Protokoll:
17197

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 197

  • date_rangeDatum: 17. Oktober 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:08 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/197 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 197. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Be- richt des unabhängigen Expertenkreises An- tisemitismus – Antisemitismus in Deutsch- land – Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze (Drucksache 17/7700) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 23731 A 23731 B 23733 A 23734 C 23735 B 23736 C 23737 C 23738 B 23739 D 23741 A 23741 B 23742 C 23743 D 23744 A 23744 D 23744 D 23745 A 23745 A 23745 C 23745 C 23745 D 23745 D 23746 A 23746 B 23746 C 23746 C 23747 A 23747 A 23747 B 23747 D 23748 A 23748 A 23748 B 23748 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 17/10967) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Nationales und europäisches Verbot meh- rerer als fortpflanzungsgefährdend und re- protoxisch eingestufter Phthalate Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Frank Schwabe (SPD) Vertretbarkeit des Fracking-Verfahrens nach den Ergebnissen der Studien des BMU und des Landes NRW; geplante ge- setzliche Änderung des Rechtsrahmens Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Frank Schwabe (SPD) Entscheidungen der EU zum Umgang mit Öl aus Teersanden und deutsche Position Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 11 Marco Bülow (SPD) Konsequenzen aus dem europäischen AKW-Stresstestbericht für die europäi- sche Sicherheit von Atomkraftwerken Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 12 Marco Bülow (SPD) Folgen aus der im Rahmen der europawei- ten AKW-Stresstests erfolgten Feststellung einer Häufung von Schwächen bei Atom- kraftwerken in Frankreich Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Marco Bülow (SPD) Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 13 Manfred Nink (SPD) Auswirkungen von Erkenntnissen im Rah- men des europäischen Stresstests für Atom- kraftwerke auf die deutsche Risikobewer- tung für das französische Atomkraftwerk Cattenom Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Manfred Nink (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Manfred Nink (SPD) Initiierung eines Clubs der Energiewende- staaten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Manfred Nink (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Überlegungen der Bundesregierung betref- fend die Möglichkeit einer europäischen Lösung zur Endlagerung radioaktiver Ab- fälle anstatt einer nationalen Einlagerung 23748 D 23748 D 23749 A 23749 B 23749 D 23749 D 23750 B 23750 B 23750 D 23751 A 23751 A 23751 C 23751 C 23752 B 23752 C 23752 D 23753 A 23753 C 23753 D 23754 C 23754 D 23755 C 23755 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 III Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 16 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Stand der Diskussion über eine europäi- sche Lösung für radioaktive Abfälle Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Mündliche Frage 17 Dr. Matthias Miersch (SPD) Vorlage eines Gesetzentwurfs zur bundes- weiten Suche nach einem Atommüllend- lager Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 18 Dr. Matthias Miersch (SPD) Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und des Deutschen Bundestages an der Er- arbeitung eines Gesetzentwurfs zur Endla- gersuche für radioaktive Abfälle Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Ute Vogt (SPD) Aussage von Bundeskanzlerin Merkel vor dem Untersuchungsausschuss des Deut- schen Bundestages zur Erkundung des Standorts Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Mündliche Frage 20 Ute Vogt (SPD) Für das Jahr 2013 vorgesehene Ausgaben zur Erkundung alternativer Standorte im Vergleich zu Gorleben Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 34 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewalt und Arbeitsrechtsverletzungen ge- gen Minenarbeiter im südafrikanischen Marikana Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 46 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Haltung der Landesregierungen in den neuen Ländern in der Frage der Anglei- chung des Rentensystems Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 58 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge zur Priorisierung der Förder- grundsätze der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ 23756 B 23756 B 23756 C 23756 D 23757 B 23757 C 23758 A 23758 B 23758 D 23759 A 23759 A 23759 C 23759 D 23760 A 23760 B 23760 B 23761 A 23761 B 23761 D 23762 B 23762 C 23763 C 23764 A 23764 B 23765 A 23766 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 60 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausnahmegenehmigung für den Einsatz des Rodentizids Ratron in Thüringen Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 61 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus einer US-Studie zum Anstieg des Herbizidverbrauchs durch den Anbau herbizidtoleranter gentechnisch veränderter Organismen Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 67 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erwarteter Güterschiffsverkehr auf der Havel angesichts modifizierter Ausbau- pläne Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Finanzielle Belastungen der Geringverdienerhaushalte durch die von der rot-grünen Bundesregie- rung beschlossenen Ökostromsubventionen Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) Manfred Grund (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 30 GO) Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 4 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Schritte der Bundesregierung be- züglich des Stromsparens Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 5 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Untersagung des Einsatzes der Fracking-Technologie in Trinkwasser- schutzgebieten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23766 C 23766 D 23767 C 23767 D 23768 C 23769 A 23769 D 23770 B 23770 D 23770 D 23772 B 23773 C 23775 B 23776 B 23777 C 23779 D 23781 A 23782 C 23783 D 23785 A 23785 B 23785 C 23786 B 23787 A 23788 B 23789 D 23789 B/D 23791 A 23791 D 23792 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 V Anlage 4 Mündliche Frage 6 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kontakte von Lobbyisten zum BMU zum Thema Energiewende in den letzten drei Mo- naten; Einführung eines Lobbyistenregisters Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 7 Ulrich Kelber (SPD) Zusammensetzung der Kostenpositionen der auf knapp 5,3 Cent steigenden EEG- Umlage Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 8 Ulrich Kelber (SPD) Kriterien und Zeitplan für die Prüfung der Ausnahmeregelungen für die Industrie zur Befreiung von der EEG-Umlage Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 9 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umrechnung des Anteils der erneuerbaren Energien von 40 Prozent in Terawattstunden für das Jahr 2020 im Verfahrensvorschlag von Bundesminister Peter Altmaier zum Er- neuerbare-Energien-Gesetz Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 10 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beseitigung rechtlicher Hindernisse für die Versorgung von Mietern mit in räumlicher Nähe zum bewohnten Gebäude erzeugtem EEG-/KWK-Strom Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 21 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterbrechung der Arbeiten an der vorläu- figen Sicherheitsanalyse Gorleben (VSG) zur Erarbeitung eines Endlagersuchgeset- zes; etwaiges Glaubwürdigkeitsproblem aufgrund nicht dokumentierter Vorgesprä- che Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 22 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Telefonkonferenzen auf Abteilungsleiter- ebene zwischen dem BMU und den Atom- aufsichtsbehörden im Jahr 2010 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 23 Willi Brase (SPD) Schaffung von Ausbildungsbausteinen in weiteren Ausbildungsberufen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 24 Klaus Hagemann (SPD) Auswirkungen der Finanzierungslücken beim Studierendenaustauschprogramm Erasmus, dem EU-Forschungsprogramm und dem Europäischen Sozialfonds Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23792 B 23792 C 23793 A 23793 B 23793 D 23794 A 23794 A 23794 B 23794 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 Anlage 13 Mündliche Frage 25 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Termin für die Nationale Bologna-Konfe- renz; Korrekturbedarf der Bologna-Re- form Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 26 Dr. Sascha Raabe (SPD) Entsendebedingungen und Regelung der Aufgabenübernahme des fusionierten Deutschen Entwicklungsdienstes durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 27 Dr. Sascha Raabe (SPD) Entwicklung der Anzahl der vom Deut- schen Entwicklungsdienst entsandten Mit- arbeiter und Weiterbeschäftigungsmög- lichkeiten bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 28 Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weitere Finanzierung der Vorhaben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Dadaab und Kakuma Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 29 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Widerruf oder Rücknahme von Export- genehmigungen für Rüstungsgüter und Kriegswaffen nach dem Antrag Portugals auf Hilfen aus der Europäischen Finanz- stabilisierungsfazilität Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Fragen 30 und 31 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Veröffentlichung der von der Markttrans- parenzstelle gesammelten Daten für den Benzinmarkt Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Frage 32 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Senkung des Strompreises über eine Dros- selung der Stromsteuer und Forderung nach Einführung eines Stromsteuerfreibe- trages Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 33 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung von Projekten zur Verbesse- rung des Gesundheitswesens und zur Mo- dernisierung der regionalen Verwaltung in Griechenland Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 35 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung eines vom UN-Sicherheits- rat mandatierten Einsatzes in Mali Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23795 A 23795 B 23795 B 23795 C 23795 D 23796 A 23796 B 23796 C 23797 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 VII Anlage 22 Mündliche Frage 36 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haftbedingungen in Griechenland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 37 Inge Höger (DIE LINKE) Entsorgung ausrangierter Munition in Russland vor dem Hintergrund einer Ex- plosion an Militäranlagen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 38 Inge Höger (DIE LINKE) Militärische Verstärkung Deutschlands durch die NATO im Norden des Kosovo und damit verbundene politische Strategie Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 39 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vertraulichkeitsbestimmung im deutsch- usbekischen Vertrag über die Nutzung des Militärflughafens Termes Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 40 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung finanzieller Mittel für das Passieren von Checkpoints im Rahmen des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 41 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Informationen über Verbleib und Zustand des ägyptischen Bloggers A. S. Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 42 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transparenzinitiative zur Zurückdrän- gung des Einflusses wirtschaftlicher Inte- ressen auf Entscheidungen von Exekutive und Legislative Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 43 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tonaufzeichnungen bei öffentlichen Veran- staltungen durch Bundesbehörden seit 2007 und mithilfe unbemannter Luftfahr- zeuge Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 44 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erkenntnisse über Tätigkeiten der US-Si- cherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Mord an der Polizistin Kiesewetter am 25. April 2007 Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 45 Andrej Hunko (DIE LINKE) Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von sogenannten Massendaten zur Aufklä- rung der Mordfälle des Nationalsozialisti- schen Untergrunds 23797 B 23797 C 23798 A 23798 B 23798 C 23798 D 23799 A 23799 C 23799 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 47 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Genehmigungspflicht für Anschlusstätig- keiten ausgeschiedener Regierungsmitglie- der; Vorschläge für ein verbindliches Lob- byistenregister und für mehr Transparenz im Parteiengesetz Antwort Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Frage 48 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Frage 49 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des geplanten Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Ge- schäftsverkehr auf die Rechtsposition der Auftragnehmer Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 50 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Senkung des Mehrjährigen Fi- nanzrahmens auf Kosten der mittelosteu- ropäischen Staaten als Folge der möglichen Einrichtung eines eigenen Budgets für die Euro-Zone Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Frage 51 Andrej Hunko (DIE LINKE) Analyse des Internationalen Währungs- fonds zu den Auswirkungen der Kapital- flucht aus der Peripherie der Euro-Zone Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 52 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsparung staatlicher Ausgaben als Ursa- che für die Verschlimmerung der Rezession in den Krisenstaaten der Euro-Zone Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 53 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unterschiede bei der Steuerrückvergütung von Agrardiesel für private Fahrzeuge und geplante Änderungen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 54 Willi Brase (SPD) Evaluierung der berufsvorbereitenden Bil- dungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Fragen 55 und 56 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stand der Umschulung von 5 000 Arbeits- losen zu Erziehern Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23800 A 23800 D 23801 A 23801 B 23801 C 23801 D 23802 A 23802 C 23802 D 23803 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 IX Anlage 41 Mündliche Frage 57 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zwangsarbeit von Kindern und Erwachse- nen bei der Baumwollernte in Usbekistan Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 59 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Autorinnen und Autoren der Stellung- nahme des Bundesinstituts für Risikobe- wertung zu einer französischen Studie über Fütterungsversuche mit dem gentechnisch veränderten Mais NK 603 Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Frage 62 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Teilnahme des Generalinspekteurs der Bundeswehr an einem ISAF-Targeting- Prozess Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 63 Veronika Bellmann (CDU/CSU) In den Aktionsprogrammen I und II geför- derte Mehrgenerationenhäuser Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Mündliche Frage 64 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Von ausländischen Behörden eingefor- derte Bußgelder wegen unterschiedlicher Verwendung des Trennstrichs im Fahr- zeugschein und am Kennzeichen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Frage 65 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kostenschätzungen des Gesamtvolumens für aktuelle Bauprojekte des Vordringli- chen und Weiteren Bedarfs Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Mündliche Frage 66 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auflösung des Missverhältnisses zwischen zur Verfügung stehenden Mitteln und ange- meldeten Vorhaben im Bundesprogramm des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgeset- zes; erforderliche Finanzausstattung des öffentlichen Personennahverkehrs zur Er- reichung der Klimaschutzziele im Ver- kehrsbereich Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 Mündliche Frage 68 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Weigerung der Fluggesellschaft Air Berlin zur Mitnahme von Menschen mit Behinde- rungen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23803 B 23804 A 23804 B 23804 C 23804 D 23805 A 23805 D 23806 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23731 (A) (C) (D)(B) 197. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigung 195. Sitzung, Seite XI und 23600 B, bei Tagesord- nungspunkt 39 ist statt „Harald Weinberg“ „Marcus Weinberg (Hamburg)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23791 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 4): Welche konkreten Schritte will die Bundesregierung nach den Ankündigungen des Bundesministers für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, zum Stromspa- ren unternehmen, und wie sieht der Zeitplan zur Umsetzung diesbezüglich aus? Herr Bundesminister Peter Altmaier hat im Rahmen eines Runden Tisches mit Vertretern von Bundes- und Länderressorts, von Wirtschafts-, Umwelt-, Verbrau- cherschutz-, Sozial- und Kommunalen Spitzenverbän- den sowie Religionsgemeinschaften am 9. Oktober 2012 eine Stromsparinitiative angekündigt. Zielgruppe sind die 40 Millionen privaten Haushalte. Auf sie entfällt knapp ein Drittel des gesamten Strom- verbrauchs. Ziele der Stromsparinitiative sind, einen signifikanten Beitrag zum Erreichen des Ziels der Bundesregierung, 10 Prozent Strom bis 2020 gegenüber 2008 einzusparen, zu leisten, die Energiekosten der Haushalte zu senken und Haushalten mit geringem Einkommen zusätzliche Hilfestellung beim Sparen von Strom zu geben. Dazu sollen spätestens bis zum Jahr 2020 alle Haushalte mit spezifischen Angeboten erreicht werden. Ihnen soll ein auf ihre Situation zugeschnittener, leicht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich van Aken, Jan DIE LINKE 17.10.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 17.10.2012 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Becker, Dirk SPD 17.10.2012 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Dr. Brauksiepe, Ralf CDU/CSU 17.10.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 17.10.2012 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 17.10.2012 Funk, Alexander CDU/CSU 17.10.2012 Gabriel, Sigmar SPD 17.10.2012 Hahn, Florian CDU/CSU 17.10.2012 Dr. Heider, Matthias CDU/CSU 17.10.2012 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 17.10.2012 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 17.10.2012 Hintze, Peter CDU/CSU 17.10.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 17.10.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Lanfermann, Heinz FDP 17.10.2012 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 17.10.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 17.10.2012 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 17.10.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 17.10.2012 Pflug, Johannes SPD 17.10.2012 Remmers, Ingrid DIE LINKE 17.10.2012 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 17.10.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 17.10.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 17.10.2012 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 17.10.2012 Simmling, Werner FDP 17.10.2012 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 17.10.2012 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 17.10.2012 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.10.2012 Ziegler, Dagmar SPD 17.10.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 23792 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) handhabbarer Zugang zu geeigneter Information und Beratung ermöglicht werden. Er soll gegebenenfalls ins- besondere für Haushalte mit geringem Einkommen er- gänzt werden um spezifische Investitionsanreize. Die Stromsparinitiative soll baukastenförmig gestaltet sein und drei Säulen beinhalten: ein integriertes web- basiertes Konzept, die Fortentwicklung des BMU- Projekts „Stromspar-Checks für Haushalte mit geringem Einkommen“, zum Beispiel durch Ausweitung von 25 000 auf 50 000 Checks pro Jahr und eine Förderung des Ersatzes ineffizienter durch hoch energieeffiziente Kühlgeräte und Stromeinsparberatung für alle Haus- halte. Ende November 2012 ist ein zweiter Runder Tisch vorgesehen. Danach soll das Konzept schrittweise um- gesetzt werden. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 5): Wann wird die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, um den Einsatz der Fracking-Techno- logie in Trinkwasserschutzgebieten rechtlich zu untersagen, wie von dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, und dem Präsidenten des Umweltbundesamtes, UBA, Jochen Flasbarth, bei der Vorstel- lung des UBA-Gutachtens „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten – Risikobewertung, Hand- lungsempfehlungen und Evaluierung bestehender rechtlicher Regelungen und Verwaltungsstrukturen“ am 6. September 2012 angekündigt (siehe auch dpa-Meldung vom 6. Septem- ber 2012 „Fracking-Gasförderung nur unter strengen Auf- lagen“), und welche weiteren konkreten rechtlichen Schritte plant die Bundesregierung als Konsequenz aus dem Gutach- ten zu unternehmen? Zurzeit prüft die Bundesregierung auf der Grundlage aller vorliegenden Erkenntnisse, insbesondere aus dem Gutachten des Umweltbundesamtes und der Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, den Änderungsbedarf bundesrechtlicher Regelungen des Wasser- und des Bergrechts. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 6): Welche Lobbyisten haben in den letzten drei Monaten Kontakte zum Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Thema Energiewende aufgenom- men, und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusam- menhang die Forderung nach einem Lobbyistenregister im Hinblick auf eine umfassende Transparenzinitiative? Das BMU steht bei der Umsetzung der Energiewende regelmäßig in einem fachlichen Austausch mit zahlrei- chen Personen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Energiewende befasst sind. Darüber hinaus bindet das BMU besonders betroffene Verbände und Unternehmen zum Beispiel im Rahmen der Gespräche der „Plattform Erneuerbare Energien“ ein. Mit den Umwelt- und Natur- schutzverbänden haben Workshops und Gespräche zur Energiewende stattgefunden. Die Zentral- und Gesamt- verbände werden nach der Gemeinsamen Geschäftsord- nung der Bundesministerien, GGO, außerdem bei Ent- würfen von Gesetzesvorlagen und Rechtsverordnungen beteiligt. Eine solche Beteiligung hat das BMU in den letzten drei Monaten insbesondere bei dem Entwurf der Managementprämienverordnung durchgeführt. Die Einrichtung eines Lobbyistenregisters beim Deut- schen Bundestag ist eine eigene Angelegenheit des Par- laments, bei der die Bundesregierung entsprechend lang- jähriger Staatspraxis Zurückhaltung übt. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksache 17/10967, Frage 7): Wie hoch sind die Anteile (in Cent und Prozent) der Teil- aspekte Ausweitung der Industrieprivilegien, gesunkene Bör- senstrompreise – Merit-Order-Effekt –, gesunkene CO2-Zerti- fikatepreise, Marktprämie, Liquiditätsreserve, Ausgleich der Defizite im EEG-Umlagekonto 2012 (EEG: Erneuerbare- Energien-Gesetz) und Energiesteuern auf erneuerbare Ener- gien an der auf knapp 5,3 Cent steigenden EEG-Umlage? Bei der Ermittlung der Anteile einzelner Aspekte an der EEG-Umlage können verschiedene Methoden ange- wandt werden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. So können zum Beispiel die Kosten der Marktprämie gesondert berechnet oder den davon profitierenden Technologien zugeordnet werden. Ebenso kann der Effekt eines sinkenden Börsenpreises gesondert berechnet oder den einzelnen Technologien zugeordnet werden. Zu den angesprochenen Faktoren im Einzelnen: Ausweitung der Besonderen Ausgleichsregelung: Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Aus- fuhrkontrolle sind durch die Ausweitung der Besonderen Ausgleichsregelung knapp 10 Terawattstunden mehr an- gemeldet worden. Dadurch ergibt sich eine zusätzliche Belastung der Umlage von etwa 0,1 Cent pro Kilowatt- stunde. Börsenpreis: Der gesunkene Börsenstrompreis ist nicht nur von den steigenden Strommengen erneuerbarer Energien, sondern zum Beispiel auch von Stromangebot und -nachfrage im benachbarten Ausland und der Ent- wicklung der CO2-Zertifikatspreise abhängig. Daher lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Merit-Order-Effekt oder der Entwicklung der CO2- Zertifikatspreise und dem Strompreisniveau angeben. Die Übertragungsnetzbetreiber haben bei der Festlegung der EEG-Umlage einen Börsenpreis von 55,22 Euro pro Megawattstunde, 2012, bzw. 51,15 Euro pro Megawatt- stunde, 2013, angesetzt. Wäre der Börsenpreis konstant geblieben, so ergäbe sich 2013 rechnerisch eine um etwa 0,12 Cent pro Kilowattstunde geringere EEG-Umlage. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23793 (A) (C) (D)(B) Marktprämie: Die Kosten für die Managementprämie im Rahmen der Marktprämie wurden von den Übertra- gungsnetzbetreibern für 2013 mit 428 Millionen Euro angesetzt. Zu berücksichtigen sind aber auch die sinken- den Vermarktungskosten bei den Übertragungsnetzbe- treibern aufgrund der wachsenden Strommengen in der Marktprämie; die sogenannten Profilservicekosten wur- den für 2013 mit 25 Millionen Euro angesetzt, 2011 wa- ren es noch über 400 Millionen Euro. Auch wenn man diese gesunkenen Kosten nicht in vollem Umfang der Marktprämie zuordnen kann, ist im Ergebnis davon aus- zugehen, dass die Nettokosten der 2013 anfallenden Ma- nagementprämie unter 380 Millionen Euro liegen, so- dass die Marktprämie einen Anteil von weniger als 0,1 Cent pro Kilowattstunde an der EEG-Umlage aus- macht. Liquiditätsreserve: Der Umlagenanteil aus der Liqui- ditätsreserve beträgt 0,418 Cent pro Kilowattstunde. Ausgleich des EEG-Kontos: Der Umlagenanteil aus dem Ausgleich des EEG-Kontos zum 30. September 2012 beträgt 0,671 Cent pro Kilowattstunde. Energiesteuern fallen bei den Verbrauchern an und haben deshalb keinen Einfluss auf die Höhe der EEG- Umlage. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Ulrich Kelber (SPD) (Drucksa- che 17/10967, Frage 8): Bis wann genau will der Bundesminister für Umwelt, Na- turschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, die Ausnah- meregelungen für die Industrie zur Befreiung von der EEG- Umlage prüfen, und welche Kriterien will er bei der Prüfung anlegen? Das Bundesumweltministerium hat hierzu ein For- schungsvorhaben in Auftrag gegeben. Das Vorhaben wurde zum 1. Juni 2012 begonnen und wird bis zum 31. Juli 2014 abgeschlossen sein. Die wichtigsten Kriterien sind die Bedeutung der Stromkosten für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie die Ad- ministrierbarkeit der Regelungen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 9): Wie vielen Terawattstunden würden die 40 Prozent Erneu- erbare-Energien-Anteil, die der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, in seinem Verfahrensvorschlag zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vor- geschlagen hat, aus Sicht der Bundesregierung für das Jahr 2020 entsprechen, und wie hoch wäre dann eine gleichmäßige jährliche Zunahme in Terawattstunden im Vergleich zu der aktuellen Zunahme pro Jahr, bitte vorliegende Werte für 2011 und Schätzung für 2012 getrennt aufführen? Die Bundesregierung strebt gemäß dem Energiekon- zept das Ziel an, den Stromverbrauch gegenüber dem Jahr 2008 in einer Größenordnung von 10 Prozent zu vermindern. Ausgehend von einem Stromverbrauch im Jahr 2008 von 614 Terawattstunden bedeutet dies bis zum Jahr 2020 einen Rückgang auf circa 553 Terawatt- stunden. Ein Anteil von 40 Prozent erneuerbare Energien entspricht somit rund 221 Terawattstunden. Geht man al- ternativ von einem weitgehend stagnierenden Stromver- brauch aus, also von rund 600 Terawattstunden im Jahr 2020, so entsprechen 40 Prozent erneuerbare Energien rund 240 Terawattstunden. Daraus ergibt sich ausgehend von 123 Terawattstunden Erneuerbaren-Einspeisung in 2011 insgesamt ein Ausbaukorridor für erneuerbare Energien von rund 11 bis 13 Terawattstunden pro Jahr bis zum Jahr 2020. Der Zubau im Jahr 2011 lag bei 14 Terawattstunden; hätte die Photovoltaik im Zielkorridor des EEG gelegen, so wären es 9 bis 10 Terawattstunden gewesen. Die Bundesregierung nimmt keine Schätzung für 2012 vor. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 10): Wann will die Bundesregierung rechtliche Hindernisse für die Versorgung von Mietern mit EEG-/KWK-Strom, KWK: Kraft-Wärme-Kopplung, der in räumlicher Nähe zum be- wohnten Gebäude erzeugt wird, beseitigen, wie es im Vermitt- lungsausschuss zur Photovoltaikvergütung im Juni 2012 an- gekündigt wurde, und wie will die Bundesregierung diese Hindernisse beseitigen? Ein großes Hindernis für die Versorgung von Mietern mit EEG/KWK-Strom aus dem bewohnten Gebäude wurde bereits mit der PV-Novelle beseitigt: Durch die Einführung eines sogenannten solaren Grünstromprivi- legs, § 39 Abs. 3 EEG, wurde klargestellt, dass Solar- strom, der durch Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe ohne Nutzung des öffentlichen Netzes verbraucht wird, zum Beispiel in den Fällen der Direktlieferung von So- larstrom vom Vermieter an den Mieter, dem Grünstrom- privileg unterfällt. Dies war bis zum Inkrafttreten der PV-Novelle 2012 umstritten und hatte zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Weitere Hemmnisse für die Versorgung von Mietern mit EEG/KWK-Strom durch entsprechende Anlagen des Vermieters können im Bereich des Steuerrechts, des Mietrechts und des Energiewirtschaftsrechts bestehen. Hierbei handelt es sich um zum Teil komplexe Fragen. Die Bundesregierung prüft diese Fragen derzeit. 23794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 21): Ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, bereit, als vertrauensbildende Maß- nahmen die noch ausstehenden Arbeiten an der vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben, VSG, vorerst auszusetzen bzw. vorübergehend zu unterbrechen, um die Chancen für erfolg- reiche Verhandlungen für ein Endlagersuchgesetz zu erhöhen, bitte mit Begründung, und sieht die Bundesregierung die VSG aufgrund der nicht dokumentierten Vorgespräche des für Gor- leben zuständigen Referatsleiters und BMU-Abteilungsleiters Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen, Strahlenschutz, nu- kleare Ver- und Entsorgung, RS, mit dem späteren VSG-Un- terauftragsnehmer Dr. Bruno Thomauske mit einem Glaub- würdigkeitsproblem behaftet, bitte ebenfalls mit Begründung? Durch die vorläufige Sicherheitsanalyse werden die bisher erzielten Untersuchungs- und Erkundungsergeb- nisse von Gorleben transparent gemacht. Die Transpa- renz von Ergebnissen ist standortunabhängig eine zen- trale Voraussetzung für ein Auswahlverfahren. Eine Beendigung der vorläufigen Sicherheitsanalyse ist Gegenstand der Bemühungen um einen Endlagerkon- sens und kann nicht davon losgelöst behandelt werden. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 22): Wann genau gab es im Jahr 2010 außer am 8. September 2010 noch Telefonkonferenzen auf Abteilungsleiterebene zwischen dem BMU-Abteilungsleiter RS und den zuständigen Abteilungsleitern der Atomaufsichtsbehörden (bzw. gegebe- nenfalls deren Vertretern) der damals noch fünf Bundesländer mit in Leistungsbetrieb befindlichen Atomkraftwerken zu Si- cherheits-, Nachrüstfragen, Laufzeiten oder Ähnlichem, und an jeweils welcher dieser Telefonkonferenzen waren neben dem BMU-Abteilungsleiter RS noch ein oder mehrere BMU- Beamte als Zuhörer beteiligt? Telefonkonferenzen mit den Abteilungsleitern der Länder finden anlassbezogen zu unterschiedlichen The- men mit jeweils unterschiedlichem Personenkreis statt. Eine systematische Erfassung solcher Telefonkonferen- zen erfolgt nicht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/10967, Frage 23): Nach welchen Kriterien prüft die Bundesregierung laut dem Berufsbildungsbericht 2012, ob in 12 bis 15 weiteren Ausbildungsberufen Ausbildungsbausteine geschaffen wer- den, und wann wird dazu eine Entscheidung vorliegen? Das Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB, hat eine Liste von Ausbildungsberufen nach folgenden Kriterien vorgeschlagen: – Ausbildungsordnung nach 1996 erarbeitet – Es wurden insbesondere auch Ausbildungsberufe be- rücksichtigt, die in ihrer Struktur Schwerpunkte, Fachrichtungen und Wahlqualifikationen aufweisen. – Berücksichtigung von Branchenbezügen und von MINT-Berufen – Berücksichtigung der Anzahl der Ausbildungsver- träge (2010) – Berücksichtigung des Berufswahlverhaltens von männlichen und weiblichen Jugendlichen – es wurden die Bedarfsmeldungen aus den Ländern aufgenommen, die im Rahmen ihrer Landeskonzep- tionen im Bereich der beruflichen Bildung Ausbil- dungsbausteine berücksichtigen bzw. Überlegungen haben, selbst Ausbildungsbausteine zu entwickeln. Die Liste der Berufe wurde zudem mit den Sozial- partnern BDA, DIHK, ZDH, DGB besprochen. Dabei wurden Anregungen und Wünsche der Beteiligten be- rücksichtigt. Die Gewerkschaftsseite hat angekündigt, sich wie bisher nicht am Erarbeitungsprozess zu beteili- gen. In einem weiteren Schritt wird die Bundesregierung auf die Fachverbände zugehen und die Liste der Berufe mit ihnen erörtern. Im Nachgang zu der Besprechung ist vorgesehen, dass das BIBB analog zu regulären Ord- nungsverfahren die Sachverständigen der Sozialpartner und der KMK zur Erarbeitung einladen wird. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa- che 17/10967, Frage 24): Welche konkreten Auswirkungen haben die vom Kommis- sar für Finanzplanung und Haushalt der Europäischen Kom- mission, Janusz Lewandowski, bekannt gegebenen Finanzie- rungslücken bei dem Studierendenaustauschprogramm Erasmus, dem EU-Forschungsprogramm und dem Europäischen Sozial- fonds („Dem Studentenprogramm Erasmus geht das Geld aus“, Die Welt vom 3. Oktober 2012) jeweils im Einzelnen in Deutschland – unter Angabe der gegebenenfalls aus den ge- nannten Programmen noch ausstehenden Zahlungen –, und welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich des vorgesehenen EU-Nachtragshaushalts 2012 unter Angabe des Zeitplans der Beratung und der beabsichtigten Veranschla- gung im Bundesetat? Auswirkungen der Finanzierungslücken in Deutsch- land: Im Bereich des Europäischen Sozialfonds sind der- zeit fünf Operationelle Programme vom Liquiditätseng- pass der Europäischen Kommission betroffen. Die Gesamtsumme der fälligen Zahlungsanträge beläuft sich hier gegenwärtig auf 387 872 364,26 Euro. Rechtlich ist diese Situation allerdings nicht zu beanstanden, da es sich bei den ausstehenden Mitteln um Zwischenzahlun- gen handelt, deren Auszahlung nach der einschlägigen Rechtsgrundlage unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln steht. Für das Programm Erasmus hat Deutschland bereits 80 Prozent der insgesamt veranschlagten Mittel – rund 57 Millionen Euro – erhalten. Für das derzeitige Winter- semester sind keine Zahlungsengpässe aufgetreten. Der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23795 (A) (C) (D)(B) noch ausstehende Betrag von 11,4 Millionen Euro ist erst zu Beginn des nächsten Jahres fällig. Für den Bereich Forschung hat die Bundesregierung aufgrund der zentralen Vergabe der Mittel aus Brüssel keinen Einblick hinsichtlich der Frage, ob die fälligen Beträge an die Empfänger in Deutschland ausgezahlt werden. Deutsche Position zum angekündigten EU-Nachtrags- haushalt 2012: Der von EU-Kommissar Lewandowski in einer Mitteilung angekündigte EU-Nachtragshaushalt 2012 wird voraussichtlich am 23. Oktober 2012 vorge- legt werden. Die Bundesregierung wird sich erst bei Vor- liegen des Nachtragshaushalts eine abschließende Mei- nung dazu bilden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Druck- sache 17/10967, Frage 25): Zu welchem Termin wird die mehrmals verschobene Na- tionale Bologna-Konferenz stattfinden, und welchen Hand- lungsbedarf sieht die Bundesregierung für Korrekturen und Qualitätsverbesserungen im Rahmen der Bologna-Reform? Die Bundesregierung führt derzeit über Konzept und Termin einer Konferenz Gespräche mit Vertretern der Hochschulen und den Ländern. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Drucksache 17/10967, Frage 26): Zu welchen Entsendebedingungen und durch wen werden nach der Fusion zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, GmbH die Aufgaben des fusionierten Deutschen Entwicklungsdienstes, DED, übernommen? Die Entsendung von Entwicklungshelfern erfolgt weiter- hin auf der Grundlage des Entwicklungshelfergesetzes. Die Bedingungen haben sich im Vergleich zu der Zeit vor der Fusion nicht verändert. Innerhalb der GIZ über- nimmt die dafür gegründete Spezialisierte Geschäftsein- heit „Entwicklungshelfer/-innen“ die Entsendung. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Drucksache 17/10967, Frage 27): Wie hat sich die Zahl der vom DED nach dem Entwick- lungshelfergesetz entsandten Mitarbeiter und deren Einsatz vor Ort entwickelt, und welche langfristigen Beschäftigungs- möglichkeiten haben diese nunmehr in der GIZ? Die Verträge von Entwicklungshelfern sind grund- sätzlich befristet, da es sich vom Verständnis her um ein temporäres freiwilliges Engagement handelt. Wechsel in ein anderes langfristiges Beschäftigungsverhältnis in der GIZ sind zunächst nicht vorgesehen, finden aber statt. Der politisch gesetzte Zielwert für die Zahl der operativ tätigen Entwicklungshelfer liegt bei 863 zum Stichtag 31. Dezember 2012. Die Anzahl beträgt derzeit, Stichtag 30. September 2012, 724. Der Wert schwankt bedingt durch Vertragsbeendigungen und Neueinstellungen. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10967, Frage 28): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die weitere Finanzierung von Vorhaben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH in Dadaab und Ka- kuma, die bisher aus dem Titel „Entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe“ finanziert wurden, und wie bewertet die Bundesregierung aus entwicklungspolitischer Sicht ein mögli- ches Auslaufen der Aktivitäten bzw. eine Übergabe an das UN-Flüchtlingshilfswerk? Aus dem genannten Haushaltstitel des BMZ werden derzeit zwei Vorhaben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, finanziert. Das erste Vorhaben im Auftragswert von 4,1 Millio- nen Euro wird noch bis Ende August 2014 fortgeführt und dient der Stabilisierung der Lebensgrundlagen der ortsansässigen Bevölkerung und der Stärkung friedlicher Konfliktbearbeitung um das Flüchtlingslager Dadaab. Das zweite Vorhaben erfolgt in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und dient im Rahmen der Übergangshilfe der Unterstützung von Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung in Dadaab, Kakuma und dem Großraum Nairobi. Die Finanzierung dieses Vorhabens durch die Bundesregierung wird zum 31. Dezember 2012 beendet. Allerdings bedeutet das nicht das Ende der Unterstüt- zung für die Flüchtlinge in Dadaab. Der UNHCR sucht derzeit eine andere Durchführungsorganisation für den Betrieb des Krankenhauses, das das Kernstück des Pro- jektes darstellt. UNHCR erwartet keine negativen Aus- wirkungen für die Versorgung der Flüchtlinge aus dem Rückzug der GIZ aus dieser Komponente. Darüber hinaus wird die Bundesregierung auch in der Zukunft ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen in Dadaab und der Region gerecht; sie unterstützt dort weiterhin verschiedene Projekte mit unterschiedlichen Partnerorganisationen von BMZ und AA. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 29): Wie viele der 2010 genehmigten Exporte für Rüstungsgüter und Kriegswaffen nach Portugal hat die Bundesregierung wi- derrufen oder zurückgenommen, nachdem Portugal im April 2011 Hilfen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazili- tät, EFSF, beantragen musste? Es wurden keine Genehmigungen widerrufen. 23796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Entscheidungen über den Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen richten sich nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000 und dem „Gemeinsamen Standpunkt 2008/ 944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“. Nach den Politischen Grundsätzen hat sich der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in NATO-Länder an den Sicherheitsinteressen der Bundes- republik Deutschland im Rahmen des Bündnisses und der EU zu orientieren. Er ist grundsätzlich nicht zu be- schränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Fragen 30 und 31): Wie genau plant die Bundesregierung den Verbraucherin- nen und Verbrauchern die von der Markttransparenzstelle ge- sammelten Daten für den Benzinmarkt zur Verfügung zu stel- len, und wird dies für die Verbraucherinnen und Verbraucher kostenfrei sein? Wird die Markttransparenzstelle selbst die Daten zu den Benzinpreisen jeweils aktuell im Internet veröffentlichen und, wenn nein, warum nicht? Der vom Kabinett am 2. Mai 2012 verabschiedete Ent- wurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer Markttranspa- renzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas wird derzeit im Deutschen Bundestag beraten, Bundestags- drucksache 17/10060. Voraussichtlich wird es noch Än- derungsanträge der Koalitionsfraktionen zu dem Regie- rungsentwurf geben. Diese betreffen insbesondere auch die Weitergabe der zum Zweck der Marktbeobachtung im Kraftstoffbereich in Echtzeit erhobenen Preisdaten der Tankstellen (Benzin und Diesel) von der Markttranspa- renzstelle an private Verbraucherinformationsdienste. Hier sollte die Markttransparenzstelle nicht in Konkur- renz zu privaten Anbietern treten. Grundsätzlich soll es den Verbraucherinformationsdiensten überlassen blei- ben, auf welchem Wege – zum Beispiel Internetportal, Applikationen für Smartphones, Navigationsgeräte – und zu welchen Konditionen sie die aktuellen Preisdaten den Verbrauchern zur Verfügung stellen. Dies sollte der Markt regeln. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 32): Teilt die Bundesregierung die Überlegungen des Bundes- ministers Dr. Philipp Rösler, die Stromkosten über eine Dros- selung der Stromsteuer zu senken, und welche Position bezieht die Bundesregierung zu der Forderung des Verbraucherzen- trale Bundesverbandes nach einem Stromsteuerfreibetrag? Bundesminister Dr. Philipp Rösler hat im Rahmen der Diskussion um bezahlbare Energiepreise eine grundle- gende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ge- fordert und – als kurzfristige Maßnahme – eine Senkung der Stromsteuer vorgeschlagen, um die Verbraucher zu entlasten. Die Vorschläge werden innerhalb der Bundes- regierung diskutiert; eine abgestimmte Position gibt es derzeit noch nicht. Der Vorschlag des Bundesverbandes der Verbraucher- zentralen nach einem Stromsteuerfreibetrag für Privat- haushalte ist innerhalb der Bundesregierung bislang nicht diskutiert worden. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 33): Stammt die von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel angekündigte Finanzierung für Projekte zur Verbesserung des Gesundheitswesens und zur Modernisierung der regionalen Verwaltung in Griechenland in Höhe von 30 Millionen Euro aus dem Haushalt der EU oder aus dem Haushalt der Bundes- republik Deutschland, und handelt es sich um zusätzliche Mit- tel zu den Mitteln, die für Griechenland im aktuellen Finanz- rahmen der Europäischen Union vorgesehen sind (sofern es sich um Mittel aus dem EU-Haushalt handelt; vergleiche Pressekonferenz von Dr. Angela Merkel und Antonis Samaras am 9. Oktober 2012)? In der EU-Task-Force für Griechenland unter der Lei- tung von Horst Reichenbach wird die bilaterale techni- sche Hilfe für Griechenland organisiert. Die Arbeit der EU-Task-Force ist aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiger Beitrag dafür, in Griechenland wieder nach- haltiges Wachstum zu ermöglichen. Deutschland enga- giert sich daher in Schlüsselbereichen der EU-Task- Force und leistet gegenüber Griechenland bilaterale Hilfe durch Unterstützung bei der Reform der regionalen Verwaltung, des Gesundheitswesens und im Bereich der erneuerbaren Energien. Zurzeit werden gemeinsam mit den griechischen Partnern Projekte ausgearbeitet. Der Finanzbedarf ist dabei abhängig von konkreten Projek- ten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Finanzierung der Projekte zur Durchführung dieser Re- formen unter Nutzung der Griechenland zustehenden EU-Strukturfondsmittel von Griechenland selbst sicher- zustellen ist. Dies ist auch die Auffassung der EU-Task- Force. Im Haushalt der Bundesrepublik Deutschland sind für die genannten Reformprojekte keine Mittel vorgesehen. Auch im Rahmen des aktuellen Finanzrahmens der Eu- ropäischen Union sind insoweit keine zusätzlichen Mit- tel vorgesehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23797 (A) (C) (D)(B) Anlage 21 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10967, Frage 35): Wie positioniert sich die Bundesregierung im Hinblick auf einen vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mandatierten Einsatz in Mali zur Unterstützung malischer Sicherheitskräfte im Norden des Landes, und inwiefern plant sie, einen solchen finanziell, logistisch und personell zu unterstützen? Die Bundesregierung ist weiterhin besorgt über die Lage in der Republik Mali – hinsichtlich der sicherheits- politischen Aspekte wie auch der Wahrung der Men- schenrechte und der humanitären Situation. Der Bundes- minister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, plant, Anfang November 2012 in die Region zu reisen. Der Fortbestand bzw. die Vergrößerung rechtsfreier Räume im Norden Malis und angrenzender Gebiete stellt eine über Mali und den Sahel hinausgehende Bedrohung dar. Mali braucht daher umfassende und koordinierte interna- tionale Unterstützung, um sich zu stabilisieren. Aus Sicht der Bundesregierung können dabei die Vereinten Nationen als Koordinator fungieren. Wir begrüßen dies- bezüglich die Ernennung von Romano Prodi zum Son- derbeauftragten für Sahel durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, VN. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammen- hang auch die Befassung des Sicherheitsrats der Verein- ten Nationen mit der Lage im Mali. Konkrete Planungen zur Unterstützung der Regierung und Sicherheitskräfte Malis können erst dann vorgenommen werden, wenn Entscheidungen des VN-Sicherheitsrats erfolgt sind. Am 12. Oktober 2012 hat der VN-Sicherheitsrat Resolution 2071 angenommen, die einen glaubwürdigen Verhandlungsprozess zwischen der malischen Über- gangsregierung und malischen Rebellengruppen im Norden fordert. Gleichzeitig hat der Sicherheitsrat auch seine Bereitschaft erklärt, auf die Bitte der Übergangs- regierung Malis bezüglich einer International Military Force zur Unterstützung der Streitkräfte Malis zur Rück- gewinnung der besetzten Regionen im Norden zu reagie- ren. Es ist vorgesehen, dass der Generalsekretär der Ver- einten Nationen innerhalb von 45 Tagen einen Bericht vorlegt. Erst auf dieser Grundlage kann über operative Schritte entschieden werden. Anlage 22 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10967, Frage 36): Inwieweit treffen nach dem Kenntnisstand der Bundes- regierung die Vorwürfe griechischer Demonstranten zu, in der Haft von Polizisten unmenschlich und erniedrigend behandelt und gefoltert worden zu sein, und wie bezieht die Bundes- regierung diesbezüglich gegenüber der griechischen Regie- rung Stellung? Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse in Bezug auf Ereignisse der in Ihrer Frage beschriebenen Art. Allerdings ist der Bundesregierung bekannt, dass die im griechischen Parlament vertretene Partei SYRIZA öffentlich Vorwürfe gegen die griechische Polizei erhoben hat, diese habe nach einer Demonstration im Zentrum Athens fünfzehn Demonstranten festgenom- men und misshandelt. In einer Pressemitteilung vom 10. Oktober 2012 hat das zuständige griechische Bürger- schutzministerium diese Vorwürfe zurückgewiesen. In der Presseerklärung wird auch auf andauernde Ermitt- lungen der griechischen Justiz hingewiesen. Die Bundesregierung kommentiert laufende Ermitt- lungsverfahren der griechischen Justiz nicht. Anlage 23 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksa- che 17/10967, Frage 37): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zu- stände an russischen Militäranlagen, in denen ausrangierte Munition entsorgt wird, vor dem Hintergrund der jüngsten Explosion (Neue Zürcher Zeitung vom 11. Oktober 2012, Seite 16), auch im Zusammenhang mit dem deutschen Enga- gement in der Abrüstungshilfe im Rahmen der G-8-Initiative der Globalen Partnerschaft? Der Bundesregierung liegen zum Zustand der ent- sprechenden russischen Militäranlagen die allgemein zu- gänglichen Informationen aus der Presse und von spezia- lisierten Forschungsinstituten vor. Demnach hat es in russischen Munitionsdepots in den vergangenen Jahren immer wieder Unfälle gegeben. Der spezialisierte Think Tank „Small Arms Survey“ spricht für die Russische Föderation von 48 Unfällen und unbeabsichtigten Explo- sionen im Zusammenhang mit der Handhabung von Munition im Zeitraum zwischen 1998 und 2012. Laut diesen Informationen gibt es in keinem Land der Welt mehr vergleichbare Vorfälle. Im Rahmen der Globalen Partnerschaft der G 8 unter- stützt die Bundesregierung Russland unter anderem bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Chemie- waffenübereinkommen durch die Hilfe beim Bau ent- sprechender Chemiewaffenvernichtungseinrichtungen. Eine Unterstützung bei der Vernichtung konventioneller Munition ist von der „Globalen Partnerschaft zur Verhin- derung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen“ nicht vorgesehen. Die sichere Lagerung von Munition gehört aber zu den wichtigsten Themen der konventionellen Rüstungs- kontrolle. Deutschland ist Initiator der zweijährlichen Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, VN, zu Überschussmunition. In diesem Zu- sammenhang hat Deutschland die Erarbeitung der „International Ammunition Technical Guidelines“, IATGs, angestoßen, mitfinanziert und an der Ausarbei- tung mitgewirkt. Dabei handelt es sich um ein umfassen- des VN-Kompendium zum richtigen Umgang mit Muni- tion für Staaten. Wir haben uns für die Einbeziehung von Munition im Rahmen der Verhandlungen zum globalen Waffenhandelsvertrag, ATT, ebenso nachdrücklich ein- 23798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) gesetzt wie bei der Überprüfungskonferenz zum Klein- waffenaktionsprogramm. Die Bundesregierung unterstreicht ihre Bereitschaft, Russland bei der Sicherung von Munition sowie deren professioneller Lagerung und Vernichtung zu unterstüt- zen. Anlage 24 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 38): In welchem Umfang erwartet die Bundesregierung im Norden des Kosovo militärische Verstärkung von der NATO, und welche politische Strategie im Umgang mit den Spannun- gen im Norden des Kosovo ist mit dieser militärischen Um- gruppierung verbunden? Das deutsche Kontingent der Kosovo-Truppe, KFOR, einschließlich des deutlichen Anteils an der Operativen Reserve ist Teil der multinationalen KFOR-Operation unter Führung der NATO und auf Grundlage der Sicher- heitsratsresolution der Vereinten Nationen 1244, 1999. Die Bundesregierung erwartet, dass die von Deutsch- land gemeinsam mit Österreich gestellte Operative Re- serve, ORF, gegen Ende des Jahres wieder abgezogen werden kann – möglicherweise im Zuge einer Umgrup- pierung der regulären KFOR-Kräfte. Konkrete Vor- schläge für diese Umgruppierung werden für November 2012 erwartet. Die Bundesregierung unterstützt die Anstrengungen der Europäischen Union, in einem Dialogprozess zwi- schen Serbien und Kosovo Fortschritte bei der Normali- sierung der Beziehungen zwischen diesen beiden Län- dern zu erzielen. Dazu gehört auch die Erarbeitung einer Lösungsperspektive für die Situation im Norden Kosovos. Der Einsatz von KFOR und der EU-Rechtsstaatsmis- sion EULEX – und damit die Gewährleistung eines si- cheren Umfelds sowie rechtstaatlicher Verhältnisse im Norden Kosovos – soll diesen Dialog befördern. Anlage 25 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Ab- geordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 39): Wie ist der konkrete Wortlaut der Vertraulichkeitsbestim- mung bezüglich des deutsch-usbekischen Vertrags über die Nutzung des Militärflughafens Termes, die die Bundesregie- rung als Grund für die Nichtveröffentlichung des Vertrags an- führt, siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundes- tagsdrucksache 17/9710, und in welcher Form ist diese Vertraulichkeitsbestimmung zwischen den Vertragspartnern beschlossen worden? Die Vereinbarung der Vertraulichkeit des Abkom- mens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Usbekistan über den Transit von Personal und von Gütern durch das Hoheitsgebiet der Republik Usbekistan und die Nutzung des Verkehrsumschlagknotens am Flughafen Termez vom 13. April 2010 wurde auf Ersuchen der usbekischen Seite und in mündlicher Form getroffen. Anlage 26 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 40): Inwiefern plant die Bundesregierung im Rahmen des Ab- zugs der Bundeswehr aus Afghanistan die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, um dem Personal, welches zum Trans- port von Material der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt wird, unter anderem das Passieren von Checkpoints zu er- möglichen, und inwiefern hat die Bundesregierung Kennt- nisse darüber, ob die Gelder für Wegzölle in die Strukturen der Taliban fließen? Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan stellt eine beträchtliche Herausforderung dar, sowohl hinsicht- lich des Transports von Material als auch finanziell. Für die in der Fragestellung angesprochenen Aktivitäten plant die Bundesregierung keine Mittel ein. Anlage 27 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 41): Welche Informationen hat die Bundesregierung über den Verbleib und Zustand des ägyptischen Bloggers A. S., und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung für seine Freilassung? Der bekennende Atheist A. S. wurde nach Informatio- nen von Amnesty International am 13. September 2012 in seinem Haus in Kairo festgenommen, nachdem seine koptische Mutter die Polizei um Schutz vor aufgebrach- ten muslimischen Nachbarn gebeten hatte. Im Zusam- menhang mit von ihm erstellten religionskritischen Bei- trägen auf der Internetseite „Egyptian Atheists“ werden ihm „Verunglimpfung der Religion“ und „Verbreitung falscher Tatsachen“ vorgeworfen. Berichten zufolge ist er in Haft mehrfach misshandelt worden. Die Verhandlung in diesem Fall soll am 17. Oktober 2012 vor dem zuständigen Gericht im Stadtteil Neu Kairo beginnen. Der Strafrahmen liegt zwischen sechs Monaten und maximal fünf Jahren Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe von bis zu 5 000 ägyptischen Pfund, etwa 640 Euro. Die EU-Botschaften vor Ort planen eine gemeinsame Prozessbeobachtung. In deren Vorbereitung ist die Deut- sche Botschaft Kairo eingebunden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23799 (A) (C) (D)(B) Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 42): Welche Vorstellungen hat das Bundeskanzleramt zur Ver- besserung der Transparenz – Transparenzinitiative –, um ei- nen Einfluss subjektiver wirtschaftlicher Interessen auf Ent- scheidungen von Exekutive und Legislative zurückzudrängen oder wenigstens transparent zu machen? Die Vorstellungen der Bundesregierung zu transpa- rentem Verwaltungshandeln lassen sich in drei Feldern gut erkennen: Erstens: Im Rahmen des Projektes Open Government aus dem Regierungsprogramm „Vernetzte und transpa- rente Verwaltung“ strebt die Bundesregierung größere Transparenz, bessere Teilhabe und verstärkte Koopera- tion an. Die Basis für mehr Transparenz, Teilhabe und Kooperation bilden offene Informationen und Daten. Die Bundesregierung hat sich daher in einem ersten Schritt auf die Förderung von Transparenz durch mehr und ein- fach zugängliche Verwaltungsdaten entschieden. Das Bundesministerium des Innern hat von Beginn an einen ebenenübergreifenden Ansatz verfolgt, da Open Government in einem föderalen Land nur gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen gelingen kann. Der- zeit wird ein Prototyp für ein ebenenübergreifendes Open-Government-Portal entwickelt. Über dieses Portal sollen in einem ersten Ausbauschritt Daten von Bund, Ländern und Kommunen einfach auffindbar und zu- gänglich sein. Das Portal hat das Potenzial, die Transpa- renz staatlichen Handelns durch immer mehr Datensätze aus allen denkbaren Bereichen enorm zu erhöhen. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, muss das Angebot an Daten laufend verbessert werden – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Ein wesentlicher Faktor für den Er- folg ist dabei eine gewandelte Einstellung in Politik, Verwaltung und Gesellschaft zu Offenheit und Transpa- renz. Die Förderung des dafür erforderlichen Kulturwan- dels ist daher Bestandteil des Projektes. Dafür setzt die Bundesregierung sich ein. Zweitens: Die Bundesregierung hat klare Regeln zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Be- schäftigten, externen Personen, in der Bundesverwaltung vom 17. Juli 2008, Bundesanzeiger Seite 2722, geschaf- fen. Die Verwaltungsvorschrift begrenzt die Dauer des Einsatzes dieser Personen und benennt Funktionen, die nicht von externen Personen wahrgenommen werden dürfen, etwa die Formulierung von Gesetzentwürfen und anderen Rechtssetzungsakten. Über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung berichtet das Bun- desministerium des Innern halbjährlich dem Haushalts- und dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages. Damit werden Einflussmöglichkeiten weitgehend zu- rückgedrängt und noch verbleibende Einflussmöglich- keiten transparent gemacht. Drittens: Die Bundeskanzlerin selber hat verschie- dene Initiativen zur Transparenz ergriffen. Wöchentlich beantwortet sie per Videobotschaft auf der Internetseite „direkt zur Kanzlerin“ einzelne Anliegen von Bürgern. Anfang 2011 hat sie einen Expertendialog und An- fang 2012 einen Bürgerdialog über Deutschlands Zu- kunft initiiert. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer in- ternetgestützter Verfahren zur Bürgerbeteiligung. Der Entwurf des E-Government-Gesetzes sieht vor, dass öffentliche Bekanntmachungen zusätzlich im Inter- net erfolgen. Die Verwaltung soll Statistiken, Geodaten und andere Informationen ohne Personenbezug für je- dermann maschinenlesbar abrufbar ins Internet stellen. Die Behörden sollen die von ihnen im Internet bereitge- stellten Informationen über ihre Verfahren und Zustän- digkeiten noch weiter verbessern. Außerdem sollen die Behörden für die Verfahrensbeteiligten elektronische In- formationen zum Stand der Bearbeitung ihrer Anträge abrufbar machen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 43): Wie oft haben Bundesbehörden jeweils – vor allem gemäß den §§ 26, 28 des Gesetzes über die Bundespolizei – seit 2007 bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen Tonaufzeichnungen von Teilnehmern angefertigt, und wie oft haben Bundesbehörden aus gleichen Anlässen seither jeweils Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmern mithilfe unbemannter Luftfahrzeuge angefertigt, vor allem durch Drohnen? Die Bundesbehörden fertigten in vorgenannten Fällen keine reinen Tonaufzeichnungen. Die Bundespolizei fertigt kombinierte Bild- und Ton- aufnahmen, zum Beispiel mit Camcordern, Statistiken werden nicht geführt. Zweck dieser Aufnahmen ist, das Gesamtgeschehen und damit im Zusammenhang ste- hende Polizeiverfügungen zu dokumentieren. Bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veran- staltungen oder Ansammlungen haben Bundesbehörden keine Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmern mithilfe unbemannter Luftfahrzeuge, sogenannter Droh- nen, gefertigt. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 44): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung und nachgeordneten Sicherheitsbehörden inzwischen über Mitar- beiter von US-Sicherheitsbehörden vor, die in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn und Deutschland tätig gewesen sein sollen, so wie schon der Stern am 1. Dezember 2011 – jedoch bezogen auf eine andere 23800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) US-Dienststelle – über einen solchen Vorgang berichtet hatte, und was unternahmen seither Bundessicherheitsbehörden, vor allem Generalbundesanwalt, Bundeskriminalamt, Bundes- nachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, jeweils, um die – eigentlich mit ihnen abzustimmenden – Aufgaben sowie Tätigkeiten jener US-Bediensteten in Deutschland zu jener Zeit aufzuklären? Der Bundesregierung liegen nach umfassender Über- prüfung keine belastbaren Hinweise vor, wonach Mitar- beiter von US-Sicherheitsbehörden „in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang zu dem Mord an der Polizis- tin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn und Deutschland tätig gewesen“ sind. Im Übrigen äußert sich die Bundesregierung nicht zu Einzelaspekten lau- fender Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deut- schen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange das Informationsin- teresse des Parlaments hinter den berechtigten Geheim- haltungsinteressen im laufenden Ermittlungsverfahren zurück. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 45): Wie viele sogenannte Massendaten wurden bzw. werden in den Ermittlungen wegen der ungeklärten Mordfälle bis zur Entdeckung der Täterschaft des Nationalsozialistischen Unter- grunds von den damit befassten Besonderen Aufbauorganisa- tionen erhoben, gespeichert oder – etwa nach der Anlieferung durch Landeskriminalämter oder Landesämter für Verfas- sungsschutz – verarbeitet; bitte aufschlüsseln nach Funk- zellenabfragen, daraus ermittelten Anschlussinhaberinnen und -inhabern, Finanztransaktionen, Hotelbuchungen, Mietwagen- nutzung), und welche dieser auch mit einer Software zur Ras- terfahndung prozessierten Daten werden bis heute vorgehal- ten? Im Zusammenhang mit den Taten des Nationalsozia- listischen Untergrunds wurden Daten aus insgesamt 27 Ermittlungsverfahren, die sich über einen Zeitraum von mehr als 9 Jahren erstrecken, beim Bundeskriminal- amt, BKA, zusammengeführt. Bei den 27 Tathandlungen handelt es sich um 10 Tö- tungsdelikte – 9 Ceska-Komplex, 1 Heilbronn, 2 ver- suchte Tötungsdelikte – Sprengstoffanschläge in Köln, Lebensmittelgeschäft 1 Verletzte; Keupstraße, 22 Ver- letze – sowie 15 Raubdelikte. Insgesamt wurden 20 575 657 Funkzellendatensätze, gemäß § 100 g Abs. 2 Satz 2 StPO und 13 842 Datensätze zu Anschlussinha- bern, gemäß § 113 TKG, vornehmlich aus den bereits bei den Landespolizeibehörden gespeicherten Daten zusam- mengeführt. Eine geringe Anzahl von Funkzellen- datensätzen bzw. Bestandsdaten wurde im Zusammen- hang mit den Tatorten Eisenach und Chemnitz zusätzlich durch das BKA erhoben. Daten zu in diesem Zusammenhang stehenden Fi- nanztransaktionen, Hotelbuchungen und Mietwagennut- zungen sind keine Massendaten im Sinne der Fragestel- lung, sondern sind jeweils Ergebnis von einzelnen gezielten Ermittlungsmaßnahmen. Die erforderlichen Daten sind weiterhin gespeichert. Diese Speicherung ist nach § 483 Abs. 1 der Strafprozessordnung, StoPo, zu- lässig, solange die jeweiligen Daten „für Zwecke des Strafverfahrens“, das heißt von der Einleitung des Er- mittlungsverfahrens an bis zum Abschluss des Vollstre- ckungsverfahrens, erforderlich sind. Ein Funkzellendatensatz umfasst die Telefonnummer, Angaben zum Ort der Funkzelle und die Zeit, zu der das Mobilfunkendgerät aktiv gewesen ist. Mithilfe von Funkzellendatensätzen kann entweder die Frage beant- wortet werden, ob ein Mobilfunkendgerät in der räumli- chen Zuordnung einer Funkzelle in einem bestimmten Zeitraum aktiv war, oder es kann die Menge aller in ei- nem bestimmten Zeitraum in der räumlichen Zuordnung einer Funkzelle aktiven Mobilfunkendgeräte beauskunf- tet werden. Eine Funkzellenabfrage, bei der alle in der Funkzelle des Tatorts im Tatzeitraum aktiven Mobilfunkendgeräte erfasst werden, ist eine typische Er- mittlungsmaßnahme bei Tötungsdelikten. Bei der Auswertung von Funkzellendatensätzen wer- den grundsätzlich Mobilfunkendgeräte gesucht, die an mehreren Tatorten aktiv waren. Für die Treffer dieser Suche werden im Anschluss gegebenenfalls Bestands- daten erhoben. Die Auswertung von Funkzellendatensätzen unter- scheidet sich somit grundsätzlich von der Rasterfahn- dung gemäß § 98 a StPO, bei der personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte vermutlich auf den Täter zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit ande- ren Daten abgeglichen werden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Fra- ge 47): Warum hat die Bundesregierung bislang keinen Vorschlag für eine Genehmigungspflicht für Anschlusstätigkeiten ausge- schiedener Regierungsmitglieder nach dem Vorbild der Euro- päischen Union für ausgeschiedene EU-Kommissare vorge- legt, und wie beurteilt sie Vorschläge für ein verbindliches Lobbyistenregister und für mehr Transparenz im Parteienge- setz – unter anderem Beschränkung von Spenden auf natürliche Personen, Obergrenze 100 000 Euro, Halbierung der Transpa- renzschwellen etc.? Für Mitglieder der Bundesregierung besteht die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit – § 6 des Bundes- ministergesetzes, BMinG – und die Anzeigepflicht für Geschenke in Bezug auf das Amt – § 5 Abs. 3 BMinG – auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt fort. Die Bundesregierung hält die bereits bestehenden Re- gelungen für aus dem Amt ausgeschiedene Mitglieder der Bundesregierung für ausreichend. Darauf hat sie in der Vergangenheit bereits wiederholt hingewiesen. Die Einrichtung eines Lobbyistenregisters beim Deut- schen Bundestag ist eine Angelegenheit des Parlaments, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23801 (A) (C) (D)(B) zu der die Bundesregierung entsprechend ihrer langjähri- gen Staatspraxis Zurückhaltung übt. Auch Regelungen im Bereich des Parteiengesetzes werden vom Deutschen Bundestag herkömmlicherweise aufgrund eigener Initiative getroffen. Die Bundesregie- rung nimmt eine Bewertung parlamentarischer Initiati- ven zu diesem Bereich üblicherweise nicht vor. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 48): Wie ist der Stand innerhalb der Bundesregierung bezüg- lich der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption – United Nations Convention against Corruption, UNCAC –, und welche Vorbehalte hat die Bundesregierung gegen die Vorlage eines solchen Ratifizie- rungsgesetzes? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass Deutschland das Übereinkommen der Vereinten Natio- nen gegen Korruption ratifizieren kann. Den Entwurf für ein Vertragsgesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen, mit dem die Voraussetzungen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifizierung des Übereinkommens geschaffen werden, wird die Bun- desregierung dem Deutschen Bundestag vorlegen, so- bald Einvernehmen über ein Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens besteht. Dazu wäre eine Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung er- forderlich. Derzeit liegen drei Gesetzentwürfe aus der Mitte des Deutschen Bundestages vor. Hierzu findet am heutigen Tage eine Expertenanhörung im Rechtsaus- schuss des Deutschen Bundestages statt. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 49): Wie wird die Bundesregierung gewährleisten, dass es durch den geplanten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zu keiner Ver- schlechterung der Rechtsposition der Auftragnehmer hinsicht- lich der Zahlungsfristen kommt? Mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zah- lungsverzug im Geschäftsverkehr wird die EU-Richt- linie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr „1 zu 1“ umgesetzt. Entsprechend den Vorgaben in der EU-Richtlinie werden in dem Ge- setzentwurf für vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen Höchstgrenzen vorgegeben, die nicht oder nur unter be- stimmten Voraussetzungen überschritten werden dürfen. Damit wird die nach der bisherigen Rechtslage nahezu unbegrenzt bestehende Möglichkeit, vom gesetzlichen Leitbild der sofortigen Fälligkeit durch Vereinbarung ab- zuweichen, zum Schutz des Gläubigers einer Entgeltfor- derung beschränkt und somit die Rechtsposition der Auftragnehmer hinsichtlich der Zahlungsfristen verbes- sert. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 50): Inwiefern kann die Bundesregierung bei der Einrichtung eines eigenen Budgets für die Euro-Zone eine Senkung des mehrjährigen Finanzrahmens auf Kosten der mittelosteuropäi- schen Staaten ausschließen, und inwiefern könnte die Bundes- regierung Vorschläge unterstützen, die die Haushaltskontrolle des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rech- nungshofs zu untergraben drohen? In Bezug auf den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 verfolgt die Bundesregierung weiterhin das Ziel der Ausgabenbegrenzung auf 1 Prozent des EU-BNE. In diesen Rahmen müssen die Ausgaben für sämtliche Poli- tiken der EU integriert werden. Die Vorbereitungen laufen parallel zu den Überlegun- gen für eine gestärkte Wirtschafts- und Währungsunion. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht nicht; die Bundesregierung wird auch hier den Gedanken eines „better spending“ im Sinne der Ausgabeneffizienz ein- bringen. Vorschläge, welche die den EU-Organen nach dem EU-Vertrag eingeräumten Kompetenzen untergraben würden, sind der Bundesregierung weder bekannt noch werden sie von ihr unterstützt. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 51): Teilt die Bundesregierung die Analyse des Internationalen Währungsfonds, IWF, nach der die Kapitalflucht aus der „Peripherie“ der Euro-Zone das grundlegende Fundament der EU unterminiert (vergleiche www.welt.de/finanzen/article1097 23111/IWF-warnt-vor-Kollaps-des-weltweiten-Finanzsystems. html), und inwiefern hält sie Änderungen des auch in Ausnah- mesituationen totalen Verbots von Kapitalverkehrskontrollen in den EU-Verträgen für sinnvoll? Kapitalverlagerungen aus Mitgliedstaaten der Euro- Zone, die sich aufgrund makroökonomischer Ungleich- gewichte und entsprechendem Reformbedarf einer unsi- cheren Markteinschätzung gegenüber sehen, sind ein Symptom der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Die Lö- sung liegt in der Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzstabilität in der Euro-Zone und damit auch des Vertrauens in die Sicherheit der Kapitalanlagen in jedem Euro-Mitgliedstaat. Es gibt bereits Anzeichen, dass die eingeleiteten Reformen greifen. So konnte Irland wieder Einlagenzuflüsse in sein Bankensystem verzeichnen. Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen hingegen 23802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) wäre für die Wiederherstellung des Vertrauens völlig kontraproduktiv. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10967, Frage 52): Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den Er- kenntnissen des Internationalen Währungsfonds aus seiner Publikation „World Economic Outlook, October 2012“, Chapter 1, Box 1.1, über fiskalische Multiplikatoren für euro- päische Länder, dass diese meist über dem Wert von 1,0 lie- gen und folglich schnell durchgeführte Einsparungen staat- licher Ausgaben zwangsläufig zur Verschlimmerung der Rezession in den Krisenstaaten der Euro-Zone führen müssen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus für ihre Forderungen gegenüber diesen Partnerländern bzw. erwägt sie zu ziehen, vor allem bezüglich der Forderun- gen nach der Verlängerung der Fristen für den Abbau staat- licher Haushaltsdefizite und der Gesamtverschuldung? Der IWF thematisiert im aktuellen World Economic Outlook die Ausrichtung der Wirtschafts- und Finanz- politik und die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachs- tum. Vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschul- denkrise würde eine Abkehr vom Kurs der strukturellen Haushaltskonsolidierung einen erheblichen Vertrauens- verlust mit negativen Auswirkungen für Wachstum und Beschäftigung bedeuten. Nur die Einhaltung der Regeln des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts kann wieder Vertrauen in die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen in Europa herstellen. Dieser sieht vor, dass eine Fristver- längerung im Verfahren bei einem übermäßigen Defizit dann gewährt werden kann, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in einem Mitgliedstaat deutlich schlechter verlief als zum Zeitpunkt der Eröffnung des Defizitver- fahrens angenommen und der betreffende Mitgliedstaat die erforderliche strukturelle Konsolidierung erbracht hat. Dabei setzt die Bundesregierung darauf, dass die notwendige Haushaltskonsolidierung von wachstums- steigernden Strukturreformen flankiert wird. Für die eu- ropäische Ebene hat der Europäische Rat am 28./29. Juni 2012 dazu im Rahmen des Pakts für Wachstum und Be- schäftigung wichtige Beschlüsse gefasst. Der Europäische Rat hat zur Ausrichtung der Finanz- politik im März 2012 folgende Grundprinzipien formu- liert: Alle Mitgliedstaaten sollten weiterhin ihre Verpflich- tungen gemäß den Regeln des Stabilitäts- und Wachs- tumspakts einhalten, sodass die automatischen Stabilisa- toren entlang des vereinbarten Pfades der strukturellen Haushaltskonsolidierung wirken können, während zugleich die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleistet wird. Länder, für die es ein Hilfsprogramm gibt, sollten sich an die im Programm vereinbarten Zielvorgaben und Strukturreformen halten. Ebenso sollten Mitgliedstaaten, die unter dem Druck der Märkte stehen, weiterhin die vereinbarten Haushaltsziele erfüllen und bereit sein, erforderlichenfalls weitere Konsolidierungsmaßnahmen durchzuführen. Bei den Konsolidierungsanstrengungen muss besonders darauf geachtet werden, dass Ausgaben Vorrang erhalten, die Investitionen in künftiges Wachstum darstellen; dabei geht es insbesondere um die Bereiche Bildung, For- schung und Innovation. Die Bundesregierung steht unverändert zu dieser Position des Europäischen Rates. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 53): Wie bewertet die Bundesregierung die Regelung zur Steuerrückvergütung bei Agrardiesel für Geländewagen oder andere private Fahrzeuge, zum Beispiel von Schäferinnen und Schäfern, im Vergleich zu den Regelungen zur Nutzung von Agrardiesel durch Imkerinnen und Imker, und welche Ände- rungen am Energiesteuergesetz zur Gleichstellung beider Be- reiche wird sie vorschlagen? Die Bundesregierung lehnt eine spezielle Regelung für Schäfereien ab. Betriebe der Schafhaltung sind be- reits in die allgemeine Agrardiesel-Steuervergütung ein- bezogen, soweit von ihnen die im Gesetz begünstigten Fahrzeuge eingesetzt werden. Der Einsatz sonstiger Fahrzeuge – insbesondere von Personenkraftwagen zu Kontrollfahrten, auch unter Überwindung weiter Stre- cken – ist in den übrigen landwirtschaftlichen Betrieben ebenso üblich und dennoch nicht erstattungsfähig. Die Regelungen für Imkereien sind eingeführt wor- den, als die Steuerentlastung durch Selbstbehalt und Obergrenze nur eingeschränkt gewährt wurde. Auch sind die beiden Berufsstände nicht unmittelbar miteinander zu vergleichen, weil die betrieblichen Verhältnisse der Schäfereien weniger einheitlich sind. So würden insbe- sondere Standortschäfereien mit einer entsprechenden pauschalen Regelung gegenüber anderen landwirtschaft- lichen Betrieben bessergestellt. Eine allgemeine Auswei- tung auf Personenkraftwagen würde erhebliche Schwie- rigkeiten für die Steueraufsicht und Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksa- che 17/10967, Frage 54): Wird die Bundesregierung dem Wunsch der Wirtschafts- ministerkonferenz vom 4. und 5. Juni 2012 nachkommen und die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Bundes- agentur für Arbeit bis zum Herbst 2013 evaluieren lassen, und wer würde diese Evaluierung übernehmen? Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bun- desagentur für Arbeit sind bereits evaluiert worden, sodass derzeit kein weiterer Bedarf hierfür gesehen wird. Allerdings gibt es zu den Maßnahmen im Übergangsbe- reich, die in Verantwortung der Länder liegen, deutlich weniger Untersuchungsergebnisse. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23803 (A) (C) (D)(B) Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fra- gen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Fragen 55 und 56): Wie viele der von der Bundesministerin für Arbeit und So- ziales, Dr. Ursula von der Leyen, im Juni 2012 angekündigten 5 000 Arbeitslosen, die in den Genuss einer Umschulung oder Weiterqualifizierung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher kom- men sollten, haben bisher tatsächlich eine solche begonnen, und wie sind diese Plätze unter ihnen aufgeteilt und ausgestal- tet (bitte aufteilen nach Art der Bildungsmaßnahme und je- weiligen Erfolgsquoten bei den staatlichen Erzieherprüfun- gen)? Was wird die Bundesregierung unternehmen, damit die ar- beitslosen Interessentinnen und Interessenten, die bislang noch nicht an einer Umschulung oder Weiterqualifizierung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin teilnehmen, entsprechend qualifiziert werden? Zu Frage 55: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben nach ihren vorläufigen Erhebungen im Zeitraum von Ja- nuar bis September 2012 insgesamt 813 Personen eine geförderte Weiterbildung zur Erzieherin/zum Erzieher mit Berufsabschluss begonnen. Aussagen zum Erfolg bei den Abschlussprüfungen können derzeit noch nicht gemacht werden, da die Dauer der Ausbildung grund- sätzlich drei Jahre beträgt. Zu Frage 56: Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit un- terstützen das Ziel, durch verstärkte und bedarfsgerechte Umschulungen zur Erzieherin/zum Erzieher einen Bei- trag zur Fachkräftesicherung im Erzieherbereich zu leis- ten. Förderungen können jedoch nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere bei Vorlie- gen der landesrechtlichen Ausbildungsvoraussetzungen erfolgen. Die Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit sind aufgrund der unterschiedlichen länderspezifi- schen Regelungen zur Ausbildung in Verhandlungen mit den Ländern, um insbesondere Fachkräftebedarfe zu kon- kretisieren und auf die notwendige Zertifizierung von Schulen sowie Verkürzungs- und Finanzierungsmöglich- keiten beim dritten Umschulungsjahr hinzuwirken. Das Thema Fachkräftesicherung in Kindertagesein- richtungen ist auch Gegenstand einer Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Verbänden unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 57): Wird die Bundesregierung bereits deutlich vor der nächs- ten Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2013 Initiativen für Maßnahmen nach Art. 24 oder 26 der Verfassung der In- ternationalen Arbeitsorganisation, IAO, oder zur Prüfung ei- ner Aussetzung der EU-Handelspräferenzen ergreifen, um auf die erneute massive Zwangsarbeit von Kindern und Erwach- senen bei der aktuell laufenden Baumwollernte in Usbekistan zu reagieren, und wie wird sie solche Initiativen auf den Tref- fen des IAO-Verwaltungsrates im November 2012 und März 2013, innerhalb der EU, bei den deutsch-usbekischen Regie- rungskonsultationen bzw. in eigenen zeitnahen öffentlichen Stellungnahmen vorbringen? Die Bundesregierung ist über die Nicht-Einladung ei- ner Beobachtungsmission der Internationalen Arbeits- organisation, IAO, zur Baumwollernte in Usbekistan be- sorgt. Sie setzt sich regelmäßig und nachdrücklich bilateral, im Rahmen der Europäischen Union und in in- ternationalen Gremien gegenüber der usbekischen Re- gierung für die Beseitigung von Kinderarbeit ein. Die Ratifizierung und tatsächliche Umsetzung der IAO-Übereinkommen Nr. 138 und Nr. 182 zur Abschaf- fung von Kinderarbeit gehören zu den Voraussetzungen, unter denen die Europäische Union im Rahmen des All- gemeinen Präferenzsystems, APS, sogenannten gefähr- deten Ländern Zollvergünstigungen unter der Sonder- regelung als Anreiz für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung, sogenanntes APS+, gewährt. Zwar hat Usbekistan im Rahmen der Allgemei- nen Regelung des Allgemeinen Präferenzsystems, APS, einen präferenziellen Zugang zum EU-Markt, kommt je- doch nicht in den Genuss der günstigeren Bestimmungen des APS+. Der größte Teil der usbekischen Ausfuhren in die EU umfasst jedoch Erzeugnisse, die in die EU ohne- hin zollfrei auf nichtpräferenzieller Basis eingeführt werden können. Seitens der EU-KOM wurden noch keine Überlegun- gen zur Rücknahme von APS-Präferenzen bei Usbekis- tan vorgetragen. Die Einsetzung einer Untersuchungskommission nach Art. 26 der IAO-Verfassung kann nicht von einem einzigen Mitgliedsstaat allein, sondern nur vom Verwal- tungsrat entschieden werden. Der Verwaltungsrat der IAO besteht aus 28 Regierungsvertretern sowie je 14 Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorgani- sationen. Bislang hat es im Verwaltungsrat keine Mehr- heit für die Einsetzung einer Untersuchungskommission gegeben. Der Einsetzung einer Untersuchungskommis- sion geht in den allermeisten Fällen das Beschwerdever- fahren nach Art. 24 IAO-Verfassung voraus. Es ist davon auszugehen, dass die Lage in Usbekistan erneut während der Internationalen Arbeitskonferenz der IAO im Juni 2013 beraten wird. Die Regierung von Usbekistan ist aufgefordert, im Rahmen dieser Beratung zu den von der IAO geforderten Schritten zur Umsetzung der Überein- kommen über Kinderarbeit Stellung zu nehmen. Die Bundesregierung wird diese Forderung auch weiterhin gegenüber Usbekistan aufrechterhalten und sich mit Nachdruck auch im Rahmen der EU für die Beseitigung von Kinderarbeit eintreten. Darüber hinaus hat der Beauftragte der Bundesregie- rung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Herr Markus Löning, sich im Juli 2012 mit einem Schreiben an den Vorsitzenden des IAO Verwaltungsrates gewandt und die IAO zu weiteren 23804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Schritten zur Bekämpfung der Kinderarbeit bei der Baumwollernte in Usbekistan ermutigt. Die Bundesregierung setzt sich regelmäßig mit Nach- druck gegenüber der usbekischen Regierung für die Be- seitigung von Zwangs- und Kinderarbeit ein. Auch bei deutsch-usbekischen politischen Konsultationen spricht die Bundesregierung das Thema an und fordert die usbe- kische Regierung zur Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen auf. Dies schließt auch das Hinwirken auf die Zulassung einer IAO-Beobachtermission nach Usbekistan zur Baumwollernte ein. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 59): Welche Autorinnen und Autoren haben die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung, BfR, Nr. 037/2012 vom 28. September 2012 zu einer französischen Studie über Fütterungsversuche mit dem gentechnisch veränderten Mais NK 603 erarbeitet (BfR-Mitarbeiter/-innen und Externe)? Zu der französischen Studie über Fütterungsversuche mit der gentechnisch veränderten Maislinie NK603, in der die Verfütterung von gentechnisch verändertem Mais im Zusammenhang mit der zusätzlichen Gabe des Pflanzen- schutzmittels Glyphosat untersucht wurde, wurden Stel- lungnahmen des für die Risikobewertung zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi- cherheit, BVL, und des Bundesinstituts für Risikobewer- tung, BfR, eingeholt. Auch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit, ZKBS, wird eine Bewertung abgeben. Die Stellungnahme des BfR wurde ausschließlich von Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern des BfR erstellt. Hierbei konnte auf die Fachkompetenz von Mitarbeite- rinnen und -mitarbeitern aus den Bereichen Toxikologie, Molekularbiologie, Endokrinologie, Statistik und Pflan- zenschutz zurückgegriffen werden, sodass die Einbin- dung externer Sachverständiger als nicht notwendig an- gesehen wurde. Die Namen aller wissenschaftlichen Bediensteten des BfR sowie weitere personenbezogene Daten sind für die Mitglieder des Deutschen Bundestages im Verzeichnis- dienst der Bundesverwaltung im Intranet unter http:// x500.intranet.bund.de/ einsehbar. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 62): Hat der heutige Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, an einem ISAF-Targeting-Prozess teilgenommen, bei dem die Handlungsempfehlung an die ISAF-Kräfte die ge- zielte Tötung einer gelisteten Person gewesen ist, und welche Rolle hat er bei dem Verfahren eingenommen? General Volker Wieker war während seiner Verwen- dung als Chef des Stabes im ISAF-Headquarter zu kei- nem Zeitpunkt Teilnehmer am Nominierungsboard im Rahmen des formalisierten ISAF-Targeting-Prozesses. Im Übrigen kann aus eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung zu ISAF-internen Meinungsbildungs- prozessen und Entscheidungsfindungen keine Stellung genommen werden. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/ CSU) (Drucksache 17/10967, Frage 63): Wie viele Mehrgenerationenhäuser gibt es, die Teilnehmer des Aktionsprogramms I für Mehrgenerationenhäuser, aber nicht mehr Teilnehmer des Aktionsprogramms II sind, und wie wurde der „Ausstieg“ begründet? 81 Mehrgenerationenhäuser, die im Rahmen des Ak- tionsprogramms Mehrgenerationenhäuser I gefördert wurden, sind nicht im Aktionsprogramm Mehrgeneratio- nenhäuser II vertreten. Die Gründe für die Nichtteilnahme sind dabei viel- schichtig. Sie reichen von einem bewussten Verzicht des Trägers bis hin zu einer Nichtauswahl im Interessenbe- kundungsverfahren aufgrund zu geringer Punktzahl. Auch konnte in Einzelfällen die erforderliche kommu- nale Kofinanzierung nicht erbracht werden. Diese wurde bei der Programmkonzeption des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser II angelegt, um die nachhaltige kommunale Verankerung der Häuser weiter zu beför- dern. Ohnehin musste die Zahl der Standorte von 500 im Aktionsprogramm I auf 450 im Aktionsprogramm II ge- senkt werden, da nur für diese Anzahl von Häusern die erforderlichen Haushaltsmittel bereitstehen. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/ CSU) (Drucksache 17/10967, Frage 64): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Beanstandungen ausländischer Behörden entgegenzuwirken, die bezüglich der Diskrepanz zwischen Fahrzeugschein und Kennzeichen im Hinblick auf den Bindestrich Bußgelder ein- fordern? Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung, BMVBS, wurde durch die Länder darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Ahndung von Ver- kehrsverstößen auch die Eintragung des amtlichen Kennzeichens in der Zulassungsbescheinigung, die mit Trennungsstrich vorgenommen wurde, obwohl die Kennzeichenschilder nicht mehr über einen solchen Trennungsstrich verfügen, in Italien und Österreich zum Beispiel im Zusammenhang mit der Ahndung von Ver- stößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten, mit beanstandet Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 23805 (A) (C) (D)(B) wurde. Abweichende Ausführungen des Kennzeichen- schildes mit der Eintragung in der Zulassungsbescheini- gung sind zum Beispiel bei zweizeiligen Kennzeichen, die bekanntlich schon immer ohne Trennungsstrich ge- prägt werden, nicht neu. Dass die Kennzeichen auf der Zulassungsbescheinigung mit oder ohne Trennungs- strich geschrieben sein können und beide Schreibweisen gleichberechtigt gültig sind, wird auf der Internetseite des BMVBS ausgeführt: http://www.bmvbs.de/Shared- Docs/DE/Art./StB-LA/ueberblick-ueber-die-kraftfahrzeug kennzeichen.html. In Anbetracht von Bürgeranfragen wurde auch das Auswärtige Amt gebeten, die EU- und EWR-Staaten da- rüber zu unterrichten, dass das Kennzeichen in der Zu- lassungsbescheinigung mit oder ohne Trennungsstrich geschrieben sein kann und beide Schreibweisen gleich- berechtigt gültig sind. Die Mitgliedstaaten wurden im August darüber informiert. Dem BMVBS sind in den letzten Monaten keine Fälle bekannt geworden, dass die Eintragung des Trennungs- strichs in der Zulassungsbescheinigung im Ausland be- anstandet wurde. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Frage 65): Wie hoch ist nach aktuellen Kostenschätzungen das Ge- samtvolumen der Projekte des Vordringlichen Bedarfs, die in Bau sind (aufgeschlüsselt nach Verkehrsträgern bzw. Bundes- ländern), und wie hoch ist nach aktuellen Kostenschätzungen das Gesamtvolumen der Projekte des Weiteren Bedarfs, die in Bau sind (ebenfalls aufgeschlüsselt nach Verkehrsträgern bzw. Bundesländern)? Die derzeit im Bau befindlichen Vorhaben bzw. Teil- vorhaben des Vordringlichen Bedarfs der Schiene um- fassen aktuell ein Gesamtvolumen von rund 14,5 Mil- liarden Euro. Schienenprojekte des Weiteren Bedarfs befinden sich gegenwärtig nicht im Bau. Für Investitionen in die Schienenwege des Bundes, die überwiegend länderübergreifenden Charakter haben, erfolgt keine länderbezogene Aufschlüsselung der Inves- titionskosten. Für die derzeit im Bau befindlichen Bundesfernstra- ßenprojekte des Vordringlichen Bedarfs wurden im Frühjahr 2012 Gesamtkosten in Höhe von rund 17,8 Milliarden Euro ausgewiesen, davon entfallen rund 2,7 Milliarden Euro auf das Konzessionsvolumen für die A-Modell-Projekte. Weiterhin befinden sich Bundes- fernstraßenprojekte des Weiteren Bedarfs einschließlich Maßnahmen nach § 6 Bundesfernstraßengesetz mit Ge- samtkosten in Höhe von rund 108 Millionen Euro im Bau. An den Gesamtkosten der Bundesfernstraßenprojekte des Vordringlichen Bedarfs, die sich derzeit im Bau be- finden, haben die Länder folgende Anteile: – Baden-Württemberg 3 522 Millionen Euro – Bayern 3 299 Millionen Euro – Berlin 923 Millionen Euro – Brandenburg 376 Millionen Euro – Bremen 43 Millionen Euro – Hamburg 208 Millionen Euro – Hessen 1 339 Millionen Euro – Mecklenburg-Vorpommern 247 Millionen Euro – Niedersachsen 737 Millionen Euro – Nordrhein-Westfalen 2 498 Millionen Euro – Rheinland-Pfalz 1 041 Millionen Euro – Saarland 85 Millionen Euro – Sachsen 473 Millionen Euro – Sachsen-Anhalt 791 Millionen Euro – Schleswig-Holstein 470 Millionen Euro – Thüringen 1 036 Millionen Euro An den Gesamtkosten der Bundesfernstraßenprojekte des Weiteren Bedarfs einschließlich Maßnahmen nach § 6 Bundesfernstraßengesetz, die sich derzeit im Bau be- finden, haben die Länder folgende Anteile: – Baden-Württemberg 5 Millionen Euro – Bayern 21 Millionen Euro – Niedersachsen 15 Millionen Euro – Nordrhein-Westfalen 32 Millionen Euro – Sachsen 35 Millionen Euro Das Gesamtvolumen der derzeit im Bau befindlichen Bundeswasserstraßenprojekte des Vordringlichen Be- darfs beträgt rund 4,5 Milliarden Euro. Für die Bundes- wasserstraßen sind keine Vorhaben des Weiteren Bedarfs ausgewiesen. Für Investitionen in die Bundeswasserstraßen, die überwiegend länderübergreifenden Charakter haben, er- folgt keine länderbezogene Aufschlüsselung der Investi- tionskosten. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10967, Fra- ge 66): Wie gedenkt die Bundesregierung das Missverhältnis zwi- schen zur Verfügung stehenden Mitteln und angemeldeten Vorhaben im Bundesprogramm des Gemeindeverkehrsfinan- zierungsgesetzes aufzulösen, und welche Finanzausstattung des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr hält die Bundesregierung zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrs- bereich für erforderlich? 23806 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Die Länder sind zuständig für den öffentlichen Perso- nennahverkehr, ÖPNV. Daher geht die Bundesregierung davon aus, dass die Länder ihrer Verantwortung gerecht werden. Der ÖPNV leistet einen wichtigen Beitrag zur Errei- chung der Klimaziele. Planung, Ausgestaltung, Organi- sation und Finanzierung des ÖPNV einschließlich des Schienenpersonennahverkehrs, SPNV, ist Angelegenheit der Länder. Auf der Grundlage des Regionalisierungsge- setzes stellt der Bund ihnen im Jahr 2012 circa 7,085 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel zur Fi- nanzierung des SPNV zur Verfügung. Die Regionalisie- rungsmittel werden mit 1,5 Prozent jährlich dynamisiert. Darüber hinaus erhalten die Länder aus dem Haushalt des Bundes Kompensationszahlungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden – ÖPNV und kommunaler Straßenbau – nach dem Entflechtungs- gesetz und weitere Zahlungen nach Maßgabe des Bun- desprogramms nach dem GVFG. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/10967, Frage 68): Welche Position bezieht die Bundesregierung zu der Tat- sache, dass Menschen wegen ihrer Behinderung trotz entspre- chender Buchung des Fluges von Moskau nach Düsseldorf zu der Internationalen Behindertenkonferenz am 8. Oktober 2012 von der Fluggesellschaft Air Berlin der Mitflug verweigert wurde (vergleiche Neues Deutschland vom 9. Oktober 2012), und inwieweit sieht sie auch mit Blick auf die UN-Behinder- tenrechtskonvention und diesbezüglichen EU-Verordnungen Handlungsbedarf? Die Gestaltung barrierefreier Mobilität für ältere so- wie für behinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen hat für die Bundesregierung eine hohe Bedeu- tung. Politische Entscheidungen, die Menschen mit Be- hinderungen direkt oder indirekt betreffen, müssen sich außerdem am Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mes- sen lassen. Zur Umsetzung des Übereinkommens hat die Bundesregierung mit Beteiligung der Verbände behin- derter Menschen einen Aktionsplan entwickelt, der im Juni 2011 vom Bundeskabinett beschlossen wurde und gegenwärtig fortgeschrieben wird. Die europäische Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 re- gelt die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flug- reisenden mit eingeschränkter Mobilität. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung darf sich ein Luftfahrtunternehmen nicht aus Gründen der Behinderung oder der einge- schränkten Mobilität des Fluggastes weigern, entweder eine Buchung für einen Flug ab oder zu einem unter die vorgenannte Verordnung fallenden Flughafen zu akzep- tieren, oder einen behinderten Menschen oder eine Per- son mit eingeschränkter Mobilität auf einem solchen Flughafen an Bord zu nehmen, sofern die betreffende Person über einen gültigen Flugschein oder eine gültige Buchung verfügt. Die Erfüllung dieser Verpflichtung darf das ausführende Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 nur verweigern, um in internationalen, gemeinschaftlichen oder nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Sicherheitsanforderungen nachzukommen, oder wenn wegen der Größe des Luftfahrzeuges oder seiner Türen die Anbordnahme oder die Beförderung des behinderten Menschen oder der Person mit einge- schränkter Mobilität physisch unmöglich ist. Die Sicherheitsanforderungen für die Mitnahme von Passagieren mit Behinderungen sind in Anhang III EU- Operations (EU-OPS) der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 geregelt. EU-OPS 1.260 (Joint Aviation Regulation – Operations) schreibt vor, dass jedes Luftfahrtunterneh- men ein Verfahren für den Transport von Passagieren mit eingeschränkter Mobilität festzulegen und dabei ins- besondere auch die Notevakuierung des Luftfahrzeuges nach einer Notlandung zu berücksichtigen hat. Dabei sind Passagiere mit Behinderungen auf die Unterstüt- zung durch eine Begleitperson oder die Kabinenbesat- zung angewiesen. Aufgrund dessen kann es nötig wer- den, die Anzahl der mitzunehmenden Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu limitieren. Das Luftfahrt-Bundesamt ist nach § 46 a Luftver- kehrszulassungsordnung, LuftVZO, die nationale Durch- setzungsstelle gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) 1107/ 2006. Aufgrund dieser Zuständigkeit wird es prüfen, ob ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen das aus- führende Luftfahrtunternehmen Air Berlin eingeleitet wird. Das Luftfahrt-Bundesamt kann aufgrund der Kürze der Zeit den Sachverhalt noch nicht abschließend bewerten. 197. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Bericht des Expertenkreises Antisemitismus TOP 2 Befragung der Bundesregierung TOP 3 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zu den finanziellenBelastungen durch Ökostromsubventionen Anlagen
Gesamtes Protokol
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700000

Ich grüße Sie sehr herzlich. Schönen Nachmittag!

Bitte nehmen Sie Platz. Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht des unabhängigen Expertenkreises
Antisemitismus

Antisemitismus in Deutschland – Erschei-
nungsformen, Bedingungen, Präventionsan-
sätze

– Drucksache 17/7700 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Sie sind damit
einverstanden.

Somit eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat als
Erster der Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter
Friedrich. Bitte schön, Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
nern:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bun-
destag hat in der 16. Wahlperiode die Bundesregierung
in einem Antrag aufgefordert, den Kampf gegen Antise-
mitismus weiter und verstärkt zu führen und jüdisches
Leben in Deutschland zu fördern. Im Zuge der Umset-
zung dieses Antrags des Deutschen Bundestages ist ein
Expertengremium 2009 ins Leben gerufen worden, das,

wie ich meine, einen sehr fundierten, einen sehr facetten-
reichen und sehr gründlichen Bericht in zweijähriger Ar-
beit erstellt hat. Dieser Bericht ist eine gute Diskussions-
grundlage und ergänzt die eigenen Erkenntnisse, die die
Bundesregierung anhand von vielen Programmen, die
standardmäßig wissenschaftlich begleitet werden, ge-
wonnen hat. Insofern hat sich dies gelohnt und sollte in
Zukunft fortgeschrieben werden.

Antisemitismus ist ein Thema, das nicht nur die jüdi-
sche Gemeinde in Deutschland angeht. Es berührt die
Grundfesten unserer Demokratie, unserer Freiheit, unse-
res Zusammenlebens. Der Kampf gegen Extremismus,
egal woher er kommt, ist eine Aufgabe, bei der dieser
Staat und diese Gesellschaft gemeinsam zusammenwir-
ken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Tatsache, dass die Zahl der antisemitischen Straf-
taten in den letzten Jahren stabil geblieben bzw. sogar
leicht gesunken ist, beruhigt uns nicht; denn das Niveau
ist nach wie vor sehr hoch. Allein die Tatsache, dass es
solche Straftaten gibt, zeigt, dass das Problem vorhanden
ist und dass wir das Problem gemeinsam lösen müssen.
Es gab erst vor wenigen Monaten hier in Berlin einen
Überfall auf den Rabbiner Daniel Alter. Ich glaube, dass
dieser Überfall ein Handlungsauftrag an alle war, näm-
lich sicherzustellen, dass es kein Stadtviertel in irgendei-
ner Stadt dieses Landes geben darf, in dem Menschen
um ihre Sicherheit oder gar um ihr Leben fürchten müs-
sen, nur weil sie sich zu einer bestimmten Religion be-
kennen, weil sie eine bestimmte Hautfarbe haben oder
weil sie als anders erkennbar sind. Wir schulden es unse-
rem Staat und unserer Demokratie, sicherzustellen, dass
Freiheit, dass Recht und Toleranz überall im Lande, in
jedem Stadtviertel durchgesetzt werden.


(Beifall im ganzen Hause)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bericht
spricht davon, dass circa 20 Prozent der Bevölkerung in
Deutschland antisemitisches Gedankengut in irgendeiner





Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich


(A) (C)



(D)(B)


Weise haben. Nun ist ein Streit darüber ausgebrochen,
wie man auf diese 20 Prozent kommt.

Die einen sagen, es seien viel mehr, die anderen sa-
gen, so viel könnten es gar nicht sein. Natürlich kommt
es immer darauf an, wie man die Fragen formuliert. Ent-
scheidend ist jedoch nicht, welche Zahlenstatistiken vor-
liegen. Entscheidend ist vielmehr, dass es immer noch
oder schon wieder Ressentiments, Klischees und Ver-
schwörungstheorien gibt, die mit unserer Demokratie
und der freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbar
sind und gegen die wir mit aller Konsequenz vorgehen
müssen.

Das Thema Antisemitismus wird aber auch von außen
an unser Land herangetragen. Für islamistische Aktivis-
ten und Organisationen weltweit sind Antisemitismus
und Ressentiments gegen Juden ein nahezu selbstver-
ständlicher Bestandteil ihrer Propaganda und ihrer Ideo-
logie. Das gilt auch für die Gruppierungen, die in
Deutschland tätig sind und die von unserem Verfas-
sungsschutz beobachtet werden.

Das Lagebild, das der Verfassungsschutz zeichnet,
zeigt, dass auch für die Neonazis und die rechtsextremis-
tischen Gruppen in Deutschland Antisemitismus ein ver-
bindender und fester Bestandteil ihrer Propaganda und
ihrer Ideologie ist. Es ist wichtig, dass man die Erkennt-
nisse, die der Verfassungsschutz gewonnen hat, einarbei-
tet in die politische Bildung und in die Aufklärungsak-
tionen, die wir jetzt und in der Zukunft gemeinsam auf
den Weg bringen müssen.

Das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass
heutzutage 90 Prozent der antisemitischen Straf- und
Gewalttaten von den Neonazis begangen werden.
Schauen wir einmal, wie das konkret abläuft: Die Neo-
nazis nehmen jedes tagespolitische Ereignis sofort zum
Anlass, um Verschwörungstheorien über die Juden in
Deutschland, aber auch weltweit, zu verbreiten. Das al-
les zeigt, dass wir gegen diese Volksverhetzung durch
die Neonazis mit aller Konsequenz vorgehen müssen.

50 Prozent aller rechtsextremistischen Straftaten sind
Volksverhetzungsstraftaten. Das macht deutlich, dass
unser Staat und jeder Demokrat gefordert ist, den Anti-
semitismus entschlossen zu bekämpfen – egal in welcher
Maske er daherkommt – und ihm entgegenzutreten.


(Beifall im ganzen Hause)


Es gibt zahlreiche Bundesprogramme, die aufzeigen
sollen, mit welchen Mechanismen die antisemitische
Propaganda der Neonazis vorgeht, um junge Leute auf
ihre Seite zu ziehen und sie für sich zu gewinnen. Wir
stellen fest, dass das Internet inzwischen zu einer bevor-
zugten Plattform für diese Propagandisten geworden ist;
denn es eröffnet – allen Propagandisten übrigens – welt-
weit völlig neue Möglichkeiten, an junge Menschen, die
in bestimmten Lebensphasen ein wenig anfällig sein
können, heranzukommen.

Im Dezember 2011 haben wir das Gemeinsame Ab-
wehrzentrum gegen Rechtsextremismus gegründet. Ein
Schwerpunkt der Arbeit dieses Zentrums besteht in der
Auseinandersetzung mit der Frage, welche Erschei-

nungsformen des Antisemitismus und des Rechtsextre-
mismus es im Internet gibt und welche Gegenmaßnah-
men man im Rahmen der politischen Bildung auch im
Internet auf den Weg bringen kann, um diesen Propagan-
damustern und -strukturen etwas entgegenzusetzen.

Etwas entgegensetzen – das bedeutet auch, dass wir
die Zivilgesellschaft stärken müssen. Ein Programm aus
dem Bundesinnenministerium, das sich „Zusammenhalt
durch Teilhabe“ nennt, setzt genau an dieser Stelle an. Es
geht dabei darum, Vereine und Organisationen zu stär-
ken, Demokratietrainer auszubilden, die die Propaganda-
strukturen und die Argumentationsmuster der Antisemi-
ten ausfindig machen, entlarven und dann entsprechend
dagegen argumentieren können.

In der Deutschen Islamkonferenz steht das Thema
Antisemitismus ebenfalls auf der Tagesordnung. Seit
2010 gibt es die Arbeitsgruppe „Präventionsarbeit mit
Jugendlichen“, die sich mit Extremismus und Gewalt
phänomenübergreifend beschäftigt und die insbeson-
dere den religiös begründeten und begleiteten Extremis-
mus zum Gegenstand hat.

Wir haben vor, bei der nächsten Islamkonferenz im
März/April nächsten Jahres konkrete Handlungsempfeh-
lungen auf den Tisch zu legen, wie diese Präventionsar-
beit mit Jugendlichen in Zukunft verstärkt und weiter
verbessert werden kann.

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland – das ist
die positive Botschaft – wächst, und sie wächst stärker
als sonst wo in Europa. Die Bundesregierung unterstützt
mit finanziellen Mitteln, aber auch ideell die Entwick-
lung insbesondere der überregionalen Einrichtungen, die
Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in
Deutschland und den Aufbau des jüdischen Lebens in
Deutschland. Ich glaube, wir beobachten da seit vielen
Jahren eine sehr positive Entwicklung, und sie ist es
wert, dass alle Ebenen des Staates sie unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Der Bericht der Experten enthält viele Empfehlungen,
die wir sorgfältig prüfen und die wir, soweit sie sinnvoll,
notwendig, finanzierbar und nicht schon durchgeführt
sind, unmittelbar umsetzen werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche sind das denn?)


Entscheidend ist, dass wir diesen Bericht aktualisie-
ren; ich würde vorschlagen, dass wir ihn mindestens ein-
mal pro Wahlperiode auf den neuesten Stand bringen.
Der vorliegende gründliche Bericht bildet hierfür ein gu-
tes Fundament.

Ich bedanke mich bei den Professoren, den Wissen-
schaftlern und den Experten, die mitgemacht haben, für
ihre Arbeit. Ich bedanke mich bei allen im Land, die es
sich zur Aufgabe gemacht haben, aktiv und leidenschaft-
lich dem Antisemitismus entgegenzutreten.

Vielen Dank.





Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700100

Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Red-

ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozial-
demokraten unser Kollege Dr. Wolfgang Thierse. Bitte
schön, Kollege Dr. Wolfgang Thierse.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Serkan Tören [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1719700200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

November 2011 liegt nun der erste Antisemitismusbe-
richt dem Bundestag vor. Am 23. Januar 2012 habe ich
ihn mit Kollegen aller Fraktionen und Mitgliedern des
Expertenkreises der Öffentlichkeit vorgestellt. Heute erst
debattieren wir darüber im Bundestag; das ist wahrlich
etwas spät. Der Bericht hat größere Aufmerksamkeit als
bisher verdient.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn es gibt schlechten, bedrückenden aktuellen Anlass:
In den letzten Wochen wurde in Berlin ein Rabbiner
überfallen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Ju-
den in Deutschland wurde bedroht. Das sind nur zwei
Beispiele für den alltäglichen Antisemitismus in
Deutschland.

Auch im Zusammenhang mit der Beschneidungsde-
batte sind antisemitische Untertöne unüberhörbar. Ich zi-
tiere nur einen Satz aus vielen polemischen, ja hass-
erfüllten Zuschriften an mich wörtlich: Ich bin kein
Rechtsradikaler, aber irgendwann muss mal Schluss sein
mit dem ewigen Ducken vor den Juden. – Ein geradezu
prototypischer antisemitischer Satz.

Wie viele in Deutschland mögen genau so denken?
Seitdem der Bericht vorliegt, wissen wir es: bis zu einem
Fünftel der Bevölkerung; ein erschreckender Befund.
Der Bericht macht auf beunruhigende Weise deutlich,
dass antisemitische Einstellungen bis weit in die Mitte
der Gesellschaft reichen. Erscheinungsformen, Wir-
kungsweisen und Ausbreitung dieser Menschenfeind-
lichkeit genau zu kennen und zu beobachten, ist die Vor-
bedingung für ein energisches und nachhaltiges
Handeln. Das macht den Bericht so wichtig. Wir sollten
gemeinsam Konsequenzen aus ihm ziehen; denn – auch
das will ich, so wie der Herr Minister, betonen – der
Kampf gegen Antisemitismus ist nicht zuvörderst und
schon gar nicht allein eine Sache der Juden in Deutsch-
land, sondern unsere Sache, die Sache aller Demokraten,
aller Anständigen im Lande.


(Beifall im ganzen Hause)


Die Konsequenzen: Erstens. Wir brauchen Kontinui-
tät und Stetigkeit in Analyse und Berichterstattung; hier
besteht, denke ich, Konsens. Der Bundestag hat schon in

seiner Entschließung vom 4. November 2008 zum Aus-
druck gebracht, dass er sich seiner Verantwortung be-
wusst ist, jeder Form von Antisemitismus in Deutsch-
land entgegenzuwirken. Regelmäßige Berichte über
Antisemitismus in Deutschland erstellen zu lassen,
wurde interfraktionell beschlossen. Alle Beteiligten wa-
ren sich einig: Eine intensive und vor allem kontinuierli-
che Berichterstattung ist notwendig. Deshalb sollte das
deutsche Parlament in jeder Legislaturperiode über einen
solchen Bericht und die Konsequenzen daraus debattie-
ren.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens. Antisemitismus ist kein gänzlich isolierba-
res Problem. Er ist eingebettet in und Teil von Rechts-
extremismus, Rassismus, Islamismus, Israelfeindschaft,
Minderheitenfeindlichkeit. Diesen Zusammenhang gilt
es mehr denn je zu beachten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie kennen die Zahlen: 90 Prozent aller antisemiti-
schen Straf- und Gewalttaten werden von Rechtsextre-
misten begangen. Gerade weil wir das Phänomen, das
Problem nicht isolieren können und dürfen, halte ich
eine Ausweitung des Fokus auf weitere Formen grup-
penbezogener Menschenfeindlichkeit – diesen Begriff
verwendet Wilhelm Heitmeyer, um die unterschiedli-
chen Formen von Menschenfeindlichkeit zu erfassen –
für dringend erforderlich; denn unterschiedliche Vorur-
teile und Feindbilder greifen eben ineinander und bilden
ein gefährliches Konglomerat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass genau dies lange nicht erkannt wurde, zeigen auf
dramatische Weise auch die Taten des NSU. Wer über
Antisemitismus angemessen und folgenreich sprechen
und wer handeln will, der darf über die anderen Erschei-
nungsweisen menschenfeindlichen Verhaltens nicht
schweigen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Drittens. Erkenntnisse allein reichen nicht aus. Sie
müssen in Strategien und Aktivitäten zur Überwindung
von Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit über-
setzt werden. Der wissenschaftlichen Beobachtung müs-
sen aktive Schritte folgen. Erforderlich ist, wie auch von
den Experten empfohlen, eine Verstetigung der Bundes-
programme. Momentan sind dies vor allem Modellpro-
jekte. Da aber gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit,
Rassismus, Antisemitismus keine punktuellen, sondern
andauernde Probleme und Herausforderungen sind, be-
darf es auch keiner nur punktuellen, sondern eben einer
dauerhaften Bekämpfung. Nur wenn dauerhafte Pro-
gramme gefördert werden, kann die Arbeit ohne effi-
zienzmindernde Förderlücken gesichert werden. Aus
dem Nebeneinander und der zeitlichen Begrenztheit ver-





Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)


schiedener Aktionen und Programme, die stets neu ini-
tiiert und aufgestellt werden, müssen Institutionen und
Initiativen werden, die tatkräftig und verlässlich arbei-
ten, damit sie nachhaltige Wirkung entfalten können.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, es ist ein bedauernswerter
Zustand, dass nach einer Schreckensmeldung in den Me-
dien die öffentliche Erschütterung zwar groß ist, aber
selten lange anhält. Es ist ein bedauernswerter Zustand,
dass engagierte Menschen Projekte aufbauen, Netz-
werke installieren und dass, kaum haben diese begon-
nen, zu arbeiten und zu funktionieren, die Förderung
ausläuft und die Projekte enden. Diese Zyklen medialer
Konjunktur und kurzfristigen staatlichen Engagements
gilt es zu durchbrechen.

Über die genaue Form der Unterstützung und auch
der Finanzierung der Bundesprogramme – ich persönlich
plädiere dafür, dass wir endlich eine Bundesstiftung ein-
richten –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


wird man trefflich streiten können. Wichtig aber ist ein
Konsens über deren Notwendigkeit. Eine fraktionsüber-
greifende Arbeitsgruppe Antisemitismus hat bereits gut
zusammenarbeitet und sollte sich jetzt daranmachen, ei-
nen gemeinsamen Antrag in dieser Richtung zu erarbei-
ten.

Der Beschluss von 2008 hat nichts von seiner Aktua-
lität eingebüßt, wie wir immer wieder neu auf erschre-
ckende Weise sehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Er ist zu erneuern und mit den Erkenntnissen dieses Be-
richts anzureichern und umzusetzen. Wie 2008 ist es
auch heute wünschenswert und dringend erforderlich,
dass der Bundestag geschlossen Gesicht zeigt, dass ge-
meinsam eine regelmäßige Berichterstattung über antise-
mitische und andere Formen der Menschenfeindlichkeit
etabliert wird, dass eine Verstetigung der Bundespro-
gramme festgelegt wird und wir allen Menschen in
Deutschland zeigen: Wir nehmen diese moralische und
politische Herausforderung ernst. Wir tolerieren antise-
mitische Menschenfeindlichkeit nicht, und wir stehen
dafür nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten ein –
nicht punktuell, nicht zeitlich begrenzt, sondern fortwäh-
rend.


(Beifall im ganzen Hause)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700300

Vielen Dank, Kollege Wolfgang Thierse. – Nächster

Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
FDP unser Kollege Dr. Stefan Ruppert. Bitte schön, Kol-
lege Dr. Ruppert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1719700400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass uns eine
wissenschaftlich begleitete Erfassung des Phänomens
des Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland
vorliegt. Wir haben in diesem Hause schon häufiger über
dieses Phänomen diskutiert. Ich finde, die Vielschichtig-
keit, die dieser Bericht offenbart, hilft uns, unseren ana-
lytischen Blick nochmals zu schärfen.

Ich will drei Aspekte hervorheben: Lange Zeit vertra-
ten Wissenschaftler und große Teile der Zivilgesellschaft
in Deutschland die Vorstellung, dass die Bekämpfung
des Antisemitismus gelingt, wenn man die Gräuel der
deutschen Geschichte aufarbeitet, wenn man, um es mit
Norbert Frei zu sagen, eine Vergangenheitspolitik be-
treibt. Man glaubte, das Phänomen so überwinden zu
können. Diese Schritte waren richtig und notwendig,
aber wir stellen fest: Das allein reicht nicht aus. Der An-
tisemitismus stirbt nicht biologisch aus, sondern er
kommt, wie es in dem Bericht ausgedrückt wird, in Wel-
lenbewegungen wieder. Das hat mich, offen gesagt,
schon beunruhigt, weil ich eigentlich stolz auf die Art
und Weise bin, wie sich dieses Land seiner Vergangen-
heit, insbesondere den begangenen Gräueltaten und dem
Holocaust, gestellt hat, wie es diese Vergangenheit auf-
gearbeitet hat. Aber das allein reicht, wie gesagt, nicht
aus. Wir müssen uns dem Phänomen auf leider unabseh-
bare Zeit jeden Tag neu stellen.

Wir stellen auch fest, dass es nicht ausreicht, zu sa-
gen, dass dieses Phänomen ein Aspekt des Rechtsextre-
mismus ist. Leider – auch das wird in diesem Bericht
aufgezeigt – ist das Phänomen des Antisemitismus tief in
der Gesellschaft verwurzelt, auch in bürgerlichen Grup-
pen, wahrscheinlich auch bei Wählergruppen unserer
Parteien. Auch auf dieser Ebene müssen wir uns diesem
Phänomen stellen und es wirksam bekämpfen.

Der Bericht ist gut, allein es ist nicht einfach, die
Handlungsoptionen, die sich daraus ergeben, zu definie-
ren. Ich bin ein Anhänger von Extremismusbekämp-
fungsprogrammen. Ich bin dafür, dass wir Ausstiegspro-
gramme bewusst finanzieren. Das ist aber ein sehr
punktueller Ansatz, und am Ende ist das Problem nur
durch die Gesamtheit der Bürger, durch die Zivilgesell-
schaft zu lösen und nicht durch einzelne Programme, so
wichtig sie auch sind. Die Lösung dieses Problems ist
und bleibt also unser aller Aufgabe.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich gebe meinem Vorredner durchaus recht: Wir sol-
len uns zu diesen Programmen bekennen. Das Konzept
muss aber breiter angelegt sein, und deswegen sollten
wir nicht, wie in so mancher Extremismusdebatte, in ein
Links-Rechts-Schema verfallen und irgendwelche Dinge
gegeneinander aufrechnen. Ich finde, in der heutigen De-
batte findet dies erfreulicherweise nicht statt. Nein, diese
Debatte führt uns Demokraten über Parteigrenzen hin-
weg zusammen, bis weit in die Partei der Linken hinein.
Es ist gut, dass wir das zusammen machen, dass wir als
Demokraten die Gemeinsamkeiten betonen und sagen,
was wir hier gemeinsam verteidigen wollen. Ich glaube,
für solche Debatten sollten wir uns öfter Zeit nehmen,





Dr. Stefan Ruppert


(A) (C)



(D)(B)


auch wenn sie keinen Raum für parteipolitische Reflexe
bieten, den Gesetzmäßigkeiten der Parteipolitik nicht
folgen und auf den ersten Blick keine politische Attrakti-
vität entfalten. Ich glaube, wir tun gut daran, häufiger
eine solche breiter angelegte Debatte zu führen, in der
wir die Gemeinsamkeiten betonen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ohne konkret auf die Beschneidungsdebatte einzuge-
hen, möchte ich einen Punkt nennen, der mir in diesem
Zusammenhang besonders aufgefallen ist: In der Bevöl-
kerung in Deutschland geht die Sensibilität für die iden-
titätsstiftende Funktion von Religion leider mehr und
mehr verloren. Religion, nicht nur jüdischer Glaube,
wird häufig als etwas wahrgenommen, das in einem
Spannungsverhältnis zur Moderne steht. Ich glaube,
diese Betrachtung ist zutiefst falsch, weil Religion für
viele Menschen ein ganz wichtiger Teil ihrer Identität
ist. Es gilt, dies im Sinne von Art. 4 unseres Grundgeset-
zes gemeinsam zu schützen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es ist eben nicht so, dass die Moderne sozusagen den
Glauben überwindet. Ich glaube auch, dass die rigide
Trennung von Staat und Kirche oder von Staat und Reli-
gionsgemeinschaften, die von manchen gefordert wird,
dem Problem nicht gerecht wird. Warum zahlen wir
denn an den Zentralrat der Juden? Wir zahlen, weil wir
über jüdisches Leben in Deutschland glücklich sind,
weil wir froh sind, dass dieses Leben wieder erstarkt und
präsenter wird. Alle laizistischen Konzepte würden einer
solchen Konstruktion sicherlich eher zuwiderlaufen.
Deswegen bin ich ein großer Anhänger des Koopera-
tionsverhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaf-
ten.

Dieser Bericht ist ein guter Auftakt. Er darf nicht das
Ende, sondern er muss ein erneuter Aufbruch zur Be-
kämpfung des Antisemitismus sein. Er muss fortge-
schrieben werden. Wir alle müssen uns fragen, auf wel-
chen Ebenen wir dem Phänomen, das leider tiefer in
unserer Gesellschaft verwurzelt ist, als wir alle es uns
wünschen, begegnen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700500

Vielen Dank, Kollege Dr. Ruppert. – Nächste Redne-

rin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Frau
Petra Pau. Bitte schön, Frau Kollegin Petra Pau.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719700600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er-

innern wir uns: Ignatz Bubis war lange Jahre Vorsitzen-
der des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er starb
1999. Sein Resümee war bitter – ich zitiere –:

Ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort
Juden, weghaben. Ich habe gedacht, vielleicht
schaffst du es, daß die Menschen anders über einan-
der denken, anders miteinander umgehen. Aber,
nein, ich habe fast nichts bewegt.

Ignatz Bubis ließ sich in Israel beerdigen – aus Angst,
sein Grab werde in Deutschland geschändet wie das von
Heinz Galinski, weil er Jude war.

Diese Geschichte fiel mir jüngst wieder ein. Ein Rab-
biner wurde im Beisein seiner Tochter krankenhausreif
geschlagen, weil er Jude ist. Ein Taxifahrer verweigert
einer Familie die Fahrt zur Synagoge. Beides geschah im
Jahr 2012 in Berlin. In Göppingen skandierten Nazis:
„Ein Baum, ein Strick, ein Judengenick.“ Die Polizei
griff nicht ein. Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.

Der Deutsche Bundestag hat im November 2008 ei-
nen Beschluss gefasst: „Den Kampf gegen Antisemitis-
mus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter
fördern“. Auch ich hatte damals dafür geworben. Wir
beschlossen einmütig sieben konkrete Aufträge an die
Bundesregierung. Über einen davon reden wir heute:
über die Analyse einer Expertenkommission zum Anti-
semitismus in Deutschland. Ich bedauere ebenso wie der
Kollege Thierse, dass wir das nicht dringlich auf die Ta-
gesordnung gesetzt haben, sondern fast ein Jahr danach.
Eine zentrale Aussage der Expertise ist: Nazis und Ju-
denhass gehören zusammen. Dies ist kein Verweis auf
vorgestern, sondern auf heute. Kurzum: Gegen Antise-
mitismus heißt primär gegen Rechtsextremismus.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Aber der Bericht belegt auch: Judenfeindlichkeit gibt
es quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und poli-
tischen Lager. Deshalb mahne auch ich – da haben Sie,
Kollege Ruppert, recht –: Wir sollten uns hüten, das par-
teipolitisch auszuschlachten; denn das hilft letztendlich
nur Antisemiten. Wir müssen Antisemitismus partei-
übergreifend ächten und viel mehr zur Prävention tun.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Im vorliegenden Bericht werden ausführlich Quellen
und Formen von altem und neuem Antisemitismus be-
schrieben. Er grassiert beim Sport, in Medien, auf Schul-
höfen, unter Deutschen und Migranten, in Ost und West.
Dass er anderswo stärker ausgeprägt ist – ich verweise
zum Beispiel auf Ungarn –, sollte uns endlich gemein-
sam beunruhigen.

Antisemitismus ist ein drängendes EU-Problem. Aber
er bleibt ein nicht delegierbares deutsches Problem. Es
gibt engagierte gesellschaftliche Initiativen gegen Anti-
semitismus; die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiative
„Gesicht Zeigen!“ und das Internetportal haGalil gehö-
ren zu den bekannteren. Die Schwarzkopf-Stiftung
bringt Jugendlichen den europäischen Gedanken und
zugleich den Kampf gegen Antisemitismus nahe. An-
wärterinnen und Anwärter der Berliner Polizei pflegen





Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


Patenschaften zum Denkmal für die Kindertransporte
1938/39 und zu noch Lebenden unter den damals so ge-
retteten Jüdinnen und Juden. So weit, so beispielhaft.

Zugleich gibt es aber immer mehr Initiativen gegen
Antisemitismus, die finanziell ausbluten, weil sie bun-
despolitisch alleingelassen werden. Wir kennen das aus
Berlin-Kreuzberg. Ähnliche Beispiele gibt es vielerorts:
hehre Beschlüsse hier und verheerendes Versagen da.
Das muss sich ändern. Das müssen wir, auch wir im
Bundestag, ändern.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das mahnende Fazit im Expertenbericht lautet: Es
gibt kein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Antisemitis-
mus. Gemeint ist hier die Bundespolitik. Ich finde, das-
selbe trifft auf den Kampf gegen Rechtsextremismus zu.
Es ist also höchste Zeit, dass wir heute über den Bericht
reden. Aber es hilft nichts, wenn es folgenlos bleibt.
Deshalb schließe ich mich den Vorschlägen, die hier
schon gemacht wurden, an und schlage vor:

Erstens. Das Mandat für die unabhängige Experten-
kommission ist zu verlängern, verbunden mit hinrei-
chenden Arbeitsbedingungen.

Zweitens. Das gesellschaftliche, wissenschaftliche
und staatliche Engagement gegen Antisemitismus muss
endlich koordiniert werden.

Drittens. Das Thema Antisemitismus sollte in der
Ausbildung von Pädagogen, Journalisten, Polizisten und
Juristen viel präsenter sein.

Viertens. Die europäische Dimension des Antisemi-
tismus muss stärker eingeblendet und als gemeinsames
Problem angenommen werden.

Fünftens. Gesellschaftliche Initiativen gegen Rechts-
extremismus, Rassismus und Antisemitismus sind end-
lich verlässlich zu fördern.

Drei Schlusssätze, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich weiß, dass ob der jüngsten Vorkommnisse Jüdinnen
und Juden erwägen, Deutschland zu verlassen. Ihre
Flucht wäre für uns alle ein Armutszeugnis.


(Beifall im ganzen Hause)


Umso mehr werde ich weiter gegen Antisemitismus
kämpfen und jüdisches Leben fördern. Wir sollten uns in
der hier schon angeregten weiteren Debatte bzw. den be-
reits angeregten weiteren Debatten auch den anderen
sechs Beschlusspunkten aus dem Jahre 2008 zum Thema
„Förderung jüdischen Lebens“ zuwenden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700700

Vielen Dank, Kollegin Petra Pau. – Nächster Redner

in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/

Die Grünen unser Kollege Volker Beck. Bitte schön,
Kollege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719700800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

möchte zunächst die Mitglieder der Expertenkommis-
sion auf der Tribüne begrüßen. Da niemand daran ge-
dacht hat, haben wir dafür gesorgt, dass sie der Debatte
heute beiwohnen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich begrüße auch die Vertreterinnen und Vertreter der
Amadeu-Antonio-Stiftung, des American Jewish
Committee, des Zentralrates der Juden in Deutschland
und der jüdischen Gemeinde von Berlin. Ich glaube, die
Wertschätzung derjenigen, die sich tagein, tagaus – und
nicht nur einmal im Jahr in einer Debatte über einen
Bericht – im Kampf gegen den Antisemitismus engagie-
ren, ist ein wichtiger Punkt bei der gesellschaftlichen
Auseinandersetzung mit diesem Thema.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


2011 gab es in Deutschland laut Bundesinnenministe-
rium 1 239 antisemitische Straftaten und 29 Gewalttaten,
davon allein 10 Gewalttaten in Nordrhein-Westfalen.
Alle sieben Stunden eine antisemitische Straftat, an je-
dem zwölften Tag eine antisemitische Gewalttat. Das
heißt, Antisemitismus – da muss ich Ihnen widerspre-
chen, obwohl ich sonst mit vielem einverstanden bin,
Herr Ruppert – kommt nicht in Wellen. Antisemitismus
in Deutschland ist Teil des Alltags.

An diesen Alltag dürfen wir uns nicht gewöhnen. Wir
müssen offensiv etwas dagegensetzen. Wir dürfen die
Situation in dieser Debatte nicht nur beklagen, sondern
wir müssen klare Handlungsempfehlungen geben und
Konsequenzen ziehen; sonst sind diese Debatten ein
Stück weit wertlos. Wir sind uns einig: Wir finden Anti-
semitismus in allen Fraktionen gleichermaßen verurtei-
lenswert. Entscheidend ist, welche Konsequenzen wir
daraus ziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, normalerweise sucht sich
der Antisemitismus einen Vorwand, um sich politisch zu
entladen. Häufig sind es politische und militärische Kon-
flikte im Nahen Osten, die von Antisemiten auch innen-
politisch instrumentalisiert werden. In diesem Jahr gab
es die Beschneidungsdebatte. Es gibt viele Menschen in
diesem Land und auch hier im Hohen Haus, die sagen:
Der Weg, den das Justizministerium oder die Mehrheit
des Bundestages beschritten haben, ist der falsche Weg;
den kann ich nicht mitgehen. – Diese Menschen tragen
dafür aber respektable Gründe vor.

Allerdings was für Mails ich in diesem Zusammen-
hang als Reaktion auf meine öffentlichen Interventionen
bekommen habe – nicht nur von Rechtsextremisten –,
das hat mich wirklich erschüttert. Ich muss sagen: Zum
ersten Mal habe ich viele jüdische Freunde verstanden,
die manchmal darüber nachdenken, ob sie in diesem





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


Land weiterhin leben wollen und weiterhin leben kön-
nen. Ich zitiere nur einige dieser Zuschriften: Das sei das
schlimmste Verbrechen seit Auschwitz. – Juden seien
Babymetzler. – Der Zentralrat der Juden lenke die deut-
sche Politik, und ich sei ein Judenknecht. – Es gibt Ver-
gleiche der Beschneidungen mit den Medizinversuchen
des Naziarztes Mengele.

Solche Dinge lehnen wir alle hier im Hause gemein-
sam ab; das ist klar. Aber wir müssen uns dem stellen;
denn das kommt aus der Mitte der Gesellschaft, das
kommt nicht nur von politisch organisierten Rechts-
extremisten. Das ist das Problem, mit dem wir uns aus-
einandersetzen müssen. Da reicht es nicht – obwohl es
absolut notwendig ist –, dass wir auf die Straße gehen,
dahin, wo die NPD und andere Organisationen hetzen,
sondern wir müssen nachhaltig auch etwas für den Ein-
stellungswandel mitten in unserer Gesellschaft tun.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das ist die offene Frage, die hier auf dem Tisch liegt.
Die Expertenkommission hat ja nicht nur einen Sach-
standsbericht verfasst, sondern sie hat auch viele Emp-
fehlungen erarbeitet. Da muss ich schon sagen: Schade,
dass wir so spät darüber diskutieren; denn der Bericht
war schon im November 2011 fertig. Aber wenn wir
schon so spät darüber diskutieren, hätte ich von Ihnen,
Herr Bundesinnenminister, schon erwartet, dass die
Bundesregierung uns in dieser Debatte eine Antwort auf
die Empfehlungen gibt, aus der hervorgeht, was sie da-
von wann und wie umsetzen will.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)


Ich hätte mir nicht gewünscht, dass sie nur sagt: Das
werden wir alles prüfen. Wir schauen einmal; vielleicht
ist manches auch finanzierbar. – Nein, Herr Bundesin-
nenminister, wir, Fraktionen und Bundesregierung, müs-
sen uns nach dieser Debatte zusammensetzen und
schauen, wie wir diese Dinge auf den Weg bringen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)


Wir haben hier schon nach den NSU-Morden eine
Resolution verabschiedet. Darin haben wir die Bundes-
regierung aufgefordert, zu überprüfen, wie wir die
Hürden, die es gegenwärtig bei den unterschiedlichen
Programmen für Demokratie und gegen Rechtsextremis-
mus gibt – diese Programme machen eine gute Arbeit –,
stabilisieren können und wie wir dafür sorgen können,
dass die Arbeit auch in den Regionen stattfinden kann,
wo sie am nötigsten ist.

Ich habe von der Familienministerin bis heute nichts
dazu gehört, was aus der Überprüfung geworden ist.
Kein Punkt hat sich geändert. Der Bericht kritisiert aus-
drücklich das Problem der Kofinanzierungen. In den
Regionen, in denen wir ein besonders starkes Problem
mit Rechtsextremismus und Antisemitismus haben, sind
leider auch bei den kommunalen Akteuren die Sensibili-

tät und das Problembewusstsein für die Problemlage
zuweilen entsprechend schlecht ausgeprägt. Das heißt,
die Bereitschaft der Kommunen, in die Kofinanzierung
einzusteigen, ist gerade dort oftmals nicht vorhanden,
wo die Projekte am notwendigsten sind. Deshalb muss
die Kofinanzierungspflicht weg,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


und wir müssen das ganze Verfahren auch entbürokrati-
sieren.

Wir müssen in dieser Debatte auch zum Ausdruck
bringen, dass wir, was ich eingangs gesagt habe, die
Leute, die diese Arbeit tun – das sind Menschen, die viel
freie Zeit, viel private Energie, oftmals auch viel Geld in
diese Arbeit stecken – –


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719700900

Kollege Volker Beck, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Reinhard Grindel?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719701000

Ja.


Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1719701100

Herr Kollege Beck, im Lichte der Diskussion, die wir

jetzt geführt haben: Sind Sie wirklich der Auffassung,
dass es diesem Thema und dieser Debatte angemessen
ist, einen derartig parteipolitisch-kleinteiligen Redebei-
trag zu halten?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719701200

Ich habe überhaupt nicht über Parteien geredet; inso-

fern erstaunt es mich, wenn Sie hier von Parteipolitik
reden. Ich habe dazu aufgefordert, dass wir uns frak-
tionsübergreifend gemeinsam an einen Tisch setzen, um
die Empfehlungen abzuarbeiten.

Wenn wir in den Debatten zu den NSU-Morden, zur
Frage der Bekämpfung von Rechtsextremismus und
Antisemitismus im Hohen Hause übereinstimmend zu
Aufforderungen an die Bundesregierung kommen, er-
warte ich schon, dass das nicht leere Worte sind, sondern
dass das Konsequenzen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese stehen aus.

Es geht nicht darum, Herr Grindel – darauf antworte
ich Ihnen wirklich sehr gerne –, dass wir eine Debatte
nach der anderen über Antisemitismus führen und uns
am Holocaust-Gedenktag unserer Geschichte erinnern,
aber für die Zukunft daraus keine Konsequenzen im
Sinne von Prävention ziehen.


(Beifall der Abg. Christine Lambrecht [SPD])


Wir sollen uns hier nicht als Demokraten selbst be-
weihräuchern, sondern wir müssen die Demokratinnen
und Demokraten, die sich draußen in der Gesellschaft
den Rechten entgegenstellen, ihnen widersprechen, mit





Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


den Jugendlichen arbeiten, damit der Einfluss der
Rechtsextremen auf die Köpfe abnimmt, tatkräftig unter-
stützen. Daran sind wir zu messen und nicht daran, wer
im Deutschen Bundestag die schönste Rede zu diesem
Thema gehalten hat. Am Ende geht es um das, was wir
gemeinsam zustande bringen, um die Welt und unser
Land in die richtige Richtung zu verändern. 20 Prozent
Antisemiten in Deutschland, das kann uns doch nicht ru-
hen lassen.


(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Überlegen Sie, wie viele das hier im Haus wären, wenn
wir uns einrechnen würden. Daran sieht man: Das ist
eine gewaltige Quantität in der Anhängerschaft aller Par-
teien, aller gesellschaftlichen Organisationen. Dem müs-
sen wir uns stellen. Mit Verlaub, Herr Kollege: Wenn wir
uns über diese Sachen nicht ernsthaft unterhalten – gege-
benenfalls auch streiten –, kommen wir keinen Schritt
voran.


(Zuruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/ CSU])


Ich will dazu beitragen, dass wir hier die entsprechen-
den Dinge auf den Weg bringen. Dazu gehört für mich
die Beseitigung der Extremismusklausel. Dazu gehört
für mich, dass die Projekte, die vor Ort arbeiten, nicht
immer nur eine Finanzierung auf drei Jahre bekommen,
und danach ist Schluss, dann muss man sich ein neues
Projekt ausdenken, oder das Geld geht in eine andere
Stadt, zu einem anderen Träger. Wenn wir verstanden
haben, dass Rechtsextremismus und Antisemitismus ein
kontinuierliches und dauerhaftes Problem in unserem
Land sind, dann muss unsere Gegenstrategie doch
genauso nachhaltig sein. Wir können nicht davon aus-
gehen, dass nach drei Jahren Projektarbeit das Problem
gelöst ist und wir uns dem nächsten Thema zuwenden
können. Ich glaube, das sind wir vor dem Hintergrund
unserer Geschichte unserem Land und den Menschen in
unserem Land schuldig.

Meines Erachtens ist die Arbeit gegen Antisemitis-
mus nicht vordringlich die Aufgabe der Juden. Nein, es
ist die Aufgabe aller Nichtjuden. Wir können dankbar
sein, dass sich die jüdischen Gemeinden und Organisa-
tionen trotzdem – obwohl es nicht ihre Aufgabe ist – so
engagiert um dieses Thema kümmern, und wir müssen
sie dabei unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719701300

Vielen Dank, Kollege Volker Beck. – Nächster Red-

ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
CSU unser Kollege Dr. Hans-Peter Uhl. Bitte schön,
Kollege Dr. Hans-Peter Uhl.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1719701400

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Kollege Beck, ich habe das Gefühl,

dass Sie der Erste sind, der in die Debatte einen etwas
anderen Zungenschlag hereingebracht hat, in diese doch
sehr einvernehmliche Struktur des Umgangs mit diesem
hochkomplexen Thema.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein sakraler Raum und keine heilige Debatte! Das ist ein gesellschaftliches Problem!)


Wenn Sie hier der Bundesregierung Vorwürfe ma-
chen, auf Bundesebene werde zu wenig getan, darf ich
mir wenigstens formal den Hinweis erlauben, dass es
noch keine Bundesregierung gegeben hat, die so viel
Geld zumindest für dieses Thema ausgegeben hat wie
die jetzige Bundesregierung. Auch dies muss in diesem
Zusammenhang gesagt werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es parteipolitisch!)


Man hat die Mittel der Bundeszentrale für politische
Bildung für den Kampf gegen Antisemitismus um
1,4 Millionen Euro erhöht, und man hat die Mittel für
die Arbeit des Zentralrats der Juden in Deutschland von
5 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro erhöht. Wenn
wir also diese formale Diskussion führen – das will ich
aber nicht tun –, dann kann man dieser Bundesregierung
wirklich keinen Vorwurf machen.

Meine Damen und Herren, Charlotte Knobloch fragte
anlässlich des sogenannten Beschneidungsurteils des
Kölner Landgerichts in einem Gastbeitrag in der Süd-
deutschen Zeitung: „Wollt ihr uns Juden noch?“ Wenn
Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zen-
tralrats der Juden in Deutschland und langjährige Vize-
präsidentin des Jüdischen Weltkongresses, eine solche
Frage stellt – wollt ihr uns Juden noch? –, dann muss uns
das aufschrecken.

Wir haben in München jüdische Nachbarn. Gleich
nach seiner Verkündung haben sie mir dieses Urteil zur
Lektüre herübergereicht. Ich muss ehrlicherweise zuge-
ben: Ich habe dieses Urteil gelesen und hatte als Jurist
am Anfang auch fast Sympathie für die Gedankenab-
folge, weil wir in der Juristerei ja gelernt haben, dass
selbst der lebensrettende Einsatz des Skalpells durch den
Arzt formalrechtlich zunächst einmal eine Körperverlet-
zung ist, die dann aber ihren Rechtfertigungsgrund fin-
det usw. usf. Das heißt, die rechtstechnische Art des Um-
gangs mit dem Thema Beschneidung ist für die Juristen
zunächst einmal nichts Außergewöhnliches.

Kurze Zeit später wurde ich von unseren Nachbarn zu
einer Bar-Mizwa, einer großen Familienfeier, eingela-
den, die in etwa der Firmung im Katholizismus ent-
spricht. Dort habe ich Charlotte Knobloch wieder getrof-
fen, und ich habe dabei eine ganz außergewöhnlich
aufgeregte Frau erlebt, die in ihrer Rede gesagt hat: Die
Beschneidung gibt es bei uns seit Tausenden von Jahren.
Sie gab es immer, sie gibt es heute, und sie wird es im-
mer geben, solange es Juden gibt.

Ich habe erst dann, nachdem ich auch mit ihr darüber
geredet und sie mir von den E-Mails und Hinweisen aus
der Bevölkerung berichtet hatte, die sie bekommen hatte





Dr. Hans-Peter Uhl


(A) (C)



(D)(B)


– Herr Thierse hat recht: in der sich daran anschließen-
den Debatte in Deutschland gab es subkutane antisemiti-
sche Untertöne –, langsam verstanden und die nötige
Sensibilität im Umgang mit diesem Urteil bekommen.
Ich glaube, das sollte jeder von uns sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auch der Kollege Ruppert hat ja angesprochen, dass
wir vielleicht nicht mehr das Feingefühl für die identi-
tätsstiftende Bedeutung eines solchen Rituals für eine
Religion wie das Judentum haben. Es fehlt uns dieses
Bewusstsein; sonst könnten wir mit diesen Dingen nicht
so rechtstechnisch umgehen.

Ich meine, wir sollten solch irritierende Botschaften
an die bei uns lebenden Juden vermeiden. Insofern ist es
gut, dass wir alles tun, um das jüdische Leben in
Deutschland zu stärken. Wir haben damals sofort einen
Antrag gestellt, und ich hoffe, dass es hier eine große Ei-
nigkeit geben wird, wenn der Gesetzentwurf der Bun-
desregierung, der im Kabinett ja schon verabschiedet
wurde, im Parlament beschlossen werden wird. Hier darf
es keine Rechtsunsicherheit geben. Das ist sehr, sehr
wichtig.

Wir alle sollten Frau Charlotte Knobloch auf ihre
Frage „Wollt ihr uns Juden noch?“ auch von dieser Stelle
aus gemeinsam zurufen: Jawohl, wir wollen jüdisches
Leben in Deutschland!


(Beifall im ganzen Hause)


Nun zu der sehr schwierigen Frage: Wie geht man mit
dem subkutan vorhandenen Antisemitismus in Teilen der
Gesellschaft um? Was ist das probateste Mittel? Was
kann der Bund, was können die Länder, was können die
Kommunen tun? Was kann oder muss die gesamte Ge-
sellschaft tun? Wir haben ein Expertengremium einberu-
fen. Dessen Bericht, ein sehr umfangreiches Kompen-
dium mit einem sehr großen analytischen Teil, liegt vor.
Seien wir aber ehrlich: In dem Teil – im Fazit –, in dem
es um ganz konkrete Projekte und ganz konkrete Vor-
schläge dafür geht, was wir auf Bundesebene jetzt tun
können, um dieses Problem einigermaßen in den Griff
zu bekommen, sind die Vorschläge des Expertenkreises
etwas dünn.

Das ist auch der Grund, warum man dem Innenminis-
ter keinen Vorwurf machen kann, irgendetwas aus dem
Expertenkreis nicht umgesetzt zu haben. Das ist nicht
das Thema. Vielmehr sind wir alle etwas zögerlich,
wenn es darum geht, konkrete Projekte auf Bundesebene
zu starten. Ich glaube, es ist ohnehin viel mehr Aufgabe
der Kommunen, den Antisemitismus zu bekämpfen. Wir
sollten assistieren – natürlich! – und alles dazu beitra-
gen, was man tun kann.

Trotz des Angriffs auf den Rabbiner Daniel Alter und
seine Tochter, der entsetzlich und scheußlich ist – der
Rabbiner muss selbstverständlich von allen bestärkt wer-
den –, haben wir in der Kriminalitätsstatistik in Deutsch-
land, die wir alle kennen, im ersten Halbjahr 2012 glück-
licherweise nur 13 Fälle von Gewalttaten gegen Juden zu
verzeichnen. Zu diesen 13 Fällen zähle ich nicht die
Schmierereien usw., die wir von Nazihand kennen. Ich

meine nur wirkliche Gewalttaten gegen jüdische Men-
schen. Es ist gut so, dass es nur 13 Fälle sind, auch wenn
natürlich jeder einzelne Fall einer zu viel ist.

Ich möchte Wert darauf legen, dass wir in den Kom-
munen, dort, wo am Stammtisch immer wieder Antise-
mitismus aufflackert, sofort zivilgesellschaftlich tätig
werden müssen, dass wir in den Schulen für Aufklärung
sorgen müssen und dass wir in den Ländern vielleicht
auch die Lehrerausbildung verbessern müssen, um ein
waches Gespür für Antisemitismus zu bekommen.

Ich komme aus München. München hat auf dem Ge-
biet des Antisemitismus eine ganz besonders unrühmli-
che Rolle als ehemalige sogenannte Hauptstadt der Be-
wegung gespielt. Ich bin immer wieder glücklich, wenn
ich in der Synagoge in München bin; übrigens ein ganz
außergewöhnlicher, architektonisch bedeutender Sakral-
bau, der wirklich sehenswert ist. Ich bin auch glücklich
über den Umstand, dass nur einen Steinwurf weit ent-
fernt vom Alten Rathaussaal, wo zur Reichskristallnacht
aufgerufen wurde, mit dieser Synagoge wieder jüdisches
Leben entstanden ist. Genau dahin gehört es. Inmitten
der Stadt muss der Treffpunkt für jüdisches Leben sein.
So ist es in München, und so sollte es in jeder größeren
Stadt sein. Das heißt gut gelebte Nachbarschaft zwi-
schen uns und den Juden.

In der Adventszeit und in der Weihnachtszeit ist es
vielleicht gut, einmal jüdische Nachbarn und Freunde zu
sich einzuladen. Wir haben das letztes Jahr getan. Es war
sehr bereichernd, was das Verständnis für jüdisches Le-
ben anlangt, diese Nachbarschaft gerade an einem sol-
chen Tag zu erleben.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719701500

Vielen Dank, Kollege Dr. Hans-Peter Uhl. – Nächste

Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
Sozialdemokraten unsere Kollegin Gabriele Fograscher.
Bitte schön, Frau Kollegin Gabriele Fograscher.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1719701600

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, wir sollten uns hüten, in dieser Debatte alles
Mögliche miteinander zu vermengen und zu vermischen.
Herr Uhl, die Zuwendungen an den Zentralrat der Juden
sind keine Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemi-
tismus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Diskussion um die Beschneidung muss an an-
derer Stelle geführt werden.


(Beifall der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD] – Serkan Tören [FDP]: Warum?)


Wir sprechen leider erst heute, fast ein Jahr nach sei-
nem Erscheinen, über den ersten Bericht der unabhängi-
gen Expertenkommission. Ich möchte diesem Gremium





Gabriele Fograscher


(A) (C)



(D)(B)


für seine umfangreiche, fundierte Vorarbeit und für die-
sen differenzierten Bericht sehr herzlich danken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mein Dank geht auch an den Vizepräsidenten
Wolfgang Thierse, der zu einer Pressekonferenz anläss-
lich der Vorstellung dieses Berichts geladen hatte. Damit
wurde der Blick der Öffentlichkeit nochmals verstärkt
auf das Problem des Antisemitismus in Deutschland und
die damit verbundenen Herausforderungen an Politik
und Gesellschaft gelenkt.

Der vorliegende Bericht fasst unterschiedliche, be-
reits vorhandene Studien zusammen und kommt zu dem
besorgniserregenden Fazit – ich zitiere –:

Was die Verbreitung antisemitischer Einstellungen
in der Bevölkerung anbelangt, so geben die durch
den Expertenkreis ausgewerteten demoskopischen
Untersuchungen übereinstimmend eine Größenord-
nung von etwa 20 Prozent latentem Antisemitismus
an.

In dem Bericht wird auch festgestellt, dass es eine
weitverbreitete Gewöhnung an alltägliche judenfeindli-
che Tiraden und Praktiken in der Mitte der Gesellschaft
gibt.

Dieses Ergebnis ist erschreckend; denn es zeigt: Anti-
semitische Einstellungen gibt es nicht nur an den Rän-
dern, in der rechtsextremistischen und in der islamisti-
schen Szene, sondern eben auch in der Mitte unserer
Gesellschaft. Allein im zweiten Quartal 2012 gab es in
Deutschland 197 Straftaten mit antisemitischem Hinter-
grund, darunter sechs Gewalttaten und 39 Propaganda-
delikte. Dies zeigt, dass es mehr als an der Zeit ist, ent-
schlossen Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Dass etwa ein Fünftel der Bevölkerung antisemitische
Einstellungen hat, ist nicht nur eine Zahl, sondern es be-
schreibt auch, dass dies der Nährboden für Pöbeleien,
Schmierereien, Drohungen und Angriffe auf Menschen
jüdischen Glaubens auf offener Straße ist. Besonders in
Berlin hat es in letzter Zeit brutale Angriffe auf Mitbür-
gerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens gegeben.

Am 28. August 2012 wurde der Rabbiner Daniel
Alter, der mit seiner kleinen Tochter in Berlin-Schöne-
berg unterwegs war, brutal angegriffen. Er wurde gepei-
nigt und geschlagen. Sein Jochbein wurde zertrümmert.
Laut Polizei sollen die Täter Jugendliche, vermutlich
arabischer Herkunft, sein. Daniel Alter wurde angegrif-
fen, weil er eine Kippa trug und dadurch als Jude zu er-
kennen war.

Kurz darauf, am 25. September, kam Stephan Kramer,
Generalsekretär des Zentralrates der Juden, in Berlin-
Charlottenburg mit seinen Kindern aus der Synagoge
und wurde bedroht, weil er sein Gebetsbuch sichtbar
trug. Er zeigte seine Waffe, die er als besonders gefähr-
dete Person tragen darf. Nun wird auch gegen ihn wegen
wechselseitiger Bedrohung ermittelt.

Das sind nur die Fälle, die in die Medien gelangen.
Doch das alltägliche Leben sieht noch anders aus. Viele
Vorfälle werden nicht erfasst, nicht angezeigt und nicht
als antisemitisch motiviert eingestuft. Die Dunkelziffer
ist hoch.

Wir nehmen diese Übergriffe nicht hin. Es sind An-
griffe auf unsere freiheitlich-demokratische Grundord-
nung. Es sind Angriffe auf die verfassungsmäßig garan-
tierte Religionsfreiheit. Es sind Angriffe gegen jeden
Einzelnen von uns.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU])


Es kann nicht sein, dass in Deutschland jeder anziehen
kann, was er will, aber eine Kippa nicht. Es kann nicht
sein, dass in Deutschland jeder ein Buch bei sich tragen
kann, aber ein jüdisches Gebetsbuch nicht. Das wollen
und das können und das werden wir als Demokratinnen
und Demokraten nicht zulassen. Deshalb ist es notwen-
dig, dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg das
Thema Antisemitismus und Judenfeindlichkeit weiter im
Blick behalten, weiter hier im Deutschen Bundestag dis-
kutieren und uns auf präventive Maßnahmen einigen,
um den Antisemitismus in Deutschland wirksam einzu-
dämmen.

Das Expertengremium selbst gibt schon Hinweise,
was zu tun ist. Wir brauchen weiter gehende, tiefer ge-
hende Untersuchungen, Forschungen und Studien auch
zu Teilaspekten, zum Beispiel zu Fragen: Wie tradiert
sich Antisemitismus? Welche Rolle spielt Antisemitis-
mus im Internet? Welche Bevölkerungsgruppen sind be-
sonders anfällig? Wie kann man diese erreichen? Deshalb
braucht der Deutsche Bundestag weiterhin die Unterstüt-
zung und Zuarbeit von externen Experten. Diese Exper-
ten brauchen dann für ihre Arbeit eine ausreichende per-
sonelle und finanzielle Ausstattung.

Wir wollen, dass dem Bundestag auch in Zukunft re-
gelmäßig Berichte vorgelegt werden, die wir dann zeitnah
diskutieren können. Wir brauchen eine nachhaltige und
verstetigte Finanzierung der erfolgreichen Projekte gegen
Antisemitismus und gegen Rechtsextremismus. Nur mit
befristeten Modellprojekten werden wir des Problems
nicht Herr werden. Was wir nicht brauchen, ist eine De-
mokratieerklärung der zivilgesellschaftlichen Projektträ-
ger als Voraussetzung für Förderung. Das schafft Miss-
trauen statt Vertrauen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unser Ziel ist es, einen gemeinsamen Antrag aller
Fraktionen dieses Hauses zu erarbeiten, der unser aller
Anliegen bestärkt und auch weiterentwickelt. Im An-
schluss an diese Debatte werden wir das erste Gespräch
dazu führen. Ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam einen
kräftigen Schritt weiterkommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719701700

Vielen Dank, Frau Kollegin Gabi Fograscher. –

Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Frak-
tion der FDP unser Kollege Serkan Tören. Bitte schön,
Kollege Serkan Tören.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1719701800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich glaube, diese Debatte ist wirklich nicht ge-
eignet, hier einen Parteienstreit anzufangen. Aber lassen
Sie mich trotzdem etwas dazu sagen, Herr Beck.

Wer hier in schönen Reden und auch in Aufsätzen in
überregionalen Zeitungen immer vom jüdischen Leben
in Deutschland spricht und die Bundesregierung auffor-
dert, so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf zur
Beschneidung vorzulegen, gleichzeitig aber keinen
Rückhalt von der eigenen Fraktion bekommt und im
Entschließungsantrag nicht einmal namentlich erscheint
– das Abstimmungsverhalten zu dem Entschließungsan-
trag, den wir gemeinsam verfasst haben, zeigt, dass die
Grünen da durchaus gespalten waren –,


(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nichts damit zu tun!)


der hat, glaube ich, nicht das Recht, sich in irgendeinem
Parteienstreit zu verfangen. Ich bin gespannt, ob Ihre
Fraktion gemeinsam den Antrag dann auch fraktions-
übergreifend unterstützen wird.

Bei der Gelegenheit möchte ich mich auch bei der
Justizministerin für den Gesetzentwurf bedanken.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719701900

Herr Kollege Tören, Sie haben sicherlich geahnt, dass

der Kollege Volker Beck jetzt eine Zwischenfrage an Sie
richten möchte. Gestatten Sie sie?


Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1719702000

Das gestatte ich, ja.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719702100

Bitte schön.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719702200

Vielen Dank, Herr Präsident. Eigentlich will ich, wie

es die Geschäftsordnung auch ermöglicht, an diesem
Punkt eine Zwischenbemerkung machen.

Ich habe diese Entschließung des Bundestages mit
unterstützt, und ich habe auch begrüßt, dass es den Ge-
setzentwurf aus dem Justizministerium gibt. Aber ich
weise ausdrücklich für alle Mitglieder meiner Fraktion,
die diesen Gesetzentwurf nicht unterstützen wollen, weil
sie entweder meinen, es wäre besser, das der Rechtspre-
chung zu überlassen, oder in der Grundrechtsabwägung
zu einem anderen Ergebnis kommen, den Vorwurf zu-
rück. Dass man sie aus diesem Grund in die Nähe des
Antisemitismus rückt, finde ich eine Ungeheuerlichkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe eine dezidiert andere Auffassung als viele
bei uns, die im Namen des Kinderschutzes zu einer an-
deren Abwägung kommen. Aber ich habe großen Re-
spekt vor ihren Argumenten, und ich möchte mich im
parlamentarischen Verfahren auch darum bemühen, dass
wir möglichst viel von dieser Motivlage noch im Gesetz-
gebungsverfahren klären und in den Gesetzestext oder in
die Begründung aufnehmen können.

Ich finde es ungeheuerlich, wenn wir diese Debatte
mit solchen Argumenten führen und Leute in eine Ecke
stellen, in die gewiss niemand aus meiner Fraktion und
den Fraktionen der SPD und der Linken gehört, obwohl
es in diesen Fraktionen andere Meinungen gibt. Wie ich
vernommen habe, gibt es auch aus Ihrer Fraktion den
Ruf, die Abstimmung freizugeben, weil es auch bei Ih-
nen Menschen gibt, die aus respektablen Gründen zu ei-
nem anderen Ergebnis kommen als ich, die Mehrheit des
Hauses und die Justizministerin.

Ich kämpfe für meine Überzeugung, und ich glaube,
dass es richtig ist, jüdisches und muslimisches Leben in
dem Punkt Beschneidung nicht zu bestrafen. Aber man
kann doch nicht Menschen die Ehre abschneiden und sie
zu Antisemiten machen, wenn sie aus Kinderschutzgrün-
den und Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit zu
einem anderen Ergebnis kommen.


(Manuel Höferlin [FDP]: Das ist doch gar nicht geschehen!)


Ich bitte Sie, sich bei den Leuten, die Sie gerade belei-
digt haben, zu entschuldigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1719702300

Herr Beck, wenn Sie richtig zugehört hätten, dann

hätten Sie feststellen können, dass ich Sie und Ihre Frak-
tion nicht mit Antisemitismus in Verbindung gebracht
habe, sondern ich habe festgestellt, dass Sie zu einem
Parteienstreit Ausführungen gemacht und uns angegrif-
fen haben, aber selbst in Ihrer Fraktion anscheinend die
Reihen nicht halten können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Was ist mit dem Thema?)


Ich möchte mich bei den Mitgliedern des unabhängi-
gen Expertenkreises Antisemitismus ganz herzlich für
die von ihnen geleistete Arbeit bedanken. Es ist schade,
dass wir auch heute, mehr als 60 Jahre nach dem Ende
des Naziregimes, über Antisemitismus sprechen müssen.
Aber es ist wichtig, richtig und erfreulich, dass wir uns
dieser gesellschaftlichen Herausforderung nach wie vor
entschieden stellen.

Der Bericht des unabhängigen Expertenkreises leistet
dazu einen bedeutenden Beitrag. Eine besondere Bedeu-
tung nimmt er in meinen Augen ein, da er sich nicht nur





Serkan Tören


(A) (C)



(D)(B)


mit den alten Formen des Antisemitismus – dem rechts-
extremen und linksextremen – beschäftigt. Er setzt sich
darüber hinaus auch mit einer in Deutschland neuen
Form auseinander: dem islamistischen Antisemitismus.
Die Experten haben darauf verwiesen, dass in diesem
Bereich des Antisemitismus noch sehr vieles unklar ist.
Wir brauchen noch viele weitere Studien, um zu verste-
hen, wie ausgeprägt der islamistische Antisemitismus in
Deutschland tatsächlich ist. Dabei gilt es, mit Vernunft
und Redlichkeit vorzugehen. Der islamistische Antise-
mitismus als neue und damit für die Öffentlichkeit be-
sonders interessante Form des Antisemitismus darf den
Fokus nicht vom rechten und linken Antisemitismus ab-
lenken.

Gerade im rechtsextremen Bereich werden weit mehr
antisemitische Gewalttaten verübt als im islamistischen.
Nichtsdestotrotz darf aber auch keine falsch verstandene
Toleranz gegenüber Muslimen im Allgemeinen dazu
führen, dass der islamistische Antisemitismus ausge-
blendet wird.

Zur Lage in Deutschland. Es gibt islamistischen Anti-
semitismus in Deutschland, und er hat auch ein Poten-
zial, zu wachsen; denn mit einer Radikalisierung von
Muslimen geht in der Regel eine stärkere Abneigung ge-
genüber Juden einher. Auch wenn der Islamismus in
Deutschland weit weniger verbreitet ist als in der Öffent-
lichkeit angenommen, so bietet er doch Anknüpfungs-
punkte für antisemitische Einstellungen und Gewalt.
Dem gilt es vorzubeugen und, wo vorhanden, entschie-
den entgegenzutreten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Muslime sind nicht wegen ihrer Religion, sondern
häufig wegen ihres Migrationshintergrunds eine Heraus-
forderung für die Antisemitismusarbeit in Deutschland.
Anders als viele andere Deutsche und genauso wie an-
dere Einwanderer haben sie in der Regel keine Vorfah-
ren, die die Judenverfolgung im nationalsozialistischen
Deutschland als Täter oder Opfer erlebt haben. Es stellt
sich daher die Frage: Wie gehen wir mit Deutschen und
anderen Einwohnern in unserem Land um, die diese Er-
fahrung nicht teilen?

Ich möchte kurz auf meine persönliche Erfahrung und
meinen Umgang mit diesem Thema im Geschichtsunter-
richt in der Schule eingehen. Für mich als Einwanderer-
kind war es natürlich nicht einfach, die Geschichte
Deutschlands als eigene Geschichte anzunehmen und die
daraus resultierende Verantwortung zu sehen. Es hat
aber geklappt, weil ich später ein Zugehörigkeitsgefühl
beispielsweise in Vereinen oder in der Nachbarschaft
entwickelt habe. So bin ich zu der Erkenntnis gekom-
men: Die Geschichte Deutschlands und die Geschichte
des Naziregimes sind auch Teil meiner eigenen Ge-
schichte und Identität. – Ich konnte daraus die richtigen
Lehren ziehen. Aber das ist auch eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe. Daran müssen sich die Schulen,
aber auch viele andere beteiligen, damit das funktioniert.

Ich freue mich, dass sich bereits zahlreiche Vereine
von Migranten und Muslimen für die Überwindung und

Vorbeugung antisemitischer Einstellungen engagieren.
Sie schützen und respektieren damit nicht nur das jüdi-
sche Leben in Deutschland. Nein, sie bekennen sich da-
durch zu unserer vielfältigen Gesellschaft und unterstüt-
zen aktiv ihren Erhalt.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns den
Bericht des unabhängigen Expertenkreises zum Anlass
nehmen, über die alten und die neuen Herausforderun-
gen in der Antisemitismusarbeit zu diskutieren. Lassen
Sie uns gemeinsam Lösungen entwickeln, die ein friedli-
ches und respektvolles Miteinander in Deutschland auf
Dauer ermöglichen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719702400

Vielen Dank, Kollege Serkan Tören. – Letzte Redne-

rin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
CSU unsere Kollegin Frau Dr. Maria Flachsbarth. Bitte
schön, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1719702500

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ver-

ehrte Gäste! Es ist schon gesagt worden: Die heutige De-
batte hat eine schockierende Aktualität bekommen durch
die Angriffe auf Herrn Rabbiner Alter und seine kleine
Tochter sowie auf Sie, sehr verehrter Herr Generalsekre-
tär Kramer. Das zeigt das hohe Erfordernis, entschieden
gegen Antisemitismus einzutreten. Aber auch die De-
batte über die Beschneidung muslimischer und jüdischer
Söhne zeigt dieses hohe Erfordernis. Ich bekomme im
Moment viele Zuschriften zu dieser Problematik. Die
Form der verbalen Auseinandersetzung verletzt zum Teil
die Gefühle der jüdischen und in diesem Fall auch die
der muslimischen Bürgerinnen und Bürger. Manchmal
wird billigend in Kauf genommen, dass jüdische Men-
schen sich fragen, ob sie mit ihrem Glauben hier in
Deutschland wirklich zu Hause sein können. Es handelt
sich oft um Stereotype, Klischees, Vorurteile und ein
großes Maß an Unkenntnis. Hier gibt es wieder diese un-
selige und ungute Mischung, die der Expertenbericht zu
Recht anprangert.

Erfreulicherweise gab es jedoch nach diesen negati-
ven Ereignissen eine Welle der Solidarität gerade von
Vertretern der Religionen, aber auch aus der Politik. Es
gab einen Schulterschluss mit der jüdischen Gemeinde.
Ich möchte diesen Menschen zurufen: Selbstverständlich
sind Sie hier willkommen, und selbstverständlich sind
Sie hier in Deutschland zu Hause! – Ich hoffe, dass De-
mokraten und gläubige Menschen verschiedener Kon-
fessionen nicht nur in dieser Ausnahmesituation zuei-
nanderstehen, sondern dass sie auch weiterhin beherzt
für den Dialog, die Rechte und die Freiheiten anderer
eintreten.

Antisemitismus muss überall da, wo er auftritt, klar
erkannt werden. Er muss klar benannt werden, und er
muss deutlich bekämpft werden. Dazu hat der Antisemi-
tismusbericht mit seiner erweiterten Definition des Anti-





Dr. Maria Flachsbarth


(A) (C)



(D)(B)


semitismus, seinen Ausarbeitungen zu den verschiede-
nen Erscheinungsformen und Begründungsmustern
wichtige Erkenntnismerkmale an die Hand gegeben.

Der Bericht hat wachgerüttelt, weil er zeigt, dass es
Antisemitismus nicht nur im rechtsextremen Milieu gibt,
sondern auch in der Breite der Gesellschaft. Er hat uns al-
len den alarmierenden Auftrag gegeben, alle staatlichen
und zivilgesellschaftlichen Institutionen zu fördern, wenn
es darum geht, sich dagegen einzusetzen, aber auch die
Forderung nach mehr Zivilcourage erhoben; denn es gilt
– das will ich hier auch ganz deutlich sagen –, ein großes
und unverdientes und unerwartetes Geschenk der jüdi-
schen Gemeinden an unser Land zu verteidigen, nämlich
dass nach dem Grauen der Schoah jüdische Menschen
wieder hier in Deutschland leben möchten, dass es wieder
jüdisches Leben in all seinen Strömungen hier in
Deutschland gibt. Es bereichert unsere Gesellschaft, dass
jüdische Gemeinden ihre Bräuche, ihre Traditionen sicht-
bar leben und mit ihrer Religion hier präsent sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Es ist gut, dass Jüdinnen und Juden als Bürgerinnen und
Bürger die Zukunft Deutschlands mitgestalten möchten,
wobei ich mir persönlich wünschen würde, dass dies
noch mehr als bislang auch im Rahmen zum Beispiel
von politischen Mandaten auf allen Ebenen geschieht.

Dieses Bekenntnis, Antisemitismus zu bekämpfen
und jüdisches Leben zu fördern, ist nicht nur ein Lippen-
bekenntnis, sondern es ist auch Anlass, in dieser Debatte
zu bilanzieren, was denn seit der letzten Legislaturpe-
riode geschehen ist. Die Einsetzung des Expertenkreises
und die Aufstockung der jährlichen Mittel für die Arbeit
des Zentralrats sind hier schon mehrfach genannt wor-
den. Um Antisemitismus aber wirksam entgegentreten
zu können, muss das Wissen um das Judentum an die
Stelle von stupiden Vorurteilen treten. Deshalb ist es
richtig und gut, dass erst vor wenigen Monaten in Anwe-
senheit von Ministerin Annette Schavan das Zentrum Jü-
dische Studien Berlin-Brandenburg eröffnet wurde, mit
dem die drei Universitäten Berlins, die Universität
Potsdam, das Moses-Mendelssohn-Zentrum und das
Abraham-Geiger-Kolleg gemeinsam die Forschung und
Lehre in diesem Bereich verstärken. Der Bund gibt dafür
eine Anschubfinanzierung von fast 7 Millionen Euro.

Ebenso werden die Hochschule für Jüdische Studien
in Heidelberg und das Abraham-Geiger-Kolleg in Pots-
dam weiter gefördert. Es ist ein großer Gewinn für unser
Land, dass die Ordination von 14 Rabbinerinnen und
Rabbinern, die in Potsdam ausgebildet worden sind, ge-
feiert werden konnte.

Mit ganz besonders großer Freude verfolge ich per-
sönlich die Entwicklung des noch recht jungen Ernst-
Ludwig-Ehrlich-Studienwerks, in dem derzeit 200 junge
Studierende und Promovierende materiell und ideell ge-
fördert werden, die als aktive Bürgerinnen und Bürger
jüdischen Glaubens an wissenschaftlich relevanten Posi-
tionen die Geschicke unseres Landes mitgestalten wer-
den.

Wir sind uns einig: Dieser Bericht hilft, dem Antise-
mitismus wirksam entgegenzutreten, indem er eine Be-
standsaufnahme vorlegt. Deshalb sollte in jeder Legisla-
turperiode ein solcher Bericht erstellt werden, der
ausweist: Wo treten antisemitische Ressentiments vor-
rangig auf? Was können wir dagegen tun? Wo zeigen
Präventionsmodelle Erfolg, wo nicht? Wo haben wir
Zielgruppen noch zu wenig erreicht? Wie können Prä-
ventionsprogramme effektiv weiterentwickelt werden?

Es geht meiner Meinung nach aber nicht darum, ein
weiteres Gremium zu verstetigen. Was wir brauchen,
sind eine kontinuierliche Überprüfung der Befunde und
praxisorientierte Empfehlungen. Daher plädiere ich da-
für, dass künftig durch die Bundesregierung eine solche
Berichterstattung erfolgt, zu der die Evaluation der Bun-
desprogramme zur Extremismusprävention herangezo-
gen werden und bei Bedarf auch weitere wissenschaftli-
che Expertise von externen Gutachtern angefordert wird.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch einmal
auf die vielen kleinen und lokalen Initiativen hinweisen;
denn oft sind es gerade diese ehrenamtlich getragenen
Initiativen, die vor Ort Großartiges leisten, zum Beispiel
der Verein „Begegnung – Christen und Juden“ in Nieder-
sachsen oder auch die bundesweit tätigen Gesellschaften
für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die an vielen
Orten mit wenigen Menschen, aber mit viel Herzblut
ganz wichtige Ergebnisse erzielen, weil sie es nämlich
sind, die die Begegnung in der Nachbarschaft ermögli-
chen, die Unkenntnis, Fremdheit und Vorurteile über-
winden und persönliche Freundschaften entstehen las-
sen. Dafür möchte ich ihnen sehr herzlich danken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich danke Ihnen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719702600

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die
Aussprache. Wir haben eine wichtige und wertvolle De-
batte geführt. Danke für all Ihre Beiträge und Ihre Teil-
nahme.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7700 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann haben wir gemein-
sam die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Stärkung der Rechte des leib-
lichen, nicht rechtlichen Vaters.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, unsere Kollegin
Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Bitte schön,
Frau Bundesministerin.






(A) (C)



(D)(B)


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Recht herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr ge-
ehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Ge-
richtshof für Menschenrechte hat in zwei Entscheidun-
gen aus den Jahren 2010 und 2011 festgestellt, dass es
mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht
vereinbar ist, den leiblichen, also den biologischen Vater,
der keine enge Bezugsperson des Kindes ist, kategorisch
vom Recht auf Umgang mit dem Kind und vom Recht
auf Auskunft über dessen persönliche Verhältnisse aus-
zuschließen, dies also ohne Rücksicht auf die individuel-
len Kindesinteressen und ohne Rücksicht darauf zu tun,
ob ihm das Fehlen einer sozial-familiären Beziehung zu-
gerechnet werden muss oder nicht.

Mit dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen
Gesetzentwurf wird das Umgangs- und Auskunftsrecht
des biologischen Vaters konventionskonform ausgestal-
tet und in einen angemessenen Ausgleich mit den Inte-
ressen der sozialen Familie gebracht. Im Zentrum steht
dabei das Wohl des Kindes.

Der Entwurf stärkt in einer eigenen Bestimmung die
Rechte des biologischen Vaters in zweierlei Hinsicht:

Erstens soll es für das Umgangsrecht des leiblichen
Vaters künftig nicht mehr darauf ankommen, ob bereits
eine enge Beziehung zum Kind besteht, also ob der Vater
über längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemein-
schaft gelebt hat, ob er einmal Verantwortung übernom-
men hat oder sich sonst um das Kind gekümmert hat.
Entscheidend wird vielmehr sein, ob der leibliche Vater
ein nachhaltiges Interesse an seinem Kind zeigt und ob
der Kontakt auch dem Wohl des Kindes dient. Das Krite-
rium eines nachhaltigen Interesses, das vom Europäi-
schen Gerichtshof für Menschenrechte in seinen Ent-
scheidungen entwickelt wurde, stellt darauf ab, ob die
Bereitschaft des leiblichen Vaters zur Zuwendung zum
Kind im Einzelfall tatsächlich manifest geworden ist. Da
gibt es unterschiedlichste tatsächliche Situationen, die
man gar nicht alle im Einzelnen aufzählen kann. Dazu
gehören die räumliche Nähe zum Kind, überhaupt der
Versuch der Kontaktaufnahme, eine frühere enge Bezie-
hung – vielleicht auch in Vorbereitung der Geburt – zum
Kind und zur Mutter. Dieses bewusst offen gewählte Tat-
bestandsmerkmal soll den Gerichten die Möglichkeit ge-
ben, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob hinter dem
gestellten Antrag auf Umgang mit dem Kind wirklich
ein echtes nachhaltiges Interesse des leiblichen Vaters
am Kind steht. Anders als nach bisheriger Rechtslage hat
der leibliche Vater zukünftig auch dann die Möglichkeit,
Kontakt zu seinem Kind aufzubauen, wenn die rechtli-
chen Eltern – das ist ja die Ausgangskonstellation für
diese neue gesetzliche Bestimmung – ohne Rücksicht
auf das Kindeswohl jeglichen Kontakt verweigern.

Zweitens erhält der leibliche Vater, wenn er tatsäch-
lich Interesse an seinem Kind zeigt, das Recht, von den
rechtlichen Eltern Auskunft über die persönlichen Ver-
hältnisse und die Entwicklung des Kindes zu erhalten.
Aber auch hier gilt, dass das dem Wohl des Kindes die-
nen muss. Bisher haben nur die rechtlichen Eltern ein
gegenseitiges Auskunftsrecht.

Die rechtliche Stärkung des leiblichen Vaters durch
Umgangs- und Auskunftsrecht ist an die Bedingung ge-
knüpft, dass der Antragsteller wirklich der leibliche Va-
ter ist. Steht die biologische Vaterschaft nicht fest, weil
sie zum Beispiel von den rechtlichen Eltern, von der
Mutter oder auch vom rechtlichen Vater, bestritten wird,
muss sie im gerichtlichen Verfahren geklärt werden,
möglicherweise auch im Rahmen einer Beweiserhebung.
Deshalb sehen wir auch noch eine entsprechende verfah-
rensrechtliche Regelung vor.

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir also das ver-
ständliche Anliegen des leiblichen Vaters hinsichtlich
des Umgangs mit seinem Kind, wenn bestimmte Voraus-
setzungen vorliegen, in Einklang bringen mit den schüt-
zenswerten Interessen der sozialen Familie, die daraus
erwachsen, dass die rechtlichen Eltern mit dem Kind
oder den Kindern lange zusammenleben und den Kin-
dern damit Rückhalt und Geborgenheit geben. Das alles
ist sehr schwierig in solchen persönlichen, emotional be-
hafteten Beziehungen. Ich denke, wir tragen hiermit den
Interessen des leiblichen Vaters in vorsichtiger, zurück-
haltender Form Rechnung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719702700

Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Wir kommen

zunächst zu den Fragen, die zu diesem Themenbereich
gehören. Eine erste Wortmeldung habe ich schon. Die
Frage stellt Frau Kollegin Sonja Steffen.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1719702800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Zunächst einmal vor-

weg: Ich denke, wir alle hier begrüßen die Stärkung der
Rechte des leiblichen Vaters. Sie haben vorhin aber auch
dargestellt, worin die Probleme liegen, nämlich die Inte-
ressen der möglicherweise gewachsenen Familie ange-
messen zu berücksichtigen und dabei das Kindeswohl
nicht außer Acht zu lassen.

Wir haben, wenn es um das Anfechtungsrecht des
leiblichen Vaters geht, schon eine Regelung im Gesetz.
Das ist § 1600 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 1600
Abs. 4 BGB. Dort heißt es, dass das Bestehen einer so-
zial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Va-
ter, der Mutter und dem Kind das Anfechtungsrecht des
leiblichen Vaters ausschließt. Diese Bestimmung kommt
mitunter zum Tragen. In Ihrem bisherigen Entwurf habe
ich sie nicht gefunden. Deshalb meine Frage: Ist beab-
sichtigt, der sozial-familiären Beziehung eine größere
Bedeutung beizumessen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir gehen in unserem Gesetzentwurf einen anderen
Weg, indem wir im Zusammenhang mit dem jetzt ge-
schaffenen Recht auf Umgang und Auskunft inzidenter
die Möglichkeit bei Streitigkeiten eröffnen, die Abstam-
mung zu klären. Wir gehen nicht den Weg, dem leibli-
chen Vater generell ein eigenes, neues Anfechtungsrecht





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


zu geben, wenn es rechtliche Eltern gibt. Ein solches
selbstständiges Anfechtungsrecht hieße, in die sozial in-
takte Familie hineinzuregieren. Deshalb stellen wir das
Anfechtungsrecht nicht neben die Möglichkeiten, die
wir dem leiblichen Vater eröffnen – wovon er bisher,
wenn die rechtlichen Eltern es so wollen, komplett aus-
geschlossen ist, wenn er keine enge Bezugsperson des
Kindes werden will –; denn wir wollen keine Aufwei-
chung oder Erweiterung von Anfechtungsrechten.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719702900

Vielen Dank. – Ich habe jetzt eine ganze Fülle von

Wortmeldungen. Ich bitte um Nachsicht, wenn mein
Versuch, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen,
misslingt; dafür entschuldige ich mich gleich von vorn-
herein.

Die nächste Fragestellerin, die ich gesehen habe, ist
Frau Kollegin Mechthild Dyckmans.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1719703000

Frau Minister, Sie hatten es schon erwähnt, aber ich

möchte es etwas genauer wissen. Wenn die leibliche Va-
terschaft des Antragstellers nicht feststeht, können dann
die rechtlichen Eltern verhindern, dass diese festgestellt
wird? Das ist ja oftmals ein Problem. Sie haben es zwar
schon erwähnt, aber vielleicht können Sie darauf noch
einmal genauer eingehen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Diese Konstellation ist sicherlich häufig anzutreffen:
Eine dritte Person kommt hinzu und sagt, sie sei der leib-
liche Vater. Diese Person hat vielleicht längere Zeit über-
haupt keinen Kontakt zum Kind oder zur Mutter gehabt
und beansprucht nun Rechte, in diesem Fall – darauf
konzentrieren wir uns – Umgangsrecht und Auskunfts-
recht.

Wenn dann die Mutter bestreitet, dass diese Person
der leibliche Vater ist, muss er, wenn er Rechte erhalten
möchte, in jedem Fall durch eine eidesstattliche Erklä-
rung zum Ausdruck bringen – das ist eine neue Bestim-
mung im FamFG –, dass er der Mutter in der fraglichen
Zeit beigewohnt hat. Dies ist immer Grundlage für die
Geltendmachung eines Anspruchs auf Umgang.

Es ist bekannt, dass die Abgabe einer falschen eides-
stattlichen Erklärung Konsequenzen nach sich zieht.
Wenn das Gericht für den Fall, dass diese Erklärung sei-
tens der Mutter bestritten wird, die Notwendigkeit der
Klärung der Abstammung sieht, kann dies im gleichen
Verfahren vorrangig – bevor man zur Frage des Kindes-
wohls kommt – geprüft werden. Dann entsteht die Ver-
pflichtung – das regeln wir in dieser Verfahrensbestim-
mung im FamFG –, dass entsprechende Untersuchungen
angestellt werden, um die Abstammungsfrage zu klären.
Sowohl das Kind als auch die Mutter müssen dann diese
Untersuchung über sich ergehen lassen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719703100

Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Ingrid

Hönlinger.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719703200

Frau Ministerin, vielen Dank für die Einführung in

diesen Gesetzentwurf. Es freut mich sehr, dass wir mit
diesem Gesetz die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte zum Umgangs- und
Auskunftsrecht des leiblichen Vaters umsetzen wollen.

Ich habe eine Frage zu den unbestimmten Rechtsbe-
griffen, die sich in der Vorschrift befinden. Zum einen
wird gesagt, der Vater müsse durch sein Verhalten ge-
zeigt haben, dass er Verantwortung übernehmen will,
zum anderen muss ein „berechtigtes Interesse“ vorlie-
gen. Könnten Sie bitte Beispielmaterial liefern, was Sie
darunter verstehen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Es geht um ein nachhaltiges Interesse, das in § 1686 a
BGB, der neuen Vorschrift, geregelt ist. In der Begrün-
dung haben wir einige Beispielfälle angeführt, die An-
haltspunkte liefern können, ohne eine abschließende
Aufzählung darzustellen.

Dieses Interesse kann beispielsweise darin liegen,
dass sich der Vater über längere Zeit intensiv um Kon-
takt zum Kind und Informationen bemüht, sich vielleicht
auch zum Zeitpunkt der Geburt bemüht hat, indem er
beispielsweise in der Nähe der Mutter und des Kindes
wohnte oder Hilfestellungen angeboten hat, also im
Grunde sein gesamtes Verhalten zum Ausdruck bringt,
dass er wirklich ein Interesse am Kind hat. Es geht da-
rum, dass er eben nicht – das hat uns auch sehr beschäf-
tigt – vielleicht aufgrund rein emotionaler Verfasstheit
die rechtliche Elternschaft und die Beziehung innerhalb
der Familie stören möchte, und zwar aus ganz anderen
Gründen, die nichts mit dem Interesse am Kind und dem
Kindeswohl zu tun haben.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719703300

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist Frau Kolle-

gin Ute Granold.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1719703400

Im Anschluss an die Frage der Kollegin Dyckmans

habe ich eine Frage zum Verfahren: Wäre es, weil ja das
Umgangsrecht dem Wohle des Kindes dienen soll, nicht
sinnvoll, dass zunächst die Vaterschaft verbindlich fest-
gestellt wird, bevor gegebenenfalls ein gerichtliches Ver-
fahren auf Umgangsregelung eingeleitet wird? Wäre es
dem Vater nicht zumutbar, zunächst in einem separaten
Verfahren auf eigenes Risiko die Vaterschaft feststellen
zu lassen und erst danach gegebenenfalls sein Umgangs-
recht gerichtlich klären zu lassen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden,
und zwar aufgrund folgender Überlegungen: Wenn sei-
tens des Vaters gar nicht erst nachhaltig vorgetragen
wird, dass ein wirkliches Interesse vorliegt, oder wenn
aufgrund der Gesamtumstände das Umgangsrecht mit ei-
ner dritten Person – neben den rechtlichen Eltern – nicht





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


dem Kindeswohl entspricht, dann wollen wir gar nicht,
dass losgelöst von diesen Voraussetzungen ein Prozess
zur Feststellung der tatsächlichen Abstammung geführt
wird. Vielmehr soll gerade mit Blick auf das Kind und
das Kindeswohl nicht die ausschließliche Klärung der
Abstammung ermöglicht werden; dies soll immer nur
mit Bezug auf das Interesse am Kind und auf das Kin-
deswohl möglich sein. Alles andere sehen wir als eine
zusätzliche Belastung an.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719703500

Wir wollen auch Männern die Chance der Fragestel-

lung geben. Kollege Jörn Wunderlich.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719703600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Justizministerin,

Sie sagten, Sie gingen einen anderen Weg. Der Gesetz-
entwurf betrifft nur die Fälle der leiblichen Väter, die
nicht rechtliche Väter sind, also nach geltender Rechts-
lage die Fälle jener leiblichen Väter, die weder Ehemann
noch durch Vaterschaftsanerkennungsurkunde aner-
kannte Väter sind. Das FamFG wollen Sie dahin gehend
ändern, dass letztendlich eine eidesstattliche Erklärung
ausreicht, um eine Prüfung durchführen zu lassen, inwie-
weit ein Umgang gewährt werden muss. Nach der UN-
Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht, seine
Herkunft, seine Abstammung zu erfahren.

In Ihrem Gesetzentwurf sind aber viele unbestimmte
Begriffe enthalten – es ist schon gesagt worden –, zum
Beispiel „nachhaltiges Interesse“, „berechtigtes Inte-
resse“. Erst in der zweiten oder gar dritten Stufe folgt
das Kindeswohl. Es kann sogar zu Blutentnahmen bei
Mutter und Kind und beim erklärten leiblichen Vater
kommen. Da frage ich: Muss die Kindeswohlfrage nicht
in den Vordergrund gerückt werden, gerade bei sozial in-
takten Familien, bei denen plötzlich von außen – ich
sage es einmal so, ohne dass ich irgendwelchen leibli-
chen Vätern zu nahe treten will – ein „Eindringling“
kommt?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir sagen ja gerade, dass es dem Gericht bei dieser
Prüfung überlassen ist, zu sagen: Es ist offenkundig,
dass es nicht dem Kindeswohl dient. – Dann wird das
Gericht nicht in andere Prüfungen einsteigen. Wir wol-
len eine losgelöste, vorangestellte Feststellung der Ab-
stammung generell nicht vorsehen. Das war ein Aspekt
im Zusammenhang mit der Beteiligung der Länder; ein
entsprechender Vorschlag ist in verschiedenen Formulie-
rungen eingebracht worden. Gerade mit Blick auf das
Kindeswohl sehen wir eine losgelöste Feststellung nicht
vor. Wir geben dem Gericht Möglichkeiten, zu prüfen
und zu entscheiden, wie prioritär das Kindeswohl bei der
Frage einer weiteren Beweiserhebung zu beurteilen ist;
denn das Kindeswohl spielt für uns eine entscheidende
Rolle. Dass ein Antrag nur dann zulässig ist – das besagt
der neue § 167 a –, wenn der Antragsteller an Eides statt
erklärt, er habe beigewohnt, soll von vornherein vermei-
den helfen, dass Umgangsanträge einfach ins Blaue ge-
stellt werden, und diese unzulässig machen. In einem

entsprechenden Fall braucht man in andere Prüfungen
nicht mehr einzusteigen. Ich glaube, auch das wird dem
Kindeswohl wirklich gerecht.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719703700

Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Katja Dörner.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719703800

Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen.

Sie haben schon einiges zur durchaus heiklen Angele-
genheit der Feststellung der leiblichen Vaterschaft ge-
sagt, die unter bestimmten Voraussetzungen – auch das
haben Sie ausgeführt – sehr wohl verlangt werden kann.
Ich würde Sie bitten, auszuführen, wie sich das aus Ihrer
Sicht in Relation dazu verhält, dass die bestehenden
sozial-familiären Beziehungen im Interesse des Kindes-
wohls durchaus schützenswert sind; das hat der Europäi-
sche Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich fest-
gestellt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Gerade der Aspekt, dass hier die intakte sozial-familiäre
Beziehung nicht gefährdet werden soll, hat uns bei der
Formulierung des Gesetzes geleitet. Auf der anderen
Seite können wir nicht an der geltenden Rechtslage
festhalten, die den leiblichen Vater sehr grundsätzlich
weitestgehend von jeglicher Form des Umgangsrechts
ausgeschlossen hat, es sei denn, er ist schon enge Be-
zugsperson. Das können die rechtlichen Eltern nach gel-
tendem Recht verhindern, indem sie sagen: Nein, wir
lassen es nicht zu, dass ein Kontakt besteht.

Wir machen einen, wie ich finde, sehr vorsichtigen
Schritt, weil wir es auch im Interesse des Kindeswohls
für sehr wichtig halten, dass die intakte Familienbezie-
hung bestehen bleibt. Deshalb stellen wir Anforderun-
gen an die Zulässigkeit des Antrages, Stichwort Beiwoh-
nung. Wir schaffen mit dem Gesetz aber nicht ein neues,
losgelöstes Anfechtungsrecht. Das ist in vielen Zusam-
menhängen immer wieder erörtert worden. Denn dann
würde dem Kind in einem gerichtlichen Anfechtungs-
verfahren vielleicht der rechtliche Vater genommen, und
das hätte zur Folge, dass die über Jahre bestehende so-
zial intakte Familie dahin wäre. Das Kind hätte den
rechtlichen Vater verloren, und der leibliche Vater hätte
möglicherweise gar kein nachhaltiges Interesse, Rechte
und Pflichten zu übernehmen.

Ich denke, deshalb ist es gut, dass wir die zurückhal-
tende Herangehensweise gewählt haben, nur das Um-
gangs- und Auskunftsrecht zu gewähren – darauf bezog
sich auch die EGMR-Entscheidung; wir gehen also nicht
darüber hinaus –, dies an bestimmte Voraussetzungen zu
knüpfen und dem Gericht im Verfahren die Möglichkeit
zu eröffnen, eine Beweiserhebung hinsichtlich der Ab-
stammung vorzunehmen. Schonender geht es meiner
Ansicht nach eigentlich nicht bei der Abwägung zwi-
schen den Gesichtspunkten der sozial intakten Familie
einerseits und gewissen Rechten des leiblichen Vaters
andererseits.






(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719703900

Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Elisabeth

Winkelmeier-Becker.


Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1719704000

Danke schön für die Möglichkeit zur Fragestellung. –

Frau Ministerin, sowohl beim Recht auf Umgang als
auch beim Recht auf Auskunft ist das Kindeswohl das
maßgebliche Kriterium. Sie haben hier allerdings unter-
schiedliche Maßstäbe angelegt. Beim Recht auf Umgang
muss der Umgang dem Kindeswohl dienen. Beim Recht
auf Auskunft hingegen ist eine negative Kindeswohl-
prüfung erforderlich; die Ausübung des Rechts auf
Auskunft darf dem Wohl des Kindes also nicht wider-
sprechen.

Vielleicht können Sie noch einmal erklären, welche
Aspekte zu diesen unterschiedlichen Maßstäben geführt
haben. Inwiefern ist an diesen beiden Stellen ein mögli-
ches Schutzinteresse der sozial intakten Familie mit zu
berücksichtigen, da dies ja kein eigenständiges Prüfkri-
terium ist?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir haben das Umgangsrecht und das Auskunftsrecht
an unterschiedliche Anforderungen geknüpft. Beim
Recht auf Umgang geht es unmittelbar darum, dass di-
rekter Kontakt zum Kind bestehen soll. Insofern muss
das Kindeswohl bei einer Endabwägung des Gerichts
das ausschlaggebende Kriterium sein.

Bei dem Anspruch auf Auskunft über die persönli-
chen Verhältnisse geht es darum, von den rechtlichen El-
tern Einzelheiten zur Entwicklung des Kindes zu erfah-
ren, ohne dass damit bereits der Anspruch auf Umgang
begründet wird. Der Antragsteller muss hieran ein be-
rechtigtes Interesse haben und kann nicht einfach ins
Blaue hinein sagen: Jetzt will ich alles Mögliche wissen.

Wir haben hier eine etwas schwächere Formulierung
gewählt. Es heißt nicht: „muss dem Kindeswohl dienen“,
sondern: „dem Kindeswohl nicht widerspricht“. Es sol-
len keinerlei Auskünfte gegeben werden, die aus Sicht
der rechtlichen Eltern dem Kindeswohl widersprechen
würden.

Aus diesen Gründen haben wir uns für eine etwas un-
terschiedliche Gewichtung entschieden. Aber beide
Fälle haben wir mit Anforderungen versehen, die zwar
ziemlich große Hürden darstellen, die ich aber für richtig
halte.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719704100

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist unsere Kol-

legin Marlene Rupprecht.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1719704200

Das Kindeswohl wurde jetzt mehrmals erwähnt. Nor-

malerweise sind die Eltern für das Kindeswohl zustän-
dig, und ich finde, da ist es auch gut aufgehoben. Ich
frage mich allerdings, ob es in einer Situation, in der sich
oftmals zwei oder drei Parteien streiten – ob leiblicher

Vater, rechtlicher Vater oder leibliche Mutter –, dort
wirklich gut aufgehoben ist. Schließlich können die Inte-
ressen der genannten Parteien mit denen des Kindes
kollidieren, und möglicherweise treffen die Parteien un-
tereinander eine Regelung, die nicht unbedingt dem Kin-
desinteresse – ich sage jetzt bewusst nicht „Kindes-
wohl“, sondern „Kindesinteresse“ – entspricht.

Für mich stellt sich daher folgende Frage: Wäre es
nicht sinnvoll, dem Kind von Anfang an einen Interes-
senvertreter zur Seite zu stellen? Ich glaube nämlich,
dass – ich will es vorsichtig formulieren – die anwalt-
schaftliche Vertretung des Kindes vor den Familien-
gerichten nicht immer so sehr im Mittelpunkt steht, wie
es eigentlich notwendig wäre, um die Interessen des
Kindes zu vertreten. Meine Frage lautet: Gibt es in die-
sem Fall eine Vertretung, zum Beispiel in Form eines
Rechtsbeistandes?

Die Wahlfreiheit, die wir schenken – Auskunft geben
oder nicht –, führt gegebenenfalls zu Pflichten. Wenn
wir die Biologie hoch einstufen – das tun wir mit dem
Begriff des biologischen Vaters –, dann darf es auch
keine Wahlfreiheit geben, wenn es darum geht, ob ich
meinen Pflichten nachkomme oder nicht. Vielleicht habe
ich Sie falsch verstanden. Ich möchte Sie bitten, das zu
erklären. – Danke.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719704300

Die Frage ist, glaube ich, angekommen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Vielleicht zuerst zu Ihrem letzten Punkt, Frau
Rupprecht: Wir wollen auf keinen Fall eine Pflicht zum
Umgang. Auch bezogen auf andere Personen – wir
haben eine Personengruppe aufgeführt, für die ein Um-
gangsrecht möglich ist – haben wir keine Verpflichtung
zum Umgang vorgesehen. Beim biologischen Vater wol-
len wir eine solche Verpflichtung schon gar nicht. Wir
wollen nur prüfen, ob es aufgrund bestimmter Vorausset-
zungen vertretbar ist – das geht nicht voraussetzungslos –,
dass der biologische Vater Umgang mit dem Kind hat.
Wir wollen auf keinen Fall eine Verpflichtung zum Um-
gang. Das würde auch eine ganz andere Art der Prüfung
bedeuten. Das haben wir ganz bewusst nicht gemacht.
Das ist auch ansonsten nicht im Familienrecht verankert.

Zu Ihrer anderen Frage. Im Gegensatz zu anders gela-
gerten Familienrechtsstreitigkeiten haben wir hier die Si-
tuation, dass es rechtliche Eltern bzw. eine sozial intakte
Familie gibt. Das Kind, das möglicherweise nicht vom
rechtlichen Vater gezeugt wurde, lebt also, vielleicht zu-
sammen mit Geschwistern, in dieser Familie. So war der
Sachverhalt in dem einen Fall, der dem Urteil des Euro-
päischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde lag.
Ich denke, in diesem Fall haben zuallererst die recht-
lichen Eltern die Entscheidungskompetenz, so sage ich
es einmal. Ich glaube nicht, dass man dieser besonderen
Interessenlage und insbesondere dem Interesse des
Kindes Rechnung trägt, wenn man eine gesetzliche
Verpflichtung vorsieht, nach der dem Kind immer ein
Anwalt zur Seite gestellt werden muss.





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


Im Verfahren haben wir viele andere Möglichkeiten,
da dann die allgemeinen Regelungen für das familienge-
richtliche Verfahren, FamFG, gelten. Wir schaffen hier ja
nur eine zusätzliche Möglichkeit im Hinblick auf diese
besondere Konstellation. Dabei geht es um die Feststel-
lung der leiblichen Vaterschaft, also der Abstammung.
Ansonsten bietet das FamFG Möglichkeiten, wenn sich
das Kind selbst einbringen will bzw. soll. Dabei geht es
immer um das Kindeswohl: Dient das dem Kindeswohl?
Wir haben inzwischen, nach langem Kampf, in gewis-
sem Umfang Ausgestaltungsmöglichkeiten verankert –
Stichwort Anwalt des Kindes –, die diesem Anliegen
Rechnung tragen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719704400

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist Frau Kolle-

gin Ewa Klamt.


Ewa Klamt (CDU):
Rede ID: ID1719704500

Vielen Dank. – Frau Ministerin, auch ich möchte auf

das Umgangsrecht eingehen, nicht auf die Pflicht zum
Umgang, sondern auf das Recht auf Umgang. Wie muss
ich mir das vorstellen? Wie regle ich das für ein relativ
kleines Kind? Wie hat das auszusehen? Wird das ange-
lehnt an das, was Familiengerichte zum Beispiel nach ei-
ner Scheidung entscheiden? Kann das in diesem Fall ein
begleitetes Umgangsrecht sein, da das Kind bei soge-
nannten rechtlichen Eltern lebt?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Dazu machen wir bewusst keinerlei weitere Ausfüh-
rungen im Gesetz selbst. Es kommt auf die konkrete Si-
tuation an. Zu berücksichtigen ist aber auch, was bereits
jetzt im Rahmen des Umgangsrechts möglich ist. Es gibt
vielfältige Möglichkeiten zur Ausgestaltung des
Umgangsrechts in der konkreten Situation. Wenn die
Voraussetzungen zur Gewährung des Umgangsrechts
vorliegen, wenn dies kindesgerecht und altersgerecht ist,
dann kann man es anordnen. Dabei geht es auch um die
Frage – Sie haben das angesprochen –, inwieweit je-
mand dabei sein soll oder nicht. In diesem Zusammen-
hang gilt all das, was auch ansonsten hinsichtlich der
Ausgestaltung des Umgangsrechts gilt. Das ist Sache des
zuständigen Gerichts.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719704600

Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt unsere Kolle-

gin Katja Keul.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719704700

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich habe nach Ihren

Ausführungen jetzt durchaus den Eindruck, dass Sie das
Kindeswohl tatsächlich bestmöglich berücksichtigen
wollen. Mich treibt aber noch eine andere Sache um. Sie
haben gesagt, dass die biologische Vaterschaft in diesem
Verfahren gegebenenfalls inzident überprüft und festge-
stellt werden muss. Das würde zu einer völlig neuen Si-
tuation führen. Wenn die biologische Vaterschaft eines
Mannes festgestellt würde, ohne dass die Vaterschaft des
rechtlichen Vaters angefochten wird, würde das dazu

führen, dass es in Zukunft zwei gerichtlich festgestellte
Väter für ein Kind geben kann. Dies galt bisher als aus-
geschlossen. Es würde also einen gerichtlich festgestell-
ten Vater geben, der rechtlicher Vater ist, und dann
würde es – das wäre systemwidrig – einen weiteren ge-
richtlich festgestellten Vater geben, der nicht rechtlicher
Vater sein soll. Das wäre etwas völlig Neues. Habe ich
das richtig verstanden?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Wir begehen Neuland, indem wir den biologischen
Vater ein Stück weit in eine Beziehung zum Kind und zu
den rechtlichen Eltern bringen. Nehmen wir an, dass
rechtliche Elternschaft gegeben ist und es Streit um die
biologische Vaterschaft gibt, dass die Mutter die leibli-
che Vaterschaft des Mannes zum Beispiel vehement be-
streitet und sagt, das stimme nicht, dieser Mann könne
nicht der biologische Vater sein. Es kann ja nicht sein,
dass wir das ungeprüft lassen und auf der Grundlage die-
ses ungelösten Streits sagen: Ob er nun der biologische
Vater ist oder nicht, er bekommt kein Umgangsrecht.
Das würde dann auch nicht im Einklang mit dem Kon-
ventionsrecht der EMRK stehen. Daher sehen wir in
§ 163 a Abs. 2 vor, dass zur Klärung der leiblichen Va-
terschaft die entsprechenden Untersuchungen, wie wir
sie an anderen Stellen im geltenden Recht schon geregelt
haben, vorzunehmen sind.

In anderen Fällen kann die biologische Vaterschaft
auch unstreitig sein. Es kann natürlich auch sein, dass
die Mutter sagt: Jawohl, das ist der leibliche Vater. Auch
dann gibt es einen leiblichen Vater und einen rechtlichen
Vater. Im Falle des Streits um den leiblichen Vater er-
folgt im Rahmen dieses neu geschaffenen Umgangsrech-
tes die Feststellung, ob er es ist oder nicht.

Natürlich haben wir damit eine neue Situation, aber
dadurch kommt es nicht zur Anfechtung des rechtlichen
Vaters. Es wäre etwas anderes, wenn ich generell ein An-
fechtungsrecht schaffen würde. Gerade das machen wir
ganz bewusst nicht; denn die neue Regelung soll nicht
dazu führen, dass das Kind seinen rechtlichen Vater ver-
liert.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719704800

Vielen Dank. – Nächster Fragesteller – wieder aus

dem männlichen Bereich – ist der Kollege Stephan
Thomae.


Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1719704900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, eine

Frage zum Verfahren: Was gilt während der Übergangs-
zeit bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes? Müssen
oder können nationale Gerichte die Rechtsprechung des
EGMR in solchen Verfahren bereits jetzt anwenden, be-
vor das neue Gesetz in Kraft tritt?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Es gibt einen Grundsatz: Die nationale Justiz muss
prüfen, inwieweit eine Entscheidung des EGMR Ein-





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


gang finden kann in nationales Recht, ohne dass es bis-
her eine gesetzliche Umsetzung gibt. Wir haben uns das
genau angesehen; sonst hätten wir vielleicht gar keine
Regelung schaffen müssen. In § 1684 BGB, also im gel-
tenden Recht, ist festgelegt, wann es ein Umgangsrecht
Dritter geben kann, nämlich dann, wenn der Betreffende
eine enge Bezugsperson ist. Hier kann man das Gesetz
also nicht entsprechend der Entscheidung des EGMR
auslegen. Die bisherige Regelung im BGB steht dem
entgegen, was wir jetzt hier schaffen. Deshalb brauchen
wir diese neue Regelung. Bis wir sie verabschiedet ha-
ben, wird es real keinen Weg geben, dass ein leiblicher
Vater ein Umgangs- oder Auskunftsrecht bekommt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719705000

Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist unsere Kol-

legin Sonja Steffen.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1719705100

Vielen Dank. – Wir haben jetzt viel über das Kindes-

wohl geredet und auch viel über die soziofamiliären Zu-
sammenhänge, die man beachten muss. Ich will jetzt
noch einmal den Blick auf den leiblichen Kindesvater
wenden. In dem Gesetzentwurf heißt es: Das Recht auf
Umgang und das Auskunftsrecht können dann ausgeübt
werden, wenn – jetzt kommt die Tatbestandsvorausset-
zung – der Vater „durch sein Verhalten gezeigt hat, dass
er für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen will“.

Jetzt stellen wir uns einmal den Normalfall vor. Die-
ser könnte so aussehen: Es gibt eine Familie – zumindest
nach außen hin intakt – mit ein, zwei oder drei Kindern.
Eines dieser Kinder ist nicht das biologische Kind des
rechtlichen Vaters; davon weiß der rechtliche Vater mög-
licherweise gar nichts. Wenn der leibliche Vater dann
früher oder später sein Recht einfordert – es kann ja eine
ganze Weile dauern, bis er auf diese Idee kommt –, muss
er durch sein Verhalten zeigen, dass er tatsächlich Ver-
antwortung für das Kind übernehmen will. Es besteht
keine Unterhaltspflicht, und er kann kein Anfechtungs-
verfahren durchführen.

Sie haben in Ihren Erläuterungen vorhin, glaube ich,
gesagt, dass solch ein verantwortungsbewusstes Verhal-
ten möglicherweise nur durch räumliche Nähe oder eine
Kontaktaufnahme unter Beweis gestellt werden kann.
Ich stelle mir das in der Praxis sehr schwierig vor. In die-
sen Fällen ist oft sogar von Stalking die Rede, und es
wird gesagt: Da kommt jemand, der in unsere Familie
eindringt. – Könnten Sie vielleicht ein paar Beispiele
nennen, um deutlich zu machen, was der leibliche Vater
tun muss, damit er sein Verantwortungsbewusstsein un-
ter Beweis stellen kann?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Vielleicht darf ich noch einmal kurz auf den Geset-
zestext eingehen. In § 1686 a Abs. 1 wurde die Formu-
lierung gewählt, dass, solange die Vaterschaft eines an-
deren Mannes besteht, der leibliche Vater nachhaltiges
Interesse an dem Kind gezeigt hat. Es heißt nicht, dass
der leibliche Vater bereits Verantwortung übernommen

hat. Auch diese Überlegung hatten wir ursprünglich ein-
mal angestellt; aber das wäre ja eine noch größere
Hürde, als nachhaltiges Interesse zu zeigen. Wenn ein
Vater, der sein Kind zehn Jahre lang nicht gesehen hat,
anruft und sagt: „Ich bin zwar in Nigeria, stelle aber ei-
nen Umgangsantrag“, wird dies nicht Ausdruck eines
nachhaltigen Interesses am Kind sein.

Aber es gibt natürlich auch andere Situationen. Im
Falle von Stalking und Ähnlichem kann von einem nach-
haltigen Interesse natürlich keine Rede sein. Das hatte
ich vorhin so umschrieben: wenn eher Rache und andere
emotionale Gründe eine Rolle spielen, die sich gegen die
Mutter richten, aber gar nichts mit wirklichem Interesse
am Kind zu tun haben. Von daher kann dieses Verhalten
nur durch den ernsthaften Versuch einer Kontaktauf-
nahme unter Beweis gestellt werden. Der Vater darf na-
türlich nicht versuchen, den Kontakt zum Kind heimlich
in einem Hinterhof aufzunehmen, sondern er muss bei
den rechtlichen Eltern um Gespräche ersuchen; ich
meine, da ist die Realität vielfältiger, als man es sich als
Gesetzgeber jemals vorstellen kann. Das wäre dann ein
Anhaltspunkt, den das Gericht zu bewerten hat.

Wir haben uns, nachdem wir auch Stellungnahmen
vom Bundesrat und von den Ländern bekommen haben,
bewusst für die Formulierung „nachhaltiges Interesse
gezeigt hat“ und gegen die Formulierung „Verantwor-
tung übernommen hat“ entschieden. Denn Verantwor-
tung kann der leibliche Vater nicht übernehmen, weil er
in die rechtliche Familie – so nenne ich das einmal –
nicht eindringen kann.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719705200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Sie damit ein-

verstanden, dass wir diese wichtige Befragung der Bun-
desregierung verlängern? – Das ist der Fall.

Die letzte Frage stellt unsere Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker. Gibt es noch weitere Fragen? –
Nein. Bitte, Frau Kollegin Elisabeth Winkelmeier-
Becker.


Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1719705300

Vielen Dank für die weitere Fragemöglichkeit. – In

der Tat haben wir jetzt zum ersten Mal die Situation,
dass es einen rechtlichen Vater und einen biologischen
Vater geben kann; das war in der Vergangenheit ausge-
schlossen. Bisher gab es in allen Rechtszusammenhän-
gen immer nur einen Vater, auch was den Unterhalt und
das Erbrecht angeht. Welche Konsequenzen hat die neue
Situation, dass es zukünftig zusätzlich einen biologi-
schen Vater geben kann, für andere zu regelnde Berei-
che? Kann er in irgendeinem Zusammenhang selber
unterhaltspflichtig werden? Gibt es in diesem Zusam-
menhang eventuell auch ein Erbrecht des Kindes oder ir-
gendwelche Rechtsansprüche des Kindes gegenüber
dem biologischen Vater?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Nein. Wenn der biologische Vater nicht auch der
rechtliche Vater wird – dafür gäbe es das Anfechtungs-





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)


verfahren –, gibt es über das hinaus, was wir geregelt ha-
ben, keine weiteren Konsequenzen. Wir schaffen also
nicht etwa, verbunden mit weiteren Folgerungen, ein
Rechtsinstitut des biologischen Vaters neben dem des
rechtlichen Vaters. Da dies komplizierteste Auswirkun-
gen hätte, wurde eine ganz beschränkte Regelung getrof-
fen.

Wir haben abgewartet, bis der EGMR seine beiden
Entscheidungen getroffen hat; die zweite Entscheidung
im September 2011 war ja absehbar. Wir haben dann na-
türlich überlegt, ob wir vor diesem Hintergrund den Auf-
trag haben, dem leiblichen Vater generell eine ganz an-
dere Stellung einzuräumen. Ich hielte das insgesamt für
sehr problematisch und schwierig. Wir haben bewusst
den Weg gewählt, uns sehr eng an dem, was sich aus den
Entscheidungen ergeben hat, zu orientieren. Es muss
eine Abwägung getroffen werden, um entscheiden zu
können: Soll der leibliche Vater neben dem rechtlichen
Vater ein Umgangsrecht und ein Auskunftsrecht bekom-
men oder nicht? Das ist die Möglichkeit, die wir schaf-
fen – mehr nicht. Vielleicht werden wir in ein paar Jah-
ren ganz anders darüber debattieren. Aber ich halte das
in der jetzigen Situation und Lage so für absolut ausrei-
chend. Wir müssen nicht mehr machen, wir handeln
konventionskonform. Aber ich halte es auch für richtig,
wenn wir nicht mehr machen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719705400

Vielen Dank. – Das war dieser wichtige Themenbe-

reich.

Jetzt stelle ich die Frage: Gibt es Fragen zu anderen
Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das ist nicht
der Fall. – Doch, Entschuldigung, ich bitte um Nach-
sicht. Bitte schön, Frau Kollegin Ingrid Hönlinger.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719705500

Vielen Dank. – Wir haben uns sehr eng im Bereich

des Familienrechts bewegt. Es gibt beim Familienrecht
aber noch einen weiteren Punkt, bei dem aus meiner
Sicht dringender Handlungsbedarf besteht, und zwar ist
das das Betreuungsrecht. Insoweit gibt es eine Recht-
sprechung dazu, dass eine Behandlung, die möglicher-
weise im Interesse des Betreuten ist, gegen dessen Wil-
len aber nicht durchgesetzt werden kann. Hierfür müssen
wir dringend eine Regelung schaffen. Ich möchte jetzt
gerne wissen, ob es Gegenstand der Kabinettsbespre-
chung war bzw. welche Schritte Sie hier in welchem
Zeitraum planen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Ich würde gern, Herr Präsident, darauf antworten. –
Das war nicht Gegenstand der heutigen Kabinettssit-
zung. Ich möchte Sie an dieser Stelle aber gerne kurz
informieren. Wir sehen da ganz dringenden Handlungs-
bedarf; denn durch die Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs ist die bisher als ausreichend angesehene
Rechtsgrundlage in § 1906 ff. BGB nicht mehr ausrei-
chend. Sie wurde als zu unbestimmt für Zwangsmaßnah-
men psychisch Kranker angesehen, sodass weder durch

Betreute noch durch Gerichtsersetzung diese Behandlun-
gen vorgenommen werden können. Die müssen in einem
bestimmten Umfang vorgenommen werden, weil das für
die psychisch Erkrankten teilweise von ganz gravieren-
der gesundheitlicher Auswirkung sein kann, wenn sie
nicht behandelt werden. Im Moment können sie ver-
wahrt werden, sediert werden. Man wird in die Gefahr
von Fixierung und anderen Dingen kommen, die wir
lange überwunden hatten mit dem neuen Betreuungs-
recht, das jetzt 20 Jahre gilt.

Deshalb haben wir im Ministerium Formulierungen
erarbeitet, die den Rechtszustand bis zu diesen beiden
BGH-Entscheidungen wieder herstellt und die auf dieser
rechtsstaatlichen Ebene, immer auch mit Zuständigkeit
des Gerichts, dann wieder auch die entsprechenden Be-
handlungen psychisch Erkrankter, die selbst nicht ein-
willigen können, ermöglichen. Wir haben nicht beson-
dere Regelungen für Gefahr im Verzuge vorgesehen,
sondern wir wollen das Gericht entscheiden lassen auf
dem Niveau, das wir hatten, solange diese Bestimmun-
gen als ausreichend angesehen wurden.

Wir wollen dann auch gerne mit den Abgeordneten
nach Wegen suchen, wie wir das in das bestehende an-
hängige Gesetzgebungsverfahren einbringen können. Es
ist ein dringendes Anliegen auch der Länder, hier zügig
zu einer Regelung auf Bundesebene zu kommen, zumal
teilweise auch die Unterbringungsmöglichkeiten in psy-
chiatrischen Einrichtungen nach Landesgesetz für ver-
fassungswidrig erklärt wurden, zum Beispiel in Baden-
Württemberg im Jahre 2011.

Wir haben also aufgrund dieser Dringlichkeit eine Re-
gelung erarbeitet, und wir versuchen jetzt, Wege zu fin-
den, über die wir uns dann auch im Einzelnen intensiv
werden unterhalten können, um das in das anhängige
Gesetzgebungsverfahren mit einzubringen, und zwar
ausnahmsweise mal, weil wir das für absolut eilbedürftig
halten.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719705600

Vielen Dank. – Mit Ihrem Einverständnis beende ich

nun die Themenbereiche der heutigen Kabinettssitzung.
Gibt es darüber hinaus noch Fragen an die Bundesregie-
rung? – Das ist nicht der Fall, sodass ich die Befragung
beende.

Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde
– Drucksache 17/10967 –

Ich rufe auf die mündlichen Fragen aus Drucksache
17/10967 in der üblichen Reihenfolge.

Der erste Geschäftsbereich ist der Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht
uns unsere Kollegin Parlamentarische Staatssekretärin
Katherina Reiche zur Verfügung.

Die erste Frage stellt unsere Kollegin Dr. Bärbel
Kofler:

Plant die Bundesregierung ebenso wie die dänische Regie-
rung ein nationales Verbot für das Inverkehrbringen von vier





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) (C)



(D)(B)


als fortpflanzungsgefährdend oder reprotoxisch eingestuften
Phthalaten, und wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene
dafür einsetzen, dass wie geplant im Frühjahr 2013 über eine
entsprechende EU-weit geltende Regelung entschieden wird?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719705700


Herr Präsident! Frau Kollegin Kofler! Ich beantworte
Ihre Frage wie folgt: Der zuständige Ausschuss für Risi-
kobeurteilung, RAC, der Europäischen Chemikalien-
agentur ECHA hat die von Dänemark eingereichten
REACH-Beschränkungsvorschläge für vier Phthalate
geprüft und die vorgeschlagene Beschränkung einstim-
mig als nicht berechtigt beurteilt.

Deshalb und weil eine Zulassungspflicht für diese
Phthalate ab dem Jahr 2015 bereits feststeht, erwägt die
Bundesregierung derzeit keine zusätzlichen nationalen
Verbotsmaßnahmen. Sie geht ferner davon aus, dass die
EU-Kommission keinen Beschränkungsvorschlag vorle-
gen wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719705800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1719705900

Herzlichen Dank. – Ich habe eine generelle Nachfrage

zu diesem Themenkomplex. Sie sagen, für die Phthalate
seien vonseiten der Regierung keine weiteren Maßnah-
men geplant. Wie sehen Sie das denn generell? Das
UNO-Umweltprogramm UNEP hat vor gut einem Mo-
nat einen Bericht Global Chemicals Outlook vorgelegt,
in dem die internationale Gemeinschaft noch einmal auf-
gefordert wurde, mehr für den Schutz der Bevölkerung
vor negativen Auswirkungen chemischer Produkte zu
tun. UNEP mahnt rasches Handeln an – es geht schließ-
lich um die Auswirkungen auf das Leben von Menschen –,
auch vor dem Hintergrund, dass oft die Produktion von
Industrieländern in Entwicklungsländer verlagert wird,
wo der Schutzgedanke vielleicht nicht immer so zum
Tragen kommt, wie wir uns das wünschen würden.

Ich frage Sie nun: Wie bewertet die Bundesregierung
diesen UNEP-Bericht über die Auswirkungen von che-
mischer Produktion und den Schutz der Bevölkerung,
und welche Maßnahmen würden Sie gegebenenfalls er-
greifen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719706000


Frau Kollegin, der Gegenstand ist jetzt nicht der
UNEP-Bericht, sondern das Verfahren selbst. Das Ver-
fahren bei REACH ist zweistufig: Da ist zum einen der
ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung und zum ande-
ren der ECHA-Ausschuss für sozioökonomische Ana-
lyse. Darin sitzen unabhängige Experten. Der RAC-Aus-
schuss hat ganz klar festgestellt, dass gegenwärtig kein
Risiko abgeleitet werden kann. Deshalb sehen wir hier
keinen Handlungsbedarf – im Gegensatz zu Dänemark,

wo ein eigenes, länderspezifisches Verfahren eingeleitet
wurde. Für Deutschland und die gesamte EU gilt ab
2015 ohnehin, dass Phthalate in das Zulassungsverfah-
ren müssen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719706100

Sie verzichten auf die zweite Nachfrage? – Dann rufe

ich die Frage 3 des Kollegen Frank Schwabe auf:
Hält die Bundesregierung nach den Ergebnissen der Fra-

cking-Studien des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und des Landes Nordrhein-
Westfalen eine derzeitige Anwendung des Fracking-Verfah-
rens für vertretbar, und bis wann will die Bundesregierung ei-
nen Gesetzentwurf zur Änderung des Rechtsrahmens vorle-
gen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719706200


Herr Kollege Schwabe, die Ergebnisse der beiden
Gutachten sowie der Studie der Bundesanstalt für Geo-
wissenschaften und Rohstoffe werden derzeit ausgewer-
tet. Nach Abschluss dieser Prüfung, die auch den Ände-
rungsbedarf wasserrechtlicher und bergrechtlicher
Vorschriften betrifft, werden die weiteren Schritte mit
den Betroffenen zu erörtern sein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719706300

Ihre erste Nachfrage.


Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1719706400

Frau Staatssekretärin, ich darf noch einmal nachfra-

gen. Heißt das, dass es einen Zeitplan dafür nicht gibt?
Wir sind ja in der Situation, dass bald die nächste Bun-
destagswahl stattfindet, und wir wissen, irgendwann
wird es schwierig mit bestimmten Gesetzgebungsvorha-
ben. Es ist allerdings so, dass sich in vielen Teilen des
Landes die Menschen Sorgen machen und im Moment
nicht klar ist, auf welcher Grundlage Untersuchungen
stattfinden, ob Fracking durchgeführt werden kann oder
nicht. Sehe ich es richtig, dass Sie heute nicht in der
Lage sind, einen Zeitplan zu nennen, wann wir allerspä-
testens mit einem neuen Gesetzgebungsrahmen rechnen
können?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719706500


Das sehen Sie falsch. Die beiden Gutachten dienen
dazu, zunächst einmal eine Fakten- und Datenbasis auf-
zustellen.

Zweitens findet am 5. Dezember ein großer Work-
shop mit allen Beteiligten statt, auch mit internationaler
Beteiligung, auf dem Erfahrungen und Ergebnisse aus-
gewertet werden.

Der Minister hat klargemacht, dass Transparenz bei
solchen Vorhaben, auch bei Bohrungen und Probeboh-
rungen, wichtig ist. Er hat ebenfalls klargemacht, dass es
in Bezug auf Trinkwasserschutzgebiete einen Hand-
lungsbedarf gibt. Diesen besprechen wir gerade inner-
halb der Regierung.






(A) (C)



(D)(B)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1719706600

Frau Staatssekretärin, es ist schön, dass wir das

Thema besprechen – das Thema ist ja auch nicht ganz
neu, sondern zwei Jahre alt – und dass der Minister
Dinge erkannt hat. Das habe ich ja alles gelesen, aber am
Ende sind wir hier, der Deutsche Bundestag, der Gesetz-
geber. Erst dann, wenn wir hier gehandelt haben, kann
man auf dieser Grundlage in Deutschland entsprechend
agieren.

Wir haben jetzt eine große Rechtsunsicherheit und
eine Unsicherheit in der Bevölkerung. Deswegen frage
ich Sie noch einmal: Sind Sie in der Lage, ein Datum zu
benennen, bis zu dem allerspätestens ein Gesetzentwurf
vorgelegt wird? Ist zumindest davon auszugehen, dass
das noch in dieser Legislaturperiode geschieht?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719706700


In zwei Bundesländern gibt es ein De-facto-Morato-
rium, andere Bundesländer gehen damit anders um. Es
ist eine Reihe von Fragen zu beantworten. Zu nennen
sind zum Beispiel die Frage der Beteiligungsrechte der
Umwelt- und Wasserverbände und die Frage, ob es rich-
tig ist, eine UVP-Pflicht für Fracking-Bohrungen einzu-
führen. Die Ausgestaltung muss sorgfältig geprüft wer-
den, und es ist guter Brauch, zunächst anzuhören und
Expertenmeinungen einzuholen. Dazu dient dieser
Workshop.

Da unter anderem das Bergrecht tangiert ist, das nicht
im BMU ressortiert, sind Abstimmungen mit anderen
Häusern notwendig. Wie lange die dauern, kann ich Ih-
nen nicht sagen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719706800

Wir kommen nun zur Frage 2 des Kollegen Schwabe:

Wann stehen Entscheidungen der Europäischen Union im
Umgang mit Öl aus Teersanden an, und hat die Bundesregie-
rung dazu mittlerweile eine klare Haltung entwickelt?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719706900


Herr Kollege Schwabe, Deutschland hat sich am
23. Februar 2012 bei der Abstimmung im Ausschuss für
Kraftstoffqualität über den Vorschlag der Kommission
für eine Richtlinie zur Konkretisierung der Anforderun-
gen von Art. 7 a der Kraftstoffqualitätsrichtlinie enthal-
ten.

Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass
vor der Übersendung des Vorschlags an den Rat eine
Folgenabschätzung durchgeführt werden soll. Mit einer
Vorlage der Folgenabschätzung und Übersendung des
Vorschlags an den Rat ist nicht vor Anfang 2013 zu rech-
nen. Die Bundesregierung wird diesen Vorschlag dann
im Lichte der Ergebnisse der Folgenabschätzung prüfen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719707000

Ihre erste Nachfrage.


Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1719707100

Frau Staatssekretärin, es ist ja schön, dass Sie etwas

Zeit für Ihre Positionsfindung in der Regierung gewon-
nen haben, aber es ist hier leider so wie bei allen energie-
politischen Themen. Mir fällt keines ein, bei dem die
Bundesregierung eine klare Position hat, die sie in Brüs-
sel vertritt.

Die Frage ist schlichtweg, ob wir in Brüssel eigentlich
in irgendeiner Richtung eine Rolle spielen wollen. Wir
sind ja nicht das kleinste Land der Europäischen Union.
Man wartet darauf, dass Deutschland seine Position ver-
tritt.

Alle Fakten beim Thema Teersande liegen auf dem
Tisch. Ich darf auch hier noch einmal feststellen, dass es
bisher keine Positionierung der Bundesregierung gibt
und Sie uns auch nicht ein Datum nennen können, bis
wann die Bundesregierung eine Position entwickelt hat,
und dazu nachfragen.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719707200


Wie ich Ihnen das eben und auch schon auf viele Fra-
gen hin bereits mitgeteilt habe, haben wir uns zum da-
maligen Zeitpunkt enthalten. Wir warten jetzt die Fol-
genabschätzung ab und werden uns dann positionieren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719707300

Damit das richtig zugeordnet werden kann, halten wir

für das Protokoll fest, dass im Einvernehmen zwischen
Staatssekretärin und fragendem Abgeordneten die
Frage 3 als Erstes und dann die Frage 2 beantwortet
wurde.

Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Oliver Krischer
werden schriftlich beantwortet. Auch die Frage 6 der
Kollegin Britta Haßelmann, die Fragen 7 und 8 des Kol-
legen Ulrich Kelber und die Fragen 9 und 10 des Kolle-
gen Hans-Josef Fell sollen schriftlich beantwortet wer-
den.

Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Marco Bülow auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung für ihr Han-

deln bezüglich der Sicherheit von Atomkraftwerken, AKW,
auf europäischer Ebene aus dem vom EU-Kommissar für
Energie, Günther Oettinger, vorgestellten abschließenden
AKW-Stresstestbericht, und plant die Bundesregierung, sich
für mehr AKW-Sicherheit in Europa zu engagieren?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719707400


Danke schön. Damit sind wir wieder in der richtigen
Reihenfolge. – Der eigentliche Stresstest, Herr Kollege
Bülow, der europäischen Kraftwerke ist bereits im April
2011 abgeschlossen worden und hat Einblicke in wich-
tige sicherheitstechnische Merkmale der europäischen





Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche


(A) (C)



(D)(B)


Kraftwerke und in die Notfallschutzmaßnahmen ge-
bracht.

Die kontinuierliche Verbesserung der Sicherheit ist
ein gemeinsames Ziel aller europäischen atomrechtli-
chen Aufsichtsbehörden. Das ist in der europäischen
Richtlinie zur nuklearen Sicherheit als Ziel für alle Mit-
gliedstaaten in eigener Verantwortung vorgegeben. Die
Bundesregierung begrüßt es deshalb, dass die Ergebnisse
zu einem Aktionsplan der atomrechtlichen Behörden ge-
führt haben. Nach diesem Aktionsplan sind bis zum
Jahresende nationale Aktionspläne für Verbesserungs-
maßnahmen aufzustellen.

Die Bundesregierung wird diesen Plan zusammen mit
den zuständigen atomrechtlichen Behörden der Länder
aufstellen. Alle nationalen Aktionspläne werden im
Frühjahr des kommenden Jahres in einem erneuten Pro-
zess der gegenseitigen Überprüfung gemeinsam disku-
tiert werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719707500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1719707600

Erst einmal vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ei-

nige Mängel wurden schon offenbar. Gibt es daher be-
reits konkrete Pläne? Zum Beispiel ist die Erdbeben-
sicherheit kein unwichtiger Faktor. Planen Sie, darauf
zumindest in Norddeutschland und in Nordeuropa ein
besonderes Augenmerk zu legen? Ich gehe davon aus,
dass man zunächst auswertet und dann irgendwann zu
nationalen Plänen kommt. Aber richten Sie jetzt bei die-
sem Test oder bei den nationalen Plänen ein besonderes
Augenmerk auf diesen Faktor oder auf andere?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719707700


Vielleicht eine Vorbemerkung zu Ihrer konkreten
Frage, auf die ich natürlich noch komme. – Deutschland
hat diesen EU-weiten Stresstest von Anfang an unter-
stützt, weil wir es notwendig fanden, ein Gesamtbild al-
ler Kraftwerke in der Europäischen Union zu bekom-
men. Es ist aber am Ende so gewesen, dass der Bericht
von der Kommission ohne Rückabstimmung mit den na-
tionalen Atomaufsichtsbehörden erarbeitet wurde. Es
wurden auch nicht alle Ergebnisse mit einbezogen. Da-
durch kam es an manchen Stellen – lassen Sie es mich so
formulieren – zu einigen Verzerrungen.

Eine Verzerrung betrifft unter anderem die Auslegung
deutscher Kernkraftwerke in Bezug auf seismische Ge-
fährdungen. In einer Ad-hoc-Untersuchung unmittelbar
nach den Ereignissen in Fukushima haben wir seitens
der Bundesregierung die Länderbehörden aufgefordert,
noch einmal unmittelbar festzustellen, ob es in den deut-
schen Anlagen Risiken gibt. Es gibt standortspezifische
Bemessungsgrundlagen. Diese liegen über den üblichen
Anforderungen. Auch was die Erdbebeninstrumentie-
rung betrifft, haben wir das längst erledigt. Insofern sind
wir ein bisschen traurig, dass das die Kommission so
nicht aufgenommen hat.

Gleichwohl werden wir jetzt in Abstimmung mit den
Länderbehörden noch einmal die Dinge zusammentra-
gen, den Aktionsplan entwickeln. Aber genau diese bei-
den Punkte, die auch von der Presse aufgegriffen worden
sind – das ist das Notfallhandbuch, das es seit den 90er-
Jahren gibt, und das ist die seismische Auslegung – sind
in Deutschland erfüllt. Das werden wir sicherlich auch in
dem Bericht schreiben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719707800

Ihre zweite Nachfrage? – Sie verzichten.

Dann rufe ich die Frage 12 des Kollegen Marco
Bülow auf:

Hat die Erkenntnis, dass bei den Überprüfungen im Rah-
men der europaweiten AKW-Stresstests im direkt angrenzen-
den Frankreich, dem Land mit den meisten Atomkraftwerken
in Europa, besonders viele Schwächen bei den dortigen
Atomkraftwerken und ihrer Aufsicht festgestellt wurden,
Konsequenzen für das Handeln der Bundesregierung und,
wenn ja, welche?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719707900


Die Bundesregierung engagiert sich in den europäi-
schen Gremien und Gruppierungen, insbesondere in
ENSREG, der Gruppe der für nukleare Sicherheit zu-
ständigen Behördenchefs aller europäischen Staaten, und
wirkt daraufhin, dass in allen Ländern hohe Standards
der nuklearen Sicherheit verwirklicht werden.

In bilateralen Gremien mit den Nachbarländern
Frankreich, Schweiz, Tschechien, den Niederlanden und
mit Österreich, in denen auch die jeweils angrenzenden
Bundesländer vertreten sind, führt das Umweltministe-
rium eine gegenseitige Information und Diskussion über
alle anstehenden Fragen zur kerntechnischen Sicherheit
der grenznahen Anlagen durch. Dabei bleibt die Verant-
wortung für den sicheren Betrieb der Anlagen in der Zu-
ständigkeit der jeweiligen Staaten. Die Bundesregierung
überzeugt sich durch ihre Mitwirkung in den Gremien
und Kommissionen vom jeweiligen Stand der Sicherheit
und wirkt auch auf Verbesserungen hin.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719708000

Ihre erste Nachfrage, bitte.


Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1719708100

Frau Staatssekretärin, können Sie den letzten Satz ein

bisschen konkretisieren, weil gerade in Bezug auf Frank-
reich die Sorgen nicht unberechtigt sind? Gerade dort
stehen Atomkraftwerke nahe der Grenze, die nun wirk-
lich erhebliche Sicherheitsmängel aufweisen, die schon
ziemlich alt sind und über die wir wenig Informationen
haben.

Sie werden sicher zugeben, dass bei einem Unfall in
diesen Atomkraftwerken Deutschland wahrscheinlich
stärker betroffen sein wird als Frankreich, weil der Wind
häufig aus dem Westen kommt und weil sie an Länder-
grenzen stehen. Deswegen gibt es, glaube ich, auch in
Deutschland in Bezug darauf ein sehr hohes Sicherheits-
bedürfnis und ein sehr hohes Informationsbedürfnis. Da-





Marco Bülow


(A) (C)



(D)(B)


her noch einmal die Fragen: Können Sie konkretisieren,
in welchem Kontakt Sie stehen und welche Informatio-
nen Sie bekommen? Können Sie sicherstellen, dass der
Dialog mit den Franzosen das Ziel verfolgt, genau über
diese Atomkraftwerke, die an der deutschen Grenze ste-
hen, noch einmal speziell zu sprechen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719708200


In dieser Fragestellung gibt es zwei Ebenen. Zur ers-
ten Ebene: Selbstverständlich hat auch Frankreich seinen
Bericht durch die Kommission bekommen, wertet diesen
aber für sich aus und zieht auch eigene Schlüsse daraus.

Zur zweiten Ebene: Ich kann sehr wohl die Sorgen
verstehen, wenn es Nachrichten aus Frankreich gibt, die
in der Region zu Besorgnis Anlass geben. Wir haben
eine regelmäßig tagende deutsch-französische Konsulta-
tionsgruppe, in die wir unsere Expertise einfließen las-
sen. Es gibt aber keine Möglichkeit bzw. keine rechtliche
Handhabe, Frankreich zu bestimmten Maßnahmen auf-
zufordern.

Ziel des Stresstests war es aber, zum Beispiel durch
Offenlegung unserer Standards und durch einen mög-
lichst objektiven Vergleich, andere Länder, die mögli-
cherweise Nachrüstbedarf haben, nicht nur zu animieren,
sondern auch auf sie Druck auszuüben, diesem nachzu-
kommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719708300

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. – Sie ver-

zichten, aber die Kollegin Ute Vogt hat noch eine Nach-
frage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719708400

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, wann die

französische Regierung beabsichtigt, das Atomkraftwerk
Fessenheim vom Netz zu nehmen? Ist es im Interesse der
Bundesregierung, das Vom-Netz-Nehmen dieses alten
Kraftwerks zu beschleunigen? Wenn ja, was tun Sie da-
für?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719708500


Frau Kollegin, diese Frage hinsichtlich des Zeitpunk-
tes kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber noch einmal:
Die unmittelbare Aufsicht und Verantwortung für die
Kernkraftwerke in Frankreich liegen bei der französi-
schen Regierung. Die regelmäßigen Konsultationen des
deutsch-französischen Gremiums sind auch ein Mittel,
um Informationen auszutauschen und zum Beispiel auf
unsere Standards und auf das hinzuweisen, was wir nach
dem Unfall in Fukushima noch einmal zusätzlich ge-
macht haben. Darüber hinaus gibt es die regelmäßig ta-
gende ENSREG. Auch das ist ein Gremium des Austau-
sches. Sie wissen aber so gut wie ich: Die französischen
Kernkraftwerke stehen nun einmal in Frankreich unter
unmittelbarer Aufsicht, und dort muss gehandelt werden.


(Abg. Ute Vogt [SPD] meldet sich zu einer weiteren Nachfrage)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719708600

Das Fragerecht ist leider nicht übertragbar, Kollegin

Vogt. Insofern hatten Sie nur eine Nachfrage.

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Manfred Nink auf:
Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus den

Ergebnissen des europäischen Stresstests für Atomkraftwerke
in Bezug auf das französische Atomkraftwerk Cattenom, und
welche Auswirkungen haben die Erkenntnisse auf die Bewer-
tung der Risiken für die deutsche Bevölkerung in der grenzna-
hen Region und auf Szenarien zur Gefahrenabwehr?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719708700


Herr Kollege Nink, der Stresstest der europäischen
Kernkraftwerke hat Einblick in wichtige sicherheitstech-
nische Merkmale der europäischen Kraftwerke und in
die Notfallschutzmaßnahmen erbracht. Die kontinuier-
liche Verbesserung der Sicherheit – das hatte ich auch
gerade eben in der Antwort ausgeführt – ist ein gemein-
sames Ziel aller europäischen atomrechtlichen Auf-
sichtsbehörden. Es ist in der Europäischen Richtlinie zur
nuklearen Sicherheit als Ziel für alle Mitgliedstaaten in
eigener Verantwortung vorgegeben. Die Umsetzung der
notwendigen Maßnahmen ist danach von der zuständi-
gen französischen Aufsichtsbehörde zu überwachen.

Das Bundesumweltministerium – auch das hatte ich
erwähnt – wird im Rahmen der Deutsch-Französischen
Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrich-
tungen, in der auch die grenzanliegenden Länder Baden-
Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland vertre-
ten sind, die in beiden Staaten aufgezeigten Verbesse-
rungsmöglichkeiten fachlich diskutieren und auf ihre zü-
gige Umsetzung hinwirken. Das ist in etwa das, was ich
auch schon gerade Herrn Kollegen Bülow und Frau Vogt
gesagt habe.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719708800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Manfred Nink (SPD):
Rede ID: ID1719708900

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin. – Das ist nichts

Neues. Sie haben uns das auch schon vor etwa einem
halben Jahr in gleicher Weise gesagt. Das heißt, dass ich
davon ausgehen muss, dass die Bundesregierung igno-
riert, dass das Atomkraftwerk Cattenom mittlerweile re-
gelmäßig mit Störfällen behaftet ist, zum Beispiel noch
vergangene Woche Montag. Da Sie immer wieder darauf
hinweisen, dass das eine nationale Angelegenheit Frank-
reichs ist, interessiert mich Ihre Meinung, warum das
luxemburgische Parlament fraktionsübergreifend einen
Protestbrief an die Nationalversammlung Frankreichs
geschrieben hat. Dort scheint mir der Schutz der Bevöl-
kerung eine wesentlich größere Rolle zu spielen als in
der deutschen Bundesregierung.






(A) (C)



(D)(B)


Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719709000


Die Bundesregierung kann nicht für Parlamentsakti-
vitäten sprechen. Ich habe bereits ausgeführt, was die
Bundesregierung ihrerseits macht, um mit Frankreich im
Gespräch zu bleiben und sich bei der Erstellung der Na-
tionalen Aktionspläne möglichst eng abzustimmen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719709100

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Manfred Nink (SPD):
Rede ID: ID1719709200

Sie haben vorhin bei der Beantwortung einer Frage

des Kollegen Schwabe zu einem anderen Thema ausge-
führt, dass sich die Bundesregierung zuerst über eine Ex-
pertenrunde sachkundig macht und dann handelt. Wir
haben jetzt eine Expertenmeinung zu den Kraftwerken.
Jetzt haben Sie hier ausgeführt, dass Sie lediglich da-
rüber beraten werden und Verbesserungen ins Auge fas-
sen. Diese wollen Sie allerdings im Gegensatz zu Ihrer
vorigen Aussage auch den anderen nationalen Parlamen-
ten oder Regierungen nahelegen.

Sind Sie der Ansicht, dass man nur durch Verbesserun-
gen die derzeitige Sicherheitssituation am AKW Cattenom
verbessern und damit die Bevölkerung schützen kann,
oder sind Sie der Ansicht, dass man wie hier in Deutsch-
land auch die anderen Nationen im europäischen Ver-
bund dazu animieren müsste, einen Ausstieg aus der
Atomkraft voranzutreiben?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719709300


Herr Kollege, jetzt reicht leider die Zeit nicht, die ver-
schiedenen Ebenen und vor allem Fachbereiche vom
Fracking bis zur Kernkraft, die Sie angesprochen haben,
als eine Frage zu beantworten. Deshalb antworte ich wie
folgt: Sie wissen, dass die Zusammensetzung des Energie-
mixes in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten unter-
schiedlich gehandhabt wird. So, wie wir uns dazu entschie-
den haben, aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie
auszusteigen und auf deutlich mehr erneuerbare Ener-
gien zu setzen, tun dies andere europäische Staaten auch.
Andere entscheiden sich für andere Wege oder setzen
sich längerfristige Ziele.

Europäische Räte und die Europäische Kommission
dienen dazu, sich in diesem Punkt auszutauschen. Wir
haben eine große Zahl von Gemeinsamkeiten, wenn es
zum Beispiel um EU-weite Ziele zur Erreichung von
Klimaschutzzielen, CO2-Reduktionsziele und den Aus-
bau der erneuerbaren Energien geht, aber die indivi-
duelle Energiestrategie bestimmt jedes Mitgliedsland für
sich.

Wir haben für unsere Kernkraftwerke hohe Sicher-
heitsstandards festgelegt und überprüfen sie auch per-
manent. Wir sind bei der Erstellung des Nationalen Ak-
tionsplans auf eine enge Zusammenarbeit mit den
atomrechtlichen Aufsichtsbehörden nicht nur angewie-
sen, sondern suchen diese. Wir haben bilaterale Kom-

missionen und treffen uns auch auf EU-Ebene, um über
Sicherheits- und Risikofragen zu sprechen. Das ist eine
Menge Informationsaustausch, aber am Ende steht die
nationale Souveränität der Mitgliedstaaten in ihren indi-
viduellen Energiestrategien.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719709400

Auch die Frage 14 wird vom Abgeordneten Manfred

Nink gestellt:
Welche konkreten Ziele verfolgt die Bundesregierung mit

der Initiierung eines Klubs von Ländern, „der sich der Durch-
setzung der erneuerbaren Energien verschreibt“, wie es der
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-

(siehe Spiegel Online vom 2. Oktober 2012, 11.09 Uhr, „AKW-Nachrüstung abhängig von der Laufzeit“)

insbesondere auch das Ziel, Frankreich von einem schnellen
Ausstieg aus der Atomenergie zu überzeugen und das AKW
Cattenom möglichst bald endgültig vom Netz zu nehmen?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719709500


Herr Kollege Nink, die erneuerbaren Energien haben
in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum
verzeichnet, begleitet von großem technologischem Fort-
schritt und verbunden mit drastischen Kostensenkungen.
Deutschland war eines der Vorreiterländer bei dieser
Entwicklung. Gegenwärtig greifen immer mehr Staaten
erneuerbare Energien auf und diskutieren die Neuaus-
richtung ihrer Energiepolitik.

Das ist ein idealer Zeitpunkt für Deutschland, um mit
weiteren Vorreiterstaaten den Schulterschluss zu suchen,
politisches Momentum für den weiteren Ausbau zu er-
zeugen und in einem Renewables Club – das ist sozusa-
gen der Arbeitstitel – die Fragen zu thematisieren, die
für eine moderne Energieversorgung von zentraler Be-
deutung sind. Die Bundesregierung möchte mit einem
solchen Klub auf internationaler Ebene neue politische
Akzente setzen und die Chancen, aber auch die Heraus-
forderungen einer zukünftigen modernen und klimaver-
träglichen Energieversorgung, die zu einem wachsenden
Anteil auf erneuerbaren Energien beruht, aufzeigen und
international diskutieren. Der Renewables Club kann an-
dere weltweit davon überzeugen, dass verstärkte Investi-
tionen in erneuerbare Energien wirtschaftliches Wachs-
tum und damit gesamtgesellschaftlichen Nutzen bringen.

Die Initiative kann außerdem Wege aufzeigen, wie
ein kosteneffizienter Ausbau erfolgen kann und die He-
rausforderungen der System- und Marktintegration der
Erneuerbaren bewältigt werden können. Die Nutzung
der Kernenergie ist nicht Gegenstand des Renewables
Club.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719709600

Ihre erste Nachfrage.


Manfred Nink (SPD):
Rede ID: ID1719709700

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin. – Könnten Sie

bitte etwas mehr konkretisieren, wie bei der Initiierung





Manfred Nink


(A) (C)



(D)(B)


dieses Klubs der Länder beispielweise das Europäische
Parlament, der Bundestag oder der Ausschuss der Regio-
nen eingebunden sind, oder wird das eine reine Regie-
rungsangelegenheit?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719709800


Um es vorweg zu sagen: In der Tat ist dieser Klub
nicht als Konkurrenzveranstaltung zu bestehenden inter-
national sehr erfolgreichen Institutionen wie der IRENA
gedacht. Er ist vielmehr als ein Ort des Austauschs ge-
dacht und soll politische Impulse setzen und politisches
Agenda-Setting betreiben. Die Grundidee ist das Zusam-
menbringen von Regierungen, die eine positive Haltung
gegenüber den erneuerbaren Energien haben und diese
voranbringen wollen. Es handelt sich also um eine Er-
gänzung zu bestehenden internationalen Organisationen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719709900

Wie ich sehe, Herr Nink, verzichten Sie auf Ihre zweite

Nachfrage.

Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin
Waltraud Wolff:

Welche Rolle spielt in den Überlegungen der Bundesregie-
rung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle die Möglichkeit,
eine europäische Lösung zu finden und von einer nationalen
Einlagerung Abstand zu nehmen?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719710000


Frau Kollegin Wolff, es entspricht der nationalen Ver-
antwortung, dass die in kerntechnischen Anlagen in
Deutschland angefallenen radioaktiven Abfälle auch in
Deutschland entsorgt werden. Diese klare Positionierung
wurde beim Beginn des Konsultationsprozesses betref-
fend die Entwicklung eines Auswahlverfahrens für einen
Endlagerstandort für insbesondere wärmeentwickelnde
radioaktive Abfälle im Dezember 2011 zwischen der
Bundesregierung und den Bundesländern getroffen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719710100

Frau Wolff, wie ich sehe, verzichten Sie auf eine

Nachfrage. – Frau Kollegin Ute Vogt hat eine Nachfrage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719710200

Frau Staatssekretärin, streben andere europäische Län-

der eine europäische Lösung des Problems der Endlage-
rung bzw. der Lagerung von hoch radioaktiven Abfällen
an?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719710300


Ja, solche Länder gibt es. Ich habe es so verstanden,
dass es eine Arbeitsgruppe der Europäischen Endlager-
Entwicklungs-Organisation gibt. Daran sind wir aber
nicht beteiligt, weil wir uns verpflichtet haben, selbst für

die Verbringung und die Lagerung kerntechnischen Ab-
falls zu sorgen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719710400

Damit kommen wir zur Frage 16 der Kollegin

Waltraud Wolff:
Wie ist der Stand der Diskussion über eine europäische

Lösung für radioaktive Abfälle derzeit in Brüssel, und welche
Vorschläge wurden bisher konkret unterbreitet?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719710500


Frau Kollegin Wolff, im Rahmen der Entsorgungs-
richtlinie 2011/70/Euratom hat der Rat der Europäischen
Union die nationale Verantwortung für die Entsorgung
der radioaktiven Abfälle bekräftigt und die Mitgliedstaa-
ten verpflichtet, nationale Lösungen für die Entsorgung
dieser Abfälle voranzutreiben. Die Richtlinie geht aber
auch davon aus, dass Mitgliedstaaten eine gemeinsame
Nutzung von Endlagern vorsehen können, wenn sie sich
auf eine Vereinbarung zwischen den betreffenden Mit-
gliedstaaten stützt. Ein gemeinsames Endlager kann ins-
besondere für Mitgliedstaaten mit wenig Abfall oder un-
geeigneten geologischen Formationen zweckmäßig sein.
Konkret wurde die ERDO-Arbeitsgruppe – danach hat
Frau Vogt eben gefragt – gegründet, die die Option eines
gemeinsamen Endlagers untersucht. Mitglieder dieser
Arbeitsgruppe sind Österreich, Irland, die Niederlande,
Polen, Slowakei, Bulgarien, Italien, Litauen, Rumänien
und Slowenien, aber nicht Deutschland.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719710600

Ihre erste Nachfrage, bitte.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1719710700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-

tung. – Sie haben ausgeführt, welche Länder sich an die-
ser Arbeitsgruppe beteiligen. Wie wir wissen, sind mit
dem Atomausstieg in Deutschland die Probleme nicht
gelöst. Die Bundesregierung hat erneut verlauten lassen,
sich um die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu küm-
mern. Ein Atomendlagersuchgesetz ist auf dem Weg. Sie
suchen also nach einem geeigneten Endlager.

Frau Staatssekretärin, radioaktiver Abfall macht ja
nicht vor Grenzen halt. Wenn man mit dem Atomaus-
stieg in Deutschland auf europäischer Ebene verantwort-
lich umgehen will, dann würde mich schon interessieren,
wie die Bundesregierung, wenn sie auf europäischer
Ebene in den Arbeitsgruppen außen vor ist, diese Verant-
wortung in Europa wahrnehmen möchte.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719710800


Die Frage finde ich in mehrfacher Hinsicht interes-
sant. Wir haben uns verpflichtet, unseren Abfall selbst
zu entsorgen. Leider ist es nicht so, dass das Gesetz auf





Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche


(A) (C)



(D)(B)


dem Weg wäre; denn Rot-Grün sperrt sich gegen eine
Lösung bzw. erhebt immer neue Forderungen.

Wir haben gesagt: Wir als Land, das die Kernenergie
über lange Zeit genutzt hat, müssen Verantwortung für
eine sichere Endlagerung dieses Abfalls übernehmen.
Würde Deutschland jetzt in eine solche Arbeitsgruppe
eintreten – es ist übrigens keine EU-Arbeitsgruppe, son-
dern ein Zusammenschluss von Vertretern aus EU-Län-
dern; diese Gruppe ist nicht von einer EU-Ebene, etwa
der Europäischen Kommission oder dem Parlament, ein-
gesetzt –, würde wahrscheinlich sofort, postwendend,
der Vorwurf kommen: Aha, jetzt will sich Deutschland
elegant seines Abfallproblems entledigen.

Es gibt hinreichend Arbeitsgruppen zur Entsorgung,
zum Beispiel die ENSREG. Das ist die Ebene, auf der
wir über Sicherheit sprechen. Sicherlich werden auch
Fragen der Endlagerung diskutiert. Aber wir wollen un-
sere Probleme tatsächlich selbst anpacken und sehen uns
auch in der Verpflichtung, dies zu tun, was nicht heißt,
dass wir uns aus Diskussionen ausklinken.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719710900

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1719711000

Ja, ich habe noch eine zweite Nachfrage. – Wenn Sie

an diesen Arbeitsgruppen auch nicht beteiligt sind: Ist
der Bundesregierung bekannt, ob in den Arbeitsgruppen
nach einem Endlager auf europäischem Gebiet gesucht
wird oder ob es auch Diskussionen gibt, europäischen
radioaktiven Müll in anderen Teilen der Welt zu lagern?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719711100


Solche Überlegungen sind mir nicht bekannt. Noch
einmal: Momentan werden die Mitglieder von interes-
sierten staatlichen Stellen dorthin delegiert. Es ist keine
EU-Arbeitsgruppe. Die IAEA und die Kommission ha-
ben lediglich Beobachter geschickt. Vermutungen, wie
Sie sie jetzt anstellen, kann ich nicht bestätigen; sie sind
mir nicht bekannt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719711200

Damit kommen wir zur Frage 17 des Kollegen

Dr. Matthias Miersch:
Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vor

dem 20. Januar 2013 einen Gesetzentwurf zur bundesweiten
Suche nach einem Atommüllendlager in Deutschland vorle-
gen und, wenn nein, warum nicht?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719711300


Herr Kollege Miersch, die Bundesregierung hat in
dieser Legislaturperiode einen Konsultationsprozess mit
den Ländern und den politischen Parteien in Gang ge-

setzt, um einen Konsens über das weitere Vorgehen bei
der Suche und der Festlegung eines Endlagerstandorts
für insbesondere wärmeentwickelnde radioaktive Ab-
fälle zu erzielen. Dieser Prozess ist noch nicht beendet.
Eine Aussage dazu, ob und, wenn ja, wann ein Gesetz-
entwurf eingebracht werden wird, ist daher derzeit nicht
möglich.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719711400

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719711500

Frau Staatssekretärin, es gab in der letzten Woche

mehrere Pressemeldungen – sie sind durch das Bundes-
umweltministerium nicht dementiert worden; jedenfalls
ist mir das nicht bekannt –, wonach der Bundesminister
Altmaier gesagt habe, er bringe ein Gesetz ein, sodass
eine Gesetzesberatung und Beschlussfassung des Deut-
schen Bundestages bis zum 20. Januar 2013, dem Tag
der niedersächsischen Landtagswahl, möglich sei. Wie
sehen Sie diese Verlautbarungen in der Presse? Gibt es
eine solche Verlautbarung durch das Ministerium?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719711600


Presseverlautbarungen kommentiere ich hier schon
mal gar nicht. Aber so viel: Das, was ich aus dem Pro-
zess beobachte, stimmt mich eher pessimistisch in der
Frage, ob seitens der SPD und der Grünen noch ein
ernsthaftes Interesse an einem solchen Konsens besteht.
Acht Termine haben stattgefunden. Ein grüner Minister-
präsident sagt, er sei bereit, diesen Weg jetzt zu gehen,
wird dann vom Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin ge-
stoppt. Auf unserer Seite – das ist meine persönliche Be-
obachtung – stellt sich eher die Frage, ob Rot-Grün an
einem solchen Konsens interessiert ist. Es war ja nicht
Ziel, einfach nur einen Gesetzentwurf einzubringen; Ziel
war ja, einen nationalen Konsens nicht nur über den
Ausstieg aus der Kernenergie, sondern auch über das
Lösen der Endlagerfrage zu erzielen. Unser Angebot
liegt auf dem Tisch. Es ist jetzt an Ihnen, der Opposition
sowie den von SPD bzw. von den Grünen geführten Län-
dern, zu sagen, ob Sie diesen Weg mitgehen wollen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719711700

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719711800

Nun geht es ja um einen Gesetzentwurf und nicht um

ein Konsultationspapier. Es wäre ja möglich, wenn ein
Gesetzentwurf seitens der Bundesregierung vorliegt,
dass der Bundesumweltminister diesen Gesetzentwurf
nun einbringt. Habe ich Sie richtig verstanden, dass der
Bundesumweltminister nicht an die Einbringung eines
Gesetzentwurfs denkt, sondern nach wie vor den Kon-
sultationsprozess als Voraussetzung für die Einbringung
dieses Gesetzentwurfs ansieht?






(A) (C)



(D)(B)


Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719711900


Der Minister denkt sehr wohl an einen konkreten Ge-
setzesvorschlag; das war ja auch verabredet. Es ging ja
nicht um Konsultationspapiere, sondern es ging am Ende
des Tages darum, ein Gesetz zu verabschieden, nämlich
ein Standortauswahlgesetz, bei dem jeder einzelne
Schritt mit parlamentarischer Abstimmung und der Be-
teiligung von Bundestag und Bundesrat erfolgt. Es wur-
den sogar konkrete Angebote an Herrn Trittin und Herrn
Gabriel geschickt. Das Endergebnis war, dass neue For-
derungen gestellt wurden. Insofern sage ich noch ein-
mal: Es liegt nicht an uns. Gehen Sie davon aus, dass wir
unsere Verantwortung kennen. Die Bundesregierung
hofft allerdings auch, dass andere Beteiligte – wie die
Länder – ihre Verantwortung ebenfalls kennen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719712000

Damit kommen wir zur Frage 18 des Kollegen

Dr. Matthias Miersch:
Wie sieht die weitere Planung der Bundesregierung – so-

wohl zeitlich als auch verfahrenstechnisch – in Bezug auf die
frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und des Deutschen
Bundestages an der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zur
Endlagersuche für radioaktive Abfälle aus?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719712100


Herr Kollege Miersch, die Antwort ist relativ kurz;
denn die Beantwortung dieser Frage hängt von weiteren,
in der Antwort zu Frage 17 genannten Fragestellungen
ab.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719712200

Damit haben Sie das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719712300

Deswegen würde ich da gern nachfragen. Es gibt ein

verfassungsrechtlich sauberes Verfahren: Man kann das
aus dem Parlament heraus machen; man kann das von
der Bundesregierung aus machen. Es geht um einen Ge-
setzentwurf. Die Frage, die sich einfach stellt, ist: Inwie-
weit gedenkt die Bundesregierung, nun den Bundestag
zu befassen? Setzt der Bundesumweltminister sozusagen
auf ein Küchengespräch, oder setzt er auf einen Gesetz-
entwurf, und können wir mit diesem Gesetzentwurf in
diesem Jahr noch rechnen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719712400


Herr Kollege Miersch, Ziel war es, einen möglichst
breiten Konsens hinzubekommen, um Bundestag und
Bundesrat gleichermaßen einzubinden. Noch hat der
Bundesumweltminister die Hoffnung, dass dies möglich
sein wird, nicht aufgegeben. Sollte sich zeigen, dass die
Opposition diesen Weg nicht mitgeht, werden wir einen
völlig normalen parlamentarischen Prozess beginnen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719712500

Ihre zweite Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719712600

Können Sie dies noch einmal zeitlich – darum ging es

mir in meiner Frage – einordnen? Wann beginnen Sie
mit dem parlamentarischen Verfahren? Wie lange will
der Bundesumweltminister ausloten, ob es Ergebnisse
von Küchengesprächen bei einem guten Essen – oder
wie auch immer – gibt?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719712700


Herr Kollege Miersch, gutes Essen hat noch nieman-
den daran gehindert, zu guten Ergebnissen zu kommen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Im Gegenteil!)


Fakt ist, wir loten aus, ob ein Konsens möglich ist
und, wenn ja, welcher. Dann gehen wir ins Verfahren.
Sie haben allerdings vorhin ein Datum genannt, das bei
mir den Verdacht aufkommen lässt, Ihnen als Opposition
ginge es tatsächlich nur um die niedersächsische Land-
tagswahl und nicht um das Erreichen eines nationalen
Konsenses. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass eine
Wahlauseinandersetzung in einem Bundesland von Ih-
nen dazu instrumentalisiert werden könnte, diesen Kon-
sens zu torpedieren. Ich hoffe und setze immer noch da-
rauf, dass wir gemeinsam zu einer Lösung kommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719712800

Die Kollegin Vogt hat das Wort zu einer Nachfrage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719712900

Frau Staatssekretärin, ich möchte gerne konkret wis-

sen, wann der Bundesumweltminister in der Lage ist, ei-
nen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag einzubrin-
gen; denn ich denke, über die wesentlichen Eckpunkte
besteht in der Tat schon an vielen Stellen Einigkeit.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719713000


Frau Kollegin Vogt, der Eindruck ist eben nicht, dass
Einigkeit besteht. Die Einigkeit bestand, bis sie Jürgen
Trittin aufgekündigt hat. Insofern laufen jetzt noch Ge-
spräche, um festzustellen, ob die Zustimmung auch sei-
tens der Länder und der Oppositionsparteien möglich ist.
Ist dies nicht möglich, gehen wir in das von mir skiz-
zierte Verfahren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719713100

Die Frage 19 stellt die Kollegin Ute Vogt:

Wie bewertet die Bundesregierung die Zeugenaussagen
der ehemaligen Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
vor dem 1. Untersuchungsausschuss „Gorleben“ des Deut-
schen Bundestages am 27. September 2012: „Ich kann nach
wie vor nicht einsehen, warum man einen Standort, den man
so weit erkundet hat, nicht mal auf seine Eignung erkunden
will“ und: „Ich sage noch mal, dass ich zum damaligen Zeit-
punkt und auch heute sagen würde …, … warum nicht mal





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


gucken, ob Gorleben geeignet oder nicht geeignet ist“, vor
dem Hintergrund der öffentlichen Aussagen des Bundesminis-
ters für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter
Altmaier, neben Gorleben auch alternative Standorte in einem
ergebnisoffenen Verfahren untersuchen zu wollen?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719713200


Die Ankündigung des Bundesministers für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier, alter-
native Standorte für die Endlagerung wärmeentwickeln-
der radioaktiver Abfälle in einem ergebnisoffenen Ver-
fahren untersuchen zu wollen, bedeutet, dass sich alle
potenziellen Standorte der Prüfung und dem Vergleich
anhand festgelegter wissenschaftlicher Kriterien zu un-
terziehen haben. Werden die noch festzulegenden Krite-
rien von einem Standort – das schließt Gorleben ein –
nicht erfüllt, scheidet dieser aus dem weiteren Auswahl-
verfahren aus.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719713300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719713400

Frau Staatssekretärin, die Bundeskanzlerin hat unter

anderem erklärt – ich zitiere –:

… warum nicht mal gucken, ob Gorleben geeignet
oder nicht geeignet ist.

Sie sagte:

Ich kann nach wie vor nicht einsehen, warum man
einen Standort, den man so weit erkundet hat, nicht
mal auf seine Eignung erkunden will.

Sehen Sie darin nicht ein Prä der Bundeskanzlerin,
zuerst Gorleben zu untersuchen, bevor man andere
Standorte untersucht?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719713500


Nein, das sehe ich nicht. Im Übrigen hat die Bundes-
kanzlerin recht.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Bundeskanzlerin hat immer recht!)



Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719713600

Ich habe noch eine Nachfrage: Ist die Strategie des

Bundesumweltministers mit der Bundeskanzlerin abge-
stimmt?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719713700


Wir stimmen solch wichtige Fragen selbstverständ-
lich ab. Im Übrigen haben sowohl der Bundesumwelt-
minister als auch die Kanzlerin darauf hingewiesen, dass
nicht festgestellt ist, dass Gorleben nicht geeignet ist.

Das steht nicht fest. Insofern muss man zunächst Krite-
rien festlegen, und dann kann man ausschließen oder
einschließen. Das ist der Weg, den wir jetzt miteinander
gehen wollen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719713800

Das Wort hat der Kollege Miersch zu einer Nach-

frage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719713900

Frau Staatssekretärin, die Regierungschefin behaup-

tete vor 14 Tagen in einem Ausschuss des Deutschen
Bundestages, sie sehe nicht ein, warum man einen
Standort nicht erst einmal zu Ende erkundet. Ist das nicht
genau das, was augenblicklich gerade von den Men-
schen in Niedersachsen befürchtet wird, dass Gorleben
nämlich Referenzstandort bleibt, und zwar bis zum
Schluss?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719714000


Den Begriff „Referenzstandort“ haben Sie gerade ver-
wandt. Wir haben gesagt, wir wollen ein Gesetz vorle-
gen – das haben wir gerade miteinander besprochen –,
das zunächst wissenschaftliche Kriterien festlegt. Wenn
diese wissenschaftlichen Kriterien feststehen, wird man
sehen, welche Standorte geeignet oder nicht geeignet
sind. Die Bundeskanzlerin hat völlig zutreffend festge-
stellt, dass nicht festgestellt worden ist, dass Gorleben
nicht geeignet ist. Insofern Gorleben aus politischen
Gründen – das versuchen Sie gerade – herauszunehmen,
widerspricht unserem wissenschaftsbasierten Ansatz.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719714100

Die Kollegin Flachsbarth hat auch eine Nachfrage.

Bitte.


Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1719714200

Frau Staatssekretärin, können Sie mir zustimmen,

dass der damalige Bundesumweltminister Gabriel Gorle-
ben als Referenzstandort definieren wollte? Können Sie
meiner Auffassung zustimmen, dass die derzeitige Bun-
desregierung auf das Ersuchen der Opposition sehr weit
zugegangen ist, Gorleben als einen von anderen Standor-
ten zu definieren und nach den Kriterien zu bewerten,
die gemeinsam erarbeitet werden müssen? Und: Geben
Sie mir recht, dass es nur noch kleiner Anstrengungen
bedürfen würde – wenn man es denn wollte –, einen
Konsens herzustellen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719714300


Ich gebe Ihnen recht, Frau Kollegin – das besprechen
wir schon seit gut einer Viertelstunde miteinander –: Es
ist die Auffassung von Herrn Gabriel gewesen. Ob er sie
jetzt noch teilt, kann ich nicht mehr erkennen, zumindest
nicht bei der Art und Weise, wie er sich auf unsere Vor-
schläge nicht eingelassen hat. Deshalb kann ich hier nur
noch einmal unser Angebot wiederholen, in ein gemein-





Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche


(A) (C)



(D)(B)


sames Verfahren zu gehen und zu einem Konsens zu
kommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719714400

Die letzte Nachfrage dazu stellt die Kollegin Wolff.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1719714500

Frau Staatssekretärin, Sie haben den Begriff „Refe-

renzstandort“ nicht in den Mund genommen. Dennoch
ist Gorleben von Anbeginn in diesem Verfahren. Können
Sie ausschließen, dass Gorleben als Referenzstandort
Gegenstand der Beratung ist?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719714600


Frau Kollegin Wolff, wir wollen eine ergebnisoffene
Suche. Gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag wol-
len wir Schritt für Schritt Kriterien dafür festlegen, wie
gesucht wird und was geeignet erscheint.

Gorleben kommt als einer von mehreren möglichen
Standorten infrage. Solange nicht festgestellt ist, dass
Gorleben nicht geeignet ist, kann Gorleben im Verfahren
bleiben und sollte nicht aus politischen Gründen – es
sind ausschließlich politische Gründe, die hier angeführt
werden – herausgenommen werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719714700

Wir kommen zur Frage 20 der Kollegin Ute Vogt:

Wie bewertet die Bundesregierung diese Aussagen – siehe
Frage 19 – der ehemaligen Bundesministerin für Umwelt, Na-
turschutz und Reaktorsicherheit, Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel, vor dem Hintergrund des Haushaltsentwurfs der Bun-
desregierung, der 76 Millionen Euro zur Erkundung des Pro-

(Bundestagsdrucksache 17/10200 – Einzelplan 16, Seite 70)

„Erkundung weiterer Standorte für die Endlagerung radioakti-
ver Abfälle“ hingegen nur 3,5 Millionen Euro bereitgestellt

(Bundestagsdrucksache 17/10200 – Einzelplan 16, Seite 71)


Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719714800


Frau Kollegin Vogt, die Bundesregierung strebt einen
parteiübergreifenden Konsens zur Auswahl des End-
lagerstandortes an. Die Konsultationen sind noch nicht
abgeschlossen. Insofern berücksichtigt der Haushaltsent-
wurf für das Jahr 2013 die bisherigen Planungen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719714900

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719715000

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass „Refe-

renzstandort“ bedeuten würde, dass man alle neuen
Standorte mit Gorleben vergleicht, während „ergebnis-
offene Erkundung“ bedeuten würde, dass alle Standorte
inklusive Gorleben sich einer Prüfung nach den gleichen
Kriterien unterziehen müssten? Würden Sie in Kenntnis
dieses Unterschieds bestätigen, dass für eine Untersu-
chung unter gleichen Kriterien ein Erkundungsstopp in

Gorleben notwendig wäre und damit das Geld nicht er-
forderlich sein würde?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719715100


Frau Kollegin Vogt, auch ein erneuter Versuch macht
die ganze Sache nicht besser.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719715200

Ich wollte es Ihnen erklären.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1719715300


Man kann es ja noch einmal versuchen. – Der Haus-
haltsentwurf ist so aufgestellt worden, dass er die derzei-
tige gesetzliche Grundlage abbildet. Sollte sich der
gordische Knoten tatsächlich durchschlagen lassen,
muss man verschiedene Aspekte berücksichtigen.
Hierzu gehört nicht nur die Frage, wie das Verfahren
hinsichtlich seiner Abläufe gestaltet wird, sondern si-
cherlich auch die Frage einer finanziellen Beteiligung
derer, die kerntechnischen Abfall produzieren.

Es gibt viele Fragen, die noch zu klären wären. Diese
Fragen brauchen wir momentan aber nicht zu klären,
weil es noch keine gesetzliche Grundlage gibt. Hieran
versuchen wir, wie gesagt, weiterhin konsensual zu ar-
beiten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719715400

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1719715500

Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719715600

Sie verzichten.

Da die Fragen 21 und 22 der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl schriftlich beantwortet werden sollen, sind
wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministe-
riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 23
des Kollegen Willi Brase, die Frage 24 des Kollegen
Klaus Hagemann und die Frage 25 des Kollegen Swen
Schulz sollen schriftlich beantwortet werden.

Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Auch hier sollen die Fragen schriftlich be-
antwortet werden. Es geht um die Fragen 26 und 27 des
Kollegen Dr. Sascha Raabe und um die Frage 28 des
Kollegen Thilo Hoppe.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Frage 29
der Kollegin Katja Keul und die Fragen 30 und 31 der
Kollegin Bärbel Höhn sollen schriftlich beantwortet





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


werden, wie auch die Frage 32 der Kollegin Lisa Paus
und die Frage 33 des Kollegen Manuel Sarrazin.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Uwe Kekeritz auf:
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Gewalt

und Arbeitsrechtsverletzungen gegen Minenarbeiter in
Marikana, Südafrika, und inwieweit sind nach dem Kenntnis-
stand der Bundesregierung deutsche Unternehmen und deren
Zulieferer- und Tochterunternehmen in die aktuellen Vor-
kommnisse involviert?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1719715700


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte die
Frage des Abgeordneten Kekeritz wie folgt: Im Rahmen
eines Polizeieinsatzes gegen illegal streikende Berg-
arbeiter am 16. August dieses Jahres wurden im südafri-
kanischen Marikana mindestens 34 Menschen getötet
und mehrere Dutzend zum Teil schwer verletzt.

Bereits im Vorfeld waren bei gewaltsamen Auseinan-
dersetzungen zehn Menschen umgekommen, darunter
zwei Polizisten. Staatspräsident Zuma hat am 23. August
2012 eine unabhängige Untersuchungskommission mit
richterlichen Befugnissen eingesetzt. Diese verfügt über
ein umfassendes Mandat einschließlich der Untersu-
chung von Rechtsverletzungen. Die Ergebnisse der
Kommission werden für Anfang nächsten Jahres erwar-
tet. Ein interministerieller Ausschuss kümmert sich um
die Belange der Betroffenen bzw. ihrer Hinterbliebenen.

Herr Abgeordneter, ich will auch noch erwähnen,
dass deutsche Unternehmen nach Kenntnis der Bundes-
regierung nicht in die Vorgänge in Marikana involviert
waren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719715800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719715900

Danke schön für die Beantwortung. – Sie sagten eben:

„illegal Streikende“. Sind Sie sich sicher, dass es sich
hier um einen illegalen Streik handelte? Wenn Sie sich
dessen sicher sind: Woran machen Sie das eigentlich
fest? Was ist die Rechtsvoraussetzung, um es als „illega-
len Streik“ zu bezeichnen?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1719716000


Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, kämpft Südafrika
noch mit dem sozioökonomischen Erbe der Apartheid.
Die hohe Arbeitslosigkeit und die soziale Ungleichheit
in dem Land bilden eine schwere Hypothek. In Süd-
afrika wird über Strategien zur Lösung dieser Herausfor-
derungen kontrovers diskutiert. Deutschland ist bestrebt,
im Rahmen einer umfassenden bilateralen Partnerschaft
zur friedlichen, stabilen Entwicklung des Landes beizu-
tragen. Sie haben gehört, dass die südafrikanische Regie-
rung gewillt ist, an einer lückenlosen Aufklärung der
Geschehnisse zu arbeiten. Ich habe Ihnen den Sachstand

wiedergegeben, der uns von der südafrikanischen Regie-
rung so bekannt ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719716100

Ihre zweite Nachfrage?


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719716200

Ja.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719716300

Bitte.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719716400

Die Vorfälle wurden weltweit diskutiert. Da stellt sich

schon die Frage, ob von Deutschland oder – besser noch
– auf europäischer Ebene Initiativen ergriffen werden,
um soziale Standards bei der Beschaffung von Rohstof-
fen durchzusetzen. Inwieweit denken Sie in diese Rich-
tung? Verfolgen Sie vielleicht schon konkrete Ansätze,
um demnächst soziale Standards beim Bezug von Roh-
stoffen oder Lebensmitteln einzuführen?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1719716500


Herr Abgeordneter, Sie haben genau wie ich verfolgt,
dass Staatspräsident Zuma dieses Thema anlässlich des
fünften EU-Südafrika-Gipfels am 18. September dieses
Jahres von sich aus in sehr offener Weise angesprochen
hat. Ähnliche Erfahrungen machte der Bundesminister
für Wirtschaft und Technologie, Dr. Rösler, anlässlich
seiner Reise nach Südafrika am 4. und 5. Oktober dieses
Jahres. Natürlich begrüßen wir den Willen zur Aufklä-
rung. Wir sind dabei, Südafrika mit entsprechenden
Maßnahmen und Projekten zu unterstützen. Ich denke,
es wird auch auf EU-Ebene weiterhin darüber diskutiert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719716600

Der Kollege Schwabe hat eine Nachfrage.


Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1719716700

Darf ich einmal nachfragen? Ich habe es einfach nicht

verstanden; Sie haben da etwas vorgelesen. Die Frage
war, ob die Bundesregierung über soziale Standards bei
der Rohstoffbeschaffung nachdenkt. Ich war vor kurzem
in Kolumbien und habe mir angeschaut, woher zum Bei-
spiel die Steinkohle kommt, die in deutschen Steinkohle-
kraftwerken verbraucht wird; ich habe mich mit den
Arbeitsbedingungen beschäftigt. Es wäre für die Men-
schen vor Ort sehr hilfreich, wenn es Kriterien zum Bei-
spiel beim Import von Steinkohle gäbe. Es wäre gut,
wenn es zumindest Transparenzrichtlinien gäbe, damit
klar wird, woher die Rohstoffe eigentlich kommen. Gibt
es solche Überlegungen in der Bundesregierung?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1719716800


In erster Linie ist es die Aufgabe der südafrikanischen
Regierung – Herr Abgeordneter, das wissen Sie –, für
Normalität, soziale Stabilität, aber auch soziale Stan-
dards in diesem Bereich zu sorgen. Natürlich sind wir,





Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) (C)



(D)(B)


auch die Bundesminister, die Südafrika besuchen, mit
der dortigen Regierung im Gespräch – das habe ich ge-
rade gesagt –, damit Grundlagen für bessere Arbeitsbe-
dingungen geschaffen werden können, gerade auch in
den Minen, in denen solche schrecklichen Dinge passie-
ren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719716900

Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Tom Koenigs sol-

len schriftlich beantwortet werden, wie auch die Fra-
gen 37 und 38 der Kollegin Inge Höger. Auch die
Frage 39 der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel soll
schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 40 und 41
des Kollegen Omid Nouripour werden ebenfalls schrift-
lich beantwortet.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Welche Fragen werden eigentlich mündlich beantwortet?)


Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Aus-
wärtigen Amts. Danke, Frau Staatsministerin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph
Bergner zur Verfügung.

Die Frage 42 der Kollegin Haßelmann und die Fragen
43 und 44 des Kollegen Ströbele werden schriftlich be-
antwortet. Auch die Frage 45 des Kollegen Hunko soll
schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 46 der Kollegin Dr. Martina Bunge
auf:

Welche Positionen aus welchen Landesregierungen in den
neuen Bundesländern lagen der Aussage des Bundesministers
des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, am 26. September 2012
bei der Befragung der Bundesregierung zugrunde, es gebe
„bisher keine einheitliche Haltung der Landesregierungen in
den neuen Ländern in der Frage der Angleichung des Renten-
systems“ (vergleiche Plenarprotokoll 17/194)?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719717000


Frau Kollegin Bunge, ich beantworte Ihre Frage,
welche Positionen aus welchen Landesregierungen be-
züglich der Rentenangleichung der Bundesregierung
vorlagen, wie folgt:

Bei der Befragung der Bundesregierung zum Jahres-
bericht zum Stand der Deutschen Einheit hat der Bun-
desminister des Innern dem Wunsch der Bundesregie-
rung Ausdruck verliehen, dass in der Frage der
Vereinheitlichung der Rentensysteme Ost und West ein
Konsens auch mit den Ländern herbeigeführt wird. Die
bislang diskutierten Modelle sind derzeit nicht geeignet,
eine Lösung im Sinne aller Beteiligten herbeizuführen.
Das heißt, eine entsprechende Konsenslösung lag nicht
vor, und dies war die Grundlage der Aussage des Minis-
ters in der Fragestunde.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719717100

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719717200

Danke, Herr Bergner. – In Reaktion auf diese Antwort

des Bundesinnenministers in der letzten Sitzungswoche
hat sich auch die Ministerpräsidentin von Thüringen – in
Klammern: CDU –, die zugleich Vorsitzende der Minis-
terpräsidentenkonferenz ist, zu Wort gemeldet und ge-
sagt, sie sehe hier die Bundesregierung in der Pflicht.
Laut Pressemeldung hat sie ihr sogar Arbeitsverweige-
rung vorgeworfen. Sehen Sie in einer solchen renten-
rechtlichen Frage nicht auch die Bundesregierung bzw.
generell die Bundesebene in der Verantwortung, einen
Vorschlag vorzulegen, den die Länder zunächst diskutie-
ren? Erst danach kann entschieden werden: Gibt es eine
einheitliche Meinung?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719717300


Frau Kollegin Bunge, ich gebe Ihnen unumwunden
recht, dass die Verantwortung – auch die gesetzgeberi-
sche Verantwortung – beim Bund liegt. Gleichwohl hat
auch der Amtsvorgänger von Minister Friedrich schon
sehr früh zu Anfang dieser Wahlperiode im Gespräch
mit der Ministerpräsidentin und den Ministerpräsidenten
der neuen Länder keinen Zweifel daran gelassen, dass er
sich bei dieser sensiblen Frage einen Konsens mit den
Ministerpräsidenten als gewissermaßen politischen Re-
präsentanten der neuen Bundesländer wünscht, und ge-
nau das ist der Hintergrund der Diskussion.

Es gibt verschiedene Modelle: Sie selbst haben im
Deutschen Bundestag ein Modell eingebracht; der Sach-
verständigenrat hat ein Modell eingebracht, dem sich die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weitgehend ange-
schlossen hat. Wir können zum gegenwärtigen Zeitpunkt
feststellen, dass keines dieser Modelle zu einem Konsens
mit den neuen Bundesländern – übrigens auch nicht mit
dem Beauftragten für die neuen Bundesländer – führen
könnte. Dies ist der Grund dafür – das haben wir im Be-
richt zum Stand der Deutschen Einheit zum Ausdruck ge-
bracht –, dass wir gesagt haben: Unter diesen Umständen
sollte am bewährten System festgehalten werden. Dieses
verhindert ja, dass das jetzt in den neuen Bundesländern
herrschende niedrigere durchschnittliche Lohnniveau
den heutigen Beitragszahlern, wenn sie in 10 oder 20 Jah-
ren in Rente gehen, bei der Ermittlung der Entgeltpunkte
nachträglich zum Nachteil gereicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719717400

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719717500

Diesbezüglich vertreten wir unterschiedliche Stand-

punkte. Ich meine Folgendes: Auch wenn das Einkom-
men vergleichbar ist, werden unterschiedliche Renten-
werte berechnet.

Der Bundesinnenminister spricht von einem regiona-
len Unterschied, da das Lohnniveau im Osten niedriger
ist. Diese Begründung findet sich auch in anderen Publi-
kationen der Bundesregierung. Würden Sie als Ostbeauf-
tragter mir zustimmen, dass das niedrigere Lohnniveau
in Ostdeutschland auch mit dem Verlauf des Einigungs-





Dr. Martina Bunge


(A) (C)



(D)(B)


prozesses in wirtschaftspolitischer Hinsicht – Stich-
worte: verlängerte Werkbank, kaum Forschung und Ent-
wicklung, weniger Wertschöpfung – zusammenhängt?
Würden Sie mir zustimmen, dass die Tatsache, dass wir
in Ostdeutschland im Durchschnitt ein niedrigeres Lohn-
niveau und damit einhergehend auch ein niedrigeres
Rentenniveau haben, Folge eines strukturellen Problems
ist? Würden Sie mir zustimmen, dass Ostdeutschland in-
sofern nicht mit Ostfriesland zu vergleichen ist, wie der
Bundesminister es getan hat? Würden Sie mir zustim-
men, dass die Bundesregierung in der Verantwortung
steht, wenn es Verwerfungen sozialer Art gibt?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719717600


Frau Kollegin Bunge, Ihre Analyse, der ich durchaus
zustimme, ist doch gerade ein Plädoyer für das beste-
hende System.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Nein! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie wollen gar keinen Konsens! Sie wollen ihn gar nicht!)


Wenn wir davon ausgehen – diesbezüglich stimme ich
Ihnen ja durchaus zu –, dass die Ursache für das im Ver-
gleich zum durchschnittlichen Lohnniveau im Westen
niedrige Lohnniveau in den neuen Bundesländern teilungs-
bedingt ist – dabei geht es auch um die wirtschaftliche
Ausgangslage der DDR –, dann sind wir gewissermaßen
auch verpflichtet, ein selbstständiges Erfassungssystem
zu nutzen, das sich nach dem jeweiligen Lohnniveau
richtet. Wenn wir durch politische Entscheidungen den
Rentenwert angleichen, dann sind die Aufwertungen der
Beitragsleistungen in den neuen Bundesländern erklä-
rungsbedürftig. Das würde nämlich sofort zu einem Ver-
gleich mit Regionen in den alten Bundesländern führen,
in denen das Lohnniveau ebenfalls niedrig ist. Dieser
Aspekt führt im Ergebnis dazu, dass man sagt: Wenn
man kein besseres Konsensmodell findet, bleibt man bei
dem bestehenden, weil es unter diesen Umständen das
gerechteste ist.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie wollen keine Angleichung!)


– Ich wäre dankbar, wenn Frau Enkelmann diese Be-
hauptung in eine Frage kleiden würde.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das war eine Feststellung, Herr Kollege Bergner!)


Ich würde sie nämlich gerne zurückweisen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719717700

Es sieht im Moment nicht so aus, als würde sie Ihnen

diesen Wunsch erfüllen.

Vielleicht stellt Ihnen aber die Kollegin Behm eine
Frage, die Ihnen die Möglichkeit gibt, das, was Sie noch
loswerden wollten, zu sagen, Herr Bergner. – Bitte.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719717800

Ich weiß nicht, was die Kollegin Dagmar Enkelmann

fragen wollte. Ich habe zu diesem Komplex eine Fülle
von Fragen.

Was mich beschäftigt, ist Folgendes: Die Kanzlerin
hat zu Beginn der Legislaturperiode versprochen, in die-
ser Legislaturperiode eine Rentenangleichung zwischen
Ost und West hinzubekommen. Das hat ihr natürlich eine
ganze Menge Zuspruch von Ostdeutschen eingebracht.
Jetzt sagt sie bzw. die Bundesregierung: Nein, wir haben
kein Modell. Wir können uns mit den Bundesländern
nicht einigen. Deswegen bleibt alles beim Alten. – Dies
führt zu einem großen Vertrauensverlust. Gleichzeitig
zeigt das eine gewisse Unfähigkeit der Bundesregierung,
sich dem Thema mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu
widmen; denn es gibt Modelle, zum Beispiel das Modell
der Grünen. Unser Modell zur Rentenangleichung würde
für sozialen Frieden sorgen – in dieser Frage steht der
soziale Friede in Ostdeutschland wirklich auf der
Kippe – und helfen, Altersarmut zu verhindern, und
zwar sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Ich
würde Sie gerne fragen, warum die Bundesregierung es
nicht schafft, sich mit den Oppositionsfraktionen, die gut
durchgerechnete und sehr sinnvolle Modelle vorgelegt
haben, an einen Tisch zu setzen, um diese Sache noch im
Laufe dieser Legislaturperiode zu einem guten Ende zu
bringen.


(Iris Gleicke [SPD]: Unsere Vorschläge sind zu gut!)


D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719717900


Frau Kollegin, ich habe meine Argumente bereits in
meiner Antwort auf die Frage der Kollegin Bunge vorge-
tragen. Ich habe gesagt, warum ich das Modell, das die
Linke vorgeschlagen hat, für nicht konsensfähig halte.
Möglicherweise ist es auch verfassungsrechtlich nicht
tragfähig.

Ich sage Ihnen auch gerne, weshalb ich das Modell,
das Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen haben und
das auf dem Votum des Sachverständigenrats beruht, für
nicht konsensfähig halte. Ich selbst als Beauftragter der
Bundesregierung für die neuen Bundesländer müsste
Ihnen schon allein deshalb den Konsens verweigern,
weil es zu einer maßlosen Enttäuschung der jetzigen Be-
standsrentner in den neuen Bundesländern führen würde.


(Iris Gleicke [SPD]: Krokodilstränen! Das ist ja unglaublich!)


Ich weiß nicht, wie genau Sie sich mit Ihrem eigenen
Modell auseinandergesetzt haben. Sie wollen gewisser-
maßen die Angleichung des Rentenwertes durch eine
Gegenrechnung bei den Entgeltpunkten kompensieren.
Unter dem Strich blieben die Renten in den neuen Bun-
desländern praktisch gleich, wobei zumindest ein Bezug
zur allgemeinen Lohnentwicklung hergestellt wird.

Ich will darauf aufmerksam machen, dass die Erwar-
tungshaltung der allermeisten Rentnerinnen und Rentner
in den neuen Bundesländern dem diametral entgegen-
steht. Dort erwartet man von einer wie auch immer be-





Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner


(A) (C)



(D)(B)


gründeten Anhebung des Rentenwerts auch eine ver-
gleichbare Anhebung der Rentenleistung. Insofern kann
ich mich mit Blick auf diese Erwartungshaltung Ihrem
Vorschlag nicht anschließen.


(Iris Gleicke [SPD]: Dann machen Sie doch selber etwas, Herr Bergner! Tun Sie doch etwas!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719718000

Es gibt jetzt eine weitere Meldung zu einer Nach-

frage, nämlich durch den Kollegen Wunderlich.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719718100

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

sehen Sie vielleicht eine Möglichkeit, einen Konsens
herbeizuführen, darin, dass man als Grundlage für die
Rentenwertberechnung, für die Rentenpunkte nicht das
Bundesdurchschnittseinkommen, sondern nach Ost und
West differenzierte Durchschnittseinkommen nimmt?
Denn die Höherpunktung durch das Bundesdurch-
schnittseinkommen, durch diese verfälschten Einkom-
menswerte führt ja letztlich zu diesem Gefälle. Könnte
man da einen Schnitt machen und das ostdeutsche
Durchschnittseinkommen als Grundlage für die Berech-
nung der Rentenwerte nehmen?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719718200


Sie meinen, dass man das ostdeutsche Durchschnitts-
einkommen auch für die Berechnung des Rentenwerts
West als Grundlage nehmen sollte? Ich würde sagen,
dass ein solcher Beschluss rentenrechtlich und mögli-
cherweise auch verfassungsrechtlich vollkommen an-
greifbar ist. Ich wüsste im Übrigen auch nicht, worin der
Wert dieser Entscheidung läge. Ich habe diesen Vor-
schlag noch nicht geprüft,


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ging mir auch nur gerade durch den Kopf!)


aber ich habe große Zweifel, dass dies renten- und ver-
fassungsrechtlich möglich ist; denn das bedeutete einen
Eingriff in die Leistungen der Bestandsrentner in den al-
ten Bundesländern.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719718300

Es haben sich noch die Kollegin Haßelmann und die

Kollegin Gleicke gemeldet. Diese zwei Fragen lasse ich
noch zu. – Bitte, Frau Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719718400

Ihre Aussage zu den Bestandsrenten stimmt doch so

überhaupt nicht; das haben Sie nicht richtig dargestellt.
Sie haben durch meine Frage die Gelegenheit, diese
Aussage in Ihrer Antwort zu korrigieren. Die von Ihnen
hier vertretene Auffassung ist jedenfalls nicht zutref-
fend; aber bei meiner Frage an Sie geht es um etwas an-
deres.

Es ging meiner Kollegin Cornelia Behm nicht darum,
dass Sie die Vorschläge der Grünen oder die Vorschläge
der SPD bewerten. Ich möchte Sie fragen, wann CDU/CSU
und FDP und die von ihnen getragene Bundesregierung
endlich einen Vorschlag für die Lösung dieses Problems
vorlegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unser Vorschlag liegt schon vor!)


Sie haben in dieser Legislaturperiode hier im Haus im-
mer wieder betont, dass es ein Problem gibt, das man lö-
sen muss. Wir nähern uns jetzt dem Ende der Legislatur-
periode und sind bisher mit keinem Vorschlag von CDU/
CSU und FDP konfrontiert worden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben ihn in der letzten Legislaturperiode vorgelegt, Frau Haßelmann!)


Wann gedenken Sie, etwas vorzulegen?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719718500


Frau Kollegin, ich habe in meiner Position als Beauf-
tragter für die neuen Bundesländer nie einen Zweifel da-
ran gelassen, dass ich nach Prüfung aller mir bekannten
und auch in der Bundesregierung erörterten Modelle


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch gar keinen Vorschlag!)


unter dem Gesichtspunkt, dass ich in den neuen Bundes-
ländern keine Verlierer haben möchte bzw. keine zusätz-
liche Enttäuschung verursachen möchte, bei der Beibe-
haltung des bestehenden Modells bleibe.

Es kommt noch ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, den
ich als Beauftragter für die neuen Bundesländer nicht
unerwähnt lassen möchte. Das bisherige Modell geht da-
von aus, dass sich im Zuge einer Entwicklung die Löhne
in den neuen Bundesländern an die in den alten Bundes-
ländern weitgehend angleichen werden. Ich gebe zu,
dass die Entwicklung der letzten Jahre in dieser Hinsicht
nicht sehr ermutigend war. Aber wenn wir gewisserma-
ßen aus dem System aussteigen und einen einheitlichen
Rentenwert schaffen, ist das meiner Auffassung nach das
Signal, dass wir die Hoffnung auf eine Angleichung der
Lohnverhältnisse aufgegeben haben. Das möchte ich als
Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundes-
länder nicht tun.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie legen also nichts vor?)


– Für mich ist das bestehende System nach Prüfung aller
Umstände noch immer das gerechteste, das wir gegen-
wärtig anbieten können.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na dann! Okay!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719718600

Das Wort hat die Kollegin Gleicke.






(A) (C)



(D)(B)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1719718700

Herr Kollege Bergner, gerade Ihr letzter Satz veran-

lasst mich zunächst einmal zu der Feststellung, dass
auch im neuen Bericht zum Stand der Deutschen Ein-
heit, den wir demnächst debattieren wollen, darauf hin-
gewiesen wird, dass die Einkommensunterschiede in Ost
und West wieder weiter auseinanderklaffen. Das heißt,
die Situation ist noch dramatischer geworden. Das Ni-
veau der Einkommen im Osten lag schon einmal bei
83 Prozent des Westdurchschnitts; unterdessen sind es
nur noch 80 Prozent. Sie haben die ganzen Jahre zusam-
men mit Ihren Parteifreunden die Auffassung vertreten,
dass es ganz toll ist, dass die Löhne in Ostdeutschland
niedriger sind. Insofern frage ich Sie erstens, was Sie tun
werden, um die Tarifbindung und die Zahlung von Tarif-
löhnen in Ostdeutschland voranzutreiben, damit sich
diese Lücke schließt.

Zweitens. Zu diesem Thema liegen ja mehrere Vor-
schläge auf dem Tisch. Alle drei Oppositionsfraktionen
haben dazu unterschiedliche Vorschläge gemacht. Wir
haben einen Härtefallfonds für bestimmte Berufsgrup-
pen und Betroffene gefordert. Im Rahmen eines Härte-
fallfonds könnte man zum Beispiel für in der DDR Ge-
schiedene eine sozialverträgliche Lösung finden. Wir
haben gesagt: Was man sofort machen könnte, ist, die
pauschal bewerteten Versicherungszeiten für Kinderer-
ziehung und Pflege von Angehörigen oder für Wehr- und
Zivildienstzeiten anzurechnen.

Wir machen uns zu diesem Thema Gedanken; denn
wir alle wissen, dass ein geteiltes Rentenrecht 22 Jahre
nach der deutschen Einheit keine Akzeptanz mehr hat.
Man muss sich Folgendes vor Augen halten: Jemand,
der im September dieses Jahres zu arbeiten angefangen
hat, dessen Arbeitsbiografie also gerade erst begonnen
hat, wird, wenn er im Jahre 2057 in Rente geht, in seiner
Rentenbiografie noch immer DDR-Rentenbezüge fin-
den. Das ist doch wirklich nicht mehr hinzunehmen.
Wann tun Sie hier endlich etwas?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719718800


Aber das ist doch gar nicht so.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1719718900

Natürlich ist es so.

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719719000


Frau Kollegin, Sie nannten gerade das Beispiel eines
jungen Mannes, der im Osten zu arbeiten beginnt.


(Iris Gleicke [SPD]: Ich meinte junge Leute, nicht nur junge Männer!)


– Oder das Beispiel einer jungen Frau. – Sie unterstell-
ten, der Umstand, dass man zu niedrigeren Löhnen im
Osten zu arbeiten begonnen hat, werde noch im Jahre
2057 in der Rentenbiografie abgebildet. Wenn Sie diese
Behauptung aufstellen, haben Sie das gegenwärtige Sys-
tem nicht verstanden.


(Iris Gleicke [SPD]: Oh! Da bin ich aber sehr gespannt!)


Das gegenwärtige System beruht gerade darauf, dass
sich das im Osten gegenwärtig niedrigere Lohnniveau in
30 oder 40 Jahren, wenn man in Rente geht, nicht in den
Entgeltpunkten niederschlägt. Das ist der große Vorteil
des gegenwärtigen Systems, der in der Öffentlichkeit lei-
der nicht hinreichend bekannt ist.


(Iris Gleicke [SPD]: Dann wäre der Umwertungsfaktor ja absurd! Das ist falsch, was Sie sagen!)


Was Ihre zweite Bemerkung angeht, will ich darauf
hinweisen, dass der Härtefallfonds, den Sie vorgeschla-
gen haben, jedenfalls nach meiner Kenntnis an eine an-
dere Problematik anknüpft, nämlich an die offenen Fra-
gen im Bereich der Sonderversorgungssysteme. Die
Frage von Frau Bunge betraf allerdings die allgemeine
Angleichung.


(Iris Gleicke [SPD]: Aber das gehört doch zusammen!)


Insofern müsste man darüber in einem anderen Zusam-
menhang diskutieren.

Die Antwort auf die Frage, ob es eine isolierte An-
rechnung bzw. Angleichung der unterschiedlichen Erzie-
hungszeiten gibt, wird einer weiteren Prüfung vorbehal-
ten sein. Das ist ein Vorschlag, für den ich durchaus ein
gewisses Verständnis habe, weil er nicht in die Systema-
tik insgesamt eingreift.

Was die niedrigeren Löhne im Osten betrifft, haben
Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass sie darauf zurück-
zuführen sind, dass in den neuen Bundesländern niedri-
gere Tarife herrschen. Die meisten Tarife sind allerdings
angeglichen. Für mich ist jedoch nicht immer erklärlich,
warum die Tarifpartner für den Mindestlohnbereich noch
immer unterschiedliche Regelungen für Ost und West
treffen; aber das ist Sache der Tarifpartner. Hier handelt
es sich tatsächlich um strukturelle Nachteile, die aus
meiner Sicht, technisch ausgedrückt, einigungsbedingt
sind, die also noch immer den Strukturwandel in den
neuen Bundesländern im Einzelnen abbilden. Diese
Schwierigkeiten sind zu überwinden. Der Ansatzpunkt,
um die Voraussetzungen für ein gleiches Lohnniveau in
Ost und West zu schaffen, sind strukturelle Maßnahmen,
die sich auch im Rentenniveau niederschlagen sollten.

Ich weiß nicht, wen Sie zitieren, wenn Sie sagen,
meine Parteifreunde oder ich hätten gesagt, es sei toll,
dass die Löhne im Osten niedriger seien.


(Iris Gleicke [SPD]: Dieter Althaus und viele andere!)


Wir haben immer darauf hingewiesen, dass im Struktur-
wandel die Lohnstückkosten eine entscheidende Rolle
für die Wettbewerbsfähigkeit spielen. Aber toll haben
wir das nie gefunden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719719100

Ohne Zweifel ist das eine Debatte, die fortgesetzt

werden muss. Herr Staatssekretär, ich muss Ihnen mittei-





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


len, dass es noch eine weitere Nachfrage gibt, und zwar
vom Kollegen Lemme.


Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1719719200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär

Bergner, ich frage Sie noch einmal nach der Anrechnung
der pauschal bewerteten Versicherungszeiten für Kinder-
erziehung, Pflege, aber natürlich auch für den Wehr- und
Zivildienst. Sie hatten ja eben angekündigt, das zu prü-
fen. Um konkret zu sein: Wie lange dauert denn Ihre
Prüfung?

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1719719300


Ich habe gesagt, dass dies prüfenswert ist. Ich persön-
lich habe auch ein gewisses Verständnis für diesen An-
satzpunkt. Ich möchte aber auf Folgendes aufmerksam
machen: Politisch befinden wir uns hier in der Schwierig-
keit, dass mit einer Entscheidung unter der Überschrift
„Angleichung“ ganz andere Erwartungen geweckt wer-
den und dass die Personengruppe, die von dem von Ihnen
angesprochenen Problem berührt ist, vergleichsweise
klein ist, gemessen an den allgemeinen Erwartungen, die
mit dem Begriff „Angleichung“ verbunden werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719719400

Die Frage 47 des Kollegen Volker Beck wird schrift-

lich beantwortet. Damit sind wir am Ende des Geschäfts-
bereichs des Bundesministeriums des Innern. Herzlichen
Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Die Frage 48 des Kollegen
Volker Beck und die Frage 49 der Kollegin Walter-
Rosenheimer werden schriftlich beantwortet.

Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Die Frage 50 des Kollegen
Sarrazin, die Frage 51 des Kollegen Hunko, die Frage 52
der Kollegin Paus und die Frage 53 der Kollegin
Tackmann sollen schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales. Die Frage 54 des Kolle-
gen Brase wird schriftlich beantwortet ebenso wie die
Frage 55 des Kollegen Gehring. Auch die Frage 56 des
Kollegen Gehring soll schriftlich beantwortet werden.
Die Frage 57 der Kollegin von Cramon-Taubadel wird
ebenfalls schriftlich beantwortet.

Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur
Verfügung.

Ich rufe die Frage 58 der Kollegin Cornelia Behm
auf:

Welche Vorschläge zur Priorisierung der Fördergrundsätze
der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“, GAK, hat die Bundesregierung den
Ländern vorgelegt, und wann ist die Beschlussfassung im
Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz,
PLANAK, vorgesehen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719719500


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Damit sind wir beim
Lebensministerium. Wir kommen zu Fragen des ländli-
chen Raumes und der Feldmäuse. Wir sind ganz nah
– das sage ich auch den Zuhörerinnen und Zuhörern – an
den Themen, die Mensch, Tier und Umwelt berühren.

Die Kollegin Behm hat eine Frage gestellt, die ich wie
folgt beantworte: Das Bundesministerium hat einen Prio-
risierungsvorschlag für den Rahmenplan ab 2014 erarbei-
tet, der mit den Ressorts und den Ländern abgestimmt
wird. Danach sollen von den insgesamt 87 Fördertatbe-
ständen etwa ein Viertel gestrichen, die Hälfte modifiziert
und ein Viertel beibehalten werden. Die Priorisierung er-
folgte anhand eines mit den Ländern abgestimmten Kri-
terienkatalogs. Gründe für die Streichungsvorschläge
sind insbesondere eine geringe Inanspruchnahme, ver-
gleichsweise geringe Zielbeiträge zur Agrarstrukturver-
besserung usw. Diese Priorisierungsvorschläge sind in
zwei Anhörungen mit den Verbänden diskutiert worden.
Zurzeit werden insbesondere die zu modifizierenden
Maßnahmen fachlich beraten mit dem Ziel, Ende Novem-
ber/Anfang Dezember den überarbeiteten Rahmenplan
dem PLANAK zur Beschlussfassung vorzulegen. Soweit
es die Beratungen der Legislativvorschläge für die
ELER-Verordnung zulassen, ist die Beschlussfassung des
Rahmenplans 2014 durch den PLANAK für den 12. De-
zember 2012 geplant.

Frau Kollegin Behm wird sicher nachfragen. Dann
kann man das eine oder andere vielleicht noch so darstel-
len, dass es auch verstanden wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719719600

Dann hat die Kollegin Behm das Wort zur ersten

Nachfrage.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719719700

Da hat Ihnen wohl jemand Antworten aufgeschrieben,

mit denen Sie selber nicht so zufrieden sind.

Wir haben in der Tat wahrgenommen, dass Verbände-
anhörungen durchgeführt worden sind. Sie haben gesagt,
es habe sogar zwei gegeben. Ich frage Sie, warum die
Fraktionen nicht auf den gleichen Wissensstand gebracht
worden sind, warum sie die Vorlage zur Priorisierung
der Fördergrundsätze nicht in die Hand bekommen ha-
ben, und ob Sie bereit sind, uns diese Vorlage jetzt aus-
zuhändigen.

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719719800


Frau Kollegin, mit „dass es auch verstanden wird“
habe ich im Zusammenhang mit PLANAK gemeint,
dass wir uns angesichts der dankenswerterweise vielen
Zuhörerinnen und Zuhörer einmal nicht in Beamten-
deutsch ausdrücken, sondern so, dass es auch für jeman-
den von außen verständlich ist.





Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller


(A) (C)



(D)(B)


Sie sind eine hochinteressierte Kollegin; natürlich
kann Ihnen die Vorlage zugeleitet werden. Es handelt
sich hierbei allerdings um Regierungshandeln im Ver-
hältnis zu den Ländern; dies muss selbstverständlich zu-
nächst einmal auf Beamtenebene abgestimmt werden.
Sie können aber kompletten Einblick bekommen.

Wenn Sie mich jetzt fragen, wie die Priorisierungs-
vorschläge aussehen, dann antworte ich darauf.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719719900

Die Kollegin Behm hat das Wort zu ihrer zweiten

Nachfrage.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719720000

Danke schön. – Dieses Regierungshandeln hat in der

Tat Auswirkungen auf die Agrarpolitik. Da das Parla-
ment die Regierung und damit das Regierungshandeln
zu kontrollieren hat – und nicht umgekehrt –, wäre es
wohl angemessen, dass wir entsprechend informiert wer-
den.

Wenn Sie gerne konkret werden wollen, möchte ich
wissen, wie mit den priorisierten Fördergrundsätzen He-
rausforderungen wie dem Erhalt der Biodiversität – ich
erinnere daran, dass die Agrarvogelwelt auf 50 Prozent
zurückgegangen ist –, dem Klimawandel und der wach-
senden Nachfrage nach Bioprodukten Rechnung getra-
gen wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719720100

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719720200


Frau Kollegin Behm, ich unterstreiche Ihre Aussage:
Das Regierungshandeln hat Auswirkungen. Da wir eine
gute Regierung haben, haben wir eine gute Agrarpolitik.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal was Neues!)


Biodiversität ist eines der zentralen Ziele. Wir haben
eine Biodiversitätsstrategie, über die wir schon verschie-
dentlich miteinander diskutiert haben und die natürlich
auch im Rahmen des PLANAK weiterhin ein zentraler
Punkt ist. Im Unterschied zu der Regierung, die unter
Einbeziehung Ihrer Fraktion gebildet wurde, haben wir
die Mittel für die GAK nicht gekürzt, sondern wieder
aufgebaut. Wir geben damit das klare Signal, dass wir Ja
sagen zur zukunftsorientierten Landwirtschaft und zur
Entwicklung der ländlichen Räume.

Jetzt ist es an der Zeit, neue Schwerpunkte zu setzen.
Der Ökolandbau bzw. die Biobetriebe sind ein wichtiger
Bereich. Im Unterschied zu Ihren Planungen haben wir
das Bundesprogramm Ökologischer Landbau vollinhalt-
lich und in voller Höhe weiterfinanziert. Wir würden uns
freuen, wenn wir im nächsten Jahr in Deutschland min-
destens 10 000 neue Ökobetriebe bekämen; denn die
Nachfrage ist groß, und wir wollen nicht unbedingt, dass
die Nachfrage aus ausländischen Quellen gedeckt wird.
Heimische Produktion ist das Beste.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719720300

Danke.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719720400

Die Frage 59 der Kollegin Dr. Tackmann wird schrift-

lich beantwortet.

Ich rufe die Frage 60 des Kollegen Harald Ebner auf:
Auf der Basis welcher Risikobewertungen durch welche

Fachbehörden hat die Bundesregierung eine Ausnahmegeneh-
migung für den breitflächigen Einsatz des Rodentizids Ratron

(Wirkstoff Chlorphacinon) in Thüringen erteilt, obwohl die

erhebliche Toxizität dieses Wirkstoffes für zahlreiche Nicht-
zielorganismen und für einheimische Beutegreifer oder Zug-
vögel, die an Chlorphacinon verendete Nagetiere verzehren,
wissenschaftlich belegt ist und das Bundesamt für Verbrau-
cherschutz und Lebensmittelsicherheit deshalb 2010 verschie-
denen Pestiziden mit dem Wirkstoff Chlorphacinon die Zulas-
sung entzogen hatte?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719720500


Jetzt sind wir bei den Feldmäusen. Wir haben eine
große Feldmausplage in Thüringen, mit 30 bis 70 Pro-
zent Ernteausfall. Jetzt ist die Frage: Wie kann man das
wirksam bekämpfen? Das BVL hat nach Prüfung eine
Notfallzulassung für den Einsatz des Rodentizids Ratron
für 120 Tage ausgesprochen.

Die Alternative wäre, wie der Naturschutzbund und
vielleicht auch Sie, Herr Ebner, vorschlagen, eine ge-
zielte Bekämpfung in den Mäusebauen. Ich erinnere
mich hier an meine Kindheit; ich könnte fast als Fachex-
perte dazu angehört werden. Wir haben als Kinder Feld-
mäuse gefangen und dafür 1 D-Mark bekommen. –
Wenn Sie sich freiwillig zur Verfügung stellen, das per
Hand zu machen, dann können wir vielleicht auf den
Einsatz von Ratron verzichten.


(Ute Vogt [SPD]: Bei dem Job hätten Sie bleiben sollen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719720600

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719720700

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

ich teile natürlich Ihre Auffassung hinsichtlich der Be-
deutung des Ministeriums, das Sie als „Lebensministe-
rium“ beschrieben haben. Es geht dort sehr stark um
Ökologie und Artenvielfalt; die Bedeutung ist enorm.
Gerade aufgrund dieser hohen Verantwortung möchte
ich noch einmal nachfragen.

Sie sind in Ihrer Antwort nicht auf meine Frage einge-
gangen, auf Basis welcher Risikobewertungen die Bun-
desregierung die Ausnahmegenehmigung für den breit-
flächigen Einsatz erteilt hat. Die Risikobewertung ist
wichtig, weil das BVL die Zulassung für Pestizide mit
diesem Wirkstoff 2010 widerrufen hat, und zwar aus gu-
tem Grund. Deshalb frage ich Sie noch einmal nach den
Risikobewertungen. Ich füge hinzu: Trifft es zu, dass das
zuständige BVL die Ausnahmegenehmigung aus fachli-
chen Gründen nicht erteilen wollte, und, wenn ja, inwie-





Harald Ebner


(A) (C)



(D)(B)


weit hat die Bundesregierung auf eine Erteilung hinge-
wirkt oder gedrängt?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719720800


Herr Ebner, das Bundesamt hat diese Notfallzulas-
sung nach Prüfung und Risikoeinschätzung für 120 Tage
erteilt. Ich kann Ihnen das Gutachten dazu zuleiten; ich
habe es im Augenblick nicht vorliegen. Ich glaube aber,
das können wir unter vier Augen mit den zuständigen
Wissenschaftlern diskutieren.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, jetzt hier, öffentlich!)


Darüber hinaus wurde die Frage, welche alternativen
Methoden es gibt, in einem Expertenworkshop in Sach-
sen-Anhalt diskutiert. Auch die Agrarministerkonferenz
hat sich mit der Feldmausplage in Thüringen auseinan-
dergesetzt. Länderübergreifend wurde eine Arbeits-
gruppe eingesetzt, die klären soll, ob und welche ande-
ren Methoden es gibt.

Faktum ist aber – ich habe mir das noch einmal ange-
schaut –: Im Augenblick sind über 300 Betriebe mit Tau-
senden von Hektar durch Ernteausfälle von 30 bis
70 Prozent betroffen. Deshalb ist in diesem Fall die Not-
fallzulassung der Mäuseköder zur Bekämpfung erteilt
worden.

Ansonsten könnten wir mit Fallen über die Felder ge-
hen. Das wäre eine Alternative.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719720900

Sie haben das Wort zur nächsten Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719721000

Danke schön für die Wiederholung Ihrer Antwort. –

Ich muss trotzdem noch einmal nachfragen: Wie bewer-
ten Sie das Risiko einer breitflächigen Streuausbringung
von Ratron für Haustiere und für spielende Kinder, und
wie wird die Bevölkerung über den Einsatz dieses Kö-
ders informiert? Wie will die Bundesregierung verhin-
dern, dass stark bedrohte Rote-Liste-Arten in Thüringen
wie die Wiesenweihe, der Steinkauz oder der Feldhams-
ter durch den Einsatz von Ratron in ihrer Existenz ge-
fährdet werden?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719721100


Die Abwägung des Einsatzes müssen wir den Wissen-
schaftlern und den Experten vor Ort überlassen. Auf der
einen Seite steht die Mäuseplage, auf der anderen Seite
in der Tat natürlich eine mögliche Gefährdung. Wir sind
ja so weit gegangen, Erhebungen darüber durchzufüh-
ren, ob der Tod von sieben Feldhasen – Sie hören rich-
tig – mit dem Mittel „Ratron Feldmausköder“ in Verbin-
dung zu bringen ist. Wir können das Monitoring auch
noch ausweiten, aber es gibt natürlich Grenzen.

Man muss auch Vertrauen in unter Abwägung der
Wissenschaftler und Behörden getroffene Entscheidun-
gen haben und eine vor-Ort-bezogene Einzelfallent-
scheidung dann auch einmal akzeptieren. Wir sollten uns
nicht die Arroganz erlauben, zu meinen, dass wir im Ple-
num des Deutschen Bundestages besser beurteilen kön-
nen, wie man eine Feldmausplage in einem Landkreis in
Thüringen bekämpft.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719721200

Wir kommen zur Frage 61 des Kollegen Harald

Ebner:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus

der aktuellen Studie des US-Agrarökonomen Charles

(„Impacts of Genetically Engineered Crops on Pesticide Use in the U. S. – The First Sixteen Years“)

rend auf Daten des US-Agrarministeriums, wonach in den
USA durch den Anbau von herbizidtoleranten gentechnisch
veränderten Organismen ein Anstieg des Herbizidverbrauchs
um 239 Millionen Kilogramm im Zeitraum 1996 bis 2011 er-
folgt ist, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass einige in der
Europäischen Union bald zu erwartende Anbauzulassungen
gentechnisch veränderter Pflanzen ebenfalls eine Herbizidto-
leranz gegen Glyphosat (Soja) oder Glufosinat (Mais) besit-
zen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719721300


Frage 61: Schade, dass Loriot nicht mehr lebt. –


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie machen den Ersatz!)


Herr Ebner, in der Frage 61 geht es, wenn ich kurz ein-
führen darf, um das Thema, welche Schlussfolgerungen
die Bundesregierung aus der aktuellen Studie des US-
Agrarökonomen Charles Benbrook, basierend auf be-
stimmten Daten, zieht.

Ich komme zur Antwort, sonst sind meine 60 Sekun-
den für die Antwort schon vorbei: Bei der Zulassung
gentechnisch veränderter Organismen sowohl auf EU-
als auch auf nationaler Ebene muss sichergestellt sein,
dass auch langfristig negative Folgen für die Gesundheit
von Mensch, Tier oder Umwelt durch den Einsatz sol-
cher GVO mit Sicherheit ausgeschlossen werden kön-
nen.

Deshalb wird die Haltung der Bundesregierung zu
eventuellen Anträgen auf Anbauzulassungen unter Einbe-
ziehung aller vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten
und Stellungnahmen für den Einzelfall erarbeitet. Hier-
bei werden alle verfügbaren Erkenntnisse berücksichtigt.
Aus diesem Grund werden auch die mit der Studie vor-
gelegten Hinweise auf einen Anstieg des Herbizidver-
brauchs nach mehrjährigem Anbau nach entsprechender
Prüfung in das weitere Verfahren bei der Festlegung ei-
ner Position zu Anbauzulassungen herbizidtoleranter
Pflanzen selbstverständlich einfließen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719721400

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.






(A) (C)



(D)(B)



Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719721500

Das freut mich zu hören, Herr Staatssekretär; denn

bislang wurde diese Verbindung von der Bundesregie-
rung immer wegdiskutiert. Man hat gesagt: Das eine hat
mit dem anderen nichts zu tun.

Ich frage angesichts dessen nach, dass Sie gesagt ha-
ben, Sie machten eine gute Agrarpolitik. – Heute Mor-
gen im Agrarausschuss hat die Ministerin zum Thema
gute Agrarpolitik gesagt, was den Antibiotikaeinsatz an-
geht, halte sie eine Reduktion des Mengeneinsatzes als
Ziel für nicht sinnvoll. – So viel zum Thema gute Agrar-
politik.

Ich halte eine Reduktion des Pestizideinsatzes für ein
gutes, notwendiges und sinnvolles Ziel. Deshalb meine
Frage: Wie gedenkt die Bundesregierung dann mit die-
sen Erkenntnissen umzugehen, sobald die Abstimmung
im StALuT über die Roundup-Ready-Sojabohne, näm-
lich eine glyphosatresistente Sojabohne, ansteht, ange-
sichts dessen, dass 70 Prozent des erwähnten Anstiegs
des Herbizidverbrauchs in den USA allein auf diese her-
bizidresistente Sojabohne zurückzuführen ist?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719721600


Auch an dieser Stelle ist ganz klar: Die Politik muss
sich auf die Wissenschaft verlassen und wissenschafts-
basierte Entscheidungen treffen, unabhängig von politi-
scher Couleur, ob nun links oder rechts, vorne oder hin-
ten. Das sind die wissenschaftlichen Vorgaben.

So erfolgt das Zulassungsverfahren im europäischen
und nationalen Rahmen. Das heißt, im Augenblick wer-
den mehrere Anträge bearbeitet. Die EFSA hat ihre Stel-
lungnahme noch nicht abgegeben. Es werden alle auch
von Ihnen genannten wissenschaftlichen Erkenntnisse
einfließen. Dann gibt es eine Empfehlung. Anschließend
gibt es eine Bewertung durch unsere Wissenschaftler
und leitenden Beamten, eine politische Vorgabe und
dann die Abstimmung im StALuT.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719721700

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719721800

Wenn wir die Frage des Pestizideinsatzes im Zusam-

menhang mit GVO ernst nehmen und auch hier eine
langfristige Reduktion erreichen wollen, dann müssen
wir uns auch vor Augen führen, dass in den letzten Jah-
ren zunehmend Schädlingspopulationen aufgetreten sind
und sich ausbreiten, die gegen die gentechnisch verän-
derten Bt-Pflanzen, also welche, die einen Bacillus-thu-
ringensis-Toxin produzieren, resistent sind und in diesen
Fällen eben auch zusätzliche Pestizide über das in den
Pflanzen gebildete Toxin hinaus eingesetzt werden.

Wie bewerten Sie denn diese Tatsache? Wie bewerten
Sie das insbesondere im Zusammenhang mit der Tatsa-
che, dass damit das Bacillus-thuringensis-Präparat für
den ökologischen Landbau völlig wirkungslos wird?

Dr
Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1719721900


Sollten Ihnen neue wissenschaftliche Untersuchungen
oder Erkenntnisse vorliegen, die ich jetzt nicht habe – so
viel Wissenschaftlichkeit muss sein, dass man sich das
erst anschaut, bevor man Ja oder Nein sagt –, dann be-
rücksichtigen wir dieses gerne. Sie bekommen dann eine
Stellungnahme unserer Bundesämter.

Wir haben im Bundesinstitut für Risikovorsorge und
im BVL die besten Wissenschaftler. Darauf sind wir
stolz. Diese Wissenschaftler sind unabhängig. Wir stüt-
zen uns bei politischen Entscheidungen auf diese unab-
hängigen Gutachten. Das ist die absolut wichtige Grund-
lage.

Die Vorgabe in der Agrarpolitik ist klar; dieses Ziel
erreichen wir auch. Zur nachhaltigen Produktion gehört
auch eine Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Flä-
che, in der Breite und in der Quantität. Auch dies konn-
ten wir in den letzten Jahren Zug um Zug bzw. Schritt
für Schritt, aber sehr effektiv umsetzen. Ich lade Sie ein.
In einer Stunde bin ich bei der FNR. Dort geht es um
nachhaltige Entwicklung und Produktion. Wir behandeln
da genau dieses Thema.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719722000

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des

Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz. Danke, Herr Staatssekretär.

Die Frage 62 der Kollegin Keul zum Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums der Verteidigung wird,
wie auch die Frage 63 der Kollegin Bellmann zum Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend, schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Al-
lerdings werden die Fragen 64 der Kollegin Bellmann,
65 des Kollegen Hofreiter und 66 ebenfalls des Kollegen
Hofreiter schriftlich beantwortet.

Ich rufe auf die Frage 67 der Kollegin Cornelia
Behm:


(aufgeschlüsselt nach Schiffsklassen und transportierten Mengen)

rung auf der Havel angesichts der durch das Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung angekündigten
modifizierten Ausbauplanungen, und welche konkreten Bau-
maßnahmen stehen im Rahmen der Ausbaupläne noch an?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1719722100


Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Der Kollege Staatssekretär Müller wird mir verzei-
hen, wenn ich sage: Auch das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist ein bedeutendes
Lebensministerium der Bundesregierung, weil 82 Mil-





Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer


(A) (C)



(D)(B)


lionen Bürgerinnen und Bürger fahren, wohnen und/oder
bauen.

Frau Behm möchte eine Frage zum Thema Güter-
schiffsverkehr – aufgeschlüsselt nach Schiffsklassen und
auf der Havel transportierte Mengen – beantwortet ha-
ben. Da werden modifizierte Ausbauplanungen gemacht.
Darauf jetzt die Antwort: Infolge der modifizierten Aus-
bauplanungen werden keine signifikanten Auswirkun-
gen auf die künftige Flottenstruktur und die Transport-
mengen erwartet. Aktuell wird die Verkehrsprognose
2025 zugrunde gelegt. Ich möchte Sie, Frau Kollegin
Behm, mit Rücksicht auf unsere Kolleginnen und Kolle-
gen bitten, dass ich Ihnen die beiden Tabellen zu Flotten-
strukturen und Mengen schriftlich geben kann. Denn ob
uns die Kolleginnen und Kollegen richtig zuhören, wenn
es bei der Flottenstruktur darum geht, zu Berg zu fahren,
zu Tal zu fahren und die Anteile der Motorschiffe und
der Schubleichter aufgeschlüsselt zu bekommen, ist
fraglich. Sie verzeihen mir, dass ich Ihnen diese Tabellen
gebe. Dann sind wir ein bisschen zeitökonomischer un-
terwegs. Gleiches gilt für die Güterstruktur der Ladungs-
mengen für 2025. Das geht von landwirtschaftlichen Er-
zeugnissen über Futtermittel bis hin zu mineralischen
Brennstoffen, Erdöl, Mineralölerze, Metalle etc. Auch
diese Aufstellung möchte ich Ihnen gerne geben.

Ich komme zum Schlusssatz. Um das Verkehrsprojekt
Deutsche Einheit Nr. 17 zu vollenden, werden die Fluss-
havel, der Sacrow-Paretzer-Kanal und die Berliner
Nordtrasse ausgebaut. Der Umfang der Baumaßnahmen
hat sich – das wird Sie interessieren – durch die bedarfs-
gerechte Überarbeitung der Pläne erheblich reduziert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719722200

Ich nehme an, dass die Kollegin Behm einerseits die-

ses Angebot akzeptiert, aber sicherlich jetzt ihre erste
Nachfrage stellt.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719722300

Ich habe nur eine Nachfrage. – Vielen Dank. Natür-

lich ist es sinnvoll, die Leute hier nicht mit so vielen
Zahlen, Daten und Fakten zu belasten, wenn wir zeitöko-
nomisch sein wollen.

Wir haben die Informationen, auf deren Basis ich jetzt
nachgefragt habe, nur aus der Zeitung. Deswegen würde
ich gerne folgende Fragen beantwortet haben: Wann und
wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen? In welcher
Form werden die veränderten Planungen verbindlich?
Also, wann kann man da etwas in die Hand nehmen oder
vor die Augen gehalten bekommen?

D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1719722400


Natürlich sind wir anhand dieser Flottenstruktur und
der Güterstruktur auch gerade von Ihrer Fraktion aufge-
rufen, das anzupassen, wenn Optimierungsmaßnahmen
durchgeführt werden.

Wir sparen damit auch Geld. Wir reduzieren gerade
die Investitionskosten an dieser Stelle durch verschie-
dene bauliche Veränderungen von 45 Millionen Euro auf

27 Millionen Euro. Es geht dabei auch um die Reduzie-
rung der Ausbautiefe und der Baggermengen und die
entsprechenden Kostenreduktionen.

Die Öffentlichkeit wird über die konkreten Planungen
rechtzeitig informiert. Die Planungen der WSV sind so
weit fortgeschritten, dass erste Abstimmungen mit den
Landesbehörden, den Verbänden und den Betroffenen in
Brandenburg bereits begonnen haben bzw. unmittelbar
bevorstehen.

Mitte 2013 soll für die Fahrrinnenanpassung das erfor-
derliche Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden.
Wie Sie wissen, werden bei den Planungen und Planfest-
stellungsverfahren alle Belange abgefragt und verschie-
dene Erörterungstermine durchgeführt. Dann liegen die
konkreten Planungen vor. Jetzt über nicht vollständige
oder lückenhafte Planungen zu reden, wäre verfrüht. Wir
sind deshalb gerade im Abstimmungsprozess.


(Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bedanke mich!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719722500

Die Frage 68 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird

schriftlich beantwortet.

Wir kommen zu den Fragen 69 und 70 des Kollegen
Michael Groß. Der Kollege ist offensichtlich nicht an-
wesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen.

Wir sind damit am Ende der Fragestunde.

Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundesta-
ges bis 16.45 Uhr. Dann fahren wir fort mit der Aktuel-
len Stunde.

Ich bekomme gerade einen Hinweis. Damit jeder
weiß, woran er ist: Für vier Minuten ist die Sitzung des
Bundestages unterbrochen.


(Unterbrechung von 16.41 bis 16.46 Uhr)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719722600

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP

Finanzielle Belastungen der Geringverdiener-
haushalte durch die von der rot-grünen Bun-
desregierung beschlossenen Ökostromsubven-
tionen

Ich eröffnet die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Marie-Luise Dött für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1719722700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bislang

war ich der Auffassung, dass wir hier im Parlament ei-





Marie-Luise Dött


(A) (C)



(D)(B)


nen weitgehenden Konsens haben, dass wir unsere Ener-
gieversorgung schrittweise auf erneuerbare Energien
umstellen. Wenn ich mir allerdings die vielfältigen Wort-
beiträge in der Presse der letzten Tage ansehe, dann ge-
winne ich zunehmend den Eindruck, dass die Opposition
diesen Konsens entweder nie ernst genommen hat oder
ihn jetzt aufkündigen will.

Vielleicht wollen Sie aber nur von Fehlern und Fehl-
steuerungen, die Sie wesentlich mitverursacht haben,
ablenken. Wer hat denn die erneuerbaren Energien mit
völlig überzogenen Vergütungssätzen gefördert? Ich er-
innere: Das war Rot-Grün. Sie, meine Damen und Her-
ren von den Grünen, haben dafür gesorgt, dass Strom aus
Photovoltaik mit über 50 Cent pro Kilowattstunde geför-
dert wurde. Wir haben dafür gesorgt, dass dieser Strom
die Bürger heute nur noch 19 Cent kostet. Damit sich
einige die Taschen füllen konnten, haben Sie dafür ge-
sorgt, dass diese überteuerten Anlagen die Stromrech-
nungen der Bürger auch noch die nächsten Jahre belasten
werden. Sie, Frau Höhn und Herr Trittin, und Sie, Herr
Gabriel und Herr Kelber, haben den Bürgern damit einen
Kostenrucksack hinterlassen.


(Gustav Herzog [SPD]: Ich auch!)


Heute tun Sie so, als hätten Sie damit nichts zu tun, als
wären alle Anlagen erst in den letzten drei Jahren gebaut
worden. Das ist unredlich.


(Gustav Herzog [SPD]: Der Abgeordnete Herzog auch!)


Was aber noch schlimmer ist: Sie bringen mit Ihrer
Polemik die Förderung der erneuerbaren Energien bei
den Bürgern zunehmend in Misskredit.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Gut, dass Sie sachlich sind!)


Sie laufen herum und stellen das EEG als Subventions-
maschine für Golfplätze und Imbissketten dar. Es ist ja
richtig, dass wir dafür sorgen, dass energieintensive Un-
ternehmen von hohen Strompreisen entlastet werden;
dazu stehen wir. Wir wollen Tausende Arbeitsplätze in
der Chemieindustrie, der Metallverarbeitung oder der
Glasindustrie schützen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Molkerei! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Futtermittelhersteller, Schlachthöfe!)


Wir stehen dazu, weil wir auch künftig die gesamte
Wertschöpfungskette in Deutschland behalten wollen,
weil wir Deutschland als Industriestandort erhalten und
ausbauen wollen. Es ist wirklich unlauter, dass Sie ver-
schweigen, dass wir es waren, die dafür gesorgt haben,
dass gerade Golfplätze, Imbissketten oder Rechenzen-
tren seit dem 1. Januar dieses Jahres nicht mehr von der
Umlage befreit werden, dass wir es waren, die gesetzlich
festgelegt haben, dass nur noch Unternehmen des produ-
zierenden Gewerbes


(Lachen des Abg. Rolf Hempelmann [SPD])


berechtigt sind, die Umlagebefreiung zu beantragen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechenzentren, vom Netzentgelt befreit!)


und dass wir damit die von Ihnen eingeführten unbe-
gründeten Ausnahmen für Unternehmen abgeschafft ha-
ben.


(Lachen des Abg. Rolf Hempelmann [SPD] – Ulrich Kelber [SPD]: Der Kauch muss sogar lachen!)


Sie werfen uns einen Fehler vor, den Sie gemacht und
den wir korrigiert haben.

Sie, meine Damen und Herren von der SPD, stimmen
dem zu. Dabei waren Sie es, die in der Zeit der Großen
Koalition unsere Vorschläge für die Einführung der
Marktprämie blockiert haben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Lesen Sie mal nach, was die kostet! Eine halbe Milliarde für nix!)


Das ist ein Instrument, das jetzt erfolgreich dafür sorgt,
dass die erneuerbaren Energien endlich aus der Subven-
tionierung in den Markt gebracht werden können.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Deshalb fördert ihr jetzt auch Offshore!)


Die Kosten für die Bürger spielten für Sie in der Diskus-
sion niemals eine Rolle. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD)


Meine Damen und Herren, unser Anliegen war es von
Beginn an, die erneuerbaren Energien mit möglichst ho-
her Effizienz, also möglichst geringen Kosten für die
Bürger, zu fördern. Deshalb haben wir die Förderung im-
mer nachjustiert. Wir haben zum Beispiel bei der Förde-
rung von Photovoltaikanlagen in mehreren Schritten er-
hebliche Vergütungsreduzierungen vorgenommen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die Kosten sind auch inzwischen geringer!)


Aber immer dann, wenn wir das getan haben, gerade um
die Kosten für die Bürger zu reduzieren, waren Sie es,
die sich vehement dagegen gewehrt haben;


(Rolf Hempelmann [SPD]: Nicht mit dem Finger auf Leute zeigen!)


da waren Ihnen die Kosten für die Bürger, die Sie jetzt
mit Krokodilstränen beklagen, egal; da haben Sie jedes
noch so absurde Argument bemüht, um die Förderung
möglichst hoch zu halten.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb haben Sie immer schön die Industrie befreit! – Ulrich Kelber [SPD]: Die Gülletrocknung! Da waren Sie persönlich dabei, als das gemacht wurde!)


Was war von Ihnen nicht alles ins Feld geführt worden,
um die hohen Vergütungssätze zu retten, Herr Kelber?
Sie haben den Zusammenbruch der gesamten Photovol-
taikbranche vorhergesagt. Sie haben einen Ausbaustopp
bei PV-Anlagen prognostiziert. Nichts davon ist einge-





Marie-Luise Dött


(A) (C)



(D)(B)


treten. Wenn Sie sich durchgesetzt hätten, dann würden
wir heute über ganz andere Größenordnungen bei der
EEG-Umlage reden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vielleicht sollten Sie sich einmal mehr Zeit zum Nach-
denken über Ihre Politik lassen, bevor Sie die Förderung
der Erneuerbaren kritisieren.

Meine Damen und Herren, wo wir gerade beim Nach-
denken sind: Schön wäre es, wenn Sie statt Polemik kon-
struktive Vorschläge für die Weiterentwicklung der För-
derung der erneuerbaren Energien machen würden.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Genau wie Sie, nicht?)


Dazu habe ich von Ihnen noch nichts gehört.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren denn jetzt die Vorschläge, Frau Dött? – Gegenruf von der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon aufgegeben, oder wie? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn? – Gegenrufe von der CDU/CSU: Wir!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719722800

Nun hat der Kollege Rolf Hempelmann für die SPD-

Fraktion das Wort.


Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1719722900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Als ich gehört habe, dass Schwarz-Gelb diese Ak-
tuelle Stunde mit dem Titel „Finanzielle Belastungen der
Geringverdienerhaushalte durch die von der rot-grünen
Bundesregierung beschlossenen Ökostromsubventionen“
auf die Tagesordnung gebracht haben, habe ich gedacht:
Da muss sich jemand verschrieben haben. Als ich dann
hörte: „Nein, da hat sich niemand verschrieben; die mei-
nen das ernst“, wollte ich es immer noch nicht glauben.
Ich habe jetzt wirklich den Eindruck: Sie haben da sozu-
sagen einen Anfall von Masochismus. Sie wollen offen-
bar leiden


(Gabriele Groneberg [SPD]: Wohl wahr! – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Warten Sie mal ab!)


und diese Aktuelle Stunde heute über sich ergehen las-
sen.

Meine Damen und Herren, wie sieht es denn wirklich
aus mit Ihren Ambitionen für die Geringverdienerhaus-
halte? Schauen wir uns doch einmal Ihren „record“ an:

Das Bundesverfassungsgericht musste Sie zwingen,
die Hartz-IV-Sätze nach oben hin anzupassen.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Inklusive der Kosten für Strom, Herr Kollege!)


Das haben Sie nicht von sich aus getan, weil Sie ein
Herz für die Geringverdiener haben;


(Patrick Döring [FDP]: Das sind doch keine Geringverdiener!)


Sie mussten dazu genötigt werden.

Heizkostenzuschüsse für Geringverdiener haben Sie
abgeschafft.


(Zurufe von der SPD: Pfui!)


Mindestlöhne lehnen Sie nach wie vor ab.


(Zuruf von der SPD: Doppelt Pfui!)


Reichensteuer – wenn wir einmal auf das andere Ende
schauen – lehnen Sie auch ab.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Thema! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir haben sowohl Mindestlöhne als auch Reichensteuer!)


Also, Ihre neue Ambition für die Geringverdiener ist
so glaubhaft wie Sie, Frau Dött, als Sie gerade versucht
haben, in machiavellistischer Weise Ihre Position darzu-
stellen.

Das Zweite. Es war die Rede von „Beschlüssen der
rot-grünen Bundesregierung, die Belastungen produzie-
ren“. Ja, mein lieber Freund! Jetzt müssen wir doch ein-
mal nachrechnen: Wann war denn Rot-Grün zu Ende?
War das nicht 2005? Danach gab es – wenn ich mich
richtig erinnere – vier Jahre lang Schwarz-Rot. Da hätte
der Partner der Sozialdemokraten, die Union, vier Jahre
lang Gelegenheit gehabt, die Dinge zu ändern. Das ha-
ben die aber nicht gemacht. Anscheinend war man ganz
zufrieden mit dem Fördersystem.

Anschließend gab es drei Jahre lang Schwarz-Gelb.
Auch da stellt sich die Frage: Was ist denn geschehen?


(Patrick Döring [FDP]: Sagen Sie einmal, was geschehen ist!)


Es ist also völlig klar: Sie versuchen heute von Ihrem
eigenen Versagen abzulenken. Sie haben die Anhebung
der Erneuerbare-Energien-Umlage auf 5,3 Cent zu ver-
antworten. Daran führt nun wirklich kein Weg vorbei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wenn Sie von Ökostrom-
subventionen sprechen, dann sprechen Sie ja auch ganz
gerne davon, was in diesem Zusammenhang für die In-
dustrieunternehmen so passiert. Da muss ich Ihnen sa-
gen: Wir, Rot-Grün, haben in der Tat, beginnend im
Jahre 2000, Ausnahmetatbestände für besonders ener-
gieintensive Unternehmen geschaffen, und das aus gu-
tem Grund. Wir wollten nämlich verhindern, dass die
ihre Produktionsstätten in Länder mit weniger strengen
Auflagen verlagern, in Länder ohne Emissionshandel
beispielsweise, ohne EEG und anderes. Das hatte also ei-
nen guten Grund.

Dieses Instrument hatte zehn Jahre lang eine hohe
Akzeptanz. Warum? Weil wir das gezielt und sehr be-
gründet für wenige Unternehmen gemacht haben, die
wirklich im internationalen Wettbewerb standen.





Rolf Hempelmann


(A) (C)



(D)(B)



(Zuruf von der CDU/CSU: Wo war der Mittelstand? Der Mittelstand hat gefehlt!)


Was haben Sie gemacht? Sie haben dieses Instrument
klientelpolitisch ausgeweitet.


(Patrick Döring [FDP]: Haben Sie etwas gegen industriellen Mittelstand?)


Wenn man sich einmal anschaut, wer da heute alles
drin ist – Kartoffelverarbeiter, Futtermittelhersteller,
Schlachtbetriebe, Erfrischungsgetränkehersteller, Milch-
verarbeiter, Obstverarbeiter, Gemüseverarbeiter –,


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Sie wissen es doch besser! Bleiben Sie redlich!)


dann muss ich sagen: Ich kann nicht so richtig erkennen,
wo denn da eigentlich die im internationalen Wettbe-
werb befindlichen energieintensiven Unternehmen sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn ich sehe, dass Sie bei den Netzentgelten durch
die Senkung der Schwelle ohne weitere Konditionierun-
gen mittlerweile auch Hotels – wieder einmal Hotels –,
aber auch Rechenzentren und Golfplätze befreien, dann
frage ich mich wirklich: Wo ist hier eigentlich die Ab-
wanderungsgefahr? Haben Sie Sorge, dass Ihr heimi-
scher Golfplatz nach Asien abwandert, oder warum ma-
chen Sie solche Sachen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Es gibt nicht einen befreiten Golfplatz! Das ist schlicht gelogen! – Weiterer Zuruf von der FDP: Das ist Märchenerzählen!)


Das führt dazu, dass vernünftige Instrumente an Ak-
zeptanz in der Öffentlichkeit verlieren. Das ist in Ihrer
Verantwortung. Deswegen sage ich: Seien Sie vorsichtig
mit einer solchen Aktuellen Stunde.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Welchen Golfplatz meinen Sie denn? Nennen Sie doch einmal einen Golfplatz!)


Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Kündigen Sie nicht
nur ständig Maßnahmen an, zum Beispiel zur System-
integration der erneuerbaren Energien, sondern tun Sie
etwas. Darauf mache ich Sie aufmerksam, weil Sie eben
so gegen die Photovoltaik vorgegangen sind, bei der wir
übrigens durchaus Angebote gemacht haben, auch zur
Absenkung der Förderung. Schauen Sie einmal sehr ge-
nau hin, was Sie gerade bei der Offshorewindenergie
machen. Was Sie da zurzeit machen, bringt Kosten für
alle Verbrauchergruppen, die unüberschaubar sind; Sie
wissen es auch selbst.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719723000

Kollege Hempelmann, achten Sie bitte auf die Zeit.


Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1719723100

Bei Ihnen gibt es im Moment hektischste Reaktionen.

Sie versuchen gerade, Lasten auf die Endverbraucher zu

verteilen, Haftungstatbestände zu den Verbrauchern zu
verschieben, weil Sie nicht mehr wissen, wie Sie weiter-
machen sollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Seien Sie also ehrlich und geben Sie zu, dass Sie kei-
nen Plan haben. Dann sind wir auch bereit, Ihnen zu hel-
fen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719723200

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Michael

Kauch das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1719723300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Hempelmann hat gefragt, was diese Koalition für die
Geringverdiener getan hat. Die Geringverdiener – das
verwechseln Sie offensichtlich einmal wieder – sind
nicht identisch mit den Hartz-IV-Empfängern.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das habe ich auch nicht behauptet!)


Bei diesen wird nämlich ein Teil der steigenden Energie-
kosten kompensiert. Die Geringverdiener sind diejeni-
gen, die in diesem Land hart arbeiten, sich anstrengen
und trotzdem nicht viel verdienen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ja! Mindestlohn!)


Wir setzen uns für diese Menschen ein. Seit diese Koali-
tion regiert, haben wir so viele Beschäftigte wie seit der
deutschen Einheit nicht mehr.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Aber zu welchen Bedingungen? – Weitere Zurufe von der SPD)


Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist die beste Sozial-
politik für die Menschen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Geringverdiener sind in der Tat davon betroffen,
dass Strompreise steigen, und zwar durch ein Gesetz, das
nicht Schwarz-Gelb eingeführt hat. Wir haben es refor-
miert.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Deformiert!)


Eingeführt wurde es von Rot-Grün. Deshalb entlassen
wir Sie, meine Damen und Herren, nicht aus der Verant-
wortung. Die Grenze ist für viele Menschen erreicht. Es
ist nicht wieder nur eine Erhöhung von 1,5 Cent pro
Kilowattstunde, sondern wir haben nahezu eine Verdop-
pelung der Haushaltsstrompreise seit zehn Jahren. Herr
Trittin hat damals gesagt, das EEG koste nicht so viel. Es
koste einen Cappuccino im Monat. Diese Erhöhung kos-
tet schon zwei Cappuccino im Monat.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist Ihre Erhöhung!)






Michael Kauch


(A) (C)



(D)(B)


Das ist der Latte-Macchiato-Fraktion der Grünen viel-
leicht egal, aber für die normalen Menschen in diesem
Land sind auch das Beträge.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Senken Sie sie doch! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind die Preistreiber!)


Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat die Vergü-
tungssätze gesenkt. Seit unserem Regierungsantritt sind
die Vergütungssätze für die Solaranlage auf dem Eigen-
heimdach von 43 Cent auf 19 Cent gesunken.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie werden weiter fallen, und zwar nicht, weil Sie uns
gedrängt haben; denn die Entscheidung wurde gegen Ih-
ren erbitterten Widerstand, gegen Ihre Verzögerungstak-
tik im Bundesrat getroffen.


(Beifall bei der FDP)


Ihre Verzögerungstaktik ist der Grund dafür, dass die So-
larförderung und der Solarausbau explodiert sind.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben doch im Verhandlungsraum gesessen!)


Immer mehr Leute haben den Schlussverkauf genutzt.
Das ist der Grund, warum die Umlage in diesem Maße
steigt. Das ist Ihre Verantwortung. Das ist Ihre Verzöge-
rungstaktik, meine Damen und Herren von Rot-Grün.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Märchenstunde, Herr Kauch! – Rolf Hempelmann [SPD]: Hauptsache, man glaubt selber daran! – Ulrich Kelber [SPD]: Was ist verzögert worden? Konkret!)


Sie haben die Ausnahmebestimmungen angespro-
chen. Diese Ausnahmebestimmungen sind in der zwei-
ten Wahlperiode von Rot-Grün eingeführt worden.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Zu Recht!)


Sie haben energieintensive Unternehmen von der Um-
lage befreit, und zwar aus gutem Grund.


(Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Man wollte nämlich die Arbeitsplätze erhalten und Un-
ternehmen, die im Wettbewerb stehen, nicht außer Lan-
des treiben.


(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Wir haben an diesen Kriterien der Energieintensität
nichts, aber auch gar nichts geändert.


(Lachen des Abg. Rolf Hempelmann [SPD])


Wir haben die Schwellenwerte für die Unternehmens-
größe gesenkt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie können johlen, wie Sie
wollen, das ist eine richtige Maßnahme;


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


denn Sie sind die Genossen der Bosse. Sie sind diejeni-
gen, die nur an die Großunternehmen denken. Die Koali-
tion aus CDU/CSU und FDP denkt an den Mittelstand,
an den industriellen Mittelstand und an die Menschen,
die dort arbeiten. Darauf sind wir stolz.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Sie denken an alle, nur nicht an die Geringverdiener!)


Sie können hier so viel lügen, wie Sie wollen.


(Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)


Wenn Sie sagen, es seien Golfplätze von der Ökoumlage
befreit, dann sage ich Ihnen: Kein einziger Golfplatz in
Deutschland ist davon befreit. Es gibt einen Golfplatz,
der einen Antrag gestellt hat.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei!)


Es gibt aber keine Genehmigung. Diese Genehmigung
wird auch nicht erteilt werden. Das ist die Wahrheit zu
den Golfplätzen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Nach Ihren Kriterien würde sie erteilt werden!)


Die Hähnchen, von denen Sie reden und die hier ge-
gessen werden, kommen nicht alle nur aus Deutschland,
die kommen auch aus Polen, aus Frankreich. Auch die
kann man nämlich über die Grenze schicken. Deshalb
sind auch diese Unternehmen natürlich im internationa-
len Wettbewerb, auch wenn die Hähnchen hier in
Deutschland gegessen werden.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der deutsche Wetterdienst auch noch!)


Ihre Ausflüchte sollten darüber hinwegtäuschen, dass
Sie am Erneuerbare-Energien-Gesetz nichts ändern wol-
len. Deshalb sage ich Ihnen, was wir tun wollen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ankündigungsweltmeister!)


Wir wollen das EEG reformieren, und zwar so, dass die
Bürgerinnen und Bürger für jeden Euro, den sie für die
erneuerbaren Energien bezahlen, möglichst viel Strom
bekommen,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ihr seid doch schon drei Jahre dran! Macht doch mal!)


dass nicht nur die teuersten Technologien eine Markt-
chance haben, sondern auch die billigen Technologien.
Deshalb setzen wir uns stärker für die Direktvermark-
tung ein. Im Übrigen hält es die FDP-Bundestagsfrak-





Michael Kauch


(A) (C)



(D)(B)


tion für nötig, dass wir als Sofortmaßnahme die zusätzli-
chen Mittel, die der Bund aus der Mehrwertsteuer auf
die erhöhte Umlage erzielt, an die Bürgerinnen und Bür-
ger zurückgeben. Der Staat darf sich nicht dadurch be-
reichern, dass die EEG-Umlage steigt. Deshalb sind wir
dafür, über die Stromsteuer eine Absenkung herbeizu-
führen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Da muss ja demnächst der Sparkommissar auch nach Deutschland kommen!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719723400

Herr Kollege, das Wort „Lüge“ ist unparlamentarisch.

Hier im Hause findet dies ohnehin nicht statt, weil jeder,
der hier Aussagen trifft, immer davon ausgeht, dass
seine Argumente die richtigen sind und diese nach bes-
tem Wissen und Gewissen vorgebracht werden.

Auch bei größter Leidenschaft in der Debatte kann
ich die Verwendung dieses Wortes nicht akzeptieren. Ich
rüge deshalb Ihre Aussage.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als Nächste hat aus der Fraktion Die Linke unsere
Kollegin Eva Bulling-Schröter das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719723500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

halte die ganze Debatte für ein Medienspektakel. Ausge-
rechnet Union und FDP machen sich Sorgen um den
Strompreis.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Wer denn sonst?)


Ausgerechnet Sie wollen sozial sein.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Wir sind sozial!)


Da kann ich eigentlich nur lachen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Lachen Sie doch mal!)


Senkung der Rente, Leiharbeit, prekäre Beschäftigung,
Dumpinglöhne überall, auch bei mir in Bayern, wo ja an-
geblich alles so toll ist. Diese Parteien haben nichts mit
sozialem Bewusstsein am Hut.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Aber Sie! Aber Sie!)


Aber sie haben den Strompreis in die Höhe getrieben.
Dieser Preisanstieg stellt ein großes Problem dar.

Auch Rot-Grün hat seinerzeit kräftig daran gearbeitet,
die Lasten der Energiewende bei den Geringverdienern
und kleinen Unternehmen abzuladen. Dieser Hinweis ist
richtig. Aber die Koalition plagt nicht das soziale Gewis-
sen; vielmehr macht sie sich Sorgen um die fossil-ato-
mare Wirtschaft, um die „großen Vier“. Diese Unterneh-
men verlieren nämlich jeden Tag Marktanteile an die

Produzenten der erneuerbaren Energien. Das findet die
Koalition Mist, das soll ausgebremst werden. So schaut
es nämlich aus.

Fakt ist: Der Haushaltsstrompreis ist seit dem Jahr
2000 viermal so schnell gestiegen wie der Verbraucher-
preisindex. Eine vierköpfige Familie zahlt heute jährlich
inflationsbereinigt rund 260 Euro mehr als damals. Fakt
ist aber auch, dass die Umlage für die erneuerbaren
Energien daran nur einen Anteil von etwa 30 Prozent
hat. 30 Prozent – und selbst davon hat ein Viertel nichts
mit Ökostrom zu tun. Das muss man immer wieder beto-
nen.

Der übrige Strompreisanstieg resultiert vielmehr aus
einer Mischung aus Marktmacht, großzügigen Privile-
gien für die Industrie sowie Steuern. Diese Schieflage
begann tatsächlich bereits unter Rot-Grün. Die Öko-
steuer wurde seinerzeit mit der Absenkung der Renten-
beiträge verbunden, was vor allem den Beziehern hoher
Einkommen nutzte.

Parallel wurde die energieintensive Industrie vollstän-
dig von der Steuer befreit, der Rest der größeren Unter-
nehmen wurde über den Spitzenausgleich privilegiert.
Mit beiden Maßnahmen wurde eine einflussreiche
Lobby ruhiggestellt: Die Sozialdemokraten konnten bei
der großen Industrie punkten, die Grünen bei gut verdie-
nenden Akademikern. Arme Familien dagegen zahlen
bis heute drauf.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als die PDS damals den sozialen Ausgleich forderte,
welchen SPD und Grüne versprochen hatten – ich war
damals hier im Bundestag –, wurde sie von beiden als
„Ökobremser“ beschimpft. Daran kann ich mich noch
erinnern.

Die Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage sind
nun einmal ein Werk von Jürgen Trittin und Sigmar
Gabriel. Auch die kostenlose Vergabe der CO2-Emis-
sionsrechte wurde damals eingefädelt. Dadurch gehen
den Haushalten Milliarden Euro verloren – die Kosten
werden nämlich eingepreist, obwohl die Unternehmen
noch gar nichts bezahlen –, während sich die Energie-
versorger dumm und dämlich verdienen. Und wer be-
zahlt? Natürlich die Haushaltskunden.

Schwarz-Gelb hat nun die Befreiung der Industrie
von der EEG-Umlage weiter vorangetrieben. Heute gab
es wieder eine Anhörung zur Ökosteuer. Sie können es
doch nicht leugnen: Sie machen mit den Befreiungen
weiter. Hinzu kommen Ermäßigungen bei Netzentgelten.
Zudem wird die Industrie noch bis 2020 beim Emis-
sionshandel beschenkt. Auch das können Sie nicht leug-
nen.

Ich sage: Das alles muss ein Ende haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Es kann nicht sein, dass vor allem jene die Energie-
wende bezahlen, die jeden Monat neu rechnen müssen,
wie sie über die Runden kommen. Fragen Sie doch end-
lich einmal die Leute!





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)


Wir Linken wollen die Energiewende mit einem Sie-
ben-Punkte-Programm sozial gestalten. Wir haben dazu
Vorschläge: Die Privilegien sollen abgebaut werden. Zu-
dem fordern wir eine effektive Strompreisaufsicht, eine
wirkliche Aufsicht, die auch einmal Nein sagt, und die
Reduzierung der wirkungslosen Stromsteuern; denn das
EEG ist das Lenkungsinstrument für die Energiewende,
und dieses gilt es zu schützen und zu bewahren.


(Beifall bei der LINKEN)


Katja Kipping hat schon im Sommer eine Abwrackprä-
mie für Energiefresser vorgeschlagen; wir freuen uns,
dass die Grünen sie jetzt auch vorschlagen. Daneben
müssen Stromsperren verboten werden. 600 000 bis
900 000 Haushalten wird einfach der Strom abgestellt.
Dies betrifft auch Mütter mit kleinen Kindern. Das ist
absolut asozial. Da muss etwas passieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Nicht zuletzt wollen wir mit unserem Sockelmodell
beim Strompreis den Energieverbrauch nicht nur sozial
gerechter, sondern auch ökologischer gestalten.

Es muss endlich etwas getan werden. Das ist sozial,
und nicht das, was Sie wollen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719723600

Vielen Dank, Frau Kollegin Eva Bulling-Schröter. –

Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen ist unsere Kollegin Frau Bärbel Höhn. Bitte schön,
Frau Kollegin Bärbel Höhn.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719723700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

hatte heute Mittag eine Diskussion bei der Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft zum Thema „Rettet die
Energiewende“. Dieselbe Initiative – diejenigen, die ab
und zu S- und U-Bahn fahren, haben es wahrscheinlich
schon mitbekommen – startet momentan für viel Geld
eine große Kampagne und klebt Plakate zum Stopp des
EEG, also zum Stopp des Herzstücks der Energiewende.
Da gibt es viel Heuchelei. Das, was wir heute vonseiten
der Koalition erleben, ist auch nicht viel besser.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch CDU/CSU und FDP haben in ihrer Mehrheit
die Energiewende nicht gewollt. Sie wollten Laufzeit-
verlängerungen für Atomkraftwerke und haben sie auch
durchgesetzt. Erst die Katastrophe von Fukushima hat
Sie zum Kurswechsel gezwungen. Jetzt bekennen Sie
sich zur Energiewende; aber den Ausbau der erneuerba-
ren Energien wollen Sie abbremsen. Das geht nicht zu-
sammen, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Johanna Voß [DIE LINKE])


Sie sagen, der Ausbau sei zu teuer; aber die Kosten
haben Sie selbst durch Ihre Politik systematisch in die
Höhe getrieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das, was Sie hier treiben, ist ein doppeltes Spiel, und da-
mit kommen Sie nicht durch.


(Patrick Döring [FDP]: Sie haben sich doch gegen die Absenkung der EEG-Sätze gewehrt!)


Fakt ist: 2009, als die schwarz-gelbe Koalition ins Amt
kam, lag die EEG-Umlage knapp über 1 Cent; heute ist
sie fünfmal so hoch und beträgt 5,3 Cent.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Und wir sollen es gewesen sein!)


Die Verantwortung dafür können Sie nicht auf andere
schieben, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Natürlich hat der Anstieg der EEG-Umlage auch eine
Menge mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu
tun; Investitionen in die Zukunft kosten Geld. Aber die
Bundesregierung hat den Ausbau unnötig teurer ge-
macht: 1 Cent der EEG-Umlage und der Netzdurchlei-
tungsgebühren geht auf Geschenke an die Industrie zu-
rück, die in der Regierungszeit von Angela Merkel
verteilt wurden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: Das ist falsch! Nein!)


– Ich komme dazu. – Verbraucher und Mittelstand zah-
len deshalb fast 4 Milliarden Euro mehr als nötig.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Das ist der Merkel-Mehrpreis der Energiewende, und
diesen Merkel-Zuschlag wollen wir abschaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie uns das einmal durchgehen. Wie ist denn
dieser Merkel-Zuschlag zustande gekommen? Angefan-
gen hat es mit Wirtschaftsminister Glos, der in der Gro-
ßen Koalition die Aufnahme neuer Industriesubventio-
nen in das EEG durchdrückte. Seine Klientelpolitik
kostet die Verbraucher heute 1 Milliarde Euro im Jahr.
Philipp Rösler war da nicht besser: Er setzte im
EEG 2012 eine weitere Ausweitung der Ausnahmen für
die Industrie durch. Das Ergebnis ist: Statt der 250 privi-
legierten Unternehmen, die es 2005, am Ende der Regie-
rungszeit von Rot-Grün, gab, haben wir mittlerweile
über 700,


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Nicht nur Konzerne, sondern auch der Mittelstand!)






Bärbel Höhn


(A) (C)



(D)(B)


darunter sind Schlachthöfe, Zuckerbäcker, Futtermittel-
hersteller und der Flughafen von Stuttgart. Für das
nächste Jahr, für 2013, gibt es mehr als 2 000 Anträge.


(Klaus Breil [FDP]: Das sind Anträge!)


Das ist ein ungerechtes Ergebnis Ihrer Politik, nicht der
Politik von Rot-Grün.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Fast alle dieser Anträge entsprechen den Kriterien
und werden deshalb genehmigt werden müssen.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr!)


Das gilt auch für die Anträge zu Netzentgelten der bei-
den Golfplätze, die Sie hier herunterzuspielen versu-
chen. Diese Anträge erfüllen die Kriterien, die Sie selber
aufgestellt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr zu Guttenberg hat die Netzentgelte für die Groß-
industrie 2009 abgesenkt, und Herr Brüderle hat sie 2011
ganz abgeschafft. Mehrkosten für die Verbraucher:
500 Millionen Euro. Herr Röttgen hat das EEG mit der
teuren und ineffizienten Marktprämie befrachtet.

Auch Herr Altmaier ist nicht besser; denn die weitere
Verteuerung aufgrund der Liquiditätsreserve im Rahmen
der EEG-Umlage wird von den Verbrauchern gezahlt
werden. Die ganze schwarz-gelbe Bundesregierung hat
mitgemacht, die Kosten für Verbraucher und gerade für
den Mittelstand, für die kleinen und mittelständischen
Betriebe,


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Die wir entlasten!)


in die Höhe zu treiben. Jetzt vergießen Sie Krokodilsträ-
nen wegen der steigenden EEG-Umlage. Das glaubt
Ihnen niemand, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir Grüne wollen den Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien zu fairen Kosten fortführen. Deshalb wollen wir
erstens den Merkel-Zuschlag abschaffen und die Indus-
trieprivilegien auf schutzbedürftige Unternehmen be-
schränken, also auf diejenigen, die im internationalen
Wettbewerb stehen und bei denen Arbeitsplätze wegfal-
len könnten. Zweitens gehören alle Vergütungssätze und
Boni im EEG auf den Prüfstand, und drittens brauchen
wir ein neues Marktdesign für den Strommarkt, damit
immer mehr erneuerbare Energien auch außerhalb des
EEG ihren Platz finden.

„Rettet die Energiewende“ ist eigentlich ein gutes
Motto. Aber dafür müssen wir das EEG weiterent-
wickeln und dürfen es nicht abschaffen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür müssen wir die erneuerbaren Energien kosten-
günstig ausbauen und dürfen sie nicht ausbremsen. Und
wir müssen die Energiewende fair und nicht einseitig zu-
lasten der Verbraucher und zulasten der kleinen und mit-
telständischen Betriebe finanzieren.

Deswegen werden wir auch an diesem Punkt nachha-
ken. Wir werden Sie treiben, damit Sie das tun, was
Angela Merkel schon gestern verkündet hat: Sie will
diese ungerechten Ausnahmen überprüfen, weil wir sie
aufgedeckt haben und Sie letzten Endes damit getrieben
haben.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Horst Meierhofer [FDP]: Gut, dass wir Sie haben, Frau Höhn!)


Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: So was Aufgeblasenes!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719723800

Vielen Dank, Frau Kollegin Bärbel Höhn. – Nächster

Redner ist für die Bundesregierung Herr Bundesminister
Peter Altmaier. Bitte schön, Herr Bundesminister Peter
Altmaier.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Werte Frau Kollegin Bärbel Höhn, ich habe den
Eindruck,


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sie recht hat, hat sie recht!)


dass Sie mit Ihrer Rede die Energiewende nicht verteidi-
gen, sondern schlechtreden wollten. Bei allen Fehlern
und Schwächen, die es gibt: Das hat die Energiewende
nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren,
sollten wir uns gemeinsam daran erinnern, dass wir diese
Energiewende hier an dieser Stelle vor anderthalb Jahren


(Rolf Hempelmann [SPD]: Vor zwölf Jahren!)


gemeinsam beschlossen haben.


(Zuruf von der SPD: Gegen Ihre Stimme, Herr Altmaier!)


Es stimmt, dass wir damals bei der Frage der Laufzeiten
für Kernkraftwerke unterschiedliche Auffassungen hat-
ten, aber es stimmt auch, dass wir gemeinsam für den
Ausbau und die Förderung von erneuerbaren Energien
eingetreten sind. Das war seit den Zeiten von Peter
Harry Carstensen und Dietrich Austermann ein partei-
übergreifender Konsens in diesem Haus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Bundesminister Peter Altmaier


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben das Erneuerbare-Energien-Konzept im Jahre
2010 beschlossen. Wir haben es die ganzen Jahre ge-
meinsam getragen.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Frau Höhn, wir sollten das, was wir gemeinsam
erreicht haben, nicht schlechtreden.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber sehr widersprüchlich!)


Ich komme viel herum im Land, und ich rede mit den
Menschen. Das, was insbesondere Ihr Fraktionsvorsit-
zender Trittin, aber auch andere Vertreter von Bünd-
nis 90/Die Grünen und auch – es tut mir leid, es zu sagen –
von der SPD in den letzten Tagen zum Thema „Ausnah-
meregelungen für die Industrie“ an falschen, an unrichti-
gen Behauptungen,


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht falsch!)


an Unterstellungen verbreitet haben, hat der Akzeptanz
dieser Energiewende mehr geschadet als alle Kampag-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich will Ihnen eines sagen:


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, an welcher Stelle das falsch war!)


Man kann doch möglicherweise jenseits Ihrer unzutref-
fenden Behauptungen etwa im Hinblick auf Golfplätze
und anderes über einzelne Anträge, die vielleicht abge-
lehnt werden, und über einzelne Anträge, die vielleicht
sogar genehmigt werden, durchaus mit Argumenten
streiten. Aber Sie wissen doch selbst: Wenn man die
möglichen Missbrauchsfälle tatsächlich identifiziert und
abstellt – und ich habe gesagt, dass ich das prüfen
werde –, dann wird die EEG-Umlage weder wesentlich
sinken noch wesentlich steigen.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Sie wird im Wesentlichen gleich bleiben.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um 1 Cent sinken!)


Das ist die Situation. Das müssen Sie den Menschen
sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie wissen doch ganz genau: Auch wenn wir sämtli-
che Ausnahmeregelungen für energieintensive Unter-
nehmen streichen würden, würde die EEG-Umlage zum
1. Januar 2013 steigen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das fordert keiner!)


Daran zeigt sich doch der Erfolg des Ausbaus des Be-
reichs der erneuerbaren Energien. Das zeigt doch, was
erreicht worden ist.

Wir sollten uns auch darüber klar werden, dass wir
ein Interesse daran haben, den Konsens aufrechtzuerhal-
ten, der seit dem Jahr 2000 zwischen uns allen herrscht:


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? 2000? Sie waren doch immer dagegen!)


Wir sollten die Energiewende so gestalten, dass der
Wirtschaftsstandort Deutschland dadurch nicht schwä-
cher, sondern stärker wird und wir die Grundstoffindus-
trien in Deutschland halten können. Dieser Konsens
muss Bestand haben und darf in diesem Hohen Hause
nicht infrage gestellt werden, von niemandem.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Frau Höhn, ich hätte mir gewünscht, dass in
dieser Debatte ein Stück weit Gemeinsamkeiten deutlich
geworden wären.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach der Überschrift? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach der Überschrift? Da müssen Sie ja selber lachen!)


Sie haben uns vorgeworfen, wir würden den Ausbau des
Bereichs der erneuerbaren Energien bremsen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie ja auch!)


Was für ein Unsinn! Liebe Frau Höhn, wir haben im
Sommer eine deutliche und regelmäßige Absenkung,
eine Degression der Einspeisevergütung für Photovolta-
ikanlagen beschlossen, um das Ausbautempo wieder zu
dem ursprünglich vorgesehenen Korridor zurückzubrin-
gen. Wir haben auch beschlossen, dass die Einspeisever-
gütung generell ausläuft, wenn eine Gesamtleistung von
52 Gigawatt erreicht ist. Diesen Beschluss haben wir ge-
meinsam mit den Stimmen aller Vertreter der Grünen in
Bundesrat und Bundestag gefasst. Wenn Sie uns jetzt
vorwerfen, dass wir den Ausbau im Bereich der Photo-
voltaik bremsen,


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gar nicht gesagt! Vielleicht hören Sie einmal zu, was ich sage!)


obwohl Sie diese Beschlüsse mitgetragen haben, weil
Sie wussten, dass sie richtig sind, dann ist das intellektu-
ell unredlich. Das lassen wir Ihnen in dieser Debatte
nicht durchgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Seit der Zeit der schwarz-grünen Pizza-Connection
habe ich ein sehr großes Herz für meine grünen Freunde.
Vieles von dem, worüber wir damals gemeinsam disku-
tiert haben, haben wir erreicht. Peter Harry Carstensen
war einer der Ersten, die erkannt haben, welches Poten-
zial in den erneuerbaren Energien steckt. Bei Ihnen und
uns gab es einige, die das erkannt haben, aber wir waren
in der Minderheit. Wir haben zwar viel erreicht, aber wir
müssen uns die Frage stellen, ob wir unsere Argumente
wirklich alle paar Wochen ändern wollen.





Bundesminister Peter Altmaier


(A) (C)



(D)(B)


Lieber Herr Kollege Hempelmann, das, was Sie zum
Thema Offshorewindenergie gesagt haben, hat mich sehr
betroffen gemacht.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das war ja auch beabsichtigt!)


Wissen Sie, alle Regierungen seit der rot-grünen Koali-
tion haben gesagt – das gilt für die Große Koalition und
die jetzige Koalition –, dass wir den Bereich Off-
shorewindenergie entwickeln wollen. Das haben wir alle
miteinander gesagt. In Norddeutschland sind mit Blick
auf den Ausbau des Bereichs der Offshorewindenergie
inzwischen Tausende von Arbeitsplätzen in Küstennähe
entstanden. Ein neuer Hafen wurde gebaut. Es wurden
Firmen gegründet, die sich dort angesiedelt haben. Zehn-
tausende Menschen arbeiten in diesem Bereich.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die gefährden Sie!)


Darf ich Ihre Aussagen so verstehen, dass Sie uns ein-
laden, gegen die Nutzung der Offshorewindenergie zu
arbeiten, und Sie diese Arbeitsplätze aufs Spiel setzen
wollen?


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ich möchte, dass Sie das vernünftig machen!)


Denken Sie daran, dass der Erfolg dieser Initiativen da-
von abhängt, dass der Konsens Bestand hat. Das, was
wir gemacht haben, ist im Prinzip richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Ja, aber nicht, wie Sie das machen! Sie provozieren Haftungstatbestände!)


– Lieber Herr Hempelmann, ich kann es doch nicht än-
dern. Im Sommer befand sich dieses Projekt in keiner
guten Verfassung.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ja!)


Dafür ist nicht irgendeine Regierung verantwortlich,
sondern das ist Folge der Tatsache, dass viele die
Schwierigkeiten und Herausforderungen, die mit diesem
Projekt in finanzieller, technologischer und anderer Hin-
sicht verbunden sind, unterschätzt haben.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben es unterschätzt! Seien Sie doch ehrlich! Beziehen Sie doch nicht alle anderen ein!)


In so einer Situation muss die Regierung handeln.

Jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt: Wir
haben im Jahre 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz
verabschiedet.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Wir“? Sie waren dagegen!)


– Dieser Bundestag hat es verabschiedet.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit rot-grüner Mehrheit!)


Dieses Gesetz ist inzwischen seit rund zwölf Jahren in
Kraft. Alle Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen

haben, das Problem, dass der Netzausbau nicht nach-
kommt, alle Probleme im Hinblick auf die Frage, wie
man die erneuerbaren Energien speicherungsfähig ma-
chen kann, alle Probleme, die damit zusammenhängen,
dass wir für ein vernünftiges Ausbautempo sorgen müs-
sen, und die Probleme zwischen Nord und Süd und Ost
und West, die gelöst werden müssen, all diese Probleme
hätten Sie in den neun Jahren, in denen Herr Trittin und
Herr Gabriel Umweltminister waren, klären können.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Nein!)


Ich habe in meinem Ministerium die Aktenschränke
durchwühlt. Ich habe kein einziges Konzept aus der Zeit
Ihrer Regierungsverantwortung gefunden, das aufzeigt,
wie man diese Energiewende vernünftig umsetzt und zu
einem Erfolg macht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Ihre Laufzeitverlängerung hat das unmöglich gemacht!)


Ich glaube, in den letzten Wochen ist deutlich gewor-
den, dass alle in diesem Haus die Energiewende wollen
und für ihren Erfolg arbeiten. Ich halte daran fest: Wir
können gemeinsam einen Konsens erreichen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Den haben wir vor anderthalb Jahren schon vorgeschlagen!)


Dazu gehört, dass die Energiewende in einem vernünfti-
gen Tempo vorangetrieben wird, dass sie mit dem Aus-
bau der Netze abgestimmt wird, dass wir neue technolo-
gische Möglichkeiten entwickeln und dass wir dafür
sorgen, dass es öffentliche Akzeptanz gibt. Ich möchte
Sie herzlich einladen, daran mitzuwirken. Mäßigen Sie
sich etwas in Ihrer Rhetorik,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die Aktuelle Stunde war von Ihnen aufgesetzt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie nicht solche Überschriften!)


und verstärken Sie Ihre Anstrengungen in der Sache.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719723900

Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Red-

ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozial-
demokraten unser Kollege Matthias Miersch. Bitte
schön, Kollege Matthias Miersch.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1719724000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Minister, man fragt sich, wer sich hier mä-
ßigen muss. Wenn im Jahr 2012 von der Regierungs-
koalition eine Aktuelle Stunde mit einem solchen Titel
beantragt wird, dann, glaube ich, ist das angesichts der
seit Monaten bekannten Problematik eine Bankrotterklä-
rung der Regierung und der Koalition.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)






Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)


Lieber Herr Minister Altmaier, Sie sind es, der hier
und heute einmal hätte sagen können, was Sie vorhaben.
Sie sind für vier Jahre gewählt worden, um unter ande-
rem die Energiepolitik zu gestalten. Was hören wir?
Nichts, nichts und wieder nichts.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Hören Sie doch mal zu!)


Frau Dött fleht uns in dieser Aktuellen Stunde an, Vor-
schläge zu machen. Ich frage Sie: Wo sind Ihre Vor-
schläge als Regierung der Bundesrepublik Deutschland?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Probleme sind seit Monaten bekannt. Das, was
Sie bei der Befreiung energieintensiver Unternehmen
von der EEG-Umlage angerichtet haben, war keine
Reform des Gesetzes, sondern die Deformierung einer
guten Absicht von Rot-Grün.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist nicht der rote, sondern der schwarz-gelbe Faden,
der sich durch diese Legislaturperiode zieht. Sie haben
keine Linie in der Energiepolitik. Sie haben keinen Plan
in der Energiepolitik.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die wollen ganz etwas anderes!)


Sie wissen gar nicht, wohin Sie wollen, und ich unter-
stelle sogar einem Teil dieses Hauses, dass insgeheim
gehofft wird, dass die Energiewende scheitert, damit
sich das alte Denken, das sich noch in einigen Köpfen
hier befindet, wieder durchsetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE] – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Energiepolitik war immer eine Frage der politischen
Gestaltung in der Bundesrepublik Deutschland. Die
Energieerzeugung mit Kohle, Gas und Atom war nie bil-
lig, war nie sozial adäquat, sondern sie wurde sozial ad-
äquat und ökonomisch sinnvoll gestaltet. Wir könnten
auch die Energiewende ökonomisch und sozial gerecht
gestalten. Aber dazu muss man handeln, und da haben
Sie nichts zu bieten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Rolf Hempelmann [SPD]: Aber ankündigen können sie gut!)


Wir sind nun in der Situation – die Vorlagen sind da;
Sie kennen sie –, dass durch Ihre Gesetzesänderung eine
exorbitante, inflationäre Befreiung der energieintensiven
Unternehmen und auch solcher Unternehmen, die es
nicht sind, stattgefunden hat.


(Patrick Döring [FDP]: Abwegig!)


Herr Kauch, dafür zahlen müssen die Mittelständler, von
denen Sie sprechen, und die Verbraucherinnen und Ver-
braucher. Sie leiden unter Ihren Fehlschüssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das feststellen – das können wir, glaube ich,
alle unisono feststellen –, dann frage ich Sie: Wann än-
dern wir diesen Zustand? Herr Döring, beantworten Sie
mir einmal diese Frage. Wann machen Sie diesen kolos-
salen Fehler – er ist nachlesbar – rückgängig? Wann
beenden Sie diese Privilegierung von Unternehmen, die
nicht im internationalen Wettbewerb stehen und die
eigentlich nicht in diesen Topf gehören? Herr Döring,
Sie haben gleich die Möglichkeit, darauf zu antworten;
Sie reden ja nach mir. Ich hoffe, dass Sie nicht in irgend-
welche Prüfungsrunden verfallen. Sie hatten Monate
Zeit, sich mit diesem Tatbestand zu beschäftigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Wie bereit Sie dazu sind, werden wir dann sehen!)


Es geht um politische Gestaltung, Herr Minister. Da
bitte ich Sie doch sehr, nicht bei RWE anzuklopfen und
zu fragen: Könntet ihr mal? Das ist, wie gesagt, eine
Frage der politischen Gestaltung. Vor dem Hintergrund
der Strompreisgestaltung – ich wende mich jetzt von den
Privilegierungstatbeständen ab – frage ich Sie: Warum
geben die Stromkonzerne die gesunkenen Großhandels-
preise momentan wohl nicht an die Verbraucherinnen
und Verbraucher weiter? Wäre es nicht an der Zeit, da-
mit aufzuhören, „Bitte, bitte!“ zu machen? Sollte man
nicht endlich Pflöcke einschlagen, politisch steuern, wie
die Energiepreise entstehen, und Fehlentwicklungen ent-
gegentreten? Das ist Ihre Aufgabe als Bundesumweltmi-
nister. Es ist aber nicht Ihre Aufgabe, bei den Stromkon-
zernen „Bitte, bitte!“ zu machen, meine sehr verehrten
Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich komme zu einem weiteren Gesichtspunkt, den ich
in die Diskussion einbringen will. Frau Dött, Sie haben
Vorschläge verlangt.


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ja! Machen Sie mal!)


Wie ist das eigentlich? Ist es gerechtfertigt, dass Strom-
konzerne Zertifikate, die sie frei zugeteilt bekommen ha-
ben, bei der Strompreisbildung so behandeln, als hätten
sie dafür bezahlen müssen?


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber das hat doch Herr Trittin eingeführt! – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie wissen doch, warum das so ist!)


– Verweisen Sie nicht auf Trittin, auf Helmut Schmidt
oder auf Helmut Kohl! Sie sind diejenigen, die jetzt steu-
ern können, liebe Kolleginnen und Kollegen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]: Auch wenn man Rechtsanwalt ist, sollte man die Wahrheit sagen, Herr Kollege!)






Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)


Warum setzen wir uns nicht heute oder morgen zu-
sammen und beraten, wie diese Dinge geändert werden
können und wie politisch gesteuert werden kann? Das
wäre jetzt angebracht. Dann könnten wir die Energie-
wende sozial gerecht und ökonomisch sinnvoll gestalten.
Aber dazu sind Sie nicht in der Lage. Insofern hoffe ich,
dass Ihre Regierungszeit bald vorbei ist.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719724100

Vielen Dank, Kollege Matthias Miersch. – Nächster

Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege
Patrick Döring. Bitte schön, Kollege Patrick Döring.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Oh! Jetzt kommt die geballte Fachkenntnis!)



Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1719724200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! All denjenigen in diesem Haus, die von
Rot und Grün gesprochen haben, sage ich: Geldverbren-
nung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Form
der regenerativen Energieerzeugung; das nur zur Erinne-
rung.


(Heiterkeit bei der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha, ha, ha! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja witzig! – Rolf Hempelmann [SPD]: Da sprüht ja einer vor Fachkenntnissen!)


Zu den Steigerungen bei der EEG-Umlage kommt es,
weil Sie vor zwölf Jahren


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


eine Fördersystematik etabliert haben, die da lautet: Wir
versprechen den Menschen, die in diese Erzeugungsfor-
men investieren, für 20 Jahre feste Vergütungssätze. –
Das ist die Lizenz zum Gelddrucken,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Nee, nee, nee!)


die brutalste Umverteilung von unten nach oben, die es
unter rot-grünen Regierungen je gegeben hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Ach! Das glauben Sie doch nicht mal selbst!)


Im vergangenen Jahr – das führe ich einmal aus – sind
allein die Zusagen für den Bereich der Photovoltaik um
5 Milliarden Euro gestiegen, und dies sogar garantiert
für eine Dauer von 20 Jahren. Diese 100 Milliarden
Euro, die zulasten der deutschen Stromkunden gehen,
verdanken wir Ihrer Systematik und Ihrer Verweige-
rungshaltung, wenn es darum geht, diese Systematik in-
frage zu stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Der größte Teil davon fällt doch in Ihre Regierungszeit! Lächerlich, was Sie da sagen! – Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben hier seit drei Jahren Mehrheiten!)


Sie haben bei der Frage, wie wir das EEG reformieren
können, verzögert und blockiert.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wann?)


Sie waren nicht bereit, die Vergütungssätze abzusenken,
als es nötig war.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wann?)


Sie haben bei der letzten Novelle viel, viel Zeit ins Land
gehen lassen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Welcher Punkt hat sich denn verzögert?)


Sie haben viel Zeit ins Land gehen lassen, um so dafür
zu sorgen, dass in Deutschland ein unkontrollierter Zu-
bau stattfindet – zulasten der normalen Stromkunden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Davon wollen Sie jetzt ablenken. Das lassen wir Ihnen
aber nicht durchgehen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie sagen bewusst die Unwahrheit!)


Interessant sind die Vorschläge, die man dieser Tage
hört. Da sagt die Energie- und Umweltministerin des
Landes Rheinland-Pfalz, Frau Lemke – in Klammern:
Bündnis 90/Die Grünen –: Wenn die Leute mit dieser
Strompreissteigerung nicht zurechtkommen, sollten sie
seltener Licht anmachen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat eigentlich Ihr Umweltminister Herr Altmaier dazu gesagt? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was sagt Herr Altmaier dazu? – Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist Ihre Strompreissteigerung! Ihre Steigerung!)


Man kann sich das sehr schnell ausrechnen: Will ein nor-
maler Haushalt diese Strompreissteigerung kompensie-
ren, indem er weniger elektrische Energie verbraucht,
darf er acht handelsübliche Glühbirnen fünf Stunden am
Tag nicht anknipsen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist Ihre Strompreissteigerung!)


Wenn man Ihren Ratschlägen folgt, dann sitzt man im
Dunkeln, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das
ist die Politik, die Sie machen wollen. Wir wollen sie
aber nicht, weil wir an die Menschen in Deutschland
denken.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde es spannend, wie der Kollege Miersch ge-
rade argumentiert hat. Dazu kann ich nur sagen: Ich
würde gerne wissen, ob Sie sich an den Werkstoren der
87 Unternehmen der chemischen Industrie, die derzeit
von der EEG-Umlage befreit sind, dafür einsetzen wür-





Patrick Döring


(A) (C)



(D)(B)


den, die Arbeitsplätze in diesen Unternehmen zu gefähr-
den. Dann will ich einmal sehen, welche Papierfabriken
bald von Sozialdemokraten aufgesucht werden, um den
Arbeitnehmern zu sagen, dass deren Arbeitsplatz in Ge-
fahr ist.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Von Papierfabriken haben wir nicht gesprochen!)


Das ist ein Punkt, der einfach unredlich ist. Von den
734 derzeit von der EEG-Umlage befreiten Unterneh-
men betreibt kein einziges einen Golfplatz, betreibt kein
einziges einen Flughafen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Reden Sie mal über die anderen Unternehmen! Reden Sie mal über Ihre Hotels!)


Dies hier zu behaupten, ist ein starkes Stück. Sie wollen
diese Ausnahmen in Wahrheit nicht. Mit Ihrer Politik ge-
fährden Sie bis zu 900 000 Arbeitsplätze. Wenn man so
wie Sie argumentiert, dann muss man auch den nötigen
Mut haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dann will ich einmal den Kollegen Miersch sehen.
Wegen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sollte
die Sozialdemokratie in 51 Großstädten Deutschlands
sofort die Befreiung der Straßenbahn- und Schienen-
bahnunternehmen von der EEG-Umlage einfordern, weil
natürlich keines dieser Unternehmen dem internationa-
len Wettbewerb ausgesetzt ist.


(Beifall bei der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Das haben Sie immerhin gemerkt!)


Trotzdem ist es richtig, diese Unternehmen von dieser
Umlage zu befreien, damit auch die einfachen Leute
weiterhin den Nahverkehr nutzen können. Wenn Sie den
Nahverkehr in Deutschland flächendeckend teuer ma-
chen wollen, dann müssen Sie es hier auch sagen und
nicht immer mit Exotenbeispielen kommen. Sie stellen
die Energiewende infrage, nicht wir.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Insofern ist es schon bemerkenswert, wenn immer
wieder der Eindruck erweckt wird, diejenigen, die sich
redlich dafür einsetzen,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rolf Hempelmann [SPD]: „Redlich“? Dass ich nicht lache!)


Marktwirtschaft in dieses System zu bringen – Markt-
wirtschaft heißt keine festen Preise; Marktwirtschaft
heißt, das Geld am Markt zu verdienen –, diejenigen, die
wie wir das EEG mit degressiven Fördersätzen, mit rea-
listischen Ausbauzielen schnell reformieren wollen,
seien die Bremser der Energiewende. Ihre Politik führt
dazu, dass Strom unbezahlbar wird. Das lassen wir Ihnen
nicht durchgehen. Darum werden wir für eine schnelle
Reform des EEG sorgen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Ach, da bin ich aber gespannt! Die einen sagen so, und die anderen sagen so!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719724300

Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die

Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Thomas Bareiß.
Bitte schön, Kollege Thomas Bareiß.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1719724400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meines
Beitrags in Erinnerung rufen, auf welchem fachlichen
Niveau sich die Grünen in den letzten Tagen wieder ein-
mal in die Energiewende eingeschaltet haben. Herr Fell
– er ist heute ebenfalls hier – schrieb auf seiner Home-
page: „Erneuerbare Energien weisen weniger externe
Kosten auf als fossile und nukleare Energien.“


(Lachen bei der CDU/CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kretschmann, mein neuer Ministerpräsident in
Baden-Württemberg, sagt: „Die Sonne schickt uns keine
Rechnung …“


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Genau!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie versuchen,
bei den Menschen den Eindruck zu erwecken, dass er-
neuerbare Energien keine Mehrkosten verursachen. Sie
zerstören in dieser Energiedebatte unglaublich viel Ver-
trauen und Glaubwürdigkeit. Wenn einmal über höhere
Kosten gesprochen wird, dann führen Sie hier in Deutsch-
land eine Verteilungsdebatte. So schaffen Sie kein Ver-
trauen in die Energiewende, keine Glaubwürdigkeit.
Wenn Sie so weitermachen, werden wir Stück für Stück
die Akzeptanz und die Bereitschaft für die Energie-
wende in Deutschland verlieren. Das ist Ihre Schuld,
nicht unsere.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch die Auflagen! Deshalb wird es teurer!)


Wir versuchen, die Energiewende engagiert voranzu-
treiben. Wir haben im Sommer 2011 den Ausstieg aus
der Kernenergie beschlossen. Aber im Gegensatz zu
dem, was Sie vor zehn Jahren gemacht haben, haben wir
den Einstieg in das regenerative Zeitalter vollführt.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Dann haben Sie zehn Jahre verhindert durch Ihre Ankündigung einer Laufzeitverlängerung!)


Wir haben beschlossen, dass wir in die Energieeffi-
zienz einsteigen. Wir haben sieben Energiepakete auf
den Weg gebracht, und wir sagen, wo wir einsteigen –
was Sie nicht geschafft haben.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind noch besser!)






Thomas Bareiß


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben Gesetze zum Ausbau von Netzen in
Deutschland verabschiedet. Wir haben die Speicherka-
pazität ausgebaut und werden sie im nächsten Jahr wei-
ter ausbauen. Wir haben die Speicherförderung mit ins
Leben gerufen. Wir haben Energieforschung betrieben,
und zwar in einem Maße, wie es keine Bundesregierung
vor uns gemacht hat. Wir haben Intensivierungen im Be-
reich der Energieeffizienz vorgenommen. Wir haben den
Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vorangetrieben.
Wir haben die nachhaltige Finanzierung durch den
Klima- und Energiefonds auf den Weg gebracht, und wir
haben den Einstieg in die Wettbewerbsfähigkeit erneuer-
barer Energien ebenfalls mit auf den Weg gebracht. Das
sind alles Punkte, die wir in den letzten zwölf Monaten
gemeinsam bewältigt haben.

Sie haben in sieben Jahren Rot-Grün nichts getan für
den Einstieg.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: EEG war der Einstieg!)


Sie haben die Energiewende verschleppt und sie damit
auch ein Stück weit verteuert. Das ist ein Problem, an
dem wir heute zu schleppen haben. Jetzt müssen wir die
Energiewende umso schneller gestalten.

Ich möchte ganz klar sagen, wo die Gründe dafür lie-
gen, dass die erneuerbaren Energien so teuer geworden
sind, warum der Umbau so teuer wird: Die Grünen ma-
chen die erneuerbaren Energien immer teurer.

Beispiel Netzausbau. Sie fordern vor Ort immer nur
die Erdverkabelung.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind Ihre Bürgermeister, die das überall fordern! Kommen Sie mal nach Nordrhein-Westfalen! Es sind die ganzen Schwarzen, die das immer wieder fordern!)


Das kostet vier- bis sechsmal mehr als Überlandleitun-
gen. Sie fordern immer größere Abstände zu Siedlungs-
flächen. Auch das würde ein Mehrfaches kosten.

Beispiel Offshorewindparks. Alle Anträge der letzten
Monate zum Bereich Offshore gehen in Richtung Ver-
teuerung; ein Thema ist beispielsweise die Schweinswal-
population, die Sie immer ansprechen, die Ihnen ja so
enorm wichtig ist. Jede Windfarm wird 6 bis 8 Millionen
Euro teurer werden, wenn es nach den Anträgen geht,
die Sie die letzten Monate gestellt haben.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Zum Beispiel wurde die Verbraucherhaftung beschlossen! Das ist doch lächerlich!)


Beispiel Biogas. Wir brauchen den Energieträger Bio-
gas. Jetzt wird über Flächenkonkurrenz diskutiert. Sie
sollten mit uns gemeinsam dafür sorgen, dass mehr Bio-
gasanlagen entstehen, dass für die Energiewende ver-
stärkt Biomasse eingesetzt wird. Stattdessen gehen Sie
nach Brüssel und versuchen, die Flächenstilllegung vo-
ranzubringen und in Deutschland 700 000 Hektar stillzu-
legen. Auch damit machen Sie die Energiewende teurer.

Beispiel Wasserkraft. Die Wasserkraft kann einen
kostbaren Beitrag zur Energiewende leisten. Wo immer

Sie vor Ort Verantwortung übernehmen, wird eine Nut-
zung der Wasserkraft verhindert. Wasserschutzgesetze,
Fischschutzgesetze, Fischtreppen: alles Punkte, durch
die die Wasserkraft teurer und teurer gemacht wird.

Bei Kohle- und Gaskraftwerken ist es ebenso: Vor Ort
treiben Sie die Kosten in die Höhe. Dadurch wird die
Energiewende Stück für Stück teurer.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das sind eure Kosten, die jetzt zu Buche schlagen, nicht unsere! Das ist eure Erhöhung!)


Wenn wir all diese Kosten aufsummieren würden,
würden wir sehen, dass die Energiewende ohne Pro-
bleme ein Stück weit bezahlbarer gemacht werden
könnte. Dadurch ließe sich mehr einsparen als durch
eine stärkere Belastung energieintensiver Industrien. Wir
sollten sehen, dass wir vorankommen. Wir gehen die
Energiewende engagiert an. Ich kann Sie nur immer wie-
der auffordern: Machen Sie mit bei diesem Projekt, an-
statt immer wieder auf die Bremse zu treten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie nicht eine Aktuelle Stunde mit so einer Überschrift!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719724500

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin
Gabriele Groneberg. Bitte schön, Frau Kollegin Gabriele
Groneberg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Gabriele Groneberg (SPD):
Rede ID: ID1719724600

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Die Debatte, die die Kollegen der Regie-
rungsfraktionen hier heute organisieren, gleicht schon ei-
ner Posse. Das ist, als wenn jemand, der stiehlt, ganz laut
schreit: Haltet den Dieb!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihre chaotische Politik, Ihr abstruses Hin und Her, Ihre
Unfähigkeit, die Energiewende zu gestalten, muss der
Verbraucher jetzt ausbaden. Sie versuchen, zu suggerie-
ren, wir seien es gewesen.

Herr Döring, irgendwie habe ich das Gefühl, Sie ha-
ben die letzten Jahre verpasst oder durch einen Nebel
wahrgenommen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat noch nie etwas mit Energiepolitik zu tun gehabt! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit Nebentätigkeiten! – Gegenruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er macht viele Nebentätigkeiten!)


Die dramatische Steigerung der EEG-Umlage in Höhe
von 4 Cent pro Kilowattstunde, über die wir heute disku-





Gabriele Groneberg


(A) (C)



(D)(B)


tieren, haben Sie in den letzten Jahren verursacht, nicht
wir.

Herr Bareiß, zehn Jahre lang haben Sie den Umbau
des Energiesystems erfolgreich verhindert. Sie haben die
Unternehmen durch Ihre atomfreundliche Politik auf
eine falsche Fährte geführt. Damit haben Sie den Umbau
in Richtung erneuerbare Energien letztendlich verhin-
dert.


(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Es besteht doch keine Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien!)


Das gilt genauso für den Netzausbau. Das gilt genauso
für den Ausbau von Speichersystemen und alles andere
auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Altmaier, wenn Sie heute meinen, Sie seien im
verkehrten Film,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Der ist im Moment im verkehrten Saal!)


dann sollten Sie einen Blick auf die Tagesordnung wer-
fen: Die Aktuelle Stunde ist nicht von uns aufgesetzt
worden, sondern von Ihren Kollegen. Machen Sie sich
einmal klar, was hier heute so verzapft wird.

Der Verbraucher ist mündig, und er weiß, dass er die
Energiewende nicht zum Nulltarif bekommt. Aber dass
die Strompreise geradezu davonlaufen, das kann er und
will er sicher auch nicht verstehen. Noch weniger Ver-
ständnis hat er für das, was Sie mit den Ausnahmerege-
lungen veranstalten. Die Ausnahmeregelungen sind
heute schon viel zitiert worden; ich will sie gar nicht be-
schreiben. Für diejenigen, die diese Debatte verfolgen,
kann man aber sagen, dass man sich diese Liste ganz le-
gal aus dem Internet – von der Homepage des Bundesam-
tes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – herunterladen
kann. Tut man das, dann kommt man aus dem Staunen
nicht heraus.

Der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen
dürfen wir im Übrigen entnehmen, dass im Antragsjahr
2006 bis zum Stichtag 30. Juni 406 Unternehmen mit
543 Abnahmestellen Anträge auf Vergünstigungen beim
Strompreis gestellt haben. Man höre und staune: 2012
haben bis zum Stichtag 30. Juni 2012 gar 2 023 Unter-
nehmen mit 3 172 Abnahmestellen Anträge gestellt. Was
sagen Sie denn dazu, Herr Döring? Das haben Sie offen-
sichtlich wohl nicht mitbekommen.


(Patrick Döring [FDP]: Wir befreien nicht nur die Großen, sondern auch den Mittelstand! Das ist richtig, ja!)


Sie toppen die ganze Geschichte aber noch: Sie haben
die Investitionen in die Stromspeicher verschleppt – das
wurde gerade schon gesagt –, Sie haben den Netzausbau
verschleppt und damit die Netzanbindung von Offshore-
anlagen gefährdet.


(Patrick Döring [FDP]: Mit dem Netzausbau haben Sie gerade erst angefangen!)


Das Ungeheuerliche ist: Die Haftung für dieses Risiko
wollen Sie jetzt auch noch durch eine neue Umlage auf
die Verbraucher umwälzen. Das ist nun wirklich abstrus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich finde es überhaupt nicht gerecht, dass der Ver-
braucher die Zeche für das zahlen soll, was Sie hier die
ganzen Jahre versäumt haben. Warum geben Sie nicht
offen zu, dass Ihnen das Ganze entglitten ist, Sie hier
einfach gepennt haben und hier dringend eine Umkehr
erforderlich ist? Der letzte Satz von Herrn Döring war in
dieser Beziehung schon interessant: dass das EEG jetzt
reformiert werden muss. Ich bin einmal gespannt, wel-
che Deformationen Sie sich hier wieder einfallen lassen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Da will er sogar ganz schnell sein, hat er gesagt!)


Rund 60 Euro Mehrkosten für einen normalen Haus-
halt: Das hört sich im Moment vielleicht gar nicht einmal
so viel an. Aber das summiert sich ja. Ich denke an die
Haushalte der Arbeitnehmer, die wenig verdienen, die
stagnierende Lohneinkommen haben und die prekäre Be-
schäftigungsverhältnisse hinnehmen müssen. Da fasse
ich mir natürlich schon an den Kopf, wenn Sie auf einmal
Ihr Herz für die Geringverdiener entdecken. Das glaubt
Ihnen irgendwie keiner. Herr Hempelmann hat dazu um-
fangreiche Ausführungen gemacht. Was er gesagt hat,
das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Fakt ist, dass die Ausgleichsregelungen für energiein-
tensive Betriebe durch die letzte EEG-Novelle, die Sie
letztendlich zu verantworten haben, ein enormes Aus-
maß angenommen haben – ich habe die Zahlen genannt –
und dass Sie die Last nun fast allein auf den Normalver-
braucher und auf die kleinen Unternehmen umlegen.

Herr Kauch, ich schätze Sie zwar sehr, aber dass aus-
gerechnet Sie den Bürgerinnen und Bürgern die Mehr-
einnahmen durch die Mehrwertsteuer als Entlastung zu-
kommen lassen wollen, mögen Sie für sich vielleicht
kalkuliert haben; allerdings haben Sie hier die Rechnung
vollkommen ohne Ihre Kollegen aus der Regierungsko-
alition gemacht. Sie werden Ihnen einen Strich durch die
Rechnung machen. Fast könnte man meinen, dass Ihnen
die Erhöhung der Umlage ganz gelegen kommt. Ich
denke einmal daran, dass Sie vielleicht vorhaben, damit
die Finanzierung des unseligen Betreuungsgeldes sicher-
zustellen. Das ist nämlich eine ganz andere Nummer.


(Heiterkeit des Abg. Rolf Hempelmann [SPD] – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Hä? Das ist ja nun wirklich ganz schwierig!)


Selbst Kanzlerin Merkel – Ihre Parteikollegin – zwei-
felt daran, ob es richtig ist, dass so viele Unternehmen
diese Vergünstigungen erhalten. Gut, dem kann man
nichts hinzufügen. Sie können das selber nachlesen,
wenn Sie mir nicht glauben. Das hat sie auf dem Deut-
schen Arbeitgebertag gesagt.





Gabriele Groneberg


(A) (C)



(D)(B)


Die Energiewende kostet Geld; das ist richtig. Die In-
vestitionen zahlen sich auf Dauer aber sicherlich aus.
Wir wollen bezahlbare Energie, nicht zu verwechseln
mit billiger Energie. Wir wollen einen Umbau des Ener-
giesystems. Sie haben aber offensichtlich nicht den Mut
dazu, die dringend notwendige Änderung des EEG so
durchzuführen, dass wir in Deutschland vernünftig da-
mit leben können. Deshalb versuchen Sie mit dieser Ak-
tuellen Stunde, uns als Sündenbock zu benutzen. Ich
sage Ihnen: Diese Rechnung wird nicht aufgehen.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719724700

Vielen Dank, Frau Kollegin Groneberg. – Die Parla-

mentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau
Haßelmann, ich gebe Ihnen das Wort zur Geschäftsord-
nung.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719724800

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir das Wort in

der Aktuellen Stunde geben. – Ich möchte gerne darum
bitten, dass meine Kollegin Bärbel Höhn am Ende der
Debatte das Wort für eine persönliche Erklärung be-
kommt, da sie von Herrn Altmaier in dieser Aktuellen
Stunde mehrfach angesprochen worden ist und sie vor
ihm, dem Vertreter der Bundesregierung, gesprochen
hat.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719724900

Bitte schön, zur Geschäftsordnung, Herr Manfred

Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1719725000

Herr Präsident, ich weise darauf hin, dass der Antrag

von Bündnis 90/Die Grünen zur Geschäftsordnung we-
der durch die Geschäftsordnung noch durch den Verlauf
der heutigen Debatte gedeckt ist. Wir werden diesem
Antrag nicht zustimmen.


(Iris Gleicke [SPD]: Selbstverständlich ist das durch die Geschäftsordnung gedeckt! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich ist das durch die Geschäftsordnung gedeckt!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719725100

Ich hatte gehofft, dass es hier zu einer einvernehmli-

chen Regelung kommt. Die Mehrheit widerspricht Frau
Haßelmann, sodass ich jetzt in der Debatte fortfahre.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, da müssen wir jetzt abstimmen! Das war ein Antrag! – Gabriele Groneberg [SPD]: Machen wir doch einen Hammelsprung!)


– Nein. Ich habe das nicht so verstanden, dass das ein
Antrag ist.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, das war ein Antrag! – Iris Gleicke [SPD]: Das war ein Geschäftsordnungsantrag!)


– Dann unterbreche ich kurz, bis wir das hier geklärt ha-
ben. –


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Persönliche Erklärung ist eindeutig! Dafür braucht man keine Abstimmung!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich entscheide, um
den Frieden dieses Hauses insgesamt sicherzustellen,
dass diese persönliche Erklärung jetzt abgegeben wird.

Frau Kollegin Bärbel Höhn, Sie können Ihre persönli-
che Erklärung jetzt bitte abgeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719725200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Herrn

Altmaier leider nicht mehr sehen. Er ist sonst nicht zu
übersehen; aber gerade jetzt sehe ich ihn nicht.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719725300

Er ist entschuldigt. Das ist geregelt.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719725400

Okay.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie können ruhig einen Brief schreiben!)


Ich will trotzdem sagen: Ich finde die Rede von Herrn
Altmaier nicht in Ordnung, und zwar deshalb, weil er
speziell zu uns gesagt hat, wir hätten den einen oder an-
deren konstruktiven Vorschlag machen sollen.


(Michael Kauch [FDP]: Wo ist jetzt die persönliche Erklärung?)


Gleichzeitig wurde aber von der Regierungskoalition
eine Aktuelle Stunde beantragt, in der die Koalition
sämtliche Belastungen Rot-Grün und mir zusammen mit
Herrn Trittin anrechnet. Das ist nicht in Ordnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es entspricht genau dieser Heuchelei, die wir hier
mehrfach erlebt haben:


(Zurufe von der CDU/CSU: Heuchelei?)


Auf der einen Seite wird versucht, so zu tun, als würde
man die Energiewende vorantreiben, und auf der ande-
ren Seite wird sie konterkariert.


(Patrick Döring [FDP]: Man darf hier doch nicht sagen, was man will!)


– Herr Döring, Sie sollten sich erst einmal um Ihre Ne-
bentätigkeiten kümmern, bevor Sie hier den Mund auf-
machen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)






Bärbel Höhn


(A) (C)



(D)(B)


Angesichts dessen sage ich Ihnen hier sehr deutlich:


(Franz Obermeier [CDU/CSU]: Jetzt ist es gut!)


Das, was Sie hier vorgeführt haben, ist ein Widerspruch,
der nicht hinnehmbar ist.


(Patrick Döring [FDP]: Herr Präsident, das geht nicht!)


Die einen sagen, Herr Bareiß: Nichts ist verändert wor-
den. Die anderen sagen, sie hätten schon 2000 zuge-
stimmt. Meine Damen und Herren, so lassen wir mit uns
nicht verfahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Das geht wirklich nicht!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719725500

Zunächst einmal haben wir jetzt diese persönliche Er-

klärung gehört. Ich weise darauf hin, dass das Wort
„Heuchelei“ unparlamentarisch ist.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht verwendet! – Gegenrufe von der CDU/CSU: Doch!)


– Gut.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das verwendet? Das hätten Sie mir vielleicht vorher sagen können! – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Patrick Döring [FDP]: Sie missbrauchen hier die Geschäftsordnung!)


Ein Zweites, Frau Kollegin: Wir sollten verschiedene
Tatbestände nicht vermischen. Ich glaube, es war falsch,
dass wir so verfahren sind. Sie haben in Ihre persönliche
Erklärung auch noch einen anderen Tatbestand, bezogen
auf Herrn Döring, aufgenommen. Auch das sollte man
nicht tun, wenn es nur um die Sache gehen soll. Die Ge-
schäftsordnung ist damit ausgeschöpft.

Ich möchte jetzt gerne sachlich in der Debatte fortfah-
ren. Ich gebe dem Herrn Kollegen Franz Obermeier das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Franz Obermeier (CSU):
Rede ID: ID1719725600

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich

glaube, jetzt nehmen wir ein bisschen Dampf aus dem
Kessel und kommen zu dem, worum es eigentlich geht:
Diese Aktuelle Stunde wurde beantragt, um der Opposi-
tion ein bisschen mehr Gründlichkeit beizubringen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Der Opposition? Ihr habt doch die Aktuelle Stunde beantragt!)


Herr Präsident, Sie haben vorhin die Frage gestellt, ob
wir hier im Plenum das Wort „Lüge“ verwenden dürfen.
Selbstverständlich hat hier vor diesem Rednerpult noch
nie ein Abgeordneter gelogen.

Unabhängig davon tische ich Ihnen jetzt folgenden
wahren Sachverhalt auf. Am 2. Oktober dieses Jahres

gab es in einer Berliner Zeitung einen Namensartikel,
geschrieben von Staatssekretär a. D. Rainer Baake,
Grüne, seinerzeit Staatssekretär unter Bundesminister
Jürgen Trittin.

In diesem Namensartikel sind all die Vorwürfe, die
die Opposition erhoben hat – der Herr Krischer war be-
sonders laut –, enthalten: dass diese Bundesregierung
Kinobetreiber, Geflügelhöfe, Spielbanken, Bekleidungs-
ketten, Hotels, Golfplätze und Pflegeheime von der
EEG-Umlage ausnimmt. Das stand in dem Namensarti-
kel des Herrn Baake. Daraufhin hat sich der Herr Bun-
desminister a. D. Trittin erdreistet, öffentlich zu behaup-
ten, dass wir Hähnchenmastanlagen von der EEG-
Umlage ausnehmen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht im Internet! – Zuruf des Abg. Rolf Hempelmann [SPD]: Internet gucken!)


– Lieber Rolf Hempelmann, Vorsicht, Vorsicht!


(Rolf Hempelmann [SPD]: Sie erfüllen alle diese Kriterien!)


– Nein, nein. Sie müssen abwarten. Schreien Sie nicht zu
früh.

Heute hat der Staatssekretär a. D. Baake alles schrift-
lich zurückgenommen.


(Lachen bei der FPD)


Er bittet die Presse, das Ganze richtigzustellen. Er ent-
schuldigt sich für all das, was ich hier vorgelesen habe.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, soll-
ten ein bisschen herunterfahren. Auch Sie, Frau Höhn,
sollten ein bisschen herunterfahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Denn das, was der Bundesminister zu den Ausnahmen
vorgetragen hat, ist richtig und wahr. Frau Groneberg,
diese Liste steht im Internet; aber Sie müssten sie auch
lesen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dann würden Sie wissen, dass an den Behauptungen, die
hier von Ihnen vorgetragen wurden, nichts dran ist.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch nicht!)


– Haben Sie den Geflügelhof gefunden? Haben Sie die
Hähnchenmast gefunden?


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die Schlachthöfe sind dabei!)


Nein, die haben Sie nicht gefunden. Ich habe diese Liste
dabei. Sie können es mir dann zeigen.

Also, liebe Opposition, kehren wir zurück. Wenn wir
die Energiewende in unserem Land zum Erfolg führen
wollen, dann hören Sie mit der Krakeelerei auf.

Vielen Dank.





Franz Obermeier


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Diese Aktuelle Stunde habt ihr aufgesetzt, nicht wir!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719725700

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist der

Kollege Ingbert Liebing. Bitte schön, Kollege Ingbert
Liebing.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingbert Liebing (CDU):
Rede ID: ID1719725800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das, was wir seitens der Opposition in der aktuellen
Energiedebatte und auch heute Nachmittag in dieser Ak-
tuellen Stunde erlebt haben, ist widersprüchlich und
doppelzüngig, um nicht zu sagen: verlogen. Ich will Ih-
nen dies auch gerne konkret belegen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ihr seid zuständig für Wahrheit und Klarheit! Ihr seid die Energiewender!)


Ich fange mit Ihnen, Frau Höhn, an, da Sie sich so
aufgeblasen haben. Sie wissen doch selber gar nicht, wie
Sie argumentieren wollen. Auf der einen Seite sagen Sie:
Das ist eine hysterische Strompreisdebatte und alles halb
so wild. Macht ein bisschen früher das Licht aus, dann
könnt ihr das alles bezahlen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sage ich doch gar nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Altmaier sagt das!)


– Das sagen Sie selber. Ihre Ministerin in Rheinland-
Pfalz argumentiert genau so. –


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben mich eben angesprochen, oder?)


Wir haben das alles heute schon gehört. Ich komme noch
zu anderen Zitaten. Auf der anderen Seite kritisieren Sie
bestimmte Steigerungen.

Ich schaue aber auch auf das, was im Energiesektor
noch passiert. Die Steigerungen des Benzinpreises an
der Tankstelle – das ist das Dreifache dessen, worüber
wir hier reden – sind Ihnen recht.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch kritisiert!)


Sie wollten noch viel höhere Preissteigerungen des Ben-
zinpreises. 5 D-Mark, das war Ihr Ziel; 2,50 Euro, das ist
Ihr Ziel. Sie freuen sich über steigende Spritpreise, weil
Sie noch viel höhere Preise wollen. Das ist alles wider-
sprüchlich.

Einerseits beklagt die Opposition die hysterische
Kostendebatte. Dazu gibt es ein Zitat von Herrn Heil,
dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden, vom
6. Oktober auf Zeit Online, der die hysterische Kosten-
debatte kritisiert. Andererseits beteiligen Sie sich selber
an dieser Debatte, indem Sie die Befreiungen, die wir
vorgenommen haben, um den Standort zu sichern, kriti-
sieren. Sie fordern doch Sozialtarife und Ähnliches.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Wir fordern Spartarife! Herr Liebing, erkundigen Sie sich doch mal!)


Außerdem fordern Sie einen Masterplan für die Ener-
giewende. Sie kritisieren das Nebeneinander von
16 Bundesländern. Wiederum Herr Heil fordert eine
Koordination der Ausbaupläne.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ja, dann macht mal! Ihr müsst nicht wollen, ihr sollt machen! Nicht nur ankündigen!)


Wir wollen das. Der Umweltminister hat genau das jetzt
zum Thema gemacht,


(Ulrich Kelber [SPD]: Ihr sollt nicht wollen, sondern machen als Regierung!)


und Sie sind diejenigen, die es kritisieren, und es sind
die SPD-Ministerpräsidenten, die jetzt dagegen sind,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Albig in Kiel vorneweg, dem ich vielleicht noch
zugutehalten kann, dass er von dem ganzen Thema keine
Ahnung hat. Aber trotzdem: Das passt nicht zusammen,
und das ist widersprüchlich.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie wollen also eine Reduktion der Schleswig-Holsteiner Windziele? Soll Schleswig-Holstein weniger Wind machen? Ja oder nein? In einem Wort!)


Sie kritisieren die Härtefallklausel im EEG. Das ist,
mit Verlaub, eine Regelung, die wir gemeinsam in der
Großen Koalition beschlossen haben. Jetzt aber kritisie-
ren Sie sie.

Wir suchen nach Lösungen, auch beim Thema Off-
shore, und dann kritisieren Sie das wieder, Herr
Hempelmann. Das alles passt nicht zusammen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Sie suchen nach Lösungen? Das sind Panikreaktionen! Sie haben sich vergaloppiert! – Ulrich Kelber [SPD]: Wir haben vor sechs Jahren Lösungen vorgeschlagen!)


Sie fordern eine stärkere Synchronisation des Aus-
baus der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau –
wiederum Herr Heil auf Zeit Online am 6. Oktober. Das
ist genau das gleiche Thema, das der Minister angespro-
chen hat. Er hat nämlich gesagt: Mit dieser Thematik
müssen wir uns auseinandersetzen. – Dann tut er es, und
wiederum sind Sie diejenigen, die es kritisieren und
dann zusammen mit den Ministerpräsidenten Ihrer Partei
blockieren.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Wir können überhaupt nichts blockieren! – Ulrich Kelber [SPD]: Wir haben doch kein Eckpunktepapier blockiert als Opposition! Jetzt labern Sie doch nicht!)


Dies alles passt vorne und hinten nicht zusammen. Des-
wegen ist das, was Sie heute Nachmittag geboten haben
und was Sie in den letzten Tagen und Wochen in dieser
Energiedebatte geleistet haben,





Ingbert Liebing


(A) (C)



(D)(B)



(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das trifft Sie! Sie sind schwer getroffen!)


widersprüchlich, doppelzüngig und passt vorne und hin-
ten nicht zusammen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gabriele Groneberg [SPD]: Das war ein Schuss nach hinten! – Rolf Hempelmann [SPD]: Die Republik ist ja auch so aufgeregt, weil Sie so gut sind!)


Es gibt zwei mögliche Interpretationen, meine Damen
und Herren, warum Sie dies alles machen. Entweder
wissen Sie gar nicht oder ist Ihnen nicht bewusst, wie
widersprüchlich Sie argumentieren –


(Gabriele Groneberg [SPD]: Wir doch nicht! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie argumentieren widersprüchlich!)


das wäre schlimm genug –, oder Sie tun es bewusst, um
das eine und das andere und auf allen Feldern alles abzu-
decken, egal wie diskutiert wird.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie doch gerade!)


Das eine ist so schlimm wie das andere. Verantwortungs-
volle Politik ist weder das eine noch das andere.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Verabschieden Sie sich erst einmal ehrlich von der Atomenergie!)


Deswegen ist es von vorne bis hinten nicht verantwor-
tungsvoll, was Sie in dieser Energiedebatte leisten und
was Sie heute Nachmittag in dieser Debatte geleistet ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Schön, dass Sie so gut Zensuren verteilen können! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat aber schon besser geredet!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719725900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist kaum zu glau-

ben, aber wir haben nur noch eine Rednerin, und der hö-
ren wir jetzt auch gemeinschaftlich zu. Das Wort hat
Frau Kollegin Dr. Maria Flachsbarth. Bitte schön, Frau
Kollegin Dr. Flachsbarth.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1719726000

Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank für Ihre

freundlichen Worte. – Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es gibt wieder einmal eine Energiedebatte im Deutschen
Bundestag, und ich wundere mich.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wundern sich immer!)


Wir haben vor nicht allzu langer Zeit eine Debatte ge-
führt, in der wir gemeinsam erklärt haben: Das EEG ist

eine Erfolgsstory, und sie gehört ganz selbstverständlich
dem ganzen Haus.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie denn eine Aktuelle Stunde gemacht?)


– Nun mal ganz vorsichtig. Ich versuche gerade, etwas
Nettes zu sagen. Kann ich das vielleicht auch tun?

Heute ist der Ausdruck Erfolgsstory noch nicht gefal-
len,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Nein! Das ist auch nicht in eurer Überschrift!)


und tatsächlich schauen wir heute ein wenig mehr als
sonst auf die Kosten.

Das EEG hat den Ausbau der Erneuerbaren effektiv
vorangetrieben – das ist richtig –, aber möglicherweise
nicht an jeder Stelle effizient. Darum streiten wir, und es
ist richtig, dass wir darüber streiten, dass wir über den
besten Weg streiten. Allerdings sollten wir dabei freund-
licherweise redlich bleiben.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Wo war denn Ihre Redlichkeit die ganze Zeit?)


Die Redlichkeit hat mir in der heutigen Debatte an der
einen oder anderen Stelle gefehlt.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Das richtet sich aber an Schwarz-Gelb, oder? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wer redlich ist, beantragt nicht solche Aktuellen Stunden! – Gegenruf der Abg. Gabriele Groneberg [SPD]: Genau!)


Wenn man zum Beispiel über die Privilegierung re-
det, dann ist das sicherlich richtig. Sie ist 2003/2004 un-
ter Rot-Grün eingeführt worden – das stimmt –, inklu-
sive des Schienenbonus, einer verkehrspolitischen
Maßnahme, die mal eben mit ins EEG aufgenommen
wurde. Alles prima, wir haben das weitergeführt. Von
daher kann man nichts dagegen sagen.

Auch dagegen, dass wir dann diese Privilegierung auf
mittelständische Betriebe ausgedehnt haben


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Zu Recht!)


– wir haben doch selber in unserem Wahlkreis einen sol-
chen Betrieb, Herr Miersch –, ist nichts zu sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Es ist nur die Frage, wie man es macht, Frau Flachsbarth!)


Dass man aber dann in dieser Debatte Äpfel mit Birnen
vergleicht, indem man sagt, bislang seien um die
700 Betriebe privilegiert gewesen und demnächst wür-
den es über 2 000 sein, ist nicht richtig; das stimmt so
nicht. Zwar sind die 700 Betriebe tatsächlich privile-
giert, aber bei den über 2 000 gibt es bisher nur die An-
träge der Betriebe, von denen man noch nicht weiß, ob
sie privilegiert werden. Das stellt sich am Ende des Jah-
res heraus.





Dr. Maria Flachsbarth


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Zahl der Anträge ist doch rasant gestiegen! – Gabriele Groneberg [SPD]: Allein wegen der Steigerung der Anträge müssen auch positive Bescheide herauskommen!)


Der nächste Punkt: Ihr Kollege Trittin spricht beim
Thema Golfplätze von einer großen Schweinerei und
sagt: Dass sie privilegiert sind, geht gar nicht. – Ehrlich
gesagt, finde auch ich das ausgesprochen unverständlich.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Ach, nee!)


Unser Kollege Thomas Gebhart hat im Büro von Herrn
Trittin angerufen und gefragt – wir sind immer bereit, et-
was zu lernen –: Wie verhält es sich nun mit den Golf-
plätzen? Um welchen Golfplatz handelt es sich denn um
Gottes willen? – Darauf hat er die Antwort bekommen:
Es gibt keinen Golfplatz, der von der EEG-Umlage be-
freit ist.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, Sonthofen und Johannesthaler Hof haben beantragt!)


– Dann muss sich allerdings Ihr Fraktionsvorsitzender
geirrt haben; denn das ist die Antwort, die unser Kollege
Thomas Gebhart aus dem Büro des Fraktionsvorsitzen-
den Trittin bekommen hat.

Wir sollten versuchen, das Ganze in einen gemeinsa-
men Kontext zu stellen und die Energiepolitik im Zu-
sammenhang zu sehen, anstatt über solche Punkte zu
streiten und die Menschen im Land, die hier zuschauen
und sich wundern, durch eine solche Debatte wie die
heutige völlig zu verunsichern.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind verunsichert, weil so viele Energieunternehmen ausgenommen sind!)


Wir sollten die Erhöhungen, die sich nun aus der
EEG-Umlage ergeben, ins Verhältnis setzen. Die Strom-
kosten machen in einem durchschnittlichen Haushalt
maximal 20 Prozent der Energiekosten aus. 40 Prozent
sind Mobilitätskosten – ich erinnere an die gestiegenen
Preise an den Tankstellen –, weitere 40 Prozent sind
Heiz- und Wärmekosten. Von 2002 bis 2011 sind der
Rohölpreis um 210 Prozent, der Erdgaspreis um 123 Pro-
zent und der Strompreis um insgesamt 56 Prozent gestie-
gen. Dabei ist nicht zu vergessen: Die Wertschöpfung
findet bei Rohöl und Erdgas in erster Linie nicht in
Deutschland, sondern in Saudi-Arabien, Russland und
anderen Ländern statt. Bei den erneuerbaren Energien
findet die Wertschöpfung hingegen sehr wohl bei uns in
Deutschland statt.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Genau richtig erkannt!)


Dabei geht es auch um Importunabhängigkeit. Vor die-
sem Hintergrund wundere ich mich über die eine oder
andere Facette in dieser Debatte


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie die dann beantragt, wenn Sie so reden, wie Sie reden?)


und auch darüber, dass dies nicht stärker in den Mittel-
punkt gestellt wird.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das Ihrem Herrn Minister!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, worauf es jetzt an-
kommt und woran wir gemeinsam arbeiten sollten, ist
der Ausbau der Netze. Die Netze müssen intelligent ge-
macht werden. Die Erneuerbaren brauchen mehr Markt-
nähe und müssen sich ihre Kunden suchen. Da hilft
keine Verweigerungshaltung, wie wir sie über lange
Jahre in der Großen Koalition leider erleben mussten.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn „Verweigerungshaltung“? Sie haben doch verweigert! Ihre Fraktion!)


Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Akzeptanz
erneuerbarer Energien in der Bevölkerung aufrechtzuer-
halten. Seien wir doch gemeinsam verliebt ins Gelingen,
und seien wir nicht nur verliebt in den eigenen partei-
politischen Vorteil!


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann beantragen Sie nicht solche Aktuellen Stunden, Frau Flachsbarth!)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1719726100

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden es nicht
glauben, aber die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 18. Oktober 2012,
9 Uhr, ein.

Damit ist die heutige Sitzung geschlossen.

Vielen herzlichen Dank.