Protokoll:
17189

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 189

  • date_rangeDatum: 19. Juli 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:34 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:52 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/189 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 189. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Sicherung der Stabilität der Euro-Zone – Finanzhilfen für Spanien . . . . . . . . . . . . b) Beratung des Antrags des Bundesminis- teriums der Finanzen: Finanzhilfe zu- gunsten Spaniens; Einholung eines zu- stimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabi- lisierungsmechanismusgesetzes (Stab- MechG) für Notmaßnahmen der Euro- päischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Drucksachen 17/10320, 17/10321) . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31 GO) Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22803 D 22803 D 22804 A 22807 A 22810 A 22812 A 22813 C 22815 B 22816 C 22817 C 22818 C 22819 C 22820 C 22821 B 22822 A 22823 A 22824 B 22825 B 22826 B 22827 A 22828 A 22829 A 22836 D 22829 A 22829 B 22830 C 22831 D 22832 C 22833 C 22834 A 22835 C 22839 C 22839 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Viola von Cramon-Taubadel, Harald Ebner, Katrin Göring-Eckardt, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Konstantin von Notz, Dr. Harald Terpe und Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu: – namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinie- rung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion – namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Euro- päischen Stabilitätsmechanismus – namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur finanziellen Be- teiligung am Europäischen Stabilitätsme- chanismus (ESM-Finanzierungsgesetz – ESMFinG) – namentliche Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Ver- trags über die Arbeitsweise der Europäi- schen Union hinsichtlich eines Stabilitäts- mechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (188. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50 a bis e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag: Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Un- gleichbehandlung eingetragener Lebenspart- nerschaften gegenüber Ehen (187. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11 a) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spa- niens; Einholung eines zustimmenden Be- schlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgeset- zes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Eu- ropäischen Finanzstabilisierungsfazilität zu- gunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Stephan Kühn, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Arfst Wagner und Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deut- schen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisie- rungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzsta- bilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Ta- gesordnungspunkt 1 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP), Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU), Sylvia Canel (FDP), Jens Ackermann (FDP), Lars Lindemann (FDP) und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Be- schlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgeset- zes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Eu- ropäischen Finanzstabilisierungsfazilität zu- gunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesord- nungspunkt 1) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . 22841 A 22841 D 22842 D 22843 B 22843 D 22844 C 22845 A 22845 C 22846 A 22846 D 22847 A 22847 C 22849 B 22851 C 22852 A 22852 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 III Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Viola von Cramon-Taubadel (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Ab- stimmung über den Antrag: Rechtliche Rege- lung der Beschneidungen von Jungen (Zu- satztagesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Fritz Kuhn und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatzta- gesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Angelika Graf (Rosenheim), Angelika Krüger-Leißner, Caren Marks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Bernd Scheelen und Andrea Wicklein (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesord- nungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Bettina Herlitzius, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Ute Koczy, Oliver Krischer, Markus Kurth, Monika Lazar, Tabea Rößner, Ulrich Schneider und Dorothea Steiner (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesord- nungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jerzy Montag, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Manuel Sarrazin, Beate Walter-Rosenheimer, Daniela Wagner und Wolfgang Wieland (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) . . . . . . Anlage 13 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22852 C 22853 A 22853 B 22853 D 22854 B 22855 A 22855 D 22856 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22803 (A) (C) (D)(B) 189. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 Beginn: 14.34 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 188. Sitzung, Seite 22745 A, das endgültige Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum ESM-Finanzierungs- gesetz ist wie folgt zu lesen: Abgegebene Stimmen: 601; davon ja: 495 nein: 101 enthalten: 5 Seite 22746 D, vierte Spalte, nach dem Namen „Tabea Rößner“ ist der Name „Claudia Roth (Augsburg)“ einzu- fügen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22841 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Viola von Cramon- Taubadel, Harald Ebner, Katrin Göring-Eckardt, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Konstantin von Notz, Dr. Harald Terpe und Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu: – namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Wäh- rungsunion – namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Fe- bruar 2012 zur Einrichtung des Europäi- schen Stabilitätsmechanismus – namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz – ESMFinG) – namentliche Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäi- schen Rates vom 25. März 2011 zur Ände- rung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hin- sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (188. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50 a bis e) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 19.07.2012 Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 19.07.2012 Brackmann, Norbert CDU/CSU 19.07.2012 Brandner, Klaus SPD 19.07.2012 Bülow, Marco SPD 19.07.2012 Dörmann, Martin SPD 19.07.2012 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 19.07.2012 Dr. Franke, Edgar SPD 19.07.2012 Golze, Diana DIE LINKE 19.07.2012 Groth, Annette DIE LINKE 19.07.2012 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 19.07.2012 Höger, Inge DIE LINKE 19.07.2012 Humme, Christel SPD 19.07.2012 Dr. h. c. Kastner, Susanne SPD 19.07.2012 Kolbe, Daniela SPD 19.07.2012 Lay, Caren DIE LINKE 19.07.2012 Leidig, Sabine DIE LINKE 19.07.2012 Lötzer, Ulla DIE LINKE 19.07.2012 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.07.2012 Dr. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.07.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 19.07.2012 Dr. Reimann, Carola SPD 19.07.2012 Dr. Ruppert, Stefan FDP 19.07.2012 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.07.2012 Schäfer (Köln), Paul DIE LINKE 19.07.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 19.07.2012 Schreiner, Ottmar SPD 19.07.2012 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 19.07.2012 Sharma, Raju DIE LINKE 19.07.2012 Staffeldt, Torsten FDP 19.07.2012 Tillmann, Antje CDU/CSU 19.07.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 19.07.2012 Veit, Rüdiger SPD 19.07.2012 Zöller, Wolfgang CDU/CSU 19.07.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 22842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) In einer schwierigen Krisensituation hat der Deutsche Bundestag heute mit der Entscheidung für den ESM und den Fiskalpakt die Weichen in Richtung einer Stabi- lisierung der Europäischen Union, des Euro und der eu- ropäischen Finanzmärkte gestellt. Die gleichzeitig getroffenen Vereinbarungen zur Einführung einer Fi- nanztransaktionsteuer, die Zusagen für mehr nachhaltige Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz sowie die stärkere parlamentarische Beteiligung bei Hilfsanträ- gen an den ESM sind wichtige und notwendige Schritte zur Stabilisierung der EU und zur Stärkung der Demo- kratie. Wir stimmen damit heute über ein Maßnahmen- paket zur wirtschaftlichen Belebung ab, das eine starke grüne Handschrift trägt. Die dogmatische Sparpolitik der letzten zwei Jahre hat die Krisenstaaten nicht aus der Krise herausgeführt. Eine tiefe Rezession, hohe Arbeitslosigkeit und am Ende mehr statt weniger Schulden trotz aller Sparmaßnahmen waren die Folge. Die Schuldenstände in Griechenland, Spanien und Portugal sind nicht gefallen, sondern gestie- gen, und die soziale Schieflage hat sich weiter ver- schärft. Es zeigt sich: Wer nur spart, konsolidiert nicht. Die Vereinbarungen müssen vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation Europas sowie der glo- balen Lage bewertet werden. Italien und Spanien haben unverhältnismäßig hohe Refinanzierungskosten an den Finanzmärkten. Japan und die USA, deren volkswirt- schaftliche Kennzahlen keineswegs besser sind als die der Euro-Zone, zahlen bei einer gleichermaßen hohen Staatsverschuldung deutlich niedrigere Schuldzinsen. Der Grund dafür ist einfach: Die EU und die Euro-Zone sind anders als die Nationalstaaten Japan oder USA Zu- sammenschlüsse von Staaten. Europa muss beweisen, dass verschiedene Staaten gemeinsam zu entschlosse- nem Handeln fähig sind. Der Rettungsschirm ESM in Verbindung mit dem Fiskalpakt sind wichtige Zeichen für ein solches entschlossenes Handeln. Wichtige Bestandteile zur Krisenlösung sind das von der EU beschlossene sogenannte Sixpack und die im Fis- kalpakt verbindlich festgelegten Regeln zur Erzielung eines ausgeglichenen Haushaltes. Sie sind eine notwen- dige Ergänzung zum ESM. Die Mitgliedstaaten ver- pflichten sich zur Haushaltskonsolidierung und zur Ver- ankerung nationaler Schuldenbremsen. Die Abkehr von der Toleranz gegenüber strukturellen Haushaltsdefiziten ist für uns wichtig; denn nur ausreichend finanzierte Haushalte sind nachhaltig. Eine Schuldenkrise kann man nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen. In Deutschland wurde darüber hinaus sichergestellt, dass Länder und Kommunen den Fiskalpakt mittragen können. Auch dies ist richtig und notwendig, weil Län- der und Kommunen im Vergleich zum Bund deutlich be- grenztere Möglichkeiten zur Refinanzierung haben. Zur Solidität gehört auch die Solidarität. Die Ver- pflichtung zu mehr Haushaltsdisziplin in Verbindung mit der Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer, In- vestitionsimpulsen für mehr wirtschaftliche Dynamik und dem ESM stärken die wirtschaftliche Leistungs- fähigkeit der EU und sind so in unserem eigenen Inte- resse. Gleichzeitig verhindern sie ein Auseinanderbre- chen der Euro-Zone und damit einen großen Rückschritt in der europäischen Integration mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die deutsche Volkswirtschaft, sondern für Europa insgesamt. Die Ergebnisse des Euro-Gipfels vom 28. Juni 2012 gehen in die richtige Richtung, um den Zinsdruck auf die Krisenländer zu senken und den Teufelskreis aus Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Wichtige Schritte zur Bereitstellung von notwendigen Investitionsmitteln wurden vereinbart. Zusätzlich fordern wir weitere Schritte zur Lösung der Euro-Krise. Ein konkreter und realistisch umsetzba- rer Abbaupfad für die hohe Verschuldung ist zwingend für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, wie der des Sachverständi- genrates für einen Altschuldentilgungsfonds in der Euro- Zone. Dabei werden wir uns auf lange Zeiträume des Schuldenabbaus einrichten müssen. Es ist weltfremd, wenn die Kanzlerin sich einer inhaltlichen Debatte um konkret zu ergreifende Maßnahmen verweigert. Sie wird in diesem Punkt umdenken müssen. Mit ihrer Weigerung einer realistischen Altschuldenregelung gefährdet sie die positive Wirkung von ESM und Fiskalpakt. Zusätzlich müssen Investitionen in eine ökologische und soziale Gesellschaft noch weiter ausgebaut werden. Diese Investitionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit Europas und gehören zu unserer Strategie der Krisen- bewältigung. Nicht zuletzt müssen die demokratischen Strukturen Europas deutlich weiterentwickelt werden. Das Europäische Parlament muss in seiner Entschei- dungsbefugnis gestärkt und eine geeignete Exekutive, also eine europäische Regierung, etabliert werden. Dies erfordert die Übertragung staatlicher Kompetenzen auf Europa. Nur mit diesem Dreiklang aus realistischem Schuldenabbaupfad, Stärkung von Investitionen und de- mokratischer Entwicklung Europas wird die Krise über- wunden werden können. Diese Schritte können wir erst nach Lösung der ak- tuellen Probleme gehen. Der Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik ist Grundvoraussetzung für diese Lö- sung. Deswegen stimmen wir heute für den Fiskalpakt und den ESM zur Stabilisierung Europas. Deutschland hat sich vor vielen Jahren für ein zusammenwachsendes Europa entschieden. Nun gilt es, dafür einzustehen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund (FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- schließungsantrag: Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Ungleichbehandlung eingetrage- ner Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen (187. Sitzung, Tagesordnungspunkt 11 a) Die FDP hat in der Koalition mit der Union zahlrei- che Schritte zur Gleichstellung eingetragener Le- benspartner durchgesetzt, so die volle Gleichstellung im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, bei der Erbschaft- steuer und Grunderwerbsteuer sowie beim BAföG. Auf Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22843 (A) (C) (D)(B) Initiative des Bundeswirtschaftsministers ist im aktuel- len Entwurf des Jahressteuergesetzes die Gleichstellung bei den vermögensbildenden Leistungen vorgesehen. Die Bundesjustizministerien bereitet zudem ein Rechts- bereinigungsgesetz für das Recht eingetragener Le- benspartnerschaften vor, mit dem die Gleichstellung in einer Reihe von weiteren Rechtsbereichen umgesetzt werden soll. Anders als im Koalitionsvertrag angelegt, ist die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartner mit der Ehe immer noch nicht umgesetzt. Insbesondere im Einkom- mensteuerrecht gibt es aus unserer Sicht ein verfassungs- gemäßes Gebot, angesichts der gleichen Unterhalts- und Einstandspflichten wie bei Ehegatten die Lebenspartner auch in der Einkommensteuer wie Ehegatten zu behan- deln. Als Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion teilen wir das Ziel der völligen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe, insgesamt können wir aber wegen des bestehenden Koalitionsvertrages mit CDU und CSU dem vorliegenden Entschließungsantrag nicht zustimmen. Wir fordern aber den Bundesminister der Finanzen auf, als weiteren Schritt zur Gleichstellung unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Ungleich- behandlung bei Einkommensteuer, Wohnungsbauprä- mie und Riester-Rente aufgehoben wird. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustim- menden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäi- schen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Dem Antrag der Bundesregierung auf Finanzhilfen zugunsten Spaniens kann ich nicht zustimmen. Die Verletzung des Bail-out-Gebotes setzt sich auch in diesem Antrag fort. Es gibt keinen Grund, allgemein- europäische Steuergelder in spanische Kleinbanken, also nicht systemrelevante Banken zu geben. Insofern ist dies ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StabMechG. Dort heißt es: „Notmaßnahmen im Sinne von Abs. 1 können auf An- trag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro- Währungsgebietes insgesamt zu wahren.“ Hilfen für nicht systemrelevante Banken sind demnach unzulässig. Falls also einzelne spanische Banken Insolvenz an- melden müssten, ist dadurch nicht der Euro als Gemein- schaftswährung gefährdet. Spanien hat auch nicht nur ein Bankenproblem, sondern ein strukturelles Problem, was sich im andauernden Defizitverfahren bezüglich des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der Arbeitslosenquote usw. zeigt. Die Schieflage der Bankenbilanzen ist dem- zufolge ein Spiegelbild der gesamtwirtschaftlichen Lage. Es wäre deshalb erforderlich, wenn Spanien einen Antrag auf Rettungshilfen nicht nur für seine Banken stellen würde, auch wenn dadurch offensichtlich würde, dass die bisher aufgespannten Rettungsschirme maßlos überfordert würden. Außerdem wären dann natürlich die Konditionalitäten sehr viel strenger. Diese werden durch den Einstieg in eine direkte Bankenrekapitalisierung – und als solche sehe ich den vorliegenden Antrag – um- gangen bzw. gebrochen. Insofern sehe ich einen starken Vertrauensverlust auch zu den Beschlüssen der jüngsten Gipfelbeschlüsse vom 28./29. Juni 2012. Dort wurde festgelegt, dass eine direkte Bankenrekapitalisierung erst ermöglicht werden kann, wenn eine gemeinsame europäische Bankenauf- sicht besteht. Die Verhandlungen dazu sollen aber erst im Herbst aufgenommen werden. Ferner sehe ich eine Ungleichbehandlung von „Pro- grammländern“. In den Gipfelbeschlüssen vom 29. Juni 2012 wird auf Gleichbehandlung ausdrücklich hingewie- sen. Folgerichtig hat Irland bereits Anfragen gestartet, sein allgemeines Restrukturierungsprogramm zu den Be- dingungen eines sektoralen Bankenprogramms verglei- che Spanien umzuwandeln, zumindest aber bereits ge- troffene Vereinbarungen zurückzunehmen. Sehr skeptisch stehe ich der vorgesehenen Eigentümer- respektive Gläubigerbeteiligung bei der Rekapitalisie- rung spanischer Banken gegenüber. Anders als in Deutschland tragen spanische Banken nicht ausreichend zur Bewältigung der Finanzkrise in Spanien bei; zumin- dest sind bestehende Regelungen äußerst intransparent. Aber nicht nur in dieser Hinsicht sind die Formulierun- gen des Memorandum of Understanding, MoU, äußerst dehnbar. So können die Finanzhilfen auch an bereits ver- staatlichte Banken ausgereicht und zum Ankauf von Staatsanleihen auf dem Primär- und Sekundärmarkt ver- wendet werden. Nach Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h ist ein autonomes Vertragsveränderungsverfahren erlaubt. Demnach können die Vertragsparteien die Finanzverein- barung selbstständig ändern und dadurch unter Umstän- den die Haftung Spaniens aushebeln. Damit ist die Fi- nanzvereinbarung ein wesentlicher Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung der Bankschulden, die neben die fortschreitende Vergemeinschaftung der Staatsschulden tritt. Außerdem halte ich es für kritisch, zum jetzigen Zeit- punkt einen Vorratsbeschluss über bis zu 100 Milliarden Euro zu fassen, wo einerseits der konkrete Bedarf des spanischen Bankensektors erst im September/Oktober 2012 konkretisiert werden soll. Andererseits ist im Hin- blick auf die geplante Überführung der spanischen Ban- kensektorhilfe von EFSF in den ESM meines Erachtens auch der Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts am 12. September 2012 abzuwarten. Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich stimme heute mit Nein gegen die Finanzhilfen für die spanischen 22844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) und europäischen Banken, weil nicht diejenigen belohnt werden dürfen, die die Krise selbst mit zu verantworten haben. Jahrelang haben die spanischen Banken Millio- nenprofite mit der Immobilienspekulation erzielt. Nun machen die europäischen Regierungen die privaten Schulden der Banken zu Staatsschulden. Sie wollen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter das Geld bezahlen, was die Banken im Kasino verzockt haben. Es ist unerträglich, dass die Allgemeinheit für Speku- lationsverluste zur Kasse gebeten wird, während die Banken so weiter wirtschaften können wie bisher. Was wir brauchen, ist die Entmachtung der Banken und der Finanzmärkte. Bevor man daran denken kann, Banken mit Steuergeldern zu sanieren, müssen diese vergesell- schaftet und unter demokratische Kontrolle gestellt wer- den. Kein einziger Cent der bereitgestellten 100 Milliarden Euro wird der spanischen Bevölkerung zugutekommen. Weil sie die Kredite an die Banken nicht mehr zahlen konnten, mussten 400 000 Familien in den letzten Jahren aus ihren Wohnungen ausziehen. Die Banken werden ge- rettet, diese Familien nicht. Im Rettungspaket für die Banken ist stattdessen ein Angriff auf soziale Errungen- schaften der spanischen Arbeiterbewegung enthalten. Es werden Arbeitsmarkt- und Steuerreformen, Privatisie- rungen, Liberalisierungen und höhere Strompreise gefor- dert. Die spanische Regierung hat vier Kürzungspakete innerhalb von sechs Monaten verabschiedet. Sie hat Mil- liarden in Bildung und Gesundheitswesen gekürzt, Leh- rerinnen und Lehrer entlassen, Studiengebühren um 66 Prozent erhöht. Nun will sie unter anderem Eisen- bahn, Flughäfen und Häfen privatisieren und die Mehr- wertsteuer drastisch erhöhen. Die letzte Arbeitsmarktreform machte Entlassungen billiger und führte die Rente mit 67 ein. Die Beschäftig- ten müssen die Folgen ertragen. Ein Drittel der Erwach- senen und die Hälfte der Jugendlichen sind arbeitslos. 11 von 45 Millionen Einwohnern sind arm. Wie in Grie- chenland bringen sich immer mehr Menschen aufgrund von finanziellen Problemen selbst um. 2011 haben Aktivistinnen und Aktivisten der Indi- gnados-Bewegung nach ägyptischem Vorbild Plätze in 70 Städten besetzt. Der Widerstand gegen die Kürzun- gen wächst. Beim zweiten Generalstreik streikten im März mehr als 10 Millionen Beschäftigte. Am 22. Mai gab es den ersten Generalstreik der Geschichte im ge- samten Bildungswesen, von den Kindergärten bis zu den Unis. Derzeit befinden sich die Bergarbeiter im unbefris- teten Generalstreik, denn die Regierung will die zuge- sagten Kohlesubventionen streichen und Tausende ent- lassen. Auch die Beschäftigten in Deutschland zahlen für die Finanzhilfen für die spanischen Banken. Es sind ihre Steuergelder, die in die Bankenrettung fließen. Ich stimme mit Nein, weil ich dagegen bin, dass die Be- schäftigten von den Herrschenden in Europa gegenein- ander ausgespielt werden. Mein Nein im Bundestag ist ein Ja zum Widerstand. Ich unterstütze den Widerstand der Gewerkschaften in Spanien gegen das Verarmungsprogramm der spani- schen Regierung und der Troika. Die Solidarität im Wi- derstand ist es, die das Spardiktat der herrschenden Klasse brechen kann. Que la crisis la paguen los capitalistas! Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Ich habe heute ge- gen den Antrag der Bundesregierung über die „Finanz- hilfen zugunsten Spaniens“ gestimmt, weil durch diese „Hilfen“ die Profite der spanischen Banken auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und sozial Ausgegrenzten gesichert werden sollen. Mit diesem neuen „Rettungspaket“ für den spani- schen Bankensektor ist der von den Herrschenden gepre- digte Mythos von der sogenannten „Staatsschulden- krise“ in Europa entlarvt: Nicht die Schulden der EU- Staaten sind die Ursache der Krise, sondern der von den entfesselten Finanzmärkten getriebene Kapitalismus. Bevor die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgebrochen ist, lag die Staatsverschuldung Spaniens 2007 bei 36,3 Prozent. Auch heute ist sie niedriger als die der Bundesrepublik. Die Finanzklemme, in der heute Spanien steckt, wird durch die undemokratischen Rating- agenturen immer enger gezogen und geht auf die Speku- lationen der privaten Banken zurück, die sich mit gewinnbringenden Immobilienkrediten verzockt haben. Diesen privaten Banken und nicht dem spanischen Staat oder der spanischen Bevölkerung soll jetzt „geholfen“ werden. Dabei werden die Kosten erneut durch die Steuerzah- ler getragen. Mit dem von der Euro-Gruppe gebilligten sogenannten Memorandum of Understanding wird die spanische Politik gezwungen, die massiven Sparpro- gramme zu intensivieren und immer größere Teile des Sozialstaats für den neoliberalen Umbau der Gesell- schaft zu zerstören. Schon heute sind über 24 Prozent der spanischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt zwischenzeit- lich bei über 50 Prozent. Die Ausgrenzung von Migran- tinnen und Migranten aus dem spanischen Arbeitsmarkt führt zu einer weiteren Verschlechterung ihrer Situation. Wenn dann als Alternative für die spanischen Jugend- lichen die deutsche Politik eine Anwerbeoffensive für Ausbildungsplätze in Deutschland propagiert, ist dies mehr als zynisch. Diese verfehlte und versagende Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa muss endlich beendet werden, da sie zu Sozialabbau, Ausgrenzung und Zerstörung ganzer Regionen und Branchen führt. Dieser neoliberale Umbau des gesamten gesellschaftlichen Systems in Eu- ropa ist nicht hinnehmbar. Stattdessen brauchen wir dringender denn je einen Neustart der Europäischen Union: demokratisch, sozial, friedlich und ökologisch. Ein Neustart, in dem die Banken vergesellschaftet wer- den und dem Wohl der Menschen dienen. In diesem Sinne und mit meinem heutigen Nein zum 100-Milliarden-Paket für den spanischen Bankensektor bin ich solidarisch mit dem Widerstand der spanischen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22845 (A) (C) (D)(B) Bevölkerung gegen den erzwungenen Sozialabbau und den Angriff auf die spanische Demokratie. Dr. Peter Danckert (SPD): Zu meinem Abstim- mungsverhalten am heutigen Tage erkläre ich Folgen- des: Ich bin davon überzeugt, dass wir unseren europäi- schen Nachbarn in Not helfen müssen; jedoch sollten wir sorgfältig unterscheiden, wem wir helfen. Keine direkte Hilfe für Banken war immer unser Credo und sollte dies auch bleiben. Zwar sind nach derzeitiger Rechtslage – ESM, ESM-Finanzierungsgesetz – keine direkten Hil- fen an Banken möglich, jedoch ist dies bereits konkret geplant und Bestandteil des heute abzustimmenden Me- morandum of Understanding sowie des Finanzhilfeab- kommens zwischen dem Königreich Spanien und der EFSF. Dies würde zweifelsohne in einem Fass ohne Bo- den enden. Die Kommission arbeitet gemeinsam mit der EZB und der European Banking Authority – EBA – an der Er- richtung einer Europäischen Bankenaufsicht, die laut der Schlussfolgerung der Staats- und Regierungschefs vom 29. Juni 2012 die Voraussetzung für eine direkte Rekapi- talisierung von Banken darstellt. Auch wenn Regie- rungsvertreter gerne den Eindruck erwecken wollen, dies läge noch in ferner Zukunft, so ist in Brüsseler Krei- sen vielmehr davon die Rede, dass diese Bankenaufsicht bereits Ende des Jahres arbeitsfähig sein wird. Das bedeutet für uns Abgeordnete, dass wir heute ein- mal mehr über etwas abstimmen sollen, was in absehba- rer Zukunft überholt sein wird. Es bedeutet darüber hi- naus ein Abrücken von sämtlichen politischen Zusagen, die wir bisher getroffen haben. Bei den Hilfen für Spanien handelt es sich nicht um ein klassisches Hilfsprogramm wie bei Portugal oder Ir- land, sondern um ein sektorbezogenes Programm für die Finanzinstitute. Dies ist zwar ausdrücklich in den Leitli- nien der EFSF vorgesehen, nicht aber die Möglichkeit, die Kredite über Umwege und Tricksereien direkt an die Banken fließen zu lassen. Vertragspartner muss immer der antragstellende Staat, also Spanien, bleiben. Die konkreten Ergebnisse der Stresstests liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal vor. Mit diesen wird erst Ende September zu rechnen sein. Die Schätzungen der Kapitaldefizite bei den betroffenen spanischen Banken variieren zwischen 14 und 60 Milliarden Euro. Laut Nachbericht zum Ecofin-Treffen am 10. Juli ist diese „Unsicherheit“ der Grund dafür, dass man eine Sicher- heitsmarge von 38 Milliarden Euro veranschlagt und so- mit auf die zu genehmigenden 100 Milliarden kommt. Ob es am Ende des Tages bei den 100 Milliarden bleibt, ist in Anbetracht der Erfahrungen mit Griechenland ebenso fragwürdig. Es handelt sich also um eine Art Blankocheck. Darüber hinaus kritisiere ich am vorliegenden Antrag, dass eine Ermächtigung zu einem Darlehn in einer unbe- stimmten Gesamthöhe von „bis zu“ 100 Milliarden Euro erteilt werden soll, ohne dass der konkrete Finanzbedarf ermittelt und dargestellt worden ist, dass die Bankenhilfe ganz offensichtlich nicht oder nicht ausschließlich zur Rekapitalisierung von systemrelevanten spanischen Ban- ken bestimmt ist und dass die Bundesregierung bisher keine substanziellen Fortschritte bei der Regulierung des europäischen Banken- und Finanzmarktes erreicht hat noch solche Regulierungen künftig beabsichtigt. Die im Antrag aufgezeigte Bankenhilfe für Spanien ist ebenfalls nicht an entsprechende Bedingungen geknüpft worden. Wenn wir heute dem vorliegenden Antrag zustimmen, schaffen wir mit Spanien einen Präzedenzfall inmitten dieser Staatsschuldenkrise, der logischerweise zur Folge haben wird, dass Länder wie Irland ebenfalls eine Lo- ckerung ihrer Bedingungen fordern werden. Italien – als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone – liebäugelt bereits mit der Möglichkeit, seine Staatsanleihen von der EFSF auf dem Sekundärmarkt in einer Nacht-und-Ne- bel-Aktion aufkaufen zu lassen, um die gefährlich hohen spreads zu senken. Mit welcher glaubhaften Begründung werden wir Italien nach einer Zusage an Spanien ähnli- che Ersuchen verweigern können? Mit der Unterstüt- zung von Spaniens Banken, die keineswegs alle system- relevant sind, begeben wir uns in einen Teufelskreis und eine Abhängigkeit der Finanzmärkte, aus der wir nicht mehr herauskommen. Deshalb werde ich bei der heutigen Abstimmung da- gegen stimmen. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Nach wie vor bin ich fest davon überzeugt, dass uns der beschrittene Weg zur Euro-Rettung immer tiefer in die kollektive Schieflage führt. Wir befördern derzeit den Dominoeffekt, den wir eigentlich verhindern wollten – vergleiche meine Protokollerklärung vom 29. Juni 2012. Trotzdem bin ich dazu bereit, in jedem einzelnen Fall abzuwägen. So auch im Fall Spanien. Aber hier sehe ich die Voraussetzungen für eine Zustimmung aus folgenden Gründen nicht gege- ben: Erstens. Das zur Verabschiedung stehende Rettungs- paket für Spanien unterliegt einem schweren Konstruk- tionsfehler: Mit ihm soll eine sektorale Bankenhilfe geleistet werden, ohne dass der spanische Staat dafür Auflagen zu erfüllen hat. Und das, obwohl Bankbilanzen grundsätzlich immer auch die gesamtwirtschaftliche Lage eines Landes widerspiegeln. Damit wird ein Prin- zip ausgehebelt, das bislang noch ein gewisses Maß an Sicherheit in der Krisenbewältigung versprach: das Prin- zip Hilfen nur für Gegenleistungen. Mit anderen Worten: Wir geben das bisherige Gebot auf, Euro-Ländern nur zu strikten Konditionen Unterstützung zu gewähren. Die vereinbarten Auflagen beziehen sich nämlich aus- schließlich auf den Bankensektor. Ich befürchte, dass da- mit ein Präzedenzfall geschaffen wird, der einen Para- digmenwechsel einleitet. Zweitens. Auch das Versprechen, Spanien werde für die gewährten Finanzhilfen haften, ist unrealistisch. Da- für spricht einerseits, dass die Finanzhilfen auch an be- reits verstaatlichte spanische Banken ausgereicht werden sollen. Bei einer Insolvenz dieser Banken wäre Spanien demzufolge in der Zwangslage, Finanzhilfen für das ganze Land beantragen zu müssen. 22846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) Andererseits sieht das Abkommen mit Spanien vor, die Finanzhilfe auf den Europäischen Stabilitätsmecha- nismus – ESM – zu übertragen und dann eine unmittel- bare Rekapitalisierung von Finanzinstitutionen zu ermöglichen, sobald „ein einheitlicher Aufsichtsmecha- nismus für die Banken im Eurogebiet geschaffen worden ist“ – Erwägungsgrund Nr. 5 der Präambel. Dies ist mei- ner Meinung nach ein Versuch, den zweiten vor dem ers- ten Schritt zu machen. Er widerspricht elementar den ökonomischen Anreizen. Das Finanzhilfeabkommen enthält sogar ein autonomes Vertragsänderungsverfah- ren, das den Vertragsparteien die Kompetenz überträgt, die Finanzhilfevereinbarung eigenständig zu ändern – Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h. Anders ausgedrückt: Die Haftung Spaniens kann durch die Vertragsparteien selbst ausgehebelt werden, sobald die Beschlüsse der EU- Staats- und Regierungschefs vom 28./29. Juni 2012 um- gesetzt sind. Damit wäre der Grundstein für eine künf- tige Vergemeinschaftung von Bankenschulden gelegt. Richtig wäre es jetzt, im Euro-Raum eine Insolvenzord- nung für Banken zu etablieren, um die Restrukturierung oder geordnete Abwicklung von Banken in einem vor- hersehbaren und transparenten Verfahren zu ermögli- chen. Vor diesem Hintergrund kann ich dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. Rolf Schwanitz (SPD): Die Abstimmungen des Deutschen Bundestages zum Fiskalpakt und zum ESM am 29. Juni 2012 waren überschattet vom Ergebnis des Gipfeltreffens der Euro-Länder vom gleichen Tage. In der Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungs- gebiets vom 29. Juni 2012 wurden weitreichende Locke- rungen für das gegenwärtige und künftige Euro-Ret- tungsgeschehen beschlossen. Dazu gehörten vor allem die Schaffung einer direkten, nicht über ein einzelnes Mitgliedsland laufenden Rekapitalisierungsmöglichkeit für Banken durch den ESM sowie neue, unkonditionier- tere Hilfen aus dem EFSF/ESM, bei denen nicht mehr auf der Grundlage von Troika-Berichten im Detail kon- ditionierte Vollprogramme abgeschlossen werden, son- dern lediglich die Einhaltung der Vorgaben des Europäi- schen Semesters, des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie der länderspezifischen Empfehlungen zur Bedin- gung gemacht wird. Da dies von der aktuellen Fassung des ESM nicht gedeckt ist, erklärte die Bundesregierung am 29. Juni 2012, hinsichtlich des Instruments einer di- rekten Bankenhilfe zu einem späteren Zeitpunkt eine er- neute Gesetzesänderung durch das Parlament erwirken zu wollen. Ich habe den von der Bundesregierung eingebrachten Antrag zur Finanzhilfe zugunsten Spaniens heute abge- lehnt, weil mit diesem Antrag in meinen Augen die mit der Gipfelerklärung vom 29. Juni 2012 beschlossenen Lockerungen ohne weitere parlamentarische Diskussion bereits innerhalb des Rechtsrahmens des EFSF weitge- hend vollzogen werden. Das mache ich an folgenden Be- wertungen fest: Zwar wird mit dem vorliegenden Antrag noch keine direkte Bankenhilfe durch den EFSF ermöglicht. Den- noch ist mit der vorgelegten Vereinbarung erstmalig nicht allein der spanische Staat Vertragspartner des EFSF. Der spanische Bankenrestrukturierungsfonds FROB wird neben dem spanischen Staat Vertragspartner und übernimmt ausweislich der Nr. 13 der Vereinbarung gegenüber dem EFSF die letztendliche Haftung. Der FROB ist deshalb viel mehr als nur ein Bevollmächtigter – Agent – des spanischen Staates. Er ist vollwertiger Vertragspartner des EFSF und tritt in letzter Konsequenz bei der Haftung anstelle des spanischen Staates. Die Hilfen werden dem spanischen Staat ohne weitere auf den Staat bezogene Konditionen gewährt. Der Ab- schluss eines Vollprogramms ist gerade nicht Vorausset- zung für den Erhalt der – indirekten – Bankenhilfe durch den EFSF. Der Verweis auf die Einhaltung der für Spa- nien geltenden Empfehlungen des Rates zum nationalen Reformprogramm – Ratsdrucksache 11273/12 – ist in meinen Augen als Ersatz für konkrete Konditionen nicht geeignet. Abzüglich der Erwägungsgründe werden hier lediglich acht allgemeine Empfehlungen benannt, die ei- nen Textumfang von zwei Seiten nicht überschreiten. Das halte ich im Blick auf Darlehen in der beabsichtig- ten Gesamthöhe von 100 Milliarden Euro für unzurei- chend. Darüber hinaus kritisiere ich am vorliegenden Antrag, dass eine Ermächtigung zu einem Darlehen in einer unbe- stimmten Gesamthöhe von – siehe Drucksache 17/10320, Seite 1 – „bis zu“ 100 Milliarden Euro erteilt werden soll, ohne dass der konkrete Finanzbedarf ermittelt und dargestellt worden ist, dass die Bankenhilfe ganz offen- sichtlich nicht oder nicht ausschließlich zur Rekapitali- sierung von systemrelevanten spanischen Banken be- stimmt ist und dass die Bundesregierung bisher keine substanziellen Fortschritte bei der Regulierung des euro- päischen Banken- und Finanzmarktes erreicht hat noch solche Regulierungen künftig beabsichtigt. Die im An- trag aufgezeigte Bankenhilfe für Spanien ist ebenfalls nicht an entsprechende Bedingungen geknüpft worden. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Im Grundsatz bin ich bereit, Finanzhilfe für Spanien mitzutragen, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro- Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die nun vorge- sehene Finanzhilfe zugunsten Spaniens erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen hierfür. Das Gebot strikter Konditionalität wird durch- brochen, indem die Finanzhilfe an Spanien gewährt wird, ohne dass im Gegenzug angemessene Auflagen für das Land selbst vereinbart wurden. Die sektorale Finanz- hilfe für Banken kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bankbilanzen ein Spiegelbild der gesamtwirt- schaftlichen Lage des Landes sind. Im Übrigen ermög- licht es die Vereinbarung mit Spanien grundsätzlich, die Finanzhilfe auch für den Ankauf von spanischen Staats- anleihen auf dem Primär- oder Sekundärmarkt einzuset- zen (Ziffer 2 Abs. 2 Buchstabe h und i). Es wäre daher ein nationales Reformprogramm für Spanien erforder- lich, das selbstverständlich die bereits durchgeführten substanziellen Reformschritte berücksichtigen könnte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22847 (A) (C) (D)(B) Die Haftung Spaniens für die gewährte Finanzhilfe wird sich nicht wie vereinbart durchsetzen lassen. Zum einen sollen Darlehen auch an bereits verstaatlichte spa- nische Banken ausgereicht werden, bei deren Insolvenz Spanien gehalten wäre, Finanzhilfe für das ganze Land zu beantragen. Zum anderen sieht die Vereinbarung mit Spanien bereits vor, die Finanzhilfe auf den Europäi- schen Stabilitätsmechanismus zu übertragen und dann eine unmittelbare Rekapitalisierung von Finanzinstitu- tionen zu ermöglichen (Erwägungsgrund Nr. 5 der Prä- ambel). Hierzu enthält die Finanzhilfevereinbarung so- gar ein autonomes Vertragsänderungsverfahren, das den Vertragsparteien die Kompetenz überträgt, die Finanz- hilfevereinbarung eigenständig zu ändern (Ziffer 14 Abs. 6 Buchstabe h). Auf diesem Wege kann die Haf- tung Spaniens durch die Vertragsparteien selbst ausgehe- belt werden, sobald die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom 28./29. Juni 2012 umgesetzt sind. Die Finanzhilfevereinbarung mit Spanien legt damit eine Grundlage für die künftige Vergemeinschaftung von Bankenschulden. Stattdessen wäre es geboten, im Euro- Währungsgebiet eine Insolvenzordnung für Banken zu etablieren, um die Restrukturierung oder geordnete Ab- wicklung von Banken in einem vorhersehbaren und transparenten Verfahren zu ermöglichen. Aus diesen Gründen sehe ich mich nicht in der Lage, dieser Finanzhilfevereinbarung zuzustimmen. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Ich lehne den Antrag ge- mäß § 3 StabMechG auf Zustimmung des Bundestages zum Abschluss einer Vereinbarung für Hilfen zugunsten Spaniens mit dem Zweck einer Stabilisierung des dorti- gen Finanzsektors ab. Der vorliegende Antrag wird zwar unter den Regula- rien der zeitlich befristeten Europäischen Finanzstabili- sierungsfazilität, EFSF, gestellt, deren Errichtung ich zu- gestimmt habe. Der heutige Antrag umfasst aber auch die spätere Übertragung der Hilfen zugunsten Spaniens auf den Europäischen Stabilisierungsmechanismus, ESM. Der Errichtung des ESM habe ich meine Zustim- mung verweigert, da ich den damit verbundenen Ein- stieg in eine dauerhafte Stützung nicht wettbewerbsfähi- ger Volkswirtschaften in der Euro-Zone ablehne. Ich halte es für ausgeschlossen, auf diesem Weg die notwen- digen strukturellen Veränderungen durchzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder innerhalb der Euro-Zone wiederherstellen würden. Daher werden in absehbarer Zeit die Transfers nicht beendet werden kön- nen, ohne dass die betreffenden Staaten wieder densel- ben Finanzierungsproblemen begegnen wie derzeit. Die Kräfte der noch kreditwürdigen Kernstaaten der Euro- Zone werden aber nur für eine sehr begrenzte Zeit aus- reichen, Transfers zugunsten der Staaten zu garantieren, die sich selbst am Kreditmarkt nicht mehr finanzieren können. Notwendig wäre statt fortgesetzter Transfers eine Rückkehr zu einer strikten und umfassenden Beachtung der Nichtbeistandsklausel (No-Bailout). Damit wäre un- weigerlich verbunden, dass auch die Insolvenz eines Staats der Euro-Zone und die gegebenenfalls zeitlich be- grenzte Rückkehr zu einer eigenen Währung in Kauf zu nehmen wäre. Für diesen Fall müssten international ak- zeptierte Regelungen geschaffen werden. Die Auswir- kungen auf den Finanzsektor müssten in ähnlicher Weise wie nach der Finanzkrise 2007 eingegrenzt werden. Ich halte die zwar erheblichen, aber eher kurz- und mittelfristigen Risiken dieser Alternative für weniger schwerwiegend als die langfristigen Gefahren für die Stabilität unserer Währung und die politische Stabilität Europas, die mit der Errichtung einer europäischen Transferunion verbunden wären. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Stephan Kühn, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Arfst Wagner und Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Ein- holung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisie- rungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabi- lisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tages- ordnungspunkt 1 b) Spanien hatte am Ausgangspunkt der Krise 2007 eine überaus geringe Staatsverschuldung von 42 Prozent des BIP. Erst aufgrund der notwendig gewordenen Rettungs- aktionen für den spanischen Finanzsektor stieg die offi- zielle Staatsschuldenquote auf über 80 Prozent an, liegt damit aber immer noch unter der deutschen Schulden- quote. Trotzdem hat Spanien ein akutes Refinanzie- rungsproblem und muss vor weiteren Zinssteigerungen geschützt werden. Das zeigt, dass die von den Regie- rungsparteien geprägte Interpretation dieser Krise als reine Staatsschuldenkrise sachlich falsch ist. Entspre- chend ist auch die Politik, die daraus folgte und einseitig die staatliche Ausgabenpolitik zu korrigieren versuchte, kein geeigneter Ansatz zur Lösung dieser Krise. Im Ge- genteil: Der spanische Staat wird so derzeit von Finanz- märkten und europäischer Politik zu einer mittel- und langfristig schädlichen Kürzungspolitik gezwungen. Deswegen halten wir generell eine Unterstützung Spa- niens auch für wichtig. Denn jeder Schuldner kann, wenn die Zinsen hoch genug steigen, in die Insolvenz gedrückt werden. Gleichzeitig besteht der Ansteckungseffekt fort, der von Griechenland über Irland und Portugal nun auch Spanien und Zypern erfasst. Denn wieder einmal beschränkt sich das von den europäischen Staats- und Regierungschefs Vereinbarte auf das kurzfristig Notwen- dige, erreicht aber nicht das mittelfristig Erforderliche. Denn der Zinsdruck auf Spanien wird nur insofern gemindert, als das derzeit für die Bankenrettung für nö- tig erachtete Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro 22848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) zinsgünstig über die EFSF refinanziert werden kann. Angesichts eines spanischen Refinanzierungsbedarfs von 152 Milliarden Euro allein im Jahr 2013 wird aller- dings unmittelbar deutlich, dass das nicht genügen kann, um auch nur zwei Jahre Stabilität zu sichern, Der eigentliche Grund für die dramatische Lage in Spanien ist die hohe Verschuldung von Privathaushalten, Unternehmen und Banken, die im Zusammenhang mit der Immobilienblase entstand. Sie wird erst jetzt nach und nach in ihrer vollen Höhe transparent, da die spani- schen Aufsichtsbehörden – auch politisch motiviert – versagt haben, das Problem frühzeitig anzugehen. Seit Monaten nun verschleppt die spanische Regierung die Sanierung des maroden Bankensektors. Das wird dazu genutzt, Verbindlichkeiten der Institute dahin gehend umzuschichten, dass eine Gläubigerbeteiligung immer schwieriger wird. Derzeit bieten spanische Banken ihren Nachrangkapitalgebern den Umtausch ihres Kapitals In Verbindlichkeiten niedrigerer Haftungsränge an, um diese Investoren vor etwaigen Beteiligungen zu schüt- zen. Wie schädlich diese Entwicklung ist, zeigt sich da- ran, dass Ende 2009 noch über 100 Milliarden Euro an Nachrangkapital zur Verfügung standen, die Verluste im Bankensektor hätten absorbieren können. Doch im April 2012 waren es nach Analystenschätzungen nur noch rund 57 Milliarden Euro. Jetzt werden signifikante Teile des verbleibenden Nachrangkapitals von Kleinanlegern gehalten, die aufgrund von Falschberatung und Rück- erstattungsansprüchen möglicherweise nicht so leicht herangezogen werden können. Das heißt: Wären diese Investoren frühzeitig beteiligt worden, wäre ein europäi- sches Hilfspaket wahrscheinlich gar nicht nötig gewe- sen. Heute jedoch ist Spanien auf die Unterstützung der anderen europäischen Staaten angewiesen. Dass die Hilfe zweckgebunden ausschließlich für den Bankensektor gewährt wird, hat vor dem Hintergrund der spanischen Situation zwar eine inhaltliche Plausibili- tät. Letztlich ist es jedoch der Versuch zu vermeiden, dass Spanien zum Programmland wird und damit als Garantiegeber für die EFSF ausscheidet, sowie der Re- gierung eines großen EU-Mitgliedslands die Schmach einer allgemeinen Hilfsaktion und damit eines weitge- henden Verzichts auf wirtschaftspolitische Souveränität zu ersparen. Problematisch ist allerdings weniger dies, sondern die Tatsache, dass damit kaschiert wird, dass sich Spanien de facto doch zu weitgehenden Austeritäts- maßnahmen verpflichten musste. So übernimmt der Deutsche Bundestag eben nicht nur die Verantwortung für die Freigabe der Mittel aus dem Bundeshaushalt; sondern auch für die damit verbundenen Konditionen, die Spanien weiter in die Rezession treiben, die Arbeits- losigkeit erhöhen und die sozialen Kosten der Krise stei- gern werden. Dem können wir nicht zustimmen. In dem von der Euro-Gruppe und Spanien ausgehan- delten Memorandum of Understanding, MoU, wird die generelle Absicht geäußert, die Stabilisierung des spani- schen Finanzsystems möglichst schonend für den Steu- erzahler zu gestalten. Das ist zwar zu begrüßen, allerdings sind die genauen Konditionen der Banken- restrukturierung und -abwicklung bei der heutigen Be- willigung der 100 Milliarden Euro Hilfsgelder noch nicht spezifiziert. Denn erst nach dem angekündigten Stresstest wird Klarheit darüber herrschen, wie viel zu- sätzliches Kapital die Banken benötigen und welcher Anteil davon vom spanischen Staat (über die Finanzie- rung der EFSF) getragen werden muss und wie genau Gläubiger beteiligt werden. Dabei ist wichtig zu bemer- ken, dass die Ausgestaltung des Stresstests ein Politikum und keine reine technische Übung von Experten ist. Denn je nach zugrundegelegtem Szenario wird eine Bank als überlebensfähig oder systemrelevant gelten und dementsprechend staatliche Kapitalspritzen erhalten oder nicht. Wir halten es vor diesem Hintergrund für richtig, als Notmaßnahme der EFSF zugunsten Spaniens zur möglicherweise kurzfristig notwendigen Rekapitali- sierung von Finanzinstitutionen Mittel bis zu einer Ge- samthöhe von 30 Milliarden Euro zuzustimmen, die bis Ende Juli 2012 bereitgestellt und von der EFSF in Re- serve gehalten werden. Für die weiteren 70 Milliarden Euro wäre es hingegen richtig, dass der Bundestag ab- stimmt, wenn das Restrukturierungsgesetz in Spanien verabschiedet worden ist, die Ergebnisse des Stresstests vorgelegt wurden und die Pläne für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken im Herbst dieses Jahres über die tatsächlich benötigten Mittel bekannt sind. Jetzt muss der Bundestag eine Generalvollmacht ausstellen, die wir nicht für vertretbar halten. Im Herbst könnte er hingegen im Lichte der genannten Schritte eine realisti- sche Einschätzung über die Lasten und die geplanten Maßnahmen vornehmen. Der dadurch entstehende Anreiz für spanische Behörden und Troika, die Banken- rettung tatsächlich im Sinne des Steuerzahlers zu gestal- ten, wäre – gerade auch vor dem Hintergrund der Er- fahrungen bei der Bankenrettung in Deutschland und Irland – wichtig gewesen. Weiterhin ist besonders problematisch, dass es soge- nannte „Gruppe 3“-Banken geben soll, die bis Juni 2013 Zeit bekommen, sich über den Markt zu rekapitalisieren. Angesichts der spanischen Marktsituation ist das nur die Fortführung der Insolvenzverschleppung. Dies wird ne- ben monatelanger Unsicherheit auch dazu führen, dass diese Banken ihre Verbindlichkeiten weiter Richtung minder haftendem Kapital umbauen werden. Um diesen Prozess nicht fortzuführen, hätten wir eine simultane Sofortkapitalisierung bei systemrelevanten Banken be- fürwortet – und nicht einen stufenweisen Ansatz wie im MoU vorgeschlagen. Bei allen anderen Instituten, die sich nicht über den Markt rekapitalisieren können, be- dürfte es einer geordneten Insolvenz. Unklar bleiben auch die finanziellen Rahmenbedin- gungen bei der Übertragung von notleidenden Aktiva auf die Vermögensverwaltungsgesellschaft Asset Ma- nagement Company, AMC, die zu einem nicht näher de- finierten „tatsächlichen (langfristigen) wirtschaftlichen Wert (real economic value, REV)“ übernommen werden sollen. Hinzu kommt die geringe Möglichkeit zur öffentli- chen und parlamentarischen Kontrolle der vorgenomme- nen Maßnahmen. Dem spanischen Parlament wurden Memorandum of Understanding und andere Unterlagen gar nicht vorgelegt, eine effektive Kontrolle der Maß- nahmen zur Bankenstabilisierung ist so nicht möglich. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22849 (A) (C) (D)(B) Wir halten eine Überprüfung durch den Europäischen Rechungshof und das Europäische Parlament für erfor- derlich. Die Überprüfung durch drei Institutionen, die jeweils keiner effektiven parlamentarischen Kontrolle unterliegen, nämlich EZB, EU-Kommission und IWF, kann das Fehlen einer parlamentarischen Kontrolle nicht wettmachen. Unsere Perspektive ist eine andere: – Mit einem Schuldentilgungsfonds kann nicht nur Spanien, sondern auch anderen Ländern die notwen- dige Stabilität gebracht werden, während zu stellende Sicherheiten den deutschen Steuerzahler vor Überfor- derung schützen. – Mit einem europäischen Ansatz wird der europäische Bankensektor gleichzeitig stabilisiert. Ein zügig ver- einbarter EU-Restrukturierungsrahmen stellt sicher, dass dafür vor allem die Kapitalgeber der Banken und nicht die Steuerzahler herangezogen werden. Wo trotzdem staatliche Rekapitalisierung erforderlich werden sollte, übernimmt ein europäischer Restruk- turierungsfonds die Eigentums- und Kontrollrechte. – Mit europäisch koordinierten Vermögensabgaben wird dafür gesorgt, dass die Lasten dieser Krise fair verteilt werden und die soziale Schere nicht weiter zunimmt. Dafür braucht es endlich einen Kurswechsel in Europa. Vor diesem Hintergrund enthalten wir uns bei dieser Abstimmung. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP), Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU), Sylvia Canel (FDP), Jens Ackermann (FDP), Lars Lindemann (FDP) und Manfred Kolbe (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Fi- nanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bun- destages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3 Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungsmechanis- musgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten Spaniens (Tagesordnungspunkt 1 b) Beim durch die Rettungslogik angestoßenen Euro- Domino fällt ein weiterer Stein. Nach Griechenland, Ir- land und Portugal geht es nun um das Königreich Spa- nien. Erstmals ist ein Staat mit so hohen Staatsschulden betroffen, dass die einfache Übernahme seiner Staats- schulden durch die Mitgliedstaaten der Euro-Zone nicht ohne weiteres tragbar ist. Da man den bisherigen Weg nicht weiter beschreiten kann, wird für Spanien erstmals von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Finanzhilfen in Form einer Bankenrekapitalisierungsfazilität bereitzu- stellen. Der genehmigte Betrag umfasst 100 Milliarden Euro. Einmal in Gang gesetzt, kann man das Fallen anderer Dominosteine nur unterbinden, wenn man einen Stein wegnimmt. Anders als von den Rettungseuropäern be- hauptet, hört das Domino nicht auf, wenn man die Schul- den weiterer Staaten und ihrer Banken subventioniert, sondern wenn man diese ordnungspolitische Sünde nicht mehr begeht. Erforderlich ist also, dass endlich Staaten und ihre Banken die Folgen ihres Handelns tragen. Für Staaten bedeutet dies, dass sie sich mit ihren Gläubigern auf eine Umschuldung einigen müssen, wenn sie die verlangten Zinsen nicht mehr zahlen kön- nen oder wollen. Ob man diesen Vorgang Umschuldung, Schuldenschnitt, Haircut, Resolvenz oder Insolvenz nennt, ist unbedeutend. Entscheidend ist allein der Um- stand, dass die Vertragsparteien ohne Subventionen und Intervention von Dritten zu einer Einigung kommen. Denn jede Einmischung Dritter zerstört den Effekt, den eine Umschuldung haben muss: Sie soll sowohl Gläubi- ger als auch Schuldner disziplinieren. Der Gläubiger soll lernen, dass er nicht blindlings Staaten Kredit geben kann, sondern soll das Insolvenzrisiko einpreisen müs- sen. Die schuldenden Staaten sollen lernen, dass sie nicht unentwegt und unbegrenzt ihre verantwortungslo- sen Ausgaben von heute mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft finanzieren können. Solange wir diesen Zusammenhang durch staatliches Handeln negieren, so lange wird sich die desaströse Si- tuation der Euro-Zone nicht verbessern. Die ökonomi- schen Anreize einer Umschuldung ohne Beeinträchti- gung von außen lassen sich nicht durch politische Instrumente simulieren. Schon wegen dieser grundsätzli- chen Überlegung müssen wir den Antrag der Bundesre- gierung ablehnen, Spaniens Banken und ihre Gläubiger auf Kosten des europäischen Steuerzahlers zu sanieren. Daneben existieren weitere Gründe, diesen Antrag abzulehnen: Erstens. Abkehr von der strengen Konditionalität: Legt man die bisherigen Maßstäbe der Rettungseuro- päer an, so bedeutet die Rekapitalisierung von Banken eine Abkehr von der versprochenen strengen Konditio- nalität, woran die europäischen Finanzhilfen bislang ge- koppelt waren. Spanien gehört anhand dieser bisherigen Maßstäbe unter ein makroökonomisches Anpassungs- programm. Es hat mit rund 50 Prozent die höchste Jugendarbeitslosigkeit Europas und eine reguläre Ar- beitslosenquote von circa 25 Prozent. Es verstößt fort- während gegen die Kriterien des Stabilitäts- und Wachs- tumspakts. Deswegen läuft gegen Spanien ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits. Die Abbauziele daraus hat es verfehlt. Gerade wurde – wie in Griechenland – der Umsetzungszeitraum verlängert. Doch selbst diese auf- geweichten Abbauziele wird Spanien nach Prognosen von Analysten verfehlen. Des Weiteren haben auch Spa- niens Regionen enorme Haushaltslöcher. Schließlich lei- det Spanien unter einem ständigen und hohen Kapitalab- fluss. In der Gesamtschau ist festzustellen, dass Spanien einen strukturellen Reformbedarf hat. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Zweitens. Immobilienblase noch nicht geplatzt: Die spanische Immobilienblase ist nicht einmal zur Hälfte abgebaut. Die Preise sind seit Sommer 2007 um 22850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) nur 19 Prozent gefallen. Sie liegen aber noch zweiein- halbmal so hoch wie Mitte der 90er-Jahre. Dagegen sind in Irland die Häuserpreise während der Krise um 50 Pro- zent eingebrochen. Dieser Einbruch bei den Häuserprei- sen hat einen entsprechenden Wertberichtigungsbedarf in den Bankbilanzen ausgelöst. Wenn man den Einbruch beim irischen Kreditvergabevolumen, der im Zusam- menhang mit dem Wertberichtigungsbedarf in den Bank- bilanzen steht, mit dem spanischen Kreditvergabevolu- men ins Verhältnis setzt, so ergibt sich für Spaniens Banken ein Kapitalbedarf in der Größe von mehr als 400 Milliarden Euro. Das ist viel mehr als der Bedarf von 52 bis 61 Milliarden Euro, von dem derzeit behaup- tet wird, er sei eine realistische Schätzung der Höhe der benötigten Subventionen. Es überrascht also nicht, wenn Bankanalysten ebenfalls zu einem deutlich höheren Wertberichtigungsbedarf kommen. So gibt es etwa eine Studie, die einen Wertberichtigungsbedarf auf die verge- benen Kredite der spanischen Banken in Höhe von 266 Milliarden Euro nennt. In jedem Fall ist das jetzige Paket deutlich unterdimensioniert. Weitere werden fol- gen müssen. Drittens. Einstieg in die direkte Rekapitalisierung der Banken: Die Spanien-Hilfe ist keine direkte Rekapitalisierung der spanischen Banken, aber doch ein Zwischenschritt dorthin. Das liegt an der Anrechnung der Sanierungskre- dite auf die spanische Staatsschuld. Kredite an Spanien in Form der heute beschlossenen Bankenrekapitalisie- rungsfazilität erhöhen die spanische Staatsschulden- quote. Die jetzt bereitgestellten 30 bzw. 100 Milliarden Euro werden spätestens bei Auszahlung die spanische Schuldenquote erhöhen. Kalkuliert man in einem Ge- dankenexperiment überschlägig die Staatsschuldenquote Spaniens, wenn alle benötigten Subventionen zur Sanie- rung des Bankensektors als Kredite an Spanien vergeben würden, so ergäbe sich folgendes Bild: Bei realistischen Wertberichtigungen in Höhe von 266 – bzw. 400 – Milliarden Euro erhöht sich die spani- sche Staatsschuldenquote von 68,4 Prozent im Jahr 2011 auf 95 Prozent – bzw. 110 Prozent – im Jahr 2012. Die Folgen sind klar: Ratingagenturen würden Spanien her- abstufen und seine Anleihen als Ramsch beurteilen, wenn dies Realität würde. Zusätzlich hat Spanien in ei- ner unbekannten Größenordnung für spanische Bank- schulden gebürgt, insbesondere auch deshalb, um Abschreibungen in den spanischen Bankbilanzen zu ver- hindern. Wenn Spaniens Kreditwürdigkeit auf Ramsch absinkt, so müssten die spanischen Banken diese staat- lich garantierten Forderungen wertberichtigen. Zusätz- lich entfiele die Zentralbankfähigkeit dieser Forderun- gen. Eine Erhöhung der spanischen Staatsschuldenquote gefährdet daher das Rating Spaniens und in der Folge das spanische Bankensystem insgesamt. Das ist der Grund, warum in der Rettungslogik die spanischen Ban- ken möglichst finanziert werden sollen, ohne die Schul- den des Königreichs Spanien zu erhöhen. Eine direkte Rekapitalisierung der spanischen Banken würde indes die Staatsschuldenquote Spaniens nicht berühren. Genau aus diesem Grund hat bislang kein maßgebli- cher Politiker die direkte Bankenrekapitalisierung expli- zit ausgeschlossen. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass zunächst eine „gemeinsame europäische Banken- aufsicht“ vorliegen müsse. An dieser wird bereits gear- beitet, und konkrete Umsetzungsvorschläge sollen im Herbst vorliegen. Zu diesem Sachverhalt passt auch, dass die zunächst bereitgestellten 30 Milliarden Euro nur als Reserve dienen und nicht ausgezahlt werden sollen – denn jede Auszahlung an Spanien erhöht den spanischen Schuldenstand. Man wartet mit der Auszahlung bewusst ab, bis man die Möglichkeit der direkten Rekapitalisie- rung geschaffen hat. Viertens. Fehlende Systemrelevanz: Der Beschluss der G-20-Staaten, keine systemrele- vante Bank pleitegehen zu lassen, betrifft in Spanien allein die Banco Santander, denn diese ist nach den Kri- terien des Financial Stability Board die einzige system- relevante Bank Spaniens. Die Banco Santander ist aus- reichend kapitalisiert. Selbst gemäß dem Memorandum of Understanding ist keine der drei größten spanischen Banken zur Rekapitalisierung vorgesehen. Gerettet wer- den also nur nichtsystemrelevante Banken, das sind lo- kale und regionale Banken, vor allem Sparkassen. Ohne Systemrelevanz besteht kein Anlass, eine Bank vor der Insolvenz zu retten. Sie können pleitegehen, ohne das Finanzsystem als Ganzes zu gefährden. In diesem Zu- sammenhang erinnere ich an unsere gesetzlichen Vo- raussetzungen für Hilfen aus der EFSF. In § 1 Abs. 2 StabMechG heißt es: Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungs- gebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit er- griffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Hilfen für nichtsystemrelevante Banken sind nach deutschem Recht unzulässig. Fünftens. Keine Beteiligung der systemrelevanten Banken und des Bankensektors insgesamt: Anders als in Deutschland tragen die spanischen Ban- ken nicht zur Bewältigung der Finanzkrise in Spanien bei. So leisten nach Auskunft unserer Bundesregierung spanische Banken zwar Beiträge zum FROB, werden aber weder über eine Bankenabgabe noch über eine frei- willige Beteiligung an der Bewältigung der Krise betei- ligt. In Deutschland haben die Privatbanken freiwillig 8,5 Milliarden Euro allein zur Abwicklung der Hypo Real Estate beigetragen. Das auf die spanische Situation übertragbare Argument war, dass die Stützung der Hypo Real Estate der deutschen Kreditwirtschaft insgesamt nutze. Während die finanzielle Beteiligung der spanischen Kreditwirtschaft an der Bankenrettung schwach ist, sind die Mitspracherechte an der Mittelverwendung ausge- prägt. Die Sanierung der spanischen Banken liegt in der Hoheit des FROB, an den die Mittel der EFSF ausge- zahlt werden. Mit der Auszahlung von Sanierungshilfen zur Restrukturierung bzw. Abwicklung soll bei den Ban- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22851 (A) (C) (D)(B) ken aus Gruppe 1 und Gruppe 2, die staatliche Hilfen be- nötigen, noch vor Jahresende begonnen werden. Die Gremien des FROB werden jedoch zumindest teilweise von aktiven Bankmanagern besetzt. Gemäß Nr. 27 von Anhang 2 zum Memorandum of Understanding sollen die dadurch entstehenden Interessenkonflikte aber erst zum 1. Januar 2013 ausgeräumt werden. Zu diesem Zeit- punkt werden die europäischen Subventionen bereits zu einem großen Teil verwendet worden sein. Sechstens. Restrukturierung nicht nach ordnungspoli- tischen Regeln: Schließlich ist das Herausboxen der Eigentümer und der Gläubiger ein schwerer Verstoß gegen ordnungspoli- tische und marktwirtschaftliche Prinzipien. In erster Li- nie müssen bei einer Überschuldungssituation die Eigen- kapitalgeber haften. Dies geschieht technisch durch eine Kapitalherabsetzung, aufgrund der sie ihre Beteiligung am Unternehmen verlieren. Für diesen Fall steht das Ei- genkapital als Haftungsreservoir zur Verfügung. Bevor es zu einer Subventionierung durch den europäischen Steuerzahler kommt, muss dieses Haftkapital vollständig aufgebraucht werden. Entsprechend einer Antwort des BMF beläuft sich „die Summe des haftenden Eigenkapi- tals der spanischen Kreditwirtschaft … nach Angaben der spanischen Zentralbank auf 249 300 Millionen Euro (Stand 30. April 2012)“. Wenn die uns vorgelegten An- gaben korrekt sind, dass mit einem Kapitalbedarf zwi- schen 52 und 61 Milliarden Euro zu rechnen ist, dann sollte diese Summe leicht aus dem haftenden Eigenkapi- tal der spanischen Kreditwirtschaft aufzubringen sein. Selbst wenn das Eigenkapital komplett verbraucht werden sollte, bestünde kein Anlass, den europäischen Steuerzahler sofort zu belasten. Denn erst müssen die Gläubiger der Reihenfolge ihres Ranges nach zwingend beteiligt werden. Dies sieht der Antrag des BMF aus- drücklich nicht vor. Äußerst intransparent vollzieht sich die Auslagerung wertgeminderter Aktiva in die noch zu gründende Asset Management Company, – AMC. Die wertgeminderten Aktiva sind in den spanischen Bankbilanzen zu einem bedeutenden Teil nicht wertberichtigt worden. Das liegt unter anderem daran, dass per Sondergesetz das Bilanz- recht für bestimmte Aktiva so verändert wurde, dass Wertberichtigungen nicht mehr erforderlich waren. Die Auslagerung dieser Aktiva erfolgt gemäß Nr. 21 des Me- morandum of Understanding zum Real Economic Value. Dieser ist indes nicht der Marktwert der Aktiva, sondern wird durch eine Kommission unter Beteiligung von Eurostat bestimmt. Dadurch ist einerseits eine verdeckte Subventionierung eigentlich abzuwickelnder spanischer Banken vorgezeichnet. Andererseits sind Verluste bei der übernehmenden AMC vorprogrammiert, die sich aus der Differenz zwischen Real Economic Value und tat- sächlichem Erlös ergeben. Diese Verluste werden erst über den Zeitraum vieler Jahre realisiert werden, da die Aktiva bis zur Endfälligkeit gehalten werden können. Dem FROB droht in Bezug auf die übernommenen spa- nischen Aktiva ein ähnliches Schicksal wie der FMS Wertmanagement in Bezug auf griechische Staatsanlei- hen: Ihr Griechenland-Portfolio musste kürzlich zusam- men mit den korrespondierenden Derivatepositionen zum Jahresabschluss 2011 mit 8,9 Milliarden Euro wert- berichtigt werden. Für den FROB sind schlimmere Haf- tungssummen zu erwarten, die der europäische Steuer- zahler auf Jahre hinaus bezahlen wird. Siebtens. Anwendung der Regeln mit zweierlei Maß spaltet Europa: Erneut werden die rechtsstaatlichen Regeln Europas mit Füßen getreten werden. Während Irland ein umfas- sendes Restrukturierungsprogramm bewältigen muss und dies ebenfalls Zypern droht, obwohl beide Länder nur ein Bankenproblem haben, werden sie anders als Spanien behandelt. Dabei hat Spanien neben seinem Bankenproblem auch ein tiefgreifendes Strukturpro- blem seiner Wirtschaft. Große und kleine Länder werden in Europa unterschiedlich und ungleich behandelt. Bei den Kleinen kommt der Sparkommissar, bei den Großen kommt der Geldkoffer. Diese Ungleichbehandlung zer- stört das Europa des Rechts und der Freiheit. Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zu- satztagesordnungspunkt 1) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012, in dem die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet wurde, hat zu Verunsicherun- gen einerseits bei jüdischen und muslimischen Reli- gionsgemeinschaften, andererseits bei Ärzten geführt. Dem Urteil kommt aber auch weit über die Religionsge- meinschaften und Fachkreise hinaus große Aufmerk- samkeit zu. Dies geschieht aus gutem Grund, denn die Beschneidung – oder auch Zirkumzision – betrifft nicht nur einen, sondern mehrere grundrechtsensible Bereiche. Will man rechtliche Regelungen zur Beschneidung treffen, müssen verschiedene miteinander kollidierende grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander ab- gewogen werden: das Recht auf körperliche Unversehrt- heit, die Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Erziehung. Das Wohl des Kindes ist ein zentraler Ge- sichtspunkt: Seine körperliche Unversehrtheit und sein Recht, als gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsge- meinschaft aufzuwachsen, müssen im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Jede Operation erfüllt den Tatbestand der Körperver- letzung. Durch rechtswirksame Einwilligung ist sie ge- rechtfertigt und dann straffrei. Religionsfreiheit umfasst die Freiheit, einen Glauben zu haben, und die Freiheit, den Glauben ausüben zu kön- nen. Der Staat hat die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, sowohl die körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen zu schützen als auch die Religionsfreiheit zu 22852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) gewährleisten und hierbei auch das Elternrecht auf Er- ziehung zu berücksichtigen. In Deutschland muss muslimisches und jüdisches re- ligiöses Leben weiterhin möglich sein. Ich begrüße die religiöse Vielfalt, die es in unserem Land gibt. Gleich- zeitig müssen wir sicherstellen, dass Eingriffe in die kör- perliche Unversehrtheit nur in begründeten Fällen zuläs- sig sind und vor allem medizinisch korrekt und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt werden. Um eine gute Regelung zu finden, dürfen wir nicht vorschnell zulasten des einen oder anderen Grundrechts entscheiden. Statt dessen müssen wir eine intensive, vielschichtige und facettenreiche Diskussion führen. Hierbei müssen wir die Konsequenzen berücksichtigen, die die verschiedenen Möglichkeiten mit sich bringen. Dazu müssen wir das Gespräch mit Vertretern der Reli- gionsgemeinschaften, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten suchen, alle Argumente abwä- gen und auswerten und alle möglichen Blickwinkel ein- nehmen. Eine nicht vollständig durchdachte Regelung kann mehr Unruhe stiften als Rechtsfrieden bringen. Wir müs- sen eine ausgewogene, dauerhafte Regelung finden und nicht voreilige Entscheidungen treffen. Daher enthalte ich mich in der Abstimmung über den Antrag. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Abwei- chend vom Votum „Enthaltung“ der Linksfraktion stimme ich diesem Antrag zu. Die rechtliche Einordnung der Beschneidung muss in der Tat so schnell und so gründlich wie möglich geklärt werden. Für mich ist dabei oberstes Gebot: Das jüdische und muslimische Leben, für das die Beschneidung von Jun- gen eine zentrale religiöse Bedeutung hat, muss weiter- hin in Deutschland möglich sein. Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass die Beschneidung männlicher Kinder nicht ver- gleichbar ist mit weiblicher Genitalverstümmelung, die ich verurteile. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Der vorgelegte interfraktionell erarbeitete Antrag findet nicht meine Zu- stimmung. Das Landgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 7. Mai 2012 die Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen als rechtswidrige Körperverlet- zung gewertet. Grundsätzlich entfaltet die Entscheidung über den konkreten Einzelfall hinaus keine rechtliche Bindung; dennoch zeigt das Urteil, dass eine grundsätz- liche öffentliche Diskussion und Bewertung der religiö- sen Beschneidungen geboten ist. Die Notwendigkeit in dieser grundsätzlichen Frage, in Form eines Ad-hoc-Verfahrens zu einer zeitnahen ge- setzlichen Regelung zu kommen, ist aus meiner Sicht mit Blick auf die Komplexität der Thematik nicht ange- messen. Die Debatte über religiöse Beschneidungen sollte ohne Präjudiz, wie die im Antrag vorgenommene Vor- festlegung, die religiöse Beschneidung weiterhin zu er- möglichen, erfolgen. Grundsätzlich erkenne ich die Beschneidung als kon- stitutives Element des jüdischen und muslimischen Glaubens an. Aus meiner Sicht ist es jedoch geboten, zu prüfen, ob die Beschneidung nicht auch in einem Alter erfolgen kann, in dem das Kind selbst in der Lage ist, seine Zustimmung zu geben. Eine adäquate Auseinandersetzung mit der religiösen Beschneidung sollte aus meiner Sicht neben den Bera- tungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages auch eine Einbeziehung des Ethikrates und gegebenen- falls durch die Einsetzung einer Enquete-Kommission erfolgen. In einem solchen, breit angelegten Verfahren könnte auch über weitere Grenzfälle zwischen religiöser Praxis und rechtsstaatlichen Erfordernissen, wie den Umgang mit dem rituellen Schlachten – Schächten – in angemessener Form diskutiert werden. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Be- schneidung kleiner Jungen ist eine sehr schwierige, denn sie berührt mehrere Grundrechte: die Freiheit der Reli- gion und das Erziehungsrecht der Eltern auf der einen Seite, das Recht auf körperliche Unversehrtheit auf der anderen. Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass man es Religionsgemeinschaften in unserem Rechtsstaat nicht erlauben sollte, in andere Grundrechte einzugrei- fen, dass ihnen aber eine aktive und gegebenenfalls auch institutionelle Rolle im öffentlichen Leben zukommt. Wenn Religion, die für viele Menschen eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielt, Teil der politischen Debatte wird, dann werden auch religiöse Traditionen mit Ge- genmeinungen konfrontiert, dann müssen sie sich mit der Realität der Gegenwart auseinandersetzen. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass sich katholische Organi- sationen am Verfahren der Schwangerschaftskonfliktbe- ratung beteiligen. Diese Diskussion im Hinblick auf die Beschneidung von Jungen ist auch in den jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften im Gange. Dennoch, das zei- gen auch die öffentlichen Meinungsäußerungen der letz- ten Wochen, ist für die große Mehrheit der betroffenen Gläubigen die Beschneidung noch immer ein essenziel- les Element ihrer religiösen Identität. Sie zu verbieten, bzw. ihre Ausführung im Zwielicht rechtlicher Unklar- heit zu belassen, würde für viele Jüdinnen und Juden, Muslima und Muslime eine Ausübung ihrer religiösen Identität in diesem Land deutlich erschweren oder ver- unmöglichen. Es bestünde zudem die Gefahr, dass der Eingriff in die sprichwörtlichen Hinterzimmer verlagert würde, wo das Kindeswohl in deutlich größerer Gefahr ist, als das bei der gegenwärtigen Praxis der Fall ist. Der körperliche Eingriff der männlichen Beschnei- dung ist in seinen Auswirkungen zudem offensichtlich nicht derart belastend, dass es klare medizinische War- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22853 (A) (C) (D)(B) nungen davor gäbe. Für einige Regionen der Welt – wenn auch nicht für unsere – wird die Beschneidung gegenwärtig sogar noch von der Weltgesundheitsorgani- sation als Standardeingriff indiziert und aus medizini- schen Gründen auch hierzulande regelmäßig durchge- führt. Zudem ist aus den jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften selbst bislang noch kein nen- nenswerter Widerstand gegen diese Praxis zu verneh- men. Deswegen ist es geboten, jetzt rechtliche Klarheit zu schaffen und den Eingriff – unter Berücksichtigung des größtmöglichen Schutzes der Kinder – zu regeln und zu erlauben. Die genaue Ausgestaltung dieser gesetzlichen Regelung sollte unter Einbeziehung medizinischen Rats und verschiedener Stimmen aus den betroffenen Reli- gionsgemeinschaften geschehen. Damit geben wir auch den Debatten innerhalb dieser Gemeinschaften einen größeren Platz in der Öffentlichkeit. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Memet Kilic und Viola von Cramon-Taubadel (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfrei- heiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit – Glaubensfreiheit, Nichtglauben, Wechsel der Religionen –, aber auch kör- perliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie miteinander kollidieren, sind sie abzuwägen, und es muss gegebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditio- nen beinhalten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und der neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verstehen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zu- rückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr brin- gen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil un- serer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Part- nerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind nicht das Eigentum der Eltern, der Religionsgemeinschaften oder des Staats. Sie sind Indi- viduen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewähr- leisten, obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzli- chen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Ein- griffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Rituale der Religionsgemeinschaften, die ei- nen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – sogar bei Kleinkindern – darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemeinschaften bzw. Eltern zu überlassen sind. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vorder- gründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politi- sche Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irre- versiblen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziolo- gischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung – im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekenntnis – zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Übergangs- kompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen, gesellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfol- gen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Fritz Kuhn und Claudia Roth (Augs- burg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Re- gelung der Beschneidungen von Jungen (Zu- satztagesordnungspunkt 1) Wir stimmen der Forderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jun- gen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist, zu. 22854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) Die Rechtsauffassung eines Richters einer kleinen Strafkammer des Kölner Landgerichts hat zu tiefgreifen- der Verunsicherung bei Ärzten und jüdischen und musli- mischen Eltern geführt. Bei der Beschneidung von Jungen handelt es sich um einen klassischen Grundrechtskon- flikt, der im Wege der praktischen Konkordanz auszu- gleichen ist, wobei jede Grundrechtsposition optimal zu verwirklichen ist. Eine Beschneidung ist tatbestandlich – wie jede Ope- ration – eine Körperverletzung, die durch rechtswirk- same Einwilligung gerechtfertigt werden kann und dann straffrei ist. Bei Minderjährigen handeln grundsätzlich die Eltern stellvertretend für das Kind und sind dabei an das Kindeswohl gebunden. Die Wahrung der körperli- chen Unversehrtheit und das Recht des Kindes, als voll- wertiges und gleichberechtigtes Mitglied einer Reli- gionsgemeinschaft aufzuwachsen, sind jeweils Aspekte des Kindeswohls. Der körperliche Eingriff bei einer Be- schneidung ist ein irreversibler Eingriff mit niedriger Ein- griffstiefe, soweit er medizinisch fachgerecht durchgeführt wird. Er wird zum Teil auch aufgrund von hygienischen und prophylaktischen Überlegungen durchgeführt. In den abrahamitischen Religionen ist das Beschneidungsgebot das erste und zugleich die Begründung des Bundes mit Gott. Daher ist es für Juden zentral und für die meisten Muslime unverzichtbar. Der Staat muss bei einer rechtlichen Regelung darauf achten, dass die Beschneidung medizinisch fachgerecht von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Hier- durch verwirklicht er das Kindeswohl und schützt die Gesundheit des Kindes – Art. 2 GG. Im Falle einer Ille- galisierung der Beschneidung käme es sicher häufiger zu nicht fachgerechten Eingriffen durch unqualifizierte Be- schneider. Dies gilt es zu vermeiden. Jüdischer Glaube, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Dies wollen wir heute mit unserer Abstimmung auch zum Ausdruck bringen. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel Bas, Angelika Graf (Rosenheim), Angelika Krüger-Leißner, Caren Marks, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Bernd Scheelen und Andrea Wicklein (alle SPD): zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Wir haben heute gegen den Antrag gestimmt, weil das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung des Kindes nach unserer Meinung keinen Vorrang hat gegenüber dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrt- heit und Selbstbestimmung. Seit einigen Wochen wird in der deutschen Öffent- lichkeit das Urteil des Landgerichts Köln zur Strafbar- keit der Beschneidung ohne medizinische Indikation – Urteil vom 7. Mai 2012, Aktenzeichen 151 Ns 169/11 – diskutiert. Das Landgericht Köln kam darin zu der Ein- schätzung, dass dem Recht der Eltern auf religiöse Erziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, sodass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen ist. Begründet wurde diese in unseren Au- gen richtige Entscheidung damit, dass die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Grundge- setz ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf kör- perliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz begrenzt sind. Wir verkennen nicht, dass die Entscheidung des Kölner Landgerichts mit erheblichen Irritationen und ge- sellschaftlichen Verwerfungen, insbesondere bei Ange- hörigen der jüdischen oder muslimischen Glaubens- gemeinschaft, verbunden sein kann. Sie können nur schwer oder überhaupt nicht verstehen, weshalb eine über viele Generationen vollzogene Praxis ihres Glau- bensbekenntnisses nun in Deutschland verboten und strafrechtlich relevant sein soll. Dennoch können Grund- rechtsfragen nach unserer Auffassung aber nicht allein mit Verweis auf das tradierte Handeln und dadurch be- antwortet werden, dass man ein rechtliches Problem auf einen scheinbar rechtsfreien Raum verschiebt. Tatsächlich ist die Frage der Strafbarkeit der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Kindern aber seit langem ein gesellschaftliches Thema in Deutschland. Bei der religiös motivierten, me- dizinisch nicht indizierten Beschneidung von Mädchen – genitale Verstümmelung – hat sich in Deutschland in den letzten Jahren ein breiter ablehnender gesellschaftli- cher Konsens herausgebildet. Auch bei der religiös moti- vierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen hat dessen kritische Reflexion in den letzten Jah- ren erkennbar zugenommen. So verwies zum Beispiel das „Deutsche Ärzteblatt“ bereits im Jahre 2008 auf die strafrechtliche Relevanz solcher Eingriffe und empfahl den Ärzten, diese abzulehnen. Das Urteil des Landge- richts Köln ist deshalb in unseren Augen kein singuläres, abweichendes Ereignis. Es ist in unseren Augen viel- mehr nur ein vorläufiger Status einer neuen, auf dem Grundgesetz fußenden und sich im Interesse des Kindes- wohls vollziehenden rechtlichen Weiterentwicklung in Deutschland. Ausdruck dieser Weiterentwicklung ist nicht zuletzt auch die Verabschiedung der UN-Kinder- rechtskonvention und deren Ratifikation in Deutschland. Dass es sich bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen um einen schädigenden, irreversiblen Eingriff im Sinne einer tat- bestandlichen Körperverletzung handelt, erscheint uns unstreitig und klar. Die Häufigkeit der damit verbunde- nen, zum Teil sehr schweren gesundheitlichen Kompli- kationen wird in der Literatur sehr unterschiedlich be- schrieben. Wir halten eine Komplikationsrate von bis zu 10 Prozent für realistisch. Auch schwere gesundheitliche Spätfolgen und Todesfälle werden in der Literatur be- schrieben. Auch dies spricht für eine sorgsame und umfängliche Diskussion des Themas im Interesse des Kindeswohls und nicht für eine im Eilverfahren vollzo- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22855 (A) (C) (D)(B) gene unkritische Legitimation der bisherigen Tradition, wie sie im Antrag präjudiziert wird. Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat sich mit dem von uns abgelehnten Antrag dafür ausgesprochen, in naher Zukunft eine gesetzliche Regelung zur Recht- fertigung der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen zu schaffen. Ein solches Gesetz stünde in unseren Augen auch im Wider- spruch zum Grundgesetz. Dies vor allem deshalb, weil das Grundgesetz weder einen Vorrang des elterlichen Rechts auf religiöse Kindererziehung vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestim- mung kennt und weil im Grundgesetz durch die Rechte der Religionsgemeinschaften nach Art. 140 GG in Ver- bindung mit Art. 136 Abs. 1 WRV die staatsbürgerlichen Rechte des Kindes richtigerweise nicht beschränkt werden. Auch deshalb lehnen wir das Ansinnen des Antrages ab. Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Dörner, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Bettina Herlitzius, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Ute Koczy, Oliver Krischer, Markus Kurth, Monika Lazar, Tabea Rößner, Ulrich Schneider und Dorothea Steiner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Deutsche Bundestag soll sich heute – ohne das üb- liche Beratungsverfahren und damit völlig überstürzt – zum sensiblen Thema der religiös motivierten Beschnei- dung von Jungen verhalten. Diese Eile wird dem ge- wichtigen Thema nicht gerecht. Nicht nur, dass das Ur- teil des Landgerichts Köln, das ohne Frage für eine Verunsicherung jüdischer und muslimischer Gläubiger und auch in der Ärzteschaft gesorgt hat, keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet und zudem bereits vom Mai 2012 stammt, sondern auch, weil der heutige Beschluss des Bundestages an der derzeitigen rechtlichen Situation nichts ändert. Die öffentliche Diskussion über das Urteil des Landgerichts Köln macht deutlich, dass es dem Deutschen Bundestag gut anstünde, eine breite Diskus- sion zum Thema Beschneidung von Jungen zu führen, inklusive der Anhörung von Sachverständigen und der Beratung in den Ausschüssen sowie der Kinderkommis- sion des Deutschen Bundestages. So ist es üblich und bei sensiblen Themen ganz besonders notwendig. Selbstver- ständlich ist, dass jüdische und muslimische Traditionen und Riten zu achten sind und jüdisches und muslimi- sches religiöses Leben in Deutschland weiterhin möglich sein muss – dies sollte keiner Erwähnung bedürfen. In der derzeitigen Diskussion und auch im Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, der SPD und der FDP kommt die Perspektive der Kinder und ihrer Rechte deutlich zu kurz. Der Stellenwert religiöser Riten und der Religionsfreiheit von Eltern wird einseitig über das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit und auch über ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht gestellt. Es ist unstrittig, dass es sich bei der Beschneidung eines Menschen, wie bei vielen ärztlichen Behandlungen auch, juristisch gesehen um eine Körperverletzung handelt. Eine solche Körperverletzung ist nicht rechtswidrig, wenn der Betroffene einwilligt; bei Minderjährigen wird diese Zustimmung durch die Einwilligung der Eltern bzw. der Sorgeberechtigten ersetzt. Eindeutig ist aber auch, dass sich die Einwilligung der Eltern vor allem am Kindeswohl orientieren muss; die Rechte der Eltern sind durch Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes verfassungsim- manent begrenzt. Auch die UN-Kinderrechtskonvention, der Deutschland beigetreten ist, gibt im Art. 3 vor, dass das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Das Landgericht Köln kommt daher aus unserer Sicht hin- sichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen Güterabwä- gung richtigerweise und stringent zu dem Schluss, dass „die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Kna- ben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiösen gesell- schaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Er- ziehungsrechts dem Wohle des Kindes entspricht. Die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ge- mäß Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG begrenzt.“ Sicherlich wird diese rein juristische Brille einem wertschätzenden Umgang mit wichtigen Riten und Tra- ditionen von Weltreligionen nicht gerecht. Nichtsdesto- trotz dürfen religiöse Riten aus unserer Sicht keinesfalls per se Vorrang vor dem Recht eines Kindes auf körperli- che Unversehrtheit haben. Eine verfassungsrechtlich saubere Abgrenzung bestimmter religiöser Riten gegen- über anderen – wie beispielsweise auch gegenüber der Beschneidung von Mädchen – halten wir für schwer um- setzbar. Daher haben wir die Sorge, dass die Intention des interfraktionellen Antrags, die Beschneidung von Jungen für grundsätzlich zulässig gesetzlich festschrei- ben zu wollen, Türen öffnet, die sicherlich auch unsere Kolleginnen und Kollegen, die den vorgelegten Antrag begrüßen, nicht gutheißen, dies wird im Antrag auch zum Ausdruck gebracht, verfassungsrechtlich nutzt dies aber nichts. Der Deutsche Bundestag sollte sich beim heiklen Thema der religiös motivierten Beschneidung von Jun- gen im Dialog mit den Religionsgemeinschaften, den Ärzteverbänden, den Kinderrechteverbänden etc. um eine kultursensible Lösung bemühen, die Kinder als Trä- ger eigener Rechte in den Mittelpunkt stellt. Der vorge- legte Antrag wird diesem Anspruch nicht gerecht. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jerzy Montag, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Manuel Sarrazin, Beate Walter-Rosenheimer, Daniela Wagner und Wolfgang Wieland (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (Zusatztagesordnungspunkt 1) 22856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) Die Beschneidung der Penisvorhaut, medizinisch: Zirkumzision, bei männlichen Babys und Kleinkindern wird auch in Deutschland hunderttausendfach prakti- ziert. Die Gründe sind unterschiedlich, Juden und Mus- lime sehen darin ein religiöses Gebot, weil dadurch das männliche Kind in die Glaubensgemeinschaft aufgenom- men und ein Bund zwischen ihm und Gott geschlossen wird. Andere Eltern lassen ihren männlichen Nachwuchs aus hygienischen und medizinpräventiven Gründen be- schneiden. In juristischen Fachkreisen wird schon lange über die Frage diskutiert, ob die Beschneidung von der Vertre- tungsmacht der Eltern und vom ihnen zustehenden Recht der elterlichen Sorge gedeckt ist, ob sie unter dem Schutz der grundrechtlich geschützten freien Religions- ausübung steht oder ob sie eine strafbare Körperverlet- zung ist. Diese Debatte hat aber bis zum Urteil einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln im Mai die- ses Jahres nicht zu einer Strafbarkeit der Beschneidung durch die Justiz geführt. Ganz im Gegenteil: In der zivil- rechtlichen und sozialrechtlichen Rechtsprechung finden sich vereinzelt Urteile, die von einer Rechtmäßigkeit ei- ner hygienisch einwandfrei und vom medizinisch ge- schulten Fachpersonal durchgeführten Beschneidung ausgehen, soweit diese auf einer einvernehmlichen Er- klärung der sorgeberechtigten Eltern beruht. Das Kölner Urteil hat zu einer extremen Beunruhi- gung bei den Muslimen und Juden in Deutschland ge- führt. Auch Berufsverbände der Medizinerinnen und Mediziner und große Krankenhäuser sprechen von einer Rechtsunsicherheit, der sie nicht ausgesetzt sein wollen. Eine eindeutige Klarstellung des Gesetzgebers ist des- halb notwendig, um den bisher bestehenden Rechtsfrie- den in Sachen Beschneidung minderjähriger Jungen zu erhalten. Deshalb stimme ich dem vorgelegten Antrag zu. Ich halte, im Gegensatz zu vielen und viel zu lauten Stimmen aus den Religionsgemeinschaften und den Arzt- organisationen, die Rechtslage nicht für unklar. Dem Ur- teil eines einzelnen Richters aus Köln, welches keinerlei Bindungswirkung entfaltet und keinerlei neue Standards setzt und welches im Ergebnis ja sogar zu einem Frei- spruch des angeklagten Arztes führte, wird eine Bedeu- tung zugemessen, welche ihm nicht gebührt. Die zum Teil hysterischen Reaktionen auf dieses Urteil gilt es nicht zu befeuern, sondern einzuhegen. Dabei sind die juristischen Fragen bedeutsam. Ich stehe in voller Überzeugung zum Schutz der körperli- chen Integrität von Kindern durch den Staat und die Ge- meinschaft. Ich achte und befürworte das Erziehungs- recht der Eltern, die in der Verantwortung stehen, im Rahmen der Rechtsordnung selbstverantwortlich zu be- stimmen, was dem Kindeswohl ihrer Kinder entspricht. Ich wende mich auch nicht gegen die grundrechtlich ga- rantierte Religionsfreiheit. Zwischen diesen Rechtsgü- tern gilt es einen alle Seiten schonenden Ausgleich zu finden. Dabei muss uns klar sein, dass die Lösung rechtlicher Konflikte nicht im luftleeren Raum und auch nicht in se- minaristischen Abhandlungen gefunden werden kann. Wir müssen die politischen und gesellschaftlichen Aus- wirkungen auf die Betroffenen und die Gesellschaft be- denken. Dabei erweist sich gerade das Strafrecht als besonders ungeeignet für den erforderlichen Ausgleich. Mit dem Strafrecht wird gebrandmarkt, was als schlichtweg uner- träglich und sozialethisch unakzeptabel anzusehen ist. Ein solches Zeichen in Richtung des Islam wie des Ju- dentums in Deutschland zu setzen, würde den Rechts- frieden in Deutschland erheblich schwerer beeinträchti- gen, als es das besagte Urteil aus Köln tut. Ich halte es für politisch undenkbar, gegenüber den Muslimen in Deutschland eine Willkommenskultur einzufordern und das Wiederaufleben jüdischen Lebens in Deutschland wöchentlich zu zelebrieren und diesen Menschen gleich- zeitig mitzuteilen, dass sie mit dem Staatsanwalt und mit Verurteilungen rechnen müssen, wenn sie die Beschnei- dung als ein zentrales Gebot ihrer Religionen befolgen und praktizieren. Skeptisch bin ich gegenüber der Ankündigung, in ei- nem Gesetz die erlaubte Zirkumzision und ihre Grenzen festzulegen. Die erhoffte Rechtssicherheit wird ein sol- ches Gesetz schwerlich erbringen können, weil es not- wendigerweise mit Begriffen befrachtet wird, die selbst wiederum durch die freie und unabhängige Justiz ausge- füllt werden müssen. Die in Deutschland gegebene Rechtslage hat bisher weder im Zivilrecht noch im So- zialrecht oder im Strafrecht zu einer Ablehnung der Be- schneidung durch ein Bundesgericht oder das Bundes- verfassungsgericht geführt. Mehr an Rechtssicherheit kann es in einem Rechtsstaat nicht geben. Trotzdem stimme ich dem vorliegenden Antrag zu, weil ich ihn in seiner Ausrichtung, eine Botschaft an die muslimischen und jüdischen Gemeinschaften, aber auch an die Medizi- nerinnen und Mediziner auszusenden, dass der Bundestag als legitimiertes Gesetzgebungsorgan die medizinisch fachgerechte und vom einvernehmlichen Elternwillen getragene Beschneidung für grundsätzlich zulässig und nicht für strafbar erklärt, unterstütze. Anlage 13 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 898. Sitzung am 29. Juni 2012 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch gemäß Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht ein- zulegen: – Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlen- dioxid – Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbei- legung – Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu wei- teren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22857 (A) (C) (D)(B) – Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Eckpunkte einer innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabili- täts- und Wachstumspaktes Die Bewältigung der Staatsschuldenkrise macht eine verstärkte Haushaltsdisziplin für ganz Europa unabding- bar. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Rahmenbedin- gungen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung durch gezielte, strukturelle Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu verbessern. Der Fiskalvertrag stellt dabei einen wesentlichen Baustein dar, um die Zielsetzung einer Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer fiskalpoliti- schen Stabilitätsunion dauerhaft zu verwirklichen. Der Bundesrat bekennt sich zur gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern, die Vorgaben des Fiskalvertrags und des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu erfüllen. Der Bundesrat begrüßt, dass Deutschland mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenre- geln und der begleitenden Einrichtung des Stabilitätsrats bereits umfassende institutionelle und rechtliche Rege- lungen verabschiedet hat, die die langfristige Tragfähig- keit der Haushalte von Bund und Ländern sichern. Hinsichtlich der innerstaatlichen Umsetzung der Vor- gaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachs- tumspaktes, SWP, weist der Bundesrat darauf hin, dass Bund und Länder am 24. Juni 2012 folgende Eckpunkte vereinbart haben: – Durch den Fiskalpakt sowie die noch ausstehende Konkretisierung bestimmter Vorgaben durch die Kommission werden keine Anforderungen begrün- det, die über die Vorgaben des verfassungsrechtli- chen Rahmenwerks zur Begrenzung der Neuver- schuldung in den Haushalten von Bund und Ländern hinausgehen. – Die innerstaatliche Umsetzung geschieht durch Festle- gung der Obergrenze für das gesamtstaatliche struk- turelle Defizit von maximal 0,5 Prozent des BIP ent- sprechend den Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Haushaltsgrund- sätzegesetz. Durch die noch zu konkretisierende inner- staatliche Umsetzung wird die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern nicht beeinträchtigt werden. – Zur Erfüllung der Vorgaben des Fiskalpaktes tragen die Länder ausschließlich im Rahmen ihrer verfas- sungsrechtlich garantierten Haushaltsautonomie durch die Einhaltung ihrer bestehenden Verpflichtungen aus Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 143d Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes bei. Die Länder treffen keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen. Ins- besondere wird die den Ländern durch Artikel 143d Absatz 1 Satz 3 und Satz 4 des Grundgesetzes einge- räumte Handlungsfreiheit beachtet. Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushalts- jahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 des Grundgesetzes erfüllt wird. Die Vereinba- rungen mit den Konsolidierungshilfeländern beste- hen unverändert fort. – Der Stabilitätsrat überwacht die Einhaltung der ge- samtstaatlichen Defizitobergrenze. Bund und Länder werden im Stabilitätsrat zusammenwirken, um einer Überschreitung der gesamtstaatlichen Defizitober- grenze nach Artikel 3 des Fiskalvertrags entgegenzu- wirken. Im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags sind die hierfür notwendigen Än- derungen des Stabilitätsratsgesetzes vorzunehmen. – Der Bund haftet im Fiskalvertrag im Außenverhält- nis. Er ist bereit, für den Zeitraum bis 2019 das Ri- siko etwaiger Sanktionszahlungen hinsichtlich des präventiven Arms des SWP zu übernehmen. – Intelligentes Schuldenmanagement: Angesichts des Fiskalpaktes und des Verschuldungs- verbots für die Länder ab 2020 können zukünftig ge- meinsame Anleihen von Bund und Ländern vernünf- tig sein. Vor diesem Hintergrund wird der Bund zusammen mit den Ländern die Voraussetzungen da- für schaffen, dass eine gemeinsame Kreditaufnahme von Bund und Ländern („Huckepackverfahren“) möglich ist. Eine erste Anleihe soll in 2013 emittiert werden. – Bund und Länder stimmen darin überein, dass der Entwicklung der Sozialversicherungen und der kom- munalen Finanzen bei der Einhaltung des Fiskalpak- tes eine wichtige Rolle zufällt. Die Entwicklung der Sozialversicherungen liegt dabei in der Verantwor- tung des Bundes. Die Länder tragen im Rahmen des Fiskalvertrags die Verantwortung für ihre Kommu- nen. Infolge der expliziten Einbeziehung der kom- munalen Verschuldung in die Defizitobergrenze des Fiskalpaktes – im Gegensatz zur deutschen Schul- denbremse – werden die Länder in ihrer Konsolidie- rungspolitik vor deutlich größere Herausforderun- gen gestellt. Deshalb werden Bund und Länder unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein neues Bundesleistungsgesetz in der nächsten Le- gislaturperiode erarbeiten und in Kraft setzen, das die rechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe in der bisherigen Form ablöst. – Bund und Länder stimmen darin überein, dass eine Entscheidung über die Höhe der vom Bund für den Zeitraum 2014 bis 2019 zur Aufgabenerfüllung der Länder zu zahlenden Kompensationen nach Arti- kel 143c des Grundgesetzes („Entflechtungsmittel“, zum Beispiel zur Verbesserung der kommunalen Ver- kehrsverhältnisse) im Herbst dieses Jahres erfolgt. – Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäi- schen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmecha- nismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist und 22858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 (A) (C) (D)(B) Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmecha- nismus und Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäi- schen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzie- rungsgesetz – ESMFinG) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: 1. Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Bundesver- fassungsgericht mit seinem Urteil vom 19. Juni 2012 die Position des Bundesrates bestätigt hat, dass Er- richtung und Ausgestaltung des Europäischen Stabi- litätsmechanismus eine Angelegenheit der EU im Sinne des Artikels 23 GG sind. Nach dem Bundes- verfassungsgericht handelt es sich auch bei völker- rechtlichen Verträgen um eine Angelegenheit der EU, wenn diese in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der EU stehen. Der Bundesrat verweist in diesem Zusam- menhang auf seine Stellungnahmen in der Bundes- ratsdrucksache 369/11 (Beschluss) und Bundesrats- drucksache 164/12 (Beschluss). 2. Der Bundesrat betrachtet durch dieses Urteil auch seine Position als bestätigt und begrüßt, dass die Zu- stimmung des Bundesrates zu dem Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf Grundlage von Artikel 23 Absatz 1 GG erfolgt. Der Bundesrat ist weiterhin der Auffassung, dass dies auch für zu- künftige Änderungen des ESM-Vertrages gilt und die Nutzung von Artikel 19 ESM-Vertrag, der eine Än- derung der Finanzhilfeinstrumente durch einstimmi- gen Beschluss im Gouverneursrat ermöglicht, nach dem Rechtsgedanken aus den §§ 2 bis 4, 7 und 8 IntVG voraussetzt, dass der deutsche Vertreter im ESM hierzu zuvor durch ein Gesetz im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 GG ermächtigt wurde. 3. Die Zustimmung des Bundesrates zu dem vorliegen- den Gesetzespaket erfolgt in der Erwartung, dass die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der EU im Lichte dieses Urteils weiter präzisiert werden. Dies erfordert eine Anpas- sung der Gesetze über die Zusammenarbeit von Bun- desregierung und Deutschem Bundestag, EUZBBG, sowie von Bund und Ländern, EUZBLG, in Angele- genheiten der EU. Der Bundesrat erwartet, dass diese Anpassungen zügig erfolgen, und wird hierzu eine überarbeitete Fassung des EUZBLG einbringen. – Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesen- gesetzes – Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012) – Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten Der Bundesrat hat in seiner 899. Sitzung am 6. Juli 2012 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs – Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psycho- somatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntG) – Gesetz zur Erweiterung der jugendrechtlichen Handlungsmöglichkeiten – Gesetz zur Begleitung der Reform der Bundes- wehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz – BwRef- BeglG) – Gesetz zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Fe- bruar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen – Achtes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtli- cher Vorschriften – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. Oktober 2003 zur Gründung des Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt – Gesetz zu dem Markenrechtsvertrag von Singa- pur vom 27. März 2006 – Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat begrüßt das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Mit der Er- richtung einer gemeinsamen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten wird auch eine wichtige und richtige Konsequenz aus der unzureichenden Aufklärung der NSU-Mordserie gezogen. Dem Bundesrat erscheinen allerdings die behördli- chen Befugnisse teilweise nicht weitgehend genug. Ins- besondere reichen die vorgesehenen Befugnisse nicht aus, um die Verbunddatei NADIS-neu als umfassendes Analyseinstrument nutzen zu können. Zudem wird es im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Erlaubnissen als geboten angesehen, auch Abfragen bei den Verfassungs- schutzbehörden einzuführen. Der Bundesrat hält damit an seiner in der 893. Sitzung am 2. März 2012 beschlossenen Stellungnahme fest (Bundesratsdrucksache 31/12 (Beschluss)) und bittet Bundestag und Bundesregierung, diese Anliegen in nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren umzusetzen. – Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungs- gesetz 2012/2013 (BBVAnpG 2012/2013) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Juli 2012 22859 (A) (C) (D)(B) Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mitge- teilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2010 – Drucksachen 17/2123, 17/2373 Nr. 1.3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2010 – Drucksachen 17/2689, 17/2971 Nr. 1.12 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2010 – Drucksachen 17/3781, 17/3956 Nr. 1.5 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2010 – Drucksachen 17/5647, 17/5820 Nr. 1.9 – 189. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1Regierungserklärung zur Sicherung der Stabilität der Eurozone – Finanzhilfen für Spanien ZP 1Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich zur 189. Sitzung des Deutschen Bundestages in
der laufenden Legislaturperiode. Nicht alle von Ihnen
werden die heutige Sitzung langfristig eingeplant haben.
Deswegen bedanke ich mich bei allen, die entweder ih-
ren Urlaub so vorsichtig disponiert oder ihren bereits an-
getretenen Urlaub so kurzfristig umdisponiert haben, um
an der heutigen Sondersitzung teilnehmen zu können.

Im Übrigen sind diese Sondersitzungen nicht so sel-
ten, wie gelegentlich gemutmaßt wird. Dies ist in der
Geschichte des Deutschen Bundestages immerhin die
55. Sitzung außerhalb der vereinbarten Sitzungswochen
des Deutschen Bundestages. Da die meisten von uns an
den wenigsten dieser Sondersitzungen persönlich teilge-
nommen haben, hilft es vielleicht, die allgemeine Erin-
nerung aufzufrischen. Für den Bundesfinanzminister
könnte es zutreffen, dass er eine größere Anzahl dieser
Sondersitzungen absolvieren musste.

Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe,
muss ich zwei einleitende Bemerkungen machen. Mor-
gen wird die Euro-Gruppe der Finanzminister des Euro-
Währungsgebiets über einen Antrag Spaniens auf Fi-
nanzhilfe entscheiden. Gemäß dem Stabilisierungsme-
chanismusgesetz darf die Bundesregierung einer solchen
Hilfsmaßnahme nur zustimmen, wenn der Deutsche
Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst
hat. Der entsprechende Antrag der Bundesregierung
liegt Ihnen vor. Ich habe deshalb gemäß Art. 39 Abs. 3
Satz 2 des Grundgesetzes den Deutschen Bundestag zu
der heutigen Sondersitzung einberufen und gehe davon
aus, dass Sie damit einverstanden sind. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann kann entsprechend unserer Ge-
schäftsordnung so verfahren werden.

Bevor ich dem Finanzminister das Wort erteile,
möchte ich zunächst dem Kollegen Dr. Peter Danckert
zu seinem 72. Geburtstag gratulieren, den er vor weni-
gen Tagen gefeiert hat, und ihm alle guten Wünsche des
gesamten Hauses übermitteln.


(Beifall)


Schließlich mache ich darauf aufmerksam, dass der
Kollege Christian Lindner mit Wirkung vom 10. Juli
dieses Jahres auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bun-
destag verzichtet hat. Für ihn ist der Kollege Hans-
Werner Ehrenberg nachgerückt, den ich im Namen des
Hauses herzlich begrüße und dem ich eine gute Zusam-
menarbeit wünsche.


(Beifall)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vereinbart
worden, die Tagesordnung um die Beratung des An-
trags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP mit
dem Titel „Rechtliche Regelung der Beschneidung min-
derjähriger Jungen“ zu erweitern und diesen im An-
schluss an Tagesordnungspunkt 1 aufzurufen. Für die
Aussprache soll eine halbe Stunde vorgesehen werden.
Darf ich auch dafür Ihr Einvernehmen feststellen? – Das
ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 a und b auf:

a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister der Finanzen

Sicherung der Stabilität der Euro-Zone – Fi-
nanzhilfen für Spanien

b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen

Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung ei-
nes zustimmenden Beschlusses des Deutschen
Bundestages nach § 3 Absatz 1 i. V. m. § 3
Absatz 2 Nummer 1 und 4 des Stabilisierungs-
mechanismusgesetzes (StabMechG) für Not-
maßnahmen der Europäischen Finanzstabili-
sierungsfazilität zugunsten Spaniens

– Drucksachen 17/10320, 17/10321 –
Zu dem Tagesordnungspunkt liegen je ein Entschlie-

ßungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Antrag des Bun-
desministeriums der Finanzen werden wir später na-
mentlich abstimmen.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 90 Minuten vorgesehen. – Auch hierzu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Wolfgang
Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wirt-
schaftliche Lage in Europa und darüber hinaus ist immer
noch durch die Verunsicherung auf den Finanzmärkten
über die weitere Entwicklung der Euro-Zone belastet.
Das kann man an dem Auf und Ab der Börsen und auch
des Euro-Kurses, die beide von den realen Geschehnis-
sen zumeist abgekoppelt sind, ablesen.

Wir haben seit Ausbruch der Vertrauenskrise mit um-
fassenden finanz- und wirtschaftspolitischen Reform-
maßnahmen in den betroffenen Ländern und mit der
Schaffung leistungsfähiger Strukturen und Kontroll-
mechanismen für die gemeinsame Finanz- und Wirt-
schaftspolitik in der Euro-Zone erhebliche Fortschritte
gemacht. Das ist unbestritten. Aber die Rückgewinnung
verloren gegangenen Vertrauens dauert und kann nur
Schritt für Schritt erfolgen. Deshalb hat die Bundesre-
gierung immer wieder darauf hingewiesen, dass es trotz
aller zwischenzeitlichen Erfolge zu weiteren Inanspruch-
nahmen der europäischen Finanzierungsinstrumente
kommen kann, also der Finanzierungsinstrumente, mit
denen Mitgliedstaaten der Euro-Zone die für den Erfolg
von Reformmaßnahmen notwendige Zeit verschafft wer-
den soll.

Die spanische Regierung hat am 25. Juni einen An-
trag auf Finanzhilfe gestellt. Spanien sieht sich aufgrund
der hohen Nervosität der Finanzmärkte nicht in der
Lage, die aus der Immobilienblase resultierenden Ver-
werfungen im spanischen Bankensektor alleine zu be-
wältigen. Diese Einschätzung haben die Europäische
Kommission, die Europäische Zentralbank, die Europäi-
sche Bankenaufsichtsbehörde, EBA, und der Internatio-
nale Währungsfonds bestätigt. Es wird an den Märkten
bezweifelt, ob es dem spanischen Staat gelingen kann,
die Probleme in seinem Bankensektor zu lösen, ohne da-
bei seine eigene Zahlungsfähigkeit zu gefährden. Schon
der Anschein einer Gefährdung der nachhaltigen Zah-
lungsfähigkeit des spanischen Staates kann zu gravieren-
den Ansteckungseffekten im Euro-Raum führen. Da-
durch werden die Probleme im spanischen Bankensektor
zu einem Problem der Finanzstabilität der Euro-Zone.

Wir haben für solche Fälle im vergangenen Jahr das
Instrument der Gewährung von Finanzhilfen der Euro-
päischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, an Staaten
zur Restrukturierung und Rekapitalisierung von Banken
geschaffen. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger
Prüfung zu der Auffassung gekommen, dass die Voraus-
setzungen für die Inanspruchnahme dieser Hilfen vorlie-
gen, dass die mit der Hilfe verbundenen Auflagen geeig-

net sind, das spanische Bankenproblem nachhaltig zu
lösen, und dass wir ein starkes Interesse daran haben,
Spanien zu ermöglichen, seinen erfolgversprechenden
Weg grundlegender wirtschafts- und finanzpolitischer
Reformen aus eigenem Antrieb weiterzuverfolgen.

Spanien ist mit seinen Anstrengungen zur Defizitre-
duzierung und der Umsetzung von tiefgreifenden Struk-
turreformen insgesamt auf einem guten Weg, wieder zu
soliden Staatsfinanzen und zu einer wettbewerbs- und
wachstumsfähigen Wirtschaft zurückzufinden; aber die-
ser Erfolg ist durch die Unsicherheit im Bankensektor
gefährdet.

Das Land hat sich im September vergangenen Jahres
neue verfassungsrechtliche Fiskalregeln ähnlich der
Schuldenbremse unseres Grundgesetzes gegeben,
Regeln, die für alle staatlichen Ebenen grundsätzlich
strukturell ausgeglichene Haushalte vorschreiben. In der
letzten Woche hat die spanische Regierung ein Konsoli-
dierungspaket mit Ausgabenkürzungen und Einnahme-
steigerungen, auch mit einer Anhebung der Mehrwert-
steuer von 18 auf 21 Prozent, in einem Volumen von
insgesamt 56 Milliarden Euro über die nächsten zwei-
einhalb Jahre vorgestellt. Mit dieser Hilfe will Spanien
die Vorgabe im europäischen Defizitverfahren erfüllen,
sein übermäßiges Defizit bis 2014 abzubauen.

Zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit hat
das Land grundlegende Arbeitsmarktreformen ergriffen.
Dazu zählen zum Beispiel Maßnahmen zur Verringerung
der starken Abschottung zwischen befristeten und un-
befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder zur Flexi-
bilisierung des Lohnfindungsverfahrens. Bei einer
Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent und einer Jugend-
arbeitslosigkeit von mittlerweile über 50 Prozent muss
es das vorrangige Ziel sein, allen zu ermöglichen, sich
ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften. Auch das
Rentensystem wird überholt, zum Beispiel durch die
Einschränkung von Frühverrentungen. Es wird eine Re-
form der Pflegeversicherung mit dem Ziel der Kostenra-
tionalisierung geben.

Diese von Spanien ergriffenen strukturellen Refor-
men sind richtig, und sie sind notwendig; Spanien
kommt an ihnen so wenig vorbei wie andere Staaten, die
inmitten von Reformprozessen stehen. Aber das kann
nur funktionieren, wenn auch die Probleme im Banken-
sektor gelöst werden. Da geht es darum, einen Teufels-
kreis zwischen Staats- und Bankenrisiken zu durchbre-
chen: Einerseits wird die Stabilität der spanischen
Banken infrage gestellt, weil der spanische Staat oftmals
für die Lösung der Bankenprobleme als finanziell zu
schwach wahrgenommen wird. Andererseits folgt diese
Wahrnehmung von angeblicher Finanzschwäche des
Staates allein aus der Sorge um mögliche Einstands-
pflichten bei den Banken.

Um die Unsicherheit zu reduzieren, hat Spanien sei-
nen gesamten Bankensektor einer externen Evaluation
unterzogen. Wir wissen aus dieser Evaluation, in wel-
cher Größenordnung Kapitalverstärkungen im Zuge von
Restrukturierungen notwendig sein werden. Die Hilfen
und die Vorgaben der Restrukturierung des Bankensek-
tors werden vom spanischen Restrukturierungsfonds





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)


FROB gemanagt. Hinter diesem Restrukturierungsfonds
steckt die spanische Regierung, und das bedeutet: Spa-
nien stellt den Antrag, Spanien bekommt das Geld zur
Bankenrekapitalisierung, und Spanien haftet als Staat für
die Hilfen aus der EFSF.

Das jetzige Programm ändert nichts daran, dass der
spanische Staat seinen eigenen laufenden Finanzierungs-
bedarf weiter ganz regulär selber am Markt refinanzieren
kann und refinanzieren wird. Eine zügige Umstrukturie-
rung der in Schieflage geratenen spanischen Finanzinsti-
tute ist deshalb wichtig, um den Kapitalmarktzugang des
spanischen Staates zu tragbaren Zinssätzen sicherzustel-
len und Ansteckungseffekte auf andere Staaten in der
Euro-Zone zu unterbinden.

Die Europäische Kommission, die EZB, die Europäi-
sche Bankenaufsichtsbehörde und der IWF kommen in
ihrem gemeinsamen Bericht zu dem Ergebnis, dass – ich
zitiere –

die Situation des spanischen Bankensektors poten-
zielle Risiken für andere Länder der Europäischen
Union und besonders der Euro-Zone birgt, falls jene
Schwächen nicht angemessen und zügig behoben
werden.

Aufgrund der Schwäche einiger spanischer Banken
ist in einem insgesamt unsicheren Marktumfeld mit ho-
hen Zinssätzen für die staatliche Kreditaufnahme Spa-
niens die Finanzstabilität der gesamten Euro-Zone
gefährdet. Ohne die extreme Verunsicherung der Finanz-
märkte wäre Spanien in der Lage, seinen Bankensektor
allein in Ordnung zu bringen. Aber wir haben eben eine
Ausnahmesituation, und in dieser Ausnahmesituation
helfen wir dem spanischen Staat, gegen die übermäßige
Nervosität der Finanzmärkte, und wir leisten damit einen
Beitrag zum Erhalt der Finanzstabilität der Euro-Zone
insgesamt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die von diesen europäischen Institutionen mit Spa-
nien vereinbarten Auflagen für eine solche Hilfe – also
das Memorandum of Understanding –, über die morgen
in der Euro-Gruppe entschieden werden soll, sind detail-
liert und präzise ausgearbeitet. Ich möchte beispielhaft
nennen: Für jede Bank wird von externen Prüfern ein in-
dividueller Stresstest durchgeführt. Banken, die als nicht
lebensfähig angesehen werden, müssen abgewickelt
werden. Für alle Banken mit Kapitalbedarf müssen de-
taillierte Restrukturierungspläne erstellt und von der Eu-
ropäischen Kommission nach den Vorgaben des EU-Bei-
hilferechts genehmigt werden. Bevor auf staatliche
Mittel zurückgegriffen werden kann, müssen die An-
teilseigner der Banken ihren Beitrag leisten. Die Gehäl-
ter der Manager solcher Banken werden gedeckelt. Es
gibt also klare Vorgaben für das Verfahren, und diese
Vorgaben entsprechen in vielen Punkten der in Deutsch-
land beim SoFFin entwickelten Praxis.

Zusätzlich zu diesen Vorgaben für den Finanzsektor
verpflichtet sich Spanien bindend, seine Verpflichtungen
nach dem europäischen Defizitverfahren, nach dem Eu-
ropäischen Semester, auch nach den Empfehlungen zur

Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte – das
ist das europäische Sekundärrecht – umzusetzen.

Die Hilfen werden auf bis zu 100 Milliarden Euro be-
grenzt. Die EFSF wird kurzfristig eine Tranche von
30 Milliarden Euro in Reserve halten, um in einem Not-
fall sofort handlungsfähig zu sein. Damit lässt sich schon
jetzt ein klares Signal an die Märkte senden, ohne dass
wir irgendwelche Abstriche bei der Sorgfalt hinsichtlich
der Umsetzung der vereinbarten bankindividuellen Prü-
fungen machen. Sobald der ESM aktiviert ist, wird das
spanische Programm ohne materielle Änderungen in den
ESM überführt. In jedem Fall haftet aber der spanische
Staat gegenüber der EFSF bzw. künftig auch gegenüber
dem ESM für die Rückzahlung der Mittel. Etwas ande-
res ist nach den geschlossenen Verträgen und Gesetzen
gar nicht möglich.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
will in diesem Zusammenhang eine Bemerkung machen,
die ich bereits gestern im Haushaltsausschuss gemacht
habe. Dort habe ich darauf hingewiesen, dass ich die In-
formation bekommen habe, die Republik Zypern habe
einen Antrag auf ein sogenanntes Stepping-out gestellt.
Stepping-out bedeutet nach den Regeln der EFSF, dass
ein Land, das unter vollem Programm ist, beantragen
kann, an der Haftungsgarantie für andere Hilfszusagen
nicht teilzunehmen. Das habe ich gestern dem Haus-
haltsausschuss mitgeteilt und dabei hinzugefügt, dass
sich, wenn ein solcher Antrag genehmigt würde, der
deutsche Anteil an der Haftung, der jetzt, wie im vorlie-
genden Antrag ausgeführt ist, 29,07 Prozent beträgt, auf
29,13 Prozent erhöhen würde. Ich habe ergänzend zu der
Mitteilung im Haushaltsausschuss mitzuteilen – deswe-
gen erwähne ich dies jetzt –, dass Zypern diesen Antrag
vorläufig zurückgezogen hat, sodass wir darüber nicht
zu entscheiden haben. Aber ich wollte Ihnen diese Infor-
mation der Vollständigkeit halber geben.

In diesen Tagen sind manchmal zwei Debatten durch-
einandergeraten, die wir sauber voneinander trennen
sollten. Das eine ist die Frage der Gewährung von Fi-
nanzhilfen an Spanien nach den bestehenden Instrumen-
ten, und das andere ist eine in die Zukunft gerichtete De-
batte darüber, dass wir bei einer vergemeinschafteten
Geldpolitik im Euro-Raum, in dem eine nicht unbe-
trächtliche Zahl von Instituten stark mit anderen Banken
des europäischen Finanzbinnenmarkts vernetzt ist, ein
Mindestmaß an Rechtsvereinheitlichung im Bankensek-
tor und eine durchsetzungsstarke europäische Banken-
aufsicht brauchen. Aber dies ist eine zukünftige Debatte.
An dem Vorhaben werden wir in der Zukunft arbeiten.
Heute haben wir auf der Grundlage der geltenden Ver-
träge und der geltenden Gesetze zu beraten und zu ent-
scheiden. Das darf man nicht miteinander vermischen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


Eine solche Aufsicht, wenn sie denn geschaffen wer-
den soll, muss mit Kompetenzen ausgestattet werden,
die über die Kompetenzen der 2011 geschaffenen Euro-
päischen Bankenaufsichtsbehörde, EBA, weit hinausge-
hen. Die EBA hat eine koordinierende Funktion für die
nationalen Bankenaufsichten. Wir werden eines Tages
eine wirkliche europäische Bankenaufsicht brauchen.





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)


Dabei geht es dann um einheitliche klare Regelungen für
die rechtzeitige Restrukturierung und gegebenenfalls
auch Abwicklung notleidender Banken, die dann von ei-
ner europäischen Aufsicht im Einzelfall durchgesetzt
werden und deren Anwendung sich danach richtet, was
der finanziellen Stabilität in ganz Europa geschuldet ist.

Die europäischen Verträge sehen vor, dass der Euro-
päische Rat nach Anhörung des Europäischen Parla-
ments und der Europäischen Zentralbank einstimmig
beschließen kann, der EZB entsprechende Aufsichts-
funktionen zu übertragen. Dabei sind aber noch viele
Fachfragen zu klären, etwa der Kreis der einzubeziehen-
den Banken. Es bedarf auch einer sicheren Abgrenzung
des Mandats gegenüber den geldpolitischen Aufgaben
der EZB, bei denen die Europäische Zentralbank unab-
hängig ist. Bei der Bankenaufsicht – wir kennen das aus
der Debatte in Deutschland über das Verhältnis von
BaFin und Bundesbank – kann sie solch eine Unabhän-
gigkeit natürlich nicht haben.

Es ist vereinbart worden, dass die Europäische Kom-
mission bis zum September ein Modell ausarbeiten soll,
über das der Rat dann bis Jahresende entscheiden kann.
Eine Zustimmung Deutschlands zu einem solchen Vor-
schlag wird im Übrigen in jedem Fall einen entsprechen-
den Rückhalt im Deutschen Bundestag voraussetzen.
Erst nach diesen grundlegenden Entscheidungen könnte
eine europäische Bankenaufsicht mit wirksamen Durch-
griffsrechten auf notleidende Banken aufgebaut und eta-
bliert werden. Erst wenn eine solche europäische Auf-
sicht unter Beteiligung der Europäischen Zentralbank
funktioniert, kann sich die Frage der Finanzierung einer
von der europäischen Aufsicht veranlassten Restruktu-
rierung notleidender Banken durch europäische Mecha-
nismen und Institutionen stellen. Hier besteht eben nicht
nur ein zeitlicher Zusammenhang, sondern vor allem ein
sachlogischer. Nur wer die Aufsicht mit entsprechenden
Durchgriffsrechten hat, kann auch die Verantwortung für
Kapitalhilfen übernehmen. Deswegen ist das Königreich
Spanien, solange es die Aufsicht hat, unser Partner für
die Gewährung von Kapitalhilfen.

Im Übrigen ist die Beantwortung der Frage, wie das
im Einzelnen technisch auszubuchstabieren sein wird,
noch völlig offen. So und nicht anders haben es die
Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am 29. Juni
beschlossen. Deshalb: Wer jetzt von einem unmittelbar
bevorstehenden Einsatz des ESM zur direkten Bankenre-
kapitalisierung oder gar von einer kollektiven Haftung
für die Schulden der Banken des Euro-Systems schwa-
droniert, der wird dem Ernst der zugrunde liegenden
fachlichen und politischen Fragen nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei der Be-
wältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum haben
wir gerade auch in den letzten Wochen und Monaten
gute Fortschritte erzielt. Vor allem die besonders im
Fokus der Finanzmärkte stehenden Länder sind beim
Defizitabbau und auch bei den Strukturreformen zur
Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sichtbar vo-
rangekommen. Das gilt für Irland und Portugal, aber
auch für andere Länder. Spanien habe ich erwähnt. Auch

andere große und kleinere Länder haben bedeutende Re-
formschritte und -maßnahmen auf den Weg gebracht.

Übrigens hat auch der Sachverständigenrat zur Be-
gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in
seinem Sondergutachten vom 6. Juli dargelegt, wie kon-
sequent der Defizitabbau in den europäischen Krisenlän-
dern vorangebracht worden ist. Er betont dabei, dass die
Erfolge bei der Rückführung der strukturellen Defizite
weit über das hinausgehen, was wichtige Industriestaa-
ten außerhalb der Euro-Zone bis heute erreicht haben.
Nicht zuletzt arbeitet der Sachverständigenrat heraus,
dass an strukturellen Reformen in den Krisenländern
kein Weg vorbeiführt. Genau diesen Weg gehen wir in
der Euro-Zone seit zwei Jahren konsequent. Der einge-
schlagene Weg – das ist wahr – ist nicht bequem, aber er
ist gleichermaßen unvermeidlich wie erfolgverspre-
chend.

Auch bei der Schaffung eines neuen institutionellen
Rahmens für die Währungsunion, der ihre Stabilität dau-
erhaft sicherstellt, sind wir erheblich vorangekommen.
Als wir die gemeinsame Währung eingeführt haben,
konnten wir die notwendigen Elemente einer politischen
Union nicht bilden. Heute müssen wir dies schaffen, um
die mangelnde Kongruenz zwischen Geldpolitik, die
vergemeinschaftet ist, und Finanz- und Wirtschaftspoli-
tik, die in nationaler Zuständigkeit sind, so zu überbrü-
cken, dass der Euro dauerhaft stabil bleibt.

Dazu gehören die Verschärfung des Stabilitäts- und
Wachstumspakts und das neue gesamtwirtschaftliche
Überwachungsverfahren. Dazu gehören vor allem die
am 29. Juni in diesem Haus mit breiter Mehrheit – die
erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde weit überschrit-
ten – beschlossenen Elemente Europäischer Fiskalver-
trag und Europäischer Stabilitätsmechanismus, ESM, die
derzeit noch vom Bundesverfassungsgericht geprüft
werden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wenn man
vor zwei Jahren vorhergesagt hätte, dass alle Länder der
Euro-Zone und acht weitere Mitgliedsländer der Euro-
päischen Union, also insgesamt 25 von 27, sich in einem
Fiskalvertrag verpflichten, Schuldenbremsen ähnlich der
deutschen Regelung in ihre nationalen Rechtsordnungen
einzuführen, wäre man allenfalls für einen schlechten
Scherz ausgelacht worden. Das ist aber die Wirklichkeit,
und das zeigt, wie sehr sich die Einstellungen in Europa
verändert haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind auf einem richtigen Weg. Dieser Weg wird
Erfolg haben, wenn wir ihn Schritt für Schritt, konse-
quent, beharrlich und mit Augenmaß weiter beschreiten.
Aber – wie gesagt –: Wir brauchen dazu Zeit. Man ver-
liert Vertrauen schnell, und man gewinnt es nur allmäh-
lich wieder zurück. Die Situation macht vielen unserer
Mitbürgerinnen und Mitbürger große Sorgen.

Ich bin überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind,
die Probleme in der Euro-Zone zu überwinden und die
Basis für eine solide Währungsunion mit einem nach au-
ßen und innen weiterhin stabilen Euro zu schaffen. Die
Aufgabe ist nicht trivial. Es gibt weder schnelle noch





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)


einfache Lösungen. Wir wissen, dass unsere Mitbürger
in einem hohen Maße durch die ständigen Krisenmel-
dungen verunsichert sind.

Deshalb müssen wir wieder und wieder erklären, wel-
che großen Vorteile die europäische Integration ein-
schließlich der gemeinsamen Währung für alle Europäer
und nicht zuletzt, sondern vor allem für uns Deutsche
hat, Vorteile, die unter gar keinen Umständen gefährdet
werden dürfen.

Genauso wichtig ist es, dass nicht ständig unrealisti-
sche Erwartungen geschürt und anschließend enttäuscht
werden, sondern dass wir beharrlich und Schritt für
Schritt die notwendigen Maßnahmen umsetzen. Nur so
können wir Vertrauen zurückgewinnen. Heute geht es
darum, Spanien für die Lösung seiner Bankenprobleme
die nötige Zeit zu verschaffen. Dafür bitte ich um Ihre
Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900100

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem

Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Rede ID: ID1718900200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Schäuble, ja, Sie haben recht: Wo man im Augenblick
auch hinkommt, überall in Deutschland herrscht große
Sorge um die Zukunft der Europäischen Union und un-
seres gemeinsamen Geldes. Sie haben recht: Die Men-
schen sind verunsichert. Aber sie sind nicht nur wegen
der immer neuen Krisenmeldungen verunsichert, son-
dern auch zunehmend verzweifelt, weil sie Hunger nach
Erklärungen haben. Sie wollen zum Beispiel Antworten
auf die Fragen: Wie viele Rettungspakete braucht es ei-
gentlich noch? Hat dieses Fass überhaupt einen Boden?
Wohin soll die Reise noch gehen?

Herr Schäuble, ich weiß nicht, der wievielte Versuch
eines Mitglieds dieser Bundesregierung das eben war,
die Politik der Bundesregierung zu erklären und vor al-
len Dingen zu erklären, was noch alles vor uns liegt.
Eine solche Erklärung hat wiederum nicht stattgefunden.
Sie tun es nicht, Frau Merkel tut es nicht. Ich sage Ihnen:
Wer sich nicht erklärt, der wird auch nicht verstanden.
Die Leute verstehen einfach nicht mehr, wohin Sie wol-
len.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist doch so: Wir hören, auch in diesem Hohen
Hause, seit Monaten immer wieder dieselbe Geschichte.
Das ist die Geschichte von den disziplinlosen Südeuro-
päern, den ökonomischen Hallodris, denen Deutschland
nur finanzpolitische Mores lehren muss, und am Ende
wird alles besser werden.


(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ach was! Das ist doch Blödsinn! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie müssen hier doch nicht unbedingt das sagen, was Ihnen aufgeschrieben worden ist! – Gegenruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]: Nicht so nervös, Herr Kollege!)


Aber ich sage Ihnen, Herr Gröhe: An diese Geschichte
– das stellen Sie doch auch fest, wenn Sie unterwegs sind –
glaubt keiner mehr. Auch Ihnen glaubt man sie nicht
mehr.


(Patrick Döring [FDP]: Was glauben Sie denn?)


Deshalb haben Sie diese Geschichte durch eine zweite
Geschichte ergänzt. Das ist die Geschichte von den roten
Linien,


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ja!)


die bei jeder neuen Bewilligung nicht überschritten wer-
den dürfen. Mit der Aussage „Kein Cent für Griechen-
land“ hat das alles vor zwei Jahren begonnen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Falsch! – Das ist doch Unsinn!)


Das war der Anfang der Rutschbahn; darüber klagen Sie
intern doch auch.

Ich weiß nicht, wie viele rote Linien inzwischen for-
muliert, wie viele rote Linien versichert und wie viele
rote Linien betoniert worden sind. Mit bloßem Schulter-
zucken ist in den letzten Monaten noch jede dieser roten
Linien überschritten worden. Inzwischen verfällt die
Halbwertszeit Ihrer roten Linien nach Tagen. Das ist das
ganze Drama, mit dem Sie intern zu kämpfen haben.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Und dass Rot-Rot zerfällt, ist Ihr großes Drama!)


Herr Schäuble, Sie wissen: Ich unterstelle Ihnen im
Hinblick auf Europa wahrlich keine bösen Absichten.
Aber so werden Sie – und leider eben nicht nur Sie –, so
wird die Politik insgesamt die Bevölkerung auf dem eu-
ropäischen Weg verlieren.

Den Gipfel dieser besonderen Art von Regierungs-
kunst haben wir vor knapp drei Wochen hier im Deut-
schen Bundestag erlebt: bei der Abstimmung über ESM
und Fiskalpakt.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mit Zustimmung der SPD!)


Einige von uns sind ja schon ein paar Jahre in der Poli-
tik. Aber das Chaos, das Sie, Frau Merkel und Herr
Schäuble, an jenem Freitag Ende Juni hier im Bundestag
angerichtet haben, war bis dahin ohne Beispiel.


(Otto Fricke [FDP]: Was soll das denn jetzt? Ihr habt doch zugestimmt!)


In den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundes-
tages haben Sie mit Ihrer Mehrheit noch zwei Tage vor
den Abstimmungen die Klarstellung durchgesetzt – Sie
haben gesagt, das sei nur eine Klarstellung –, dass keine
Direktfinanzierung von Banken aus dem ESM stattfin-
den darf. Weniger als 48 Stunden später erklärte die
Kanzlerin, die ja von diesen Regierungsfraktionen getra-





Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)


gen wird, in Brüssel das genaue Gegenteil: Die Direkt-
finanzierung soll kommen.


(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Na, na, na! Das müssen Sie aber noch mal nachlesen! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)


– Meine Damen und Herren, Sie alle waren dabei. –
Zwölf Stunden später beschloss der Deutsche Bundes-
tag, wiederum mit der Stimme der Kanzlerin, dass es bis
auf Weiteres beim konsequenten Verbot der Direktfinan-
zierung bleibt. Wer soll das verstehen, meine Damen und
Herren? Die Deutschen verstehen das offenbar nicht.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Sie selbst verstehen es nicht! – Patrick Döring [FDP]: Sie erst recht nicht!)


Dass Sie sich dabei in immer tiefere Widersprüche
verstricken, liegt nach meiner Überzeugung daran, dass
Sie an Ihrer alten, aber zu einfachen Geschichte von
Deutschland als Stabilitätsanker in einem Meer europäi-
scher Disziplinlosigkeit festhalten. Diese Geschichte hat
den Menschen eine Zeitlang die Illusion gegeben, Sie
hätten die Krise einigermaßen im Griff. Das mag Ihre ei-
genen Leute in den letzten Monaten einigermaßen zu-
sammengehalten haben. Aber es ist nun einmal so: Wer
sich mit seinen Geschichten zu weit von der Realität ent-
fernt, dem glauben die Menschen irgendwann nicht
mehr.


(Patrick Döring [FDP]: Oh! Da spricht einer aus Erfahrung!)


Es ist sogar so weit gekommen, dass nicht einmal Ihre
eigenen Leute noch daran glauben. Wir wollen nicht ver-
gessen: Dreimal haben Ihnen die Koalitionsfraktionen
bei der Abstimmung über den ESM die Gefolgschaft
verweigert. Dreimal, und das in einer so bedeutsamen
Frage! Es hat, meine Damen und Herren, Kanzler und
Regierungen in der Geschichte dieser Republik gegeben,
die daraus andere Konsequenzen gezogen hätten, als be-
treten zu schweigen und sich in die Sommerpause zu ret-
ten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jetzt wird es lustig! – Hubertus Heil [Peine] [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Sie haben keine eigene Mehrheit! Deshalb sind Sie so nervös!)


– Sie können ja darüber lachen. Aber Sie wissen haarge-
nau: Sie regieren nur noch, weil Grüne und Sozialdemo-
kraten in dieser europäischen Überlebensfrage nicht par-
teitaktisch, sondern in Kenntnis und in Wahrnehmung
ihrer europäischen Verantwortung agieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind eines der wenigen Parlamente in Europa, das
sich in seiner Haltung zur europäischen Krise nicht völ-
lig zerlegt hat. Das halte ich für einen Gewinn.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber Sie tun zu wenig dafür, dass das auch in Zukunft so
bleibt.

Herr Schäuble – auch das kann ich Ihnen nicht erspa-
ren –, Sie haben uns noch im Mai dieses Jahres erklärt,
dass Spanien nicht unter den Rettungsschirm muss, zu
einem Zeitpunkt, als die Spatzen schon das Gegenteil
von den Dächern pfiffen. Das ist genau das, was wir Ih-
nen immer wieder vorgeworfen haben: dass Sie die Kar-
ten nicht frühzeitig, auch für das Parlament durchschau-
bar, auf den Tisch legen, sondern lavieren und taktieren,
solange es geht, und Parlament und Öffentlichkeit im
Unklaren lassen. Wer wollte, der konnte schon im Mai,
mit Sicherheit aber Anfang Juni wissen, dass Spanien
Hilfe brauchen würde.


(Otto Fricke [FDP]: Aha! Sie wussten das also?)


Wir haben den Rettungsschirm doch nur deshalb aufge-
spannt, weil sich das schon am Horizont abzeichnete.
Das haben wir Sozialdemokraten mitgetragen – das gilt
auch für den ESM –, allerdings nicht wegen irgendwel-
cher verblasener Vorstellungen von europäischer Solida-
rität, erst recht nicht, um eine strauchelnde Regierung im
Amt zu halten. Nein, wir haben das aus richtig verstan-
denem deutschen Interesse mitgetragen, auch im Hin-
blick auf deutsche Arbeitsplätze.

Wir wissen seit langem: Wir leben nicht auf einer In-
sel der Seligen. Die Krise kommt auch im stärksten eu-
ropäischen Exportland an. Eines ist sicher: Wenn die eu-
ropäischen Volkswirtschaften, eine nach der anderen,
wirklich ins Trudeln geraten würden, dann wäre nicht
auszuschließen, dass am Ende auch Deutschland in die-
sem Strudel mitgerissen wird. Wir müssen den Men-
schen sagen, dass nicht Spanier, Griechen und Portugie-
sen, sondern wir, wir Deutsche, das größte Interesse an
der Überwindung der europäischen Krise haben. Wir
müssen sagen, dass dieser Weg hart wird, dass er lange
dauern wird und mit erheblichen Lasten, auch für unser
eigenes Land, verbunden sein wird. Den Menschen dies
offen ins Gesicht zu sagen, ist eigentlich nicht Aufgabe
der Opposition. Das wäre Ihre tägliche Aufgabe seit
Mai 2010 gewesen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie tun es nicht, weil Sie befürchten, dass Ihnen Ihre ei-
gene Koalition um die Ohren fliegt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, wenn ich heute trotzdem und unter Hintanstel-
lung auch eigener Bedenken,


(Zuruf von der FDP: Wie immer!)


– das wollen Sie nicht, oder was? –


(Zurufe von der FDP: Doch!)






Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)


die fortbestehen, meiner Fraktion die Zustimmung emp-
fehle,


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


dann einzig und allein deshalb, weil es nicht konsequent
wäre, Rettungsschirme aufzuspannen, sie aber nicht zu
benutzen, wenn sie gebraucht werden. Gebaut worden
sind die Rettungsschirme ja bekanntlich nicht zur Be-
standswahrung maroder Banken, sondern um die Real-
wirtschaft vor den Folgen eines Zusammenbruchs des
Finanzsektors zu bewahren. Das war der Sinn der Ret-
tungsschirme.


(Beifall bei der SPD)


Ich kann meiner Fraktion trotz eigener Bedenken die
Zustimmung empfehlen, weil ich die Auflagen im Me-
morandum gesehen habe, die strenger formuliert sind als
in den Garantiefällen, die wir in diesem Parlament in den
letzten zwei Jahren positiv entschieden haben. Ich habe
gesehen, dass die Abwicklung der Banken ebenso dazu-
gehört wie die völlige Neustrukturierung des spanischen
Bankenbereichs. Trotzdem sage ich: Es darf keine Ban-
kenrettung um jeden Preis geben. Wer sich kaputtspeku-
liert hat, der darf und der kann keinen Anspruch auf
staatliche Hilfe haben; der darf kein Steuergeld verbren-
nen. Der muss schlicht und einfach vom Markt; so ein-
fach ist das.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen,
dass viele in meiner Fraktion überhaupt nicht davon
überzeugt sind, dass wir das Richtige tun. Wenn die
Mehrheit dennoch zustimmt, dann nur deshalb, weil der
Schaden durch eine Verweigerung Deutschlands gegen-
über Spanien auch aus unserer Sicht katastrophal wäre.
Aber damit ist auch gesagt: Es kann so nicht weiterge-
hen. Die Rettung von Banken durch den ESM – das
müsste auch Ihr Interesse sein – darf nicht zur Dauerlö-
sung werden. Ich sage Ihnen: Wer immer es vorhat, es
wird keinen direkten Weg von der Spanien-Hilfe zur
dauerhaften Rekapitalisierung von kriselnden Banken
geben, jedenfalls nicht mit uns.


(Beifall bei der SPD)


Das Gegenteil muss doch die Aufgabe sein. Wir müs-
sen aus diesem Parlament heraus Alternativen formulie-
ren. Wir müssen Staatsrisiken und Bankenrisiken vonei-
nander trennen und endlich Vorschläge für ein
Trennbankensystem oder die Anwendung der Volcker
Rule in Deutschland machen. Wir müssen Banken unter-
einander für die eigenen Risiken einstehen lassen, ohne
dass der Steuerzahler in Zukunft weiterhin belastet wird.
Deshalb brauchen wir einen eigenständigen Banken-
ESM – meinetwegen für systemrelevante Banken –, der
sich über eine europäische Bankenabgabe finanziert.
Das ist die Alternative, meine Damen und Herren. Wir
dürfen uns da nicht länger treiben lassen. Wir müssen
Alternativen aufzeigen.


(Beifall bei der SPD)


Nun weiß ich nicht, wie das in Ihren Fraktionen so
geht. Aber ich sage Ihnen: Jede Woche mit neuen Nach-

richten von Praktiken auf den Finanzmärkten lässt den
letzten Rest von Verständnis für eine Bankenrettung bei
uns schwinden. Es ist ja schlimm genug, dass Banken-
vorstände in der Vergangenheit ganz offenbar nicht ge-
nau wussten, mit welchen Risiken sie wirklich hantieren.
Es ist ein Skandal, dass auch seriöse Institute oder sol-
che, die sich so bezeichnen, in Europa offensichtlich auf
den Niedergang ganzer Volkswirtschaften gewettet ha-
ben. Aber dass die grenzenlose Gier keinen Halt macht
vor der systematischen Manipulation von Aktienkursen,
das übersteigt doch wahrscheinlich sogar unsere gemein-
samen Vorstellungen.

Das kann nicht so weitergehen. Denn ich bin fest da-
von überzeugt: Die Finanzmärkte ruinieren am Ende auf
diese Weise nicht nur die Realwirtschaft, sondern sie ru-
inieren auch die Demokratie.


(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Richtig!)


Es kann nicht angehen, dass die Politik immer wieder in
Haftung genommen wird, während sich die Akteure auf
den Finanzmärkten hinter ihrer Anonymität verstecken.
Für mich steht deshalb eines fest, meine Damen und
Herren: Nicht nur Regeln müssen her auf den Finanz-
märkten. Ob das gelingt oder nicht, wird sowieso zu ei-
ner Überlebensfrage der Demokratie. Ich sage ganz un-
abhängig davon: Wer in der Vergangenheit Kurse
manipuliert hat und weiterhin manipuliert, der muss
auch die ganze Härte des Strafrechts zu spüren bekom-
men, ohne Rücksicht auf Rang oder Status.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, niemand hier macht sich Illusionen da-
rüber, dass wir mit der heutigen Abstimmung erst einmal
Ruhe haben werden. Die nächsten Entscheidungen wer-
den nicht lange auf sich warten lassen. Ich weiß nicht,
wie lange das Geld in Griechenland reicht. Ich weiß
nicht, wie die Europäische Union dann agieren wird. Ich
weiß nicht und habe es heute von Herrn Schäuble auch
nicht gehört, wie Sie dann auf das deutsche Parlament
zukommen. Zu Zypern haben wir einen Satz gehört. Ob
das eine dauerhafte Entlastung von Entscheidungspflich-
ten hier bedeutet, kann ich nach Ihrer Rede nicht sagen.

Mein Abschlusssatz ist nur: Kommen Sie bitte auf
dieses Parlament nicht wieder auf den letzten Drücker
zu. Zurren Sie die Dinge nicht endgültig fest, bevor Sie
hier ins Hohe Haus kommen. Sie haben es in den letzten
Wochen gespürt: „Friss oder stirb“, das geht mit diesem
Parlament nicht mehr. Das wäre das Ende von europäi-
schen Gemeinsamkeiten, die es parteiübergreifend in
diesem Hause immer noch gibt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900300

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1718900400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Steinmeier hat kürzlich behauptet: Die SPD sagt, was ist. –
Das war Ferdinand Lassalle in Kurzform.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Rosa Luxemburg!)


Sie, Herr Steinmeier, hätten heute die Möglichkeit ge-
habt, zu sagen, was ist. Sie haben es nicht gemacht. Sie
haben verschwiegen, bemäntelt. Aber wer Lassalle zi-
tiert, legt die Latte hoch. Sie sind heute bequem unter ihr
durchgelaufen. Sagen Sie doch einmal, was ist. Was ist
mit dem toten Rennen der Kanzlerkandidatur? Was ist
mit dem Rückwärtsgang bei der Rente mit 67?


(Thomas Oppermann [SPD]: Reden Sie mal über Europa! – Weitere Zurufe von der SPD)


Was ist mit Ihrer Steuererhöhungspolitik? Was ist mit Ih-
rer Vergemeinschaftung von Schulden, Stichwort Euro-
Bonds?

In der Sozialdemokratie sind die Machtfragen nicht
gelöst.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie kommen nicht mal ins Parlament!)


Sie haben die Sachfragen nicht gelöst. Das spürt man bei
jeder Sitzung. Ihre Troika ist ein Pakt des Misstrauens.
Jeder vermutet beim anderen den Dolch im Gewande.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann wollen Sie uns mit denen alleine lassen? Sie kommen gar nicht rein ins Parlament! Das ist entsetzlich!)


Die Fraktionen im Deutschen Bundestag haben sich
weitreichende Rechte der Parlamentsbeteiligung er-
kämpft. Rechte bedeuten auch mehr Pflichten. Rechte
bedeuten auch Verantwortung. Diese Sondersitzung ist
ein starkes Zeichen unserer Demokratie. Wir Parlamen-
tarier tun unsere Pflicht. Wir Parlamentarier nehmen un-
sere Verantwortung wahr.

Wir beschließen heute das Hilfsprogramm für Spa-
nien. Das ist keine leichte Entscheidung. Aber wir wis-
sen: Wir müssen den Teufelskreis aus Schuldenkrise und
Bankenkrise durchbrechen. Im Moment schwappt die
eine Krise immer wieder in die andere hinüber. Deshalb
brauchen wir Dämme und Dränagen.

Spanien leidet unter den Folgen der Immobilienblase.
Spanien hat strukturelle Schwächen. Aber Spanien ist
nicht Griechenland.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine Erkenntnis! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sprechen auch ganz anders! Wissen Sie das?)


Spanien hat noch vor kurzem eine niedrigere Schulden-
quote als Deutschland gehabt. Spanien hat industrielle
Kerne und attraktive Dienstleistungssektoren. Realwirt-
schaft kann sich aber nicht von der Finanzwirtschaft ab-
koppeln. Realwirtschaft braucht Kredite. Deshalb hat
Spanien nur eine Chance, wenn es den Bankensektor in

Ordnung bringt. Dafür hat es Hilfe bei den Euro-Part-
nern beantragt.

Deutschland ist bereit, zu helfen. Aber wir halten uns
an den Grundsatz: Keine Leistung ohne Gegenleistung!
Die Bundesregierung und die europäischen Partner ha-
ben Spanien ein knackiges Pflichtenpaket auferlegt.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Knackig?)


Spanien verpflichtet sich, eine Bad Bank zu schaffen.
Spanien hat sich verpflichtet, strenge Stresstests für den
gesamten Bankensektor durchzuführen. Danach wird
entschieden, welche Institute abgewickelt werden. Spa-
nien wird von der EU-Kommission und von der EZB mit
Unterstützung des IWF überwacht. Wir schicken quasi
die Troika wieder los. Das ist eine effektive Überwa-
chung.

Spanien hat sich zu weitreichenden Strukturreformen
verpflichtet, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Spanien hat ein
Sparpaket von 65 Milliarden Euro angekündigt. Das sind
klare Signale.

Eine direkte Bankenhilfe ist nicht vereinbart worden;
Finanzminister Schäuble hat das noch einmal ausdrück-
lich bestätigt. Auf dem Gipfel wurde ausdrücklich be-
schlossen: Erst wird eine europäische Bankenaufsicht
geschaffen. Ich erkläre für meine Fraktion: Es wird nicht
reichen, wenn der Währungskommissar im September
Vorschläge dazu macht. Die Möglichkeit von Direkthil-
fen ist klar an die Umsetzung und nicht an die Ankündi-
gung einer Bankenaufsicht geknüpft.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das haben die Kanzlerin und der Finanzminister öffent-
lich immer wieder gesagt. Die Fraktionen vertrauen der
Regierung. Notfalls werden wir das anmahnen. Hier ist
dann unser parlamentarisches Selbstverständnis gefor-
dert.

Ich erkläre für meine Fraktion außerdem: Ohne eine
europäische Bankenaufsicht mit harten Durchgriffsrech-
ten sind direkte Bankenhilfen überhaupt keine Option.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Optionen sind dann besonders wertvoll, wenn man sie
nicht ziehen muss. Deutschland hat kein Interesse an ei-
nem ESM als Bad Bank.

Wir haben ein gutes Verfahren für Spanien gefunden.
Das gilt es durchzuhalten, damit Vertrauen entstehen
kann.

Meine Damen und Herren, die besten Volkswirte und
Verfassungsrechtler Deutschlands treibt die Schulden-
krise um. Ökonomen machen Aufrufe, ehemalige Ver-
fassungsrichter geben große Interviews, amtierende Ver-
fassungsrichter nehmen sich für ein Eilverfahren mehr
Zeit als üblich. Ich halte das für legitim und auch für not-
wendig und richtig.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Vielen Dank!)






Rainer Brüderle


(A) (C)



(D)(B)


Ich sehe das als Ausweis unserer Grundfreiheiten, rich-
terlicher Unabhängigkeit, der Freiheit von Forschung
und Lehre und der Meinungsfreiheit.

Deutschland ringt mit sich und seinen Grundsätzen.
Wir müssen den europäischen Weg gehen, aber uns ist
klar: Es muss ein Pfad der Stabilität und der Rechtsstaat-
lichkeit sein.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Genau!)


Darum ringen die Politik, Ökonomen und auch Verfas-
sungsrechtler.

Privates Eigentum, Haushaltsautonomie und Geld-
wertstabilität sind unsere wirtschaftlichen und rechts-
staatlichen Vorräte.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Und der Sozialstaat!)


Diese müssen wir schützen, die wollen wir schützen, und
die werden wir schützen.

Deutschland kann seinen Wohlstand nicht für ein Eu-
ropa der Reformpausen einsetzen. Damit würden wir un-
seren Wohlstand aufs Spiel setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Davon hat niemand etwas, wir nicht und unsere europäi-
schen Partner auch nicht.

Das Time Magazine hat vor kurzem geschrieben – ich
zitiere –:

Deutschland geht es deswegen besser als dem Rest
Europas, weil es sich nicht so verhält wie der Rest
Europas.

Meine Damen und Herren, die christlich-liberale Ko-
alition schützt die Interessen Deutschlands in Europa.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich zitiere noch einmal das Time Magazine:

Wenn Deutschlands europäische Partner – aber
auch Washington – weiterhin wollen, dass Merkel
und ihr Land sich so stark engagieren, dann ist es
vielleicht an der Zeit, ihr Respekt zu zollen, statt ihr
ständig Beleidigungen an den Kopf zu werfen.

Das Magazin hat völlig recht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das gilt auch für die Opposition.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich halte es schon für be-
denklich, wenn sich Sozialdemokraten zum Sprachrohr
der französischen Sozialisten machen und hier über
Bande spielen. Das hat eine neue Qualität.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dort wurden offenbar Informationen ausgetauscht und
vielleicht sogar Strategien besprochen. Hätte ein deut-

scher Beamter das gemacht, dann wäre das Geheimnis-
verrat gewesen.


(Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das hat Deutschland nicht genützt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Unmöglich! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist eigentlich Landesverrat!)


Altbundeskanzler Schröder hat es klar angedeutet: Es ist
nicht im deutschen Interesse, Reformpausen und die
Rente mit 60 in anderen Ländern zu finanzieren. Das
kann nicht deutsches Interesse sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Kollege Müntefering hat das bei Ihnen ja offen ange-
sprochen. Es gibt offenbar noch Verantwortungsethiker.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen nicht!)


Ihnen sollten Sie mehr Raum geben.

Meine Damen und Herren, die Menschen im Land
machen sich Sorgen um die Geldwertstabilität. Wir alle
hier haben den Menschen versprochen, der Euro werde
genauso stabil sein, wie es die D-Mark war, und die Eu-
ropäische Zentralbank werde genauso unabhängig sein,
wie es die Deutsche Bundesbank war und ist. Das müs-
sen wir auch einhalten. Zweimal haben die Deutschen
ihre Geldwerte verloren, und zwar durch zwei Wäh-
rungsreformen. Inflation stand am Anfang und am Ende
der unseligsten Zeit der deutschen Geschichte. Deshalb
ist unsere Mitgift für Europa Sensus für Geldwertstabili-
tät und die Schaffung der Voraussetzungen dafür. Mit ei-
ner Schuldenunion aus Euro-Bonds schaffen wir das
nicht,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


mit einer Haftungsunion, in der die deutschen Sparkas-
sen für Großbanken in Spanien und sonst wo einstehen,
auch nicht, mit einer Inflationsunion – Stichwort
„Banklizenz für den ESM“ – auch nicht.

Von Deutschland wird Orientierung und auch ein
Stück Führungsverantwortung gefordert. Führungsver-
antwortung heißt aber nicht, der liebe Onkel oder die
nette Tante zu sein und ständig Bonbons zu verteilen,


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Niveau hier?)


sondern durch ein gutes Beispiel Orientierung zu geben.
Deutschland setzt ein gutes Beispiel. Wir bringen unsere
Wirtschaftsstärke, aber auch unsere Stabilität ein. Das ist
der richtige Pfad für Europa.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900500

Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718900600

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Wir

sind also wieder einmal zusammengekommen, um Mil-
liarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart
erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts
zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass
Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht:
Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht
dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre
riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es
geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken,
die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger
vor Verlusten schützen sollen.

Bis zu 48 Milliarden Euro kann die heutige Entschei-
dung den deutschen Steuerzahler kosten. Das ist etwa
das Vierfache dessen, was der Bund jährlich in seinem
Etat für Bildung und Forschung ausweist. Insoweit muss
man schon sagen: Es war wirklich ungerecht, dass Frau
Merkel in Europa einmal „Madame Non“ genannt wurde.
Wenn es um Banken und darum geht, Steuergeld für
Banken zu verbrennen, dann war Madame Merkel – und
sie ist es bis heute – leider immer „Madame Oui“.


(Beifall bei der LINKEN)


Gleichzeitig singen Sie aber – diese Regierung macht
das heute ja wieder – das Mantra von Haushaltsdisziplin
und Haushaltskonsolidierung. Sie zwingen die Bundes-
länder, Polizisten und Lehrer zu entlassen, um eine soge-
nannte Schuldenbremse einzuhalten. Verarmte Kommu-
nen verkloppen Krankenhäuser und Wohnungen und
schließen eine kommunale Einrichtung nach der ande-
ren. Ich sage Ihnen aber: So viele Theater, Bibliotheken
und Schwimmbäder gibt es in ganz Deutschland nicht,
dass man durch ihre Schließung die gigantischen Sum-
men wieder hereinholen könnte, die Sie hier mit jeder
einzelnen Entscheidung verpulvern.


(Beifall bei der LINKEN – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: So ein Quatsch!)


Erzählen Sie doch niemandem, dieses Geld sei nicht
in Gefahr. Es ist natürlich in akuter Gefahr. Ich bin zwar
lange nicht so marktgläubig, wie Sie das sind. Aber gibt
es Ihnen nicht zu denken, dass die Banken, deren Risiko-
kapital Sie jetzt mit deutschem Steuergeld aufstocken
wollen, am privaten Markt seit langem nicht einmal
mehr Anleihen platzieren können? Das spricht doch
wohl sehr dafür, dass Sie sich hier auf ein verdammt
schlechtes Geschäft einlassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden.
Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbe-
reich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich
organisiertes Finanzsystem. Dann müssen Sie aber auch
die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft
nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investo-
ren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler.


(Beifall bei der LINKEN)


Jeder kleine Unternehmer, der eine falsche Investitions-
entscheidung trifft, muss am Ende dafür büßen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!)


Er wird oft genug gerade von den Banken bis aufs letzte
Hemd ausgezogen. Aber für die Banken selbst soll das
offensichtlich nicht gelten.

Wenn Sie uns jetzt sagen: „Na ja, Bankenpleiten kann
man nicht verantworten, das hat solche gesamtwirt-
schaftlichen Folgen“, dann seien Sie doch nur einmal
konsequent. Dann akzeptieren Sie, dass Finanzen ein öf-
fentliches Gut sind, das eben nicht privater Renditejagd
überlassen werden darf.


(Beifall bei der LINKEN)


Dann akzeptieren Sie, dass der Finanzsektor öffentlich
und gemeinwohlorientiert organisiert werden muss, dass
Finanzen so wenig auf einen Markt gehören wie Ge-
sundheit, Bildung und viele andere elementare Güter.
Genau das fordert die Linke ja seit langem.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber das, was Sie machen, gigantische private Wett-
buden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben,
die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzo-
cken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale
Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es
eng wird, den Steuerzahler kommen und brav für die
Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bank-
vorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den
Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und
krankes Modell.


(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sozialismus ist immer ein krankes Modell!)


Ich muss auch sagen: Dass sich SPD und Grüne jedes
Mal dazu hergeben, der Regierung für diesen Bankenso-
zialismus die nötige Mehrheit zu sichern, die sie gar
nicht mehr hätte ohne sie, das ist wirklich ein einziges
Trauerspiel.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich kann die Phrase nicht mehr hören: Die Finanz-
märkte dürfen nicht beunruhigt werden. – Ob die Men-
schen beunruhigt werden, ob die Demokratie ausgehe-
belt wird,


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist es!)


ist alles nicht so wichtig, solange nur die Finanzmärkte
bei Laune bleiben. Ich finde es schon ziemlich skrupel-
los, wie teilweise versucht wurde, sogar das Bundesver-
fassungsgericht mit Rücksicht auf Finanzmarktinteres-
sen unter Druck zu setzen.

Genau das unterscheidet die Linke von Ihnen allen.
Wir wollen nicht die Finanzmärkte beruhigen, und wir
wollen auch nicht um das Vertrauen dieser Zockerbande
werben, sondern wir wollen die Finanzmärkte entmach-
ten. Wir wollen die Banken als öffentliche Institute so
reorganisieren, dass sie endlich wieder das tun, wofür
Banken da sind:


(Beifall bei der LINKEN)






Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)


sichere Sparmöglichkeiten anbieten und Investitionen fi-
nanzieren; und sonst gar nichts.

Tatsächlich brauchen Spanien und auch Italien – das
wird das nächste Land sein – unser Steuergeld nicht.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Hey, hey! Vorsichtig!)


Was sie wirklich brauchen, ist erstens ein regulierter Fi-
nanzsektor, in dem Investoren und Gläubiger für die Ver-
luste der Vergangenheit haften. Zweitens müssen sie
endlich unabhängig von der Zinstreiberei der Finanz-
märkte werden. Ich sage Ihnen: Wenn sie sich tatsächlich
zu dem gleichen Zinssatz wie die privaten Banken finan-
zieren könnten, nämlich zu 0,75 Prozent, und wenn sie
nicht mehr für die Verluste ihrer Banken haften müssten,
dann hätten diese Länder so gut wie keine Defizite mehr.

Allen, die sofort wieder warnen, billige Zinsen wür-
den zu unverhältnismäßiger Schuldenmacherei animie-
ren, kann ich nur sagen: Dann beschließen Sie doch ei-
nen einfachen Sanktionsmechanismus. Die EZB darf nur
an die Länder Direktkredite vergeben, die erstens bereit
sind, eine kräftige Vermögensteuer für Vermögen ober-
halb von 1 Million Euro einzuführen, und die sich zwei-
tens verpflichten, diese Steuer automatisch anzuheben,
wenn und solange die Staatsverschuldung 60 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Ein solcher
Sanktionsmechanismus wäre tausendmal besser als Ihre
ganzen Kürzungsdiktate, und er wäre vor allem wirksa-
mer.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch in Spanien gibt es genug Vermögen. Immerhin
hat die Immobilienblase keineswegs nur Schulden pro-
duziert. Sie hat nämlich auch, und zwar nicht wenig,
Vermögen geschaffen, und diese Vermögen sind nach
wie vor vorhanden. Aber sie befinden sich ganz sicher
nicht bei den 300 000 Kleinsparern, die jetzt gerade im
Zuge der Bankenrestrukturierung mit ihrem Vermögen
bluten sollen.

Ich finde es auch bemerkenswert, dass eine Gläubi-
gerbeteiligung nur in dem Sonderfall tatsächlich durch-
gesetzt wird, wo sie eben nicht andere Banken und
Hedgefonds betrifft, sondern Kleinanleger. Das zeigt
doch auch, wie verlogen das ganze Gerede ist, dass es
hier angeblich immer darum geht, die Kleinanleger zu
schützen. Nein, die Kleinanleger in Spanien bluten jetzt.
Die Banken und Hedgefonds werden geschützt. Auch
deutsche Banken gehören zu denen, die von dem Steuer-
geld profitieren werden, das nicht wir, aber Sie heute
wieder freigeben werden.

Ich nenne Ihnen noch zwei Zahlen, um deutlich zu
machen, wo das Geld liegt. Die europäischen Staaten ha-
ben aktuell eine Staatsverschuldung von 11 Billionen
Euro. Die privaten Vermögen in Europa betragen 13 Bil-
lionen Euro, und zwei Drittel besitzen die oberen
10 Prozent. Das heißt, Sie können spielend die Sparein-
lagen von 90 Prozent der Bevölkerung in Europa sichern
und Sie können sogar noch die Staatsverschuldung redu-
zieren, wenn Sie bereit sind, die Reichen mit ihrem Ver-
mögen dafür haften zu lassen. Das wäre tausendmal bes-

ser als Ihr Schuldensumpf, die ganzen Kürzungsdiktate
und die Ausplünderung der Steuerzahler.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900700

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.


Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718900800

Ich komme zum Ende. – Die Linke jedenfalls wird

heute wieder geschlossen gegen diese erneute milliar-
denschwere Bankenrettung stimmen; denn wir sind
überzeugt: So kann und so darf es in Europa nicht wei-
tergehen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718900900

Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1718901000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Wir haben hier im Deutschen Bundestag den ersten Ret-
tungsschirm beschlossen, um einen Beitrag leisten zu
können, unsere Währung, den Euro, zu schützen und zu
stabilisieren. Wir haben diesen Rettungsschirm doch ge-
schaffen, um ihn dann einzusetzen, wenn es notwendig
ist.

Frau Wagenknecht, die Linke hat damals nicht zuge-
stimmt. Deswegen ist es gar kein Wunder, dass Sie auch
jetzt nicht zustimmen.


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Es wundert mich überhaupt nicht, dass Sie das erste Mal
nicht zugestimmt haben und auch jetzt nicht zustimmen
werden; denn das, was damals Sie und die SED als öko-
nomisches Konzept in der DDR gemacht haben,


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: „Deutsch reden in Europa“!)


hat dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger Sie
rausgeschmissen haben.


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: „Deutsch reden in Europa“!)


17 Millionen Menschen haben Sie in die Armut getrie-
ben. Von Ihnen brauchen wir keine Belehrungen darüber,
wie es funktionieren muss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Oberpeinlich! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie verschieben hier eine Sparkasse! Wenn nichts mehr bei Ihnen hilft, dann heißt es das!)






Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)


– Sie können nachher reden. Wissen Sie, Sie sollten hier
nur ein einziges Mal auftreten und den Satz sagen: Wir
haben nachgedacht und erkannt, was wir alles falsch ge-
macht haben.


(Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das haben wir! Da haben Sie wohl Tomaten auf den Ohren!)


Aber das bringen Sie ja überhaupt nicht fertig. Dazu sind
Sie gar nicht in der Lage.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Da kann man nur fragen: Ist es mangelnde Einsichts-
fähigkeit oder eine gewisse Arroganz, die Sie an den Tag
legen? Ich sagen Ihnen: Damit überzeugen Sie nieman-
den hier im Deutschen Bundestag. Niemanden!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was ist denn arrogant? „Deutsch reden in Europa“! „Man redet wieder Deutsch in Europa“: Das ist arrogant!)


Wir haben damals ganz klar formuliert, unter welchen
Voraussetzungen und Bedingungen wir bereit sind, diese
Euro-Stabilisierung vorzunehmen. Wir haben dies mitei-
nander so beschlossen, indem wir gesagt haben: Es müs-
sen Leistung und Gegenleistung, Solidität und Solidari-
tät zusammenkommen. Deswegen ist doch völlig klar:
Die heutige Zustimmung zu dem Antrag, Spanien bei
der Rekapitalisierung seiner Banken zu unterstützen, ist
mit entsprechenden Konditionen verbunden.

Ich kann mich nur wundern: Immer bei dem Satz „Es
muss etwas verändert werden, es kann nicht so weiterge-
hen wie bisher“ kommt aus der linken Hälfte des Deut-
schen Bundestags ein Stöhnen. Man kann doch nicht sa-
gen, dass die Griechen und andere so hervorragend
gewirtschaftet haben, dass nichts verändert werden
muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Es gehört mit dazu,
dass wir dies dort, wo etwas falsch gelaufen ist, sagen.
Bloß Hilfe zu geben nach dem Motto: „Nur nicht sagen,
was falsch gelaufen ist“, wird zu keiner Lösung in Eu-
ropa führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nur deshalb, Frau Roth – Sie schaue ich ganz beson-
ders an –, weisen wir darauf hin, was sich verändern
muss. Wir sagen im Übrigen, dass auch wir in Deutsch-
land in diesem Veränderungsprozess sind. Deswegen,
Herr Kollege Steinmeier: Es ist eben nicht so, dass wir
der Bevölkerung sagen: Es muss sich überhaupt nichts
tun. – Vielmehr haben wir der Bevölkerung klar gesagt
– das wissen Sie sehr genau; das ist Ihnen auch nicht
leichtgefallen –, was sich mit Rente mit 67, mit Hartz IV
und vielem anderen tun muss und was wir verändern
müssen. Wenn ich mir den deutschen Bundeshaushalt
anschaue, dann muss ich mich fragen, ob wir nicht mehr
und mehr auch die Investitionshöhe in unserem Haushalt
verändern müssen und nicht nur konsumtive Ausgaben
tätigen dürfen. Eine entsprechende Veränderung ist not-
wendig, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu
erhalten. Das sagen wir den Menschen auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir können uns vieles in Deutschland trotz der Soli-
darität in Europa nur leisten, weil wir eine funktionie-
rende Wirtschaft haben und weil es gut läuft. Ich kann
nur sagen: Ich bin froh, dass wir Entwicklungen, Pro-
zesse in unserem Land vorangebracht haben, die auch
der deutschen Wirtschaft helfen. Ich will nur auf Folgen-
des hinweisen: Vor sechs, sieben oder acht Jahren waren
die Sozialversicherungsbeiträge so hoch, dass die deut-
sche Wirtschaft unter diesen sogenannten Lohnzusatz-
kosten regelrecht geächzt hat. Es ist auch ein Erfolg die-
ser Koalition, dass wir hier durch eine konsequente
Politik zu Entlastungen gekommen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das war aber nur zu erreichen, indem eine ganze Reihe
von Reformmaßnahmen getroffen wurden.

Ich gehöre – darauf habe ich schon einmal hingewie-
sen – der ersten Nachkriegsgeneration an, die eine große
Vision hatte: ein stabiles Europa ohne Grenzen, ein Eu-
ropa des Friedens. Es sollte nie wieder Krieg von diesem
Europa ausgehen. Deswegen fühle ich mich diesem Eu-
ropa in besonderer Weise verpflichtet, genauso wie
viele, viele von uns hier. Wir wollen dieses Europa er-
halten; wir wollen es stabilisieren. Aber damit dies ge-
lingt, müssen sich auch alle an die Spielregeln halten, die
wir miteinander vereinbart haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In diesem Punkt bin ich der Bundesregierung, nament-
lich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, dankbar.
Ich muss dies aber auch immer wieder sagen: Ein Teil
der Probleme ist in Europa entstanden – das gehört zur
Wahrheit und zur Analyse, um daraus die Konsequenzen
zu ziehen –, weil man sich, wenn es ernst wurde, nie an
die Regeln gehalten hat, die man selber vereinbart hat.
Ich will gar nicht die aktuelle Ausgabe des Spiegels zi-
tieren. Lesen Sie von der SPD einmal ganz genau nach!
Dann wissen Sie, was damals infolge des brutalen Re-
gelbruchs und der Aufgabe der Stabilitätskriterien pas-
siert ist.


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Da profitieren Sie noch heute von! – Weitere Zurufe von der SPD)


– Ja, ja; das ist halt das Thema. – Deswegen reagiere ich
sehr allergisch darauf. Wenn wir in Europa etwas verein-
bart haben, muss es eingehalten werden, auch wenn es
dem einen oder anderen nicht ganz leichtfällt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen bin ich dankbar, dass die Bundesregierung
klipp und klar gesagt hat: Es gibt keine direkte Banken-
finanzierung.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!)


Vielmehr wird heute über einen Antrag Spaniens abge-
stimmt. Spanien haftet dafür. Es werden dafür ganz klare
Konditionen vereinbart, die eingehalten werden müssen.





Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Reiner technischer Nebel! – Sigmar Gabriel [SPD]: Der Satz holt dich ein!)


Noch zu einem anderen Punkt. Wir haben auch klipp
und klar gesagt, warum wir diese Maßnahmen ergreifen.
Ich bin manchmal sehr überrascht, wie hier dahergeredet
wird. Der Euro ist unsere Währung, und wir haben allen
Grund, unsere Währung zu stabilisieren und zu schützen.
Ich bin wirklich heilfroh, dass wir sagen können: Wir ha-
ben keine Euro-Krise, wir haben eine Staatsschulden-
krise.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist eine Bankenschuldenkrise, keine Staatsschuldenkrise!)


Das ist der entscheidende Punkt. Wir werden alles tun,
um diese Währung zu schützen.

Wir haben in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/
2009 dafür sorgen können, dass die Spareinlagen der
Menschen gesichert sind. In Spanien waren es Sparkas-
sen aus dem regionalen Bereich – genauso, wie es bei
uns welche gibt –, die zu einer Bank zusammengeschlos-
sen wurden. Wer leichtfertig daherschwätzt, es werde
den Banken Geld gegeben, um sie zu stützen, um Kapi-
talisten zu stützen, der vergisst durchweg, dass auf die-
sen Banken die Sparvermögen unserer Bürgerinnen und
Bürger liegen. Wenn diese Banken in Schieflage kämen,
wären unsere Bürgerinnen und Bürger in erster Linie be-
troffen. Deswegen ist es richtig, was wir heute machen.
Wir tragen zu einer Stabilisierung in Europa bei.

Wenn ich mir anhöre, welche Konzepte – auch ges-
tern wieder im Haushaltsausschuss –


(Bettina Hagedorn [SPD]: Sie waren doch gar nicht da!)


vorgeschlagen werden – Altschuldenfonds, Vergemein-
schaftung und vieles andere mehr –, dann muss ich sa-
gen: Ich bin zwar dankbar dafür, dass wir in diesem Par-
lament eine gesamteuropäische Verantwortung tragen
– jawohl, Herr Kollege Steinmeier und Herr Trittin, das
stimmt; dafür bin ich dankbar –, aber wenn ich höre,
welche Lösungsvorschläge Sie darüber hinaus haben,
bin ich dankbar dafür, dass eine christlich-liberale Koali-
tion dieses Land regiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718901100

Jürgen Trittin ist der nächste Redner von Bündnis 90/

Die Grünen.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718901200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

Kollege Kauder, in Ihrer Dankbarkeit sollten Sie viel-
leicht nicht übersehen, dass diese christlich-liberale Ko-
alition, wie Sie sich selber eben bezeichnet haben,


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Blasphemisch bezeichnet haben!)


in entscheidenden Abstimmungen in diesem Hause
keine Mehrheit mehr gehabt hat; das ist der Kern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Wenn Sie sagen – möglicherweise wäre ich hier mit
Ihnen sogar einer Meinung –, man müsse die Ausgaben
stärker auf Investitionen konzentrieren, dann frage ich
Sie, lieber Herr Kauder: Wie kommen Sie denn dann auf
die Idee, eine neue, milliardenschwere Subvention in
Form des Betreuungsgelds auf den Weg zu bringen? Was
hat denn das mit finanzieller Solidität zu tun?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Angesichts der spanischen Entwicklung, Herr
Kauder, sich hier hinzustellen und die Geschichte von
der Staatsschuldenkrise zu wiederholen, das ist schon
abenteuerlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


2007 lag die spanische Verschuldungsquote bei 36 Pro-
zent. Selbst heute ist die staatliche Verschuldungsquote
in Spanien niedriger als in der Bundesrepublik Deutsch-
land unter der angeblichen Sparkanzlerin Angela Merkel.
In Spanien haben wir es genau genommen mit etwas an-
derem zu tun. Spanien ist in die Krise geraten, weil eine
Immobilienblase geplatzt ist und weil wir dort eine Ban-
kenkrise und eine Bankschuldenkrise haben. Das ist das
Problem, um das es in Spanien geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist es!)


Die spanische Gesellschaft befindet sich jetzt in der
Situation, dass sie angesichts der geplatzten Immobi-
lienblase nicht mehr in der Lage ist, mit den Folgen die-
ser Entwicklung klarzukommen und ihren außer Kon-
trolle geratenen Sparkassensektor – liebe Kollegin
Wagenknecht, darum geht es im Wesentlichen; das sind
doch die Banken, die Sie eigentlich befürworten – in den
Griff zu bekommen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das sind nicht unsere Sparkassen! Bankia ist nicht unsere Sparkasse!)


Das versucht Spanien nun in einer schweren wirt-
schaftlichen Krise. Worin besteht diese wirtschaftliche
Krise? Zum Beispiel darin, dass nicht genügend inves-
tiert wird. Warum wird nicht genügend investiert? Weil
für Unternehmen unter den Bedingungen zusammen-
brechender Sparkassen eine Fremdkapitalfinanzierung
kaum noch möglich ist. Das ist eine der Ursachen für die
Rezession; das ist eine der Ursachen für eine fast 50-pro-
zentige Jugendarbeitslosigkeit in diesem Land. Das heißt
für uns: Wer die Rezession in Spanien überwinden will,
der muss mit dafür Sorge tragen, dass dieser marode
Bankensektor restrukturiert wird. Dazu ist Spanien allein
nicht in der Lage. Deswegen der Hilfsantrag.





Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)


Deswegen glaube ich, dass es gute Gründe gibt, sich
das vorurteilsfrei und offen anzuschauen. Ja, es gibt be-
stimmte Elemente in dem Hilfspaket, die richtig sind –
übrigens Elemente, von denen Sie nie etwas hören woll-
ten. Sie haben immer behauptet, der Zinsdruck auf diese
Länder mache gar nichts. Wenn Spanien das allein wup-
pen müsste, dann würde der Druck auf Spanien – die
Zinsen liegen heute schon 5 Prozentpunkte über denen,
die Deutschland zu zahlen hat – noch weiter steigen.

Sie können es auch andersherum sagen: Wenn Spa-
nien durch europäische Hilfe in die Lage versetzt wird,
diesen Zinsdruck zu mindern, dann macht das ungefähr
2,5 Milliarden Euro bis 3 Milliarden Euro pro Jahr im
Haushalt Spaniens aus. Das sind übrigens 2,5 Milliarden
Euro bis 3 Milliarden Euro, die Spanien weniger sparen
muss.

Deswegen glaube ich, dass das ein vernünftiger Vor-
schlag ist. In diesem Vorschlag stecken Elemente, die
wir gerne auch in anderen Paketen gehabt hätten, zum
Beispiel das Verbot, Dividenden auszuschütten, sowie
eine klare Regelung, dass Banken unter dem Restruk-
turierungsfonds ihren Managern nicht mehr als
300 000 Euro bzw. 500 000 Euro auszahlen dürfen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hatten wir auch in Deutschland!)


Er beinhaltet auch das Element, dass Banken gegebenen-
falls abgewickelt werden müssen; wer etwas gegen die
Wand fährt, muss auch pleitegehen können. All dieses ist
vernünftig.

Aber in diesem Paket stecken auch eine ganze Reihe
von Unbekannten. Ich weiß noch nicht, wie viele Ban-
ken am Ende tatsächlich abgewickelt werden müssen,
wie vielen wir helfen wollen und müssen.


(Otto Fricke [FDP]: Das weiß keiner!)


Weil wir das nicht wissen, haben wir uns im Haushalts-
ausschuss gemeinsam, Herr Kollege Fricke, darauf ver-
ständigt, dass wir diese Frage nach genauer Erörterung
hier im Deutschen Bundestag entscheiden werden.

Meine Damen und Herren, es kommt ein Weiteres
hinzu: Ich glaube, es ist richtig, zu versuchen, Spanien
zu helfen. Aber es wird auch notwendig sein, aus dieser
Entwicklung zu lernen. Warum sind wir schon wieder in
der Situation, mit Staatsgeldern eine Bankschuldenkrise
– denn darum geht es hier – managen zu müssen? Das ist
deswegen der Fall, weil Sie bis heute unserem Rat-
schlag, unserer Forderung, endlich einen europäischen
Bankenrestrukturierungsfonds aufzubauen, nicht ge-
folgt sind. Das ist der Kern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man aus dieser Entwicklung lernen will, dann
gibt es nur eine Konsequenz, und die lautet: Wir brau-
chen zügig eine europäische Bankenunion, wir brauchen
zügig eine exekutiv wirksame europäische Bankenauf-
sicht, wir brauchen eine Schuldenbremse nicht nur für
Staaten, sondern auch für Banken, und wir brauchen eine
von den Banken über eine Abgabe finanzierte europäi-

sche Einlagensicherung. Das ist es, was wir in Europa
brauchen, und das heißt, aus dieser Krise, aus dieser
Hilfssituation endlich zu lernen und Konsequenzen zu
ziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718901300

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Otto Fricke für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1718901400

Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-

men und Herren! Herr Trittin, Sie haben vieles gesagt,
dem ich zustimmen kann. Ich will aber eines zum Thema
Mehrheiten festhalten; als Haushälter schaut man ja ge-
nau auf die Zahlen. Ich habe hier keine einzige Abstim-
mung zu Europa erlebt, bei der diese Koalition nicht ihre
Mehrheit hatte. Noch viel mehr: Ich habe keine einzige
Abstimmung erlebt, bei der wir als Koalition selbst dann
nicht die Mehrheit gehabt hätten, wenn alle in der Oppo-
sition mit Nein gestimmt hätten. Sie können sich das
gerne einmal anschauen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Deswegen bleibe ich dabei: Die notwendigen Mehr-
heiten haben wir immer, und selbst dann, wenn wir sie
eigentlich nicht brauchten, sind Sie noch nicht einmal in
der Lage, die entsprechenden Gegenstimmen zu liefern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Manchmal sind Sie auch nicht beschlussfähig!)


So viel zu den Fakten.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Insbesondere wenn Sie nicht beschlussfähig sind, haben Sie immer echte Mehrheiten!)


Nichtsdestotrotz will ich eines positiv hervorheben, was
noch gar nicht geschehen ist. Wir vergessen das oft, weil
wir die Diskussion immer auf den aktuellen Punkt kon-
zentrieren und gar nicht sehen, was wir erreicht haben.
Wir haben hier heute zu Spanien eine ernsthafte Debatte,
die in den letzten Wochen angefangen hat. Wir debattie-
ren hier im Plenum, und wir entscheiden hier im Plenum –
nicht im Ausschuss. Wir bereiten das im Ausschuss vor.

Die Demokratisierung, die Parlamentarisierung dieser
Entscheidung zeigt doch, dass all das nicht stimmt, was
in den letzten Wochen und Monaten gesagt wurde, dass
dies alles in einem Handstreich von irgendwelchen Leu-
ten in Brüssel und in der Regierung von heute auf mor-
gen entschieden werden würde. Darauf sollten wir als
Parlament gemeinsam doch auch einmal stolz sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






Otto Fricke


(A) (C)



(D)(B)


Was ist Ziel unseres Handelns bei der Rettung Spa-
niens? Dass wir uns um Europa kümmern, weil wir ent-
sprechend der Stärke unseres Landes eine besondere
Verantwortung haben. Das Ziel kann aber nicht sein,
dass wir ein gleichgemachtes Europa wollen.

Wir wollen ein Europa in Freiheit. Was heißt das ei-
gentlich? Das bedeutet auch: in finanzieller Freiheit. Das
heißt auch, dass die Staaten nach ihren jeweiligen Vor-
stellungen entscheiden können, wie sie das Leben ihrer
Menschen verbessern wollen.

Aber die Freiheit alleine nützt nichts, wenn sie nicht
auch zu Verantwortung führt. Diese Verantwortung ist
nicht wahrgenommen worden. Herr Trittin – das sage ich
auch in Richtung Linke –, warum haben wir diese Ban-
kenkrise denn eigentlich? Erstens, ja, weil der Finanz-
sektor mitgemacht hat. Aber, zweitens, doch auch, weil
Spanien dasselbe falsche Heilsversprechen gegeben hat
wie die USA, indem es seinen Bürgern gesagt hat: Unab-
hängig davon, wie viel Geld ihr habt oder verdient, ist es
ganz leicht für euch, Eigentum zu erlangen. Das machen
wir mit niedrigen Zinsen; das geht alles.

Dies müssen wir jetzt auskurieren. Es war wiederum
ein Staat, der seinen Bürgern gesagt hat: Es geht ohne
Fleiß, und es geht ohne Sparsamkeit.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist der Gipfel! – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist eine Beleidigung Spaniens!)


Diesen Fehler müssen wir jetzt ausgleichen, und zwar im
Rahmen sozialer Standards und durch Anpassungen, die
notwendig sind. Das ist allerdings ein langwieriger Pro-
zess.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sollten nicht vergessen, dass jedes Versprechen
der Politik an die Bürger, etwas sei – unabhängig von
Leistung – leicht, am Ende zu einer, wie man so schön
sagt, Blase führt.

Es gibt ein niederländisches Sprichwort, welches das
eigentliche Problem, das wir – der Minister hat das ange-
sprochen – in der Kommunikation mit der Bevölkerung
haben, sehr gut trifft. Es geht dabei um Vertrauen. Das
niederländische Sprichwort besagt: Vertrauen geht auf
dem Rücken eines Pferdes und kommt nur zu Fuß zu-
rück.

Genau das ist das Problem, das wir im Moment in Eu-
ropa haben, das die Bürger bei der Frage haben, wel-
chem Land und welcher Bank und ob man der Politik
vertrauen kann.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Welcher Partei?)


In jeder Fraktion gibt es kritische Meinungen, und wir
fragen uns: Können wir denn vertrauen, wenn wir jetzt
Spanien helfen? Sind sie so wie die Griechen, wie wir
sie in den vergangenen Jahren erlebt haben? Oder sind
sie so – das muss man auch einmal sagen – erfolgreich,
wie es Portugal und Irland sind?

Wir wissen das nicht genau. Aber ich will eines deut-
lich in Richtung Spanien sagen: Das, was die gegenwär-
tige spanische Regierung bereits getan hat und was sie
von ihrer Bevölkerung verlangt, bedeutet ein hartes
Stück Arbeit, verlangt sehr viel Mut und ist nicht ein-
fach. Ich weiß um die Kritik, welche die Linke hinsicht-
lich der Programme vorgebracht hat.

Aber dass ein Land wie Spanien diese Anstrengungen
unternimmt, zeigt uns – insofern bitte ich um einen Ver-
trauensvorschuss der Bürger für Spanien und unsere
heutige Entscheidung –, dass wir mit dem, was wir tun,
die richtige Entscheidung treffen, um das gemeinsame
Haus Europa zu erhalten, und zwar nicht nach dem
Motto „Jeder, wie er kann!“, sondern jeder entsprechend
seiner eigenen Verantwortung. Deswegen werden ich
und die breite Mehrheit meiner Fraktion heute zustim-
men.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718901500

Axel Schäfer ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1718901600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

stimmen heute als Sozialdemokratinnen und Sozialde-
mokraten für die Hilfe für Spanien,


(Beifall des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])


weil wir der Auffassung sind, dass wir Stabilität auch
praktizieren und anwenden müssen, dass wir das, was
wir versprochen haben, auch einhalten müssen, und weil
wir uns der Dramatik der Situation bewusst sind.

Die Alternative würde nämlich heißen, dass Spanien
und dann vielleicht auch Italien sich nicht mehr am Ka-
pitalmarkt refinanzieren könnten. In einer solchen Situa-
tion wäre auch unsere europäische Währung, der Euro,
am Ende. Dagegen müssen wir gemeinsam alles unter-
nehmen. Deshalb stimmen wir als Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten heute zu.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP
und der Union, wenn man bestimmte Länder wie Grie-
chenland nennt, darf man die historische Wahrheit nicht
verschweigen. Es ist nicht nur so, dass wir von diesen
Ländern etwas einfordern. Viele hier im Haus haben ver-
gessen, was wir von diesen Ländern bekommen haben.
Es war Griechenland, das 1953 dem Schuldenschnitt für
Deutschland um die Hälfte zugestimmt hat. Die Zustim-
mung zu diesem Schuldenschnitt war eine wichtige Vo-
raussetzung dafür, dass wir den Wiederaufbau, den Auf-
schwung, all das, was nach 1945 erreicht worden ist,
gemeinsam hinbekommen haben. Das wird heute ver-
gessen; aber das gehört zur historischen Wahrheit, was
gelebte Solidarität auch ist, dazu.


(Beifall bei der SPD)






Axel Schäfer (Bochum)



(A) (C)



(D)(B)


Der Kollege Brüderle hat hier angesprochen, dass ein
bestimmtes Verhalten bei Beamten Verrat gewesen wäre.
Man denkt bei der CSU dann gleich an so etwas wie
Landesverrat. Leider ist man mittlerweile auf diesem
Niveau von Vorwürfen angekommen. Dazu gehört aber,
dass das, was dahintersteht, nämlich die parlamentari-
sche und die sozialdemokratische Zusammenarbeit in
Europa, mit zu dem größten Erfolg in diesem Haus ge-
führt hat. Wir haben es nämlich gemeinsam mit Ihnen,
wenn auch verspätet, geschafft, dass sich dieses Parla-
ment für eine Finanztransaktionsteuer ausgesprochen
hat. Das war ein Vorschlag, der im Juni 2011, initiiert
von der französischen Parti Socialiste und von der deut-
schen Sozialdemokratie, parlamentarisch eingereicht, in
der Assemblée nationale und hier im Hause diskutiert
und auf den Weg gebracht worden ist. Das ist heute eu-
ropäische Mehrheitsmeinung. Damals waren Sie nicht
dafür. Inzwischen haben wir das, von uns Sozialdemo-
kratinnen und Sozialdemokraten angestoßen, durchge-
setzt.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz allein waren Sie da ja nicht!)


Das ist ein Erfolg. Kollege Brüderle, das ist eben ge-
meinsame europäische Politik.


(Beifall bei der SPD)


Wir werden das genau an dieser Stelle fortsetzen müs-
sen. Das heißt, es wird in Europa keine Denkverbote ge-
ben, und es wird keine „Ausschließeritis“ geben nach
dem Motto: Das kann nicht sein. – Der wichtige Schritt
dazu ist – Jürgen Trittin hat zu Recht darauf hingewiesen –:
Es muss eine europäische Bankenunion geben mit ver-
bindlicher europäischer Aufsicht, mit verbindlichen eu-
ropäischen Insolvenzregeln, mit schärferen Regeln, die
wir im Rahmen von Finanzmarktkontrolle insgesamt be-
kommen. Das muss in Europa gelingen, und das muss
im Rahmen der Gesetzgebung vorangebracht werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil wir diese Debatte heute nicht nur als Deutsche
mit unseren Interessen führen, müssen wir eines klarma-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1718901700
Es kann Deutschland nur
gut gehen, wenn es allen anderen Ländern nicht schlecht
geht. Das ist die Voraussetzung. Es kann uns nur ge-
meinsam gut gehen. Es kann nicht sein, dass es den ei-
nen schlecht und den anderen gut geht.

Sie haben angekündigt, 2013 im Bundestag eine
wichtige Debatte über die europäische Zukunft zu füh-
ren. Seien Sie sicher: Wir werden das gerne aufnehmen.
Wir sind inhaltlich gut aufgestellt, und wir werden das
noch verbessern. Wir haben mit Martin Schulz einen
Präsidenten im Europäischen Parlament, der das Ganze
treibt, der es parlamentarisch voranbringt. Wir gehen
auch in diese Auseinandersetzung mit Optimismus, weil
wir wie bei Europa ins Gelingen verliebt sind.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718901800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1718901900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für

uns gilt auch heute der Grundsatz: Solidarität in Europa –
ja; aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Für uns gilt
der Grundsatz: Leistung – ja; aber Leistung nur mit Ge-
genleistung. Für uns gilt der Grundsatz: Hilfen – ja; aber
Hilfen nur mit Auflagen. – Das hat uns in den letzten
Monaten bei den bisherigen Entscheidungen geleitet,
und das ist auch die Grundlage für den jetzt anstehenden
Beschluss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nun ist heute schon klar dargelegt worden, dass die
Hilfen für die Banken in Spanien notwendig sind. Wenn
die Schwächen des Bankensystems dort nicht beseitigt
werden, dann birgt das Gefahren für die gesamte Euro-
Zone und damit auch für uns. Das heißt, das, was wir
heute beschließen, was wir auf den Weg bringen, ge-
schieht in unserem eigenen Interesse, im Interesse der
Stabilität unserer gemeinsamen Währung.

Um die Schwächen zu beseitigen, muss aber, wenn
das Ganze Sinn machen soll, die Zeit auch genutzt wer-
den, um das System, die Banken dort zu restrukturieren.
Die Banken müssen auf ein ein Niveau gebracht werden,
mit dem sie in der Lage sind, die Wirtschaft zu versorgen
– denn das ist die Aufgabe des Bankensystems –, damit
der gesamten spanischen Wirtschaft gutzutun und damit
auch dem europäischen Raum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb sind die Auflagen, die gemacht werden, nicht
Schikane, sondern sie sind notwendig, sie sind fachlich
geboten, sie sind sachlich geboten. Ich bin sehr dankbar
dafür, dass in dem Memorandum of Understanding klar
dargelegt wird, was da alles gemacht werden muss. Es
ist viel konkreter als das, was wir bei früheren Entschei-
dungen zu verzeichnen hatten. Das muss einmal aner-
kannt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Für uns ist dabei ganz entscheidend, dass es keine di-
rekten Bankenhilfen gibt; ich sage das ganz besonders
betont. Antragsteller ist der spanische Staat. Vertrags-
partner ist der spanische Staat. Es geht bei diesen Hilfen
um rückzahlbare und verzinste Darlehen an den spani-
schen Staat. Der spanische Staat haftet. Mir ist diese
Klarstellung auch deshalb so wichtig, weil dies vorhin
von Herrn Steinmeier schon wieder vermischt wurde mit
den Beschlüssen in der Zukunft über eine gemeinsame
europäische Bankenaufsicht und weil schon wieder un-
terstellt wurde, dass im Zusammenhang mit der gemein-
samen europäischen Bankenaufsicht dann eine direkte
Bankenhilfe möglich sei und diese jetzt auch schon reali-
siert würde.





Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)



(Bettina Hagedorn [SPD]: Das hat er ja gar nicht gesagt!)


– Natürlich hat er das gesagt! – Wissen Sie, wenn in der
Bevölkerung Erklärungsbedarf besteht, was diese
schwierigen Zusammenhänge angeht – insofern stimme
ich mit ihm völlig überein –, dann müssen wir diese Er-
klärung alle miteinander leisten, jeder und jede an dem
Platz, an dem er oder sie Verantwortung trägt,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal dem Horst Seehofer!)


und auch so, dass die Erklärung der Wahrheit entspricht,
dass sie den Beschlüssen entspricht, dass die zeitlichen
Dimensionen klar zum Ausdruck kommen und dass
nichts vermischt wird, was zusätzliche Verunsicherung
mit sich bringt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Hilfen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
beziehen sich auf den Bankensektor. Dort liegt auch das
Problem in Spanien. Das heißt aber nicht, dass die ma-
kroökonomische Situation außer Acht gelassen wird.
Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen den
makroökonomischen Ungleichgewichten, den öffentli-
chen Haushalten und dem Finanzsystem, dem Banken-
system. Deshalb ist es wichtig und meines Erachtens un-
erlässlich, dass die Bemühungen Spaniens in Bezug auf
Haushaltskonsolidierung, Arbeitsmarktreformen, Refor-
men in der Sozialpolitik und im Steuersystem, die in den
letzten Monaten schon mit konkreten Beschlüssen auf
den Weg gebracht wurden, fortgesetzt werden und dass
die Ergebnisse dieser Bemühungen auch überwacht und
kontrolliert werden. Genau das geschieht. Ich habe gele-
gentlich den Eindruck, dass dies in der Diskussion ein
bisschen unbeachtet bleibt, vielleicht deshalb, weil die
Grundlagen dafür nicht hier im Hause beschlossen wur-
den, sondern weil beispielsweise das Europäische
Semester, die Six-Pack-Regelungen und vieles, was auf
europäischer Ebene heute praktiziert wird, im Europäi-
schen Parlament und im Rat beschlossen und auf den
Weg gebracht wurden. Aber sie werden konkret bei Spa-
nien angewandt. Es ist nun die Verpflichtung der spani-
schen Regierung, auf Konsolidierung, auf Reformen
nicht nur zu achten, sondern diese auch durchzuführen.
Das wird vom Rat und von der Kommission kontrolliert.
Der Bundesfinanzminister hat uns zugesichert, auch hier
im Parlament regelmäßig Bericht über die Fortschritte zu
erstatten. Ich bedanke mich dafür sehr herzlich. Ich will
deutlich zum Ausdruck bringen, dass beides zusammen-
gehört. Es sind letztlich zwei Seiten einer Medaille, die
aber in verschiedenen Körben aufzuheben sind. Mir ist
es wichtig, dass dies hier zum Ausdruck gebracht wird.

Noch etwas, meine lieben Kolleginnen und Kollegen:
Wenn wir uns heute die europäische Landschaft an-
schauen und sehen, in wie vielen Ländern Konsolidie-
rungsbemühungen an der Tagesordnung sind, dann kön-
nen wir, wie ich finde, sagen, dass wir viel geleistet
haben. Es ist deutlich: Die Konsolidierungsmentalität
hat in den europäischen Ländern Fuß gefasst, mehr als es

noch vor zwei Jahren der Fall war. Das Bewusstsein für
solide öffentliche Haushalte und für notwendige Struk-
turreformen ist gestiegen, und nicht zuletzt deshalb, weil
die deutsche Bundesregierung immer der Motor dieser
Bewegung war. Ich möchte mir nicht ausmalen, was ge-
schehen wäre, wenn wir in diesen schwierigen Zeiten
eine andere Bundesregierung gehabt hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Unsere zentralen Forderungen sind bei dieser Be-
schlussvorlage erfüllt, nämlich: keine Leistung ohne Ge-
genleistung, Solidarität ist keine Einbahnstraße, keine
Vergemeinschaftung von Schulden und Risiken, sondern
Verantwortung des Staates und Haftung des Staates Spa-
nien. Deshalb empfehle ich Ihnen die Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902000

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Diether Dehm,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718902100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kauder, wenn Sie ein ums andere Mal bestreiten,
dass es sich hier um eine Bankschuldenkrise handelt,
und von einer Staatsschuldenkrise reden, dann sprechen
Sie sich mit Herrn Schäuble besser ab. Er hat gestern
eindrücklich im Haushaltsausschuss – natürlich nach Be-
fragung der Kollegen Bartsch und Bockhahn – gesagt,
dass es sich um eine Bankschuldenkrise handelt. Sie
kommen mit dem nicht mehr so taufrischen Argument
der DDR immer dann, wenn Sie nicht mehr weiter wis-
sen. Wenn Sie Selbstkritik üben wollen, dann sagen Sie:
Jawohl, der Mappus ist am Gängelband von Morgan
Stanley durch die Arena geführt worden. Wenn Sie
Selbstkritik üben wollen, dann sagen Sie: Wir waren
auch immer ein bisschen zu nah bei Ackermann und der
Deutschen Bank. Distanz zur Macht der Banken zu
üben, das wäre für Sie ein Beitrag zur Selbstkritik. Das
wäre produktiv und brächte nach vorne.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Trittin, eine kleine Korrektur: Es handelt sich
hier nicht um Sparkassen; die deutschen Sparkassen sind
ziemlich einzigartig. Es sind Aktiengesellschaften, auch
wenn es staatliche Anteile gibt. Bankia ist mit einer
deutschen Sparkasse nicht zu vergleichen. Das lesen Sie
am besten noch einmal nach.

Herr Brüderle, Sie fordern schonungslose Wahrheit
ein. Statt die Spekulanten bei der Rückzahlung gewähr-
ter Darlehen heranzuziehen, lassen Sie immer nur Be-
völkerungen bluten. In Spanien wird die Mehrwertsteuer
um 3 Prozentpunkte erhöht und die Arbeitslosenunter-
stützung um 10 Prozentpunkte gekürzt. Von einer Steuer
für Superreiche ist wieder einmal keine Rede. Das ist die
schonungslose Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)






Dr. Diether Dehm


(A) (C)



(D)(B)


Ich sage Ihnen: Ihre Spekulantenpflege macht Europa
nicht mehr lange mit.

Der große Komponist Mikis Theodorakis, den Sie ge-
legentlich sicherlich hören – ihn hören sogar diejenigen,
die am deutschen Wesen Europa genesen lassen wollen –,
dieser Mikis Theodorakis hat Gregor Gysi, Pierre
Laurent, Alexis Tsipras und mir gesagt: Macht es nicht
wie die SPD, die sich in urlanger Tradition als Opposi-
tion kostümiert, aber immer wieder in Richtung Deut-
sche Bank zwinkert. – Als ich Sie, Herr Steinmeier, vor-
hin gehört habe, habe ich gedacht, Sie begründeten,
warum Sie mit Nein stimmen. Es ist doch keine Absage
an die Parteitaktik und kein Opfer für das Gemeinwohl,
wenn man die Schwächsten der Schwachen in Südeu-
ropa opfert. Was Sie uns als vorbildlich darstellen, ist
doch kein Opfer. Ich kann Ihnen nur sagen: Die alleiner-
ziehende Mutter, die ihr Kind beim SOS-Kinderdorf ab-
gibt, steht uns näher als diejenigen, für die Sie heute die
Bankenhilfe beschließen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir klagen dagegen. Wir streiten dagegen. Die deut-
sche Linke, die Izquierda Unida und die griechische
Linke haben gemeinsam beschlossen: Wir stehen bei den
Demonstrierenden. Das tun wir auch, weil Ihre Schul-
denbremse verhindert, dass die deutschen Arbeiter und
Handwerker Mittel, Aufträge und Kredite bekommen.
Ihre Schuldenbremse trifft die Kranken, weil die Ge-
sundheitsvorsorge jetzt in ganz Europa privatisiert wird.
Übrigens: Berauben heißt auf Lateinisch privare.

Ihre Politik ist – wenn Sie heute mit Ja stimmen –:
Schuldenbremse gegen Arbeitsplätze und Ausbildung,
Milliardengeschenke für Finanzspekulanten. Deswegen
haben schon am 29. Juni einzelne Abgeordnete der ande-
ren Fraktionen dagegengestimmt. Die Linke ist die ein-
zige Fraktion, die geschlossen dagegen stimmt. Wir ste-
hen bei den Menschen, die gegen die Wall Street
demonstrieren. Wir tun dies auch aus Respekt vor der
großen europäischen Kultur, für die der Name Mikis
Theodorakis steht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902200

Herr Kollege!


Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718902300

Wenn die Indignados mit ihrer Klage, die gestern vom

spanischen Nationalgerichtshof angenommen worden
ist, erfolgreich sind, dann ist ohnehin ein Großteil des-
sen, was sie hier beschließen, obsolet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902400

Herr Kollege!


Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718902500

Wir klagen für den Sozialstaat in Deutschland und in

Europa. Das ist unsere Maßgabe. Daran könnte sich auch
die Sozialdemokratie orientieren.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902600

Nun erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

die Kollegin Priska Hinz das Wort.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einer
Mär muss die Bundesregierung heute tatsächlich aufräu-
men. Es sollte künftig keiner mehr sagen, dass es sich in
Europa um eine Staatsschuldenkrise handelt. Tatsächlich
beschließen wir heute ein bankenspezifisches Pro-
gramm, nachdem wir in der EFSF diese Möglichkeit ein-
geführt haben, weil man einem Staat helfen muss, wenn
die Banken überschuldet sind und er alleine die Restruk-
turierung nicht durchführen kann. Das hat nichts damit
zu tun, dass ein Staat unverantwortlich gewirtschaftet
hat; denn Spanien ist, was seine Staatsverschuldung an-
geht, besser als Deutschland. Deswegen sollten Sie die
Mär von der hohen europäischen Staatsverschuldung
schlicht und einfach vergessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Womit Sie aber noch nicht aufgeräumt haben, Herr
Finanzminister – das bedauern wir Grüne sehr –, ist der
Teufelskreis von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise.
Das ist nicht möglich, weil es noch keine europäische
Bankenaufsicht und keinen europäischen Bankenre-
strukturierungsfonds gibt. Daran sieht man, dass Sie Ihre
Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wir Grüne fordern
dies seit Monaten ein. Wenn Sie sich vor einem Jahr an
diese Aufgaben gemacht hätten, dann wären wir heute
vielleicht so weit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie müssten dann keine Nebelkerzen werfen, wie Sie es
heute tun, und hinterher den Raum langsam lüften. Sie
sagen, es gebe nur die Spanienhilfe mit direkter Haftung
durch den Staat. Meine Güte, wir haben überhaupt keine
Alternative, weil anderes gesetzlich und vertraglich der-
zeit gar nicht geht. Also reden Sie auch nicht über etwas
anderes. Herr Seehofer, der den bayerischen Abgeordne-
ten im Bundestag empfohlen hat, unter der Maßgabe zu-
zustimmen, dass es keine direkte Rekapitalisierung gibt,
hat das anscheinend auch nicht verstanden oder die Ver-
träge, denen er im Bundesrat zugestimmt hat, nicht gele-
sen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir könnten aber effektiver und kostengünstiger vor-
gehen, wenn es diese Möglichkeit gäbe. Es wäre auch
besser für die Staatsschulden in Spanien, die um 10 Pro-
zent hochschnellen werden, wenn wir diese indirekte
Hilfe geben müssen. Trotzdem halten wir sie für richtig,
weil der spanische Staat die Restrukturierung nicht al-
leine finanzieren kann, weil in dem Programm die Ab-
wicklung von Banken aufgeführt ist, worauf wir Grüne
sehr großen Wert legen, und weil auch andere Konditio-
nierungen vorgesehen sind.





Priska Hinz (Herborn)



(A) (C)



(D)(B)


Wir sehen aber ein Problem in der Tatsache – das sage
ich hier ganz deutlich für meine Fraktion –, dass die
Gläubigerbeteiligung noch nicht so ausformuliert ist,
dass wir sagen können: Wir können diesem Programm
reinen Gewissens zustimmen, ohne das mit zu begleiten
und zu kontrollieren. – Deswegen gab es in unserer
Fraktion eine Diskussion darüber, ob man tatsächlich
100 Milliarden Euro genehmigen kann oder ob man das
Programm nicht aufspalten und die zweite Tranche im
Bundestag zur Abstimmung stellen muss, wenn der
Stresstest bei den spanischen Banken gelaufen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auf unsere grüne Initiative hin wurde im Haushaltsaus-
schuss ausdrücklich klargemacht: Wir nehmen uns das
Recht heraus, die Informationen über den Stresstest, die
Einordung der Banken, zu bekommen, und wir behalten
uns das Recht vor, entsprechende Entscheidungen zu
treffen, dass Programme umformuliert werden oder
Tranchen nicht ausgezahlt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Sie sollten damit rechnen, dass wir nicht alles mitma-
chen, wenn Banken nicht abgewickelt werden oder
Gläubiger nicht ordentlich beteiligt werden. Da stehen
wir im Wort, auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern, für die wir heute diese Entscheidung mit
treffen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902700

Frau Kollegin!

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Ja, ich komme zum Schluss.

In diesem Wissen und vor diesem Hintergrund kön-
nen wir heute zustimmen. Ich sage Ihnen: Wir werden
Sie kritisch begleiten und werden darauf pochen, dass
Sie unsere Beschlüsse entsprechend umsetzen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718902800

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Stinner

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1718902900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Na-

türlich ist das, was wir heute hier tun und entscheiden,
nicht alternativlos. Natürlich gibt es Entscheidungsspiel-
raum. Natürlich kann jeder entscheiden, ob er dem ESM
zustimmt und damit ermöglicht, dass wir gemeinsam in
Europa die Finanzmärkte und die Länder stabilisieren,

oder ob er dagegen ist. Natürlich kann heute jeder die
Alternative wahrnehmen, zu sagen: Nein, ich helfe Spa-
nien nicht. – Aber jeder von uns muss selber Rechen-
schaft über seine Entscheidung oder auch über seine
Nichtentscheidung ablegen. Ich möchte meine Entschei-
dung, heute zuzustimmen, mit einigen außenpolitischen
Argumenten unterfüttern.

Wir gehen in Europa von der Narration aus: Europa
heißt Frieden, Freiheit, Wohlstand. – Da heißt es heute
bei vielen, das sei aber langweilig und abgearbeitet und
gebe uns nichts mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich warne davor, das so leichtfertig zu sagen. Denn na-
türlich ist es kein Naturgesetz, dass wir in Europa so
friedlich zusammenleben, wie wir es jetzt tun. Heute vor
142 Jahren, am 19. Juli 1870, hat der Deutsch-Französi-
sche Krieg begonnen. Zwischen 1870 und 1950 haben in
Europa 58 Kriege stattgefunden. Es ist eben kein Natur-
gesetz, dass das nicht mehr vorkommt, sondern das ist
Folge kluger Politik von Politikerinnen und Politikern in
vielen europäischen Ländern. Diese europäische Viel-
falt, diese europäische Einheit wollen wir erhalten, und
dafür müssen wir etwas tun.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht heute – das wissen wir alle; das müssen wir be-
denken – eben nicht nur um Heller und Pfennig, sondern
es geht darum, dass wir gemeinsam das europäische Pro-
jekt von Frieden, Einheit und Freiheit erhalten. Dafür
müssen wir kämpfen, und dafür wollen wir kämpfen.

Es gibt aber eine neue europäische Narration, verbun-
den mit der Fragestellung: Wie wird die Welt in 50 Jah-
ren aussehen? – Wir sind der Meinung, dass in 50 Jahren
kein einziges europäisches Land allein, auch nicht
Deutschland, am Tisch der Entscheider sitzen wird; da
werden andere sitzen. Wir wollen nicht Objekt der Ent-
scheidungen anderer werden, sondern als Europäer wei-
terhin Subjekt der Weltpolitik bleiben. Deshalb kämpfen
wir so nachhaltig für Europa.

Nun sagen einige Gegner, der Preis dafür sei ihnen zu
hoch. Ich sage: Erstens sind wir nicht die Einzigen in
Europa, die zahlen. Zweitens: Jawohl, Europa kostet et-
was, aber Europa bringt uns auch eine ganze Menge. Wir
Deutsche tragen erhebliche Verantwortung, und die wol-
len wir wahrnehmen. Wir nehmen die Verantwortung
nicht nur wahr, indem wir hier heute Abstimmungen
zum Thema Spanienhilfe durchführen; wir nehmen sie
auch im Rahmen der Initiative wahr, die das Außen-
ministerium gestartet hat, in deren Rahmen der deutsche
Außenminister andere Minister eingeladen hat, um ge-
meinsam über die Zukunft nachzudenken, über Heller
und Pfennig hinaus. Das ist eine wichtige Initiative, die
meine Fraktion ausdrücklich unterstützt.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, wir müssen – das wissen
wir alle – aus der hektischen Nacharbeit infolge von Pro-
blemsituationen herauskommen. Wir müssen gemein-
sam den Weg voran definieren. Aber das nützt uns alles
nichts, wenn es uns nicht gelingt, wesentliche europäi-
sche Partner zu stabilisieren, und dazu dient der heutige





Dr. Rainer Stinner


(A) (C)



(D)(B)


Beschluss. Das bedeutet übrigens kein Draufsatteln. Wir
vollziehen heute einen Teil des Beschlusses, den wir vor
zwei Jahren mit großer Mehrheit gefasst haben, nämlich
die EFSF einzurichten, genau für den Fall, der uns heute
begegnet. Deshalb wird meine Fraktion mit ganz großer
Mehrheit dem heute vorliegenden Antrag der Bundesre-
gierung zustimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718903000

Lothar Binding ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1718903100

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Frank-Walter
Steinmeier vorhin gesagt hat, dass die Opposition dieses
Thema schon über längere Zeit nicht parteipolitisch
missbraucht, hat die Kanzlerin dagesessen und breit,
selbstzufrieden, selbstgerecht gegrinst. Ich muss sagen:
Das hat mich ungeheuer gestört.


(Beifall bei der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie kann eben nicht anders!)


Ich fand, dass die von mir getragene Verantwortung in
dieser Debatte missachtet wurde, und ich glaube, dass
das keine gute Haltung ist.

Als Herr Brüderle seine Leerformeln formuliert hat,
hat mich erschrocken, dass die FDP und die CDU/CSU
applaudiert haben. Herr Brüderle hat uns gesagt, dass die
spanischen Banken eine Bad Bank gründen wollen, eine
AMC – Asset Management Company –, hat uns aber
nicht erklärt, was das eigentlich an Haftungsrisiken für
Deutschland und Europa bedeutet; denn Bad Banks
gründet man ja nur, wenn man kurz- und langfristig nicht
genug Kapital hat. Er hat uns auch nicht erklärt, wie
hoch die Anfangsabschreibung – ein essenzieller Begriff
für die ökonomische Lage – bei diesem Aktivtausch ist.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dann machen Sie das doch jetzt!)


Ich muss sagen: Das hat mich enttäuscht.

Ich möchte mich bei denen bedanken, die in der letz-
ten Woche wahnsinnig viel gearbeitet haben: bei den
Mitarbeitern im BMF, im Finanzministerium. Sie muss-
ten eine ungeheure Fülle von Material, von komplexen
Zusammenhängen für uns aufarbeiten.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Dafür gebührt ihnen Dank!)


Ohne ihre Hilfe wären wir überhaupt nicht in der Lage,
heute etwas zu entscheiden.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss es einmal sagen: Das ist eine große Leistung.
Das deutet aber auch an, unter welchem Druck wir im

Moment arbeiten müssen, in welchen Zeiträumen und
mit welchen komplexen Zusammenhängen.

Ich würde die Linke gern einmal fragen, ob sie ernst-
haft glaubt, dass die ledige Mutter und der Kleinsparer in
Spanien dagegen sind, dass Deutschland Spanien hilft.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein, aber gegen die Bankenhilfe!)


Meine Freunde in Spanien freuen sich, dass wir ihnen
helfen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


und wir helfen ihnen dann sehr fair, nämlich nur mit ei-
nem Kredit. Das ist eine ganz wichtige Sache.

Herr Kauder hat die Reduktion auf die Spitze getrie-
ben. Er hat nämlich gesagt: Wir haben eine Staatsschul-
denkrise. – Wir haben aber nicht nur eine Staatsschul-
denkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise eingebettet in
eine Bankenkrise, eine Liquiditätskrise, eine Insolvenz-
krise, eine Marktversagenskrise, eine Verhaltenskrise
und eine Regulierungsdefizitkrise. Wenn Sie all das be-
rücksichtigen, dann wissen Sie, dass die Kanzlerin ein
Problem hat, nämlich das Problem, unterkomplexe Lö-
sungen anzustreben; das hätte sie sich in der Physik nie-
mals erlauben dürfen. Sie ist immer punktuell tätig; aber
jeder weiß: Drei, vier oder sieben Punkte ergeben noch
keine Linie. Die Kanzlerin ist immer zu wankelmütig,
immer zu spät, tut immer zu wenig, ist immer folgen-
und anlassgetrieben


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und kümmert sich ganz selten um Hintergründe und Ur-
sachen – und das ist ein Problem. Sonst hätten wir heute
das Schattenbankensystem ins Licht gezogen; sonst hät-
ten wir den Bankenrestrukturierungsfonds, hätten das
Trennbankensystem viel weiter vorangetrieben, hätten
marktwirtschaftliche Prinzipien im Bankenwesen, auf
dem Finanzplatz. Wir hätten den Selbstbehalt. Wir hät-
ten den OTC-Handel inzwischen verboten, den Hochfre-
quenzhandel ganz anders im Blick. Vielleicht müsste
man – das wurde in unserer Fraktion zu Ende gedacht –
so weit gehen, dass derjenige, der vom Staat Geld will,
in einer ganz besonderen Weise auf Eigentumsansprüche
verzichten muss. Das halte ich für eine sehr gute Idee.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir hätten inzwischen Spekulationen zurückgeführt und
Investitionen ausgebaut.

Ich will einmal an Deutschland erinnern. Wir rühmen
uns manchmal – einige auf der rechten Seite ruhen sich
ziemlich darauf aus –, unsere Krise ganz gut überwun-
den zu haben. Wodurch? Durch Konjunkturprogramme
und Kurzarbeitergeld.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718903200

Herr Kollege!






(A) (C)



(D)(B)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1718903300

Das war Geldausgeben zum Besten. – Insofern ist es

gut, was wir heute tun. Die Opposition übernimmt Ver-
antwortung, wo die Regierung dies zum großen Teil zu
wünschen übrig lässt.

Ich bedanke mich vielmals für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718903400

Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1718903500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir stimmen heute über ein sektorspezifisches Not-
hilfeprogramm zur Rekapitalisierung spanischer Banken
ab. Ich halte dieses Programm für richtig und für wich-
tig. Was ich nicht für richtig und wichtig halte, ist eine
Auseinandersetzung darüber, ob es sich nun um eine
Bankenkrise oder um eine Staatsschuldenkrise handelt.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist sehr interessant!)


Denn in Europa geht es insgesamt um Folgendes:

Erstens. Wir müssen die Haushalte konsolidieren,
also die Staatsschuldenkrise bekämpfen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die Spanier hatten ihren Haushalt konsolidiert!)


Zweitens: Wir müssen die Finanzmärkte stabilisieren,
damit sie gegen weitere Erschütterungen resistent sind.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Regulieren!)


Drittens. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit in
ganz Europa stärken, um wieder ungehindert Zugang zu
den Kapitalmärkten zu haben und Vertrauen zurückzuge-
winnen.

Diese drei Aufgaben gehören zusammen. Man kann
sie nicht voneinander trennen, und wir trennen sie auch
nicht voneinander.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dass Spanien im Kern kein Staatsschuldenproblem
hat, das wissen wir. Die spanische Staatsschuldenquote
liegt mit rund 80 Prozent genau im europäischen Durch-
schnitt.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die waren bei 36 Prozent in 2007!)


Insofern geht es bei Spanien auch nicht darum, ein Voll-
programm zu erstellen. Spanien macht schon sehr viel
zur Verbesserung seiner Situation. Die Flexibilisierung
des Arbeitsmarktes wurde schon angesprochen. Die
Lohnfindung soll flexibilisiert werden. Das Renten-
eintrittsalter wurde heraufgesetzt. Ein Nachhaltigkeits-

faktor, der dem unseren ähnlich ist, wurde eingeführt.
Eine Schuldenbremse wurde in die Verfassung auf-
genommen. Verstärkte Kontroll- und Sanktionsmecha-
nismen gegenüber den autonomen Regionen werden ein-
geführt. Eine umfassende Reform des Bankensektors ist
im MoU vereinbart. Da geschieht also sehr viel.


(Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP])


Insofern ist es richtig, für Spanien kein komplettes
Hilfsprogramm, sondern ein passgenaues, ein maßge-
schneidertes zu machen. An dieser Stelle darf ich darauf
verweisen, dass wir erst im vergangenen Jahr mit dem
neuen Instrumentenkasten für die EFSF genau diese
Möglichkeit geschaffen haben, ein solches maßgeschnei-
dertes Programm aufzulegen. Insofern ist die Politik, die
wir betreiben, gradlinig und zielgerichtet. Ich entdecke
keine roten Linien, sondern eine klare Orientierung, in
welche Richtung wir gehen und was wir nicht machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich darf daran erinnern, dass Spanien, obwohl es kein
Programmland ist – es handelt sich um ein sektorales
Programm –, dennoch Auflagen zum weiteren Abbau
seiner Defizite im Rahmen des Defizitverfahrens be-
kommt. Es bekommt Auflagen zu weiteren Reformen
auf dem Arbeitsmarkt,


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Keine Vermögensteuer!)


zur Förderung von Beschäftigung und zur Förderung
von Aus- und Fortbildung. All das gehört zu diesem Pro-
gramm.

Lassen Sie mich als Zweites daran erinnern, dass es
keine direkte Bankenhilfe gibt. Auch darauf hat der Bun-
desfinanzminister in seiner Regierungserklärung noch-
mals hingewiesen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist Technik!)


Der Beschluss des Europäischen Rates vom 29. Juni
2012 ist an dieser Stelle eindeutig. Erst dann, wenn eine
schlagkräftige Bankenaufsicht in Europa eingeführt ist,
die funktionsfähig ist – Bankenexperten sagen mir, das
dauert mindestens ein bis zwei Jahre –, könnte der
Gouverneursrat über ein solches Instrument abstimmen.
Zuvor braucht er aber einen Beschluss des Deutschen
Bundestages. Ich bin mir nicht sicher, ob wir für einen
solchen Beschluss tatsächlich eine Mehrheit im Deut-
schen Bundestag bekämen. Denn wir sind immer dafür,
dass die Haftung beim Staat bleibt und dass Verschul-
dung und Haftung zueinander gehören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Lassen Sie mich als Drittes darauf verweisen, dass
wir mit dem Maßgabebeschluss – die Kollegin Priska
Hinz hat ihn bereits angesprochen – gestern Abend im
Haushaltsausschuss nochmals bestärkt haben, was ohne-
hin Gesetzeslage ist. Wir wollen in die weitere Abwick-
lung der jeweiligen Tranchen eingebunden sein. Wir
wollen Möglichkeiten haben, einzugreifen. Diese haben
wir. Auch das, glaube ich, ist eine wichtige Botschaft an





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)


die Menschen draußen. Es gibt keinen Freibrief und kei-
nen Blankoscheck, sondern wir begleiten die weiteren
Maßnahmen Schritt für Schritt.

Das fügt sich in unsere Linie ein, die wir auch an die-
ser Stelle konsequent durchhalten – ich habe es schon
angesprochen –: Für uns müssen Haftung und Verant-
wortung immer eine Einheit bilden. Wir wollen keine
Vergemeinschaftung von Schulden. An dieser Stelle darf
ich darauf hinweisen – es ist für die Menschen draußen,
glaube ich, wichtig, dies zu wissen –, dass die SPD-
Fraktion gestern Abend im Haushaltsausschuss noch
versucht hat, ihre Zustimmung an das Zugeständnis,
einen Schuldentilgungsfonds einzurichten, zu knüpfen.
Zuerst waren es die Euro-Bonds, jetzt ist es der Schul-
dentilgungsfonds. Alles geht in dieselbe Richtung, näm-
lich Vergemeinschaftung von Schulden. Das machen wir
nicht mit. Das ist unsere klare Ausrichtung und Linie.
Dabei bleiben wir.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das hat nicht nur etwas mit der nationalen Rechtset-
zung und mit europäischem Recht, dem AEUV, zu tun,
sondern das hat auch etwas mit unserer ordnungspoliti-
schen Orientierung zu tun. Wir helfen, wenn es brennt,
wir bieten Unterstützung an, aber immer konditioniert
und immer so, dass das Risiko überschaubar bleibt. Im
Falle der Nothilfemaßnahmen für Spanien gehe ich da-
von aus, dass das Risiko sehr überschaubar ist. Die Aus-
fallswahrscheinlichkeit ist äußerst gering. Zur Erinne-
rung: Wir übernehmen Bürgschaften für Kredite, die
über die EFSF an Spanien vergeben werden, für die Spa-
nien wieder garantiert. Erst dann, wenn diese Kredite
nicht mehr bedient werden könnten, also wenn Spanien
nicht mehr zahlen könnte, würde unsere Bürgschaft ge-
zogen werden. Dieser Fall ist meines Erachtens relativ
stark ausgeschlossen.

Deshalb bitte ich um die Zustimmung für dieses Pro-
gramm, das uns allen nützen wird. Deshalb bitte ich um
Zustimmung für dieses Nothilfeprogramm, das nicht nur
im spanischen, sondern vor allem auch in unserem Inte-
resse ist.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718903600

Das Wort erhält nun der Kollege Manfred Kolbe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1718903700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Als jemand, der diesem heutigen Antrag nicht
zustimmen kann, bedanke ich mich zunächst ganz herz-
lich für die Einräumung der Redezeit.

Ich möchte mit einem Zitat aus der Financial Times
Deutschland von vor zwei Tagen beginnen:

Ausgerechnet das kapitalistischste aller Gewerbe,
das Bankwesen, entzieht sich den Regeln und Kräf-
ten der Marktwirtschaft: Banken, die in ihrem Wirt-
schaften versagt haben, zu viele Kredite vergeben
und zu wenig Sicherheiten genommen haben, zu
wenig Eigenkapital vorhielten und sich zu sehr auf
Finanzierung über die Märkte und nicht Einlagen
verließen, werden vom Staat gerettet, statt aus dem
Markt zu gehen.

So weit die Financial Times Deutschland.

Ich glaube, dem ist wenig hinzuzufügen. Es geht
nicht, dass der europäische Steuerzahler die Rechnung
für die spanischen Banken bekommt und Eigentümer,
Gläubiger und Management weitgehend ungeschoren
bleiben. Schauen wir uns einmal die Beteiligung dieser
Gruppen an. Bei den Anteilseignern vermag ich keine
besonderen Opfer zu erkennen. Vorrangige Anleihegläu-
biger sollen nach dem Willen der europäischen Finanz-
minister geschont werden, obwohl EZB-Präsident
Draghi in diesem Punkt ausdrücklich anderer Meinung
war. Nachrangige Anleihegläubiger sollen zwar beteiligt
werden, mittlerweile gibt es aber Gerichtsurteile in Spa-
nien, die das wahrscheinlich verhindern werden. Große
gesunde spanische Banken wie Santander erbringen
keinen speziellen Beitrag, obwohl das beim deutschen
Rettungsfonds für deutsche Banken der Fall war.

Als besonderer Erfolg wird dann die Gehaltsdecke-
lung beim Management verkauft. Bisher hat niemand
Zahlen zu dieser berühmten Gehaltsdeckelung genannt.
Ich nenne einmal die Zahlen: Sofern die Institute dem
FROB mehrheitlich gehören, gibt es eine Obergrenze
von 300 000 Euro Fixgehalt; sofern sie nur sonstige
Staatshilfen beziehen, liegt die Obergrenze bei 600 000
Euro plus eventuell noch variable Bestandteile. Ich sage
Ihnen ganz ehrlich: Ich kann das einem Handwerker in
meinem Wahlkreis, der insolvent gegangen ist, weil viel-
leicht ein Großauftragnehmer nicht gezahlt hat, und dem
jetzt die Zwangsversteigerung des Eigenheims droht,
nicht erklären.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ich auch nicht! Aber ich stimme trotzdem zu!)


Ich sage ganz ehrlich: Dem will ich das auch nicht erklä-
ren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir haben heute viele Appelle zu Europa gehört. Ich
glaube, wir alle sind fraktionsübergreifend überzeugte
Europäer. In der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts
gibt es keine vernünftige Alternative zu Europa. Ich sage
das auch aus ganz persönlichen Gründen. Ich bin nach
der Flucht meiner Eltern aus der DDR zweisprachig in
Italien aufgewachsen. Es gibt in dieser Zeit und in die-
sem Jahrhundert keine Alternative zu Europa.

Aber wir werden die europäische Schuldenkrise nicht
mit immer neuen Rettungsschirmen, mit immer neuen
Schulden lösen können. Das ist keine Lösung. Wie soll
denn das in den nächsten Jahren weitergehen? Wollen
wir das so fortsetzen und alle drei Monate neue Hilfen





Manfred Kolbe


(A) (C)



(D)(B)


beschließen? Jetzt steht Zypern vor der Tür. Heute haben
wir in den Zeitungen gelesen, dass die italienische
Region Sizilien möglicherweise in Insolvenz geht. Das
ist nicht zu stemmen.

Was machen wir denn, Herr Bundesfinanzminister,
wenn auch die „AAA“-Länder an Bonität verlieren? Was
machen wir, wenn Sie an den Anleihemärkten einmal
5 oder 6 Prozent Zinsen zahlen müssen, weil die Schul-
dentragfähigkeit Deutschlands in Zweifel gezogen wird?
Dann hilft uns höchstens noch der liebe Gott. Auch als
Christ möchte ich es aber nicht zu dieser Situation kom-
men lassen.

Also: Im Interesse Europas müssen wir zu den ur-
sprünglichen Verträgen und zur Eigenverantwortung zu-
rückkehren. Eine Haftungs-, Transfer- und Schulden-
union würde Europa endgültig überfordern. So etwas
gibt es nicht einmal im Bundesstaat USA. Das gibt es
auch nicht im Verhältnis zwischen den bundesdeutschen
Ländern. Das gibt es nicht einmal in einer Ehe; Mann
und Frau haften nicht für die Schulden des anderen. In
Europa aber soll dieses Prinzip eingeführt werden. Das
ist der falsche Weg. Wir brauchen wieder mehr Eigen-
verantwortung in Europa.

Vor diesem Hintergrund kann ich dem heute zur Ab-
stimmung stehenden Bankenrettungspaket nicht zustim-
men.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718903800

Der Kollege Jürgen Hardt erhält nun das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1718903900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

sich im Frühjahr 2010 abzeichnete, dass einzelne Staaten
der Euro-Zone Liquiditätsprobleme bekommen, gab es
im Prinzip drei Möglichkeiten, darauf zu reagieren.

Die erste Möglichkeit wäre gewesen, den Dingen ein-
fach ihren Lauf zu lassen. Ich denke, wir alle sind davon
überzeugt, dass dies ein hochriskanter und gefährlicher
Weg gewesen wäre. Ich bin davon überzeugt, dies hätte
dazu geführt, dass wir im Sinne eines Dominoeffekts ei-
nen Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft im
großen Stil erlebt hätten. Wir hätten die guten Wachs-
tumszahlen der letzten Jahre und die niedrigen Arbeits-
losenzahlen in den Wind schreiben können.

Die zweite Alternative wäre gewesen, zu erklären:
Alle haften für alles. – Das wäre nicht nur vertragswidrig
gewesen, sondern hätte auch dazu geführt, dass alle An-
strengungen unterblieben wären, die notwendig sind, um
die Ursache der Schuldenkrise zu beseitigen.

Wir haben uns deshalb für einen dritten Weg entschie-
den. Der dritte Weg ist langwierig, kompliziert und
schwer vermittelbar. Aber er bietet die Aussicht auf Er-
folg. Diesen Weg beschreiten wir seit nunmehr fast

30 Monaten, und das in der Regel mit großer Zustim-
mung, auch aus den Reihen der Opposition.

Unser Weg zur Euro-Rettung basiert, um es zu syste-
matisieren, auf fünf Säulen:

Das erste Element ist die Konsolidierung der Haus-
halte der Staaten der Euro-Zone bzw. der Europäischen
Union, um zukünftige Krisen dieser Art zu vermeiden.
Die Europäische Union unternimmt dazu enorme An-
strengungen, ebenso die einzelnen Mitgliedstaaten. Es
gibt das Europäische Semester, in dessen Rahmen sehr
sorgfältig dargelegt wird, was in den jeweiligen Staaten
zu ändern ist, damit sich die Schuldensituation verbes-
sert.

Zweitens gibt es den nachhaltigen und wirksamen
Mechanismus des Fiskalpakts, der Schuldenbremse.
Wenn hier vor einem Jahr jemand gesagt hätte: „In 25
von 27 EU-Staaten wird es im Herbst des Jahres 2012
eine Schuldenbremse geben, und zwar analog zu der Re-
gelung, die im Grundgesetz getroffen wurde“, wäre er
für verrückt erklärt worden. Es ist ein enormes Verdienst
der Bundesregierung, von Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble, aber, wie ich finde, auch ein großes Verdienst
dieses Hauses, dass mit breiter Mehrheit eine Politik un-
terstützt wurde, die dieses Verhandlungsergebnis beim
Fiskalpakt möglich gemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das dritte Element ist die Bändigung der Finanz-
märkte.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ach, ach, ach! Wovon träumen Sie nachts?)


Ich würde mir wünschen, wir wären schon weiter voran-
gekommen. Aber auch hier sind wir uns einig, dass es
wichtige Instrumente gibt, die nun eingesetzt werden
müssen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ach ja?)


So haben wir zum Beispiel ungedeckte Leerverkäufe in
Deutschland verboten. Wir werben dafür, dass dies euro-
paweit geschieht. Wir sind außerdem bereit, eine Finanz-
transaktionsteuer zur Dämpfung der Spekulation einzu-
führen. Das muss man allerdings so machen, dass man
dadurch nicht die Wettbewerbsfähigkeit in unzulässiger
Weise einschränkt. Auch hier sind wir auf dem richtigen
Weg.

Das vierte entscheidende Handlungsfeld in diesem
Bereich ist die Stimulierung von Wachstum. Wir haben
die neue Finanzierungsperiode 2014 bis 2020 der Euro-
päischen Union vor der Brust, die wir spätestens im
Jahr 2013 ausverhandeln werden. Wir müssen darauf
achten, dass wir die Instrumente der Europäischen
Union besser auf die Stimulierung von Wachstum aus-
richten, als es bisher der Fall ist.

Fünftens spielt das eine Rolle, was wir heute beschlie-
ßen: dass wir Staaten, die in Not sind, solidarisch und
entschlossen helfen. Wir haben für Spanien ein Pro-
gramm aufgelegt, mit dem wir das Problem Spaniens an
der Wurzel packen. In Spanien war, was die Haushalts-





Jürgen Hardt


(A) (C)



(D)(B)


konsolidierung angeht, eine ganz gute Entwicklung zu
verzeichnen. Auch was die Staatsschulden angeht, sieht
die Situation in Spanien relativ vernünftig aus. Aber
über Spanien schwebt das Damoklesschwert der Ban-
kenkonsolidierung. Mit dem Programm, das wir heute
beschließen, nehmen wir an genau dieser Stelle Druck
von den Schultern der spanischen Haushaltspolitiker, so-
dass sie in der Lage sind, diesen Weg ohne die drohende
enorme finanzielle Belastung für den spanischen Haus-
halt mit unserer Hilfe zu gehen. Insofern ist dieses Pro-
gramm ein maßgeschneidertes und kluges Programm.
Ich glaube, es wird erfolgreich sein.

Wenn man mit Abgeordneten aus Südeuropa spricht,
wird einem klar, welch großer Segen es für unser Land
gewesen ist, dass wir in Deutschland in den letzten zwölf
Jahren Reformen durchgeführt haben, die zum Beispiel
in Italien und Spanien jetzt in nur zwölf Monaten umge-
setzt werden müssen. Das Schöne ist – das empfinde ich
wirklich so –, dass vier von fünf Parteien in diesem
Hause in unterschiedlichsten Konstellationen an Regie-
rungen beteiligt waren, die sich für diese Reformen ein-
gesetzt und sich um sie verdient gemacht haben. Dass
Deutschland heute so dasteht, wie es dasteht, ist auch der
Tatsache geschuldet, dass wir uns in unserem Lande in
wesentlichen Fragen einig sind. Ich finde, das sollten wir
den Bürgerinnen und Bürgern mutig sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn die Euro-Rettung fortgesetzt wird und sie so
gelingt, wie wir es uns vorstellen, dann werden die Fra-
gen der Globalisierung – welcher Wirtschaftsraum wird
im 21. Jahrhundert der wichtigste sein, welche Währung
wird im 21. Jahrhundert die Leitwährung der Welt sein? –
in unserem Sinne beantwortet werden. Ich möchte, dass
unsere Kinder und Enkel ihre Rohstoffe und Energie
nicht mit chinesischen Renminbi, mit indischen Rupien
oder mit russischem Rubel bezahlen müssen, sondern
dass sie in Euro bezahlen können. Insofern verdient das
Projekt der Rettung des Euros und der Stabilisierung Eu-
ropas jede Anstrengung. In diesem Sinne war es richtig
und vernünftig, dieser Tage in Berlin zusammenzukom-
men und heute eine Entscheidung zu treffen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904000

Frank Schäffler erhält nun als Nächster das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1718904100

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage

ist, ob das, was wir heute beschließen, gerecht ist.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist überhaupt nicht die Frage!)


Gerecht wäre es, wenn wir in Europa allgemeine und
gleiche Regelungen für alle Staaten schaffen würden.
Aber machen wir das?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)


Nein, wir machen es nicht, sondern wir treffen unter-
schiedliche Regelungen für unterschiedliche Länder in
Europa. Für Irland gelten andere Regelungen als die, die
jetzt für Spanien getroffen werden sollen,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das sind maßgeschneiderte Regelungen!)


für Portugal gelten andere Regelungen als die, die jetzt
für Spanien getroffen werden sollen, und auch für Grie-
chenland gelten andere Regelungen als die, die jetzt für
Spanien getroffen werden sollen.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Viel schlimmere!)


Alle genannten Staaten haben im Vergleich zu dem, was
wir jetzt Spanien aufs Auge drücken wollen, viel härtere
Maßnahmen zu erleiden.

Den Großen in Europa bringt man Geldkoffer, und in
diejenigen Staaten in Europa, die klein sind, kommt der
Sparkommissar. Das hat nichts mit Gerechtigkeit oder
europäischer Einigung zu tun. Das hat auch nichts damit
zu tun, dass wir die Verursacher der Krise tatsächlich an
die Kandare nehmen.


(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


Nein, das findet nicht statt. Vielmehr lassen wir die Ei-
gentümer der Banken in Spanien weitestgehend außen
vor. Was haben wir in Deutschland bei der HRE ge-
macht? Die privaten Banken in Deutschland mussten
8,5 Milliarden Euro auf den Tisch legen, weil sie von
einer Insolvenz der HRE mittelbar betroffen gewesen
wären. In Spanien hat so etwas nicht stattgefunden. In
Spanien gibt es auch keine Bankenabgabe. Also: Wo ist
die Gerechtigkeit, die viele einfordern? Sie ist nicht vor-
handen.

Die nächsten Schritte, die jetzt folgen werden, beste-
hen darin, dass wir den Boden für eine direkte Kapitali-
sierung des Bankensystems in Spanien bereiten. Das ist
der Weg, der hier faktisch vorbereitet wird. Es gibt näm-
lich einen Verweis auf die Gipfelerklärung der Staats-
und Regierungschefs vom 29. Juni dieses Jahres, in dem
es ausdrücklich heißt, dass nach der Einführung einer
europäischen Bankenaufsicht die direkte Bankenrekapi-
talisierung vorbereitet wird. Ich frage mich: Gibt es das
nicht schon? Wir haben doch schon die EBA. Sie müsste
nur direkten Zugriff auf die nationalen Bankensysteme
bekommen. Das ist relativ schnell gemacht. Das wird
auch geschehen. Die Aufsicht wird nicht auf die system-
relevanten Banken beschränkt bleiben; denn am Ende
geht es um das spanische Bankensystem. Dort sind die
systemrelevanten Banken nicht betroffen, sondern es
sind die kleinen Sparkassen betroffen. Das heißt, man
wird die systemrelevanten Banken mit den nicht system-
relevanten Banken zusammen beaufsichtigen. Was heißt
das? Das heißt am Ende, dass die Einlagensicherung in
Deutschland dran glauben muss. Wir haften am Ende mit
dem Sparvermögen Deutschlands für die Einlagen und
die Schieflagen von Banken in Südeuropa, und das darf
nicht zugelassen werden.





Frank Schäffler


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der spanische Bankenmarkt ist geprägt durch eine
Immobilienblase, die dazu geführt hat, dass 1,5 Millio-
nen Wohnimmobilien nicht gebraucht werden. Hier steht
eine Korrektur bevor. Die Frage ist, wer diese Korrektur
bezahlt. Bezahlt das der europäische Steuerzahler, oder
bezahlen das die Eigentümer dieser Banken? Ich bin der
Auffassung, was nicht systemrelevant ist, das muss von
den Eigentümern getragen werden. Das darf in Europa
nicht sozialisiert werden, weil es am Ende dazu führt,
dass wir die marktwirtschaftliche Ordnung außer Kraft
setzen und pervertieren. Das ist das Gegenteil dessen,
was man machen muss.

Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammen-
bruch eines Booms zu verhindern, der durch Kredit-
expansion erzeugt wurde. Das ist genau das, was in Süd-
europa stattgefunden hat.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904200

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Bartholomäus Kalb für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1718904300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute wieder eine
weitreichende, eine sehr ernsthafte Entscheidung im In-
teresse der Stabilität unserer Währung zu treffen. Ich
gehe davon aus, dass die Finanzmärkte nicht nur die Ent-
wicklung in Spanien beobachten, sondern auch beobach-
ten, wie wir mit dieser Frage umgehen. Es wird auch an
uns die Frage gestellt, wie das deutsche Parlament mit
der Frage des Euro umgeht, wie ernsthaft wir in
Deutschland für die eigene Währung eintreten. Wenn es
denn Zweifel an unserer Haltung zur Währung gäbe,
dann bräuchten wir uns nicht zu wundern, wenn auch die
Finanzmärkte Zweifel daran hätten.

Wir müssen anerkennen, dass Spanien große Anstren-
gungen unternimmt. Der Bundesfinanzminister hat vor-
hin breit dargestellt, was Spanien unternimmt, um die
Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Sie führen
schwierige strukturelle Reformen durch, und sie sind da-
bei, das übermäßige Defizit in großen Schritten wieder
abzubauen.


(Unruhe)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904400

Einen Augenblick, bitte! – Liebe Kolleginnen und

Kollegen, ich bitte Sie, zumindest in den Gängen keine
Gespräche zu führen. Es ist schon, glaube ich, ein Gebot
des Respekts gegenüber dem jeweiligen Redner, jeden-
falls nicht demonstrativ bis unmittelbar vor dem Redner-
pult Gespräche zu führen. Wir haben bald das Ende die-
ser Debatte erreicht. Ein Augenblick Disziplin bitte
noch.

Bitte, Kollege Kalb.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1718904500

Herr Präsident, ich halte meinen Beitrag auch im

Schnelldurchgang.

Ich wollte sagen, dass Spanien sich in Europa, in der
Europäischen Union, in der Euro-Zone immer als ver-
lässlicher Partner erwiesen hat. Wir sollten auch nicht,
wie der Herr Fraktionsvorsitzende Steinmeier es getan
hat, versuchen, hier Unsicherheit zu schüren, Verwirrung
zu stiften. Die Frage der Bankenunion, die Frage der di-
rekten Bankenstabilisierung steht heute nicht zur De-
batte. Das, was wir heute entscheiden, entscheiden wir
auf der Grundlage des geltenden Regelwerks der EFSF,
wie es nach unserem Parlamentsbeteiligungsrecht, nach
unserem StabMechG, durchzuführen ist, und nach kei-
nen anderen Regeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß
sehr wohl, dass die Südstaaten schnell eine Bankenunion
wollen. Darüber müssen wir bei anderer Gelegenheit
– ich vermute, sehr oft und sehr tiefgehend – diskutieren.
Ich bin da auch sehr skeptisch, weil ich mir nicht vorstel-
len kann, dass man die Situation von Banken in einem
Land losgelöst von den dort herrschenden politischen,
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Ver-
hältnissen betrachten kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Men-
schen in unserem Lande erwarten nicht mehr und nicht
weniger von uns, als dass wir für die Stabilität unserer
Währung sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben keine andere Währung als den Euro. Deswe-
gen ist es wichtig, dass wir für diese Währung und die
Stabilität dieser Währung eintreten. Mit der heutigen
Entscheidung – davon bin ich felsenfest überzeugt – leis-
ten wir einen guten Beitrag dazu, den Euro zu stabilisie-
ren, unsere Währung zu sichern, auch im Interesse der
Sicherheit und des Wohlstands unserer Bürger.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904600

Ich schließe die Aussprache.

Mir liegen zahlreiche schriftliche Erklärungen zur
Abstimmung von verschiedenen Kolleginnen und Kolle-
gen aus unterschiedlichen Fraktionen vor, die wir zu
Protokoll nehmen.1)

Eine mündliche Erklärung zur Abstimmung möchte
der Kollege Ströbele abgeben. Den rufe ich jetzt auf. An-
schließend führen wir die namentliche Abstimmung

1) Anlagen 4 bis 6





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


durch. Ich bitte noch um einen Augenblick Geduld. Neh-
men Sie bitte noch einen kleinen Augenblick Platz.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, zu meinem Abstimmungsverhalten gebe ich fol-
gende Erklärung ab:

Vor vier Jahren ist mir gesagt worden, dass ich einem
großen Finanzpaket zustimmen soll, weil die Bank zu
groß ist, um pleite zu gehen, „too big to fail“. Heute soll
ich einer Bankenrettung zustimmen, bei der es um Ban-
ken geht, die nicht zu groß sind, sondern da handelt es
sich – das ist heute auch erwähnt worden – um kleinere
Banken.

Vor zwei Jahren ist mir gesagt worden, dass ich einem
großen Rettungspaket für Griechenland zustimmen soll,
damit nicht eine Katastrophe eintritt und nicht mögli-
cherweise auch Spanien oder Italien unter einen solchen
Rettungsschirm, der sehr viel größer sein müsste, ge-
bracht werden müssten. Heute sagt man mir, Spanien
muss geholfen werden. Das heißt, dieser schlimme Zu-
stand, den ich damals verhindern sollte, ist eingetreten.

Irgendetwas ist faul an der Argumentation, mit der
man immer wieder versucht, neue Milliardenbeträge lo-
cker zu machen und die Zustimmung hier im Parlament
dazu zu bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Trotzdem habe ich mir heute überlegt, ob ich mich bei
diesem Paket nicht wenigstens der Stimme enthalten
kann; denn auch ich will Spanien helfen. Aber der Bun-
desfinanzminister hat mich gemeinsam mit Herrn Fricke
überzeugt, doch mit Nein zu stimmen, und zwar deshalb,
weil sie hier ganz eindeutig erklärt haben, dass auch mit
diesem Rettungspaket für die spanischen Banken wiede-
rum ein Sparpaket verbunden ist, mit dem von Spanien
unsoziales Sparen, wie man es schon von Griechenland
verlangt hat, verlangt wird. Ohne die Durchführung
solch unsozialer und gnadenloser Sparmaßnahmen soll
Spanien nicht geholfen werden. Das treibt mich zu dem
Nein.

Meine entscheidenden Argumente für dieses Nein
sind darüber hinaus: In den vielen Papieren, die wir ges-
tern und vorgestern noch bekommen haben, steht nichts
Konkretes dazu, wie das mit der Eigentümerhaftung, mit
der Eigentümerbeteiligung eigentlich sein soll, wie das
mit der Bankenabwicklung funktionieren soll. Wie viele
Banken sollen es denn sein? Wie soll das denn gehen?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Steht doch drin!)


Vor zwei Jahren ist noch gesagt worden, man will eu-
ropäische Regelungen dafür entwickeln, wie man Ban-
ken pleite gehen lassen kann, in die Insolvenz gehen las-
sen kann. Davon ist bis heute nichts zu sehen.

Weil ich nicht will, dass Spanien auf die Art und
Weise geholfen wird, dass den spanischen Banken
100 Milliarden Euro unter der Auflage zur Verfügung

gestellt werden, dass die spanische Regierung gnaden-
lose unsoziale Sparmaßnahmen durchsetzt, stimme ich
heute mit Nein.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch ich bin dafür, nicht nur den Banken zu helfen,
sondern vor allen Dingen der Bevölkerung. Aber ich
sage: So geht es nicht. Das ist der falsche Weg. Das hat
sich spätestens bei Griechenland gezeigt.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904700

Wir kommen nun unter dem Tagesordnungspunkt 1 a

zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/10350 zu der
Regierungserklärung. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich
der Stimme? – Der Entschließungsantrag ist mit großer
Mehrheit abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 1 b. Wir kommen zur Abstim-
mung über den Antrag des Bundesministeriums der Fi-
nanzen auf den Drucksachen 17/10320 und 17/10321:
Finanzhilfe zugunsten Spaniens; Einholung eines zu-
stimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages
entsprechend unseren gesetzlichen Bestimmungen.


(Unruhe)


– Es wird Sie in Ihrem Abstimmungsverhalten vermut-
lich nicht mehr wirklich beeinflussen, dennoch bitte ich
30 Sekunden um Aufmerksamkeit für folgende Informa-
tion:

In den Ihnen vorliegenden Unterlagen auf der Druck-
sache 17/10320 findet sich auf der Seite 51, wo es um
das übersandte Memorandum of Understanding geht,
unter der Ziffer 30 eine unvollständige Information, weil
zum Zeitpunkt des Zugangs der Unterlagen, die ja mög-
lichst schnell dem Bundestag zugeleitet wurden, die ent-
sprechenden Defizitzahlen für das Bruttoinlandsprodukt
Spaniens noch nicht ausgewiesen waren. Das ist heute
Morgen im Haushaltsausschuss vorgetragen worden. Da
wir hier heute keine Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses als Grundlage haben, kann das insofern
nicht nachgetragen worden sein. Ich bitte Sie deswegen,
damit einverstanden zu sein, dass ich die Zahlen jetzt
nenne und wir sie somit zu Protokoll nehmen.

Die heute Morgen vorgetragenen abgestimmten Zah-
len für dieses Memorandum sind: für das Jahr 2012
6,3 Prozent, für das Jahr 2013 4,5 Prozent und für das
Jahr 2014 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Ich darf nun den Antrag der Bundesregierung zur Ab-
stimmung stellen. Hierzu ist namentliche Abstimmung
beantragt. Sind alle Abstimmungsurnen mit Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführern besetzt? – Das scheint der
Fall zu sein. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme für die namentliche Abstimmung noch nicht ab-
gegeben hat, oder hat jemand jemanden gesehen, der
noch mit der Karte in der Hand durch die Gegend läuft,





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


ohne sie abgegeben zu haben? – Das scheint nicht der
Fall zu sein.

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Ich nehme an, dass Sie damit einverstanden sind,
dass ich das Ergebnis der Abstimmung ohne Unterbre-
chung der Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt, gegebe-
nenfalls nach dem nächsten Tagesordnungspunkt, be-
kannt gebe. – Ich bedanke mich für das Einvernehmen.1)

Wir haben jetzt noch über den Entschließungsantrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Druck-
sache 17/10349 abzustimmen. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Auch dies ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich darf Sie bitten, für unseren nächsten Tagesord-
nungspunkt wieder Platz zu nehmen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP

Rechtliche Regelung der Beschneidung min-
derjähriger Jungen
– Drucksache 17/10331 –

Wie vorhin bereits von uns beschlossen, soll die Aus-
sprache 30 Minuten dauern.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Herr Präsident!)


– Ich darf vielleicht noch einmal insbesondere auch den
von mir gesehen rechten Flügel bitten, verfügbare freie
Plätze aufzusuchen oder für dringliche Gespräche den
Plenarsaal zu verlassen.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1718904800

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Mit dem heutigen Antrag, den wir
gleich beschließen wollen, wollen wir nicht weniger, als
ein klares Signal an die jüdischen und muslimischen Ge-
meinden in Deutschland zu geben, dass jüdisches und
muslimisches Leben insbesondere in Deutschland wei-
terhin nicht nur möglich ist, sondern auch nicht unzu-
mutbar erschwert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Beschneidung von Jungen muss deshalb weiter-
hin straffrei möglich sein, wenn das der Elternwille ist,
wenn sie medizinisch fachgerecht erfolgt und wenn sie
ohne unnötige Schmerzen erfolgt. Ich sage für mich per-
sönlich: Das heißt für mich, dass sie mit einer angemes-
senen Anästhesie erfolgt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, der Antrag, der Ihnen vor-
liegt und in der Tat in sehr kurzer Frist zusammengestellt
worden ist, ist das Ergebnis einer Abwägung verschiede-
ner Grundrechte, zum einen natürlich der körperlichen
Integrität und der Religionsfreiheit des Kindes, zum an-
deren der Religionsfreiheit der Eltern, des Persönlich-
keitsrechts und vor allem des Elternrechts selbst.

Ich bedanke mich deshalb sehr bei den Kolleginnen
und Kollegen, die das in dieser Woche gemeinsam mit
mir erarbeitet haben. Ich bedanke mich bei dem Koali-
tionspartner, der FDP, und auch bei der SPD. Bis zuletzt
hatten wir die Hoffnung, dass auch die Grünen bei die-
sem Antrag dabei sein würden, zumal es – das will ich
schon festhalten – gerade die Fraktionsvorsitzende der
Grünen war, die Frau Künast, die ich hier jetzt leider
nicht mehr sehe, die in der letzten Woche sehr viel
Druck bei diesem Thema gemacht hat.


(Thomas Oppermann [SPD]: Wo ist sie eigentlich?)


So berichtete etwa die Süddeutsche Zeitung vom
Freitag vergangener Woche von Vorschlägen, erst ein-
mal höhergerichtliche, obergerichtliche Entscheidungen
in der Sache abzuwarten. Zitat aus der Süddeutschen
Zeitung:

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundes-
tag, Renate Künast, bemängelte, dies dauere zu
lange. Nötig sei eine rasche gesetzliche Regelung.

Genau das fordern wir mit diesem Antrag ein. Genau
dem wollen wir mit diesem Antrag den Weg bereiten.
Umso ärgerlicher ist es, dass sich die Grünen daran nicht
mehr gebunden fühlen. Es ist vielleicht aber auch für
künftige Dinge ganz hilfreich, dass wir jetzt einmal fest-
halten, dass man erst einmal selbst, bevor man die Re-
gierung lautstark zum Handeln auffordert, in der eigenen
Fraktion überlegt, welches Handeln man denn überhaupt
haben möchte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich will allerdings auch sehr deutlich machen, dass
wir mit diesem Antrag die Praxis, das Ritual der Be-
schneidung, weder inhaltlich befürworten noch dafür
werben wollen. Es ist richtig, dass darüber in Religions-
gemeinschaften und in der Gesellschaft diskutiert wird.
Aber diese gesellschaftliche, innerreligiöse Debatte
sollte nicht unter dem Damoklesschwert der Strafandro-
hung stattfinden.

Der Maßstab für die Entscheidung, die Beschneidung
straffrei zu ermöglichen, ist natürlich das Kindeswohl;
denn auch eine Beschneidung ist keine Bagatelle, son-
dern eine Handlung, die tatbestandlich eine Körperver-
letzung darstellt. Es kann natürlich auch bei diesem ope-
rativen Eingriff Komplikationen geben, selbst wenn es
der weltweit wohl am häufigsten durchgeführte chirurgi-
sche Eingriff ist. Aber wir wollen auch nicht einfach
Kindeswohl und Elterninteresse gegeneinanderstellen.
Das Kindeswohl ist Maßstab, aber es wird im Regelfall
durch die Entscheidung der Eltern maßgeblich bestimmt.1) Ergebnis Seite 22836 D





Dr. Günter Krings


(A) (C)



(D)(B)


Diese Entscheidungsfreiheit wiederum – auch das
machen wir in der Begründung des Antrags deutlich –
hat Grenzen, die in der staatlichen Rechtsordnung zu fin-
den sind, etwa im Sorgerecht und im Strafrecht. So ist in
§ 228 StGB die Sittenwidrigkeit als eine ganz wesentli-
che Grenze vorgesehen. Aber ich hoffe, dass wir uns in
weiten Teilen des Hauses einig sind, dass die Beschnei-
dung, die seit Jahrtausenden praktiziert und in fast allen
Ländern der Welt akzeptiert wird, schwerlich unter das
Verdikt der Sittenwidrigkeit zu fassen ist.

Aus diesem Grunde hat es mich überrascht, wenn ich
das so sagen darf, dass in dem Urteil des Landgerichts,
das Anlass der Debatte ist, das Stichwort Sittenwidrig-
keit nicht genannt wird und erst recht nicht als Prüfungs-
maßstab bestimmt wird. Es ist ersichtlich, dass andere
Gerichte aus meiner Sicht sehr viel vorsichtiger abgewo-
gen haben. Es gibt beispielsweise sogar ein Urteil des
OVG Lüneburg, wonach die Kosten für die Beschnei-
dung und die Feier vom Staat zu übernehmen gewesen
seien. Es ist schwer vorstellbar, dass der Staat eine Straf-
tat und die dazugehörende Feier finanzieren soll.

Wir nehmen es sehr ernst, wenn uns Juden als Mitbür-
ger in Deutschland sagen: Die Beschneidung ist für sie
ein Glaubensgebot. Wir nehmen es auch sehr ernst,
wenn sie sagen: Das besiegelt die Zugehörigkeit zu ihrer
Religionsgemeinschaft. Das haben wir nicht zu hinter-
fragen. Wir nehmen es sehr ernst, wenn Muslime die Be-
schneidung als eine wichtige religiöse Praxis ansehen.
Ich glaube deshalb, dass sich die Strafrechtsordnung an
dieser Stelle nach Abwägung zurückhalten muss. Wir
müssen mit unserer Strafrechtsordnung durchaus zur
Kenntnis nehmen, was weltweit Standard ist. Wir müs-
sen international anschlussfähig bleiben. Bei einer Pra-
xis, die nicht strafrechtlich verfolgt wird und weltweit
akzeptiert ist, muss man sehr gute Gründe haben, sie
ausgerechnet in Deutschland unter Strafe stellen zu wol-
len.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir nehmen allerdings auch eine sehr klare Grenzzie-
hung – auch das ist Teil der Begründung des Antrages –
gegenüber anderen, auch erniedrigenden religiösen
Praktiken vor, die wir strikt ablehnen, ja verurteilen. Wir
haben die barbarische Praxis der Genitalverstümmelung
bei Mädchen und jungen Frauen noch einmal herausge-
hoben, die wir klar verurteilen. Dieser Sachverhalt ist
nicht mit dem zu vergleichen, was wir heute diskutieren,
nämlich die Beschneidung bei Jungen.

Das zeigt: Auch Religionsgemeinschaften, auch reli-
giöse Übung muss sich an unsere Rechtsordnung im All-
gemeinen und an das Strafrecht im Besonderen halten.
Sehr schön hat das vor einer Woche in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung Christian Walter zusammengefasst,
als er ausführte, dass der Staat natürlich religiöse Gefah-
ren abwehren muss. Aber der Staat soll nicht ganze Reli-
gionsgemeinschaften oder Religionen abwehren. Aus
diesem Grunde bitte ich um die Zustimmung zu unserem
Antrag.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718904900

Christine Lambrecht ist die nächste Rednerin für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1718905000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Seit dem Urteil des Landgerichts Köln vor einigen
Wochen führen wir hier in diesem Land eine sehr enga-
gierte, aber insbesondere auch emotionale Debatte zum
Thema Beschneidung. Ich finde das völlig angemessen;
denn dabei es geht um kleine Jungen, teilweise noch Ba-
bys.

In der Debatte melden sich unterschiedlichste Grup-
pen zu Wort, alle mit sehr gewichtigen Argumenten. Ich
will einige nennen. Da melden sich die Religionsge-
meinschaften der Juden und der Muslime zu Wort, die
uns darauf aufmerksam machen, dass die Ausübung ih-
res Glaubens aufgrund ihrer Gebote und der Vorgaben
dann, wenn Beschneidung in Deutschland in Zukunft
strafbewehrt wäre, nicht mehr möglich wäre. Das ist ein
gewichtiges Argument. Es melden sich aber auch
Menschen im Interesse des Kindes zu Wort, die die
körperliche Unversehrtheit des Kindes im Blick ha-
ben, beispielsweise unsere Kinderbeauftragte Marlene
Rupprecht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie macht zu Recht darauf aufmerksam, dass wir vor ei-
nigen Jahren die gewaltfreie Erziehung gefordert und ge-
setzlich beschlossen haben. Wie passt die gewaltfreie Er-
ziehung mit der Beschneidung, einer Körperverletzung,
zusammen? Auch das ist ein gewichtiges Argument.
Dieses Dilemma macht deutlich, wie schwierig eine Ent-
scheidung in dieser Frage ist.

Hintergrund dieser Debatte ist das schon genannte Ur-
teil des Kölner Landgerichts. Dabei ging es um die Be-
schneidung durch einen Arzt. Die Richter haben – zu
Recht – festgestellt: Ja, tatbestandlich ist es eine Körper-
verletzung. Allerdings haben sie den Arzt mit der Be-
gründung freigesprochen: Er hat im Verbotsirrtum ge-
handelt. Das heißt, er konnte nicht davon ausgehen, dass
seine Handlung strafbar ist, weil die Rechtslage in
Deutschland hier unsicher ist.

Diese Rechtsunsicherheit hat sich jetzt aber noch ver-
schärft; denn auf diesen Verbotsirrtum wird sich in Zu-
kunft niemand mehr berufen können. Das ist geklärt.
Deswegen besteht Unsicherheit bei Ärzten und Be-
schneidern darüber, welche Konsequenzen sich ergeben,
wenn sie dennoch, auch wenn dieses Urteil keine bin-
dende Wirkung hat, Beschneidungen vornehmen. Ich
glaube, es ist inakzeptabel, diese Rechtsunsicherheit
weiterhin bestehen zu lassen.





Christine Lambrecht


(A) (C)



(D)(B)


Ich hätte mir gewünscht, dass nach diesem Urteil des
Landgerichts eine höchstrichterliche Rechtsprechung
möglich gewesen wäre; denn es geht um die Abwägung
von Grundrechten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben das Grundrecht auf körperliche Unversehrt-
heit. Wir haben das Grundrecht auf Religionsausübung.
Wir haben das Recht der Eltern, abgeleitet durch die el-
terliche Sorge, Religionsausübung auch für ihre Kinder
vorzunehmen. Diese Güter müssen gegeneinander abge-
wogen werden. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass
das Bundesverfassungsgericht hierzu Stellung nimmt.
Das ist aber nicht möglich gewesen, weil, wie gesagt,
das Landgericht Köln den Arzt freigesprochen hat, und
damit keine Beschwer vorliegt und damit kein Gang zum
Verfassungsgericht möglich ist.

Wenn wir jetzt abgewartet hätten, bis das Bundesver-
fassungsgericht in irgendeinem anderen Fall eine Ent-
scheidung trifft, dann hätten wir bis dahin Rechtsunsi-
cherheit und die Gefahr, dass dann Beschneidungen
vielleicht nicht mehr von Ärzten und unter medizini-
schen Bedingungen, sondern in Hinterzimmern vorge-
nommen würden oder ein Beschneidungstourismus in
Gang gesetzt würde. Das heißt, Eltern würden aufgrund
ihrer Glaubensvorgabe mit ihrem Kind in andere Länder
reisen und würden dort die Beschneidung vornehmen
lassen. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

Um diese unterschiedlichen Rechtsgüter gegeneinan-
der abzuwägen und dennoch ein ganz klares Signal zu
senden, dass muslimische und jüdische Religionsaus-
übung in diesem Land möglich sein muss, fordern wir
die Bundesregierung mit diesem Antrag auf, einen Ge-
setzentwurf vorzulegen, mit dem diese unterschiedlichen
Rechtsgüter unter einen Hut gebracht werden. Das ist
keine leichte Aufgabe. Das wird wirklich sehr schwie-
rige Formulierungsarbeit sein, um dafür zu sorgen, dass
dieses Gesetz hinterher vor dem Bundesverfassungsge-
richt Bestand hat. Denn was nützt uns ein Gesetz, das
dann später für verfassungswidrig erklärt wird? Wir alle
wissen um die Probleme, die damit verbunden sind.

Hier führen wir eine sehr sachliche Diskussion. Weil
aber in vielen E-Mails und Schreiben versucht wird, die
Beschneidung und die Genitalverstümmelung zu vermi-
schen, ist es mir ganz wichtig, hier ganz klar die Ansage
zu machen: Genitalverstümmelung von Mädchen hat
nichts, aber auch gar nichts mit der Beschneidung von
Jungen zu tun!


(Beifall im ganzen Hause)


Niemand wird in Deutschland akzeptieren, dass die Ge-
nitalverstümmelung von Mädchen straffrei gestellt wird.
Im Gegenteil: Sie ist nicht nur zu verurteilen, sondern sie
ist schon heute strafbar und wird völlig zu Recht entspre-
chend verfolgt. Das wird auch so bleiben.


(Beifall im ganzen Hause)


Durch diesen Antrag wollen wir ein Signal aussen-
den, dass die Religionsausübung von Juden und Musli-
men auch in Zukunft in Deutschland möglich sein soll,
dass damit aber auch die Berücksichtigung der körperli-

chen Unversehrtheit von Kindern verbunden ist. Deswe-
gen ist die ganz klare Forderung, die Beschneidung so-
wohl unter medizinischen Bedingungen als auch mit so
wenig Schmerzen wie möglich durchzuführen. Das ist
unsere klare Ansage mit klaren Vorgaben. Aber es ist
wichtig, dass an diesem Tag auch das Signal ausgesendet
wird: Religionsausübung von Muslimen und Juden muss
in Deutschland weiterhin zulässig sein.

Deswegen plädiere ich an dieser Stelle: Unterstützen
Sie den Antrag. Wenn die entsprechende Vorlage dann
auf dem Tisch liegt, werden wir noch eine ganz intensive
Diskussion zu führen haben; denn es geht um gesund-
heitspolitische, jugendpolitische und kirchenpolitische
Aspekte. Das heißt, es wird kein Hauruckverfahren ge-
ben können. Ich bitte um Geduld und Verständnis dafür,
dass man so etwas nicht über das Knie brechen kann.
Vor dieser Aufgabe werden wir dann stehen, wenn wir
eine entsprechende Vorlage haben.

Heute bitte ich Sie, den vorliegenden Antrag zu unter-
stützen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718905100

Das Wort hat nun der Kollege Jörg van Essen für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1718905200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

bin sehr dankbar, dass wir hier so sachlich über diese
Frage debattieren. Wer zum Beispiel in die sozialen
Netzwerke schaut, weiß, wie viele Emotionen es im Au-
genblick bei diesem Thema gibt. Aber ich glaube, wir
sind gut beraten, bei dieser Sachlichkeit zu bleiben. Zur
Sachlichkeit gehört, festzuhalten, dass das, was das
Landgericht Köln entschieden hat, keinerlei Bindungs-
wirkung entfaltet. Gerichte können also anders entschei-
den. Deshalb gibt es den einen oder anderen, der sagt:
Wir brauchen gar nichts zu regeln. – Ich sehe das anders.
Wer die Diskussion betrachtet, weiß, wie tief die Verun-
sicherung ist, die durch das Urteil entstanden ist, wie tief
die Verunsicherung in der muslimischen Gemeinschaft
ist und wie tief die Verunsicherung in der jüdischen Ge-
meinschaft ist. Das haben wir ernst zu nehmen.

Es gibt auch einen, wie ich finde, handfesten juristi-
schen Grund dafür, den die Kollegin Lambrecht, für de-
ren Beitrag ich ganz außerordentlich danke und mit der
wir ganz hervorragend zusammengearbeitet haben,
schon angesprochen hat. Es gibt auch Verunsicherung
bei den Ärzten, weil sie sich jetzt nicht mehr auf Ver-
botsirrtum berufen können. Auch das ist von uns zu be-
rücksichtigen. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt
und schlagen Ihnen vor, dass wir die Bundesregierung
beauftragen, die Fragen, die aufgeworfen sind, in einem
Gesetzentwurf zu klären. Das ist aber nicht nur ein Auf-
trag an die Bundesregierung, sondern auch ein Auftrag





Jörg van Essen


(A) (C)



(D)(B)


an uns alle; denn wir sind der Gesetzgeber. Wir müssen
uns positionieren.

Die bisherigen Beiträge, die wir gehört haben, haben
schon deutlich gemacht, in welchem Umfeld wir uns
hier bewegen. Mir ist es ganz wichtig, dass ein Begriff
gleich zu Beginn unseres Antrags auftaucht, nämlich das
Kindeswohl. Dem sind wir alle verpflichtet. Dem ist
auch unsere Verfassung verpflichtet.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Deshalb muss das Kindeswohl das Wesentliche sein.

Daneben sind wichtige verfassungsrechtliche Prinzi-
pien zu beachten. Körperliche Unversehrtheit ist ganz
wichtig. Hier wurde bereits etwas angesprochen, das ich
nachdrücklich unterstützen möchte. Beschneidung ist et-
was anderes als Verstümmelung. Es gibt einen Unter-
schied zwischen der Beschneidung von Jungen und der
vorsätzlichen sexuellen Verstümmelung von Frauen.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir mit unserem An-
trag das deutliche Signal setzen, dass wir solche Ver-
stümmelungen nicht hinnehmen wollen. Das möchte ich,
nachdem die Kollegin Lambrecht das bereits getan hat,
noch einmal nachdrücklich unterstützen.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es gibt aber auch andere Verfassungsprinzipien, die
wir ebenso ernst nehmen müssen. Die Religionsaus-
übung ist ein wesentlicher Teil der Religionsfreiheit. Die
muslimischen und die jüdischen Verbände haben uns
deutlich gemacht, dass das, was sie praktizieren, für sie
ganz wesentlich zur Religionsausübung gehört. Ich bin
sehr nachdenklich, seit uns der Vorsitzende des Zentral-
rats der Juden deutlich gemacht hat, dass die Beschnei-
dung konstitutiv für die Zugehörigkeit zum jüdischen
Glauben ist. Das haben wir ernst zu nehmen und in den
Abwägungsprozess intensiv einzubeziehen. Auch die
muslimischen Verbände haben uns deutlich gemacht,
welch hohe Bedeutung das für sie hat.

Auch der dritte Aspekt spielt eine ganz wesentliche
Rolle, nämlich das Elternrecht. Die Eltern haben das
Recht, darüber zu entscheiden, ob sie es als dem Kindes-
wohl angemessen ansehen, dass die Kinder in einer reli-
giösen Gemeinschaft und mit den Riten dieser religiösen
Gemeinschaft aufwachsen. Die Eltern können so ent-
scheiden, wenn sie glauben, dass die Kinder in einer sol-
chen Gemeinschaft eine ethische Orientierung bekom-
men. Wir können nur daran interessiert sein, dass junge
Menschen mit ethischer Orientierung aufwachsen. Auch
das müssen wir ernst nehmen.

Vor diesem Hintergrund habe ich die Bitte, dass diese
so aufgeregt begonnene Debatte sachlich fortgeführt
wird. Das, was zu Beginn dieser Woche zwischen den
Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP stattgefunden
hat, war der Beginn einer sachlichen Auseinanderset-
zung mit den aufgeworfenen Fragen. Ich bitte alle, das
fortzusetzen. Wir werden als FDP-Bundestagsfraktion

unseren Beitrag dazu leisten und bitten die Bundesregie-
rung, ihren Teil der Arbeit in den nächsten Wochen zu
erledigen, sodass wir dann im Herbst zu einer Entschei-
dung kommen können.

Mir ist wichtig, dass wir jetzt ein Signal setzen. Des-
halb bitte ich – auch persönlich – Sie nachdrücklich um
Zustimmung. Wir wollen schnellstmöglich wieder
Rechtssicherheit haben. Wir sollten ein entsprechendes
Signal an die betroffenen Religionsgemeinschaften sen-
den und eine Lösung finden, die eine breitestmögliche
gesellschaftliche Zustimmung erfährt. Das ist mein
Wunsch.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718905300

Der Kollege Jens Petermann erhält nun das Wort für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1718905400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Am 7. Mai 2012 verkündete das
Landgericht Köln ein Urteil in einem Strafverfahren we-
gen Körperverletzung gegen einen Arzt, der eine Be-
schneidung bei einem vierjährigen Jungen aus religiösen
Gründen auf Wunsch der Eltern vorgenommen hatte. Er
wurde wegen nicht nachweisbarer Schuld vom Tatvor-
wurf freigesprochen. Ihm wurde zugute gehalten, dass er
das Verbot nicht kannte und davon ausging, nichts Ver-
botenes zu tun. Diese Entscheidung hat mittlerweile zu
einer lebendigen Debatte in der Öffentlichkeit geführt.
Das war offensichtlich auch Grund für Union, SPD und
FDP, einen sehr eiligen Entschließungsantrag vorzule-
gen, der eigentlich ohne Debatte durchgewunken werden
sollte. Merkwürdig ist, dass das Papier schon gestern in
einigen Medien kursierte, während es der Linksfraktion
erst heute kurz nach 9 Uhr zugestellt wurde. Da blieb
wohl ein wenig die Fairness im parlamentarischen Ver-
fahren auf der Strecke.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, im
Herbst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klarstellt,
dass eine religiös motivierte, medizinisch fachgerechte
Beschneidung von Jungen grundsätzlich zulässig ist. Na-
türlich sind die Achtung der Religion und der Freiheit re-
ligiöser Betätigung etwas Selbstverständliches. Das ei-
gentliche Problem liegt auf einer anderen Ebene; das ist
hier schon angesprochen worden. Wie ist es um den
Grundrechtsschutz des minderjährigen, religiös unmün-
digen Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbst-
bestimmung gegenüber den Grundrechten der Eltern auf
Religionsfreiheit und deren Elternrecht bestellt?

Für die Linke kann ich sagen, dass sie das Problem
differenziert sieht. Aus juristischer Sicht ist das Urteil
richtig, da es lediglich die bestehende Rechtslage auf-





Jens Petermann


(A) (C)



(D)(B)


greift; denn jeder ärztliche Eingriff erfüllt juristisch ge-
sehen den Tatbestand der Körperverletzung, auch eine
Blinddarmentfernung. Eine Bestrafung des behandeln-
den Arztes oder der behandelnden Ärztin scheidet aller-
dings aus. Die Rechtfertigung liegt in der Einwilligung
des Patienten in den ärztlichen Heileingriff. Weder ein
Säugling noch ein vierjähriger Junge verfügen über die
nötige Einwilligungsfähigkeit. Hier müssen die Eltern
entscheiden. Vom Sorgerecht sind aber nur Erziehungs-
maßnahmen gedeckt, die dem Wohle des Kindes dienen.
Eine Entscheidung der Eltern zur Vermeidung einer reli-
giösen Ausgrenzung kann die Einwilligung des kleinen
Patienten nicht ersetzen, da keine medizinische Indika-
tion vorliegt und der Eingriff nicht dem Kindeswohl
dient.

Durch eine Beschneidung wird der Körper des Kindes
dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung
läuft dem Interesse zuwider, später in freier Selbstbe-
stimmung über eine Religionszugehörigkeit entscheiden
zu können. Das Landgericht Köln stellte dies – zutref-
fend – fest. Die Grundrechte der Eltern aus Art. 4 Abs. 1
Grundgesetz – Religionsfreiheit – und Art. 6 Abs. 2
Grundgesetz – elterliche Sorge – werden begrenzt durch
das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrt-
heit und Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2
Grundgesetz.

Dass dieses Problem lösbar ist, zeigen übrigens jüdi-
sche Gemeinden in Großbritannien. Dort wird das reli-
giös geforderte frühkindliche Ritual der Beschneidung
ins Schmerzlos-Symbolische verschoben und die Ent-
scheidung über den tatsächlichen Eingriff dem Betroffe-
nen selbst überlassen, wenn er als Jugendlicher einwilli-
gungsfähig ist. Jeder, der sich zu dem Thema zu Wort
meldet, muss am Ende mit seinem Gewissen ausmachen,
ob das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unver-
sehrtheit und auf Selbstbestimmung, welcher Religion
man angehören möchte, der Religionsfreiheit und dem
Erziehungsrecht der Eltern untergeordnet sein soll.


(Beifall bei der LINKEN)


Die religiöse Überzeugung des mündigen Menschen
ist zu respektieren und zu schützen. Wir werben dafür,
das frühkindliche Ritual der Beschneidung ins Schmerz-
los-Symbolische zu verschieben und die Entscheidung
über den chirurgischen Eingriff dem Betroffenen zu
überlassen, sobald er als 14-jähriger Jugendlicher ein-
willigungsfähig ist.

Mit Ihrem Antrag haben Sie allerdings die Chance auf
eine gesellschaftliche Debatte vertan. Die Linke kann
darum nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718905500

Volker Beck erhält nun das Wort für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718905600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die

Rechtsauffassung eines Kölner Richters der Kleinen
Strafkammer vom Mai, religiös begründete Beschnei-
dungen bei Jungen seien strafbar, hat in den letzten zwei
Wochen hohe Wellen geschlagen und zu einer intensiven
Debatte geführt.

In dieser Diskussion habe ich mich zusammen mit ein
paar Kollegen im Sinne dieses Antrags öffentlich geäu-
ßert. In den Fraktionsgremien und in den Arbeitskreisen
waren fachliche Diskussionen bis zum jetzigen Zeit-
punkt aber nicht möglich. Deswegen ist die heutige Ent-
scheidung über diesen Antrag für viele Kolleginnen und
Kollegen, die noch mit sich ringen, welche Position sie
vertreten sollen, nicht einfach. Dieses Hopplahopp des
Verfahrens kritisieren wir.

Manche finden das Kölner Urteil im Grunde richtig.
Andere sind, was ihre Position angeht, noch nicht zu ei-
nem Ergebnis gekommen. Wiederum andere sehen es so
wie ich. Ich zolle all diesen Positionen in der Debatte
Respekt.

Aber ich will meine Rede jetzt dazu nutzen, um meine
Entscheidung, diesem Antrag heute zuzustimmen, zu be-
gründen.

Die religiös begründete Beschneidung von Jungen ist
ein klassischer Grundrechtskonflikt. Bei Grundrechts-
kollisionen entscheidet man sich nicht für das eine
Grundrecht und gegen das andere, wie es zum Teil in der
Debatte im Netz dargestellt wird. Es gilt vielmehr, eine
Abwägung vorzunehmen, die alle Grundrechtspositio-
nen so berücksichtigt, dass die Grundrechte sich optimal
verwirklichen. Wir müssen daher die drei Grundrechte,
die hier in Rede stehen – Art. 2, Art. 4 und Art. 6 Grund-
gesetz –, jeweils ausgleichen und dabei den jeweiligen
Eingriff und den Rechtsgrund erörtern.

Eine Beschneidung ist – da haben Sie recht, Herr
Petermann – wie jede Operation oder Impfung eine
Körperverletzung. Durch rechtswirksame Einwilligung
wird sie aber gerechtfertigt und ist damit eben nicht
strafbar. Deshalb muss man fragen: Dürfen Eltern in die-
ser Situation für ihr Kind rechtswirksam einwilligen? Im
freiheitlichen Staat treffen nämlich die Eltern die Ent-
scheidungen für das Kindeswohl in den Grenzen der
Rechtsordnung.

Zum Kindeswohl gehört – da unterscheide ich mich
von Ihnen, Herr Petermann – einerseits die Gesundheit
und der Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Kin-
des, andererseits aber auch das Recht des Kindes, als
gleichberechtigtes und vollwertiges Mitglied einer Reli-
gionsgemeinschaft, der die Familie angehört, aufzu-
wachsen.


(Beifall der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE])


Religionsfreiheit heißt nämlich nicht Freiheit von Reli-
gion, sondern Freiheit in religiösen Angelegenheiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)






Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


Bei der Abwägung muss auch die Bedeutung des Ein-
griffs bewertet werden. Er ist in der Tat irreversibel, aber
doch vergleichsweise gering – eine gesundheitliche
Schädigung ist nicht die Folge –, und er wird auch aus
anderen Gründen, zum Beispiel aus prophylaktischen
und hygienischen Erwägungen, bei Kindern und Er-
wachsenen vorgenommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718905700

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Rupprecht gestatten?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718905800

Ja, gerne.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1718905900

Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass das Bundesver-

fassungsgericht schon 1968 festgestellt hat, dass Kinder
Grundrechtsträger sind, und zwar ohne Einschränkung;
man hat das nicht am Alter festgemacht. Außerdem ha-
ben wir die UN-Kinderrechtskonvention im letzten Jahr
in diesem Hause mit breiter Mehrheit in inländisches
Recht umgesetzt. In Art. 24 Abs. 3 der UN-Kinder-
rechtskonvention steht eindeutig, dass die Vertragsstaa-
ten alles versuchen, um Bräuche, die Kinder verletzen,
zu beseitigen.

Wir haben im Jahr 2000 hier im Hause nach langer
Diskussion mit großer Mehrheit beschlossen, dass Eltern
ihre Kinder gewaltfrei erziehen müssen. Damit haben
wir zum ersten Mal Kinder als Rechtssubjekte in ein
Gesetz aufgenommen. Das heißt, dass Kinder ein Recht
auf gewaltfreie Erziehung haben. Das gilt auch für die
religiöse Erziehung.

Man nimmt niemandem das Recht, Kinder religiös zu
erziehen. Im Gegenteil: Es ist Aufgabe der Eltern, Kin-
der wertorientiert zu erziehen und sie auf das Leben in
dieser Gesellschaft vorzubereiten. Aber wir haben den
Grundsatz der Gewaltfreiheit. Ich frage mich, wie Sie
diesen Antrag mit der UN-Kinderrechtskonvention und
den Grundrechten vereinbaren wollen.

Ich glaube, dass eine ehrliche Diskussion stattfinden
muss. Meine Bitte an die Kollegen ist: Wenn wir uns in
der Sommerpause mit diesem Thema beschäftigen, soll-
ten wir nicht vorschnell nur auf die Menschen in unse-
rem Land schauen, die ihre Auffassung laut genug äu-
ßern. Man sollte auch auf all diejenigen schauen, die sich
nicht äußern, für die wir hier aber im Parlament sitzen,
nämlich auf die Kinder. Ihnen müssen wir klar zur Seite
stehen und eine Stimme geben, wenn es um solche ge-
sellschaftlichen Entwicklungen geht.

Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass alles, was wir hier
tun, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen muss. Das
ist die Basis all unseres Handelns. Ich bitte die Regie-
rung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Deshalb meine Frage an Sie: Wie wollen Sie dieses
Gesetz mitgestalten, wenn Sie sich schon jetzt im Voraus
festlegen, dass in dem Gesetz eine Straffreiheit vorgese-
hen werden soll?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718906000

Es ist schade, dass Sie mich inmitten meiner Erörte-

rung der Grundrechtskollision unterbrochen haben.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür hast du jetzt mehr Zeit!)


Aber ich will trotzdem gerne versuchen, auf das, was Sie
vorgetragen haben, zu antworten.

Ich sehe meine Rechtsposition – dazu komme ich
noch – in völligem Einklang mit den Normen der UN-
Kinderrechtskonvention.


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es! Ja!)


Es geht darin um die Gesundheit der Kinder und um ih-
ren Schutz vor Beeinträchtigungen durch religiöse Bräu-
che. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die
Beschneidung liegt meines Erachtens jedoch nicht vor.
Es handelt sich um eine Beeinträchtigung, die keinen
pathologischen Befund beinhaltet.

Sie haben außerdem gesagt, Kinder müssten das
später als Erwachsene selbst entscheiden. Diese UN-
Konvention schützt aber ausdrücklich Kinder vor reli-
giöser Diskriminierung, also auch vor der Diskriminie-
rung, die damit einhergeht, Jude oder Muslim in unserer
Gesellschaft zu sein.

Sie dürfen nicht übersehen, dass der Beschneidungs-
befehl in der jüdischen Religion und im islamischen
Glauben fundamental ist. Die Begründung des Bundes
Gottes mit dem Volk Israel und Abraham in Genesis 17
beginnt mit dem Befehl an Abraham, die Kinder des
Volkes Israel zu beschneiden, sobald sie acht Tage alt
sind. – Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln,
Frau Kollegin Rupprecht.

Es ist im Rahmen des Grundrechtsausgleichs mit zu
erörtern, welchen Stellenwert der Beschneidungsbefehl
für diese Religion hat. Und da kommen wir zu dem Er-
gebnis: Es handelt sich um den ersten Befehl Gottes, der
für diese Religion gilt, und er ist das Fundament des
Glaubens aller abrahamitischen Religionen. Damit hat er
einen sehr hohen Stellenwert. Ein Verbot der Beschnei-
dung jüdischer und muslimischer Kinder würde faktisch
bedeuten: Jüdisches Leben und islamisches Leben sind
in Deutschland auf Dauer legal so nicht möglich. Es geht
um eine Abwägung der Grundrechte. Auf der einen Seite
ist die Frage: Zu welchen Beeinträchtigungen führt der
Eingriff bei dem Jungen ohne Krankheitsbefund, wenn
er medizinisch korrekt durchgeführt wird? Es sind rela-
tiv geringe Beeinträchtigungen. Auf der anderen Seite ist
die Frage: Ist die Religionsausübung überhaupt noch
möglich, wenn wir die Beschneidung verbieten würden? –
In dieser Abwägung komme ich zu dem Ergebnis, dass
dies von den Eltern im Sinne des Kindeswohls entschie-
den werden muss.

Ich halte es in meiner Gedankenwelt für möglich,
dass es eine Entscheidung zum Wohle des Kindes ist, es
im Sinne der jüdischen oder der muslimischen Religion
aufzuziehen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)






Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


Meines Erachtens ist es nicht nur in christlichen oder
atheistischen Elternhäusern möglich, das Kindeswohl zu
berücksichtigen. Deshalb müssen wir das respektieren,
auch wenn es uns als Nichtmitglieder dieser Religions-
gemeinschaften möglicherweise ein bisschen fremd vor-
kommt. Aber vielleicht hilft da, egal ob man religiös ist
oder nicht, ein Blick in die Heilige Schrift.

Ich komme bei der Abwägung am Ende also zu dem
Ergebnis, dass die Beschneidung straflos sein muss.

Ich will auf einen weiteren Aspekt, nämlich die Ge-
sundheit des Kindes, aufmerksam machen. Wenn wir zu
dem Ergebnis kommen, dass die Beschneidung strafbar
ist, wird der Effekt ja nicht sein, dass es keine Beschnei-
dung von jüdischen und muslimischen Kindern mehr
gibt, sondern der Effekt wird sein, dass sie nicht mehr
medizinisch fachgerecht ausgeführt wird, und zwar von
selbsternannten Beschneiderinnen und Beschneidern.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)


Dann schädigen wir die Gesundheit dieser Kinder maxi-
mal. Deshalb muss man neben der rechtlichen und ver-
fassungsrechtlichen Sicht auch eine pragmatische Sicht
auf diesen Konflikt haben und schauen: Womit bewirkt
man am Ende Gutes und womit Schlechtes?

Ich will nicht, dass jüdisches und muslimisches Leben
in Deutschland in der Illegalität ist. Für mich ist ganz
klar: Judentum, Islam und Christentum gehören zu
Deutschland. Ich will, dass dies heute hier zum Aus-
druck kommt und dass wir eine inklusive Lösung für
diese Frage finden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718906100

Herr Kollege.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718906200

Meine Damen und Herren, gerade angesichts der De-

batte im Netz, die dort sehr heftig tobt, teilweise sehr
verletzend ist, meines Erachtens manchmal auch igno-
rant gegenüber Religion als Phänomen an sich, frage ich
die Menschen, die da so herumwirbeln und gegen die
sachliche Debatte, die wir hier gerade führen, wirklich
polemisieren: Kommt es Ihnen nicht merkwürdig vor,
dass ausgerechnet Deutschland das erste und einzige
Land auf dieser Welt sein sollte, wo die Beschneidung
von Juden und Muslimen strafbar sein soll?


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich finde, über diese Frage kann man in der Sommer-
pause noch einmal nachdenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718906300

Zum Schluss dieser Debatte erhält der Kollege

Johannes Singhammer das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1718906400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir, die Christlich Demokratische Union und die
Christlich-Soziale Union, treten entschieden und eindeu-
tig ein für die Religionsfreiheit in Deutschland und in
anderen Ländern. Zur Religionsfreiheit bei uns in
Deutschland gehört, dass eine Unsicherheit darüber ver-
mieden wird, was in zentralen Bereichen der Ausübung
der Religion, so wie sie die einzelnen Gemeinschaften
verstehen, erlaubt ist, nicht erlaubt ist oder sogar verbo-
ten ist.

Was zum Kernbereich der Freiheit einer Religion
zählt, das regelt nun nicht staatliche Autorität, sondern
das regelt die einzelne Religionsgemeinschaft selbst.
Was die Beschneidung von Jungen im Judentum und im
Islam betrifft, so gibt es unterschiedliche, aber klare reli-
giöse Einordnungen. Nach jüdischem Verständnis ist die
Beschneidung von Jungen elementar und gehört konsti-
tutiv zum Glauben. Nach der Mitteilung des Zentralrats
der Muslime in Deutschland ist die Beschneidung von
Jungen Bestandteil muslimischer Tradition und folgt der
abrahamischen Praxis.

Wir regeln heute nicht die Art und Weise, wie und un-
ter welchen Voraussetzungen Beschneidung stattfinden
kann und soll; wir regeln das Ob. Wir wollen, dass keine
Unsicherheit mehr darüber besteht, ob die Beschneidung
in Deutschland zulässig ist, erlaubt ist, sich in einer
Grauzone befindet, staatliche Duldung genießt oder gar
aufgrund eines Verbots verfolgt wird. Die klare Bot-
schaft heute: Beschneidung ist zulässig. Es geht die klare
Botschaft auch an diejenigen, die Beschneidungen
durchführen, gerade die Ärzte: Wir wollen, dass Be-
schneidung zulässig ist, und schaffen deshalb Klarheit.

Die Gewährleistung der Religionsfreiheit bei der Be-
schneidung – das ist heute schon angesprochen worden –
hat nichts mit einem anderen Ritual zu tun, das in eini-
gen Regionen der Welt schauerliche Praxis ist: die Geni-
talverstümmelung bei jungen Mädchen und Frauen. Es
bedeutet keinerlei intellektuelle Überforderung, die Un-
terschiede zu erkennen.

Keine religiöse Instanz mit Reputation fordert bei-
spielsweise im Islam Genitalverstümmelung von Frauen
und Mädchen. Bei diesem Eingriff in die körperliche In-
tegrität geschieht in der Tat Schlimmes. Nach Schätzun-
gen überleben 15 Prozent der betroffenen Frauen und
Mädchen den Eingriff unmittelbar nicht und muss damit
gerechnet werden, dass weitere 20 Prozent später erkran-
ken und ebenfalls zu Tode kommen. Alle Betroffenen
leiden darunter. Deshalb wird in Deutschland Genital-
verstümmelung zu Recht als Straftat aufgefasst und ver-
folgt, und dabei bleibt es auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für manche in unserem Land ist Beschneidung etwas
Fremdartiges. Das Zusammenleben von Menschen, die
religiös sind, und Menschen, die sich für eine nichtreli-





Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)


giöse Grundhaltung entschieden haben, erfordert Res-
pekt. Respekt gedeiht am besten auf einer klaren gesetz-
lichen Regelung, was zulässig ist und was nicht. Eine
solche Regelung wollen wir heute mit diesem Antrag
einleiten. Wir wollen damit auch ein Stück gutes per-
spektivisches Zusammenleben in Deutschland schaffen.
Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718906500

Ich schließe die Aussprache.

Nach dieser Debatte wird niemand ernsthaft behaup-
ten können, der Deutsche Bundestag wolle mit dem
heute eingebrachten Antrag eine notwendige Debatte
vorschnell beenden. Das Gegenteil ist der Fall: Er will
die notwendige Klärung auf eine sensible und zielfüh-
rende Weise möglich machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE])


Das ist aus allen Wortbeiträgen hinreichend deutlich ge-
worden. Dafür möchte ich mich bedanken.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf der
Drucksache 17/10331 mit dem Titel „Rechtliche Rege-
lung der Beschneidung minderjähriger Jungen“. Die
Fraktion Die Linke hat beantragt, diesen Antrag zu über-
weisen zur federführenden Beratung an den Rechtsaus-
schuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an
den Ausschuss für Gesundheit sowie an den Ausschuss
für Kultur und Medien. Die antragstellenden Fraktionen
verlangen sofortige Abstimmung. Nach ständiger Übung
geht die Abstimmung über den Überweisungsvorschlag
vor.

Ich bitte deswegen diejenigen, die dem Überwei-
sungsvorschlag der Fraktion Die Linke zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit
großer Mehrheit bei unterschiedlichen einzelnen Voten
in den Fraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag
auf Drucksache 17/10331. Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen?


(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Wir wollen bemerkt werden, Herr Präsident!)


– Hatten Sie, Frau Kollegin, jemals den Eindruck, dass
Sie unbemerkt geblieben wären?


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Spätestens mit dem Zwischenruf sind Sie für alle Zeiten
in den Protokollen des Deutschen Bundestages verewigt.

Ich darf also noch einmal fragen: Wer stimmt für die-
sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Antrag ist mit großer Mehrheit bei einer Reihe von
Gegenstimmen und Stimmenthaltungen aus verschiede-
nen Fraktionen angenommen.

Ich weise darauf hin, dass wir auch zu diesem Antrag
eine Reihe von schriftlichen Erklärungen zur Abstim-
mung haben, die wir dem Protokoll beifügen.1)

Ich darf Ihnen nun noch das von den Schriftführerin-
nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung über den Antrag des Bundesminis-
teriums der Finanzen zur Finanzhilfe zugunsten
Spaniens und zur Einholung eines zustimmenden Be-
schlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 des Sta-
bilisierungsmechanismusgesetzes mitteilen: abgegebene
Stimmen 583. Ich erlaube mir den Hinweis, dass damit
rund 94 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundesta-
ges anwesend waren und von ihrem Abstimmungsrecht
Gebrauch gemacht haben. Es wird nicht viele Betriebe in
Deutschland geben, die bei kurzfristig angesetzten Son-
derschichten, allein schon unter Berücksichtigung der
durchschnittlichen Krankheitsquote, eine ähnlich hohe
oder höhere Beteiligung erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit Ja haben 473 Kolleginnen und Kollegen ge-
stimmt. Mit Nein haben 97 Mitglieder des Bundestages
gestimmt. Es gab 13 Enthaltungen. Damit ist der Antrag
angenommen.

1) Anlagen 7 bis 12

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 583;
davon

ja: 473
nein: 97
enthalten: 13

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier

Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer

Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann

Alexander Dobrindt
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings

Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski

Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Willi Zylajew

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)


Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Johannes Pflug
Joachim Poß
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
René Röspel
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Annette Sawade
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Ulla Schmidt (Aachen)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP

Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Reiner Deutschmann
Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin

Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz

Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

Nein

CDU/CSU

Veronika Bellmann
Wolfgang Bosbach
Thomas Dörflinger

(Karlsruhe Land)

Dr. Peter Gauweiler
Manfred Kolbe
Andreas G. Lämmel
Paul Lehrieder
Dr. Carsten Linnemann
Dr. Georg Nüßlein
Thomas Silberhorn
Arnold Vaatz
Klaus-Peter Willsch

SPD

Klaus Barthel

Dr. Peter Danckert
Wolfgang Gunkel
Gabriele Hiller-Ohm
Hilde Mattheis
Dr. Wilhelm Priesmeier
Gerold Reichenbach
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Werner Schieder (Weiden)

Swen Schulz (Spandau)

Rolf Schwanitz
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)


FDP

Jens Ackermann
Nicole Bracht-Bendt
Sylvia Canel
Joachim Günther (Plauen)

Heinz-Peter Haustein
Dr. Lutz Knopek
Holger Krestel
Lars Lindemann
Frank Schäffler

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Michael Schlecht
Kathrin Senger-Schäfer
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel

Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Katrin Werner
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Hans-Christian Ströbele

Enthalten

SPD

Bettina Hagedorn
Stefan Rebmann

FDP

Helga Daub

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Thilo Hoppe

Uwe Kekeritz
Ute Koczy
Stephan Kühn
Monika Lazar
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Gerhard Schick
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner (Schleswig)



(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie weit dürfen wir schwimmen?)


– Frau Kollegin Künast, ich berufe die nächste Sitzung
des Deutschen Bundestages auf spätestens Dienstag, den

11. September 2012, 10 Uhr, ein. Ich halte aber meine
Empfehlungen für eine möglichst flexible Urlaubspla-
nung ausdrücklich aufrecht.

Machen Sie etwas daraus. Alles Gute! Bis dann.

Die Sitzung ist geschlossen.