Kommen die Sachverständigen in dem
Bericht zu einem ähnlichen Ergebnis, oder weicht das
von Ihrer Einschätzung ab?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Es bestreitet eigentlich niemand, dass die Bundesregie-
rung die Zusagen, die sie 2007 gegeben hat, auf Heller
und Cent einhält. 2007 ist ein Bedarf von 750 000 Plät-
zen prognostiziert worden. Diese Zahl musste auf
780 000 Plätze korrigiert werden. Deswegen legt der
Bund noch einmal 580 Millionen Euro und Betriebskos-
ten oben drauf. Das entspricht genau dem, was wir 2007
zugesagt haben.
Nichtsdestotrotz ist das – darauf wird in dem Bericht
verwiesen – eine riesige Kraftanstrengung. Auch deswe-
gen lehnen wir uns nicht zurück, sondern haben beim
Thema Tagesmütter und Tagesväter, beim Thema Be-
triebskitas, beim Thema zusätzliche zinsgünstige Kredite
für die Kommunen über das, was wir zugesagt hatten, hi-
naus an Angeboten noch einmal deutlich nachgelegt.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dittrich.
Sehr geehrte Frau Ministerin! Vor nicht ganz einerStunde ging die Gedenkstunde für die Opfer des Natio-nalsozialismus, des Faschismus in Deutschland zu Ende.Frau Inge Deutschkron, eine Überlebende, hat gesagt,sie hat daraus gelernt, nach dem Motto „Wehr dich!“ zuleben.Wir als Linke sind für eine wehrhafte Demokratie. Washaben Sie für Konsequenzen gezogen aus dem Skandaldes Nationalsozialistischen Untergrundes? Könnte eineKonsequenz daraus sein, Projekte gegen Rechtsextremis-mus dauerhaft zu finanzieren und Antifaschisten nicht zukriminalisieren? Tim Herudek sind im Zusammenhangmit der antifaschistischen Demonstration „Dresden Na-zifrei“ 2011, durch die wir die Nazis daran gehindert ha-ben, in Dresden zu marschieren – ich selbst war auch beidieser Demonstration dabei –, 22 Monate Haft angedrohtworden.Projekte gegen Rechtsextremismus dauerhaft finan-zieren und Antifaschisten nicht kriminalisieren, wäre dasnicht der richtige Weg, den Ausstieg aus dem Rechts-extremismus in den Köpfen der Jugendlichen zu veran-kern und auch zu sagen: „Man wehrt sich“?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Frau Kollegin, diese Bundesregierung gibt so vieleMittel im Kampf gegen Extremismus aus wie keine Bun-desregierung zuvor: 29 Millionen Euro, davon 24 Mil-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27009
Bundesministerin Dr. Kristina Schröder
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lionen Euro für den Kampf gegen Rechtsextremismusund – diese Programme habe ich neu geschaffen – 5 Mil-lionen Euro für den Kampf gegen Linksextremismus undIslamismus. Diese Bundesregierung ist nämlich der Auf-fassung, dass es keinen „guten“ Extremismus gibt, son-dern dass alle Feinde unserer freiheitlich-demokrati-schen Grundordnung bekämpft werden müssen.
Dennoch bestreitet kein vernünftiger Mensch, dass die be-sondere Herausforderung in der Bekämpfung des Rechts-extremismus liegt. Deswegen ist vollkommen klar, dassdie Mittel, die wir in dieser Legislaturperiode bereitge-stellt haben, erneut unverändert bereitgestellt werdensollen, damit diese Programme fortgesetzt werden – wiesie in den vergangenen Jahren immer fortgesetzt wurden.Insofern ist sämtliche – teilweise bewusste – Verunsiche-rung von jungen Leuten, die sich für unsere Demokratieeinsetzen, verantwortungslos. Hier wird aus parteipoliti-schem Kalkül versucht, die jungen Leute, die ihr Enga-gement einbringen, zu verunsichern.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Rupprecht.
Steht in dem Kinder- und Jugendbericht auch etwas
über die Weiterentwicklung der Qualität im Bereich Kin-
der- und Jugendhilfe? Wie wollen Sie die Qualität wei-
terentwickeln?
In diesem Bericht wird wahrscheinlich vieles Tolles
stehen. Am Ende der Periode müssen wir aber fragen:
Wie schaffen wir es, all das auch in die Breite zu brin-
gen? Planen Sie eine Konferenz, oder sollen aus diesem
Bericht Anträge für das Parlament abgeleitet werden,
damit die Mittel auch wirklich da ankommen, wo sie
gebraucht werden?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Frau Kollegin, der Bericht widmet sich der Frage der
Qualität sehr ausführlich. Er macht deutlich, wie wichtig
Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Kinder-
betreuung, aber auch bei den Hilfen zur Erziehung ist.
Wie Sie aber wissen, ist dieser Bereich vor allen Din-
gen eine kommunale Aufgabe und eine Landesaufgabe.
Wenn – das tun wir ja – in der Familienpolitik darüber dis-
kutiert wird, wie der Bund die Länder und die Kommunen
dabei unterstützen kann – wenn man es überhaupt
macht; das ist ja eine spannende Frage –, muss, denke
ich, eines klar sein: Das geht nur, wenn der Bund in die-
sem Bereich auch zusätzliche Kompetenzen erhält. Es
kann sicherlich nicht so funktionieren, dass, wie das
beim Kitaausbau gerade gemacht wird, der Bund die
Mittel zur Verfügung stellt – via Umsatzsteuerpunkte –,
aber nicht einmal weiß, ob das Geld bei den Kommunen
vor Ort ankommt. Ich glaube, wir sind uns hier auch ei-
nig, dass das ein etwas prekäres Konstrukt ist.
Zu der Frage, wie wir über diesen Kinder- und
Jugendbericht diskutieren: Er wird jetzt sofort an den
Bundestag weitergeleitet. Ich gehe davon aus, dass wir
im Bundestag eine große Debatte dazu führen werden,
und ich gehe auch davon aus, dass wir auf öffentlichen
Konferenzen mit den Wissenschaftlern, die sich dazu be-
reit erklärt haben, breit über diese Thesen diskutieren
werden.
Der Kollege Florian Bernschneider stellt die nächste
Frage.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Die eigenständige
Jugendpolitik ist jetzt mehrfach angesprochen worden.
Den Weg des Bundes haben Sie skizziert; aber ich
glaube, wir alle wissen, dass es notwendig ist, dass nicht
nur der Bund hier Initiativen ergreift, sondern auch die
Bundesländer.
Können Sie vielleicht Ihren Eindruck schildern, wel-
che Bundesländer schon damit angefangen haben, sich
auf den Weg einer eigenständigen Jugendpolitik zu
machen, oder wie sie den Bund unterstützen?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Die Bundesländer sind in unseren Prozess zur Ent-
wicklung einer eigenständigen Jugendpolitik eingebun-
den. Sie tun das in den meisten Fällen auch mit viel
Engagement.
Ich erlebe immer wieder in der Jugendpolitik, dass
man oft schnell abgleitet und es dann quasi um konkrete
Felder geht, zum Beispiel um die Jugendfreiwilligen-
dienste, die – darin sind wir uns einig – natürlich ein
wichtiger Bestandteil der Jugendpolitik sind; aber ich
denke, wir sollten uns erst einmal darauf konzentrieren,
eine übergreifende Leitidee zu entwickeln – das ist ja
auch die Aufgabe der eigenständigen Jugendpolitik –,
um daraus dann die anderen Maßnahmen abzuleiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache Sie da-
rauf aufmerksam, dass wir die Zeit für die Regierungs-
befragung schon ausgeschöpft haben. Da es offensicht-
lich ein großes Interesse an diesem Thema gibt, lasse ich
die drei weiteren mir angezeigten Wortmeldungen noch
zu; wir kürzen dann die folgende Fragestunde um die
entsprechende Zeit.
Das Wort hat der Kollege Sönke Rix.
Vielen Dank. – Ich habe eine Nachfrage zu dem, wasFrau Dittrich gefragt hat. Es geht um die Programme ge-gen Rechtsextremismus. Sie können sich das vielleichtdenken. Wenn es doch gar kein Problem ist, dass imAnschluss finanziert wird: Warum beschließen wir hierdann nicht einen entsprechenden Antrag, und warumbewilligt der Haushaltsausschuss das nicht?
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27010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
(C)
(B)
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend:Herr Kollege Rix, es ging im Haushaltsausschussdoch nur um die Verpflichtungsermächtigungen. Ichglaube, Ihnen ist bewusst, dass Verpflichtungsermächti-gungen haushaltsrechtlich immer auch eine gewisseheikle Sache sind, weil der Bund dadurch ja eine Bin-dung eingeht,
wofür der Haushaltsausschuss eigentlich gar nichtzuständig ist. Dennoch waren wir bereit, Verpflichtungs-ermächtigungen in deutlich höherem Maße einzustellen.Die Haushälter der Opposition waren hier aber leidernicht bereit, diesen gemeinsamen Weg mitzutragen.Vollkommen klar ist: Die Mittel werden in meinemHaushaltsentwurf, den ich Ihnen auch bald vorlegen werde– insofern können Sie das dann direkt nachprüfen –, wie-der genau so auftauchen. Die Befürchtung, dass es hierüber den Jahreswechsel irgendwelche Brüche gebenkönnte, halten wir für vollkommen unbegründet. Es istim Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung möglich,diese Mittel so auszugestalten, wie sie ausgestaltet wer-den müssen, um dann mit dem neuen Haushalt wiederauf gesicherter Basis agieren zu können.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Golze.
Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich möchte noch ein-
mal ganz kurz auf das bereits angesprochene Thema
Qualitätssicherung zurückkommen. Schon im 11. Kin-
der- und Jugendbericht und auch in diesem wird sehr
viel Wert darauf gelegt, dass es zu einer gemeinsamen
und fairen Verständigung zwischen Bund, Ländern und
Kommunen darauf kommt, nach welchen qualitativen
Standards Kinder- und Jugendhilfe erfolgen soll.
Mir ist die Antwort „Wir werden dazu Konferenzen
durchführen und uns mit den Wissenschaftlern verstän-
digen“ etwas zu wenig. Ist denn geplant, sich mit den
Ländern und den Kommunen gemeinsam an einen Tisch
zu setzen, gemeinsame Qualitätsstandards zu vereinba-
ren und dann auch darüber zu sprechen, wie diese finan-
ziell unterlegt werden?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Frau Golze, Sie wissen ja, wie das läuft. Sobald es
eine gemeinsame Vereinbarung über Qualitätsstandards
gibt, wird erwartet, dass der Bund dafür die volle Finan-
zierung übernimmt. Dazu habe ich gesagt: Darüber kann
man in einzelnen Bereichen reden; aber dann stellt sich
schon die Frage, wie es mit den damit verbundenen
Kompetenzen aussieht.
Insofern: Ja, natürlich müssen wir uns diesem Thema
widmen. Aber wir können den Ländern und den Kom-
munen nicht einfach Kompetenzen abnehmen, deren
Verteilung zum Beispiel im Rahmen der Festlegungen
der Föderalismuskommission, die von uns allen oder zu-
mindest – ich weiß nicht, ob auch Ihre Fraktion zuge-
stimmt hat – von einer sehr breiten Mehrheit dieses Hau-
ses getragen wurden, noch einmal eindeutig bestätigt
wurde.
Die letzte Frage stellt der Kollege Pols.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, wir
alle wissen, dass Sprache das A und O ist, um in einer
Gesellschaft anzukommen und in einer Gesellschaft sein
Leben zu führen. Nun gibt es das Programm „Frühe
Chancen“, etwa zur Förderung von Schwerpunktkitas.
Haben Sie eine Erhebung darüber, wie dieses Programm
von den einzelnen Kommunen bzw. Kitas angenommen
wird? Gibt es genug Kräfte, die Sie dort einsetzen kön-
nen? Können Sie uns dazu Zahlen geben?
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:
Angenommen wird dieses Programm ganz hervorra-
gend, was man schon daran sieht, dass die Zahl der Be-
werbungen von Kitas deutlich höher war als die Zahl
derer, die wir dann tatsächlich unterstützen konnten.
Dennoch sind 4 000 Kitas eine ganze Menge. Das be-
deutet, dass zum Beispiel in einem Stadtteil wie Neu-
kölln 19 Kitas mit einer Halbtagskraft unterstützt wer-
den. Das geht deutlich über das, was der Bund bisher an
Modellprojekten initiiert hat, hinaus. Wir bieten substan-
ziell vor Ort eine Möglichkeit zur besseren Unterstüt-
zung von Kindern.
Wir sind dabei, das Programm zu evaluieren. Die
Evaluation ist aber noch nicht abgeschlossen. Aber bei
dem, was sich bisher schon zeigt, wenn man sich das
Einzugsgebiet und die Sozialstruktur der Kitas anschaut,
kann man, glaube ich, schon sagen: Die Kräfte sind
vernünftig eingesetzt.
Wir haben zwei Schwerpunkte gewählt: erstens Kitas
mit einem besonders hohen Anteil von Kindern aus Fa-
milien mit Migrationshintergrund und zweitens Kitas
mit einem besonders hohen Anteil von Kindern aus bil-
dungsfernen Schichten. Das haben wir über die SGB-II-
Quote operationalisiert. Das ist natürlich ein Hilfsindika-
tor; aber ich glaube, dieser Indikator ist hier schon ganz
vernünftig. Angesichts der Breitenwirkung des Pro-
gramms sehen wir, dass diese zwei Schwerpunkte treff-
sicher gewählt sind.
Danke, Frau Ministerin. – Ich beende die Befragung.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksache 17/12162 –Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache17/12162 in der üblichen Reihenfolge auf.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27011
Vizepräsidentin Petra Pau
(C)
(B)
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.Zur Beantwortung der Fragen steht der ParlamentarischeStaatssekretär Jan Mücke zur Verfügung.Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Dr. Anton Hofreitersowie die Fragen 3 und 4 des Kollegen Gustav Herzogsollen schriftlich beantwortet werden.Wir kommen zur Frage 5 der Kollegin CorneliaBehm:Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus demUrteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zursogenannten Wannsee-Route, und welche Auswirkungen hatdiese Entscheidung aus Sicht der Bundesregierung auf die an-deren bereits festgelegten An- und Abflugverfahren?Bitte, Herr Staatssekretär.J
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Behm, die Antwort
der Bundesregierung auf Ihre Frage lautet: Vorbehaltlich
einer Prüfung der schriftlichen Begründung gibt das Ur-
teil aus Sicht der Bundesregierung vorerst keinen Anlass
zu Konsequenzen. Auswirkungen auf die anderen bereits
festgelegten An- und Abflugverfahren sind zum jetzigen
Zeitpunkt ebenfalls nicht erkennbar.
Gegenstand des Gerichtsverfahrens war eine Teilstre-
cke des Systems der An- und Abflugverfahren für den
künftigen Flughafen Berlin Brandenburg International,
die sogenannte Wannsee-Route. Bei der Festlegung
dieser Route ist nach Auffassung des Gerichts das Risiko
eines Flugunfalls und eines terroristischen Anschlags auf
den Luftverkehr mit Blick auf das Gelände, auf dem sich
der Forschungsreaktor BER II befindet, nicht hinrei-
chend in den Blick genommen worden.
Das Gericht hat sich in seiner mündlichen Urteils-
begründung nicht zu der Frage geäußert, welche Risiken
nach seiner Auffassung bestünden und wie diese einzu-
schätzen seien. Auch zu den Lärmauswirkungen des
Flugverfahrens hat sich das Gericht ausdrücklich nicht
geäußert.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank. – Seit Jahr und Tag stelle ich, Herr
Staatssekretär, hier im Deutschen Bundestag Fragen
nach Planung, Bau und Betrieb des Hauptstadtflugha-
fens. Sie und Ihre Kollegen haben es immer fein verstan-
den, auf die Verantwortlichkeit der Planungsbehörde in
Brandenburg zu verweisen und haben jede Verantwor-
tung des Bundes immer weit von sich gewiesen. Jetzt ist
der Bund aber nun einmal gefragt. In dem Zusammen-
hang, den wir gerade erörtert haben, frage ich Sie, ob
denn das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung Revi-
sion beim Bundesverwaltungsgericht einlegen wird und
wie der zuständige Minister, Herr Ramsauer, in diese
Entscheidung eingebunden werden wird.
J
Frau Kollegin, ich möchte Ihrem Eindruck und dem
Vorwurf ausdrücklich widersprechen, dass wir dem Land
Brandenburg in irgendeiner Art und Weise Verantwor-
tung zuschieben würden, die das Land Brandenburg
nicht hat.
Es gibt eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten.
Das Land Brandenburg ist im Planfeststellungsverfahren
die Planfeststellungsbehörde für den Bau des Flug-
hafens. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ist
zuständig für den Erlass der Durchführungsverordnung,
nach der die Flugrouten am neuen Flughafen Berlin ge-
flogen werden sollen. Wenn diese Verordnung durch das
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem
Urteil für rechtswidrig erklärt wird, dann wird im Lichte
der Urteilsbegründung, die uns noch nicht vorliegt, zu
entscheiden sein, ob wir den Weg nach Leipzig zum
Bundesverwaltungsgericht gehen. Ich muss Sie hier um
Geduld bitten. Wir warten auf die schriftliche Urteilsbe-
gründung. Wenn uns diese vorliegt, werden wir sie sehr
gründlich analysieren und dann darüber entscheiden, ob
eine Revision sinnvoll ist oder nicht.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Ich bin weit davon entfernt, das Land Brandenburg
zulasten des Bundes von der Verantwortung zu entbin-
den. Insofern, denke ich, ist das Nachbohren in Richtung
Bund durchaus gerechtfertigt.
Ich möchte gerne Folgendes wissen: Gab es – vieles
spricht dafür – aus Ihrer Sicht im Vorfeld der Festlegung
auf die Flugroute über dem Forschungsreaktor in Wann-
see Hinweise darauf, dass die Flugroute vor Gericht kei-
nen Bestand haben würde? Es waren ja auch andere
Bundeseinrichtungen mit der Bewertung befasst und ha-
ben Stellungnahmen abgegeben. Wenn ja: Wie wurde in
Ihrem Hause damit umgegangen?
J
Das Verfahren der Flugroutenplanung ist Ihnen ja gutbekannt. Die Planung an sich wird durch die DeutscheFlugsicherung vorgenommen. Die Deutsche Flugsiche-rung legt ihren Vorschlag für Flugrouten dem Bundes-aufsichtsamt für Flugsicherung vor. Dieses erlässt danneine Verordnung, auf deren Grundlage diese Flugroutengeflogen werden können.Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ist eineunabhängige Behörde. Es ist nicht so, dass wir in irgend-einer Art und Weise politisch Einfluss darauf nehmen,wie Flugrouten geplant werden, sondern dies unterliegtausschließlich der Zuständigkeit der Fachplaner bei derDeutschen Flugsicherung und beim Bundesaufsichtsamtfür Flugsicherung. Es gibt keinen politischen Einflussauf die Planung von Flugrouten.
Metadaten/Kopzeile:
27012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Parl. Staatssekretär Jan Mücke
(C)
(B)
Wie Sie wissen, kann eine solche Verordnung nur imBenehmen mit dem Umweltbundesamt erlassen werden.Ich nehme an, das meinten Sie mit der Bemerkung, auchandere Bundesbehörden seien beteiligt. Das Umwelt-bundesamt hat dem Bundesaufsichtsamt für Flugsiche-rung zu keinem Zeitpunkt signalisiert, dass aus seinerSicht mögliche Gefahren von dem Atomreaktor ausgin-gen und es deshalb in eine Abwägung zur Festlegungdieser Flugrouten einbezogen werden müsse. Dazu ha-ben wir keine Anhaltspunkte gehabt. Die Deutsche Flug-sicherung geht auch davon aus, dass ihr Vorschlag be-züglich der Flugrouten korrekt abgewogen worden ist.Aber wir werden sehen, was die schriftliche Urteilsbe-gründung uns dazu an Hausaufgaben aufgibt. Wir wer-den das sehr gründlich prüfen und dann darüber ent-scheiden, ob Revision eingelegt wird oder nicht.
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Ott das
Wort.
Herr Kollege Mücke, vielen Dank.
Der geplante Flughafen Berlin Brandenburg Inter-
national droht ja nun zu einem der größten Planungs-
desaster der Bundesrepublik zu werden, vielleicht neben
Kalkar. Die anscheinend unüberlegte Planung der Flug-
routen, bei der man einen Atomreaktor übersehen hat,
der mitten in dieser Flugroute liegt und dessen radioakti-
ves Material beim Absturz eines Flugzeuges freigelegt
werden würde, verstärkt diesen Eindruck noch ein we-
nig. Hat der Minister nach dieser Zurückweisung durch
das Gericht jetzt auch die Planung der Flugrouten zur
Chefsache gemacht?
J
Nein, das ist nicht seine Aufgabe. Es ist die Aufgabe
des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, eine solche
Bewertung vorzunehmen. Ich habe vorhin schon gesagt,
dass wir keinerlei politischen Einfluss darauf nehmen,
wie Flugrouten festgelegt werden. Das fällt in die aus-
schließliche Zuständigkeit des Bundesaufsichtsamts für
Flugsicherung. Deshalb bleibt es, wie es im Übrigen
schon bei der Planung selbst der Fall war, dabei, dass wir
vonseiten des Ministeriums keinen politischen Druck
ausüben oder irgendwelche politischen Entscheidungen
treffen; das ist ausschließlich Aufgabe der Fachplaner
und des Bundesaufsichtsamts.
Wir sind damit schon am Ende dieses Geschäfts-
bereichs. Die Fragen 6 und 7 des Kollegen Uwe
Beckmeyer und die Frage 8 der Kollegin Waltraud Wolff
werden schriftlich beantwortet. Herzlichen Dank, Herr
Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche
steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Frage 9 der Kollegin Veronika Bellmann wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 10 der Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl:
Ist das zusätzliche Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesys-
tem, ZUNA, im Atomkraftwerk Gundremmingen unter den
für Auslegungsstörfälle geltenden Analyserandbedingungen
zur Beherrschung von
Auslegungsstörfällen erforderlich, und, falls ja, bei welchen?
Ka
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich be-
antworte Ihre Frage wie folgt: Das zusätzliche Nachwär-
meabfuhr- und Einspeisesystem, kurz ZUNA, ist nach
probabilistischen Analysen zur Verbesserung der Be-
herrschung von transienten Störungen und Störfällen bei
gleichzeitigem Ausfall der drei Nachkühlketten vorgese-
hen. Das ZUNA ist zur Beherrschung von Auslegungs-
störfällen, also den Ereignissen der sogenannten Sicher-
heitsebene 3, nicht erforderlich.
Mit dem neuen Regelwerk, den „Sicherheitsanforde-
rungen an Kernkraftwerke“, wurden im Übrigen die äu-
ßeren Einwirkungen, zu denen unter anderem Erdbeben
zählen, aus der Hierarchie der Sicherheitsebenen heraus-
gelöst. Sie werden nicht mehr direkt der Sicherheits-
ebene 3 und damit den Auslegungsstörfällen zugeordnet.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Wenn Sie mir antworten, es sei nicht erforderlich,
dann ist meine erste Nachfrage: Warum wurde das
installiert? Sie haben zwar den Zweck erklärt, aber wo-
für genau wird das gebraucht?
Der Hintergrund ist: Wenn eine Nachrüstung erfolgt,
geht man im Allgemeinen zu Recht davon aus, dass die
bisher vorhandenen Systeme qualitativ oder quantitativ
Defizite aufweisen. Das ist der Normalfall, wenn nach-
gerüstet wird. Die Nachrüstung stammt aus den 90er-
Jahren. Insofern ist für mich noch die Frage offen, wozu
man das gebraucht hat. Wenn es für diese Sicherheitsfra-
gen nicht notwendig ist, frage ich mich, wofür man es
sonst gebraucht hat. Denn wir alle wissen, dass Betreiber
nicht investieren, wenn es nicht irgendeine Notwendig-
keit dafür gibt.
Ka
Ich hatte gesagt, dass es drei Nachkühlketten gibt. Esist so, dass zwei der drei Nachkühlketten des Sicher-heitssystems gegen das sogenannte Bemessungserdbe-ben ausgelegt sind. Mit dem ZUNA steht ein weiteresgegen das Bemessungserdbeben ausgelegtes System zurNachwärmeabfuhr zur Verfügung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27013
Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
(C)
(B)
Für das Schutzkonzept bezüglich Erdbeben ist gefor-dert, dass alle Sicherheitseinrichtungen so auszulegensind und sich auch dauerhaft in einem solchen Zustandbefinden müssen, dass ihre sicherheitstechnischen Auf-gaben auch bei Erdbeben zu erfüllen sind. Eine der dreiNachkühlketten in Gundremmingen erfüllt diese Anfor-derung nicht. Allerdings verfügt Gundremmingen – imGegensatz zu den anderen deutschen Kernkraftwerkenmit vier Redundanzen zu jeweils 50 Prozent Leistung –über drei Redundanzen mit jeweils 100 Prozent Leis-tung. Das macht es in diesem Fall auch möglich, diesesKraftwerk so weiterzuführen.
Gut, das erklärt einiges. – Dann habe ich noch eine
Frage. Sie sind in Ihrer Antwort schon auf die Technik
eingegangen. Falls Sie die Frage, die ich jetzt stelle,
nicht beantworten können, wäre ich auch mit einer
schriftlichen Beantwortung einverstanden. Welche
wesentlichen technischen Unterschiede bestehen hin-
sichtlich Funktionsumfang und Qualitätsanforderungen
zwischen den eigentlichen Notkühlsystemen und der
Nachrüstung ZUNA?
Ka
Ich mache folgenden Vorschlag: Ich könnte Ihre
Frage jetzt beantworten. Aber das würde definitiv länger
als eine Minute dauern. Ich werde Ihnen daher das, was
mir jetzt hier vorliegt, inklusive der technischen Details
schriftlich zukommen lassen. Das ist vielleicht angemes-
sen und dann auch besser nachzuvollziehen.
Wenn Sie einverstanden sind, dann ist das so verabre-
det.
Wir kommen zur Frage 11 des Kollegen Gerd
Bollmann:
Wie schätzt die Bundesregierung die Umsetzung des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, insbesondere be-
züglich der Zulassung bzw. des Verbotes von gewerblichen
Sammlungen, ein?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ka
Herr Kollege Bollmann, meine Antwort ist zweige-
teilt, zum einen zur Rechtslage und zum anderen zu der
derzeitigen Vollzugssituation.
Zunächst zur Rechtslage. Das Kreislaufwirtschafts-
und Abfallgesetz ist mit Wirkung vom 31. Mai 2012 au-
ßer Kraft getreten. Es gilt das neue Kreislaufwirtschafts-
gesetz. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht nun in § 18
keine Zulassung von gewerblichen Sammlungen, son-
dern lediglich ein Anzeigeverfahren vor. Im Rahmen
dieses Verfahrens können die zuständigen Länderbehör-
den auf Basis der Anzeige des Sammlers und der beige-
fügten Unterlagen prüfen, ob die angezeigte Sammlung
den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Nach § 17
Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 muss zunächst generell si-
chergestellt sein, dass die gesammelten Abfälle einer
hochwertigen und ordnungsgemäßen sowie schadlosen
Verwertung zugeführt werden. Soweit es sich um ge-
werbliche Sammlungen handelt, ist nach § 17 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zusätzlich
zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen der
Sammlung entgegenstehen. Zu diesen öffentlichen Inte-
ressen gehört insbesondere die sogenannte Funktionsfä-
higkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
Über diese Voraussetzung hat die Behörde auf Basis ei-
ner Stellungnahme des betreffenden öffentlich-rechtli-
chen Entsorgungsträgers zu entscheiden, die im Anzei-
geverfahren nach § 18 einzuholen ist.
Wie sieht der derzeitige Vollzug aus? Die Bundes-
regierung steht hinsichtlich der Umsetzung der Regelun-
gen zur gewerblichen und gemeinnützigen Sammlung in
einem engen Informationsaustausch mit den Ländern,
den Kommunen und auch mit der privaten Entsorgungs-
wirtschaft. Es liegen noch nicht für alle Länder Zahlen
vor. Zudem sind die eingehenden Daten der Länder lau-
fend zu aktualisieren. Der gegenwärtige Trend zeigt je-
doch, dass einem hohen Aufkommen an Anzeigen nur
sehr wenige Anordnungen gegenüberstehen. In Baden-
Württemberg wurden etwa 1 000 gemeinnützige und ge-
werbliche Sammlungen angezeigt. Bislang sind jedoch
nur 50 Anordnungen erlassen worden, die teilweise auf
die Vervollständigung der Anzeigenunterlagen abzielen.
Eine Vielzahl der Anzeigen befindet sich noch in be-
hördlicher Prüfung. Wir meinen jedoch, dass die Samm-
lung hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Unternehmen,
die ihre Sammlung erst nach Inkrafttreten des Gesetzes
etabliert haben, dürfen die Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1
ohne weitere Bestätigung der Behörde drei Monate nach
Abgabe der Anzeige aufnehmen. Sogenannte Altsamm-
ler unterliegen dieser Wartefrist von vornherein nicht.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung der
Auffassung, dass gewerbliche Sammlungen in großer
Anzahl zu Unrecht verboten werden?
Ka
Wir haben darüber noch kein konkretes Bild. Wir hö-ren von Beschwerden. Allerdings sind diese uns gegen-über noch nicht dokumentiert. Deshalb wollen wir ge-mäß der Protokollnotiz, in der sich die Bundesregierunggegenüber dem Bundesrat verpflichtet, binnen eines Jah-res eine Evaluierung durchzuführen, bis März Datensammeln, diese intensiv auswerten und dann Schlüsseziehen. Insofern können wir, was Sie gerade vorbringenrespektive was wir nur vom Hörensagen kennen, nichtbestätigen.
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27014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
(C)
(B)
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesregierung der
Meinung, dass durch die Anwendung der §§ 17 und 18
des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine Gefährdung der
Versorgung von Recyclingbetrieben mit Abfallmaterial
entsteht?
Ka
Nein, dieser Auffassung sind wir nicht. Noch einmal:
Wir prüfen laufend eingehende Daten und können nach
einem Jahr sicher in den Evaluierungsprozess gehen.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Gerd Bollmann
auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es für die
Umsetzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im
Bereich der Zulassung von gewerblichen und gemeinnützigen
Sammlungen einer bundeseinheitlichen Durchführungsver-
ordnung bedarf, und, wenn ja, wann kommt diese?
Ka
Herr Kollege Bollmann, die Bundesregierung hat sich
im Nachgang – ich komme auf das zurück, was ich ge-
rade gesagt habe – gegenüber dem Bundesrat in einer
Protokollerklärung zu Folgendem verpflichtet – ich zi-
tiere –:
Die getroffenen Regelungen zur gewerblichen
Sammlung bezwecken die EU-rechtlich gebotene
Stärkung des Wettbewerbs und eine Verbesserung
der Qualität und Quantität des Recyclings. Die
Bundesregierung wird binnen eines Jahres nach In-
krafttreten dieser Regelung prüfen, ob diese Ziel-
stellung erreicht worden ist. Ist dies nicht der Fall,
werden unverzüglich die gesetzlichen Maßnahmen
zur Zielerreichung eingeleitet.
Um ein möglichst genaues Bild für eine sorgfältige
Prüfung zu bekommen, sind wir mit den zuständigen
Ländern und den beteiligten Kreisen in einem regen
Austausch. Bis zum 1. März gilt es uns mitzuteilen, wel-
che Beobachtungen gemacht worden sind. Es wurden
zum einen die Neuregelung der gewerblichen Sammlung
und die damit intendierten Ziele, also die Stärkung des
Wettbewerbs und die Verbesserung der Qualität und der
Quantität des Recyclings, abgefragt. Zum anderen geht
es darum, ob bei der Anwendung der neuen Regeln Pro-
bleme erkannt worden sind.
Über den Gegenstand der Protokollerklärung hinaus
ist auch nach einer Einschätzung der Situation bei den
gemeinnützigen Sammlungen gefragt worden. Erst nach
der Auswertung der bis zum 1. März erbetenen Stellung-
nahmen kann entschieden werden, ob überhaupt und ge-
gebenenfalls welche Regelungen anzupassen oder zu än-
dern sind.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ich habe nur noch eine Zusatzfrage. Sind auch Sie der
Meinung, dass es wahrscheinlich bundeseinheitlicher
Durchführungsbestimmungen bedarf?
Ka
Nein. Das lässt sich an dieser Stelle so nicht sagen.
Uns sind Verstöße im Rahmen des Ländervollzugs nicht
bekannt. Es bestehen Klagemöglichkeiten und die Mög-
lichkeit, Widerspruch einzulegen. Im Übrigen liegen
drei Gerichtsurteile vor.
Wir haben auch keine Anhaltspunkte dafür – das be-
zieht sich jetzt auf eine Anfrage der Linken –, dass die
berufliche Existenz von Kleinstsammlern gefährdet sein
könnte. Bevor wir nicht eine umfassende Lagebeschrei-
bung haben, ist es zu früh, zu Änderungen einzelner Pa-
ragrafen oder ergänzenden Regelungen Aussagen zu
treffen.
Sie verzichten auf die zweite Nachfrage.
Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Ulrich
Kelber:
Was konkret plant die Bundesregierung im Klub der Ener-
giewendestaaten, und welche Staaten wurden bisher auf eine
Mitgliedschaft angesprochen bzw. aufgenommen?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ka
Herr Kollege Kelber, die erneuerbaren Energien ha-ben in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstumverzeichnet, begleitet von großem technologischen Fort-schritt und verbunden mit zum Teil drastischen Senkun-gen der Stromgestehungskosten bei Neuanlagen, zumBeispiel bei der Photovoltaik. Deutschland war und isteines der Vorreiterländer bei dieser Entwicklung. Gegen-wärtig diskutieren immer mehr Staaten, ob auch sieselbst eine Neuausrichtung ihrer Energiepolitik hin zumehr erneuerbaren Energien forcieren wollen.Das ist ein idealer Zeitpunkt für Deutschland, mitweiteren Vorreiterstaaten einen politischen Schulter-schluss zu suchen, um neuen Schwung in den weltweitenAusbau der erneuerbaren Energien zu bringen und die-sen ganz oben auf die internationale politische Agendazu setzen.Die informellen Konsultationen mit verschiedenenStaaten und die intensiven Debatten zur Gestaltung derzukünftigen Energieversorgung dauern an. Eine endgül-tige Entscheidung, mit welchen Vorreiterstaaten in dieserInitiative zusammengearbeitet werden soll, steht nochaus.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27015
(C)
(B)
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Da Sie auf
beide Fragen, nämlich was konkret gemacht wird und
wen Sie bis heute angesprochen haben, noch nicht geant-
wortet haben, bitte ich Sie, mir die Antworten schriftlich
nachzuliefern. Ich möchte meine Nachfrage zu einem
anderen Thema stellen.
Wird die Bundesregierung in dem Klub der Energie-
wendestaaten weiter für eine Einspeisevergütung für er-
neuerbare Energien werben, die Sie gerade, auch wenn
Sie früher zweimal dagegen gestimmt haben, gelobt ha-
ben, oder wird sie nach den Vorschlägen von Peter
Altmaier davon abweichen?
Ka
Die Bundesregierung steht zu einer Einspeisever-
gütung. In den internationalen Gesprächen werben wir
auch für dieses Instrument.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die Atom-
technologie. Wird die Bundesregierung im Klub der
Energiewendestaaten dafür werben, auch die Atomener-
gie relativ schnell durch erneuerbare Energien zu erset-
zen, und wie verträgt sich das mit dem einstimmig ge-
äußerten Wunsch des Parlamentarischen Beirates für
nachhaltige Entwicklung, dass die Bundesregierung auf-
hört, mit Steuergeldern den Export von Atomtechnologie
in Drittstaaten aus Deutschland zu subventionieren?
Ka
Der größte Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Kelber, war
Ausdruck Ihrer persönlichen Meinung. Ich nehme hier
Stellung zu dem, was die Bundesregierung macht.
Der Bundesumweltminister wirbt auf internationaler
Ebene für die Etablierung, den Ausbau und die Wirt-
schaftlichkeit erneuerbarer Energien. Erneuerbare Ener-
gien, darunter versteht er Sonne, Wind, Biomasse, Was-
serkraft und Geothermie. Das ist das Feld, um das wir
uns kümmern, und ist das, was er maßgeblich voran-
treibt.
Im Übrigen ist es auch kein Geheimnis, dass er sich
am Rande der jüngsten IRENA-Tagung unter anderem
mit Vertretern aus China, Frankreich, UK, aber auch Ma-
rokko oder Tonga getroffen hat.
Eine weitere Nachfrage zur Frage 13 stellt der Kol-
lege Ott.
Danke. – Frau Staatssekretärin, ich würde mich gerne
der Bitte des Kollegen Kelber anschließen und würde
gerne, wenn es möglich wäre, eine schriftliche Antwort
auf die Frage erhalten: Welche Staaten sind denn ange-
fragt worden? Vielleicht können Sie dies doch noch hier
beantworten. Man hat gehört, dass sich Vertreter von
acht Staaten tatsächlich zum Abendessen mit dem
Minister trafen. Vorher hieß es, zehn sollten angespro-
chen werden.
Einerseits würde ich gerne wissen, welche Staaten das
waren. Andererseits würde mich jetzt hier interessieren:
Was waren denn die Kriterien dafür, welche Staaten an-
gefragt worden sind oder nicht? Gibt es überhaupt Krite-
rien, um in einen solchen Klub der Energiewendestaaten
hineinzukommen, oder wird das auf Zuruf gemacht?
Ka
Dem Minister geht es vor allem um einen politischen
Schulterschluss. Wir haben eine existierende und gut
funktionierende Agentur für die weltweite Förderung
und Unterstützung der erneuerbaren Energien, die
IRENA. Sie ist ja maßgeblich auf deutsche Initiative hin
entstanden und hat sich, wie wir finden, hervorragend
entwickelt.
Hier geht es um ein zusätzliches politisches Momen-
tum. Wie es so üblich ist, werden befreundete und auch
unterstützende Staaten gefragt und angesprochen. Ziel
ist es, auch solche Staaten wie China mit ins Boot zu ho-
len, die sich zwar nicht in ein Klimaschutzabkommen
einbinden lassen mögen, auf der anderen Seite aber ganz
klar ihre Unterstützung für Erneuerbare-Energien-Ziele,
auch im neuen Fünfjahrplan, dokumentiert haben. Hier
ein politisches Momentum zu nutzen, ist Ziel der Initia-
tive des Ministers.
Zu den Staaten – ich habe eben schon einige er-
wähnt –: In der Tat waren beim Abendessen acht Staats-
vertreter dabei. Ich finde jetzt die komplette Liste nicht.
Auf jeden Fall waren Frankreich, Großbritannien, Ma-
rokko, Tonga, Südafrika dabei. Die fehlenden drei Na-
men liefere ich Ihnen nach.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Miersch.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben die eigentlicheFrage des Kollegen Kelber nicht beantwortet. Er hat Siemit der Beschlussfassung des Parlamentarischen Beiratsfür nachhaltige Entwicklung konfrontiert, der sich überalle Fraktionsgrenzen hinweg dafür ausgesprochen hat,Hermesbürgschaften künftig nicht mehr für den Bau vonAtomanlagen im Ausland bereitzustellen. Das wäre
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27016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Dr. Matthias Miersch
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nämlich ein offenkundiger Widerspruch beispielsweisezu dem, was ein Klub der Energiewendestaaten tut. Inso-fern meine Frage, verbunden mit meiner Bitte, diese zubeantworten – auch Herr Kelber hat diese Frage eben ge-stellt –: Wie steht die Bundesregierung zu diesem Be-schluss des Parlamentarischen Beirats für nachhaltigeEntwicklung?Ka
Die Bundesregierung hat ihre Haltung klar bekräftigt,
dass sie die Einschätzung des Parlamentarischen Beira-
tes an dieser Stelle nicht teilt. Ich sehe allerdings keinen
Widerspruch, einen Klub der Energiewendestaaten zu
unterstützen und damit einen Klub von Staaten, die die
erneuerbaren Energien fördern, zu initiieren. An dieser
Stelle hat der Minister eine ganz klare Auffassung ge-
äußert und ist auf internationaler Ebene initiativ.
Ich bitte darum, mir die weiteren Nachfragewünsche
so rechtzeitig zu signalisieren, dass ich nicht schon die
nächste schriftlich eingereichte Frage aufrufe.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Kotting-
Uhl.
Entschuldigung, Frau Präsidentin. – Ich war jetzt
doch etwas konsterniert über die Feststellung, die Bun-
desregierung habe ihre Haltung klar bekräftigt. Denn wir
haben heute Vormittag im Umweltausschuss von der
Bundesregierung gehört, dass Stellungnahmen dazu
noch nicht abgegeben worden seien, dass das Zitat von
Bundeswirtschaftsminister Rösler, das man bei Spiegel
Online finden konnte und das das bestätigt, was Sie jetzt
sagen, nicht freigegeben gewesen sei und dass auch der
Parlamentarische Beirat noch keine Stellungnahme der
Bundesregierung bekommen habe. Insofern würde mich
jetzt interessieren: Wo ist diese Stellungnahme bisher
bekräftigt worden?
Ka
Frau Kollegin Kotting-Uhl, mir ist keine Änderung
der bisherigen Praxis der Bundesregierung bekannt. Ich
kann an dieser Stelle keine andere Praxis verkünden, ob-
wohl dies Herr Kollege Miersch vermutlich gerne gehört
hätte.
Auch der Kollege Frank Schwabe hat noch eine
Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nachfrage zu
demselben Thema. Wir alle waren heute Morgen im
Ausschuss anwesend; deswegen kommen jetzt die spon-
tanen Nachfragen. Da hat Ihre Kollegin Staatssekretärin
deutlich gemacht, es gebe noch keine abgestimmte Hal-
tung. Das, was in den Medien zu lesen gewesen sei, sei
unabgestimmt gewesen und man ringe noch um eine
Haltung. Sie sagen jetzt: Es gibt eine klare Haltung. –
Das ist ein offensichtlicher Widerspruch. Deswegen
frage ich Sie noch einmal: Gibt es eine Haltung der Bun-
desregierung zu der Frage, ob wir Hermesbürgschaften
für Brasilien, aber auch für andere Länder im Bereich
der Atomtechnologie bereitstellen?
Ka
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Auffas-
sung, dass eine Haltung abgestimmt werden soll, und der
generellen Aussage, dass mir nicht bekannt ist, dass eine
solche verändert werden soll. Wenn Sie jetzt einen Wi-
derspruch konstruieren wollen, dann können Sie dies
tun; aber ich sehe ihn nicht.
Damit kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Ulrich
Kelber:
Was genau soll der Unterschied zwischen dem Klub der
Energiewendestaaten und IRENA sein, und welche ersten
Schritte des Klubs sind geplant?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ka
In Abu Dhabi, Herr Kollege Kelber, hat Minister
Altmaier im Rahmen seiner Teilnahme an der jährlichen
Versammlung von IRENA informelle Konsultationen
mit verschiedenen Vorreiterstaaten geführt und die Idee
eines solchen Klubs diskutiert. Nun sind weitere Konsul-
tationen mit möglichen teilnehmenden Staaten geplant.
Im Anschluss daran wird über die nächsten Schritte be-
raten.
Die Frage der Zusammensetzung und der Treffen der
neuen Initiative wird derzeit noch konsultiert. Eine end-
gültige Entscheidung von Minister Altmaier zum Kon-
zept, insbesondere mit welchen Vorreiterstaaten bei die-
ser Initiative zusammengearbeitet wird, steht noch aus.
Ich bitte daher um Verständnis, dass das Konzept dem
Parlament erst nach der Entscheidung von Minister
Altmaier vorgelegt werden kann. Der Zeitpunkt, zu dem
er diese Entscheidung fällen kann, hängt stark vom Ver-
lauf der informellen Konsultationen ab und kann mo-
mentan nicht genau festgelegt werden.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Ich habe zur Kenntnis genommen, dass der Bundes-minister die Gründung einer neuen internationalen Orga-nisation vorgeschlagen hat, ohne ein Konzept dafür zuhaben, was diese internationale Organisation eigentlichtun soll. Das mag jeder selbst bewerten.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27017
Ulrich Kelber
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Das war eine Veranstaltung der Internationalen Agen-tur für erneuerbare Energien. Diese ist auf Betreibenmeines leider 2010 verstorbenen Kollegen HermannScheer, also auf deutsche Initiative hin, gegründet wor-den – sie ist heute äußerst erfolgreich und hat weit über100 Mitgliedstaaten – mit der Aufgabe, die Energie-wende durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Ab-löseszenarien mittels erneuerbarer Energien voranzutrei-ben. Wenn das Ministerium jetzt einen Klub derEnergiewendestaaten starten will, im Rahmen dessen beieinem solchen Ausbau und bei entsprechenden Ablöse-strategien ein enger Schulterschluss passieren soll,müssten Sie doch in der Lage sein, uns hier und heute ei-nen einzigen, einen klitzekleinen Unterschied zwischender Aufgabenstellung des Klubs der Energiewendestaa-ten und der Aufgabenstellung der von Deutschland insLeben gerufenen Internationalen Agentur für erneuer-bare Energien, deren Mitglieder ja die Staaten sind, zunennen.Ka
Herr Kollege Kelber, das liegt daran, dass Sie mir
offenbar nicht zuhören. Es handelt sich nicht um eine
eigenständige Organisation, sondern um einen politi-
schen Zusammenschluss von interessierten Staaten,
nicht um eine formelle Organisation mit Sitz, Struktur,
Sekretariat und dergleichen.
Dafür gibt es die IRENA. Sie wird von uns unter-
stützt. Wir haben deutlich gemacht, wie sehr wir die Ar-
beit der IRENA schätzen. Wie Sie wissen, läuft das
IRENA Innovations- und Technologiezentrum in Bonn
sehr gut. Wir haben nichts daran zu kritisieren. Ganz im
Gegenteil: Wir freuen uns darüber, dass dies so gut ge-
lingt. Aber auch Sie, Herr Kollege Kelber, werden,
glaube ich, den Unterschied kennen zwischen einer In-
stitution und einem politischen Zusammenschluss, ei-
nem politischen Momentum, bei dem es darum geht, auf
politischer Ebene noch mehr Rückenwind für den Aus-
bau erneuerbarer Energien zu bekommen.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Meine zweite Frage ist sehr leicht zu beantworten.
Gibt es außer der Pressemitteilung darüber, dass der
Minister einen Klub der Energiewendestaaten einrichten
will, irgendein weiteres Dokument des Ministeriums
zum Klub der Energiewendestaaten?
Ka
Es gibt informelle Konsultationen, und informelle
Konsultationen haben es an sich, dass man sich infor-
mell austauscht.
Der Kollege Ott stellt die nächste Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, Sie wissen vielleicht, dass ich ein großer Fan dieser
Klubidee bin.
Ka
Es ist schön, dass Sie das feststellen. Da haben wir ja
schon mal einen in der Opposition.
Ich würde sogar sagen, dass ich wahrscheinlich der
Erste war, der diese Idee in diesem Hause vertreten hat.
Ka
Oh, jetzt begeben Sie sich aufs Glatteis, Herr Kollege.
Der Hintergrund meiner Idee ist, dass das bisherige
Vorgehen im Rahmen des Klimaregimes nicht erfolgver-
sprechend ist, weil einzelne Staaten, vor allem große wie
die USA, China und Indien, den Prozess sozusagen ins
Unendliche blockieren können, und dass es deshalb gut
sein kann, die Vorreiter in einem Klub zu versammeln. –
So weit, so gut.
Aber deshalb noch einmal die Frage, die der Kollege
Kelber gerade mit größter Intensität zu stellen versucht
hat:
Was ist denn der Sinn und Zweck dieses Energiewende-
klubs? Was ist der Mehrwert, und wie soll dieser Klub
einen Schub für die internationalen Klimaverhandlungen
erzeugen?
Ka
Es sollen neue politische Akzente gesetzt werden.Herr Kollege, Sie haben angesprochen und sehr richtigeingeschätzt, dass die Klimaverhandlungen auf interna-tionaler Ebene sehr zäh geworden sind. Die Überlegungist: Neben der bestehenden Struktur IRENA, in der aner-kennenswerterweise mittlerweile auch die USA Mitgliedsind – IRENA ist eine der wenigen internationalen Orga-nisationen, denen die USA in den letzten Jahren über-haupt beigetreten sind –, braucht es ein zusätzliches poli-tisches Momentum. Die IRENA leistet hervorragende
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Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
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Arbeit, wenn es darum geht, Informationen zu sammeln,Programme zu bündeln, Technologieausbreitung zu un-terstützen. Dennoch braucht es in Staaten auch immer ei-nen politischen Hebel und eine politische Willensbil-dung darüber, ein Stück voranzugehen. Die Idee, überein Bekenntnis zu erneuerbaren Energien im Klima-schutzbereich voranzukommen, ist sicherlich mit Anlassfür die Gründung dieses Klubs.Aber noch einmal: Auch auf informellem Wege wol-len wir herausfinden, was andere Staaten bewegt, wieihre Strategien sind. Darüber der Öffentlichkeit schon al-les zu berichten, wäre vielleicht nicht ganz fair. Insofernbleibe ich bei meiner Aussage, dass die Konsultationeninformell sind, aber auch weiter nach vorn gebracht wer-den.
Der Kollege Schwabe stellt eine weitere Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, es ist ja unsere Aufgabe, zu hin-
terfragen, was die Regierung tut. Das, was Sie uns vor-
stellen, sind informelle Gespräche. Informelle Gesprä-
che kann man natürlich mit jedem andauernd immer
wieder führen. Die Frage ist doch bloß: Muss man das
dann in der Öffentlichkeit groß als „Klub der Energie-
wendestaaten“ ankündigen? Wenn man nachfragt, be-
kommt man nämlich zur Antwort: Es gibt kein Konzept,
nicht einmal ein einfaches Papier, auf dem man sehen
könnte, wie das Ganze vonstattengeht.
Also frage ich Sie: Möchten Sie vielleicht dem Ein-
druck entgegentreten, dass dieser Begriff „Klub der
Energiewendestaaten“ am Ende ein aufgeblasener Bal-
lon, ein großes Wortspiel ist, das aber nicht hinterlegt ist,
weil Herr Altmaier so versucht hat, sein 10-Punkte-Pro-
gramm, das er im letzten Sommer vorgestellt hat, aufzu-
blasen?
Ka
Das 10-Punkte-Programm von Minister Altmaier ent-
hält für die internationale Ebene in der Tat auch die Idee
eines Klubs der Energiewendestaaten. Noch einmal: Es
geht nicht darum, Strukturen zu duplizieren, sondern da-
rum, ein politisches Momentum zu kreieren. Auf inter-
nationaler Ebene, auch bei Klimaschutzverhandlungen,
werden verschiedene informelle Runden gegründet, um
ein bestimmtes politisches Momentum zu erzeugen. Ich
finde, gerade für Sie, der Sie sich auch in diesem Metier
bewegen, dürften solche Runden, auch solche Impuls-
runden, überhaupt nichts Unbekanntes sein. Insofern
verstehe ich nicht, dass Sie, im Gegensatz zu Herrn Kol-
legen Ott, offenbar nicht hinter dieser Idee stehen.
Die Umsetzung einer solchen Idee braucht Zeit. Wir
werden die internationalen Treffen und Zwischentreffen
nutzen, um weiter für diese Idee zu werben und zu kon-
sultieren.
Wir kommen zur Frage 15 des Kollegen Dr. Hermann
Ott:
Welche Schritte plant die Bundesregierung nach der ver-
suchten Gründung des seit dem Sommer 2012 geplanten
Klubs der Energiewendestaaten am Rande der IRENA-Jahres-
tagung in Abu Dhabi, um die geplante Allianz ins Leben zu
rufen, und wann ist mit der Vorlage eines Konzeptes zu rech-
nen, das dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit des Deutschen Bundestages für Mitte Januar
2013 versprochen wurde?
Wir haben gerade gelernt, dass der Kollege Ott Fan
dieser Idee ist. – Frau Staatssekretärin.
Ka
Herr Kollege Ott, in Abu Dhabi hat Minister Altmaier
im Rahmen seiner Teilnahme an der jährlichen Ver-
sammlung von IRENA informelle Konsultationen mit
verschiedenen Vorreiterstaaten geführt und die Idee ei-
nes solchen Klubs diskutiert. Nun sind zunächst weitere
Konsultationen mit möglichen teilnehmenden Staaten
– das hatten wir schon – geplant. Im Anschluss daran
werden die nächsten Schritte beraten.
Die Zusammensetzung und die Treffen der neuen Ini-
tiative werden derzeit noch konsultiert. Eine endgültige
Entscheidung von Minister Altmaier – das doppelt sich
mit der Antwort auf die Frage des Kollegen Kelber –
zum Konzept und dazu, mit welchen Vorreiterstaaten in
dieser Initiative zusammengearbeitet wird, steht noch
aus. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, dass das Konzept
dem Parlament erst nach der Entscheidung von Minister
Altmaier vorgelegt werden kann. Wie gesagt, der Zeit-
punkt hängt vom weiteren Verlauf der Konsultationen
ab.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Wie gut, dass der Kollege Kelber und ich an dieserIdee genauso brennend interessiert sind.Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es nicht die-ser Energiewendeklub ist, der mich begeistert, sonderndie Idee, dass es außerhalb des Klimaregimes Vorreiter-allianzen geben muss, um die Klimapolitik voranzubrin-gen, damit wir die geringe Zeit, die uns noch bleibt, umdie Wende überhaupt herbeizuführen, nutzen.Meine Nachfrage: Sie vertrösten uns wieder, indemSie sagen, es müssten noch Entscheidungen getroffenwerden. Es drängt sich doch ein wenig der Eindruck auf,dass eine große Wahlkampfblase ins Leben gerufen wor-den ist: Bis zum Herbst soll gar nicht viel passieren, dasGanze kann aber immer sozusagen wie eine Monstranz
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27019
Dr. Hermann E. Ott
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vor sich her getragen werden, nach dem Motto: Wirwollten es ja.Ich frage Sie noch einmal – Herr Kollege Schwabehat es schon angesprochen –: Wollen Sie dem nicht mitetwas mehr Substanz entgegentreten?Ka
Das Etablieren von internationalen Gesprächsrunden
und internationalen Foren beansprucht erstens Zeit.
Zweitens ist Klimaschutz völlig unabhängig und interes-
siert sich nicht für Wahlen. Andere Länder – seien es
Entwicklungs-, Schwellen- oder Industrieländer – gu-
cken nicht nach Deutschland und fragen nach Wahlen.
Sie schauen danach, welche Dinge wir bereit sind, in den
internationalen Prozess einzubringen.
Auch IRENA wurde zu einem Zeitpunkt aufgebaut, in
dem man über Wahlkampf hätte sprechen können. Sie
entwickelte sich von einer Idee hin zu Strukturen. Auch
IRENA ist nicht über Nacht gekommen. Insofern bitte
ich Sie um Geduld für das laufende Verfahren. Ich
meine, es lohnt sich jede Initiative, die uns bei dem Vor-
haben voranbringt, zu mehr internationalem Klima-
schutz und mehr Zusammenarbeit beim Ausbau der er-
neuerbaren Energien zu kommen.
Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach-
frage.
Damit können wir die nächste Frage dazu auch fallen
lassen; denn wir haben das Thema erschöpfend behan-
delt.
Wenn es nun nicht der Klub der Energiewendestaaten
ist, der das Ganze reißen soll, so frage ich: Welche kon-
kreten Maßnahmen plant die Bundesregierung in Bezug
auf die Klimapolitik für das nächste halbe Jahr?
Ka
Ich muss präzise nachfragen: auf internationaler oder
auf nationaler Ebene?
Zur europäischen Ebene, zum Emissionshandel, kom-
men wir gleich. Jetzt meine ich die internationale Ebene.
Ka
Wir sind dabei, das Programm, das in diesem Jahr an-
steht, abzuarbeiten. Wir haben uns auf einen Fahrplan
geeinigt. Bis zur Konferenz in Polen müssen wir ein Ar-
beitsprogramm vorlegen. Hier gilt es, viele Gespräche zu
führen. Diese werden wir weiter fortsetzen. Der Klub der
Energiewendestaaten wäre ein weiterer Beitrag. Im Üb-
rigen sind wir, wenn es darum geht, erneuerbare Ener-
gien voranzubringen und uns auf europäischer Ebene zu
etablieren, auf einem guten Weg.
Der Kollege Krischer hat noch eine Nachfrage zur
Frage 15 bzw. zur Beantwortung derselben.
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Welche konkre-
ten Maßnahmen plant die Bundesregierung im Zuge der
nationalen Energiepolitik? Was steht diesbezüglich noch
auf der Agenda? Womit können wir jenseits des hier in-
zwischen fast humoristisch behandelten Energiewende-
klubs auf internationaler Ebene rechnen?
Ka
Herr Kollege Krischer, wir haben eine Reihe von Vor-
haben. Wir haben unsere Ziele auf nationaler und euro-
päischer Ebene weiterhin zu erfüllen. Der Minister hat
jetzt den Vorschlag einer Novelle zum Erneuerbaren-
Energien-Gesetz unterbreitet; die Ministerpräsidenten
haben sich dazu mit der Bundeskanzlerin verabredet.
Wir werden den Netzausbau weiter beschleunigen. Wir
werden für mehr Bürgerakzeptanz sorgen. Verschiedene
Foren arbeiten daran und liefern Ergebnisse.
Ich finde allerdings, dass dieses Thema den Rahmen
der heutigen Fragestunde sprengt. Das gilt im Übrigen
auch für die Frage zuvor; denn der Inhalt dieser Frage
war nicht Gegenstand der schriftlich eingereichten
Frage. Insofern müsste ich sie gar nicht beantworten.
Gleichwohl hat der Kollege Kelber noch eine weitere
Nachfrage.
Der Ton macht die Musik. – Da Sie die Frage aber
nun beantwortet haben, habe ich dazu natürlich eine
Nachfrage. Sie haben gerade das Treffen der Bundes-
kanzlerin mit den Ministerpräsidenten und den Vor-
schlag des Ministers zu einer Reform des Erneuerbaren-
Energien-Gesetzes erwähnt. Heißt das, dass die Vor-
schläge des Ministers bis Ende März in der bisher vorlie-
genden Prosaform bleiben? Oder dürfen wir erwarten,
dass es echte, konkrete Gesetzesarbeit inklusive interner
Abstimmung in der Regierung geben wird?
Ka
Der Minister hat dazu heute im Ausschuss das Not-wendige erklärt.
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27020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
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– Und ich kann antworten, wie ich es für richtig halte.
– Das war jetzt Ihre Einschätzung, Herr Kollege.
Herr Kelber, diese Auseinandersetzung wird an einem
anderen Ort zu klären sein.
Wir sind jetzt nicht im Dialog. Jetzt habe überwiegend
ich das Wort, das ich dem Kollegen Miersch zu einer
Nachfrage gebe.
Frau Staatssekretärin, wenn ich mich recht erinnere,
waren Sie heute nicht im Ausschuss. Ich war zwar im
Ausschuss, habe dort aber keine Antwort des Ministers
auf die Frage, die Herr Kelber Ihnen eben gestellt hat,
gehört. Ich frage Sie deswegen konkret: Können wir da-
von ausgehen, dass die allgemeinen prosaischen Ausfüh-
rungen des Ministers, wie sie uns im Augenblick vorlie-
gen, bis März in Gesetzesform gebracht werden?
Ka
Der Minister hat erstens keine Prosa geliefert, son-
dern eine sehr realistische Zustandsbeschreibung im
Hinblick auf die erneuerbaren Energien und der damit
verbundenen Chancen und Risiken. – Punkt eins.
Punkt zwei. Seine Vorschläge sind nicht nur ein An-
stoß zur Diskussion, sondern sie sind auch als Einladung
zum Mittun zu verstehen. Da aber sowohl aus dem parla-
mentarischen Raum, insbesondere von der Opposition,
als auch vor allem aus vielen Bundesländern diverse An-
griffe kommen, was alles zu tun sei, bin ich gespannt,
wie man mit diesen Vorschlägen umgehen wird.
Selbstverständlich ist es Regierungshandeln, einen Ge-
setzesvorschlag vorzulegen. Trotzdem muss erst einmal
ein Diskussionsanstoß erfolgen. Wenn die Ministerpräsi-
denten mit der Bundeskanzlerin zusammenkommen, wer-
den wir wiederum sehen, wie ernst es die Ministerpräsi-
denten mit ihren Zusagen meinen, die Energiewende
tatsächlich voranbringen zu wollen, statt weiterhin in ih-
rer Blockadehaltung zu verbleiben.
Die Erörterung der Frage 15 wird jetzt durch eine
Nachfrage der Kollegin Flachsbarth fortgesetzt.
Frau Kollegin Staatssekretärin, auch ich durfte heute
Morgen im Ausschuss den Ausführungen des Herrn
Minister folgen. Können Sie aufgrund Ihres internen
Wissens, aufgrund des Wissens Ihres Hauses möglicher-
weise bestätigen – wie ich es verstanden habe –,
dass dieser Vorschlag des Ministers nun in Zusammen-
arbeit mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages zu
einem Eckpunktepapier weiterentwickelt werden soll,
um dann auf der Umweltministerkonferenz –
Ka
Im Februar.
– Mitte Februar und Anfang März im Kreise der Mi-
nisterpräsidenten so weit fortentwickelt zu werden, dass
sich daraus ein Gesetzgebungsverfahren entwickelt?
Habe ich das richtig verstanden?
Ka
Herr Kollege Kelber und Herr Kollege Miersch, inte-
ressant ist doch, dass die Aussage von Frau Flachsbarth
zeigt, dass Sie sich in gewisse Widersprüche verwickelt
haben.
Ich bestätige gerne die Aussage von Frau Kollegin
Flachsbarth.
Kollegin Dött, habe ich das richtig verstanden? Hat
sich Ihr Anliegen erledigt?
Dann stellt der Kollege Schwabe als Letzter zu dieser
Frage eine Nachfrage.
Das, was Frau Flachsbarth ausgeführt hat, ist ja allesganz nett. Die Frage ist damit aber trotzdem nicht beant-wortet. Der Eindruck ist, dass das bei dem Minister anvielen Stellen so ist. Wir haben gerade lange über denKlub der Energiewendestaaten debattiert, über einenBegriff, den er in die Welt gesetzt hat, der aber scheinbarüberhaupt nicht unterfüttert ist. Hier ist es scheinbar
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27021
Frank Schwabe
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(B)
ebenso. Er macht wolkige Ankündigungen in der Öffent-lichkeit. Wir haben heute – wie soll ich das formulieren? –eine Ideenskizze für das, was groß in der Zeitung stand,bekommen; aber es gibt eben nichts Konkretes und vorallem nichts, was in der Bundesregierung abgestimmtwurde. Deswegen noch einmal die Frage: Wird es zudem Treffen mit den Ministerpräsidenten, mit den Ver-tretern der Bundesländer, einen abgestimmten Vorschlagin Form eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung ge-ben, ja oder nein?
Ka
Herr Kollege Schwabe, der Minister geht in die Kon-
sultationen. Ich frage mich, was die Vorlage eines Ge-
setzentwurfs bewirken soll, wenn nicht nur die Opposi-
tion, sondern vor allem auch der Bundesrat von Anfang
an die Hand dagegen erhebt. Die Energiewende ist zu
wichtig, als dass jeder Vorschlag im Klein-Klein zerre-
det werden kann. Ich höre ständig: nationale Anstren-
gungen! Ich höre ständig: Schulterschluss! Ich bin ge-
spannt, ob und an welcher Stelle nun unter anderem die
Bundesländer das Angebot des Ministers zum Schulter-
schluss annehmen wollen.
Man könnte einen Vorschlag vorlegen, aber es wurde ja
bereits angedroht, dass die SPD ihre Gestaltungsmehr-
heit im Bundesrat nicht zum Wohle des Landes, sondern
zur Blockade einsetzen möchte. Ich bin gespannt, ob das
auch für den Bereich der Energiepolitik gilt. Das, was
die Umweltminister gesagt haben, stimmt mich noch
hoffnungsvoll.
Ob das am Ende durch den Bundesrat trägt, wage ich
aber zu bezweifeln. Ich würde mich aber sehr freuen,
wenn wir nicht erst im März positiv überrascht werden
könnten. Auf jeden Fall haben heute schon Ministerprä-
sidenten angekündigt, in jedem Fall gegen alles zu sein.
Das stimmt in Bezug auf einen solchen Konsultations-
prozess nicht gerade hoffnungsvoll.
Die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Hermann Ott soll
schriftlich beantwortet werden.
– Nein? – Wie bitte?
– Okay.
Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Frank
Schwabe auf:
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregie-
rung, damit der EU-Emissionshandel deutlich mehr Anreize
für den Klimaschutz in Deutschland setzt?
Ka
Herr Kollege Schwabe, ich beantworte die Frage 17
und die Frage 18 zusammen.
Dann rufe ich auch die Frage 18 des Abgeordneten
Schwabe auf:
Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung unter-
nommen, um die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard
bei ihren Vorstellungen zur Reform des Emissionshandels zu
unterstützen?
Ka
Die Bundesregierung hat bisher keine einheitliche
Haltung zu einer notwendigen Stärkung des europäi-
schen Emissionshandels und prüft derzeit noch die von
der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge.
Herr Schwabe, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie eine Mitverantwor-
tung der Bundesregierung dafür erkennen, dass wir mitt-
lerweile einen Verfall des Preises im Bereich des Emis-
sionshandels feststellen müssen?
Ka
Ich sehe eine solche Mitverantwortung nicht, nein.
Gut.
Sie haben eine zweite Nachfrage?
Ja. Ich habe höchstwahrscheinlich noch mehr, weil
ich ja zwei Fragen gestellt habe, oder?
Sie haben die Möglichkeit, insgesamt vier Nach-
fragen zu stellen. Zwei haben Sie jetzt gleich verbraucht.
Gut. – Frau Staatssekretärin, können Sie vor demHintergrund der aktuellen Entwicklungen im Emissions-handel, insbesondere der Preisentwicklung, in etwa ab-
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27022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Frank Schwabe
(C)
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schätzen, welche Programme der Bundesregierung imBereich der Energiewende in diesem Haushaltsjahr undeventuell auch in zukünftigen Haushaltsjahren nichtfinanziert werden können?Ka
Wir wissen, dass der Preisverfall zu einer schwierige-
ren Situation beim EKF führt. Ich kann Ihnen dazu jetzt
allerdings keine Auskunft geben, weil die Fortführung
notwendiger Programme auch Verhandlungen innerhalb
der Bundesregierung erfordert. Sagen kann ich, dass wir
beispielsweise bei der Förderung des Bereichs der erneu-
erbaren Energien, unseren diesbezüglichen Forschungs-
programmen sowie der internationalen Klimaschutzini-
tiative unsere Aktivitäten auf dem bestehenden Niveau
aufrechterhalten wollen.
Herr Schwabe.
Eine letzte Nachfrage. Sie haben ja gesagt, dass es
keine abgestimmte Haltung zum Emissionshandels-
system gibt, dass Sie dies allerdings nicht für ein Pro-
blem halten. Das sehe ich natürlich komplett anders.
Deutschland ist hauptverantwortlich dafür, dass gerade
dieser Preisverfall stattfindet. Können Sie jetzt den wei-
teren Zeitplan darstellen? Wie wird die Bundesregierung
eine abgestimmte Haltung entwickeln? Bis wann wird
das geschehen? Wie sind die entsprechenden Vorgaben
auf europäischer Ebene?
Ka
Herr Kollege Schwabe, wir sind mit dem Wirtschafts-
ministerium in engem Kontakt, um eine abgestimmte
Haltung zu finden. Ich kann Ihnen jetzt gerne die Zeit-
pläne des Rates und des EPs referieren, ich kann Ihnen
dies aber auch schriftlich zukommen lassen. Die politi-
sche Einigung muss unabhängig von Zeitplänen erfol-
gen. Wir müssen hier als Deutschland eine abgestimmte
Haltung entwickeln. Wir arbeiten mit den Kollegen vom
BMWi daran.
Eine Nachfrage des Kollegen Ott.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, der Emissionshandel ist ja so etwas wie der Flug-
hafen BER auf der Instrumentenebene. Er geht allmäh-
lich komplett verloren. Der Preis für ein CO2-Zertifikat
beträgt mittlerweile 3,50 Euro. Er sollte eigentlich ein-
mal 30 Euro pro Tonne CO2 betragen. Wir wissen, dass
die Bundesregierung natürlich mitverantwortlich ist,
weil sie bestimmte Maßnahmen, zum Beispiel eine Er-
höhung des europäischen Klimaziels auf 30 Prozent,
nicht wirklich mittragen kann. Das liegt nicht an Ihrem
Haus, sondern am Wirtschaftsministerium; das ist klar.
Nichtsdestotrotz ist die Bundesregierung dafür verant-
wortlich und in Haftung.
Die Frage jetzt lautet: Plant man, bestimmte Mengen
von Zertifikaten beiseitezupacken, damit sie eben nicht
in den Markt kommen, um so den Preis wieder etwas zu
erhöhen? Dazu gibt es verschiedene Vorstellungen. Das
nennt sich – ganz technisch gesprochen – Set-aside oder
Backloading. Ist die Bundesregierung zumindest in die-
sem Bereich zu einem Ergebnis gekommen, damit auf
europäischer Ebene Maßnahmen möglich werden, um
den Zertifikatepreis zumindest wieder in die Nähe von
10 Euro zu bringen?
Ka
Wir diskutieren innerhalb der Bundesregierung so-
wohl über den Weg als auch über mögliche Mengen. Wir
diskutieren, ob man dies dauerhaft oder befristet tun
sollte. Wir schauen auch, welche Auswirkungen das auf
die deutsche Wirtschaft haben könnte. Hier gibt es be-
stimmte Befürchtungen. Wir hören aus Teilen der deut-
schen Wirtschaft aber auch, dass man sich ein deutliches
Signal wünscht. Die Wirtschaft möchte stärker in Klima-
schutztechnologien investieren, beklagt aber, dass es zu
wenige Anreize gibt.
Wir teilen die Auffassung, dass sich Investitionen in
emissionsarme Technologien ohne Anreiz aus dem Koh-
lenstoffmarkt, ohne Anreiz durch einen wirklich attrakti-
ven CO2-Preis auf Dauer nicht rechnen. Übrigens über-
denken auch andere Staaten glücklicherweise langsam
ihre Position. Auch Staaten, die eine überwiegend kohle-
basierte Wirtschaft haben, sehen, dass sie, wenn sie aus
dem europäischen Markt keine Zertifikate und damit
keine Erlöse bekommen, ihre eigenen Pläne zur Verän-
derung ihrer Wirtschaft nicht realisieren können. Auch
hier sammeln wir Partner für Allianzen.
Ich möchte noch einmal sagen: Die Einschätzung, es
läge an Deutschland, stimmt nicht; denn auch andere
europäische Staaten zeigen sich gegenüber einem Set-
aside oder Backloading oder anderen Maßnahmen sehr
zurückhaltend. Wir brauchen hier eine vernünftige Posi-
tionierung. Auch im EP und in der Kommission ist man
noch nicht so weit. Das Trilogverfahren droht kompli-
ziert zu werden. Das entbindet uns aber nicht von der
Verantwortung, rasch eine gemeinsame Position zu
finden.
Frau Kofler.
Frau
Man ist in Verhandlungen.Wie man auf Bayrisch sagt: Nix gnaus woas ma ned.Nichts Konkretes ist bekannt. Jetzt läuft der Haushalt
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27023
Dr. Bärbel Kofler
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aber. Der EKF ist mit ungefähr 3 Milliarden Euro beti-telt, die Einnahmen stammen ausschließlich aus demCO2-Zertifikatehandel. Sie wissen, wo der Preis für einCO2-Zertifikat liegt: weit unter 4 Euro. Von Ihnen ist ge-sagt worden: Im Durchschnitt müsste im Jahr 2013 einPreis von 10 Euro erzielt werden, um diese Ausgabenauch mit Einnahmen zu unterfüttern. Auf eine schriftli-che Anfrage meinerseits haben Sie mir einmal mitgeteilt,das sei kein Problem; dazu gebe es Liquiditätsdarlehenaus dem Haushalt.Ich würde gerne von Ihnen ganz konkret wissen, wieSie die wegbrechenden Einnahmen beim EKF kompen-sieren wollen; denn das ist ja nichts, was man auf dielange Bank schieben kann. Da geht es um ganz konkreteProgramme wie zum Beispiel Marktanreizprogrammeund andere Dinge, die in diesem Haushalt finanziertwerden und für die die Mittel über die KfW und andereInstitute ausgereicht werden sollen. Die Programme lau-fen ja. Das kann man nicht auf die lange Bank schieben.Ka
Frau Kollegin Kofler, wir schieben nichts auf die
lange Bank; vielmehr sprechen wir, da wir bereits seit ei-
niger Zeit mit einem dramatischen Preisverfall konfron-
tiert sind, nicht nur mit dem Finanzministerium, sondern
auch mit anderen Ressorts darüber, wie wir mit dem
EKF umgehen. Ich kann Ihnen aber zum heutigen Zeit-
punkt nicht sagen, welches Programm es wo und wie
trifft. Wir versuchen, mit einem möglichst breiten Ange-
bot zum Fördern von Erneuerbaren, Energieeffizienz
und von entsprechenden Investitionen unsere Förderzu-
sagen trotz schwieriger Lage beim EKF einhalten zu
können. Ich kann Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nichts Neues sagen.
Herr Krischer.
Frau Staatssekretärin, ich habe zur Kenntnis genom-
men, dass die Regierung des Energiewendelandes
Deutschland in der wichtigen Frage des Emissionshan-
dels keine Position hat und damit auch in Brüssel keinen
Beitrag zur Lösung des Problems liefern kann. Das ist
schlimm. Aber das muss ich so zur Kenntnis nehmen.
Es gibt in Brüssel in Bezug auf die Erneuerbaren noch
eine weitere Debatte, und zwar über ein Ziel 2030. Ich
habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass zum
Beispiel der BDEW, der ja nicht grünen- oder umwelt-
verbandverdächtig ist, die Einführung eines solchen
Ziels für die Erneuerbaren auf europäischer Ebene unter-
stützt. Die Bundeskanzlerin hat sich in der Vergangen-
heit sehr für das Ziel 2020 starkgemacht. Meine Frage an
Sie ist: Wird die Bundesregierung bezüglich der Erneu-
erbaren ein Ziel 2030 auf europäischer Ebene unterstüt-
zen, ja oder nein?
Ka
Herr Kollege Krischer, zunächst haben wir in
Deutschland ja Langfristziele bis zum Jahr 2050. Wir
können jetzt schon sagen, dass wir auch Zwischenziele,
wie das Ziel 2020, im Bereich der erneuerbaren Ener-
gien deutlich übererfüllen, dass wir also deutlich mehr
schaffen, als noch unter optimistischen Schätzungen an-
genommen worden ist.
Die Diskussion über ein Ziel nach 2020 hin zu 2030
geht durchaus mit Überlegungen konform, CO2-Reduk-
tionsziele über 2020 hinaus deutlicher zu formulieren.
Auch hierzu gibt es Signale aus der Energiewirtschaft.
Es gibt hierzu keine Haltung. Wir sprechen allerdings,
wenn wir in Brüssel unterwegs sind, auch immer über ei-
nen solchen Kontext. Aber eine abgestimmte Haltung
gibt es dazu nicht.
Jetzt kommen wir zu Frage 19 der Kollegin Kofler:
Warum führt die Bundesregierung kein Klimaschutzgesetz
ein, wenn die Erkenntnis in der Bundesregierung besteht, dass
„zusätzliches Handeln“ notwendig ist, um das Klimaschutz-
ziel von minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erreichen
Ka
Frau Kollegin Kofler, die Bundesregierung steht zu
ihren anspruchsvollen Klimaschutzzielen und arbeitet
mit großem Nachdruck an deren Umsetzung. Leitbild
der deutschen Energiepolitik ist eine sichere, bezahlbare
und umweltverträgliche Energieversorgung. Das Ziel,
die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent ge-
genüber 1990 zu verringern, ist ein Baustein für den
grundlegenden Umbau der deutschen Energieversorgung
in Richtung erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
Die Bundesregierung stimmt derzeit den sogenannten
Projektionsbericht ab. Dieser enthält eine Schätzung
darüber, inwieweit das Ziel einer Minderung der Treib-
hausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40 Pro-
zent auf Basis der bisher beschlossenen Maßnahmen er-
reicht werden kann. Auf dieser Grundlage wird die
Bundesregierung gegebenenfalls mögliche zusätzliche
Klimaschutzmaßnahmen prüfen. Darüber hinaus hat die
Bundesregierung derzeit nicht die Absicht, ein Klima-
schutzgesetz vorzulegen.
Frau Kofler, Sie haben eine Nachfrage.
Ich habe schon gedacht, meine erste Nachfrage müssenicht gewertet werden; denn die Frage war ja, warum eskein Klimaschutzgesetz gibt. Aber es kam ja dann dochnoch etwas dazu.
Metadaten/Kopzeile:
27024 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Dr. Bärbel Kofler
(C)
(B)
Ich möchte noch einmal auf die Pressemitteilung vonBundesminister Altmaier vom 15. Januar 2013 Bezugnehmen, der ja auch sehr unkonkret bleibt, indem ersagt: „Die weitere Entwicklung ist … kein Selbstläufer.“Um minus 40 Prozent zu erreichen, ist zusätzliches Han-deln erforderlich. „Hierzu müssen alle Sektoren einenfairen Beitrag leisten.“Habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass das wie-der einmal ins Blaue gesprochen war und sehr, sehrwolkig ist? Oder gibt es hierzu konkretere Pläne derBundesregierung? Um welche Sektoren geht es? Welchekonkreten Handlungsmaßnahmen schweben Ihnen vor,um das 40-Prozent-Ziel zu erreichen, wenn Sie gleich-zeitig sagen: Wir brauchen kein Klimaschutzgesetz?Ka
Frau Kollegin, zunächst einmal: Die aktuellen Zahlen
für Deutschland, die Inventardaten für 2011, liegen vor,
und wir haben sie nach Brüssel geschickt. Es ist deutlich
geworden, dass wir, was den Zeitraum zwischen 2008
und 2012 betrifft, deutlich über dem liegen, was wir uns
vorgenommen haben; 21 Prozent waren unser Ziel, und
wir haben bereits 27 Prozent erreicht.
Gleichwohl bleibt die Aussage des Ministers, dass in
Zukunft weitere Maßnahmen erforderlich sind, richtig.
Diese Maßnahmen bestimmt aber nicht das Bundesum-
weltministerium allein. Vielmehr müssen auch andere
Sektoren Beiträge leisten. Wir befinden uns derzeit in
der Abstimmung mit den anderen Häusern, um über wei-
tere Maßnahmen zu beraten.
Am Beispiel des Bereichs Flugverkehr, der ja heftig
umkämpft ist – das haben Sie alle verfolgt –, sieht man,
dass die Dinge nicht ganz so einfach sind. Wir wissen,
dass alle einen Beitrag leisten müssen, und werden wei-
terhin an der Erreichung des 40-Prozent-Ziels arbeiten.
Aber noch einmal: Ob Emissionshandel, Effizienz oder
Verkehr – die Palette ist groß. Wir werden prüfen, wo
welche Maßnahmen erforderlich sind, und die Ergeb-
nisse in dem Bericht, der erstellt wird, zusammenfassen.
Haben Sie eine zweite Nachfrage, Frau Kofler?
Ja. – Vielleicht versuche ich es noch einmal mit mei-
ner ersten Nachfrage. Der Minister hat in der Presse
Dinge angekündigt und ganz konkret gesagt – da hat er
ja recht –: Es ist dringend zusätzliches Handeln erforder-
lich. – Vor diesem Hintergrund wäre es schön, wenn Sie
mir ein, zwei konkrete Beispiele nennen könnten, auf
welche Sektoren als besonders wünschenswert sich das
Bundesumweltministerium bezieht. Mit welchen Fragen
gehen Sie in die Verhandlungen mit den anderen Minis-
terien? Dass es eine Abstimmung geben muss, habe ich
schon verstanden. Aber mit welchen konkreten Anliegen
geht das Bundesumweltministerium in solche Verhand-
lungen?
Ka
Das Wünschenswerteste wäre gewesen, wir hätten im
Bundesrat eine Einigung im Hinblick auf die energeti-
sche Gebäudesanierung hinbekommen. Denn im Gebäu-
desektor ist am meisten zu holen, und dort sind am leich-
testen Effizienzgewinne zu erzielen. Da haben Sie sich
aber verweigert, und wir haben kein Ergebnis erzielt.
Daher muss der Bund selber Geld in die Hand nehmen.
Das tut er auch. Wir finden nämlich, dass das Erreichen
der Effizienzziele im Gebäudebereich wichtig ist. Sie
haben sich allerdings verweigert. Auch Sie hätten einen
Beitrag dazu leisten können, dass wir die Effizienzziele
schneller erreichen. – Sie schütteln den Kopf; aber es ist
so.
Herr Schwabe, bitte.
Frau Staatssekretärin, Tatsache ist nun einmal, dass
Sie die Bundesregierung stellen. Sie können dieses Man-
dat ja abgeben; aber Sie sind doch aufgefordert, zu han-
deln. Am 22. September dieses Jahres – so ist zu lesen –
findet die nächste Bundestagswahl statt. Aber Sie wissen
jetzt noch nicht, was Sie eigentlich machen wollen, um
das 40-Prozent-Ziel zu erreichen. Wie stellen Sie sich
das eigentlich vor? Wann entwickeln Sie eine Idee?
Wann gehen Sie damit in die Ressortabstimmung? Wol-
len Sie uns ernsthaft erzählen, dass von Ihnen bis zum
Ende dieser Legislaturperiode noch irgendetwas vorge-
legt werden wird?
Ich möchte gerne wissen, ob Sie das 40-Prozent-Ziel
überhaupt für erreichbar halten. Der Emissionshandel
und andere Maßnahmen funktionieren ja gewissermaßen
wie kommunizierende Röhren. Daher die Frage: Ist ein
Ziel von 40 Prozent überhaupt erreichbar, wenn man
nicht auf europäischer Ebene ein 30-Prozent-Ziel formu-
liert, damit beim Emissionshandel entsprechende Anfor-
derungen gelten?
Ka
Wir werben, auch auf europäischer Ebene, für ein an-spruchsvolleres Ziel, Herr Kollege Schwabe. Darüberhabe ich im Ausschuss und auch hier oft berichtet.
Ich habe deutlich gemacht, dass wir beim Emissions-handel, bei der Energieeffizienz und in anderen Sektorenzusätzliche Maßnahmen ergreifen sollten. Ich habe auchdeutlich gemacht, dass im Gebäudebereich die meistenEffizienzgewinne möglich wären. Ich wiederhole:40 Prozent sind ambitioniert, aber sicherlich machbar.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27025
(C)
(B)
Herr Kelber.
Halten wir noch einmal kurz die Fakten fest: Erstens.
Ein auch aus Regierungsberatern bestehendes Gremium
hat festgestellt, dass wir zwar aktuell gute Werte beim
Klimaschutz haben, aber das selbst gesteckte Ziel für
2020 mit den bisher beschlossenen Maßnahmen nicht er-
reichen werden.
Zweitens. Seit diesem Bericht gab es bei einigen die-
ser Maßnahmen sogar Verschlechterungen: beim Emis-
sionshandel und bei der Einbeziehung des Luftverkehrs,
die jetzt ausgesetzt ist. Jetzt schlägt der Umweltminister
vor, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu deckeln.
Deswegen habe ich eine ganz einfache Frage – ich
frage nicht danach, welche Maßnahmen Sie ergreifen –:
Wird die Bundesregierung dem Parlament noch in dieser
Legislaturperiode Maßnahmen zur Schließung dieser
Klimaschutzlücke vorschlagen und zur Abstimmung
stellen, oder wird sie es unterlassen?
Ka
Herr Kollege Kelber, Ihre Reihe von Behauptungen,
die Sie in eine Frage zu packen belieben, müsste man
jetzt einzeln widerlegen. Das kann ich an dieser Stelle
wirklich lassen.
Der Minister hat einen Vorschlag zu einem kosten-
günstigeren Ausbau der erneuerbaren Energien gemacht;
aber er steht hinter dem Ziel, konsequent auf erneuerbare
Energien zu setzen.
Es ist so, dass wir bis zum Jahr 2022 die Kernenergie
ersetzen müssen, möglichst durch erneuerbare Energien
und nicht durch Energie aus fossilen Quellen. Die Ge-
winnung von Energie aus fossilen Quellen – es sind
Kohlekraftwerke zugeschaltet worden – erleichtert das
Einhalten von Klimaschutzzielen nicht gerade. Deswe-
gen muss der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter
forciert werden; aber er muss kostengünstig gestaltet
werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist natürlich
ein ganz wesentliches Instrument einmal für mehr Kli-
maschutz, aber auch für die Reduktion der CO2-Emissio-
nen.
Ich möchte Ihnen noch einmal ans Herz legen, nicht
von Deckelung zu sprechen, sondern von einem wirt-
schaftsorientierten und verbraucherverträglichen Aus-
bau.
Herr Ott, bitte.
Ich schließe an die Frage des Kollegen Kelber an –
wenn der Kollege Kelber mich lässt.
– Ja, man darf sich aufregen.
Frau Staatssekretärin, wir haben die Bestätigung
durch Fachleute, dass mit den bestehenden Maßnahmen
das Klimaschutzziel – die Senkung der CO2-Emissionen
um 40 Prozent bis 2020 – nicht zu erreichen ist. Gleich-
zeitig hat Minister Altmaier eine Deckelung des Aus-
baus der erneuerbaren Energien angekündigt. Ihr Ausbau
hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir unsere
Emissionen überhaupt so weit haben senken können.
Insoweit noch einmal die Frage im Anschluss an den
Kollegen Kelber: Wenn es nicht die erneuerbaren Ener-
gien sind, die die Senkung der Emissionen um 40 Pro-
zent ermöglichen sollen, welche können es dann sein,
auf welchen Gebieten? Gibt es innerhalb Ihres Hauses
Vorstellungen dazu, oder wollen Sie die Entwicklung
einfach laufen lassen?
Ka
Erstens. Die erneuerbaren Energien haben einen Bei-trag dazu geleistet, unsere Klimaschutzziele zu errei-chen, und werden das auch in Zukunft tun; ich habe ebennichts anderes gesagt und möchte da von Ihnen wirklichnicht missverstanden werden.Zweitens. Was sind weitere Instrumente? Unter ande-rem das Marktanreizprogramm, das ausfinanziert ist,oder auch die Initiative „Kommunaler Klimaschutz“, beider es darum geht, die Kommunen zu ertüchtigen, ener-gieeffizienter zu werden, sei es hinsichtlich der Mobili-tät, sei es hinsichtlich der Beleuchtung, sei es hinsicht-lich der Ausgestaltung kommunaler Gebäude. DieseRegierung hat die Mittelstandsinitiative auf den Weg ge-bracht und sie mit entsprechenden Mitteln ausgestattet,um mittelständischen Unternehmen durch Beratung undZuschüsse dabei behilflich zu sein, energieeffizienter zuwerden. Wir haben im Bereich Rohstoffsicherung erst-mals eine Rohstoffstrategie vorgelegt. Wir haben eineStromsparinitiative auf den Weg gebracht, die sich anprivate Verbraucher richtet. Das Maßnahmenpaket istbreit.
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27026 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
(C)
(B)
Die permanenten Versuche der Opposition, der Regie-rung Nichthandeln zu unterstellen, lassen sich durch die-ses wahre Kompendium von Maßnahmen sehr leicht wi-derlegen.Gesagt werden muss aber auch: Das Ziel einer Re-duktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 istambitioniert und gestaltet sich momentan kompliziert,weil Kohlekraftwerke am Netz sind. Es wird auch daraufankommen, dass die Kohlekraftwerksbetreiber neu in-vestieren. Das ist momentan – das muss man auch er-wähnen – aufgrund der angespannten Marktsituationkompliziert. Deshalb müssen und werden die erneuerba-ren Energien auch in Zukunft diejenigen sein, die am kli-mafreundlichsten Energie liefern können – aber zumarktfähigen Preisen.
Damit sind wir bei Frage 20 der Kollegin Bärbel
Kofler:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung beispielsweise
des Umweltbundesamtes über die Existenz von klima- und
umweltschädlichen Subventionen, und, wenn ja, welche Maß-
nahmen will sie ergreifen, um diese abzubauen?
Ka
Frau Kollegin Kofler, die Subventionspolitik der
Bundesregierung orientiert sich, wie im 23. Subven-
tionsbericht, Seite 9, ausgeführt, an wachstums-, vertei-
lungs-, wettbewerbs- und umweltpolitischen Wirkungen.
Die Bundesregierung setzt in diesem Rahmen auch in
Zukunft ihre bisherige Politik fort, den Abbau umwelt-
schädlicher Subventionen national und international
fortzuführen.
Der angesprochene Bericht des Umweltbundesamtes
legt den Fokus auf Umweltaspekte. Aspekte dieses Be-
richtes wurden beispielsweise bei der Erstellung des
23. Subventionsberichtes der Bundesregierung diskutiert
und werden auch bei der Erstellung des 24. Subventions-
berichtes berücksichtigt werden.
Frau Kofler, Sie haben eine Nachfrage.
Ich gebe einfach die Hoffnung nicht auf, dass man
auch einmal eine konkrete Antwort bekommt.
Ich frage noch einmal nach: Welche Maßnahmen er-
achtet das Bundesumweltministerium denn für sinnvoll,
und für welche Maßnahmen wird es sich auch bei Kabi-
nettsabstimmungen – mit dem Finanzminister und ande-
ren – einsetzen, wenn es um den Abbau von klima- und
umweltschädlichen Subventionen geht? Was erachten
Sie als Bundesumweltministerium konkret für sinnvoll?
Wofür werden Sie kämpfen? Das UBA spricht ja von ei-
ner erklecklichen Summe in Höhe von 48 Milliarden
Euro, und wir reden ja zu Recht immer über Kosten,
über Steuerzahler usw.
Konkret: Welche Maßnahmen aus diesem ganzen
Bündel an Maßnahmen, die das UBA vorschlägt, wollen
Sie angehen?
Ka
Frau Kollegin, wenn Sie sich einmal den Bericht an-
schauen, dann finden Sie dort eine ganze Menge an Fi-
nanzbeihilfen des Bundes, unter anderem zur Nutzung
erneuerbarer Energien, zur Förderung von Investitionen
mit Demonstrationscharakter zur Verminderung von
Umweltbelastungen und auch – das zählt auch darunter –
Zuschüsse für den Absatz der Steinkohle, wobei wir hier
ja einen Ausstieg beschlossen haben. Erwähnt werden
weiterhin unter anderem der Spitzenausgleich und auch
Maßnahmen nach dem Energiesteuergesetz.
Wir werben dafür, dass zum Beispiel die Aufwendun-
gen für erneuerbare Energien, die als Subventionen gel-
ten, auf jeden Fall erhalten bleiben. Als Subvention wird
in dem Bericht nämlich unter anderem unsere Förderung
der Erforschung der erneuerbaren Energien erwähnt. Wir
finden, dass das eine sinnvolle Subvention ist.
Insofern möchte ich jetzt keine Negativliste aufma-
chen, sondern das erwähnen, was für uns positiv im Be-
richt steht und für dessen Erhalt wir uns weiter einsetzen
werden.
Frau Kofler, Sie haben keine weitere Nachfrage. –
Herr Schwabe, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist schön, dass Sie noch ein-
mal aufgezählt haben, wofür Sie sich alles einsetzen, da-
mit es bleibt. Die Frage lautete aber genau andersherum.
Das Umweltbundesamt sieht Möglichkeiten, Subventio-
nen, die klima- und umweltschädlich sind, in einem
ziemlichen Umfang abzubauen; die Kollegin Kofler hat
das erwähnt.
Die Frage ist: Gibt es in diesem Katalog, den Sie ja
vielleicht kennen, irgendeine Maßnahme, zu der Sie sa-
gen: Mensch, das stimmt, hier könnte man etwas ma-
chen, das ist wirklich unsinnig; hier könnten wir Geld
einsparen und etwas Gutes für Klima und Umwelt tun? –
Hat das Bundesumweltministerium hier irgendeine Idee?
Ich kann Ihnen vielleicht einmal mit einer Idee hel-
fen: Es geht um die Dienstwagenbesteuerung. Die An-
schaffung von großen Autos wird auch noch in vielfälti-
ger Art und Weise steuerlich gefördert. Halten Sie das
für vernünftig, oder glauben Sie, dass man dort durchaus
zu Änderungen kommen könnte?
Ka
Herr Kollege Schwabe, nicht jeden Bericht und jedenEinzelpunkt des Berichts des Umweltbundesamtes müs-sen und werden wir in der Öffentlichkeit kommentieren.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27027
Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche
(C)
(B)
Das ist eine wichtige Handreichung und eine wichtigeInformation. Wir werden uns aber nicht alles zu eigenmachen.Ich werde jetzt weder sagen, was wir uns nicht zu ei-gen machen, noch, was wir uns besonders zu eigen ma-chen. Ich habe Ihnen gesagt, dass im SubventionsberichtPunkte auftauchen, die als Subvention bezeichnet wer-den, während wir sie als Förderung der erneuerbarenEnergien ansehen und aufrechterhalten wollen. Eine ein-zelne Kommentierung der Vorschläge, die es hier gibt,werde ich an dieser Stelle nicht abgeben.
Frau Behm.
Es ist in Ordnung, dass Sie die Vorschläge nicht kom-
mentieren wollen, aber vielleicht haben Sie eigene Vor-
stellungen. Die Bundesregierung hat sich in der Vergan-
genheit stark dafür eingesetzt, dass aus Gründen des
Klimaschutzes zunehmend ökologische Bau- und
Dämmstoffe verwendet werden. Es hat für ökologische
Dämmstoffe ein Marktanreizprogramm gegeben. In die-
ses Programm sind erhebliche Mittel geflossen. Aber
aufgrund der Subventionierung konventioneller fossiler
Dämmstoffe sind die ökologischen Dämmstoffe noch
immer nicht wettbewerbsfähig und können aufgrund der
Preisdifferenz nicht in dem Maße zur Anwendung kom-
men, wie es wünschenswert wäre.
Ich frage Sie für die Bundesregierung, welche Vor-
stellung Sie haben, um die Wettbewerbsfähigkeit durch
den Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen,
sprich Energiesubventionen, zum Beispiel für die Erzeu-
gung von Steinwolle- oder Styropor-Dämmstoffen, her-
beizuführen.
Ka
Frau Kollegin Behm, Ihre Frage bezieht sich, denke
ich, auf das Forschungs- oder auf das Bauressort. Ich
kann dazu momentan nichts sagen, weil mir nicht be-
kannt ist, dass wir uns im BMU um Bau- und Dämm-
stoffe kümmern. Die Antwort auf Ihre Frage müsste ich
Ihnen nachreichen.
Noch einmal: Sowohl der Subventionsbericht als
auch der Bericht des Umweltbundesamtes halten viele
bedenkenswerte Hinweise bereit.
Trotzdem wird es nicht über alle Punkte eine Einigung
geben.
Zu den Dämmstoffen muss ich Ihnen die Informatio-
nen aus dem betreffenden Haus nachliefern.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 21
des Kollegen René Röspel wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung steht die Parlamentari-
sche Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung. Die
Frage 22 des Kollegen Niema Movassat wird schriftlich
beantwortet.
Wir kommen zu Frage 23 des Abgeordneten
Dr. Sascha Raabe:
Aufgrund welcher Kriterien und wessen Empfehlungen
bzw. welcher öffentlichen Ausschreibung erfolgte die Ent-
scheidung der Leitung des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zugunsten der
Stiftung Partnerschaft mit Afrika e. V. für die Umsetzung der
BMZ-Afrika-Initiative, und aus welchen Personen und Insti-
tutionen setzt sich die Initiative zusammen?
Gu
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Raabe,
Ihre mehrteilige Frage beantworte ich Ihnen wie folgt:
Für die Afrika-Initiative des BMZ hat der Verein ge-
meinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung,
bpb, Ende 2010 ein Konzept entwickelt, um neues zivil-
gesellschaftliches Engagement zu generieren. Hierfür
haben Verein und bpb einen Zuwendungsantrag gestellt.
Im September 2011 nahm die Leitung des BMZ das
Konzept an.
Wir haben mitgeteilt: Da der Antrag gemeinsam von
der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Ver-
ein als den Autoren mit der Bitte um Zuwendung einge-
reicht wurde, kommt hier nicht das Vergaberecht zur An-
wendung, sondern das Zuwendungsrecht.
Herr Raabe, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte.
In der Tat gab es bei Ausschreibungen des Ministe-riums bei anderen Personalentscheidungen Auseinander-setzungen, was das Thema Vetternwirtschaft angeht. Da-rum ging es mir nicht in der Frage, Frau Staatssekretärin.Auch wenn es ein Zuwendungsverfahren ist: Wie sindSie ausgerechnet auf diesen Verein gekommen, der bisdahin in der Szene relativ unbekannt gewesen ist? Es istdoch sehr fraglich, ob er über die notwendigen Struktu-ren verfügt. Sie hatten gesagt, dass das ein Konzept ge-wesen sei, das mit der Bundeszentrale für politische Bil-dung entwickelt wurde.Wie bewerten Sie den Umstand, Frau Staatssekretä-rin, dass die KfW und die GIZ, denen man dieses Kon-zept angetragen hatte, gesagt haben, dass die Nachhaltig-keit des Vorhabens sehr begrenzt sei? Das Gesamturteildazu lautete:Insgesamt wird empfohlen, von einer Förderungdieses Vorschlags mit den Mitteln der deutschenEntwicklungszusammenarbeit abzusehen.
Metadaten/Kopzeile:
27028 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
(C)
(B)
Gu
Herr Kollege Raabe, ich will zunächst einmal aus-
drücklich Ihre eben gemachte Aussage von mir weisen,
bei Personalentscheidungen sei Vetternwirtschaft im
Spiel. Wir kennen dieses Thema leider, auch die Debatte
hierzu im Plenum. Aber ich will diesen Vorwurf aus-
drücklich zurückweisen und sagen: Wir haben Personal
nach Recht und Gesetz und vor allen Dingen nach Befä-
higung ausgewählt. Das dürfte überhaupt keine Frage
sein.
Jetzt zu dem Verein. Ich teile Ihre Einschätzung über-
haupt nicht. Es ist ein junger Verein; das ist richtig. Die-
ser junge Verein – ich muss Ihnen einmal kurz die Histo-
rie erläutern – setzt sich zusammen aus einer Initiative,
die auf dem Stipendiatenprogrmm Go Africa … Go Ger-
many … beruht. Der Verein wurde im Jahre 2009 auf
Anraten des damaligen Staatssekretärs im BMZ, Herrn
Stather, zur Durchführung des deutsch-afrikanischen Sti-
pendiatenprogramms gegründet. Das war die Grundlage.
Das ist also ein Verein, der über hervorragende Erfah-
rungen verfügt und lange tätig war. Ich möchte Sie daran
erinnern, dass dieser Stipendiatenaustausch auch Teil der
Partnership with Africa war unter der Schirmherrschaft
von Altbundespräsident Köhler, der auch jetzt immer
noch in internationalen Gremien für Afrika aktiv ist.
Der Verein Go Africa … Go Germany … hat am
8. Dezember 2009 seine Anmeldung beim Amtsgericht
Potsdam eingereicht. Am 22. September 2010 erfolgte
die Eintragung im Vereinsregister beim Amtsgericht
Potsdam. Am 5. Mai gab es bei der Durchführung des
deutsch-afrikanischen Stipendiatenprogramms einen
Kooperationsvertrag mit der Bundeszentrale für politi-
sche Bildung. 2011 war dieses Teil der Zukunftsinitia-
tive des Afrika-Konzepts, das das Kabinett verabschie-
det hat.
Dann hat sich der Verein entschieden, eine Namens-
änderung vorzunehmen. Er hieß dann nicht mehr Go
Africa … Go Germany …, sondern Stiftung Partner-
schaft mit Afrika e. V. Die Zielsetzung, um die es dem
Verein ging, wurde mit diesem Namen klarer. Klarer
wurde auch die Anlehnung an die Initiative des von mir
eben erwähnten Altbundespräsidenten Köhler.
Herr Raabe hat das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich möchte niemandem, der
sich für Afrika engagiert, seinen guten Willen abspre-
chen, bestimmt auch nicht den Initiatoren dieser Initia-
tive. Weil man hier von 8 Millionen Euro Steuergeldern
spricht, die aufgebracht werden müssen und die natür-
lich vor Ort in Afrika eingesetzt werden könnten, muss
man sich natürlich auch fragen, ob der Aufwand den Er-
trag rechtfertigt und welches die Zielsetzung des Ganzen
ist. Es gab im Jahre 2011 schon einmal den Versuch von-
seiten des Ministers, mit Steuergeldern in Millionenhöhe
eine Mittelstandsoffensive zu starten. Dazu hieß es in
einem Schreiben an die Durchführungsorganisation:
Hauptsache, der politische Ertrag für Niebel und Rösler
ist hoch; das rechtfertigt bereits alle Mittel.
Wenn Sie das Konzept, das den Menschen in Afrika
hilft, ernst meinen, dann frage ich Sie, wie Sie zu der
Aussage von Experten des Auswärtigen Amtes stehen,
die laut einer Spiegel-Meldung sagen, dass sie vor Ort
überhaupt nicht eingebunden worden seien.
Wir praktizieren genau das, was wir ansonsten in
Sachen „Guter Regierungsführung“ bei anderen
kritisieren.
So schimpft ein hochrangiger Diplomat. Da scheint es
doch eher auf die Werbewirksamkeit kurz vor dem
Wahlkampf in Deutschland anzukommen als darauf, tat-
sächlich den Menschen in Afrika zu helfen, wenn ich das
Zitat der Botschafter ernst nehme.
Gu
Ich hoffe, Herr Kollege Raabe, ich kann Sie davon
überzeugen, meinen Aussagen Glauben zu schenken und
nicht einem Zeitungsartikel. Insofern möchte ich Ihnen
zunächst Folgendes sagen:
Sie sprachen eben mit Selbstverständlichkeit von ei-
nem Mitteleinsatz in Höhe von 8 Millionen Euro. Diese
Zuwendung von 8 Millionen Euro entbehrt jeder Grund-
lage; dies ist nicht der Fall. Der Verein hat das Geld auch
nicht bekommen. Wir haben den Artikel natürlich auch
gelesen und haben uns überlegt, wie man zu einer sol-
chen Äußerung kommt. Wir können uns dies nur da-
durch erklären, dass es sich um eine Verwechslung han-
delt. Aber noch einmal: Dieser von mir eben genannte
hochgeschätzte Verein hat keine 8 Millionen Euro be-
kommen.
Jetzt zu dem gesamten Ansatz. Für die wirtschaftliche
Zusammenarbeit und die Entwicklungszusammenarbeit
gilt: Das Verständnis für Menschen in Entwicklungslän-
dern auch mit Rückwirkung aus Deutschland muss man
in aller Breite schaffen, also in die Mitte der Gesellschaft
holen. Das ist unser Ansatz. Mit einer solchen Afrika-
Initiative, übrigens auf drei Jahre angelegt, die sich zur-
zeit in einer Pilotphase befindet, die bis Ende März läuft
– dann werden wir mehr darüber sagen können –, wird
ein Graswurzelansatz verfolgt, mit dem Partnerschaft-
lichkeit zwischen Afrika und Deutschland gepflegt wer-
den soll. Das ist das Neue daran, nämlich über Schulen,
Hochschulen und Vereine einen deutsch-afrikanischen
Peer-to-Peer-Ansatz zu verfolgen.
Das klare Ziel ist nicht, viel Geld auszugeben, son-
dern mit so wenig Geld wie möglich die größtmögliche
Wirkung zu erzeugen. Die Verständigung Afrikas mit
Deutschland und der Zivilgesellschaft in Deutschland ist
das Ansinnen.
Frau Hänsel hat eine Nachfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27029
(C)
(B)
Danke schön. – Ich würde gerne nachhaken, Frau
Staatssekretärin: Wie hoch ist der Etat für die Afrika-Ini-
tiative? Denn Sie haben gesagt, die Zahlen stimmten
nicht.
Ich möchte auch wissen, welche Partner in den Län-
dern Afrikas konkret in die Entwicklung der Afrika-Ini-
tiative eingebunden waren. Welche Graswurzelinitiati-
ven aus welchen Ländern haben Sie im Vorfeld der
Planung des Afrika-Tages konkret beteiligt?
Gu
Zunächst zu dem Finanzvolumen der gesamten Initia-
tive: Dabei geht es um einen Ansatz von etwa 1,6 Millio-
nen Euro. Der Verein bekommt 1,1 Millionen Euro, von
denen auch Personal bezahlt wird.
Zu der Frage, wie viele Länder wir einbinden: Wir
sind in der Pilotphase, beim Aufbau dieses Projektes, das
übrigens bei uns im Haus aufgebaut und uns als Leitung
2011 vorgelegt wurde. Es ist ein sehr innovativer Ansatz,
bei dem wir mit so wenig Geld wie möglich entspre-
chende Strukturen aufbauen. Natürlich – das ist gar
keine Frage – muss auch eine Rechnungslegung stattfin-
den. Wir haben Partnerländer in Afrika, die bei dieser
Initiative mitmachen.
Ich habe eben schon die Schulen angesprochen. Es
gibt etliche, die schon mitmachen. Wir haben in den we-
nigen Monaten, seit die Pilotphase läuft, schon etwa
1 400 Menschen erreicht. An verschiedenen Symposien
und Veranstaltungen haben 700 Personen teilgenommen.
Ich finde, das kann sich sehen lassen.
Noch einmal: Die Konzeption läuft. Selbstverständ-
lich bilden wir Partnerschaften und binden afrikanische
Länder mit ein, die sich dieser Initiative anschließen
möchten. Genau darauf zielt das Vorhaben auch: Wir
wollen keine deutsche Initiative, sondern eine deutsch-
afrikanische.
Jetzt hat Frau Roth das Wort.
Frau Staatssekretärin, ich glaube, es gibt niemanden
im Saal, der eine Afrika-Initiative nicht unterstützen
würde, die zum Ausdruck bringt, dass man die Verstän-
digung zwischen Afrika und Europa – nicht nur
Deutschland – für gut hält. Die spannende Frage ist: In
welcher Weise, mit welchen Mitteln und welcher Wir-
kung geschieht das? Die Wirksamkeit ist schließlich im-
mer das große Thema des Ministeriums.
Gu
Richtig.
Insofern haben wir das Recht, genauer nachzufragen.
Wenn Sie sagen, die 8 Millionen Euro seien nicht
richtig, es seien nur 1,1 Millionen Euro, dann ist die
Frage, ob das jährlich, über die drei Jahre oder für das
gesamte Projekt gilt. Oder sind es 1,6 Millionen Euro für
die Organisationen in Afrika? Wir hätten es gerne ein
bisschen genauer, auch hinsichtlich der Wirksamkeits-
überprüfung. Denn wenn man keine Ziele setzt, hat man
am Ende auch keine Wirksamkeit nachzuweisen.
Die Frage ist also: Was wollen Sie in Afrika und auch
in Deutschland erreichen? Dabei bringt auch die Bun-
deszentrale für politische Bildung finanzielle Beiträge
ein. Die Frage ist also vor allen Dingen auch: Was bringt
sie an Beiträgen ein, um von Synergieeffekten reden zu
können? Wir hätten doch gerne ein bisschen mehr ge-
wusst. Ich kann Kollegin Hänsel gut verstehen und
möchte an ihre Fragen anknüpfen: Welche Länder in
Afrika haben Sie als Schwerpunkt ausgewählt? Welche
Organisationen in Deutschland außer dieser Durchfüh-
rungsorganisation sind mit angesprochen?
Gu
Frau Roth, ich muss mich korrigieren, glaube ich. Ich
habe eben etwas durcheinandergebracht. Bitte streichen
Sie die 1,6 Millionen Euro aus Ihrem Gedächtnis. Es hat
einen Zuwendungsbescheid an die Stiftung mit einem
Volumen von 1,148 Millionen Euro gegeben – es ist
noch mehr, aber auf die anderen Stellen möchte ich jetzt
nicht näher eingehen –, und zwar für den Zeitraum von
September 2012 bis März 2013. Das ist genau die Pilot-
phase, in der wir uns jetzt befinden. Alle weiteren
Schritte und alle weiteren Finanzaufwendungen werden
erst danach feststehen. Wir sind jetzt in der Aufbau-
phase. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich die Zahlen
durcheinandergebracht habe.
Noch einmal zu der Afrika-Initiative. Ich finde es sehr
gut, dass Sie selber bestätigt haben, wie wertvoll ein sol-
cher Austausch und auch eine solche Initiative sind. Wir
haben oft im AwZ über die Förderung des Austausches
von Stipendiaten debattiert, um Kulturen zueinanderzu-
bringen und Grundlagen für gegenseitiges Verständnis
zu legen. Ursprünglich lief der Stipendiatenaustausch
über das BMI. Aber das BMI wollte nicht mehr fördern
und hat auf uns, das BMZ, verwiesen, weil dieser
Austausch in besonderer Weise entwicklungsrelevant ist.
Wir finden das hervorragend und möchten ihn gerne in-
tegrieren. Wie ich Ihnen eben sagte, ist das Teil dieser
Initiative bzw. dieses Vereins. Darauf wird sehr viel Wert
gelegt. Die Grundlagen dieses Austauschs sind schon
2007 vom damaligen Staatssekretär gelegt worden. Ich
finde, es handelt sich um eine hervorragende Initiative,
die es wert ist, weiterhin gefördert zu werden.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Raabe auf:Welche Konsequenzen zieht der Bundesminister DirkNiebel aus dem offenbar negativen Ergebnis des Gutachtens
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27030 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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der Firma PricewaterhouseCoopers, das der Stiftung Partner-schaft mit Afrika e. V. eine ordnungsgemäße finanzielleAbwicklung des 8-Millionen-Euro-Zuschusses für die Umset-zung der BMZ-Afrika-Initiative abspricht?Gu
Herr Kollege Raabe, die Studie sieht Nachholbedarf
bei der kaufmännischen Ausstattung der Stiftung. Der
Grund des angesprochenen Nachholbedarfs war, dass es
sich bei der Stiftung um eine Ausgründung aus der
Bundeszentrale für politische Bildung handelt, mit dem
Ziel, das gemeinsame Stipendiatenprogramm der Bun-
deszentrale und des BMZ von zwei Partnern zu finanzie-
ren. Dabei wurde im Rahmen eines Kooperations-
vertrags der wirtschaftliche Teil in der Bundeszentrale
abgewickelt. Für das neue Programm musste dieser
kaufmännische Teil neu eingestellt werden, was in das
Gutachten noch nicht eingegangen ist. Die Bewertung in
dem von Ihnen genannten Gutachten stammt nicht aus
dem BMZ, sondern von außen. Es handelt sich nicht um
8 Millionen Euro. Inzwischen ist der Verein der Forde-
rung nachgekommen und hat die Strukturen – Buchhal-
tungssystem, Controllingsystem und Organisationsstruk-
turen – nachgewiesen. Es gibt seit gestern Abend eine
zweite Studie, in der das genau dargelegt wird.
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, Sie betonen immer wieder, dass
es sich nicht um 8 Millionen Euro handelt. Nun hatten
Sie sich auf Nachfrage meiner Kollegin Roth korrigiert
und eingeräumt, dass bis März 2013 1,148 Millionen
Euro nur für die Pilotphase aufgewendet werden.
Können Sie denn ausschließen, dass man über die ge-
planten drei Jahre, in denen die Aktionen stattfinden,
nicht doch in die Nähe von 8 Millionen Euro kommt?
Denn das tragen Sie immer als Gegenargument vor.
Setzen Sie das einmal in Relation zu dem Effekt, den
die deutsche Millenniumskampagne hatte, für die wir
nur einige Hunderttausend Euro Zuschuss pro Jahr ge-
braucht hatten und die eine super erfolgreiche Kampa-
gne war, in der gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und
den Kommunen Verständnis für Afrika und die Millen-
niumsentwicklungsziele geweckt worden ist. Damals
hatten Sie gesagt – ich erinnere mich noch gut an den
Antrag, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, den wir
gestellt hatten –, das Geld werde gestrichen, weil die
Mittel in Höhe von einigen Hunderttausend Euro nicht
verfügbar seien.
Es passt nicht zusammen, wenn auf der einen Seite
ein paar Hunderttausend Euro, die nötig wären, um
Bewusstsein zu schaffen, abgelehnt werden, auf der an-
deren Seite aber auf einmal die Millionen sprudeln. Das
müssen Sie mir erklären.
Gu
Noch einmal: Da sprudeln keine Millionen. Ich wehre
mich dagegen, dass hier die Zahl von 8 Millionen Euro
in den Raum gestellt wird, die in einem Magazin zu
lesen war, die aber jeder Grundlage entbehrt und offen-
bar auf einer Verwechslung basiert. Es gibt jetzt im Haus
keine verlässliche Schätzung. Mir ist wichtig, das zu
betonen. Der eben von mir genannte Betrag für die
Pilotphase beläuft sich auf 1,1 Millionen Euro. Das ist
richtig.
Wir haben eine breite Palette von zivilen Akteuren,
von Kommunen und Ländern, die eigene Projekte haben,
welche in der Regel sehr wertvoll sind. Man muss immer
den Einzelfall betrachten. Eines aber dürfen Sie ganz si-
cher annehmen: Wir achten sehr genau auf den effizien-
ten und effektiven Mitteleinsatz. Das sind wir uns selber
schuldig. Sie wissen selber, dass eine Konsolidierung
des gesamten Bundeshaushalts erfolgen muss. Kein Res-
sort erlaubt es sich, hier über die Stränge zu schlagen,
wir schon gar nicht.
Die Projekte sind so angelegt, dass sie die Bildung
voranbringen, und zwar in den afrikanischen Partner-
ländern und in Deutschland. Es geht darum, voneinander
zu lernen und mehr übereinander zu wissen. Ich glaube,
es handelt sich um eine hervorragende Initiative. Ein Sti-
pendiatenaustausch prägt junge Menschen für ihr Leben.
Ich muss nicht länger ausführen, warum das eine gute
Grundlage für ein künftiges Wirken im Beruf, aber auch
im Privatbereich ist.
Sie haben eine zweite Nachfrage, Herr Raabe? –
Bitte.
Frau Staatssekretärin, dass es sich hier nicht umPeanuts handelt, sieht man daran, dass dieses Gutachtenvon einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschafterstellt worden ist. Es enthält nun einmal negative Be-wertungen. Ich erinnere mich, dass in vergleichbarenFällen – es geht nicht um die gute Absicht – der Ministergehandelt hat. Ich erinnere an den Global Fund. Wenn inirgendeinem Prüfungsbericht negative Bewertungen wa-ren, hat er erst einmal sofort die Auszahlung der Mittelgestoppt. Im jetzigen Fall verwundert es schon, dass Sieso lapidar von Kleinigkeiten sprechen. Wir wollendiesen Bericht haben. Ich hoffe, dass Sie uns zusagenkönnen, uns den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft vorzulegen. Dann werden wir sicherlich entspre-chende Nachfragen haben.Ansonsten drängt sich der Eindruck auf, dass für denersten deutschen Entwicklungstag, der in 16 Städten, un-ter anderem in Heidelberg, also im Wahlkreis des Minis-ters, geplant ist, viel Geld – kurz vor der Bundestags-wahl – ausgegeben werden soll. Wir stellen schon dieFrage, ob das den Menschen in Afrika hilft oder ob dasnicht jetzt kurz vor der Bundestagswahl Wahlwerbungist. Um Afrika zu helfen, unterstützen wir gerne alle
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27031
Dr. Sascha Raabe
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Maßnahmen, aber wir unterstützen nicht, dass ausge-rechnet einige Monate vor der Bundestagswahl miteinem Millionenaufwand der Minister ins rechte Lichtgerückt werden soll.Gu
Ich kann mich daran erinnern, Herr Kollege Raabe,
dass bei einer Frage vorhin auch danach gefragt wurde,
was so kurz vor der Wahl aufgetischt werde. Es kann
doch nicht sein, dass wir als BMZ oder als Bundesregie-
rung gar nichts mehr machen und die Hände in den
Schoß legen, nur weil im September die Bundestagswahl
ist. Wir haben natürlich unsere Aufgaben zu erfüllen.
Das ist völlig klar. Den Wahlrhythmus lassen Sie bitte
außen vor.
Wir haben verschiedentlich bewiesen, dass es dem
BMZ um effiziente Strukturen geht, um gute Regie-
rungsführung, die wir auch selber gezeigt haben, indem
wir die größte Strukturreform auf den Weg gebracht ha-
ben, die es je im BMZ gegeben hat. Ich möchte Sie nur
bitten, wirklich wertzuschätzen, was wir an dieser Stelle
geleistet haben.
Zu den beiden Studien. Die erste Studie, in Auftrag
gegeben von der GIZ, und die zweite, von der ich eben
gesprochen habe – in Auftrag gegeben vom BMZ –,
kosten 5 000 Euro. In der ersten Studie ist nicht berück-
sichtigt worden, dass sich der Verein gerade neu struktu-
riert hat und dass das, was im ersten Gutachten gefordert
wurde, nämlich der Aufbau von Finanzstrukturen, Orga-
nisationsstrukturen, Kontrollsystemen – ich habe das
eben genannt –, selbstverständlich vorgesehen war; nur
war es noch nicht auf dem Weg. Das ging in der Kürze
der Zeit nicht. Das Ganze steht jetzt. Es gibt jetzt ord-
nungsgemäße Strukturen, so wie es ohnehin vorgesehen
war, und das steht auch so in der zweiten Studie.
Ich hätte Ihnen diese Studien gerne bereits zugeleitet,
gar keine Frage; ich habe noch gestern Abend an das
renommierte Institut geschrieben und darum gebeten,
dass wir das weiterreichen dürfen, weil in einem Passus
dieses Gutachtens steht, dass wir, bevor wir es weiter-
geben, ausdrücklich um Erlaubnis bitten müssen. Die
Bitte ist bereits auf dem Weg. Sie bekommen die Unter-
lagen so schnell wie irgend möglich nach Genehmigung.
Frau Hänsel, bitte.
Frau Staatssekretärin, bei den enormen Geldern, die
Sie da einsetzen, drängt sich dieser Verdacht natürlich
schon auf; das möchte ich noch einmal sagen. Allein für
die Pilotphase sind es über 1 Million Euro. Aufgrund
von Etatkürzungen haben wir derzeit das Problem, dass
kleine Initiativen zu wenig Geld haben. Bei mir in Tü-
bingen haben wir ein Jahr lang ein ASA-Austauschpro-
gramm geplant. Da ging es um 4 000 Euro Flugkosten.
Weil entsprechende Mittel gestrichen wurden und eine
Gruppe aus Kolumbien jetzt nicht kommen kann, fällt
das Austauschprojekt flach – wegen 4 000 Euro! Sie ge-
ben in einer Pilotphase 1 Million Euro für eine sehr
zweifelhafte und sehr einseitige Kampagne aus. Dabei
drängt sich vielen der Verdacht auf: Es wird kein Ent-
wicklungshilfetag, sondern eher ein „Niebel-Tag“ bun-
desweit organisiert, unter anderem in Herrn Niebels
Wahlkreis. Deshalb meine Nachfrage: Wo sehen Sie ei-
gentlich den Wert der entwicklungspolitischen Bildung
in dieser Kampagne?
Seit Jahren kämpfen wir darum, dass die Mittel für
entwicklungspolitische Bildung erhöht werden. Bei der
letzten Etatberatung gab es darüber noch einmal Aus-
einandersetzungen. Seit Jahren kämpfen die Organisatio-
nen dafür, dass die Arbeit, die sie machen, ausgebaut
werden kann, Stichwort „Promotoren-Programm usw.“.
Dafür gibt es kein Geld. Aber für Ihre Initiative haben
Sie Millionen Euro.
Gu
Frau Kollegin Hänsel, ich bin ganz sicher, dass jedervon uns noch jede Menge andere Projekte wüsste, die fi-nanziert werden sollten. Zu den 4 000 Euro, die Sie ebenansprachen: Da muss man genau hinschauen, was dasfür ein Projekt ist. Egal ob es um 4 000 Euro oder umeine höhere Summe geht: Man muss immer genau hin-schauen, ob etwas sinnvoll ist oder nicht. Dies ist einehervorragende Projektinitiative zusammen mit der Stif-tung Partnerschaft mit Afrika.Ich versuche es noch einmal herauszuarbeiten: Esgeht darum, Verständnis für Entwicklungszusammen-hänge zu schaffen, die Zivilgesellschaft plus Privatwirt-schaft an Bord zu holen und das Thema „Entwicklungs-zusammenarbeit“ in die Mitte der Gesellschaft zu holen.Sie alle zusammen und die staatlichen Gelder bilden dasFundament für eine effiziente Entwicklungszusammen-arbeit; denn der Staat kann nicht alles finanzieren. Dasgeht eben nicht.120 Milliarden US-Dollar an staatlichen Entwick-lungsgeldern kommen im Jahr weltweit zusammen. Dieprivaten Initiativen, einschließlich wirtschaftlicherInitiativen, betragen mehr als das Zehnfache weltweit.Da sieht man schon das enorme Potenzial. Das könnenwir gar nicht mit Steuergeldern finanzieren. Also: Esgeht um eine Initiative, die effizient ist, die sich in derPilotphase befindet, an der es bereits viele Beteiligtegibt. Schauen Sie sich an, was an Initiativen auf demTisch liegt, wenn die Pilotphase beendet ist.Noch einmal – ich meine, das ist immer ein Reflex –:Stattfinden wird kein „Niebel-Tag“. Sie greifen sich dieStadt Heidelberg heraus; die Zeit wird wohl nicht rei-chen, um nachher noch darauf einzugehen. Es sind16 deutsche Städte eingebunden, die auch einen Ent-wicklungsbezug haben. Heidelberg – von dort kam derVorschlag, Heidelberg zu wählen – ist seit 20 Jahren je-des Jahr bei der Afrika-Entwicklungsinitiative dabei.Wir haben eine lange Tradition der Kooperation mitAfrika und viele andere Städte in Deutschland auch. Siebauschen das hier auf und sprechen von einer Niebel-
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27032 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
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Kampagne. Dieses Projekt mag Ihnen nicht gefallen;aber das ist Ihr Problem.Wir gehen mit diesem Entwicklungstag durch ganzDeutschland – der Zentralpunkt ist Berlin –, nehmenKommunen, die Zivilgesellschaft, alle Akteure mit undbauen ihnen eine Bühne. Sie können auf dieser Bühneagieren, ihre Projekte präsentieren und Menschen fürEntwicklungszusammenarbeit gewinnen, damit wir mitvielen Akteuren, in Afrika und in Deutschland, einewirklich effiziente Arbeit machen können.Neu ist nicht nur, in Deutschland dafür zu werben,sondern auch Partnerschaften, und zwar auch auf der zi-vilen Ebene, mit afrikanischen Schulen, mit Kindern di-rekt in Form von Patenschaften, zu gründen. Das ist einehervorragende Initiative, die helfen soll, mit dem ge-ringstmöglichen finanziellen Aufwand weiterhin einequalitativ hochwertige Entwicklungspolitik betreiben zukönnen.
Frau Roth.
Frau Kollegin Kopp, vielen Dank für die Zusage, dass
wir den Bericht über die finanzielle Lage dieses Vereins
bekommen. Ich finde, das ist wichtig. Dann bekommt
man nämlich Licht ins Dunkel, und zwar nicht nur im
Rahmen dieser parlamentarischen Nachfrage.
Ich habe noch weitere Fragen dazu: Ist es vielleicht
möglich, den Bericht über den Abschluss der ersten Stu-
die, der Pilotphase, zumindest dem Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorzule-
gen? Könnten Sie vielleicht schon heute sagen, wie das
Verhältnis bei den Finanzen zwischen afrikanischen
Staaten mit afrikanischen Projektteilnehmern und
Deutschland ist? Wenn richtig ist, dass das 1,6 oder 1,4 –
Gu
1,1 Millionen Euro in der Pilotphase.
– bzw. 1,1 Millionen Euro sind, dann wäre es wichtig,
zu wissen, was hier in Deutschland für diese Koopera-
tion und Kommunikation ausgegeben wird, aber auch,
was in Afrika passiert. Wo kommt das Geld an? Wenn
Sie das heute sagen könnten, wäre es schön. Wenn nicht,
dann bekommen wir dies sicherlich nachgereicht.
Darüber hinaus hätten wir gerne noch eine Erklärung
zur Abschlussstudie; denn sie ist für die Beurteilung des
Projekts ziemlich wichtig.
Gu
Wir müssen unterscheiden: Ich habe gerade von zwei
Studien gesprochen und gesagt, dass ich die Genehmi-
gung einholen werde, das weiterzureichen. Das geht
dann sehr schnell. Diese bekommen Sie selbstverständ-
lich nach Genehmigung.
Das Zweite ist: Die Pilotphase für die Stiftung Part-
nerschaft mit Afrika wird im März bzw. April zu Ende
sein. Bis dahin wissen wir auch, welche Partner konkret
an Bord sind, mit welchem Aufwand, und wie sich die
gesamte Konzeption darstellt. Im Moment sind wir in
der Erprobungsphase; deswegen heißt es ja Pilotphase.
Selbstverständlich werden wir dann gerne im AwZ im
Detail darüber berichten, und zwar in inhaltlicher, finan-
zieller und struktureller Hinsicht – eigentlich, Frau Kol-
legin Roth, wie Sie es von uns gewohnt sind.
Damit sind wir bei der Frage 25 der Kollegin Roth:
Mit welchem finanziellen Umfang findet die Qualifizie-
rung von Mitarbeitern in Textilfabriken in Bangladesch durch
die Firma Lidl mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit GmbH, GIZ, statt, und wie
sind dabei die Kosten zwischen der Firma Lidl und der GIZ
aufgeteilt?
Gu
Vielen Dank. – Frau Kollegin Roth, Sie sprechen ein
sehr wichtiges Thema an. Wir haben in letzter Zeit
schreckliche Dinge über Textilfabriken in Bangladesch
und Pakistan gelesen. Deshalb ist es wichtig, dort genau
hinzuschauen und für eine Verbesserung der Verhältnisse
vor Ort zu sorgen.
Der Bereich International Services der Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit wurde gegründet, um
Leistungen auch anderen Auftraggebern außer der Bun-
desregierung anbieten zu können. Alle Aufträge von
GIZ IS sind zu 100 Prozent durch die Auftraggeber
finanziert – dies finde ich sehr wichtig –, zum Beispiel in
Bangladesch durch die Lidl Stiftung & Co. KG.
Derzeit implementiert International Services zwei
Vorhaben für Lidl im bangladeschischen Textilsektor im
Umfang von 4,1 Millionen Euro. Ziele der Vorhaben
sind die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingun-
gen der Textilarbeiterinnen; darum handelt es sich ja
meist. Es finden folgende Aktivitäten statt: Fortbildung,
Coaching von Repräsentanten der teilnehmenden Fabri-
ken, Implementierung von Sozial- und Umweltstan-
dards, Kampagnen zur Bewusstseinsbildung im Bereich
„Arbeitssicherheit und Gesundheit“ für die gesamte Be-
legschaft, Bereitstellung eines mobilen Gesundheits-
dienstes, um Basisgesundheitsdienstleistungen während
der Arbeitszeit anzubieten, und Bonuszahlungen an die
Belegschaften ausgewählter Fabriken für die geleistete
Qualität. Ich füge hinzu: Es gibt auch Fortbildungsver-
anstaltungen zum Thema „Wie gründet man Gewerk-
schaften, also Arbeitnehmervertretungen, in diesen Be-
trieben?“.
Ich will kurz darauf hinweisen, dass gleich die Ak-tuelle Stunde beginnt, gebe aber Frau Roth noch die Ge-legenheit zu einer Nachfrage.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27033
(C)
(B)
Es ist schon einmal beruhigend, zu hören, dass die
Firma Lidl den Auftrag bezahlt und nicht wir das aus
Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit bezahlen
müssen; das finde ich ganz prima.
Die Frage ist: Gibt es noch andere Unternehmen – das
habe ich in meiner zweiten Frage dazu angesprochen –,
die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen? Es ist
ja nicht nur Lidl, –
Gu
Genau.
– sondern es ist ein großes Set von deutschen Unter-
nehmen, die dort arbeiten lassen oder dort bestellen. Das
ist die eine Frage, die Sie gleich noch beantworten wer-
den.
Wenn Unternehmen die Beratungsleistungen in An-
spruch nehmen, dann ist das gut so. Die andere Frage
aber ist: Wäre es nicht sehr viel effizienter, wenn wir von
unserer Seite aus die von Europa vorgeschlagene CSR-
Strategie verbindlich einführen würden? Dann hätten wir
sowohl auf der Ebene der Beratung – meiner Meinung
nach kann die GIZ IS das ganz prima – einen Push als
auch aufgrund der rechtlichen Lage in Europa mit der
Verbindlichkeit der CSR-Strategie. Wie schätzen Sie das
ein? Wird die Bundesregierung die CSR-Strategie unter-
stützen?
Gu
Die CSR-Strategie haben wir als BMZ schon seit län-
gerer Zeit in unserem Portfolio, übrigens nicht nur in
diesem Bereich, sondern auch in anderen Bereichen,
etwa im Rohstoffbereich, wie Sie aus der Ausschussar-
beit wissen. Auf der europäischen oder gar auf der inter-
nationalen Ebene einen Konsens herzustellen – Sie sag-
ten ja, das solle verbindlich gemacht werden –, wird,
glaube ich – ich sage es einmal vorsichtig –, nicht
schnell machbar sein. Im Moment sehe ich dafür keine
Mehrheit.
Es stellt sich also die Frage: Was sollen wir machen?
Gar nichts machen und die Dinge weiter laufen lassen,
ist nicht unser Vorgehen; wir setzen auf die Freiwillig-
keit. Wenn ein Unternehmen daran teilhaben möchte und
wenn wir es beraten sollen, dann machen wir das sehr
gerne. Frau Kollegin Roth, viele Unternehmen gehen bei
einer ausgelagerten Produktion ein Reputationsrisiko ein
– das ist ja auch der Hebel bei den CSR-Standards –:
Wenn es bei der Produktion in einem anderen Land eine
Katastrophe gibt, fallen sie negativ auf. Insofern ist es
von mehreren Aspekten her absolut richtig und wichtig,
die Unternehmen darin zu beraten, was sie besser ma-
chen können. Immerhin: Bis jetzt ist es gelungen, insge-
samt 2 000 Unternehmen in verschiedenen Ländern
– Schwerpunkt: Bangladesch und Pakistan – in dieser
Richtung zu beraten.
Sie fragten nach weiteren Unternehmen. Die GIZ IS
ist noch von weiteren Textilunternehmen beauftragt. Ich
nannte eben schon die Lidl Stiftung. Des Weiteren ist zu
nennen die C&A Stiftung – ich könnte Ihnen auch die Vo-
lumina angeben –; Tesco und Walmart sind in Prüfung –
also international bekannte Unternehmen. Sie bezahlen
für die Beratung. Es gibt auch eine spezielle Beratung
– das ist ganz neu – zum Thema Brandschutz/Präven-
tion.
Wie gesagt, es sind über 2 000 Unternehmen, die da-
von schon profitieren, und es sind die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen, die davon profitieren. Ich glaube,
wenn man Produktwege nachvollziehen kann, ist das
insgesamt eine Win-win-Situation: gute Reputation für
die Unternehmen sowie gute und bessere Standards für
die Menschen vor Ort; die Verhältnisse sind häufig ja
zum Teil katastrophal.
Sie haben noch eine Nachfrage? – Bitte.
Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin Kopp, ich
glaube, das alles ist gut und richtig; aber Ihre Antwort
zur CSR-Strategie der Europäischen Union gefällt mir
gar nicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist das ein-
zige Land, das die Vorschläge der Europäischen Union
nicht unterstützt und sie somit blockiert. Ich halte das für
schwierig. Zum ersten Mal in der Geschichte der Euro-
päischen Union besteht ein Einverständnis darüber, eine
solche Strategie für alle europäischen Unternehmen ei-
ner bestimmten Größe verbindlich zu machen; nicht alle
kleinen und mittleren Unternehmen sind dabei an Bord.
Wir müssen zeigen, dass es um Menschenrechtsverlet-
zungen geht. Diese zu verfolgen und dort mehr Verbind-
lichkeit herzustellen, ist aus meiner Sicht eine europäi-
sche Verpflichtung. Ich verstehe überhaupt nicht, dass
die Bundesregierung an dieser Stelle politisch blockiert
und es dadurch zu keinen verbindlichen Regelungen
kommt. Alles andere ist richtig; aber das ist unangemes-
sen. Es ist Zeit, dass die europäischen Unternehmen, die
dort arbeiten lassen oder arbeiten, an europäischen und
internationalen Standards gemessen werden, wie zum
Beispiel dem Verbot von Kinderarbeit.
Gu
Frau Kollegin Roth, ich unterstreiche ausdrücklich,dass Grundlage der Arbeit der Bundesregierung, undzwar ressortübergreifend, unser Menschenrechtskonzeptist. Das nehmen wir ernst. Es ist nicht so, dass wir aufeuropäischer oder internationaler Ebene etwas blockie-ren. Ich habe die Rohstoff-Transparenzinitiative ge-nannt, die EITI. Es gibt unterschiedliche Meinungen,und diese werden ausgetauscht. Ich sage Ihnen: Es wirdin Kürze auf dem internationalen Parkett Konferenzengeben, bei denen dieses Thema wieder auf der Tagesord-nung steht. Es ist im Gespräch, aber im Moment nichtkonsensfähig.
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27034 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
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(B)
Wir sind am Ende der Fragestunde.
Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP
Aktuelle Situation in Mali
Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege
Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die Situation in Mali und in der Region berührt,wie ich finde, deutsche und europäische Sicherheitsinte-ressen. Von daher ist es völlig richtig, dass wir uns Ge-danken machen, inwieweit wir einen Beitrag leisten kön-nen.Wir haben bereits im November/Dezember – uns al-len ist das bewusst – über eine mögliche Trainingsmis-sion gesprochen. Dies ist durch die aktuelle Entwicklungüberrollt worden, nämlich indem die Rebellen aus demNorden sehr aktiv und massiv gegen den Süden vorge-gangen sind. Daraufhin hat die französische Regierungunmittelbar reagiert. Dafür habe ich volles Verständnis.Wir alle wissen – die FDP sagt das mit voller Inbrunst –,dass ein politisches Konzept für diese Region wichtigist. Wenn es den Rebellen aber gelungen wäre, nochzwei oder drei Tage weiter gen Süden zu marschieren,hätten sie das ganze Land besetzt und von einer mögli-chen politischen Lösung wäre nicht mehr die Rede ge-wesen.Die französische Regierung hat die Bundesregierungzeitnah, umfassend und gut informiert – das ist richtigso, und das ist gut so –; aber – es ist wichtig, dass dasauch die beiden anwesenden Minister hören – die fran-zösische Regierung hat Deutschland nicht konsultiert.Sie hat uns informiert, aber nicht konsultiert. Ich ver-stehe das; aber das hat natürlich Konsequenzen. Deshalbweise ich die Kritik, die mancherorts geäußert wird, wa-rum wir nicht gleich mit Hurra hinterhermarschiertseien, deutlich zurück. Nein, liebe Kolleginnen und Kol-legen, das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Wirwerden auch in Zukunft überlegen, ob das in den Ge-samtrahmen passt, bevor wir Soldaten irgendwo hinschi-cken. Von daher ist der Ablauf, den wir vorsehen, völligrichtig und normal.Ich habe letzte Woche anlässlich des Besuches derfranzösischen Kollegen mit vielen von ihnen über diesenEinsatz gesprochen. Die Kritik war nicht: Warum nurzwei Transallflugzeuge und nicht vier? Nein, die Kritikwar eine ganz andere. Die Franzosen sind von ihrenBündnispartnern in Gesamteuropa außerordentlich ent-täuscht, weil das Thema woanders offensichtlich nichtso ernst genommen wird, und zwar sowohl von derDringlichkeit als auch von der Bedeutung her. Das ist dieEnttäuschung, die uns die Franzosen vermittelt haben.Wir müssen daran arbeiten, das zu ändern. Da manwusste, dass in dieser Region irgendetwas nicht in Ord-nung ist, hätte sich die Europäische Union in der Tatschon einige Monate früher mit der Problematik be-schäftigen können.Wir haben bisher also völlig richtig gehandelt. Natür-lich sind wir offen dafür, im Sinne der Wahrnehmungunserer eigenen Interessen weitere Beiträge zu leisten.Für die weiteren Beiträge gibt es nach meinem Dafürhal-ten drei Kriterien. Kriterium Nummer eins ist: Was istnotwendig und sinnvoll? Denn nicht alles, was man ma-chen kann, ist notwendig und sinnvoll. Kriterium Num-mer zwei ist: Über welche Fähigkeiten und Kapazitätenverfügen wir? Kriterium Nummer drei ist: Wie passt un-ser Engagement in das Gesamtbelastungsprofil unsererBündnispartner?An diesem Punkt weise ich die Kritik, die zum Teilvon Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bun-destag geübt wird, dass Deutschland immer nur Tritt-brettfahrer ist und die anderen die Kohlen für uns ausdem Feuer holen müssen, nachdrücklich zurück. Das isteindeutig falsch.
Ich weise darauf hin, dass wir in Afghanistan bis zumheutigen Tag mit circa 4 000 Soldaten vertreten sind, un-sere französischen Freunde – das kritisiere ich gar nicht;ich stelle es nur fest – gar nicht mehr. Ich weise daraufhin, dass wir bis zum heutigen Tag im Kosovo die LeadNation sind, was sich auch zahlenmäßig ausdrückt. Ichweise außerdem darauf hin, dass wir gerade in den letz-ten Wochen Solidarität mit einem wichtigen und wert-vollen NATO-Partner, nämlich der Türkei, gezeigt ha-ben. Bei aller Kritik, die man hier äußern kann – es ist jaauch normal, dass man über diese Dinge diskutiert –:Diesen Schuh sollten wir uns nicht anziehen.Wie geht es weiter? Sowohl die Europäische Unionals auch einzelne Länder in der Europäischen Unionwerden sich überlegen: Wie kann die weitere Entwick-lung sein? Auch die französischen Kolleginnen und Kol-legen sind überrascht, wie schnell es bisher offenbar– ich sage bewusst: offenbar – gelungen ist, die Rebellenzurückzudrängen. Es geht noch nicht um ein Abblasender Aktion. Ich warne davor, die Weite des Landes zuunterschätzen. Selbst wenn Städte von Rebellen befreitworden sind – die Rebellen verstecken sich noch ir-gendwo; sie werden sich nicht alle verkrümelt haben.Die Operation wird also noch länger andauern.Wir als Parlament werden in aller Ruhe gemeinsammit der Bundesregierung überlegen, wie weitere deutscheBeiträge aussehen können. Wie gesagt: Das hängt von un-seren Fähigkeiten und Kapazitäten ab. Frankreich ist hierLead Nation – das ist völlig unbestritten und wird auch sobleiben –; aber wir werden prüfen, welche Beiträge wirleisten können. Wir werden auch ohne jede Aufregungprüfen, inwieweit bei weiteren auf uns zukommendenAufgaben eventuell eine Mandatierung notwendig ist.Immer dann, wenn es notwendig ist, werden wir, wie esuns das Bundesverfassungsgericht vorschreibt, eine Man-datierung vornehmen. Es wird aber keinen Mandatie-rungsautomatismus geben; denn wir müssen nicht jede
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27035
Dr. Rainer Stinner
(C)
(B)
Maßnahme, die die Bundeswehr ergreift, mandatieren.Wir werden das im Einzelfall genau prüfen.Ich gehe davon aus – lassen Sie mich das abschlie-ßend sagen –, dass dem Deutschen Bundestag für die an-gedachten weiteren, aber noch nicht endgültig definier-ten Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit einMandat vorgelegt wird. Ich bitte schon jetzt um breiteUnterstützung.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin
Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Sahelregion, in der Mali liegt, befindet sich seit Jah-ren in einer destabilisierten Situation, zumal seit den90er-Jahren Gewaltgruppen aus Algerien nach Mali ge-kommen sind. Mali war das erste Land, das ich als Ent-wicklungsministerin besucht habe. Es war schon immerein Land mit starken ökonomischen und sozialen Unter-schieden und insofern ein geteiltes Land, aber es warund ist auch – darauf möchte ich in der deutschen De-batte hinweisen – ein Land des moderaten, toleranten Is-lam und ein Land, das eine aktive Zivilgesellschaft hat,die wir unterstützen sollten.
Im Norden leben die nomadischen Tuareg. Die sess-haften Eliten des Südens sind nach dem Ende der Kolo-nialzeit auch für die Verwaltung des Nordens zuständiggeworden. Alle malischen Regierungen haben die Ent-wicklung im Norden nie mit der notwendigen Aufmerk-samkeit verfolgt. Die deutsche Entwicklungszusammenar-beit hat 1995 versucht, einen Konflikt durch Vermittlungzu lösen. Diese Lösung war zwar erfolgreich, aber nichtnachhaltig.Der aktuelle Konflikt begann im Januar 2012 mit An-griffen der Tuareg, teilweise mit Waffen aus Libyen. Ichwill an dieser Stelle aber auch sagen: Der Konflikt imNorden Malis ist nicht, wie manche behaupten, durchden Sturz Gaddafis verursacht worden – vielleicht ist erdadurch verschärft worden, aber er ist dadurch nicht ver-ursacht worden –, sondern das Problem ist, dass derWesten zu lange mit Gaddafi gedealt hat. Der aktuelleKonflikt wird zusätzlich durch eine die nationalen Gren-zen überschreitende Konfliktökonomie verstärkt: Räume,die von den Staaten nicht kontrolliert werden, organi-sierte Kriminalität, Schmuggel von Waffen und Drogen,Entführungen.Nachdem die Bundesregierung das Thema des militä-rischen Vorgehens lange aus der öffentlichen Debatteverdrängt hatte – man hatte schon den Verdacht, dass dasetwas mit Januarterminen zu tun hatte – und auf Zeit ge-spielt hat, hat die französische Regierung gehandelt. Ichsage nachdrücklich: Wir unterstützen dieses Vorgehen.Die französische Regierung hat mit ihrem Handeln ers-tens die Bildung eines terroristischen Staates in Maliverhindert, und sie hat zweitens den Süden vor der Über-rollung durch Gewaltgruppen und der damit verbunde-nen Terrorisierung geschützt. Sie hat Responsibility toProtect gezeigt, und sie hat damit verhindert, dass in derRegion ein ganzes Band der Gewaltgruppen etabliertwerden konnte. Man muss sagen: Das ist die Leistungder französischen Regierung und der französischenTruppen, die heute hier auch anerkannt werden soll.
Währenddessen hat die Bundesregierung, wie so häufig,nur geredet.Worum geht es, und was ist für die Zukunft notwen-dig? Es geht darum, die ECOWAS-Mission, also dieMission der Gemeinschaft der westafrikanischen Staa-ten, zu unterstützen, auch durch Deutschland – dazu be-darf es eines Mandats –, und dazu beizutragen, dassdiese Regionalorganisation, die in ihrem Bereich bishergute Arbeit geleistet hat, zu einem regionalen kollekti-ven Sicherheitssystem weiterentwickelt wird, um dietransnationalen Konflikte gemeinsam, grenzüberschrei-tend einhegen zu können.Ferner geht es um die Unterstützung der heute vommalischen Parlament abgesegneten Roadmap, also desPlans für die Perspektiven. Die Roadmap hat das Ziel,die nationale Integrität des Landes zu sichern bzw. wie-derherzustellen. Dazu gehört laut Beschluss – laut derRoadmap – vor allem der Dialog zur nationalen Versöh-nung mit den Gruppen, die dazu bereit sind. Zu diesemZweck ist eine Kommission des nationalen Dialogs ein-zurichten. Das ist für Februar 2013 vorgesehen. Das Zielmuss endlich eine stärkere Dezentralisierung sein. DieForderung der Tuareg nach stärkerer Beachtung undSelbstbestimmung muss ernst genommen und darf nichtmissachtet werden.Die Bundesregierung und die internationale Gemein-schaft müssen sich auch fragen: Welche Rolle spielt ei-gentlich Saudi-Arabien in dieser Region,
das grenzüberschreitend den Wahhabismus fördert? Esist nicht sehr kohärent von der internationalen Gemein-schaft und der Bundesregierung, Saudi-Arabien Waffenund Panzer zu liefern
und sich auf der anderen Seite, in Bezug auf Mali, überdie Auswirkungen zu beklagen.Die Verhältnisse im Süden müssen parallel zum Mili-täreinsatz geklärt werden. Es geht um die Wiederherstel-lung von Rechtsstaatlichkeit und die Vorbereitung vonWahlen. Natürlich geht es auch um Anschub für dieWirtschaft; denn die jungen Leute, die in Mali, auch imSüden, auf die Straße gehen, brauchen Perspektiven undChancen. Dazu sollte auch die Entwicklungszusammen-arbeit Deutschlands eingesetzt werden.
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27036 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Vor allem geht es natürlich um Hilfen für die geflüch-tete Bevölkerung. Allein aus dem Norden Malis sind400 000 Menschen geflüchtet.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Frau Präsidentin, ich sehe es. Dies ist mein letzter
Satz. – Die humanitären Hilfsorganisationen müssen un-
terstützt werden. Sie müssen unabhängig handeln kön-
nen, wie das heute auch die Ärzte ohne Grenzen gefor-
dert haben.
Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege
Dr. Andreas Schockenhoff das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Deutschland hat ein vitales Interesse daran, dass derSüdrand der Sahara nicht zu einem sicheren Rückzugs-gebiet für Terroristen wird. Die CDU/CSU-Bundestags-fraktion begrüßt daher den französischen Einsatz gegenislamistische Extremisten in Mali. Es war richtig, zügiggegen den Vormarsch der islamistischen Kämpfer in denSüden Malis vorzugehen. Nur wenn die militanten Isla-misten aufgehalten werden können, kann überhaupt wie-der ein politischer Prozess in Mali in Gang kommen. Einerfolgreicher Vormarsch dieser Kräfte in den Süden hätteihrem Terror in ganz Mali und darüber hinaus in der gan-zen Region Vorschub geleistet.Die Sicherheit Europas ist schon jetzt durch den Zer-fall der staatlichen Ordnung im Norden Malis und derSahara betroffen. Das Geiseldrama an der algerisch-liby-schen Grenze zeigt, dass eine Sicherheitsbedrohung fürden gesamten Sahelraum und für europäische Bürger inder Region besteht. Zudem begünstigt die wachsende or-ganisierte Kriminalität Drogen- und Menschenhandel inRichtung Europa.In den Resolutionen 2071 und 2085 hat der UN-Si-cherheitsrat festgestellt, dass die Lage in Mali den Welt-frieden und die internationale Sicherheit bedroht. Er hatdaher Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta autorisiert. Das französische Eingreifen erfolgteauf Bitten der malischen Regierung und wird von derBevölkerung als Befreiung vom radikal-islamistischenJoch einhellig begrüßt. Frankreich verteidigt in Mali alsokeineswegs ausschließlich französische, sondern afrika-nische und europäische Interessen. Wir danken den fran-zösischen Soldatinnen und Soldaten, die im Interesse derSicherheit Europas in diesen gefährlichen Kampfeinsatzgegangen sind und ihr Leben riskieren.
Es ist richtig, dass die Bundesregierung den französi-schen Einsatz gegen islamistische Extremisten in Malizumindest logistisch unterstützt. Bundespräsident Gauckhat es auf den Punkt gebracht – ich zitiere –:[Wir] dürfen … bei aller berechtigten Debatte überArt und Umfang unseres Engagements nicht ausden Augen verlieren, was verteidigt werden soll:ein friedliches und sicheres Europa, ein Ort derFreiheit und der Herrschaft des Rechts. Es liegt imnationalen Interesse, unsere Sicherheit, unserenWohlstand und unseren Frieden supranational zu si-chern. Dafür braucht es Solidarität … nicht nur imGeiste, sondern auch Gemeinsamkeit im Handeln.So weit der Bundespräsident.Langfristig muss die malische Regierung in die Lageversetzt werden, die Nordhälfte des Landes eigenständigzu kontrollieren. Die EU muss deshalb zügig ihre bereitsgeplante Mission zur Ausbildung und Befähigung dermalischen Streitkräfte beginnen. Die CDU/CSU unter-stützt eine deutsche Beteiligung an der EU-Ausbildungs-mission.Es ist folgerichtig, dass die Bundesregierung auchAusrüstungshilfe leisten will. Allerdings muss ein politi-scher Prozess in Mali gewährleisten, dass ein von derEU ertüchtigtes Militär demokratisch zivil kontrolliertwird. Eine schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigenOrdnung in Mali, einschließlich Wahlen, sowie ein Dia-log mit verhandlungsbereiten Gruppierungen im Nordensind daher dringlich. Bis malische Streitkräfte ihre Stabi-lisierungsaufgabe erfüllen können, sind die Nachbarlän-der Malis gefragt, den Norden Malis militärisch zu kon-trollieren und eine Rückkehr der militanten Islamisten zuverhindern. Präsident Hollande hat dies gestern ebenfallsgefordert. Wir begrüßen daher die Entscheidung derwestafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, die geplanteStabilisierungsgruppe weiter zu verstärken.Im Februar werden wir über die deutsche Beteiligungan der Ausbildungsmission in Mali entscheiden. Morgenentscheiden wir über die Verlängerung des ISAF-Man-dats. Vor Weihnachten haben wir die Stationierungvon Patriot-Abwehrsystemen an der türkisch-syrischenGrenze beschlossen. Wir beschließen hier im Bundestag– es ist längst schon Routine – regelmäßig die Verlänge-rung von Mandaten.Die kurze Abfolge unserer Mandatsdebatten zeigt,wie wichtig eine regelmäßige sicherheitspolitische De-batte ist. Die sicherheitspolitischen Herausforderungenund Fragen unserer Zeit sind von einer solchen Vielfaltund Komplexität geprägt, dass sie einer verstärkten Auf-merksamkeit des Deutschen Bundestages bedürfen.
Wir halten daher die Einführung einer regelmäßigen Ge-neraldebatte zur sicherheitspolitischen Lage Deutsch-lands für notwendig, um unsere Sicherheitsinteressen ei-ner breiteren deutschen Öffentlichkeit zu vermitteln undFragen und Sorgen der Bevölkerung besser aufgreifen zu
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Dr. Andreas Schockenhoff
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können. Das sollten wir unabhängig von Mali auch ein-mal ganz offen miteinander diskutieren.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Kollege Wolfgang Gehrcke hat für die Fraktion
Die Linke das Wort.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kollegin-nen und Kollegen! Gerade nach der Aufzählung des Kol-legen Schockenhoff – von der türkisch-syrischen Grenzeüber Afghanistan bis in verschiedenste Teile der Welt –sollten wir uns hier auch gegenseitig vor einer Illusionbewahren, nämlich dass Militärinterventionen Stabilitätund Demokratie sichern können. Oftmals ist genau dasGegenteil der Fall.
Ich möchte auch, dass wir uns vor einer weiteren Illu-sion bewahren: Es gibt keine sauberen Kriege, auch inMali nicht. Ich finde die Bilder von der Herrschaft derTerroristen – darüber wird zu reden sein – entsetzlich.Ich finde aber die Bilder vom Einmarsch der Armee, dieman sieht, ebenso entsetzlich. Es gibt keine sauberenKriege. Kriege sind immer Dreck und Blut und Vernich-tung. Auch das sollte man in dieser Situation hier einmalaussprechen.
Was man jetzt als Deutscher Bundestag empfehlensollte und worüber wir uns, glaube ich, viel mehr denKopf zerbrechen müssen, ist: Es muss jetzt zu politi-schen Gesprächen und politischen Lösungen kommen.Das steht jetzt im Vordergrund.Wenn wir davon geredet haben, dass man die Situa-tion nicht nur in Mali, sondern auf dem gesamten afrika-nischen Kontinent ernst nehmen muss, so gehört auchdie Selbstkritik dazu, dass wir offensichtlich über langeZeit die Situation nicht ernst genommen haben und dassimmer erst gehandelt wird, wenn das Kind in den Brun-nen gefallen ist, und dann mit dem Militär.Ich möchte eine weitere Lehre dazupacken: Friedenschließt man mit seinen Feinden. Über zehn Jahre hat esgedauert, bis man begriffen hat, dass man in Afghanistanmit den Taliban verhandeln muss. Was wäre aus Süd-afrika geworden, wenn man nicht mit seinen FeindenFrieden geschlossen hätte? Frieden schließt man mit sei-nen Feinden. Deswegen muss man jetzt auch in Mali dieInitiative ergreifen, um mit den Feinden in Verhandlun-gen zu Lösungen zu kommen.
Eine nationale Aussöhnung wäre das Beste, was wir inGang bringen könnten.Mit einem weiteren Gedanken möchte ich an dieÜberlegung anknüpfen, dass Mali eine entwickelte Zi-vilgesellschaft hat. Ich teile völlig, was Sie hierzu ausge-führt haben, Kollegin Wieczorek-Zeul. Mali hat eineentwickelte Zivilgesellschaft. Es muss doch das Zielsein, mit dieser entwickelten Zivilgesellschaft auch insolchen Situationen zu kooperieren und genau diese ent-wickelte Zivilgesellschaft zu stabilisieren; denn wirbrauchen Sicherheit für die Bevölkerung.Wir müssen auch eine Frage beantworten. In Maliwerden Dschihadisten mit Bomben bzw. vom Militär an-gegriffen. Die gleichen Dschihadisten werden in Syrienvon den Verbündeten der Bundesregierung, von Saudi-Arabien und anderen, mit Geld und Waffen versorgt. Er-klären Sie einmal, warum Sie hier so handeln und dort sohandeln!
Eine vernünftige Politik muss doch anders laufen. Ichglaube, es ist richtig, dass nicht alles, was in Mali pas-siert ist, eine Reaktion auf das Vorgehen gegen den liby-schen Staat ist. Aber die Zerschlagung von Libyen, dieDestabilisierung von Libyen hat auch Auswirkungen aufdie Situation in Mali gehabt. Beantworten Sie doch ein-mal die Frage: Wenn die Terroristen, die dort geschlagenwerden, gehen, wenn sie nach Mauretanien, an dieGrenze zu Algerien gehen, wird mit dem Krieg gegenden Terror ein Konfliktfeld in das nächste Konfliktfeldübergeführt. Das kann doch keine vernünftige politischeLösung sein. Wir müssen endlich eine Politik entwi-ckeln, die den Terror dadurch schlägt, dass man ihm dieGrundlage entzieht, und das heißt Schaffung kulturellerVielfalt und wirtschaftlichen Ausgleichs. So müsste einevernünftige Politik sein.
Ich möchte ganz ehrlich und offen sagen: Mir geht esauf den Keks, wenn die Freundschaft mit Frankreich– die ich sicherlich viel mehr verinnerlicht habe als vielevon Ihnen – benutzt wird, um Druck auf die Bundes-regierung auszuüben – sie taucht ja schon ab –, mit nochmehr Militär an der Seite Frankreichs zu agieren. Dasgleiche Argument, „die Freundschaft mit …“ – in derVergangenheit war es die Freundschaft mit den USA –,hat uns in den Krieg in Afghanistan getrieben. Ichmöchte nicht, dass Deutschland mit dem Argument derFreundschaft mit Frankreich in eine andere militärischeAuseinandersetzung getrieben wird;
so sieht es übrigens auch die Friedensbewegung inFrankreich, mit der ich sehr eng kooperiere. Auch dieFriedensbewegung in Frankreich sagt: Wir wollen, dassdie französischen Truppen rasch zurückgezogen werden. –Das sollten wir unterstützen. Es ist möglich, sie rasch zu-rückzuziehen.Ich will Ihnen ehrlich sagen, Herr Minister: Sie wer-den nicht darum herumkommen, die Entscheidung, zweiTransall-Maschinen ohne Mandat des Bundestages zurVerfügung zu stellen – morgen werden es ja vielleichtschon drei oder mehr sein –, zu rechtfertigen. Das war
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27038 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Wolfgang Gehrcke
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eine rechtswidrige Entscheidung, die dieses Parlamentnicht hinnehmen kann;
darüber werden wir uns auseinandersetzen müssen. Siekönnten ja das Mandat, das Sie für die Ausbildungsmis-sion haben wollen, damit verbinden, dass Sie nachträg-lich ein Mandat für diese Entscheidung beantragen.Dann würden Sie zumindest eingestehen, dass Sie falschgehandelt haben. Aber so viel Courage hat diese Regie-rung nicht, weder so noch so.Ich möchte abschließend einen Gedanken äußern, dermir wichtig ist – das ist, verehrte Frau Präsidentin, meinSchlussgedanke –: Ist es so unnormal, sich die Frage zustellen: Geht es Frankreich und anderen Ländern wirk-lich um Menschenrechte – was ich ja hoffe –, oder gehtes ihnen in Nachfolge der alten Kolonialmacht nichtvielmehr um wirtschaftliche Interessen,
um Uran und anderes?
Herr Kollege?
Ich komme zum Schluss. – Wenden Sie es doch ein-
mal positiv: Wenn im Kampf um Uran eine Stärkung der
Menschenrechte herauskommt, reicht mir das nicht aus,
aber immerhin. Es geht auch hier um wirtschaftliche In-
teressen; Sie kommen nicht darum herum, das einzuge-
stehen.
Danke sehr.
Jetzt hat Kerstin Müller das Wort für Bündnis 90/DieGrünen.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bereits vor einem Jahr, als Islamisten und verbündeteTuareg den Norden Malis an sich rissen, war es eigent-lich für jeden, auch für uns, sichtbar: Mali steckt in einerschweren Krise. In unserer Nachbarschaft, in Afrika,droht ein weiterer „failed state“ mit neuen Rückzugsräu-men für islamistische Terroristen – Sie alle haben das be-reits erwähnt –, die die Region mit Terror überziehenund im Norden des Landes einen menschenverachtendenScharia-Staat installieren wollten und wollen.Aber erst jetzt, ein ganzes Jahr später – das, finde ich,gehört zur Selbstkritik dazu –, diskutieren wir, und zwaraufgrund der bereits laufenden französischen Interven-tion, darüber, was zu tun ist. Das zeigt erst einmal – HerrStinner, Sie haben es, wenn ich richtig zugehört habe, er-wähnt –, dass die internationale Gemeinschaft sehr, sehrspät dran ist und erst dann als Feuerwehr kommt, wenndas Haus bereits lichterloh brennt. Das, liebe Kollegin-nen und Kollegen, ist falsch und muss sich ändern. Dastrifft übrigens nicht nur auf die Europäische Union, son-dern auch auf diese Bundesregierung zu. Auch Sie habennicht früher gehandelt.
Ich erwähne das, weil wir morgen die entsprechende De-batte führen.Wir Grüne haben bereits im September letzten Jahresin einem Antrag auf die Entwicklung in Mali hingewie-sen. Der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention undvernetzte Sicherheit“ hat über dieses Thema bereits voreinem Dreivierteljahr intensiv diskutiert. Wir haben ge-fordert, rechtzeitig vor Ausbruch einer Krise präventivtätig zu werden. Davon wollte man aber nichts wissen.Wichtiger waren damals andere Krisenherde; es gibt javiele. Ich hoffe auf eine rege Beteiligung an der morgi-gen Debatte, in der es um die langfristigen und nachhal-tigen Strategien für diese Region geht.
Für meine Fraktion sage ich: Vor dem Hintergrundder Geschehnisse war die französische Intervention eineerforderliche Notoperation, weil die Islamisten bereitsauf die Hauptstadt Bamako zumarschierten. Aber ichsage auch: Sie bleibt hochriskant. Auch die Franzosenwissen: Eine Intervention der Franzosen in dieser Re-gion kann auf die Dschihadisten in aller Welt wie einBrandbeschleuniger wirken. Deshalb ist es nicht nur imfranzösischen, sondern auch im europäischen Interesse,dass diese Intervention ganz schnell erstens multilateraleingebettet wird und zweitens ein afrikanisches Gesichterhält. Ich halte das für zentral. Insofern sind die dreiTransall-Maschinen, mit denen wir Unterstützung leis-ten, das Mindeste, was man machen muss, um dieECOWAS langfristig in den Stand zu setzen, hier zuübernehmen.Es muss generell darum gehen, die Afrikaner so zustärken, dass sie künftig selbst in der Lage sind, solcheKrisen zu meistern. Wir sprechen seit einiger Zeit vonAfrican Ownership. Leider ist da nicht viel passiert. Icherinnere mich an Gespräche mit Vertretern derECOWAS – nicht erst jetzt, sondern schon im letztenund vorletzten Jahr –, in denen sie immer wieder beklagthaben: Warum werden wir nicht vernünftig ausgebildet?Warum bekommen wir von der Europäischen Union undauch von Deutschland nicht mehr Unterstützung?Herr Westerwelle, ich hatte kürzlich ein Gespräch mitdem Chef des KAIPTC, des Kofi Annan InternationalPeacekeeping Training Centre. Dieses PeacekeepingTraining Centre wurde ursprünglich mit deutschen Mit-teln aufgebaut. Sie haben vor kurzem die Mittel für die-ses Peacekeeping Training Centre gekürzt. Dort werdenaber Soldaten ausgebildet für die ECOWAS.Wenn wir wollen, dass es langfristig nicht mehr nureine französische Afrikapolitik gibt, sondern eine euro-päische, dann muss diese Afrikapolitik auch afrikanisch
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Kerstin Müller
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werden, dann müssen wir alles tun, damit die ECOWAS,die Afrikanische Union und die anderen Regionalorgani-sationen in die Lage versetzt werden, eine Sicherheits-architektur aufzubauen.
Wir müssen nicht nur Sicherheit aufbauen, wir brau-chen auch nachhaltige politische Stabilität, und zwarnicht nur für Mali, sondern für die ganze Sahelregion.Die geplante EU-Ausbildungsmission ist richtig. Voraus-setzung ist aber, dass es auch einen politischen Prozessgibt. Die Ausbildungsmission allein wird die Regionnicht stabilisieren. Insofern ist zu begrüßen, dass jetzteine Roadmap vorgelegt wird.Ich glaube – damit will ich mich noch einmal an dasEntwicklungsministerium wenden –, dass es wichtig ist,jetzt, wo es eine Übergangsregierung gibt, die Mittelschnell zu deblockieren, damit Staatlichkeit aufgebautwerden kann. Es geht dabei nicht nur um humanitäreHilfe, sondern es geht um wesentlich mehr. Die Franzo-sen haben zu Recht gesagt, sie wollen nicht bleiben, unddas ist auch richtig. Aber wenn Mali übernehmen will,dann braucht es richtige, nachhaltige staatliche Struktu-ren, und dafür braucht Mali finanzielle Mittel.
Ich will zuletzt noch ansprechen, dass ich absolutwichtig finde, dass im Zentrum der Ausbildung die Men-schenrechte und das humanitäre Völkerrecht stehen. Essind Racheakte und auch Gewalt zu befürchten; manliest ja schon von dem einen oder anderen Racheakt. Daskönnte die ethnische Spaltung in Mali noch vertiefen. Esbraucht genau das Gegenteil: einen organisierten politi-schen Dialogprozess, auch mit den Tuareg, die immernoch einer Lösung ihres politischen Problems harren.Es gibt da einen zaghaften Ansatz mit den sehr ehren-werten GIZ-Mitarbeitern. Ich glaube, wir müssen hiermehr tun. Wir haben in Deutschland eine krisenpräven-tive Struktur aufgebaut, ein Netzwerk ziviler Krisenprä-vention. Aber es ist so, wie die Zeit vorige Wocheschrieb: Das ist so etwas wie eine dritte Reservetruppeund nicht die erste Mannschaft. – Wir müssen das jetztmobilisieren. Wir brauchen eine Sahelstrategie, die nach-haltige politische Stabilität in der Sahelregion schafft undwirklich auch einmal benennt, was die Schwächen derbisherigen Politik waren. Nur mit einer solchen Sahel-strategie wird man dauerhafte Stabilität schaffen können.Vielen Dank.
Das Wort hat Bundesaußenminister Dr. GuidoWesterwelle.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich glaube, dass wir in dieser Debatte parteiübergreifend– mit einer Ausnahme vielleicht – eine große Gemein-samkeit haben: Wir alle sehen die Relevanz, wir alle sindnicht der Meinung, dass Mali alle anderen angeht, nurnicht uns Europäer, sondern wir können ein unmittelba-res eigenes Interesse daran erkennen, durch unsere Poli-tik daran mitzuwirken, Mali insgesamt zu stabilisieren.Der Kampf gegen den Terrorismus auch im Nordenvon Mali ist keine Angelegenheit anderer, es ist unseregemeinsame Angelegenheit. Deswegen will ich vorabein Wort des Dankes an all die Frauen und Männer rich-ten, die Soldatinnen und Soldaten – Afrikaner und Fran-zosen –, die jetzt in Mali ihr Leben riskieren, um unsereFreiheit vor Terrorismus zu schützen. Ich möchte in die-sen Dank aber auch diejenigen einschließen, die, wiezum Beispiel unsere deutschen Soldaten, die unter gro-ßer Lebensgefahr in Afghanistan ihren Dienst verrich-ten, anderswo auf der Welt gegen Terrorismus kämpfen.Sie stehen hier gerade für unsere Freiheit und für unsereeuropäischen Werte.
Ich will zum Ausdruck bringen, dass es in einer sol-chen Debatte natürlich normal ist, dass sich die Opposi-tion Dinge sucht, die sie anders machen würde und kriti-siert. Das soll auch so sein. Ich darf aber noch einmal inErinnerung rufen, was sowohl die Spitzen der Fraktionder SPD, Herr Kollege Steinmeier, Herr KollegeSteinbrück, als auch die Spitzen der Fraktion der Grü-nen, jedenfalls Herr Kollege Trittin, dazu gesagt haben,und stelle fest, dass sich das sehr weit mit unserer grund-sätzlichen Bewertung der Lage deckt.Das mag in einem Jahr, in dem alle offensichtlichschon an Wahlen denken, nicht opportun erscheinen,aber ich glaube, es ist gar nicht schlecht, dass wir bei ei-ner solch fundamentalen Frage auch den Bürgerinnenund Bürgern zu erkennen geben, dass wir hier über dieRichtung und Substanz unserer Mali-Politik in Wahrheitüberparteilich eine ganz ähnliche Einschätzung habenund so auch die Entscheidungen treffen.
Das hat ja auch die Debatte, die hier in der letztenWoche stattgefunden hat, durch die bemerkenswertenAnsprachen von Bundeskanzlerin Angela Merkel unddes französischen Staatspräsidenten François Hollandeund auch durch die Wortmeldungen aus verschiedenenFraktionen von uns und natürlich auch aus Frankreichzum Ausdruck gebracht.Ich will zum Zweiten sagen, was die Ursachen diesesKonflikts sind. Ich glaube, Frau Wieczorek-Zeul war es,die am Anfang gesagt hat, es wäre zu einfach, dies miteinem Konflikt, also mit dem Krieg in Libyen und damitmonokausal, zu erklären. Ich teile das.
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27040 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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Die Entwicklung im Norden Malis hat vor allen Din-gen drei Ursachen:Die erste Ursache ist die wichtigste – darauf kommeich gleich im Anschluss noch –, nämlich das leider im-mer noch herrschende und in Teilen auch berechtigteGefühl der Bevölkerung im Norden Malis, dass sie nichtin vollem Umfange an den Entwicklungschancen vonganz Mali, vom Kernland Mali, partizipieren kann. Mitanderen Worten: Dass der Norden Malis unterprivile-giert ist, ist eine der Hauptursachen für den Konflikt.Deswegen müssen wir hier auch mit einer politischenLösung ansetzen und ist es wichtig, dass wir hier auchvernetzt denken, auch ausdrücklich im Bereich der wirt-schaftlichen Unterstützung und der Entwicklungszusam-menarbeit.Die zweite Ursache ist natürlich auch das – es hat jakeinen Sinn, darum herumzureden –, was durch denKonflikt in Libyen entstanden ist. Es sind Kräfte undKämpfer mit Waffen in die gesamte Sahelzone einge-drungen, die insbesondere ein spezielles Momentum imNorden Malis genutzt haben, um ihren Ungeist, ihreAggression und ihre Gewalt zu verbreiten.Bevor ich zur dritten Ursache komme, darf ich mireine Bemerkung zwischendurch erlauben: Frau KolleginWieczorek-Zeul, ich habe den Hinweis auf HerrnGaddafi nicht ganz verstanden. Die deutsche Bundes-kanzlerin Angela Merkel hat Herrn Gaddafi jedenfallsnie im Zelt besucht, und sie hat auch nie zugelassen,dass er im Tiergarten beim Kanzleramt ein Zelt aufstel-len konnte.
Ich wollte das hier nur noch einmal erwähnen, bevorsich hier etwas Falsches festsetzt.Die dritte Ursache ist auch von ganz großer Bedeu-tung: Im Frühjahr letzten Jahres hat dort natürlich einPutsch stattgefunden. Das heißt, die malischen Kräfte,die ohnehin schon mit großen inneren Zerwürfnissen zutun hatten, wurden dadurch, dass im März letzten Jahresein Putsch stattgefunden hat, abermals geschwächt. Manhat also erlebt, dass die eigentliche Staatsgewalt – das,was man dort Staatsgewalt nennt; das wäre mit unserenVorstellungen übrigens nur schwer vereinbar – noch ein-mal geschwächt worden ist.Zumindest diese drei Ursachen stehen im Mittelpunktder Entwicklung. Wenn man diese drei Ursachen kennt,dann kennt man meiner Einschätzung nach auch diepolitischen Schlussfolgerungen. Das Ziel muss nämlichsein, dass wir eine nachhaltige politische Lösung erar-beiten. Eine politische Lösung muss eben ausdrücklichauch einen Fahrplan beinhalten: Rückkehr zu einer ver-fassungsmäßigen Ordnung, innerer Ausgleich, wirt-schaftliche und soziale Teilhabe des Südens, aber ebenausdrücklich auch des Nordens.Herr Kollege Gehrcke, natürlich ist es richtig, dasswir unverändert – hier sind wir uns mit Frankreich undübrigens auch mit allen afrikanischen Staaten, die sichjetzt engagieren, völlig einig – eine politische Lösungbrauchen. Wenn Frankreich in dieser zugespitzten Lagevor ganz kurzer Zeit aber nicht eingegriffen hätte, wennFrankreich nicht bereit gewesen wäre, militärische Not-hilfe zu leisten, dann hätten wir heute überhaupt garkeinen Raum mehr für irgendwelche Gespräche und ir-gendeinen politischen Ausgleich. Bamako wäre einge-nommen worden. Dass das die Absicht war, wusste manspätestens, seitdem die Extremisten in Richtung Moptigezogen sind und auf dem Weg dorthin eine Stadt nachder anderen erobert haben.Es war erkennbar: Die Franzosen, die die Kräfte vorOrt hatten, auch aufgrund des geschichtlichen Hinter-grundes, haben gehandelt. Wir helfen den Franzosen vorallen Dingen am besten dadurch, dass wir jetzt, genauwie es die Vereinten Nationen in der Resolution 2085fordern, die Afrikaner selbst befähigen, ihre Aufgabe fürdie Stabilisierung im Norden Malis wahrzunehmen. Dasist nicht nur die Haltung der Bundesregierung. Das istauch die erklärte Haltung der Franzosen. So hat sich Prä-sident Hollande hier in der letzten Woche geäußert. Soverstehen wir auch Partnerschaft. Das ist kein Gegenein-ander. Im Gegenteil: Diese Partnerschaft verbindet uns.Schließlich möchte ich noch darauf aufmerksam ma-chen, dass es natürlich nicht reicht, in der Regierung eineRoadmap zu verabschieden, sondern dass sie auch im-plementiert werden muss. Das heißt, wir brauchen dieZustimmung aller politischen Kräfte. Wir brauchen vorallen Dingen die Zustimmung des Parlaments.
– Aller Kräfte, habe ich ja gerade gesagt. – Dass wir denErnst der Lage als Bundesregierung erst gesehen hätten,nachdem die Situation eskaliert ist, diese Einschätzungkann ich nicht teilen, Frau Kollegin Wieczorek-Zeul. Ichselbst bin im November in Bamako gewesen, und wirhaben dort Gespräche geführt. Wir haben die Gesprächedeshalb geführt, weil wir der Überzeugung sind, dasssich hier die Lage zuspitzt und dass es unbedingt not-wendig ist, eine politische Lösung zu befördern. Daranwerden wir auch weiter arbeiten.Deutschland ist bereit, sich wie in den 90er-Jahren beieinem politischen Prozess besonders zu engagieren. Die-ses Angebot ist gemacht worden, dieses Angebot istauch angenommen worden. Darüber hinaus helfen wirlogistisch.Was die Ausbildungsmission angeht, so muss ich Ih-nen sagen, Herr Kollege Gehrcke: Wir haben doch hiergemeinsam festgestellt – ich habe es in Besprechungenmit Ihnen und anderen immer wieder gesagt –: Wir pfle-gen engsten Austausch mit dem Deutschen Bundestag.Wenn wir auch nur in die Nähe einer Mandatspflichtkommen, werden wir sofort den Deutschen Bundestagum ein Mandat bitten. Wenn Sie sagen, unser Verhaltensei rechtswidrig, dann bitte ich Sie ausdrücklich, die Ge-richte anzurufen; denn das kann man nicht machen, hierzu behaupten, die Bundesregierung würde sich rechts-widrig verhalten, sich aber dann als Abgeordneter hinzu-setzen und nichts zu tun. Wir verhalten uns streng völ-kerrechtlich korrekt, streng gebunden an die Verfassungund selbstverständlich auch strengstens gebunden an das
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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Parlamentsbeteiligungsgesetz. Einen anderen Eindruckkann man hier nicht stehen lassen.
Meine Damen und Herren, natürlich bleibt es so, dasswir in Europa noch eine Menge zu tun haben. Natürlichbleibt es so, dass wir immer tarieren und auch sehenmüssen, was in der spezifischen, konkreten Lage wirk-lich erforderlich ist. Das heißt, wir sind auch in der Lage,nachzusteuern. Das werden wir auch tun. Aber bitte ver-gessen wir eins nicht: Vergessen wir nicht das Schicksalder Menschen. Die humanitäre Hilfe bleibt natürlich un-parteiisch, sie bleibt neutral. Aber wir müssen in Anbe-tracht dieses militärischen Konfliktes auf jeden Fall aufdie Menschen, auf die Opfer schauen, die es dort gibt.Humanitäre Hilfe ist umso notwendiger.Es ist vorbildlich, was hier Deutschland leistet. Wirhaben viel Respekt für das bekommen, was wir gesternin Addis Abeba in anderer Hinsicht angekündigt haben.Wir sind eines der stärksten Geberländer. Wenn man al-les zusammenrechnet, auch unseren Anteil an dem, wasEuropa tut, kommen wir auf einen Betrag von 100 bis120 Millionen US-Dollar. Ich finde, Deutschland musssich nicht verstecken, sondern Deutschland kann wirk-lich sagen: Wir verhalten uns international in jeder Hin-sicht vorbildlich. Deswegen möchte ich sagen: Ich ver-stehe, dass Sie da und dort Kritik üben, aber ich denke,in Wahrheit teilen Sie in der Substanz die Mali-Politikder Bundesregierung. Ich finde, das ist für keinen vonuns zum Schaden.Vielen Dank.
Jetzt hat Barbara Hendricks das Wort für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Erinnern wir uns noch? Im März 2001 wurden in derStadt Bamiyan im Zentrum Afghanistans die größtenstehenden Buddha-Skulpturen zerstört. Erst dadurchwurden wir in Mitteleuropa auf das ständige Elend auf-merksam, das dort herrschte. Im Juni des vergangenenJahres wurden in Timbuktu die seit 1988 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden antiken Mausoleen zu einemgroßen Teil zerstört. Auch da wurden wir erst darauf auf-merksam, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde es völligrichtig und eine wirklich hervorragende Idee derUNESCO, diese Weltkulturerbestätten zu benennen, sieuns allen ins Gedächtnis zu rufen, weil damit klar wird,dass es immer und zu allen Zeiten in allen Regionen derWelt herausragende kulturelle Leistungen gegeben hatund sicher auch weiterhin geben wird. Zu denken gebenmuss uns aber doch der Sachverhalt, dass wir alleindurch das alltägliche Elend der Menschen nicht mehraufmerksam werden, sondern dass wir erst dann auf-merksam werden, wenn kulturelles Erbe zerstört wird.Dies wird an diesen beiden Beispielen deutlich.Wir sehen, dass wir natürlich manchmal zu spät re-agieren und dass dann manchmal nur noch der Auswegbleibt, militärisch zu intervenieren. Ich will ausdrücklichsagen, dass ich die Intervention der französischenFreunde begrüße. Ich glaube, dass es in dieser Situationkeine andere Chance gab, und doch haben wir alle in dereuropäischen Staatengemeinschaft uns vorzuwerfen,dass wir nicht früher aufmerksam geworden sind.Wir haben auch darüber nachzudenken, ob wir dennjetzt und aktuell die Schwerpunkte richtig setzen. Ja, esist richtig, dass wir in kurzer Zeit, in der Geberkonferenzgestern, rund 300 Millionen Euro für die notwendige mi-litärische Mission eingesammelt haben, durch die in derTat auch die afrikanischen Staaten und die afrikanischenSoldaten aus der Nachbarschaft befähigt und in denStand gesetzt werden sollen, diese Mission auch in Malizu erfüllen. Es ist richtig, dass wir dafür Geld einsam-meln. Das ging ziemlich schnell. Es spricht nichts dage-gen, aber das kann es nicht alleine sein.Was ist denn auf der anderen Seite? Dort werden Neu-wahlen vorbereitet, die für den Sommer dieses Jahres insAuge gefasst worden sind. Die müssen noch abgesichertwerden. Wenn denn alles gut wird, muss sowieso derProzess hin zu einer friedlichen Entwicklung eingeleitetund abgesichert werden, und es muss natürlich auch eineEntwicklung in der Region, nicht nur in Mali, sondernauch in Niger, in Mauretanien, in Algerien, in BurkinaFaso, eingeleitet werden, die zu einer Stabilisierung die-ser ganzen westafrikanischen Region und der Sahelzonebeiträgt.Das liegt in unserem höchsteigenen Interesse, schonallein wenn wir bedenken, dass seit einigen Jahren zumBeispiel die Menschenschmuggel- und Drogenschmug-gellinien von Südamerika über Westafrika nach Europagehen. Das sind Wege, die uns vorher gar nicht so be-kannt waren, die aber jetzt so verlaufen. Das führt natür-lich auf der einen Seite auch zu einer weiteren Destabili-sierung der Region Westafrika; auf der anderen Seite istes natürlich auch eine Bedrohung für unsere europäischeöffentliche Ordnung. Ich glaube, dass wir in dieser Hin-sicht noch ganz viel zu tun haben werden und dass sichdies nicht nur auf Mali bezieht.Also: Wir werden dafür zu sorgen haben, dass wir dieWahlen vernünftig absichern können. Dafür brauchen wirauch eine finanzielle Unterstützung, und dafür brauchenwir so bald als möglich auch wieder zivile Helferinnenund Helfer vor Ort, die, wie ich verstehe, im Moment inschwierigen Gefährdungslagen abgezogen worden sind.Diese Helferinnen und Helfer müssen dort bald wiedereingesetzt werden. Nach meiner Auffassung müssen wirauch sowohl die sektorale Budgethilfe als auch die Bud-gethilfe allgemein so rasch als möglich wieder instandsetzen.
Diese ist ja seit dem Putsch aufgehoben worden. Das istetwas, das die Bundesregierung ganz alleine machenkann.
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27042 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Dr. Barbara Hendricks
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Natürlich geht es, wenn das Militär auch finanziellabgesichert ist, was ich begrüße, darüber hinaus darum,dass so etwas wie gute Regierungsführung im zivilenBereich möglich ist und ebenfalls von uns unterstütztwird. Es ist dringlich, damit wieder anzufangen, sobalddies auch die militärische Sicherheitslage erlaubt.Ich denke, wir haben noch eine Menge Aufgaben voruns, die wir erahnen und von denen wir wissen, dass sienoch erledigt werden müssen. Ich fürchte, dass sie viel-leicht auch wieder vergessen werden, wenn nicht wiederKulturerbestätten zerstört werden.Herzlichen Dank.
Für die CDU/CSU hat nun Philipp Mißfelder das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kollegen! Ich möchte zunächst dem, wasFrau Hendricks gesagt hat, zustimmen. Auch ich glaube,dass es, wenn wir uns in dieser Aktuellen Stunde mitAfrika beschäftigen, zur Ehrlichkeit dazugehört, festzu-halten, dass gerade die Mali-Debatte in den vergangenenWochen etwas verzerrt geführt worden ist. Durch dasgroße militärische Engagement der Franzosen ist näm-lich auf einmal das Interesse der Weltöffentlichkeit, wasMali angeht, da, wenngleich man sagen muss: Das Pro-blem existiert schon längere Zeit.Ich glaube, auch darin sind wir uns alle einig: Keinervon uns glaubt, dass durch Flugzeuge, egal ob zwei oderdrei, oder durch ein, was wir nicht wollen, wesentlichgrößeres militärisches Engagement dieser Konflikt auchnur im Ansatz gelöst werden könnte. Hier gilt wie füralle Militäreinsätze der Bundeswehr: maximal Zeit ge-winnen, um politische Lösungen voranzutreiben. In die-sem Zusammenhang muss ich auch einen Punkt offenansprechen: Auch wenn ich Frankreich sehr, sehr starkunterstütze und das französische Engagement für sehrehrenhaft halte, geht es in erster Linie darum, mit we-sentlich größerem Engagement an der politischen Kon-zeption, wie es in Mali weitergehen soll, zu arbeiten.Das ist, glaube ich, auch eine der Lehren, die wir ausdem Afghanistan-Einsatz ziehen. Wir debattieren jamorgen grundsätzlich darüber, ob wir uns stärker mit derFrage des politischen Rahmens von Militäreinsätzen be-schäftigen müssen.Ob die Franzosen selber dem gerecht werden, kannich so nicht beurteilen, weil in Frankreich eine andereTradition von Militäreinsätzen vorhanden ist als bei uns,insbesondere was militärisches Engagement in Afrikaangeht. Umso mehr kann ich nur für unsere Haltungwerben. Wir nehmen nämlich nicht nur das ernst, wasdie Menschen in unserem Volk über weitere Militärein-sätze denken, sondern wir stehen vor dem Hintergrundeiner Parlamentsarmee in unseren Wahlkreisen auch im-mer unter Rechtfertigungsdruck und müssen uns deshalbjede einzelne Entsendung eines Soldaten vorher gutüberlegen.
Wir sind vielleicht nicht so wendig und flink wie anderean der Stelle, aber wir überlegen uns das vorher sehr gut.Das ist auch eine Lehre aus Afghanistan. Erst unser frü-herer Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der auchanwesend ist, hat ja damit begonnen, um den Afghanis-tan-Einsatz herum eine politische Konzeption aufzu-bauen. Guido Westerwelle und Thomas de Maizière lei-ten heute den Abzug aus Afghanistan ein. Eine Lehreaus dieser schwierigen Mission ist, dass es ein Fehlerwar, sich vorher nicht zu überlegen, wie man nachherwieder herauskommen will.Diejenigen, die jetzt in Mali am Straßenrand den fran-zösischen Truppen zujubeln, werden vielleicht zu einemspäteren Zeitpunkt dieselben Soldaten als Besatzer emp-finden,
wenn man dem Konflikt nicht politisch und zivil ge-nauso viel Aufmerksamkeit widmet, wie das jetzt gerademilitärisch getan wird. Ich glaube, dass ist auch der Kernder heutigen Diskussion.Ich bin Ihnen, Frau Hendricks, auch so dankbar, weilSie zu Recht darauf hingewiesen haben: Man darf sichnicht nur um Mali kümmern, wenn spektakuläre Ereig-nisse wie die Zerstörung von Weltkulturerbe stattfinden,sondern das bleibt für uns auch über die militärischeAuseinandersetzung, die jetzt sehr zügig vorangeht, hi-naus eine sehr wichtige Aufgabe. Das passt auch zurKonzeption unserer Bundesregierung, weil sie zu Rechteinen Schwerpunkt darauf legt, wie wir unsere Partner inpolitischer Hinsicht möglichst gut unterstützen können,aber auch darauf, wie wir sie in militärischer Hinsicht sostark machen können, dass sie in der Lage sind, sich sel-ber zu helfen.Dabei ist übrigens das Engagement, das wir jetzt inAfrika durchführen, um zum Beispiel befreundete Län-der in der Ausbildung zu unterstützen, nur ein Anfang.Es gehört insofern auf den Prüfstand, als wir sagen:Wenn weiteres Engagement bei Konflikten in Afrikaauch seitens der Öffentlichkeit in Deutschland eingefor-dert wird, dann kann das ein Beitrag sein, Partnern be-hilflich zu sein, ihre eigenen Truppen zu ertüchtigen,oder zu überlegen, was die Bundeswehr in dem Rahmenleisten kann, bevor man kopflos in einen Wüstenkriegläuft, dessen Ende keiner von uns überblicken kann,meine Damen und Herren.
Ich glaube auch – Kollege Stinner hat es kraftvoll ge-sagt –, dass wir sehr solidarisch sind. Das ist unterHelmut Kohl immer als Scheckbuchdiplomatie verun-glimpft worden. Wenn man aber auf 60 Jahre Geschichteder Bundesrepublik zurückblickt, sind wir, glaube ich,gut damit gefahren, dass wir, auch wenn wir Vorbehaltegegen militärische Einsätze haben, unsere Partner trotz-dem nicht im Regen stehen lassen, sondern mit den hart
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Philipp Mißfelder
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erwirtschafteten Steuergeldern in Deutschland verant-wortungsbewusst umgehen, indem wir sie zur Verfügungstellen. Deutschland hat sich nicht weggeduckt, sondernbei der Geberkonferenz geglänzt. Deutschland steht mitvorne, wenn es darum geht, ziviles Engagement dauer-haft voranzubringen.Ich bin froh, dass der Einsatz der Franzosen so gut vo-rankommt. Gleichzeitig bleiben unsere Zweifel, wasweiteres militärisches Engagement aus deutscher Sichtangeht. Ich fordere uns alle auf, nicht nur im Zusammen-hang mit dieser Aktuellen Stunde an Mali zu denken,sondern auch dann, wenn die Franzosen militärisch ob-siegt haben.Herzlichen Dank.
Rainer Arnold hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Debatte über Mali hätte auch eine Chance für eineinnenpolitische Diskussion geboten; denn ich glaube,dass wir am Beispiel Mali den Diskurs über die Frage,welche Rolle und welche Verantwortung Deutschland inder Welt hat, nicht abstrakt, sondern sehr konkret führenkönnten.
Dass wir hier Defizite haben, wissen wir alle. Der Vertei-digungsminister bemängelt sie auch gelegentlich.Herr Außenminister, es war im Prinzip in Ordnung,was Sie heute gesagt haben. Aber wir können Ihnen na-türlich nicht den Hinweis ersparen: Sie wollten diesenDiskurs in Wirklichkeit vermeiden. Die Bundesregie-rung hat wochenlang abgewartet, war sich nicht schlüs-sig und hat sich teilweise sogar abwehrend verhalten.
– Kollegen, Sie schütteln den Kopf. Ich kann Ihnen dieZitate Ihrer Sprecher dazu vorlesen, wenn Sie Freude da-ran haben. – Der Außenminister hat noch an dem Tag, andem sich die Bundesregierung endlich der Verantwor-tung gestellt hat, morgens erklärt, er schließe einen Ein-satz aus.
Das ist die Wirklichkeit. Er hat noch die Kurve bekom-men; das war notwendig. Es handelt sich eben um keineeinfachen Debatten. Deshalb schweigt die Kanzlerinmeistens bei solchen Themen.Die Linken versuchen wieder einmal, Dinge in einenTopf zu werfen, die nicht miteinander zu vergleichensind. Mali wird nicht wie Afghanistan.
In Mali müssen wir vielmehr die Lehre aus Afghanistanziehen, und zwar in zweifacher Hinsicht.Die erste Lehre ist: Man darf nicht zuschauen, wie vorder eigenen Haustür ein Terroristenstaat entsteht, derDschihadisten aus der halben Welt und Menschen mitkrimineller Energie Rückzugs- und Ausbildungsraumbietet. Dadurch wird letztendlich auch unser Leben ge-fährdet. Die Terroristen dort haben in der Tat nicht nureine regionale, sondern auch eine globale Agenda. InAfghanistan hat man zu lange zugeschaut.Die zweite Lehre ist: Zu glauben, dass Aufständischeund Rebellen weg sind, wenn man sie vertreibt, ist einIrrtum.
Sie sind nicht weg, sondern nur woanders. Die vielschwierigere und größere Herausforderung, als einenKonflikt militärisch zu entscheiden, ist möglicherweise,ein Land nachhaltig zu stabilisieren. Die zweite Lehreaus Afghanistan lautet daher: Es ist schwierig, mit vielenSoldaten, von außen kommend, ein Land zu stabilisierenoder sogar Nation Building zu betreiben. Wenn man andiesem Ansatz festgehalten hätte, wäre man in Afghanis-tan wahrscheinlich gescheitert. Im Irak ist er ja gründlichgescheitert. Deshalb ist es richtig, folgende Lehre zu zie-hen: Örtliche Sicherheitsarchitekturen und regionale Si-cherheitsbündnisse sind zu stärken und zu qualifizieren,beispielsweise durch Ausbildung. Natürlich könnte manmit einer vereinfachten Debatte in Deutschland weiter-kommen; aber zur Ausbildung gehört natürlich auch dieVerantwortung für eine entsprechende Ausstattung. Esist nicht von vornherein ein ethisch einwandfreiererWeg, jemanden auszubilden, ihm Geld zu geben und zusagen: Kauf die Dinge, die du brauchst, woanders.All dies gehört zu einer kohärenten Politik. Darübermüssen wir in Deutschland diskutieren. Dann werdenwir, glaube ich, auch Vertrauen in der Gesellschaft fürdiesen Weg finden. Die Menschen merken schon, dassunsere Interessen durch die Situation in Mali massiv tan-giert sind.Eine weitere Frage lautet: Brauchen wir ein Mandatoder nicht? Ich glaube, dass es sich bei den hier infragestehenden zwei Flugzeugen um einen Grenzfall handelt.Meine Prognose lautet: Wir werden in den nächsten Wo-chen scheibchenweise über weitere Möglichkeiten derlogistischen Unterstützung diskutieren. Das stärkt dieGlaubwürdigkeit und das Vertrauen nicht, wenn dasscheibchenweise geschieht.
Dass Sie kein Mandat eingefordert haben, ist ein Ver-such, abzutauchen und die Debatte in der Öffentlichkeitund im Bundestag zu vermeiden; schließlich stand einWahltermin an. Das rächt sich in zweifacher Hinsicht.Wer das Verfassungsgerichtsurteil zu den AWACS-Ein-
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Rainer Arnold
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sätzen genau liest, stellt vielleicht fest, dass es sich umeinen Grenzfall handelt. Die Richter sagen aber auch:
Im Zweifelsfall gilt eine parlamentsfreundliche Interpre-tation des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.Aber viel schlimmer ist für mich die politische Di-mension. Ihr Weg führt dazu, dass sich die Regierung beimanchen Anforderungen ganz schnell hinter dem Deut-schen Bundestag versteckt. Es wurde schon angedeutet,dass man froh ist, nicht allen Forderungen nachgeben zumüssen. Keiner von uns will Soldaten in den Kampfschicken, Herr Außenminister. Diese mannhafte Abwehreines Kampfeinsatzes in allen Ehren, aber niemand hierwill einen Kampfeinsatz, und niemand von uns hat ihngefordert. Sinnvoll ist aber logistische Unterstützung,vielleicht nicht nur eingeschränkt auf einen Flugplatz. Essind ja auch andere Landesteile befriedet. Wenn man dieGerätschaften auf einen Flugplatz dieser befriedetenLandesteile bringt, braucht man sie nicht noch 2 000 Ki-lometer auf dem Landweg zu befördern. All das ist nichtganz glücklich und passt nicht gut zusammen.Meine Sorge ist, dass, weil wir keinen Parlamentsbe-schluss haben, bei unseren Partnern wiederum der Ein-druck entsteht, der deutsche Parlamentsvorbehalt verhin-dere einen verantwortungsvollen Umgang Deutschlandsmit der Frage, ob ein militärischer Einsatz erfolgen oderlogistische Hilfe geleistet werden soll. Das schadet unse-rem Ansehen, und das schadet auch dem Parlamentsvor-behalt. Wenn Sie einen Beschluss haben wollen, dannholen Sie ein Mandat des Deutschen Bundestags ein. Ichglaube, Sie würden im Fall von Mali eine breite Zustim-mung dazu erhalten.Ein letzter Gedanke. Wir wissen – das wurde schonöfters angesprochen –, dass Militär allein die Problemenicht lösen kann. Es hält nur ein Zeitfenster für die ande-ren Akteure offen. Richtig ist aber auch: Mali ist einStaat, der in den letzten 15 Jahren auf einem vernünfti-gen Weg war. Mali hat demokratische Fortschritte ge-macht und in den letzten Jahren ein Wirtschaftswachs-tum von über 5 Prozent gehabt. Letztlich wissen wir alle:Der Schlüssel für Stabilität in diesen fragilen Regionenist ein ganz einfacher, nämlich –
Herr Kollege.
– ich bin fertig –, dass Menschen dort eine Zukunfts-
chance haben müssen. Sie müssen etwas zu verlieren ha-
ben. Dann sind sie für fundamentalistische Ideen nicht
mehr empfänglich. Das muss das langfristige Ziel auch
in Mali sein.
Herzlichen Dank.
Marina Schuster hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eines zeigt die Aktuelle Stunde ganz deutlich: Man darfdie Problemlage in Mali nicht unterschätzen. Eine wei-tere Erkenntnis ist: Die Problemlage ist nicht neu. DieVorredner sind ja darauf eingegangen. Es hat sich eineZuspitzung der Situation angebahnt. Es ist deswegennicht aufrichtig von Ihnen, Kollege Arnold, dass Sie denEindruck erwecken, wir würden hier das erste Mal da-rüber reden. Wir haben in den Ausschüssen in vielen Sit-zungen das Problem Mali und der Region sehr wohl be-handelt. Wir als Parlament müssen uns immer wiedervergewissern, was die richtigen Schritte sind und welcheSchritte gewählt werden sollen. Insofern ist es richtig,dass wir die Beratungen anberaumt haben und die Ak-tuelle Stunde durchführen.Eines ist auch klar: Uns kann der Zerfall eines Landessüdlich des Mittelmeers, hervorgerufen durch radikal-islamistische Gruppierungen, nicht egal sein. Das ist fa-tal für die Menschen in Mali, und das bedroht auch dieSicherheitsinteressen von Deutschland und Europa. Wirstellen also ganz klar fest: Wir verurteilen die Terrorakteder Islamisten. Ich sage aber auch ganz klar: Wir habenmit großem Erschrecken die Medienberichte über Men-schenrechtsverletzungen der malischen Regierungstrup-pen zur Kenntnis genommen. Deswegen begrüße ichsehr, dass der Internationale Strafgerichtshof auf Einla-dung der malischen Regierung schon letztes Jahr Vor-ermittlungen aufgenommen hat und jetzt auch ermittelt;denn alle grausamen, uns berichteten Menschenrechts-verletzungen müssen aufgearbeitet werden, müssen an-geklagt werden. Es darf keine Straffreiheit geben.
Ein weiterer Punkt, der schon mehrmals erwähnt wor-den ist, ist die humanitäre Situation. Schauen wir uns dieaktuellen Zahlen und Schätzungen des UNHCR an: Eswird mit weit mehr als 500 000 Menschen gerechnet, diein Mali selber, aber auch in Nachbarländern, in BurkinaFaso, in Mauretanien, in Niger und in Algerien, Schutzgesucht haben oder noch Schutz suchen werden. In Maligibt es allein 260 000 Binnenflüchtlinge. Das machtschon deutlich, dass die großen Herausforderungen auchdann noch bewältigt werden müssen, wenn die Militär-mission zu Ende ist; dann muss die politische Kompo-nente nochmals stark in den Vordergrund gerückt wer-den. Ich freue mich, dass der Außenminister das ganzdeutlich angesprochen hat. Ohne diesen politischen Pro-zess, ohne die Roadmap, die jetzt von malischer Seitevorgelegt worden ist, wird es keine dauerhafte Lösunggeben. Insofern bin ich sehr froh, dass das ein ganzwichtiger Schwerpunkt ist.Es muss Verhandlungen mit dem Norden geben. AuchWahlen sind in Aussicht gestellt worden. Diesbezüglich,glaube ich, ist Vorfreude zu früh. Wir haben oft genugerlebt, dass Wahlen zwar mit großer Vorfreude erwartetworden sind, dass aber dann die große Ernüchterung ein-getreten ist, dass eben kein Automatismus hin zu Rechts-
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Marina Schuster
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staat und Demokratie und stabilen Verhältnissen folgte.Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, dass wir diese Si-tuation ganz konsequent politisch bearbeiten.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist dieSituation in der Region. Viele Vorredner sind ebenfallsdarauf zu sprechen gekommen: Es geht ja nicht nur umdie Probleme in Mali, sondern auch darum, dass dieKämpfer sich in verschiedene Nachbarländer zurückzie-hen werden, in weite Gebiete, die sowieso schon kaumunter staatlicher Kontrolle sind. Insofern ist hier die Auf-forderung an ECOWAS, an Algerien, an Libyen zu rich-ten, dass man zusammen mit der malischen Regierungan einer Problemlösung arbeitet. Die regionale Dimen-sion – wir werden morgen Nachmittag noch einmal eineDebatte dazu führen – ist nämlich eine ganz wichtigeKomponente, die man nicht aus dem Auge verlierendarf.Der letzte Punkt. Ich bin sehr froh, dass bei der Ge-berkonferenz ein deutliches Signal der Unterstützung er-folgt ist. Letztendlich ist es eine Summe von Maßnah-men, die sozusagen im Portfolio sind. Natürlich ist diehumanitäre Hilfe unparteiisch, sie ist neutral; das ist jaauch ganz wichtig. Auch deswegen ist es so wichtig,dass die humanitären Hilfsorganisationen einen ungehin-derten Zugang zu den Zivilisten haben, auch in den um-kämpften Gebieten. Daher geht mein Appell an die Kon-fliktparteien, diesen Zugang sicherzustellen.Die Bundesregierung ist auf dem richtigen Weg,wenn sie den politischen Prozess in den Vordergrundrückt und die afrikanischen Partner zum einen darin un-terstützt, dass diese Mission ein afrikanisches Gesichtbekommt, und zum anderen dahin gehend, dass die afri-kanische Problemlösungskomponente gestärkt wird. Dasind wir auf dem richtigen Weg. Ich finde es gut, dasswir diese Debatte heute führen, um die Problemlagendarstellen zu können. Noch einmal: Wir unterstützen dieBundesregierung auf diesem Weg.Vielen Dank.
Florian Hahn hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Lieber Herr Kollege Gehrcke, ich möchte kurzetwas zu Ihrem Beitrag von vorhin sagen.
Sie haben gesagt, dass Sätze, die mit „Unsere Freund-schaft zu …“ beginnen, immer negativ enden. Ichmöchte an dieser Stelle sagen: Unsere Freundschaft zuAmerika, unsere Freundschaft zu Frankreich hat uns inDeutschland die Freiheit, die Wiedervereinigung und inEuropa dauerhaften Frieden gebracht; das sollten wirnicht vergessen.
Nun aber zum eigentlichen Thema. Als Rebellengrup-pen in Mali mit Beginn des Jahres 2013 überraschendund erfolgreich weiter in Richtung Süden vorrücktenund ein Vormarsch bis in die Hauptstadt Bamako drohte,griff Frankreich am 10. Januar militärisch ein. So konn-ten ein totaler Zusammenbruch Malis und die Etablie-rung eines terroristischen Stützpunktes vor der HaustürEuropas verhindert werden.Das schnelle und couragierte Eingreifen Frankreichswar und ist konsequent und richtig. Ich möchte mir nichtdie Folgen ausmalen müssen, was los gewesen wäre,wenn unser Partner nicht eingegriffen hätte. Schön ist– das sei an dieser Stelle gesagt –, dass auch Frau Müller– sie ist inzwischen leider gegangen – das mittlerweilebegrüßt. Sie war am 14. Januar dieses Jahres noch gegenein militärisches Eingreifen und hat dieses abgelehnt.Lieber Rainer Arnold, du kritisierst immer, die Bun-desregierung sei zu zögerlich gewesen. Das kann ich sonicht sehen; schließlich haben wir bereits am 16. Januarentschieden, bei der Verlegung von ECOWAS-Kräftenim Rahmen der Operation AFISMA logistisch mitTransall-Maschinen entsprechend zu unterstützen. Ichmöchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dass es deinKanzlerkandidat und dein Fraktionsvorsitzender waren,die in dieser Zeit immer wieder gesagt haben, was allesnicht geht, statt zu sagen, was wir zu tun bereit sind undwie viel das wert ist. Beispielsweise schreibt newsticker.sueddeutsche.de am 19. Januar 2013 – ich habe es geradeherausgesucht – in einer Überschrift: „Mali: Steinbrückgegen stärkeres deutsches Engagement in Mali“. Stattuns vorzuwerfen, dass wir hier viel zu zögerlich gewe-sen wären, richte diesen Vorwurf doch bitte an deine ei-genen Kameraden.
Wir werden insgesamt 75 deutsche Soldaten der Bun-deswehr in den Einsatz bringen müssen. Des Weiterenbeteiligen wir uns finanziell in großem Maße an dieserOperation.Unsere Bundeskanzlerin hat bereits sehr früh, näm-lich im Oktober letzten Jahres, die UnterstützungDeutschlands in einer koordinierten europäischen Mis-sion zur Stabilisierung Malis zugesichert. Wir setzendies nun konsequent und mit den richtigen Mitteln zu-sammen mit unseren Partnern um. Dies ist auch drin-gend geboten: Die Gefahr, die von einem islamistischdominierten Mali ausgehen würde, darf nicht unter-schätzt werden; das wäre verheerend für die gesamte Sa-helzone.Neben der politischen Verantwortung, die wir bereitsind mit unseren Partnern zu tragen, sind wir fest ent-schlossen, der flüchtenden Bevölkerung humanitäreHilfe zukommen zu lassen. Es liegt nun an uns, die afri-kanischen Kräfte bei der Etablierung von staatlichenStrukturen zu unterstützen. Ein instabiles Mali hat weit-reichende Auswirkungen auf Nordafrika. In der Regionbefinden sich viele Länder in instabiler Lage. Es besteht
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Florian Hahn
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die Gefahr, dass sich ein Flächenbrand entwickelt undweitere anliegende Staaten angesteckt werden.Mali könnte sich außerdem zu einem Sprungbrett fürtransnationalen Terrorismus entwickeln. Die Vakanzstaatlicher Gewalt hat der organisierten Kriminalität, ter-roristischen Aktivitäten und dem Waffenhandel in dieHände gespielt. Das hatte bereits negative Konsequen-zen für die Sicherheit Europas und Deutschlands. Wie zulesen war, sind bereits 50 Personen der islamistisch-ter-roristischen Szene allein aus Deutschland in den NordenMalis gereist, vermutlich, um sich dort ausbilden zu las-sen. Diese Tatsache zeigt, dass wir auch direkt betroffensind.Die französische Intervention ist nicht auf Dauer aus-gelegt. Das haben die Franzosen von Anfang an klarge-macht. Die Verantwortung muss daher absehbar an diemalische Regierung und die afrikanischen Truppen über-geben werden.Aktuell wird neben der logistischen Unterstützung eindeutscher Beitrag für die Ausbildung der malischen Si-cherheitskräfte vorbereitet.Insgesamt zeigt sich, dass Deutschland als verlässli-cher Bündnispartner einmal mehr schnell und angemes-sen gehandelt hat. In Mali leisten wir einen starkenBeitrag, ähnlich wie das Vereinigte Königreich. In derTürkei sind die Patriot-Systeme zum Schutz unseresBündnispartners so gut wie einsatzbereit. Wir sind wei-terhin am Horn von Afrika, in Afghanistan und im Ko-sovo mit vielen Soldaten im Einsatz. Dabei dürfen wirnicht vergessen, dass die Kapazitäten unserer Bundes-wehr auch Grenzen haben.Abschließend wünsche ich unseren Soldatinnen undSoldaten in den Einsätzen und zu Hause alles Gute undGottes Segen.Herzlichen Dank.
Anita Schäfer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Das Eingreifen unserer französi-schen Freunde in Mali vor drei Wochen hat gerade nochverhindert, dass die islamistischen Gruppen vom Nordendes Landes aus in Richtung der Hauptstadt vorstoßenkonnten. Mittlerweile haben sie diese gemeinsam mitden malischen Streitkräften aus den meisten Städten ver-trieben, die sie in den letzten Monaten besetzt hatten.Wir sehen nun die Auswirkungen der fanatischenIdeologie von al-Qaida im Maghreb und der mit ihnenverbündeten islamistischen Tuareg-Rebellen: Bereits vorlängerer Zeit hat uns die Zerstörung der zum Weltkultur-erbe gehörenden historischen Sufi-Schreine in Timbuktuempört. Dies erinnerte uns an die Sprengung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch die Taliban in Afghanistan,wobei die Moscheen und Heiligengräber von Timbuktuauch noch zum großen Erbe der islamischen Kultur inNordafrika selbst gehören, aber eben nicht in die eng-stirnige Religionsauslegung der Extremisten passten,ebenso wenig wie die unersetzlichen mittelalterlichenHandschriften, die sie Berichten zufolge bei ihremRückzug aus Timbuktu mutwillig verbrannt haben. Abersoeben konnte ich im Ticker lesen, dass zum Glück derüberwiegende Teil davon gerettet werden konnte.Wie in Afghanistan hat die Welt die Zerstörung vonKulturgütern in Mali beklagt, aber weitgehend hilfloszugesehen und damit zugelassen, dass die Menschen inden besetzten Gebieten auch körperlich unter dem ihnenaufgezwungenen rigiden islamischen Recht litten. Esreicht also nicht, Verbrechen gegen die Kultur anzupran-gern, wenn dem absehbar Verbrechen gegen dieMenschlichkeit folgen; denn wer Gräber schändet, obhier bei uns in Deutschland oder in Mali, der schlägtbald auch die Lebenden tot, die in seiner Ideologie kei-nen Platz haben.
Wir sehen jetzt Berichte von Gräueltaten an echtenoder vermeintlichen Islamisten und ihren Kollaborateu-ren durch Malier, die Rache suchen. Wir sehen die Ver-rohung, die Fanatismus, Gewalt und Menschenrechts-verletzungen einer Seite über eine ganze Gesellschaftbringen. Und wir fragen uns: Hätten wir das nicht ver-hindern können?Es stimmt zwar: Wir können nicht überall auf derWelt intervenieren, wo so etwas geschieht, nicht mit un-seren zivilen und nicht mit militärischen Mitteln, nichtals Bundesrepublik Deutschland, nicht als EU und nichtals NATO, in der Realität nicht einmal als Vereinte Na-tionen, wenn gegensätzliche Interessen im UN-Sicher-heitsrat dies verhindern. Und: Die rigide Rechtspre-chung der Islamisten, die wir in Mali beklagen, ist inmanch anderem Land gang und gäbe. Wir erkennen an,dass Politik die Kunst des Machbaren ist und Realitätenfolgen muss. Dazu gehört auch, dass die Lösung für Maliein afrikanisches Gesicht haben muss. Wir wollen nicht,dass uns europäisches Engagement den Vorwurf desNeokolonialismus einträgt.Allerdings: Engagement wird zweifellos dort erfor-derlich, wo auch unsere eigenen Interessen im Kern be-rührt sind. Wir können nicht zulassen, dass in Mali einweiterer gescheiterter Staat entsteht, den internationalagierende Terroristen als Operationsbasis auch gegenEuropa nutzen können. Hätten die Franzosen nicht ge-handelt, müssten wir uns aller Wahrscheinlichkeit nachjetzt genau damit auseinandersetzen. Natürlich wäre eswünschenswert gewesen, wenn Europa als Ganzes hättehandeln können. Hier, meine Damen und Herren, seheich noch Handlungsbedarf. Aber in der schnellen Anpas-sung der Pläne für die EU-Ausbildungsmission zeigensich trotz allem Fortschritte in der Gemeinsamen Sicher-heits- und Verteidigungspolitik.Auch wir werden uns an dieser Mission zur Ausbil-dung der malischen Truppen beteiligen. Der Bundestag
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013 27047
Anita Schäfer
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wird dem in Kürze dafür zu erwartenden Mandat zwei-fellos mit großer Mehrheit zustimmen – wenn ich denndie Stimmen aus der Opposition richtig deute, die dieBundesregierung wiederholt zur Solidarität mit unseremeuropäischen Partner gedrängt haben. Wir tragen nichtzuletzt zu einer Lösung mit afrikanischem Gesicht bei,indem wir die malischen Truppen zur Übernahme der Si-cherheitsverantwortung für ihr eigenes Land befähigen,wie wir das entsprechend auch in Afghanistan getan ha-ben und noch tun. Bereits jetzt unterstützen wir die fran-zösische Operation und den Aufbau der westafrikani-schen Eingreiftruppe mit drei Transportflugzeugen undprüfen Materialabgaben zur Ausstattung der Afrikaner.Ich fände es gut, wenn unsere Partner, wenn sie umunsere Solidarität bitten, zunächst einmal ein schlichtes„Ja, wir helfen euch“ als Antwort bekämen. Über allesandere – ob Kampftruppen oder nicht, ob Zertifizierungvon Tankflugzeugen usw. – kann man dann anschließendreden. Aber wir leisten den uns möglichen Beitrag undsuchen nach Wegen, diesen im Rahmen des politischSinnvollen zu optimieren. Ich hoffe, dass der Bundestagdie Regierung dabei unterstützen wird. Die CDU/CSU-Fraktion wird es tun.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonnenen
Einsichten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 31. Januar 2013,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.