Protokoll:
17186

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 186

  • date_rangeDatum: 27. Juni 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 12:30 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:15 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/186 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 186. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 I n h a l t : Bestimmung der Abgeordneten Britta Haßelmann als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses und der Abgeord- neten Renate Künast und Jürgen Trittin als stellvertretende Mitglieder des Vermittlungs- ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 28./29. Juni 2012 in Brüssel Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: 9. Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Auslän- der in Deutschland; sonstige Fragen zur Kabinettssitzung Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22221 A 22221 B 22221 C 22225 D 22227 D 22229 C 22232 A 22234 A 22235 B 22236 B 22236 D 22237 C 22239 C 22240 C 22242 B 22243 B 22244 B 22245 B 22246 B 22246 B 22246 D 22247 A 22247 C 22247 C 22247 D 22248 A 22248 C 22248 D 22249 B 22249 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundes- regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/10051) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Ute Vogt (SPD) Vorkommen von Formationswasser und Lösungszutritten im Endlager Konrad Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Ute Vogt (SPD) Geplante Inbetriebnahme des Endlagers Konrad ab 2019 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Mündliche Frage 7 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auflage eines Auenschutzprogramms und Umsetzung der Europäischen Wasserrah- menrichtlinie an den Brandenburger Bun- deswasserstraßen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 8 Dr. Matthias Miersch (SPD) Etwaige Außerkraftsetzung von Richt- linien und EU-Regeln zur Beschleunigung des Stromleitungsbaus Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 12 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen aus dem Nachhaltig- keitsgipfel Rio+20 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22249 C 22249 D 22250 A 22250 B 22250 C 22250 C 22250 D 22251 A 22251 B 22251 C 22251 D 22252 A 22252 B 22252 C 22252 D 22252 D 22253 B 22253 C 22253 D 22254 A 22254 B 22254 B 22254 D 22255 A 22255 C 22255 D 22256 B 22256 D 22257 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 III Mündliche Frage 13 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Implementierung welt- weiter, messbarer Nachhaltigkeitsziele Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 14 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Gefahren bei der stofflichen Verwertung von Klärschlamm Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Mündliche Frage 15 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Rücknahme von Altarzneimitteln zur Ver- hinderung des Übergangs von Schadstoffen in den Nahrungskreislauf Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Mündliche Frage 16 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Weitere Themen des Bürgerdialogs Zu- kunftstechnologien des BMBF Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Michael Gerdes (SPD) Ausgestaltung einer flächendeckenden Ver- besserung der Lehrerausbildung Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 20 Michael Gerdes (SPD) Finanzierung der gemeinsamen Förderini- tiative von Bund und Ländern zur Förde- rung der Lehrerausbildung Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 17 Willi Brase (SPD) Gemeinsame Förderinitiative von Bund und Ländern zur Förderung der Lehrer- ausbildung Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 18 Willi Brase (SPD) Geplantes Auswahlverfahren zur Bestim- mung von Projekten im Zusammenhang mit der gemeinsame Förderinitiative von Bund und Ländern zur Förderung der Lehrerausbildung Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 28 Dr. Sascha Raabe (SPD) Herkunft des von Bundesminister Niebel in Kabul erworbenen afghanischen Teppichs Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 29 Dr. Sascha Raabe (SPD) Regelung der Formalitäten bei der Aus- und Einfuhr des von Bundesminister Niebel in Kabul erworbenen afghanischen Teppichs Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22257 D 22258 A 22258 C 22258 D 22259 B 22259 C 22259 D 22260 A 22260 B 22260 C 22260 D 22261 A 22261 C 22261 D 22262 A 22262 D 22263 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Mündliche Frage 37 Dr. Matthias Miersch (SPD) Verkürzung des Rechtswegs beim Lei- tungsausbau auf eine Instanz Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Forderung von SPD und Grünen zu Tempo 30 in Städten Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrerausbil- dung (184. Sitzung, Tagesordnungspunkt 26) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Anlage 3 Mündliche Frage 1 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagungstermine der BMU-Beratungskom- missionen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 2 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Relevante tschechische Rechtsgrundlagen für das Verfahren Kernkraftwerk Temelin 3 und 4 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 5 Marco Bülow (SPD) Ziele und Inhalt des Masterplans zum Rückbau stillgelegter Atomkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 6 Marco Bülow (SPD) Geplante Gesetzesvorhaben bezüglich des Rückbaus stillgelegter Atomkraftwerke Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 9 Dirk Becker (SPD) Pläne des BMWi zur Überführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in ein Quotenmodell Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22264 A 22264 B 22264 D 22266 A 22267 A 22268 A 22269 A 22270 A 22271 C 22272 D 22273 D 22275 A 22276 B 22277 B 22278 B 22279 C 22279 B/D 22281 A 22281 C 22282 C 22282 D 22283 A 22283 B 22283 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 V Anlage 8 Mündliche Frage 10 Dirk Becker (SPD) Von der EEG-Umlage befreite Strommenge durch Eigenverbrauch der Industrie- betriebe nach § 37 Abs. 3 Satz 2 Erneuer- bare-Energien-Gesetz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 11 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stilllegung von Kraftwerken Ende 2012 aufgrund verschärfter Immissionsschutz- anforderungen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 21 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Mehrbedarf und haushalterische Vorkeh- rungen zur Studienplatzfinanzierung im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 für die Jahre 2013 bis 2015 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 22 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Auszahlung der vereinbarten Teilzahlun- gen für die Jahre 2013 und 2014 an die Länder im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 zur Studienplatzfinanzierung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 23 Oliver Kaczmarek (SPD) Zuständigkeiten bei der Entwicklung der Bildungsinfrastruktur Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 24 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Betreuungsgeldes auf die Qualität der frühkindlichen Bildung Antwort Dr. Helge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 25 René Röspel (SPD) Bau des Großprojekts „Square Kilometre Array“ sowohl in Südafrika als auch in Australien Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 26 René Röspel (SPD) Gesamtkosten der Beteiligung Deutsch- lands an Bau und Betrieb des Square Kilo- metre Array Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 27 Klaus Hagemann (SPD) Konsequenzen aus den aktuellen Empfeh- lungen der Reaktor-Sicherheitskommission für den Betrieb der Forschungsreaktoren Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 30 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Auswirkungen der Ergebnisse des G-20- Gipfels von Los Cabos und der 101. ILO- Konferenz Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22283 C 22283 D 22284 A 22284 B 22284 C 22284 D 22285 A 22285 B 22285 C 22286 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Anlage 18 Mündliche Frage 31 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Ergebnisse der Rio+20-Konferenz und Umsetzung der Sustainable Development Goals Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Frage 32 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Förderung erneuerbarer Energien durch das BMZ seit 2010 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Fragen 35 und 36 Frank Schwabe (SPD) Beurteilung des Verpressens von Fracking- Abwässern in ehemalige Lagerstätten oder andere unterirdische Gesteinsformationen und alternative Handlungsmöglichkeiten Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 38 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Instrumente zur Refinanzierung von Inves- titionen in der Novelle des Energiewirt- schaftsgesetzes Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Fragen 39 und 40 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anstieg des Strompreises für private Haus- halte in den letzten zehn Jahren und Maß- nahmen zur Minimierung des nicht EEG- bedingten Anstiegs des Strompreises Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Fragen 41 und 42 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Meldung neuinstallierter Photovoltaik- anlagen durch die Bundesnetzagentur als Basis von Vergütungssenkungen Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 43 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zurückgezogene oder zurückgestellte An- träge oder Voranfragen des Unternehmens Krauss-Maffei Wegmann zur Genehmi- gung des Exports von Leopard-2-Kampf- panzern Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 44 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorbehalt bezüglich der Genehmigung ei- nes Reexports von in Spanien in Lizenz produzierten Kampfpanzern des Typs Leopard 2 Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 45 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur Liefe- rung von Leopard-2-Panzern nach Saudi- Arabien Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22286 B 22286 C 22287 A 22287 C 22287 C 22288 B 22288 D 22289 A 22289 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 VII Anlage 27 Mündliche Frage 47 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Besuch des in Almaty verhafteten Theater- regisseurs und Goethe-Preisträgers Bolat Atabajew im Gefängnis durch den deut- schen Botschafter in Kasachstan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Fragen 48 und 49 Niema Movassat (DIE LINKE) Mögliches Mandat des VN-Sicherheitsrats für eine militärische Intervention in Mali durch die westafrikanische Staatengemein- schaft ECOWAS Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 50 Andrej Hunko (DIE LINKE) Position der Bundesregierung im UN-Si- cherheitsrat zu Cyberangriffen auf den Iran durch die Schadprogramme Stuxnet und Flame Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 51 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verhandlungen der EU-Kommission ins- besondere mit Libyen, Tunesien und Marokko über polizeilichen Informations- austausch, Grenzmanagement, Strafverfol- gung und Einbeziehung der EU-Agenturen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 52 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Medienberichte über die Aktenvernich- tung beim Bundesamt für Verfassungs- schutz im Zusammenhang mit der Über- wachung von Rechtsextremisten des Thüringer Heimatschutzes Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 53 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Einführung einer einheitlichen Wissen- schaftsschranke im Urheberrecht Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Frage 54 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Aktivitäten marokkanischer Geheim- dienste gegen saharauische Oppositionelle in Deutschland Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Frage 55 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung des jüngsten Presseberichts über die Beteiligung deutscher Neonazis an der Vorbereitung des Olympiaattentats von 1972 und Schlussfolgerungen in Bezug auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Aktenbestände und die Gedenkfeiern zum 40. Jahrestag Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 56 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Aufhebung der Haushaltssperre der Ver- pflichtungsermächtigungen beim interna- tionalen Klima- und Umweltschutz des Sondervermögens Energie- und Klima- fonds Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22289 D 22290 A 22290 C 22291 A 22291 B 22291 D 22292 A 22292 B 22292 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Anlage 36 Mündliche Frage 57 Richard Pitterle (DIE LINKE) Steuerliche Berücksichtigung von laufen- den Verlusten aufgrund einer atypischen stillen Beteiligung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 58 Richard Pitterle (DIE LINKE) Veranlagung der Erbschaftsteuer in Deutschland im Zusammenhang mit der Anwendung des Steuerabkommens mit der Schweiz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Fragen 59 und 60 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Teilselbstanzeige im Rahmen des Steuerab- kommens mit der Schweiz und Rechtsfol- gen hinsichtlich der Nachentrichtung der Steuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 61 Klaus Hagemann (SPD) Fälligstellung von Studienkrediten ohne Ankündigung durch die Commerzbank und Rückzahlungsverhalten bei Studenten und Absolventen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Frage 62 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Beteiligung der Bundesregierung und des Bundestages an der Vereinbarung zur Ab- wicklung der WestLB Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Frage 63 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Höhe des finanziellen Engagements zur Abwicklung der WestLB für den Bundes- haushalt Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Fragen 64 und 65 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Voraussetzungen für den Verlust der Steu- erbefreiung nach § 51 Abs. 3 Satz 2 der Ab- gabenordnung für Organisationen bei ei- ner Einstufung als extremistisch im Verfassungsschutzbericht und diesbezügli- che Neuregelung durch das Jahressteuer- gesetz 2013 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Frage 66 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlängerung der Rückzahlungsfrist für die an Irland gezahlten internationalen Hilfsgelder Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 67 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erweiterung der Europäischen Wirt- schafts- und Währungsunion um eine Ban- ken- bzw. Finanzmarktunion Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22293 A 22293 B 22293 D 22294 C 22294 D 22294 D 22295 A 22295 C 22295 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 IX Anlage 45 Mündliche Frage 68 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Konsumausgaben des Staates in den Län- dern der Europäischen Union seit 2009 und Auswirkungen der zurückgehenden kon- sumtiven Staatsausgaben auf die Volks- wirtschaft der einzelnen Länder sowie der Euro-Zone insgesamt Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Frage 69 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Einfluss der Umsetzung des Fiskalpakts auf die Binnennachfrage in den Mitglieds- ländern der Europäischen Union und pro- zentuale Entwicklung des preisbereinigten Einzelhandelsumsatzes seit 2008 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Mündliche Frage 70 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Bewertung der Arbeit und der Ergebnisse des Bundeskompetenzzentrums Barriere- freiheit e. V. und Vorstellungen zur Fort- führung der Arbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 Mündliche Frage 71 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Bewertung der bisher erzielten Ergebnisse bei der Umsetzung des Nationalen Aktions- plans zur Umsetzung der UN-Behinderten- rechtskonvention Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 49 Mündliche Frage 72 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) In der Novellierung des Gentechnikgeset- zes vorgesehene Mindestabstände zwischen Anbauflächen mit gentechnisch veränder- ten Nutzpflanzen und Anbauflächen mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 50 Mündliche Frage 73 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelungen im Hinblick auf die Nulltole- ranz für nicht zugelassene gentechnische Verunreinigungen in Lebensmitteln sowie die Zulassung neuer gentechnisch verän- derter Pflanzen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 51 Mündliche Frage 74 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Gründe für die Durchführung des Bundes- wehrgelöbnisses am 20. Juli 2012 im Berli- ner Bendlerblock und Durchführungsort in den kommenden Jahren Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 52 Mündliche Fragen 75 und 76 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anerkennung des in Deutschland geleiste- ten freiwilligen Wehrdienstes bzw. Zivil- dienstes bei doppelter Staatsbürgerschaft durch die Türkei Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 53 Mündliche Frage 77 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steigerung der Attraktivität des freiwilli- gen Wehrdienstes für Migranten Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22295 D 22296 B 22296 C 22296 D 22297 A 22297 C 22297 D 22298 A 22298 B X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Anlage 54 Mündliche Frage 78 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatzszenarien für den geplanten Aus- bau des Truppenübungsplatzes Altmark in Gardelegen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 55 Mündliche Fragen 80 und 81 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Einsatz der an der UNIFIL-Mission betei- ligten Schiffe auch für humanitäre Not- hilfeaktionen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 56 Mündliche Frage 84 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Umstände des Beschusses von Piratenlogis- tik auf somalischem Festland am 15. Mai 2012 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 57 Mündliche Frage 85 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung des nationalen Bildungsbe- richts 2012 in Bezug auf das Betreuungs- geld Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 58 Mündliche Fragen 86 und 87 Caren Marks (SPD) Schlussfolgerungen aus der Kritik des na- tionalen Bildungsberichts am Betreuungs- geld im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Bildungsangeboten für Kinder aus bil- dungsfernen Schichten Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 59 Mündliche Fragen 95 und 96 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beantragte bzw. derzeit laufende Linienbe- stimmungsverfahren für Bundesfernstra- ßen sowie Prüfung von Fernstraßenprojek- ten mit Linienvorschlägen der Länder durch das BMVBS Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 60 Mündliche Frage 97 Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Haushaltspolitische Vorgaben bei der Fi- nanzierung und Realisierung von Ver- kehrsprojekten sowie Finanzierung des Elbtunnels im Zuge der A 20 mithilfe pri- vater Investitionen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 61 Mündliche Fragen 98 und 99 Franz Thönnes (SPD) Geprüfte Varianten zur Finanzierung des Elbtunnels im Zuge der A 20 und recht- liche Hürden für eine Mischfinanzierung Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 62 Mündliche Fragen 100 und 101 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Vorlage der Zwischenergebnisse der Mach- barkeitsstudie zur Finanzierung des Elb- tunnels im Zuge der A 20 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22298 C 22299 A 22299 B 22299 C 22299 C 22300 B 22300 D 22301 B 22301 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22221 (A) (C) (D)(B) 186. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 Beginn: 12.30 Uhr
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    Berichtigung 184. Sitzung, Seite VI und 22010 C (Tagesordnungs- punkt 22 a): Statt „Harald Weinberg“ ist „Marcus Weinberg (Hamburg)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22281 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Initiative zur Stär- kung der Exzellenz in der Lehrerausbildung (184. Sitzung, Tagesordnungspunkt 26) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/SCSU): Die Qualität eines Bildungssystems hängt entschei- dend von der Qualifikation der Lehrerschaft ab. Gute Schule und gute Lehrer bewirken guten Unterricht! Leh- rer fungieren als Vermittler zwischen Wissenschaft, Ge- sellschaft und der jungen Generation. Insbesondere sind sie es, die jungen Menschen neben den Eltern das Rüst- zeug mitgeben, dass diese sich in die Gesellschaft ein- bringen und einen erfolgreichen Berufsweg beschreiten können. Und nicht zuletzt sollen sie Motivator sein, um die Lebensgestaltung junger Menschen positiv zu beein- flussen. Wir alle in diesem Hause haben hier unsere per- sönlichen Erfahrungen und könnten sofort eine Lehrerin bzw. einen Lehrer nennen, der uns im Leben motiviert hat. Wir haben gute bis sehr gute Lehrer. Sie sind zu ei- nem großen Teil sehr engagiert und verstehen es, ihre Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Aber das Anforderungsprofil an die Lehrerschaft hat sich besonders in den vergangenen Jahren gewandelt. Verschiedene internationale und nationale Vergleichs- studien haben die enormen Herausforderungen be- schrieben, denen sich die deutschen Schulen und damit vor allem die Lehrerschaft gegenübersehen. Insbeson- dere die zunehmende Heterogenität der Lerngruppen in Verbindung mit den Herausforderungen der Integration sowie die verstärkt differenzierten Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft machen eine Anpassung der Lehrerausbildung erforderlich. Ebenso ist belegt, dass die Qualität des Unterrichts durch die Lehrkräfte ein entscheidender Faktor für das Kompetenzniveau und die Entwicklung von Schülern mit unterschiedlichen Voraussetzungen ist. Eine weitere Herausforderung liegt in der Zusam- mensetzung der Lehrerschaft: Über die Hälfte sind älter als 50 Jahre. Die unter 40-Jährigen bilden mit 27 Pro- zent hingegen eine relativ kleine Gruppe. Unter 30 Jahre sind lediglich 6 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer. Eine ältere Lehrerschaft bedeutet zwar nicht automa- tisch einen Verlust an Unterrichtsqualität, doch eine gut durchmischte Zusammensetzung in der Altersstruktur der Lehrer verstärkt auch einen größeren Erfahrungs- und Kompetenzaustausch. Es ist erstrebenswert, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, um mehr Abiturien- ten für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. Der Lehrer- beruf muss für junge Menschen wieder erstrebenswerter werden! Eine weitere Herausforderung ist die begrenzte Mo- bilität von Lehramtsstudierenden und aktiv tätigen Lehr- kräften zwischen den einzelnen Bundesländern. Durch Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 27.06.2012 Bahr (Münster), Daniel FDP 27.06.2012 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 27.06.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 27.06.2012 Gabriel, Sigmar SPD 27.06.2012 Goldmann, Hans- Michael FDP 27.06.2012 Granold, Ute CDU/CSU 27.06.2012 Hempelmann, Rolf SPD 27.06.2012 Hunko, Andrej DIE LINKE 27.06.2012* Klose, Hans-Ulrich SPD 27.06.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 27.06.2012 Kramme, Anette SPD 27.06.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.06.2012 Liebich, Stefan DIE LINKE 27.06.2012 Lindner, Christian FDP 27.06.2012 Luksic, Oliver FDP 27.06.2012 Röspel, René SPD 27.06.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 27.06.2012 Schummer, Uwe CDU/CSU 27.06.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 27.06.2012* Anlagen 22282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) die nach wie vor uneinheitliche Anerkennung von Stu- dienleistungen und Abschlüssen der verschiedenen Bun- desländer existieren unnötige Hemmnisse, die einen konstruktiven bundesweiten Austausch didaktischer und fachlicher Expertise innerhalb der Lehrerschaft er- schweren. Daher sollte es auch Ziel sein, die Mobilität angehender und aktiver Lehrer zu fördern. Dies im Ein- klang mit dem föderalen Bildungssystem zu gestalten, ist Herausforderung und Chance zugleich. Dem Wandel dieser Anforderungen und den aktuellen Herausforderungen muss die Bildungspolitik Rechnung tragen. Die kontinuierliche Verbesserung Deutschlands im PISA-Ranking spricht zwar dafür, dass in den Schu- len vieles gut läuft, aber es gibt Verbesserungsbedarf. Daher müssen auch Strukturen und Inhalte der Lehrer- bildung überprüft und verbessert werden, sei es im fach- lichen, didaktischen oder auch im methodischen Be- reich. Für eine Verbesserung der Lehrerbildung bedarf es eines Steins des Anstoßes, der die Öffentlichkeit und die Lehrer der Zukunft für die Notwendigkeit exzellenter Lehrerbildung sensibilisiert. Ein solcher erster Schritt und Impuls kann – wie bei den Hochschulen bereits be- wiesen – in einer Exzellenzinitiative liegen. Die von uns auf den Weg gebrachte „Qualitätsoffensive Lehrerbil- dung“ hat zum Ziel, die Lehrerausbildung und -weiter- bildung fortzuentwickeln. Ziel ist es, durch Förderung universitärer Initiativen, die in einem Wettbewerb be- wertet und gefördert werden, nachhaltige Impulse zu setzen – Impulse dafür, die Bedeutung der Lehrerbildung an Hochschulen aufzuwerten und sie aus der „Nische“ ins Zentrum der universitären Profilbildung zu rücken. So soll ein Qualitätsschub in Forschung und Lehre er- reicht werden. Damit soll die Lehrerbildung in ihrer ganzen Breite weiterentwickelt werden, und das Schul- system soll ebenso profitieren. Die Exzellenzinitiative soll im Rahmen eines Wettbe- werbs stattfinden. Dabei können einzelne Hochschulen oder Hochschulen im Verbund Zukunftskonzepte einrei- chen, die eine praxisorientierte und forschungs- bzw. evidenzbasierte Lehrerbildung zum Inhalt haben. Die Auswahl erfolgt anhand verschiedener Kriterien wie dem aktuellen Stand der Forschung oder klarer Berufs- feldorientierung. Ebenso soll das Konzept die Fach- didaktik stärken und, damit einhergehend, eine fundierte Wissensbasis für die angehenden Lehrer schaffen. Die Bewertung erfolgt durch eine externe Jury. Die ausgewählten Hochschulen können für fünf oder zehn Jahre gefördert werden und sollten sich dazu verpflich- ten, das Konzept nach Auslaufen der Förderphase insti- tutionell zu sichern. Die ausgewählten Konzepte werden so zu Leuchttürmen der Lehrerbildung und können als solche flächendeckend wahrgenommen werden. Gerade von einem Leuchtturmprojekt wie einer Ex- zellenzinitiative für die Lehrerbildung kann eine Strahl- kraft für die gesamte Schullandschaft ausgehen, von der eine positive Wirkung für das gesamte Bildungswesen ausgehen kann. Wir wollen sehr gute Schüler, sehr gute Lehrer, sehr gute Bildung – mit der Exzellenzinitiative für Lehrerbildung kommen wir diesem Ziel wieder ein Stück näher. Die Bildungsrepublik Deutschland nimmt langsam Gestalt an. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 1): Wann tagen in dieser Wahlperiode noch die Beratungs- kommissionen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Reaktor-Sicherheitskommission, die Strahlenschutzkommission und die Entsorgungskommis- sion und ihre jeweiligen Fachausschüsse (bitte mit Angabe des genauen Datums und vollständiger Angabe aller bis dato geplanten Termine)? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, übergibt eine Liste der Ter- mine der BMU-Beratungskommissionen. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 2): Welche tschechischen Rechtsgrundlagen, wie zum Bei- spiel das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, sind für das – grenzüberschreitende – Verfahren Kernkraft- werk Temelin 3 und 4 nach Kenntnis der Bundesregierung re- levant (bitte mit exakter Bezeichnung), und wo sind diese in der aktuellen Fassung in einer offiziellen deutschen Überset- zung verfügbar (zum Beispiel online, bitte gegebenenfalls mit genauer Internetadresse)? In Deutschland richtet sich das Beteiligungsverfahren bei ausländischen Kernkraftwerksprojekten nach § 9 b des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, in Verbindung mit § 24 des Atomgesetzes, AtG. Daher sind bei dem Projekt Temelin 3 und 4 die Um- weltministerien in Sachsen und Bayern zuständig. Beide Länderministerien haben vom Bundesumweltministe- rium in seiner Eigenschaft als „Espoo-Kontaktstelle“ die von der tschechischen Seite Mitte 2008 erfolgte Notifi- zierung weitergeleitet bekommen und sich für eine Be- teiligung an dem tschechischen Verfahren entschieden. Laut dem Notifizierungsschreiben wird das Vorhaben ei- nem Feststellungsverfahren gemäß § 7 des Gesetzes der Tschechischen Republik über die Umweltverträglich- keitsprüfung und die Änderung einiger zusammenhän- gender Gesetze (UVP-Gesetz, Nr. 100/2001 GBl.) in der Fassung späterer Vorschriften unterzogen. Eine offizielle deutsche Übersetzung des tschechi- schen UVP-Gesetzes ist der Bundesregierung nicht be- kannt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22283 (A) (C) (D)(B) Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 5): Welche konkreten Ziele verfolgt die Bundesregierung mit dem in Medienberichten vom 19. Juni 2012 (www.ftd.de/politik/ deutschland/:energiewende-altmaier-bastelt-an-masterplan- fuer-akw-abriss/70051684.html) genannten „Masterplan“ zum Rückbau stillgelegter Atomkraftwerke, und wie sieht dieser Masterplan inhaltlich aus? Für die Stilllegung der Anlagen sind die Betreiber zu- ständig. Diese müssen hierfür ein Stilllegungskonzept vorlegen und eine Genehmigung bei der zuständigen atomrechtlichen Landesbehörde beantragen. Aus Sicht des Bundesministeriums für Umwelt, Na- turschutz und Reaktorsicherheit, BMU, wäre es aller- dings hilfreich, wenn dafür ein „Masterplan“ aufgestellt werden könnte. Auch hierfür wären die Betreiber zustän- dig. Bei der Errichtung der Kraftwerke wurden gute Erfahrungen mit einem einheitlichen Verfahren gemacht. Auch beim Rückbau könnte ein einheitliches Vorgehen, natürlich in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Baulinien, sinnvoll sein. Dies könnte die technische Prozedur ebenso erleichtern wie die Genehmigungs- verfahren. Da 2011 acht Kernkraftwerke gleichzeitig vom Netz genommen wurden, soll mit diesem Vorgehen eine Opti- mierung des Vorgehens auf der Basis des geltenden Rechts erreicht werden. Das BMU wird demnächst die Betreiber der betroffe- nen Anlagen zu einem Gespräch einladen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksa- che 17/10015, Frage 6): Welche Gesetzesvorhaben plant die Bundesregierung be- züglich des Rückbaus stillgelegter Atomkraftwerke, und wel- chen Zeitplan verfolgt sie dabei? Es gibt keine Pläne im Bundesumweltministerium für Gesetzesvorhaben bezüglich des Rückbaus. Die Zustän- digkeiten bei der Stilllegung und beim Rückbau der 2011 abgeschalteten Kernkraftwerke sind klar gesetzlich gere- gelt. Das BMU sieht keinen Anlass, dies zu verändern. Für die Stilllegung der Anlagen bleiben die Betreiber zuständig. Diese müssen hierfür ein Stilllegungskonzept vorlegen und eine Genehmigung bei der zuständigen atomrechtlichen Landesbehörde beantragen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 9): Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den Plänen des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, in ein Quotenmodell zu überführen, und welche Vorhaben laufen diesbezüglich in den Ressorts? Die Bundesregierung hält, in Umsetzung des Koali- tionsvertrags zwischen CDU, CSU und FDP, an dem Fördersystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, fest. Ungeachtet dessen lässt die Bundesregierung je- weils im Zusammenhang mit den regelmäßigen Evaluie- rungen des EEG Perspektiven für die Fortentwicklung des Gesetzes wissenschaftlich untersuchen. Hierzu zäh- len insbesondere die Vorhaben zur wissenschaftlichen Begleitung des EEG-Erfahrungsberichts. Vorhaben zur Novellierung des EEG – außer der derzeit im Vermitt- lungsverfahren befindlichen Novellierung – liegen nicht vor. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 10): Wie viele Industriebetriebe machen von der Regelung zum industriellen Eigenverbrauch nach § 37 Abs. 3 Satz 2 Buch- stabe b EEG und der Übergangsregelung nach § 66 Abs. 15 Gebrauch, und welche Strommenge ist somit von der EEG- Umlage befreit? Gestützt auf wissenschaftliche Untersuchungen der Prognos AG (www.eeg-kwk.net/de/file/Letztverbrauch_ 2012_111012.pdf) haben die deutschen Übertragungs- netzbetreiber für die Kalkulation der EEG-Umlage 2011 und 2012 die von der EEG-Umlage befreite Eigenerzeu- gung auf 48,6 Terawattstunden – im Jahr 2011 – bzw. 50,3 Terawattstunden – im Jahr 2012 – geschätzt. Ge- naue Informationen zur Anzahl der dieser Abschätzung zugrundeliegenden Unternehmen liegen der Bundes- regierung nicht vor. Sie wird diese Frage im Zuge der gerade anlaufenden wissenschaftlichen Vorhaben im nächsten EEG-Erfahrungsbericht untersuchen lassen. Zur Inanspruchnahme der Übergangsregelung nach § 66 Abs. 15 EEG liegen der Bundesregierung keine In- formationen vor. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 11): Welche Kraftwerke mit einer elektrischen Leistung größer als 50 Megawatt, die aktuell noch in Betrieb sind, müssen spätestens Ende 2012 stillgelegt werden, weil die Betreiber auf Retrofit der Anlagen verzichtet haben, um die verschärften Anforderungen der Dreizehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, 13. BImSchV, aus dem Jahr 2004 nicht einhalten zu müssen (bitte Auflistung der ein- zelnen Kraftwerksblöcke einschließlich der elektrischen Leis- tung)? 22284 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Die Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, 13. BImSchV, gilt für Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt oder mehr. Nach § 20 Abs. 3 konnte sich ein Betreiber für eine begrenzte Restlaufzeit seiner unveränderten Anlage ent- scheiden. Die zur Anpassung technisch überholter Anla- gen an verschärfte Anforderungen eingesparten Mittel standen damit für Investitionen in neue Anlagen zur Ver- fügung. Nach vorliegenden Informationen aus acht Bundes- ländern liegen Anträge für elf Anlagen mit insgesamt 4 800 Megawatt Feuerungswärmeleistung in 33 Kraft- werksblöcken vor. Davon stehen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Schleswig-Holstein bis Ende 2012 noch 3 800 Megawatt zur endgültigen Stilllegung an; die übrigen 1 000 Megawatt sind bereits stillgelegt oder betreffen Anlagen, die keinen Strom pro- duzieren. In den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen liegen keine Absichtser- klärungen von Betreibern vor. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 21): Wie schätzt die Bundesregierung den Mehrbedarf im Rah- men der Studienplatzfinanzierung des Hochschulpaktes 2020 in den Jahren 2013, 2014 und 2015 ein, und welche haushalte- rischen Vorkehrungen hat sie zu dessen Ausfinanzierung vor- gesehen? Die Bundesregierung hat entsprechend ihrer rechtli- chen Verpflichtung die erforderliche Vorsorge getroffen, um den steigenden Studierendenzahlen und den finan- ziellen Auswirkungen beim Hochschulpakt im Haus- haltsjahr 2013 vollständig Rechnung zu tragen. Aus- schlaggebend für eine weitere mögliche Entwicklung des Hochschulpaktes – Phase II – ist gemäß Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, GWK, von Bund und Ländern vom 20. April 2012 die Schnellmel- dung des Statistischen Bundesamtes im Dezember 2012. Hier bleiben die weiteren Beratungen abzuwarten. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 22): Wird die Bundesregierung die vereinbarten Teilzahlungen für die Jahre 2013 und 2014 an die Länder im Rahmen des Hochschulpakts 2020 zur Studienplatzfinanzierung planungs- gemäß auszahlen können, ohne die Ausgabenbegrenzung in § 2 der Verwaltungsvereinbarung zur zweiten Programmphase des Hochschulpakts 2020 ein weiteres Mal anheben zu müs- sen? Bund und Länder haben zuletzt in der GWK am 20. April 2012 die Laufzeit des Hochschulpakts bis 2020 bekräftigt und die steigenden Studienanfängerzahlen der letzten Jahre begrüßt. In Reaktion auf die Entwicklung der Studienanfängerzahlen bis 2010 und auf die Ausset- zung der Wehrpflicht hat die Bundesregierung ihre Zusa- gen für die zweite Programmphase des Hochschulpakts 2011 bis 2015 massiv erhöht und stellt nun für diesen Zeitraum gut 4,8 Milliarden Euro bereit. Ausschlaggebend für eine weitere mögliche Entwick- lung des Hochschulpakts – Phase II – ist gemäß Be- schluss der GWK vom 20. April 2012 die Schnellmel- dung des Statistischen Bundesamts im Dezember 2012. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 23): Teilt das BMBF die in der Antwort des Bundesminis- teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD auf Bundestagsdruck- sache 17/9896 enthaltene Feststellung, dass die Entwicklung der Bildungsinfrastruktur nicht Bundeszuständigkeit sei und infolgedessen auch keine Forschungsaktivitäten eingeleitet würden, und welche eigenen Aktivitäten zur Forschung über Bildungsräume der Zukunft hat das BMBF bereits eingeleitet? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, teilt die Feststellung, dass die Entwicklung der Bildungsinfrastruktur aufgrund der föderalen Kompetenz- ordnung des Grundgesetzes bei den Ländern liegt. Zum Umfang der Forschungsaktivitäten wird in der genann- ten Antwort der Bundesregierung Stellung genommen. Weitergehende Aktivitäten zur Forschung über Bil- dungsräume der Zukunft sind vom BMBF nicht eingelei- tet worden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 24): Inwiefern teilt das BMBF die im nationalen Bildungsbe- richt formulierte These, dass durch Leistungen wie das Be- treuungsgeld die im Bericht intendierten quantitativen und qualitativen Ziele insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung nicht zufriedenstellend realisiert werden können? Der aktuelle Bildungsbericht (http://www.bildungsbe richt.de/zeigen.html?seite=10203) belegt die hohe Prio- rität für Bildung in Deutschland und die deutlichen Ver- besserungen, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden. Der Bildungsbericht betont die wichtige Rolle sowohl der Familie als auch von Bildungseinrichtungen für den Verlauf von Bildungsbiografien. Das Betreuungsgeld ist eine familienpolitische Leis- tung, die eine Lücke in der derzeitigen Unterstützung für Familien füllt. Seine Finanzierung ist im Entwurf für den Bundeshaushalt gesichert. Es steht weder politisch noch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22285 (A) (C) (D)(B) finanziell in Konkurrenz zum Ausbau der Kinderbetreu- ung, im Gegenteil: Beide Initiativen ergänzen einander und bringen die Wertschätzung des Staates und der Ge- sellschaft für verschiedene Lebensentwürfe von Fami- lien zum Ausdruck. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 25): Liegen der Bundesregierung Informationen dahin gehend vor, dass sich auch andere wissenschaftsstarke Nationen nach der Entscheidung von Bundesministerin Dr. Annette Schavan, dass Deutschland Vollmitglied im Kreis der Organisatoren des Square Kilometre Array wird, dazu entschließen werden, sich an diesem Großprojekt zu beteiligen, und wie bewertet die Bundesregierung die Entscheidung, das Square Kilometre Ar- ray sowohl in Südafrika als auch in Australien zu bauen? Der Bundesregierung liegen keine Informationen über weitere Entscheidungen anderer Nationen vor. Die SKAO hat auf der Grundlage von Empfehlungen eines Expertengremiums entschieden, die Teleskopschüs- seln und Antennenfelder für mittlere Radiofrequenzen in Südafrika und Nachbarstaaten sowie Antennenfelder für niedere Radiofrequenzen in Australien und Neuseeland zu installieren. Mit der beschlossenen Dual-site-Lösung sollen die hohen Anforderungen an den Standort der Te- leskope, beispielsweise die Gewährleistung möglichst ge- ringer Radiointerferenzen über die gesamte Betriebszeit, Anforderungen an das Terrain, Infrastruktur und Kosten, möglichst optimal berücksichtigt werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist die beschlossene Dual-site-Lösung geeignet, die großen Herausforderun- gen und Chancen, die dieses Projekt mit seiner globalen Ausrichtung mit sich bringt, auf mehrere Schultern zu verteilen. Die Bundesregierung ist sich aber auch be- wusst, dass diese Dual-site-Lösung einen sehr sorgfälti- gen Aufbau der zukünftigen Governance-Strukturen er- fordert. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 26): Mit welchen Gesamtkosten für den Bundeshaushalt rech- net die Bundesregierung nach aktuellem Planungsstand für den Fall, dass die Bundesrepublik Deutschland entscheidet, sich finanziell an Bau und Betrieb des Square Kilometre Array zu beteiligen? Seit Anfang 2012 befindet sich der SKA in einer vier- jährigen Konzeptionsphase, in der der SKA zur Baureife geführt werden soll. Zur Durchführung dieser Konzep- tionsphase wurde am 23. November 2011 die SKAO ge- gründet. Das BMBF wird in Kürze gemeinsam mit der MPG der SKAO mit dem Mindestbeitrag in Höhe von insge- samt 1 Million Euro über vier Jahre beitreten. BMBF und MPG waren bereits zur Vorbereitung der Gründung der SKAO am SKA Founding Board beteiligt, der Bei- trag zum Founding Board betrug 50 000 Euro und wurde ebenfalls gemeinsam aufgebracht. Der Beitritt zur SKAO ist kein Präjudiz für eine Be- teiligung an Bau und Betrieb des SKA. Wegen des noch sehr frühen Planungsstands sind Kostenschätzungen noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Derzeit wird von Kosten für den Bau des SKA von rund 1,5 Milliar- den Euro, Bezugsjahr 2007, und von Betriebskosten in Höhe von rund 150 Millionen Euro pro Jahr ausgegan- gen. Deutschland wird erst am Ende der Konzeptions- phase auf Grundlage einer genaueren Projektkonzeption und Kostenschätzung darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe sich Deutschland gegebenenfalls an Bau und Betrieb von SKA beteiligt. Die Bundesregierung wird den Deutschen Bundestag in den üblichen Verfah- ren in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 27): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Empfehlungen der Reaktor-Sicherheitskommission für den Betrieb der Forschungsreaktoren (Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung deutscher Forschungsreaktoren, RSK-SÜ, vom 3. Mai 2012) unter Angabe möglicher Nach- rüstungen, Anpassungen und des vorgesehenen Zeitplans für aktualisierte Sicherheitskonzepte – sowie der Vorsorge im Re- gierungsentwurf 2013 für entsprechende Maßnahmen –, und wie hoch sind aktuell im Einzelnen die sogenannten Null- betriebskosten der stillgelegten früheren Forschungsreaktoren (nach Standorten) unter Angabe der in dieser Legislatur- periode erzielten Kostensenkungen? Die Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, beschei- nigt den drei betrachteten Forschungsreaktoren in ihrer Stellungnahme „Anlagenspezifische Sicherheitsüberprü- fung, RSK-SÜ, deutscher Forschungsreaktoren unter Be- rücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan)“ ins- besondere bei Hochwasser und bei einem Ausfall der externen Stromversorgung aufgrund der Standortgege- benheiten und der Anlagenauslegung auch unter extre- men Bedingungen eine hohe Robustheit. Für die übrigen Themen aus dieser Robustheitsüberprüfung der For- schungsreaktoren ergeben sich unter Berücksichtigung des unterschiedlichen und im Vergleich zu Leistungs- reaktoren wesentlich geringeren Risikopotenzials diffe- renzierte Bewertungen mit anlagenspezifisch unter- schiedlichen Empfehlungen. Die für die Aufsicht über diese Forschungsreaktoren zuständigen Behörden der Länder Bayern, Berlin und Rheinland-Pfalz sind nun aufgefordert, die erforderli- chen Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen der RSK für die jeweils ihrer Aufsicht unterstehende Anlage einzuleiten. Nur beim Berliner Reaktor können sich da- raus gegebenenfalls Folgen für haushaltstechnische Vor- sorge des Bundes ergeben; die Forschungsreaktoren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und an der 22286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Technischen Universität München werden von den Län- dern Rheinland-Pfalz und Bayern betrieben. Die Nullbetriebskosten früherer Forschungsreaktoren vor Beginn der Rückbauphase betragen für den im sicheren Einschluss befindlichen FR 2, WAK, circa 77 000 Euro in 2009, 76 000 Euro in 2010 und 235 000 Euro in 2011 sowie für den ebenfalls im sicheren Einschluss betriebe- nen THTR circa 1,4 Millionen Euro in 2009, 1,7 Millio- nen Euro in 2010 und 1,7 Millionen Euro in 2011. Der in 2010 abgeschaltete FRG 1, HZG, befindet sich in der Nachbetriebsphase; Nullbetriebskosten könnten erst nach Stilllegung angegeben werden. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 30): Wie beurteilt das BMZ die Abschlusserklärung des G-20- Gipfels von Los Cabos und die von der 101. ILO-Konferenz beschlossene Empfehlung zum Social Protection Floor – vor allem hinsichtlich der Bedeutung nationaler Basisschutzsys- teme als Instrument zur weltweiten Armutsbekämpfung sowie der besonderen Rolle internationaler und multilateraler Orga- nisationen bei der Implementierung –, und beabsichtigt die Bundesregierung, vor allem das BMZ und das Bundesminis- terium für Arbeit und Soziales, diese von ihr auf internationa- ler Ebene mitgetragene Position auch durch eine aktive Poli- tik, zum Beispiel durch die Wiedereinführung einer thematischen Zielgröße für den Bereich Soziale Sicherung und/oder die Erhöhung der freiwilligen Beiträge zur ILO bei der Aufstellung des Bundeshaushalts 2013, zu unterstützen? Das BMZ ist mit der G-20-Gipfelerklärung sehr zu- frieden. Die Entwicklungspolitik nimmt einen signifi- kanten Teil des Kommuniqués ein, und deren Bedeutung für die G-20-Agenda wird in der Erklärung unterstri- chen. Auch die Empfehlungen der 101. IAO-Konferenz zum sozialen Basisschutz, Social Protection Floor, be- grüßen wir ausdrücklich. Deutschland hat von Beginn an die Bemühungen der Internationalen Arbeitsorganisa- tion, IAO, für eine solche Empfehlung aktiv unterstützt und wird sich als Mitglied des Verwaltungsrats an dessen Umsetzung beteiligen. Im Haushaltsentwurf der Bundes- regierung, Einzelplan 11 (BMAS), sind für die IAO frei- willige Beiträge zur Förderung des sozialen Basisschut- zes für das Jahr 2013 vorgesehen und für 2014 geplant. Das BMZ setzt die Empfehlungen der IAO-Konfe- renz bereits in seiner bilateralen Zusammenarbeit um. Zurzeit fördern wir Projekte im Wert von circa 150 Mil- lionen Euro, die unmittelbar soziale Sicherungssysteme in unseren Partnerländern stärken. Das Engagement des BMZ im Bereich der sozialen Sicherung ist damit so hoch wie nie zuvor. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 31): In welcher Weise wird das BMZ auf die unzureichenden Ergebnisse der Rio+20-Konferenz (Zitat Bundesminister Dirk Niebel in der Süddeutschen Zeitung vom 21. Juni 2012: „Das Glas ist halbvoll; ich hätte mir natürlich ein volles Glas ge- wünscht“) politisch reagieren, und welche Schwerpunkte wird das BMZ bei der Umsetzung der künftigen Sustainable Deve- lopment Goals, SDG, setzen? Wichtig ist, dass in Rio grundlegend wichtige Wei- chenstellungen erfolgten – insofern ist das Glas mehr als halbvoll. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass wir in der Konkretisierung von Prozessgestaltung und Inhal- ten weiter vorangeschritten wären. Es kommt jetzt maß- geblich darauf an, die Entscheidungen von Rio mit Leben zu füllen und konstruktiv zu begleiten. Für die SDG bedeutet das, dass wir sowohl den Prozess als auch die Inhalte konkretisieren und mitgestalten werden. Deutschland hat sich in Rio aktiv dafür eingesetzt, dass eine Vereinbarung zu globalen Nachhaltigkeits- zielen, Sustainable Development Goals, SDG, in das Ab- schlussdokument aufgenommen wird. Dies ist ein wichtiges Ergebnis der Konferenz und bietet die Grund- lage für die Vereinbarung und Ausgestaltung konkreter Ziele. Wir werden uns in den in Rio vereinbarten Prozess zur Erarbeitung der SDG aktiv einbringen und uns dabei dafür einsetzen, dass die SDG zügig festgelegt werden und in eine übergreifende Post-2015-Agenda einfließen. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 32): Welche zusätzlichen und neuen Maßnahmen zur Förde- rung erneuerbarer Energien hat das BMZ seit 2010 unternom- men, und auf welche Partnerländer beziehen sich diese? Energie, vor allem erneuerbare Energien, ist ein zen- trales Thema der deutschen Entwicklungszusammen- arbeit, EZ. Das BMZ fördert gegenwärtig mit einem integrierten Instrumentenmix die Verbreitung der erneu- erbaren Energien in mehr als 60 Partnerländern. Energie ist mittlerweile der größte Förderbereich des BMZ. Die deutsche EZ hat allein dafür im Jahr 2011 insgesamt 1,8 Milliarden Euro an ODA-fähigen Gesamtleistungen aufgebracht. Damit gehört das BMZ zu den drei größten bilateralen Gebern im Energiesektor. Die zusätzlichen und neuen Maßnahmen des BMZ im Bereich der erneuerbaren Energien seit 2010 sind vielfäl- tig. Unter anderem unterstützt das BMZ die Umsetzung des marokkanischen Solarplans, die Stärkung der Quali- tätsinfrastruktur in der Solarindustrie in Indien sowie den Aufbau einer dezentralen Stromversorgung durch erneu- erbare Energien in Afghanistan, um nur drei Beispiele zu nennen. Neue und zusätzliche Maßnahmen auf bilatera- ler Ebene wurden seit 2010 mit 17 Partnerländern sowie einer Reihe regionaler und internationaler Organisatio- nen im Bereich erneuerbarer Energien geschlossen. Au- ßerdem unterstützt die Bundesregierung die „Initiative Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22287 (A) (C) (D)(B) nachhaltige Energie für alle“ des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fra- gen des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Druck- sache 17/10015, Fragen 35 und 36): Wie beurteilt die Bundesregierung das Verpressen von Ab- wässern, die bei der unkonventionellen Förderung von Erd- gas, Fracking. entstehen, in ehemalige Lagerstätten oder an- dere unterirdische Gesteinsformationen? Gibt es aus Sicht der Bundesregierung alternative Hand- lungsmöglichkeiten für den Umgang mit Fracking-Abwässern anstelle des Verpressens? Zu Frage 35: Die bei der Förderung von Erdgas aus unkonventio- nellen Lagerstätten anfallenden Wässer bestehen aus ei- ner Mischung von Lagerstättenwasser und Frackfluiden. Lagerstättenwässer enthalten je nach standortbezogenen Gegebenheiten verschiedene natürlich vorkommende Substanzen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um aus dem Gestein gelöste Salze und um verschiedene organi- sche Stoffe, darunter auch potenziell gesundheitsgefähr- dende Verbindungen. Im Rahmen des Genehmigungs- verfahrens werden die Bestandteile des Frackfluids der zuständigen Behörde offengelegt. Eine Verpressung der Abwässer darf nur in geeigneten Gesteinshorizonten des tieferen Untergrundes bzw. in ehemaligen Lagerstätten erfolgen. Die gesamte Genehmigung und Überwachung der Handhabe der Abwässer ist Aufgabe der zuständigen Behörden der Bundesländer. Einschlägig sind die Rege- lungen des Bundesberggesetzes, des Wasserhaushaltsge- setzes, der Tiefbohrverordnungen der Länder und der Länderwassergesetze. Derzeit ist unbekannt, ob, in welchem Umfang und mit welcher Technologie in Deutschland Erdgas aus un- konventionellen Lagerstätten wirtschaftlich gewinnbar ist. Jedoch müssen aus Sicht der Bundesregierung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen bei der Erdgas- förderung aus unkonventionellen Lagerstätten die Um- weltauswirkungen grundsätzlich berücksichtigt und der Trinkwasserschutz sichergestellt werden. Vor diesem Hintergrund wird der gesetzliche Änderungsbedarf be- züglich der Fracking-Technologie derzeit geprüft. Zu Frage 36: Nach Information der Bundesregierung werden aus dem unmittelbar nach einem Frack zurückgeförderten Wasser über Abscheider Feststoffe bzw. nichtflüssige Bestandteile abgetrennt und separat entsorgt. Außerdem sind international die Anstrengungen verstärkt worden, zukünftig möglichst ganz auf die Verwendung giftiger Chemikalien zu verzichten. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 38): Welche „Instrumente zur Erleichterung der zeitnahen und planbaren Refinanzierung von Investitionen“ plant die Bundes- regierung bei der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes mit aufzunehmen (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine Mündliche Frage 81, Plenarprotokoll 17/183, Anlage 51), und wie sollen diese konkret ausgestaltet sein? Die Diskussion im Ressortkreis ist noch nicht abge- schlossen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fragen der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Fragen 39 und 40): Um wie viel Cent ist der Strompreis für private Haushalte in den letzten zehn Jahren durchschnittlich angestiegen, und welcher Anteil am jeweiligen Preisanstieg war dabei nicht durch das EEG bedingt, aufgeschlüsselt nach Jahren? Welche Maßnahmen kartellrechtlicher oder anderer Art hat die Bundesregierung zur Minimierung des nicht EEG-be- dingten Anstiegs der Verbraucherpreise für Strom ergriffen? Zu Frage 39: In den letzten zehn Jahren, 2003 bis 2012, ist der durchschnittliche Strompreis für Haushaltskunden in Deutschland von 17,17 Cent je Kilowattstunde um 8,58 Cent je Kilowattstunde auf 25,75 Cent je Kilowatt- stunde angestiegen. Dieser Strompreis für einen repräsentativen Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 3 500 Kilo- wattstunden hat sich im Zeitraum 2003 bis 2012 in seine einzelnen Preisbestandteile wie folgt entwickelt: – Erzeugung, Transport und Vertrieb, inklusive Netz- entgelte: um 3,82 Cent je Kilowattstunde angestie- gen – Konzessionsabgabe: keine Veränderung – KWK-Umlage: um 0,308 Cent je Kilowattstunde re- duziert – EEG-Umlage: um 3,17 Cent je Kilowattstunde ange- stiegen – Ökosteuer/Stromsteuer: keine Veränderung – Umsatzsteuer: um 1,74 Cent je Kilowattstunde ange- stiegen – § 19-StromNEV-Umlage, seit 2012: 0,15 Cent je Ki- lowattstunde. Ein Überblick des jährlichen durchschnittlichen Strompreises für Haushalte und seiner einzelnen Be- standteile in dem Zeitraum von 2003 bis 2012 ist in der Ihnen übersandten Tabelle enthalten. 22288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 40: Das Bundeskabinett hat am 2. Mai 2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer Markttransparenz- stelle für den Großhandel mit Strom und Gas verab- schiedet (vergleiche Bundesratsdrucksache 253/12). Die Markttransparenzstelle erleichtert es den zuständigen Behörden, Marktmanipulationen oder missbräuchliches Verhalten aufzudecken und zu ahnden. Funktionierender Wettbewerb auf den Großhandelsmärkten wiederum trägt naturgemäß zu wettbewerbskonformen Preisen für den Verbraucher bei. Das Bundeskabinett hat zudem am 28. März 2012 das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen beschlossen (vergleiche Bundes- tagsdrucksache 17/9852). Damit soll die bislang bis zum 31. Dezember 2012 befristete Geltungsdauer der Rege- lung zur verschärften Preismissbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen im Bereich der lei- tungsgebundenen Elektrizitäts- und Gasversorgung, § 29 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, um fünf Jahre bis zum 31. Dezember 2017 verlängert wer- den. Die Vorschrift hatte eine Brückenfunktion, bis die vom Gesetzgeber im Übrigen ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen im Energiebereich ihre Wirkung entfaltet haben. Da im Energiebereich immer noch kein strukturell nachhaltig gesicherter Wettbewerb herrscht und die Regelung den Kartellbehörden die Wahrnehmung der Preismiss- brauchsaufsicht erleichtert, wird sie um weitere fünf Jahre verlängert. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Fragen 41 und 42): Welche Gründe sieht die Bundesregierung für die unter- schiedlichen Ergebnisse bei der Meldung von neuinstallierten Photovoltaikanlagen zwischen den Daten der Bundesnetz- agentur und den Daten der Übertragungsnetzbetreiber, und hält die Bundesregierung angesichts dieser Unterschiede es für gerechtfertigt, die Daten der Bundesnetzagentur für die Vergütungssenkungen der Photovoltaik heranzuziehen? Aus welchen Gründen wird die Veröffentlichung der Da- tensätze zur Meldung von neuinstallierten Photovoltaikanla- gen durch die Bundesnetzagentur nicht kurzfristig nach Ablauf eines Monats für den vorhergehenden Monat veröffentlicht, und hält die Bundesregierung diese verspätete Meldung für eine verlässliche Basis der vorgesehenen monatlichen Vergü- tungssenkung bei der Photovoltaik? Zu Frage 41: Die Differenz zwischen Angaben der Übertragungs- netzbetreiber zu den im Vorjahr in Betrieb genommenen Photovoltaikanlagen und den von der Bundesnetzagen- tur veröffentlichten Daten liegt in der unterschiedlichen Aktualität der Daten wie auch in dem unterschiedlichen Anknüpfungspunkt der Zuordnung zu einer bestimmten Periode. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Über- tragungsnetzbetreiber noch nicht über das vollständige Datenmaterial für 2011 verfügen. Es ist der Bundesnetz- agentur bekannt, dass die Erfassung der Photovoltaikda- ten durch die Verteilnetzbetreiber und die Weitergabe der Informationen an die Übertragungsnetzbetreiber insbe- sondere in Zeiten eines starken Zubaus teils sehr zeitver- zögert erfolgen. Dies hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass Datenmeldungen der Übertragungs- netzbetreiber an die Bundesnetzagentur zur installierten Leistung verschiedener EEG-Energieträger für ein bereits gemeldetes Jahr nachträglich noch bereinigt wurden. So wurde beispielsweise der Wert für das Jahr 2009 nach der Erstmeldung in 2010 im Jahr 2011 durch die Übertra- gungsnetzbetreiber erheblich nach oben korrigiert, von 3,8 Gigawatt auf 4,4 Gigawatt. Zu ergänzen ist, dass für die Bundesnetzagentur das Eingangsdatum der Photovoltaikdatenmeldungen maß- geblich ist, da § 20 a EEG auf in einem bestimmten Zeit- raum eingegangene Meldungen für die Ermittlung des Degressionssatzes abstellt. Die Meldungen werden des- halb nach dem jeweiligen Eingangsdatum gegliedert. Für die Netzbetreiber hingegen ist der Zeitpunkt der Inbe- triebnahme relevant, da dieser maßgeblich für die Be- stimmung des für die einzelne Anlage geltenden Vergü- tungssatzes ist. Insoweit unterscheidet sich die Datenlage der Bundesnetzagentur von der der Netzbetreiber. Die Bundesregierung hält es aufgrund der höheren Aktualität der BNetzA-Daten für gerechtfertigt, diese Daten für die Vergütungsabsenkung heranzuziehen. Zu Frage 42: Die Bundesnetzagentur hat seit 2009 die gesetzliche Verpflichtung, die Degressions- und Vergütungssätze im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Hierfür hatte die Bundesnetzagentur nach den letzten zu berücksichtigenden Daten regelmä- ßig nur einen Monat Zeit. Diese Frist konnte bislang im- mer eingehalten werden. Detailliertes Datenmaterial wurde zeitgleich oder kurz danach veröffentlicht. Eine Verpflichtung, über die Veröffentlichungen im Bundes- anzeiger bzw. die im EEG genannten Fristen hinausge- hend Daten zu veröffentlichen, besteht nach derzeitiger Rechtslage nicht, sodass von keiner verspäteten „Mel- dung“ der Bundesnetzagentur gesprochen werden kann. Die Veröffentlichung detaillierten Datenmaterials er- folgt, nachdem die der Bundesnetzagentur gemeldeten Daten einer Prüfung auf Auffälligkeiten unterzogen wur- den. Im Fall möglicherweise doppelt erfolgter Meldun- gen wie auch bei Meldungen von sehr großen Anlagen erfolgt in der Regel eine persönliche Rückfrage beim Anlagenbetreiber. Diese Recherchen sind entsprechend zeitintensiv. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10015, Frage 43): Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22289 (A) (C) (D)(B) Hat das Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG Anträge oder informelle Voranfragen zur Genehmigung des Exports von Leopard-2-Kampfpanzern gegenüber der Bundesregierung zurückgezogen oder zurück- gestellt, und wenn ja, warum? Wie unter anderem im „Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2010“, Seite 17, dargelegt, äußert sich die Bun- desregierung grundsätzlich nicht zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorha- ben. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über Voranfragen ist oft noch vollkommen ungewiss, ob das geplante Vorhaben später realisiert werden soll und wird. Sie sind daher kein tauglicher Gradmesser zur Bewertung der Rüstungsexportpolitik. Zudem könnten mögliche Mit- bewerber aus der Veröffentlichung eines geplanten, aber noch nicht abgeschlossenen Vorhabens Wettbewerbsvor- teile ziehen. Dies gilt insbesondere für informelle Voran- fragen, jedoch auch für zurückgezogene Anträge. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 44): Hat sich die Bundesregierung die Genehmigung eines Re- exports von in Spanien in Lizenz produzierten Kampfpanzern des Typs Leopard 2 vorbehalten, und liegt ihr inzwischen eine entsprechende Voranfrage vor? Die Bundesregierung verweist auf die Antwort auf Ihre schriftliche Frage im Monat Mai 2012 Nr. 353. Darin wurde dargelegt, dass der Bundesregierung Anga- ben zu etwaigen Reexportvorbehalten aufgrund ihrer Verpflichtung zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen nicht möglich sind. Grundsätzlich gilt, dass für im Ausland mit deutscher Technologie hergestellte Rüstungsgüter Exportanträge bei der Bundesregierung zu stellen sind, soweit dies nach den zuvor im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe er- teilten Ausfuhrgenehmigungen für Technologie in Form von Know-how, Fertigungsunterlagen und -maschinen oder Komponenten vorgesehen ist. Zudem sind derartige Produktionen im Ausland regelmäßig dauerhaft auf ge- nehmigungspflichtige Zulieferungen aus Deutschland an- gewiesen. Der Bundesregierung liegt keine Genehmigungsan- frage der spanischen Regierung oder eines spanischen Unternehmens für den Export in deutscher Lizenz in Spanien produzierter Kampfpanzer vor. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 45): Inwieweit bestätigt die Bundesregierung Medienberichte, unter anderem Bild vom 17. Juni 2012, wonach Saudi-Ara- bien 600 bis 800 fabrikneue deutsche Panzer Leopard 2 – wohl Modell 2 A7+ – für circa 10 Milliarden Euro kaufen wolle, davon 300 per unterschriftsreifem Vertrag bis 20. Juli 2012, deren Typ dort schon langzeitgetestet werde, welche die spa- nische Firma General Dynamics in Lizenz montieren solle, je- doch der Bundessicherheitsrat die für Anfang Juni 2012 vor- gesehene Befassung damit kurzfristig bis zum 20. Juli 2012 verschoben habe, und – falls dies grundsätzlich zutrifft – teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass ein solcher Ex- port in ein offensichtliches Spannungsgebiet mit der offen- sichtlichen Gefahr des Missbrauchs der Panzer gegen die Zivilbevölkerung den „Politischen Grundsätzen der Bundes- regierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ eklatant widerspräche und daher vom Bun- dessicherheitsrat nicht genehmigt werden dürfe, wie von zwei Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt signalisiert worden sein soll? Der Bundesregierung sind Medienberichte über das angebliche Kaufinteresse von Saudi-Arabien bezüglich 600 bis 800 Panzer des Typs Leopard 2 bekannt. Die Bundesregierung nimmt zu diesen spekulativen Presse- berichten nur insofern Stellung, als ihr kein Antrag auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für die endgültige Ausfuhr von bis zu 800 Panzern des Typs Leopard 2 nach Saudi-Arabien vorliegt. Im Übrigen äußert sich die Bundesregierung nicht zu den Sitzungen des Bundessi- cherheitsrats, weder zu deren Zeitpunkt noch zu deren Inhalt. Diese unterliegen der Geheimhaltung. Zu hypothetischen Fragen nimmt die Bundesregie- rung keine Stellung. Sie wissen, dass die Bundesregie- rung bei allen Entscheidungen über die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für den Export von Rüstungsgü- tern die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüs- tungsgütern“ aus dem Jahr 2000 und den „Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechno- logie und Militärgütern“ beachtet. Dabei werden alle re- levanten Umstände des einzelnen Falls berücksichtigt. Bewertungen von Ihnen vorgetragener hypothetischer Sachverhalte nimmt die Bundesregierung hingegen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort des Staatssekretärs Dr. Bernhard Heitzer vom 21. Juli 2011 auf die Frage der Kollegin Claudia Roth verwiesen (Bundestagsdruck- sache 17/6658 Seite 26). Anlage 27 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Ab- geordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 47): Wird die Bundesregierung den deutschen Botschafter in Kasachstan beauftragen, den am 15. Juni 2012 in Almaty ver- hafteten Theaterregisseur und diesjährigen Goethe-Preisträger Bolat Atabajew baldmöglichst im Gefängnis zu besuchen? Die Bundesregierung ist besorgt über die Nachricht, dass Herr Bolat Atabajew am 15. Juni 2012 in Unter- suchungshaft genommen wurde. Bolat Atabajew hat sich durch seine langjährige Tätigkeit als künstlerischer Di- rektor des Deutschen Theaters in Almaty große Ver- dienste um die deutsch-kasachischen Kulturbeziehungen erworben. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass 22290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Bolat Atabajew am 28. August 2012 nach Weimar reisen kann, um dort die Goethe-Medaille persönlich entgegen- zunehmen. Die Bundesregierung erwartet von dem OSZE-Mit- glied Kasachstan ein Vorgehen, das rechtsstaatlichen Maßstäben entspricht. Die deutsche Botschaft in Ka- sachstan wird das Vorgehen der kasachischen Behörden weiterhin sorgfältig beobachten. In diesem Zusammen- hang wird sie sich auch gemeinsam mit ihren Partnern in der Europäischen Union für einen Gefängnisbesuch ein- setzen. Anlage 28 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Druck- sache 17/10015, Fragen 48 und 49): Wie wahrscheinlich ist es aus Sicht und aufgrund der In- formationslage der Bundesregierung, dass in naher Zukunft ein Mandat durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, VN, für eine militärische Intervention in Mali durch die west- afrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS zustande kommt, und welche Position hat die Bundesregierung diesbezüglich in den Treffen und Gesprächen zwischen dem Friedens- und Si- cherheitsrat der Afrikanischen Union, AU, und dem VN-Si- cherheitsrat vertreten bzw. beabsichtigt die Bundesregierung hierzu als Mitglied im VN-Sicherheitsrat künftig einzuneh- men? Welche Kriterien müssen aus Sicht der Bundesregierung für ein Mandat durch den VN-Sicherheitsrat für eine militäri- sche Intervention in Mali gegeben sein, zu der Presseberich- ten zufolge der VN-Sicherheitsrat grundsätzlich durch die ECOWAS-Staatengemeinschaft zum Schutz der malischen Übergangsregierung und/oder zur Bekämpfung der Rebellen im Norden Malis bereit ist, und würde sich die Bundesregie- rung an einer solchen Intervention in Mali militärisch, logis- tisch, beratend oder sonstwie beteiligen, falls es zu einem sol- chen VN-Mandat kommen sollte? Zu Frage 48: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in sei- ner Presseerklärung vom 15. Juni 2012 die Bitte der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und der Afrikanischen Union, AU, zur Autorisierung ei- ner Stabilisierungsmission zur Kenntnis genommen, welche die staatlichen Einrichtungen in der Republik Mali sichern sowie zur Wahrung der territorialen Integri- tät des Landes und zur Bekämpfung des Terrorismus bei- tragen soll. Der Rat hat sich bereit erklärt, die Anfrage zu prüfen, sobald zusätzliche Informationen vorliegen. Voraussetzung für die Mandatierung einer ECOWAS- Mission ist die Zustimmung der Übergangsregierung von Mali. Diese liegt bisher nicht vor. Eine Resolution des Rates zur Mandatierung einer Mission ist deshalb vorerst nicht zu erwarten. Dies schließt aber eine politische Re- solution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Unterstützung einer Verhandlungslösung nicht aus. Zu Frage 49: Die Bundesregierung sieht Verhandlungen als den vielversprechendsten Weg zur Lösung der derzeitigen Krise an. Eine Mission der Westafrikanischen Wirt- schaftsgemeinschaft ECOWAS und der Afrikanischen Union, AU, könnte den politischen Prozess unter Um- ständen in einem späteren Stadium sinnvoll ergänzen. Zentrale Voraussetzung hierfür wäre das Einverständnis Malis. Nach Kenntnis der Bundesregierung liegt dieses derzeit nicht vor. Zudem müsste eine Mission über ein klares, sinnvolles und realistisch umsetzbares Mandat verfügen. All dies ist derzeit nicht absehbar. Insofern stellt sich die Frage nach einer deutschen Unterstützung ent- sprechender ECOWAS-Aktivitäten nicht. Anlage 29 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa- che 17/10015, Frage 50): Unter welchen Umständen bewertet die Bundesregierung einen Cyberangriff als eine Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit nach Art. 2 der UN-Charta, wie es die USA angekündigt haben und aus dem Pentagon mit „Wer die Stromnetze unseres Landes sabotiert, muss mit Raketen im Schornstein rechnen“ kommentieren, Spiegel Online, 1. Juni 2011, und warum wird die Bundesregierung im UN- Sicherheitsrat nicht tätig, damit dieser feststellt, dass Cyber- angriffe auf den Iran durch die Schadprogramme Stuxnet und Flame, The Washington Post, 19. Juni 2012, einen Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung darstellen, bzw. Emp- fehlungen abgibt oder Maßnahmen trifft, um die internatio- nale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen (vergleiche Art. 39 der UN-Charta)? Bestimmte Erscheinungsformen eines Cyberangriffs können im Einzelfall eine gemäß Art. 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen verbotene Gewalthandlung dar- stellen. Voraussetzung ist insbesondere, dass die völker- rechtlich zu definierende Schwelle der Gewaltanwen- dung bzw. Gewaltandrohung erreicht wird und dass ein Angriff nach völkerrechtlichen Maßstäben zurechenbar ist. Ebenso wie bei der Einordnung eines Cyberangriffs als bewaffneter Angriff im Sinne des humanitären Völ- kerrechts kommt es in jedem Fall auf die konkreten Aus- wirkungen einer solchen Cyberoperation an. Reaktionen betroffener Staaten bzw. der internationa- len Gemeinschaft haben im Einklang mit den Vorgaben des Völkerrechts zu erfolgen. Sie können – abhängig von den gegebenen Voraussetzungen – von diplomati- schen Mitteln über Maßnahmen der Vereinten Nationen bis hin zur individuellen und kollektiven Selbstverteidi- gung reichen. Zwangsmaßnahmen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen wären gemäß Art. 39 der Charta der Vereinten Nationen bei einer Bedrohung oder einem Bruch des Friedens oder einer Angriffshandlung denkbar. Hinsichtlich der in der Frage angesprochenen Vor- gänge besteht aus Sicht der Bundesregierung keine Be- gründung für eine auf Art. 2 Nr. 4 der Charta der Verein- ten Nationen gestützte Initiative. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22291 (A) (C) (D)(B) Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 51): Inwieweit verhandelt die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Dialoge über Migration, Mobilität und Sicher- heit mit den entsprechenden Ländern, insbesondere Libyen, Tunesien, Marokko, auch über polizeilichen Informationsaus- tausch, Grenzmanagement, Strafverfolgung und die Einbezie- hung der EU-Agenturen, und auf welche Weise sind hierzu in den oben aufgeführten Ländern auch andere zwischenstaatli- che Institutionen der UNO, die Frontex oder das Global Counterterrorism Forum beteiligt, das sich beispielsweise mit Aspekten der Grenzkontrolle in der Sahelregion befasst? Die Dialoge zu Migration, Mobilität und Sicherheit haben konkrete Fortschritte erzielt. Mit Tunesien ver- handelt die EU derzeit über eine gemeinsame Erklärung über eine Mobilitätspartnerschaft. Ein entsprechender Entwurf liegt auch für die Mobilitätspartnerschaft mit Marokko vor. Die Mobilitätspartnerschaften sehen unter anderem auch eine Zusammenarbeit im Bereich irregulä- rer Migration und bei integriertem Grenzmanagement vor. Ferner sind die Entwicklung von Informationsaus- tausch und operativer Zusammenarbeit zur Kriminali- tätsbekämpfung vorgesehen. Den Dialog führen die Kommission, der EAD und die beteiligten EU-Mitglied- staaten. Die EU-Agenturen Frontex, EASO und Europol werden dabei als Unterstützung im Rahmen ihrer Man- date eingebunden. Die Vereinten Nationen und das Glo- bal Counterterrorism Forum sind nicht beteiligt. Mit Libyen gab es noch keine offiziellen Gespräche zum Dialog über Migration, Mobilität und Sicherheit. Für weitere Details verweise ich auf die Beantwor- tung Ihrer schriftlichen Frage für den Monat April 2012 (Frage Nr. 4/89, vom 18. April 2012) und die Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/9894, vom 22. Juni 2012) der Fraktion Die Linke. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 52): Inwieweit bestätigt die Bundesregierung Medienberichte, unter anderem Berliner Zeitung vom 16. Juni 2012, wonach im Rahmen einer sogenannten Operation Rennsteig federfüh- rend das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, nebst dem Militärischen Abschirmdienst, MAD, zusammen mit dem thü- ringischen Verfassungsschutz 1997 bis 2003 Rechtsextremis- ten des „Thüringer Heimatschutzes“ bzw. die mutmaßlichen NSU-Mörder, NSU: „Nationalsozialistischer Untergrund“, mit zeitweise bis zu zehn V-Leuten überwachten, jedoch das BfV Letztere nicht in seiner diesbezüglichen Datei regis- trierte, sowie im Jahr 2011 mindestens sieben diesbezügliche Fallakten als „dienstlich nicht mehr notwendig“ vernichtete, und wie ist diese Aktenvernichtung – falls dies grundsätzlich zutrifft – nach Auffassung der Bundesregierung zu beurteilen angesichts dessen, dass drei wegen Sprengstoffdelikten ge- suchte ehemalige Angehörige des „Thüringer Heimatschut- zes“ 1998 untergetaucht und bis zum 4. November 2011 nicht wieder aufgetaucht waren? Nach Abwägung des Aufklärungs- und Informations- interesses des Abgeordneten mit dem Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen gefährdet werden kann, ist eine offene Beant- wortung im Rahmen des Verfahrens der Mündlichen Frage ausgeschlossen. Angaben zu V-Leuten und nachrichtendienstlichen Operationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV, sind evident geheimhaltungsbedürftig, weil das Be- kanntwerden von Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strate- gien, Methoden und Erkenntnissen der Nachrichten- dienste die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des Inlandsnachrichtendienstes gefährden könnte (verglei- che BVerfGE, 124, 124, 193f.). Die V-Mann-Führung ist eines der wichtigsten nachrichtendienstlichen Mittel des BfV. Alle Details hierzu unterliegen bereits intern der besonderen Geheimhaltung. Auch die Angaben von V-Mann-Zahlen sind gemäß den internen Vorschriften des BfV nur wenigen mit die- ser Tätigkeit betrauten Personen bekannt. Dies dient dem Schutz der Zugänge sowie den dahinterstehenden Personen und der ihrer Natur nach geheimhaltungs- bedürftigen Arbeitsweise der V-Mann-Führung. Ein Be- kanntwerden der Zahlen kann darüber hinaus auch nicht zutreffende Schlussfolgerungen über die Fähigkeit des BfV zur Terrorismus- und Extremismusbekämpfung nach sich ziehen. Der Militärische Abschirmdienst, MAD, hat mitge- teilt, dass ihm das Projekt „Operation Rennsteig“ be- kannt ist. Es existiert jedoch keine Akte über das Projekt. Der MAD ist für die Beobachtung und Bearbeitung ex- tremistischer Organisationen nicht zuständig. Die im Rahmen der Aufgabenerfüllung des MAD anfallenden Informationen werden an die zuständigen Verfassungs- schutzbehörden im Rahmen der gesetzlichen Bestim- mungen übermittelt. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 53): Strebt das BMBF die Einführung einer „einheitlichen Wis- senschaftsschranke“ im Urheberrecht an, und hält die Bundes- regierung die Einführung einer solchen Schranke für zielfüh- rend? Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesminis- terium der Justiz federführend für das Urheberrecht und seine Schrankenregelungen zuständig. Die Erörterungen über die Einführung einer einheitlichen Wissenschafts- schranke im Urheberrecht innerhalb der Bundesregie- rung sind noch nicht abgeschlossen. 22292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 54): Wann erhielt die Bundesregierung erstmals Hinweise auf die Spionagetätigkeit eines 47 Jahre alten Deutsch-Marokka- ners, der unter anderem Oppositionelle und Anhänger und Unterstützer der Befreiungsbewegung für die Westsahara Frente POLISARIO und die Berliner Projektgruppe West- sahara im Auftrag des marokkanischen Geheimdienstes aus- geforscht haben soll (vergleiche Zeit Online vom 15. Februar 2012), und welche weiteren Aktivitäten marokkanischer Ge- heimdienste gegen die saharauische Opposition sind der Bun- desregierung in Deutschland bekannt? Gegenstand der Anfrage ist ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof ge- gen den deutschen und marokkanischen Staatsangehöri- gen Mohammed B. Die Bundesanwaltschaft hat gegen diesen am 2. Mai 2012 beim 1. Strafsenat des Kammer- gerichts Berlin Anklage wegen des Verdachts der ge- heimdienstlichen Agententätigkeit – § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB – sowie der Urkundenfälschung – § 267 StGB – erhoben. Mit der Anklageschrift wird dem Angeschuldigten im Wesentlichen zur Last gelegt, Informationen über in Deutschland lebende Marokkaner an den marokkanischen Geheimdienst weitergegeben zu haben. Insbesondere soll er Informationen über Anhänger der Widerstands- bewegung für die Westsahara Frente POLISARIO be- schafft haben. Der Hinweis auf die Spionagetätigkeit des Ange- schuldigten B. wurde im Mai 2011 von einer deutschen Sicherheitsbehörde erteilt. Aus den Ermittlungen zu B. resultiert ein weiteres Verfahren, welches ebenfalls beim Kammergericht ange- klagt ist. Gegen einen weiteren Beschuldigten wird ebenfalls wegen desselben Vorwurfs ermittelt. Verfahren gegen zwei weitere Personen aus demsel- ben Tatkomplex sind bereits rechtskräftig abgeschlos- sen. Gegen einen Angeklagten verhängte das Oberlan- desgericht Celle am 20. April 2011 eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Das Verfahren gegen den anderen Angeklagten wurde vom Oberlandesgericht Celle am 12. Oktober 2011 ge- gen Zahlung einer Geldbuße wegen geringer Schuld ge- mäß § 153 a StPO eingestellt. Diese Verfahren wurden aufgrund von Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Düs- seldorf aus einem dortigen Ermittlungsverfahren einge- leitet. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 55): Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten Presse- bericht über die Beteiligung deutscher Neonazis an der Vor- bereitung des Olympiaattentats von 1972 – „Braune Hilfe“, Der Spiegel, 18. Juni 2012 –, und welche Schlüsse zieht sie daraus in Bezug auf eine umfassende wissenschaftliche Auf- arbeitung der Aktenbestände deutscher Behörden zum Olym- piaattentat und die Gedenkfeiern zum 40. Jahrestag, die im August und September 2012 in London, München und Fürs- tenfeldbruck stattfinden werden? Der GBA führt seit dem Jahr 1999 ein Ermittlungs- verfahren gegen mehrere Beschuldigte wegen des Ver- dachts des gemeinschaftlichen Mordes im Zusammen- hang mit der Ermordung israelischer Staatsangehöriger und eines deutschen Polizeibeamten bei den Olympi- schen Spielen 1972 in München. Das Verfahren wurde im Jahr 1999 von der Staatsanwaltschaft München I übernommen. Die Beteiligung des später als deutscher Neonazi identifizierten Willy Pohl an Vorbereitungshandlungen des mutmaßlichen Drahtziehers Mohamed Daoud Mohamed Odeh, alias Abu Daoud, zum Olympiaattentat ergibt sich aus dem 1999 in Paris/Frankreich erschiene- nen autobiografischen Buch Palästina, von Jerusalem nach München des inzwischen verstorbenen Abu Daoud. So hat Abu Daoud in diesem Buch berichtet, dass er Ende Juni 1972 in Dortmund Willy Pohl kennengelernt habe, der angegeben habe, für die Organisation „Fatah“ gearbeitet zu haben. Pohl habe ihm Anfang Juli 1972 beim Kauf eines Gebrauchtwagens geholfen. Er, Abu Daoud selbst, habe erst 1974 festgestellt, dass Pohl in Wirklichkeit rechtsextrem war. Spätere Ermittlungen zu diesen Kontakten förderten jedoch strafrechtlich rele- vante Erkenntnisse nicht mehr zu Tage. Der im Pressebericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel vom 18. Juni 2012 erwähnte „Schlussbericht der Münchner Kriminalpolizei vom 23. Juli 1973“ ist bei den 1999 von der Staatsanwaltschaft München I über- gebenen Sachakten nicht auffindbar. In ihrem Vorlage- bericht vom 17. Juni 1999 hat die Staatsanwaltschaft München I aufgeführt, dass man die Akten – aus den Jahren 1972 und 1977 – nach Erscheinen des oben ge- nannten Buchs im Mai 1999 „neu geordnet und ange- legt“ habe. Im Rahmen einer offiziellen Berichtsanfrage bei der Generalstaatsanwaltschaft München soll geklärt werden, ob sich dieser Bericht noch bei der Staats- anwaltschaft München I oder bei der Kriminalpolizei München befindet. Bei dieser Sachlage lassen sich derzeit weder Schlüsse in Bezug auf eine umfassende wissenschaftli- che Aufarbeitung noch auf die Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag des Olympiaattentats von 1972 zie- hen. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 56): Wie ist der derzeitige Verhandlungsstand der Gespräche innerhalb der Bundesregierung, bezogen auf die Antwort der Bundesregierung auf meine Mündliche Frage 72, Plenarproto- koll 17/177, Anlage 44, zur Aufhebung der Haushaltssperre der Verpflichtungsermächtigungen beim internationalen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22293 (A) (C) (D)(B) Klima- und Umweltschutz des Sondervermögens Energie- und Klimafonds und zur zukünftigen konkreten Mittelvertei- lung, und wann ist mit abschließenden Erkenntnissen für eine mögliche Entsperrungsvorlage an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zu rechnen? Die Bundesregierung hat sich auf den in der Entsper- rungsvorlage des Bundesministeriums der Finanzen (Ausschussdrucksache 17 (8) 4527) vorliegenden Vor- schlag geeinigt. Hierin wird die Einwilligung des Haus- haltsausschusses des Deutschen Bundestages zur Aufhe- bung der Sperre in Höhe von 380 Millionen Euro beantragt. Die Entsperrungsvorlage wird in der heutigen Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages beraten. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 57): Wie werden laufende Verluste aufgrund einer atypischen stillen Beteiligung unter dem Regime der Abgeltungsteuer einkommensteuerlich vor dem Hintergrund des Werbungs- kostenabzugsverbots behandelt, und wie ist in diesem Zusam- menhang der Verweis auf § 15 a des Einkommensteuergeset- zes, EStG, in § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu verstehen, der eine mögliche steuerliche Berücksichtigung von Verlusten bis zur Einlage erlaubt? Einkünfte aus einer atypisch stillen Beteiligung sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz. Die im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer relevante Frage des pauscha- lierten Werbungskostenabzugs nach § 20 Abs. 9 Ein- kommensteuergesetz stellt sich nur bei Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Einkommensteuergesetz). Bei stillen Beteiligungen liegen Einkünfte aus Kapitalver- mögen nur bei der Ausprägungsform der typisch stillen Beteiligung vor. Verluste aus einer atypisch stillen Beteiligung sind – soweit sie aus dem Gesamthandsbereich stammen – bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Einkom- mensteuergesetz) nur bis zur Höhe des Kapitalkontos steuerlich zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung von Verlusten knüpft an die wirtschaftliche Betrachtungs- weise an, in welcher Höhe eine tatsächliche Belastung besteht. Soweit bei einem atypisch stillen Gesellschafter ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, sind Verluste nach § 15 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz nur mit späteren Gewinnen aus der atypisch stillen Beteiligung verre- chenbar. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 58): Bis zu welcher Frist kann nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkom- men mit der Schweiz nach Art. 31 Abs. 8 eine spätere Veran- lagung der Erbschaftsteuer in Deutschland in den Fällen durchgeführt werden, in denen bereits an der Quelle ein Steuer- einbehalt von 50 Prozent vorgenommen wurde, und muss in den Fällen des Art. 31 Abs. 9 mit einem Steuereinbehalt von 50 Prozent an der Quelle im Zusammenhang mit der gleich- zeitigen Erlöschenswirkung der deutschen Erbschaftsteuer in Deutschland noch eine zusätzliche Deklaration/Veranlagung vorgenommen werden? Art. 31 des deutsch-schweizerischen Steuerabkom- mens enthält eine Spezialregelung hinsichtlich der Erb- schaftsteuer für in der Schweiz verbuchte Vermögens- werte. Liegt der schweizerischen Zahlstelle nach den in Art. 31 Abs. 2 des deutsch-schweizerischen Steuerab- kommens geregelten Modalitäten keine schriftliche Er- mächtigung vor, eine Meldung gegenüber der zuständi- gen deutschen Finanzbehörde abgeben zu dürfen, behält sie einen Betrag in Höhe von 50 Prozent der im Todes- zeitpunkt der für die betroffene Person verbuchten Ver- mögenswerte ein. Dieser Betrag wird nach Deutschland überwiesen und dem steuerberechtigten Land gutge- schrieben. Der Erbe erhält von der schweizerischen Zahlstelle über diesen Einbehalt eine Bescheinigung. Mit der vollständigen Gutschrift der Steuer gilt die Erbschaftsteuer, die auf den in der Schweiz verbuchten Vermögenswerten lastet, als im Zeitpunkt ihres Entste- hens als erloschen. Einer Erklärung über die zum Nach- lass gehörenden schweizerischen Vermögenswerte be- darf es in diesem Fall nicht. Entscheidet sich der Erbe zu einem späteren Zeit- punkt für die Anrechnung des auf in der Schweiz ver- buchte Vermögenswerte einbehaltenen Betrags, um seine Steuerbelastung zu reduzieren, muss er eine voll- ständige Steuererklärung gegenüber dem zuständigen deutschen Finanzamt abgeben, die auch die zum Nach- lass gehörenden schweizerischen Vermögenswerte be- inhaltet. Im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung werden die einbehaltenen 50 Prozent angerechnet. Die Abgabe der Steuererklärung in Deutschland kann nur so lange zu einer Festsetzung von Erbschaftsteuer führen, solange noch keine Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung eingetreten ist. Der Beginn der Festsetzungsfrist im Erbschaftsfall rich- tet sich nach § 170 Abs. 1 der Abgabenordnung. Danach beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalender- jahres, in dem die Steuer entstanden ist, also mit Ablauf des Jahres des Erbfalls. Nach Ablauf der Festsetzungs- frist kann keine Steuerveranlagung mehr erfolgen. Eine Anrechnung ist dann nicht mehr möglich. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Fragen 59 und 60): Teilt die Bundesregierung rechtliche Bedenken gegen Art. 10 Abs. 1 des im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkommens mit der Schweiz, da hier eine Teilselbstanzeige ermöglicht wird, die gerade mit 22294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) den Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ausgeschlossen werden sollte, auch vor dem Hintergrund der erfolgten Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof hin- sichtlich des Vollständigkeitsgebots, und folgt daraus, dass für weitere Einkünfte aus denselben Veranlagungszeiträumen, die neben jenen aus der Schweiz erwirtschaftet wurden, ebenfalls eine Teilselbstanzeige möglich ist? Welche Rechtsfolgen aus Art. 10 Abs. 1 des im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerab- kommens mit der Schweiz ergeben sich für den Steuerpflichti- gen hinsichtlich der Nachentrichtung der Steuer, auch vor dem Hintergrund der Fälligkeit und einer möglichen Verzin- sung, und bezieht sich der Verweis auf § 398 a der Abgaben- ordnung, AO, im Hinblick auf den Hinterziehungsbetrag von 50 000 Euro auf die gesamten hinterzogenen Steuern für den Zeitraum ab 1. Januar 2003 oder auf jede einzelne Tat der Hinterziehung seit dem 1. Januar 2003, was dann im Regelfall für jede einzelne Steuerart und jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu betrachten ist? Zu Frage 59: Im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 des deutsch-schweize- rischen Steuerabkommens hat die Bundesregierung keine rechtlichen Bedenken. Bei der Meldung nach Art. 9 und 10 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens handelt es sich um eine Spezialregelung, lex specialis, die lediglich die Rechtsfolgen des § 371 der Abgabenordnung auslöst. Damit ergeben sich nur die Rechtsfolgen aus den §§ 371 und 398 a der Abgabenordnung. Die Tatbestandsvoraus- setzungen ergeben sich allein aus dem deutsch-schwei- zerischen Steuerabkommen. Die Inanspruchnahme der Regelungen des deutsch- schweizerischen Steuerabkommens stellt rechtlich da- her keine Selbstanzeige im Sinne der Abgabenordnung dar. Eine vollständige Selbstanzeige über weitere Ein- künfte (zum Beispiel aus Deutschland oder aus anderen Ländern) nach der Abgabenordnung stellt daher keine Teilselbstanzeige dar und bleibt möglich. Zu Frage 60: Art. 10 Abs. 1 Satz 2 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens stellt eine Rechtsfolgenverweisung dar. Daraus folgt, dass sich hinsichtlich der Rechtsfolgen keine Änderungen gegenüber einer nach der Abgaben- ordnung wirksamen Selbstanzeige ergeben. Dies gilt auch für Hinterziehungszinsen. Diese sind auch dann festzusetzen, wenn eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 der Abgabenordnung erstattet worden ist oder wenn in besonderen Fällen von einer Verfolgung nach § 398 a der Abgabenordnung abgesehen wird. Aus der dargestellten Systematik des Art. 10 Abs. 1 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens folgt, dass lediglich die Wirksamkeit einer Selbstanzeige fin- giert wird. Ihre Folgen sind jedoch dieselben, die sich aus einer Selbstanzeige nach den Regeln der Abgaben- ordnung ergeben. Dies bedeutet, dass für jede einzelne Steuerart und für jeden Veranlagungszeitraum zu ermit- teln ist, ob der Betrag von 50 000 Euro je Tat überschrit- ten ist. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- sache 17/10015, Frage 61): In wie vielen Fällen hat die Commerzbank AG, an der die Bundesrepublik Deutschland eine Beteiligung von 25 Prozent plus einer Aktie hält, laut Pressemeldungen „junge Menschen mit Studienkrediten in eine Zinsfalle gelockt“, Spiegel Online vom 19. Juni 2012, und Kredite mit bis zu 18 Prozent Über- ziehungszinsen ohne Ankündigung fällig gestellt – unter An- gabe der gegebenenfalls daraus resultierenden bankenauf- sichtsrechtlichen Konsequenzen, der Anzahl noch strittiger Fälle, der Anzahl der von der Dresdner Bank AG übernom- menen Studienkredite durch die Commerzbank AG sowie der Anzahl der von der Commerzbank AG vermittelten Studien- kredite der KfW Bankengruppe jeweils pro Kalenderjahr seit dessen Einführung –, und welche Erkenntnisse hat die Bun- desregierung in diesem Zusammenhang zu dem Rückzah- lungsverhalten bzw. der Rückzahlungsfähigkeit von Studien- krediten durch Studierende und Absolventen? Die Vergabe von Krediten sowie die Gestaltung von Kreditkonditionen fallen unter die unternehmerische Eigenverantwortung der Commerzbank AG und liegen außerhalb des Zuständigkeits- und Verantwortungsberei- ches der Bundesregierung. Der Bundesregierung liegen in diesem Zusammen- hang keine Erkenntnisse zu dem Rückzahlungsverhalten bzw. der Rückzahlungsfähigkeit von Studienkrediten durch Studierende und Absolventen vor. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/10015, Frage 62): War die Bundesregierung an der getroffenen Vereinbarung zur Abwicklung der WestLB AG beteiligt, und, wenn ja, in welcher Form werden der Deutsche Bundestag und seine Gre- mien an dieser Entscheidung beteiligt? Die Bundesregierung hat den Verhandlungsprozess begleitet und das nach § 10 a des Finanzmarktstabilisie- rungsfondsgesetzes zuständige Gremium des Deutschen Bundestages laufend über alle wesentlichen Entwicklun- gen und Ergebnisse dieses Prozesses unterrichtet. Die da- mit verbundenen Restrukturierungsmaßnahmen und die Nachbefüllung der Ersten Abwicklungsanstalt, EAA, sind nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz durch den Lenkungsausschuss der Finanzmarktstabilisie- rungsanstalt, FMSA, zu genehmigen. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/10015, Frage 63): Wie hoch berechnet die Bundesregierung das finanzielle Engagement zur Abwicklung der WestLB AG für den Bun- deshaushalt? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22295 (A) (C) (D)(B) Die Bundesregierung kann die finanziellen Auswir- kungen der Abwicklung der WestLB AG auf den Bun- deshaushalt derzeit noch nicht abschließend beziffern. Die Bundesregierung geht jedoch auf Grundlage des Ab- wicklungsplans der WestLB AG und der getroffenen Ver- einbarung davon aus, dass das finanzielle Engagement des Bundes 3 Milliarden Euro nicht übersteigt. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Fragen 64 und 65): Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass der An- wendungsbereich des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO, Verlust der Steuerbefreiung, nur gegeben ist, wenn die Organisation ex- plizit als „extremistische Organisation“ in einem Verfassungs- schutzbericht erwähnt wird (so zum Beispiel Bundesfinanz- hof, BFH, vom 11. April 2012, I R 11/11), sodass die bloße Erwähnung einer Organisation in einem Verfassungsschutzbe- richt noch nicht zu einem Verlust der Steuerbefreiung führt, und welche konkreten Ausführungen/Bezeichnungen vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO durch das Jahressteuergesetz, JStG, 2013 müssen zu einer Organisation in den jeweiligen Verfassungsschutzbe- richten getroffen werden, damit diese die Steuerbefreiung ver- liert, auch vor dem Hintergrund der Definition des Begriffs „extremistische Organisation“ im Vergleich zu der in der Gesetzesbegründung zu der geplanten Neuregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO durch das JStG 2013 verwendeten Bezeich- nung „verfassungsfeindlich“? Wie kann sich nach der geplanten Neuregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO durch das JStG 2013 eine Organisation ge- richtlich zur Wehr setzen, wenn sie ihrer Ansicht nach zu Un- recht in einem Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden ist, und wie ist in diesem Zusammenhang die Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 AO nach der geplanten Neuregelung durch das JStG 2013 zu beurteilen, wenn in einem Verfassungs- schutzbericht zum Beispiel von „zahlreichen Anhaltspunkten für extremistische Bestrebungen“ gesprochen wird, vor dem Hintergrund, inwieweit eine derartige Klassifikation einer Or- ganisation bereits die Anwendung von § 51 Abs. 3 Satz 2 AO rechtfertigt, mit der Rechtsfolge Verlust der Steuerbefreiung? Zu Frage 64: Der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 3 Satz 2 Ab- gabenordnung, AO, beschränkt sich auf Organisationen, die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder eines Landes als extremistisch eingestuft werden und deshalb im Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als „extremistisch“ aufgeführt sind. Verdachtsfälle wer- den von dieser Regelung nicht mit umfasst. Dies soll auch nicht geändert werden. Die Begriffe „extremistisch“ und „verfassungsfeind- lich“ werden als Synonyme verwandt. Zu Frage 65: Ist eine Organisation ihrer Ansicht nach zu Unrecht in einen Verfassungsschutzbericht aufgenommen und als extremistisch bezeichnet worden, kann sie dagegen den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Die Voraussetzungen der in Ihrer Frage sicherlich gemeinten Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 2 Abgaben- ordnung, Versagung der Steuervergünstigung, werden durch die geplante Änderung im JStG 2013 nicht ver- ändert: Die Organisation muss ausdrücklich als extre- mistisch aufgeführt werden. Der bloße Verdacht einer extremistischen Ausrichtung in einem Verfassungs- schutzbericht würde nach wie vor nicht genügen, um die zwingende Versagung der Steuerbegünstigung auszu- lösen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 66): Sind Medienberichte zutreffend, wonach Irland doppelt so viel Zeit für die Rückzahlung erhaltener internationaler Hilfs- gelder eingeräumt werden wird (vergleiche Handelsblatt vom 19. Juni 2012, „Irland erhält mehr Zeit für Rückzahlung der Hilfsgelder“), und wenn nicht, wie ist die Position der Bun- desregierung in dieser Frage? Medienberichte, wonach Irland eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen für internationale Hilfsgelder ein- geräumt werden sollen, sind nicht zutreffend. Sie wur- den umgehend von der Europäischen Kommission de- mentiert. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin für eine Umsetzung des irischen Programms gemäß den ver- einbarten Konditionen ein. Der jüngste erfolgreiche Abschluss der sechsten Quartalsüberprüfung zeigt den Willen und die Fähigkeit der irischen Regierung zur konsequenten Einhaltung des Programms. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 67): Unterstützt die Bundesregierung derzeit auf politischer Ebene die Forderungen der Europäischen Zentralbank, die Wirtschafts- und Währungsunion um eine Banken- bzw. Finanzmarktunion zu erweitern (vergleiche beispielsweise www.sueddeutsche.de/wirtschaft/plaene-fuer-finanzmarktunion- eine-fuer-alle-1.1367348 oder www.ecb.int/press/key/date/ 2012/html/sp120420_2.en.html oder www.ecb.int/press/key/ date/2012/html/sp120420.en.html#) und, wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung unterstützt die Schaffung einer Banken- bzw. Finanzmarktunion auf europäischer Ebene. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 68): Wie haben sich prozentual seit 2009 bis heute die Kon- sumausgaben des Staates in den Ländern der Europäischen 22296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Union entwickelt, bitte insgesamt und nach einzelnen Län- dern aufführen, auch mit vorläufigen bzw. geschätzten Daten, und wie wirken sich nach Ansicht der Bundesregierung die zurückgehenden konsumtiven Staatsausgaben auf die wirt- schaftliche Entwicklung aus hinsichtlich der Volkswirtschaft der einzelnen Länder sowie der Euro-Zone insgesamt? Während die staatlichen Konsumausgaben in realer Rechnung in der EU in den Jahren 2009 und 2010, auch infolge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise, zum Teil deutlich gestiegen waren und im vergangenen Jahr sta- gnierten, dürfte es gemäß der Frühjahrsprojektion der Europäischen Kommission in diesem Jahr insgesamt zu einem leichten Rückgang kommen. Dabei dürften insbe- sondere Mitgliedstaaten mit sehr hohen Defiziten eine Verringerung ausweisen, während sich in einer Reihe an- derer Mitgliedstaaten die Anstiege fortsetzen. Eine de- taillierte Zusammenstellung der Entwicklung der Staats- ausgaben nach Ländern der Europäischen Union stelle ich Ihnen nach Bedarf gern zur Verfügung. Für diejenigen Länder, in denen der Staatskonsum preisbereinigt zurückgeht, lässt sich die entsprechende Wirkung auf das Wirtschaftswachstum mittels des fiska- lischen Primärimpulses – als Erstrundeneffekt – für sich genommen grob quantifizieren. Für 2012 erwartet die Europäische Kommission in ihrer Frühjahrsprognose für die gesamte Europäische Union, EU 27, nur einen mar- ginal negativen Impuls der öffentlichen Konsumaus- gaben auf das reale Wirtschaftswachstum. Eine isolierte Betrachtung des fiskalischen Primärim- pulses greift allerdings zu kurz. Insbesondere stehen den kontraktiven Effekten eines rückläufigen Staatskonsums – als Element der Rückkehr zu einer soliden Haushalts- führung – positive Vertrauenseffekte gegenüber, die den kontraktiven Primäreffekt der fiskalischen Restriktion kompensieren können. Solche Vertrauenswirkungen zei- gen sich gegenwärtig zum Beispiel auf den Finanzmärk- ten, die sehr sensibel auf Finanzierungsprobleme in den öffentlichen Haushalten der Mitgliedstaaten reagieren und über teils sehr hohe Risikoaufschläge die Finanzie- rungskonditionen des Staatssektors verschlechtern. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 69): Welchen Einfluss wird voraussichtlich die Umsetzung des Fiskalpakts auf die Entwicklung der Binnennachfrage in den Mitgliedsländern der Europäischen Union haben, und wie hat sich prozentual der preisbereinigte Einzelhandelsumsatz in den Ländern der Europäischen Union seit 2008 bis heute ent- wickelt, bitte insgesamt und nach einzelnen Ländern auffüh- ren, auch mit vorläufigen bzw. geschätzten Daten? Der Fiskalpakt verlangt die Umsetzung der Vorgaben des bereits bestehenden europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in nationale Fiskalregeln. Die damit verbundenen positiven Vertrauenseffekte dürften mittel- und längerfristig die wirtschaftliche Ent- wicklung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union begünstigen. Eine Quantifizierung solcher Ver- trauenswirkungen – im Hinblick auf die Entwicklung der Binnennachfrage – ist jedoch empirisch nicht verlässlich möglich. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 70): Wie bewertet die Bundesregierung Arbeit und Ergebnisse des von ihr geförderten Bundeskompetenzzentrums Barriere- freiheit e. V., BKB, und welche Vorstellungen gibt es zur Fort- führung der Arbeit des BKB über das Jahr 2012 hinaus? Der Bundesregierung ist Barrierefreiheit ein wichti- ges Anliegen. Sie schätzt die geleistete Arbeit des Bun- deskompetenzzentrums Barrierefreiheit e. V., BKB, sehr. Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit 2009 geförderte Projekt „Förderung des Abschlusses von Zielvereinbarungen“, das das BKB durchführt, trägt zu konkreten Verbesserungen der Barrierefreiheit bei, stärkt die Nutzung des Instruments der Zielvereinbarung und sorgt für die Verbesserung der Wahrnehmung der Barrierefreiheit in der Öffentlichkeit. Bei der in der Frage angesprochenen Förderung han- delt es sich jedoch nicht um die Finanzierung des BKB, also nicht um eine institutionelle oder unbefristete För- derung, sondern um die Förderung des Projekts „Förde- rung des Abschlusses von Zielvereinbarungen“ nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, dessen Projekt- nehmer das BKB ist. Diese Unterstützung läuft planmä- ßig Ende 2012 aus. Eine Weiterförderung dieses Projekts des BKB über diesen Zeitraum hinaus ist nicht möglich. Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales lie- gen seit dem 1. Juni 2012 zwei Anträge des BKB auf Förderung von zwei neuen Projekten vor. Diese Anträge werden derzeit geprüft. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 71): Wie bewertet die Bundesregierung die bisher erzielten Ergebnisse bei der Umsetzung des von ihr vor einem Jahr beschlossenen Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auch mit Blick auf die Kri- tik aus der Behindertenbewegung (siehe unter anderem www.kabinet-nachrichten.org vom 15. Juni 2012), und wel- che Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für das weitere Regierungshandeln in diesem Jahr? Da der Nationale Aktionsplan für einen Wirkungs- zeitraum von zehn Jahren, 2011 bis 2020, angelegt ist, eine Vielzahl der Maßnahmen und Projekte des Aktions- plans aber bereits bis zum Ende der 17. Legislatur- periode begonnen bzw. teilweise auch schon abgeschlos- sen sein werden, wird die Bundesregierung eine erste Evaluation der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans bis Ende 2013 vorlegen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22297 (A) (C) (D)(B) Zur Vorbereitung der Evaluation und zur Sicherstel- lung der erfolgreichen Umsetzung des Aktionsplans er- folgt bereits jetzt ein regelmäßiger Austausch zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS, in seiner Rolle als Focal Point und den am Ak- tionsplan beteiligten Bundesressorts, der bereits gute Fortschritte bei der Umsetzung der Maßnahmen des Ak- tionsplans erkennen lässt. Außerdem werden im Aus- schuss Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention beim BMAS die Vertreter der Verbände von Menschen mit Behinderungen stetig über die Umsetzungsprozesse informiert. Dort sind bei- spielsweise die Fortschritte bei der Freifahrt für behin- derte Menschen, die baldige Einführung eines Behinder- tenausweises in Scheckkartenformat – eine langjährige Forderung der Behindertenbewegung –, aber auch die Anstrengungen zur Verbesserung der beruflichen Orien- tierung junger Menschen mit Behinderungen und die breit angelegte Öffentlichkeitskampagne „Behindern ist heilbar“ bekannt. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10015, Frage 72): Welche kulturpflanzenspezifischen Mindestabstände zwi- schen Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Nutzpflan- zen und Anbauflächen mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen, GVP, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Novelle des Gentechnikgesetzes auf Bundes- und Län- derebene vor, und inwieweit berücksichtigen diese Abstands- regelungen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Pol- len von gentechnisch veränderten Organismen in Honig vom 6. September 2011? Der Entwurf zur Änderung des Gentechnikgesetzes wird zurzeit zwischen den Bundesressorts abgestimmt. Ergänzende Regelungen zur Koexistenz und damit gegebenenfalls auch Abstandsregelungen wären aller- dings nicht im Gentechnikgesetz, sondern in der Gen- technik-Pflanzenerzeugungsverordnung zu regeln. Um auch spezifische Vorgaben zu Abstandsregelun- gen zwischen Flächen mit dem Anbau von genetisch veränderten Organismen, GVO, und Bienenstöcken tref- fen zu können, wäre zudem zunächst das Gentechnikge- setz um eine entsprechende Verordnungsermächtigung zu ergänzen. Regelungen zur Koexistenz orientieren sich am Kennzeichnungsschwellenwert für GVO in Höhe von 0,9 Prozent. Auf EU-Ebene ist bisher nicht geklärt, auf welchen Wert sich die 0,9 Prozent beziehen. Ist dies die Pollenart, der gesamte Pollen oder der gesamte Honig? Die EU-Kommission hat daher die Mitgliedstaaten gebe- ten, von nationalen Maßgaben für die Koexistenz von Flächen mit Anbau von GVO und Bienenstöcken abzu- sehen, bis diese Frage entschieden ist. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/10015, Frage 73): Auf welche Weise und bis wann gedenkt die Bundesregie- rung den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit über ihre Positionierung zu informieren, bevor am 16./17. Juli 2012 im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit bzw. im Falle einer ergebnislosen Abstim- mung in der Folge vom Berufungsausschuss oder im nächsten Schritt direkt von der Kommission möglicherweise während der parlamentarischen Sommerpause Fakten geschaffen wer- den, zum Beispiel im Hinblick auf die Nulltoleranz gegenüber Verunreinigungen mit nicht zugelassenen gentechnisch verän- derten Konstrukten in Lebensmitteln, die Zulassung neuer GVP und deren Pollen für den Import oder die Zulassung von GVP für den Anbau in der Europäischen Union? Bisher liegt der Bundesregierung kein Vorschlag der EU-Kommission für eine Kommissionsverordnung vor, welche bei Lebensmitteln einen Analyseschwellenwert von 0,1 Prozent für nicht in der EU zugelassene gentech- nisch veränderte Organismen, GVO, vorsieht. Ob die EU-Kommission einen solchen im Rahmen der nächsten Sitzung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmit- telkette und Tiergesundheit, StALuT, am 16. Juli 2012 vorlegen wird, bleibt abzuwarten. Eine Tagesordnung hierfür liegt noch nicht vor. Eine Abstimmung über einen solchen Vorschlag ohne vorherige Diskussion ist nicht zu erwarten. Diese Dis- kussion könnte somit erst in der darauffolgenden Sitzung des StALuT im September 2012 erfolgen. Derzeit gibt es in der EU rund 45 „Importzulassun- gen“ für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermit- tel. Es ist damit zu rechnen, dass die Kommission hierzu weitere Vorschläge vorlegen wird. „Anbauzulassungen“ hat die Kommission seit geraumer Zeit nicht mehr vor- geschlagen. Da das Verfahren im StALuT mit Beru- fungsausschuss bzw. im StALuT mit Kontrolle durch den Rat und das Europäische Parlament mit einer Dis- kussion der Kommissionsvorschläge beginnt und danach einige Zeit in Anspruch nimmt, ist nicht damit zu rech- nen, dass es während der parlamentarischen Sommer- pause zu den aufgeführten Entscheidungen kommt. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Druck- sache 17/10015, Frage 74): Aus welchem Grund wird das Bundeswehrgelöbnis am 20. Juli 2012 in Berlin in diesem Jahr nicht mehr vor dem Reichstagsgebäude, sondern wieder im Bendlerblock stattfin- den, und soll der Bendlerblock auch in den kommenden Jah- ren der Durchführungsort des Gelöbnisses sein? Der Bundestagspräsident und der Bundesminister der Verteidigung haben sich im letzten Jahr darauf verstän- digt, das Feierliche Gelöbnis, beginnend ab 2012, abwechselnd auf dem Platz der Republik vor dem 22298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Reichstagsgebäude bzw. auf dem Paradeplatz beim Bun- desministerium der Verteidigung durchzuführen. Das Feierliche Gelöbnis 2013 wird wieder auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude stattfin- den. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- gen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Fragen 75 und 76): Haben die Gespräche des Bundesministers der Verteidi- gung, Dr. Thomas de Maizière, mit seinem türkischen Amts- kollegen Ismet Yilmaz im Hinblick auf die Anerkennung des freiwilligen Wehrdienstes in Deutschland für doppelte Staats- bürger durch die Türkische Republik (vergleiche Bundestags- drucksache 17/9809, Seite 7 f.) zu konkreten Ergebnissen ge- führt und, wenn ja, zu welchen? Setzt sich der Bundesverteidigungsminister auch im Hin- blick auf die Personen für eine vergleichbare Lösung ein, die – bis zur Aussetzung des Pflichtwehrdienstes 2011 – die Mög- lichkeit hatten, sich ihren in Deutschland geleisteten Zivil- dienst in der Türkei anrechnen zu lassen (zum Beispiel An- rechnung des Bundesfreiwilligendienstes), und, wenn nein, warum nicht? Zu Frage 75: Herr Bundesminister Dr. de Maizière hat diese Frage angesprochen und ausdrücklich für eine Anerkennung des freiwilligen Wehrdienstes geworben. Sein türkischer Amtskollege hat darauf verwiesen, dass gesetzlich bis- her nur die Anerkennung eines Pflichtdienstes möglich sei, jedoch zugesagt, die Frage im Ministerrat prüfen zu lassen. Zu Frage 76: Der frühere Zivildienst und der jetzige Bundesfreiwil- ligendienst fallen in die Zuständigkeit des Bundesminis- teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Inso- weit ist die Frage von dort aus zu klären. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- gen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 77): Welche konkreten Maßnahmen plant das Bundesministe- rium der Verteidigung, um den freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr für Migrantinnen und Migranten attraktiver zu machen? Vor dem Hintergrund einer Quote von 26 Prozent frei- willig Wehrdienstleistenden mit Migrationshintergrund sind keine konkreten Maßnahmen geplant, um den frei- willigen Wehrdienst bei der Bundeswehr speziell für die- sen Personenkreis noch attraktiver zu machen. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 78): Für welche konkreten Einsatzszenarien soll der Truppen- übungsplatz Altmark in Gardelegen ausgebaut und künftig dazu genutzt werden, Soldatinnen und Soldaten in urbanem Kampf auszubilden, und wie sind in diesem Zusammenhang die Bemerkungen des Kommandeurs des Gefechtsübungszen- trums des Heeres zu verstehen, nach welchen die Einsatz- gebiete der Bundeswehr künftig immer weiter in die Städte verlagert würden (vergleiche dpa-Meldung „Einsatz in Schnöggersburg“, 20. Juni 2012)? Der Ausbau des sogenannten Urbanen Ballungsraums Schnöggersburg im Gefechtsübungszentrum des Heeres dient weder der Vorbereitung eines konkreten Einsatz- szenarios noch der Absicht, „… die Einsatzgebiete der Bundeswehr künftig immer weiter in die Städte zu verla- gern …“. Anfang des 21. Jahrhunderts ist die Wachstumsrate der Stadtbevölkerung dreimal so hoch wie die der Welt- bevölkerung. Bis 2050 werden voraussichtlich zwei Drittel der Menschen in Städten leben. In den Entwick- lungsländern wird bis 2030 eine Verdoppelung der Stadt- bevölkerung erwartet. Die Anzahl der Menschen, die in sogenannten Mega- städten (mehr als 10 Millionen Einwohner) leben, wird sich auf über 400 Millionen verdoppeln. Die Wahr- scheinlichkeit, dass Konflikte zunehmend auch in diesen urbanen Räumen stattfinden, ist dementsprechend. Mit dem Gefechtsübungszentrum Heer verfügt die Bundeswehr über eine moderne Ausbildungseinrich- tung, deren Fähigkeitspotenzial aber noch stark auf die Erfordernisse des Gefechts der verbundenen Waffen während der Zeit des „Kalten Krieges“, also der Aus- einandersetzung panzerstarker Verbände, ausgerichtet ist. Die Streitkräfte müssen sich vor dem dargestellten Hintergrund der heutigen und künftigen sicherheitspoli- tischen Rahmenbedingungen auf die Bewältigung von Aufgaben in Konfliktszenarien vorbereiten, die sich ab- sehbar zunehmend in bebauten Räumen ereignen. In der Einsatzvorbereitung kommt der realistischen Abbildung heutiger Einsätze im Gefechtsübungszentrum Heer daher für das Herstellen der Einsatzbereitschaft der Einsatzkräfte eine herausragende Bedeutung zu. Das Fä- higkeitspotenzial dieser Ausbildungseinrichtung muss so weiterentwickelt werden, dass verstärkte Einsatzver- bände Operationen in urbanem Umfeld – teilstreit- kraftübergreifend und multinational –, integriert in die Durchführung des jeweiligen Einsatzauftrags, realitäts- nah üben können. Mit dem Infrastrukturvorhaben „Urbaner Ballungs- raum“ soll die Ausbildungsinfrastruktur für die Ausbil- dung von Operationen in urbanem Umfeld auf Verbands- ebene geschaffen werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22299 (A) (C) (D)(B) Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra- gen des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Fragen 80 und 81): Wie vereinbart der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, seine Aussage, dass die an der UNIFIL-Mission beteiligten Schiffe „sicher auch eine Art Notreserve für eine humanitäre Katastrophe“ seien, mit der von der Bundesregierung beantragten Verlängerung des Man- dates? Sind Ankündigungen für „Nothilfeaktionen“ für Syrien mit anderen an der UNIFIL-Mission beteiligten Staaten abge- stimmt, oder handelt es sich um einen deutschen Alleingang? Zu Frage 80: Der Bundesminister der Verteidigung hat mit seiner Bemerkung eine allgemeine, im Hinblick auf vorstell- bare Entwicklungen in der Region naheliegende Aus- sage gemacht. Mögliche künftige Entscheidungen wer- den dadurch nicht präjudiziert. Verbindungen zur Mandatsdebatte sind nicht gegeben. Zu Frage 81: Die Bundesregierung leistet humanitäre Hilfe mittels bewährter humanitärer Partner. Im UNIFIL-Rahmen hat es jedoch keine deutschen Ankündigungen für „Nothil- feaktionen“ gegeben. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/10015, Frage 84): Unter welchen konkreten Umständen fand am 15. Mai 2012 – fünf Tage nach der Ausweitung des deutschen Manda- tes zur Beteiligung an der EU-Mission Atalanta – der Beschuss von angeblicher Piratenlogistik auf somalischem Festland statt, www.eunavfor.eu/2012/05/eu-naval-force- delivers-blow-against-somali-pirates-on-shoreline/, und wel- che Informationen liegen der Bundesregierung vor, die bele- gen, dass im Zuge dieser Operation keine Menschen verletzt oder für die ansässige Zivilbevölkerung relevante Infrastruk- turen zerstört wurden? Der im Rahmen der EU-geführten Operation Atalanta in der Nacht vom 14. auf den 15. Mai 2012 erfolgte Ein- satz gegen Piraterielogistik am Strand war zeitlich und räumlich eng begrenzt und wurde unter Beachtung der Durchführungsvoraussetzungen aus der Luft durch- geführt. Es wurde zu keinem Zeitpunkt somalischer Bo- den betreten. Während des Einsatzes befand sich ständig ein Seefernaufklärungsflugzeug mit Nachtsichtfähigkeit über dem Einsatzgebiet, um die Gefährdung von Men- schen und eigenen Kräften auszuschließen. Auswertun- gen aus der Luft während des Einsatzes und am Folgetag lieferten keine Hinweise auf Personen- oder Begleitscha- den. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Frage 85): Wie bewertet die Bundesregierung den vierten nationalen Bildungsbericht 2012 in Bezug auf das Betreuungsgeld, und wie begründet sie ihre Haltung? Das Betreuungsgeld ist eine familienpolitische Leis- tung, die eine Lücke in der derzeitigen Unterstützung für Familien füllt. Seine Finanzierung ist im Entwurf für den Bundeshaushalt gesichert. Es steht weder politisch noch finanziell in Konkurrenz zum Ausbau der Kinderbetreu- ung, im Gegenteil: Beide Initiativen ergänzen einander und bringen die Wertschätzung des Staates und der Ge- sellschaft für verschiedene Lebensentwürfe von Fami- lien zum Ausdruck. Die Bundesregierung hat mit ihrem Zehn-Punkte-Programm zum Ausbau der Kinderbetreu- ung deutlich gemacht, dass sie die Herausforderung des Ausbaus weiterhin gemeinsam mit den Ländern und Kommunen in Angriff nimmt. Beispielsweise KfW- Kredite, die durch einen Zinszuschuss des Bundes güns- tiger werden, sowie eine effektive Erfassung und Um- verteilung nicht benötigter Bundesmittel helfen Ländern und Kommunen, diese Herausforderung zu bewältigen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Fra- gen der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck- sache 17/10015, Fragen 86 und 87): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im vierten nationalen Bildungsbericht von Bund und Län- dern formulierten Kritik, das Betreuungsgeld setze falsche Anreize, die besonders Eltern aus bildungsfernen Schichten davon abhalten könnten, ihr ein- oder zweijähriges Kleinkind in eine Kindertagesstätte, Kita, zu schicken, und welche Maß- nahmen leitet die Bundesregierung daraus ab? Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den ebenfalls im Bildungsbericht von Bund und Ländern dar- gelegten Ergebnissen, dass etwa ein Viertel der Drei- bis Sechsjährigen in Deutschland als „sprachförderbedürftig“ ein- gestuft werden und dass Kleinkinder, die diese Sprachförde- rung nicht erhielten und zugleich auch keine Kita besuchten, bei der Bildung doppelt benachteiligt seien, und welche Maß- nahmen leitet die Bundesregierung aus diesen Schlussfolge- rungen ab, um der Benachteiligung der Kinder entgegenzu- wirken? Zu Frage 86: Der vierte Bildungsbericht formuliert diese Kritik an keiner Stelle; überdies stehen für die Bundesregierung die Gewährung von Betreuungsgeld und der Ausbau der Kinderbetreuung nicht in Konkurrenz zueinander. Zu Frage 87: Die Ergebnisse des Bildungsberichts unterstreichen erneut den besonderen Stellenwert der Sprach- und Le- seförderung für gelingende Bildung. Handlungsbedarf besteht vor allem darin, eine frühzeitig beginnende kontinuierliche Sprachförderung über die Grenzen der 22300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Bildungsetappen hinweg zu gewährleisten und die Ef- fektivität und Wirksamkeit der bislang eingesetzten Maßnahmen der Sprachförderung und Sprachstandsfest- stellung wissenschaftlich zu überprüfen und weiterzu- entwickeln. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten diese Zielsetzung mit einer Reihe von Maßnahmen und Initiativen: An ein-, drei- und sechsjährige Kinder und ihre Eltern wendet sich das Programm des BMBF „Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“, Laufzeit 2011 bis 2018. Sie werden früh mit dem Umgang mit Büchern vertraut ge- macht und so in ihrer Sprachfähigkeit gestärkt. Zurzeit kann jede zweite Familie in Deutschland von diesem Programm profitieren, das das bisher umfassendste und nachhaltigste Programm zur frühkindlichen Leseförde- rung in Deutschland ist. Bis zum Jahr 2014 werden bis zu 4 000 Einrichtungen – insbesondere in sozialen Brennpunkten – zu sogenann- ten Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration ausge- baut. Jede der beteiligten Einrichtungen erhält pro Jahr 25 000 Euro aus Bundesmitteln, um damit eine Halb- tagsstelle für zusätzliches, besonders qualifiziertes Fachpersonal zur Sprachförderung speziell von unter Dreijährigen einzurichten. Von dieser Fördermaßnahme profitieren Kinder, unabhängig ab welchem Alter sie eine Kita besuchen. Vor dem Hintergrund des nach wie vor erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbedarfs in diesem Be- reich planen Bund und Länder derzeit eine gemeinsame Initiative zur Weiterentwicklung der Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung einschließlich un- terstützender Forschung. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/10015, Fra- gen 95 und 96): Welche Linienbestimmungsverfahren für Fernstraßen des Bundes, die noch nicht im Verfahren sind, wurden beantragt, und welche Linienbestimmungsverfahren für Fernstraßen des Bundes befinden sich derzeit im Verfahren? Welche Fernstraßenprojekte, für die von Auftragsverwal- tungen der Länder dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, ein Linienvorschlag zur Be- stätigung an Stelle eines Linienbestimmungsverfahrens über- sandt wurde, werden derzeit durch das BMVBS geprüft? Zu Frage 95: Für nachfolgend genannte Bundesfernstraßenpro- jekte des aktuellen Bedarfsplans für die Bundesfernstra- ßen wurde ein Linienbestimmungsverfahren nach § 16 Bundesfernstraßengesetz beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beantragt: – B 74, Ortsumgehung Ritterhude (auf Antrag des Lan- des Niedersachsen) – B 87n, Fulda–Meiningen, 3. Abschnitt (Thüringen, bestehend aus den Ortsumgehungen Melkers/Wall- dorf, Dörrensolz, Stepfershausen, Herpf und Ober- katz) – B 190n, Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Branden- burg–B 102 (bestehend aus den Ortsumgehungen Breddin, Stüdenitz und der Netzergänzung Zernitz bis B 102) – B 477, Ortsumgehungen Rommerskirchen und Butz- heim/Frixheim Für nachfolgend genannte Bundesfernstraßenpro- jekte des aktuellen Bedarfsplans für die Bundesfernstra- ßen sind die Ressorts im Rahmen der Linienbestimmung nach § 16 Bundesfernstraßengesetz beteiligt worden: – A 33, B 51n (Ortsumgehung Belm)–A 1 (nördlich Os- nabrück), Lückenschluss – B 87n, Fulda–Meiningen, 1. Abschnitt (Hessen) und 2. Abschnitt (Hessen und Thüringen, Rhönquerung) – B 189n, Wittstock (A 19)–Ortsumgehung Mirow (B 198), Abschnitte Netzergänzung L 15–Ortsumge- hung Mirow – B 212, Harmenhausen (L 875)–Landesgrenze Nieder- sachsen/Bremen – B 246, B 112–Bundesgrenze Deutschland/Polen mit Grenzübergang Eisenhüttenstadt/Nord. Zu Frage 96: Für nachfolgend genannte Bundesfernstraßenpro- jekte werden derzeit die Unterlagen zur Linienabstim- mung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geprüft: – B 8, Ortsumgehung Limburg/Lindenholzhausen – B 64, Ortsumgehung Eschershausen, 2. Bauabschnitt (Westumgehung) – B 98, Ortsumgehung Wildenhain – B 98, Ortsumgehung Schönfeld – B 98, Ortsumgehung Thiendorf – B 213 (E 233), Ortsumgehung Löhningen – B 265, Ortsumgehung Weiler in der Ebene. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) (Drucksache 17/10015, Frage 97): Welche haushaltspolitischen Vorgaben finden bei der Finanzierung und Realisierung von Verkehrsprojekten An- wendung, und inwiefern sieht die Bundesregierung die Finan- zierung von Bau und Betrieb des Elbtunnels im Zuge der A 20 mithilfe privater Investitionen, die für die Bundesregierung mit erheblichen Mehrkosten im Vergleich zur Realisierung mit Eigenmitteln verbunden ist, dennoch als machbar und möglich an? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 22301 (A) (C) (D)(B) Vorbehaltlich der Nachweise der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit findet die Realisierung und Finan- zierung von Verkehrsprojekten im Rahmen der vom Deutschen Bundestag jährlich verabschiedeten Haus- haltsgesetze und den hierin bereitgestellten Finanzie- rungsmitteln statt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung hat – in Abstimmung mit den betroffenen Ländern – die Untersuchung der ÖPP-Eignung der Elb- querung im Zuge der BAB A 20 beauftragt; erste Er- gebnisse liegen seit kurzem im Entwurf vor. Erst nach sorgfältiger Auswertung dieser Untersuchung und Ab- stimmung mit den betroffenen Ländern hierzu wird im Bedarfsfall ein weiterer Arbeitsschritt, nämlich die Er- stellung einer vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersu- chung, beauftragt. Nur wenn nach deren Ergebnis eine ÖPP-Realisierung mindestens genauso wirtschaftlich wie eine konventionelle Realisierung ist, darf – gemäß § 7 Bundeshaushaltsordnung – das Vergabeverfahren für eine ÖPP-Umsetzung der Elbquerung, das heißt die „In- vestorensuche“, gestartet werden. Neben dieser haushaltsrechtlichen Voraussetzung für den etwaigen Vergabestart eines ÖPP-Projekts Elbque- rung ist weiterhin erforderlich, dass es eine konkrete Projektperspektive für die A 20 insgesamt gibt; das heißt, die Suche nach möglichen Investoren für die Elb- querung ist nur dann zielführend, wenn für die Gesamt- maßnahme Baurecht vorliegt und die Realisierung insge- samt zeitlich und finanziell hinreichend detailliert gesichert ist. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Franz Thönnes (SPD) (Drucksache 17/10015, Fragen 98 und 99): Welche Varianten, bitte mit Informationen zu Mauthöhe, Verkehrsaufkommen, Zulaufstraßenlänge, Vertragslaufzeiten, hat die Bundesregierung innerhalb der Machbarkeitsstudie zur Finanzierung des Elbtunnels im Zuge der A 20 bis dato kon- kret prüfen lassen, und welche weiteren Varianten werden jetzt nach dem Vorliegen der ersten Zwischenergebnisse ge- prüft? Welche rechtlichen Hürden stehen einer Mischfinanzie- rung von Bau und Betrieb des Elbtunnels im Zuge der A 20 entgegen, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregie- rung, diese gesetzlichen Vorgaben zu ändern? Zu Frage 98: In Abstimmung mit den betroffenen Landesverwal- tungen Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird der- zeit im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine mehrstufige Untersu- chung bis hin zu einer vorläufigen Wirtschaftlichkeits- untersuchung für eine mögliche Realisierung der Elb- querung bei Glückstadt im Zuge der A 20 als öffentlich- private Vertragspartnerschaft, ÖPP, durchgeführt. Die erste Stufe der Untersuchung ist eine sogenannte Eignungsabschätzung. Diese soll ergebnisoffen die Eig- nung als ÖPP-Projekt – zum Beispiel A-Modell, Misch- modell, Verfügbarkeitsmodell, F-Modell – unter Berück- sichtigung verschiedener Randbedingungen – zum Beispiel Höhe der Anschubfinanzierung, Berücksichti- gung vor- und nachgelagerter Strecken, Vertragslaufzeit – abschätzen. Ein erster Entwurf dieser Eignungsabschät- zung liegt dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seit November letzten Jahres vor und wird derzeit sorgfältig im BMVBS geprüft; auch die be- troffenen Landesauftragsverwaltungen würdigen diesen Arbeitsstand; es ist gegebenenfalls eine Vertiefung ein- zelner Ansätze des ersten Entwurfsstandes vorgesehen. Die endgültige Fassung der Untersuchung wird noch er- stellt. Erst nach Prüfung der endgültigen Eignungsab- schätzung und nach Abstimmung mit den betroffenen Ländern wird der Bund voraussichtlich im Herbst 2012 über den Fortgang der Studie und ihre geeignete Kom- munikation und vor allem über die weiteren Schritte zur Realisierung der Elbquerung entscheiden. Zu Frage 99: Rechtliche Hürden werden derzeit bezüglich der Realisierung des Elbtunnels im Rahmen eines F-Modells nach dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz grundsätzlich nicht gesehen. Als mindestens gebühren- rechtlich problematisch werden jedoch solche Finanzie- rungen eingestuft, bei denen zum Beispiel die Einnahmen aus einem F-Modell auf einer Zulaufstrecke zum A-Mo- dell zur Finanzierung des A-Modells genutzt werden. Rechtlich gangbar erscheint allerdings eine Kombina- tion von F- und A-Modell dann, wenn sichergestellt ist, dass Kostenanlastung und Refinanzierung des F- und des A-Modells klar voneinander getrennt sind. Eine Än- derung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes durch das Parlament ist grundsätzlich möglich, die Besei- tigung der rechtlichen Bedenken ist jedoch selbst bei An- passung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes voraussichtlich nicht gewährleistet. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) (Drucksache 17/10015, Fragen 100 und 101): Wann genau lagen der Bundesregierung die Zwischen- ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Finanzierung des Elb- tunnels im Zuge der A 20 vor, und aus welchen Gründen wurden die betreffenden Informationen nicht zeitnah veröf- fentlicht (vergleiche Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 7. Juni 2012)? Wie begründet die Bundesregierung den Zeitpunkt und die Tatsache der Weitergabe von Informationen aus der Machbar- keitsstudie zur Finanzierung des Elbtunnels im Zuge der A 20 an Journalisten, und wann wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über die vorliegenden Zwischenergeb- nisse informieren? In Abstimmung mit den betroffenen Landesverwal- tungen Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird der- zeit im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine mehrstufige Untersu- chung bis hin zu einer vorläufigen Wirtschaftlichkeits- untersuchung für eine mögliche Realisierung der Elb- 22302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) querung bei Glückstadt im Zuge der A 20 als öffentlich- private Vertragspartnerschaft, ÖPP, durchgeführt. Die erste Stufe der Untersuchung ist eine sogenannte Eignungsabschätzung. Diese soll ergebnisoffen die Eignung als ÖPP-Projekt, zum Beispiel A-Modell, Mischmodell, Verfügbarkeitsmodell, F-Modell, unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen, zum Beispiel Höhe der Anschubfinanzierung, Berücksichti- gung vor- und nachgelagerter Strecken, Vertragslaufzeit, abschätzen. Ein erster Entwurf dieser Eignungsabschät- zung liegt dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung seit November letzten Jahres vor und wird derzeit sorgfältig im BMVBS geprüft; auch die be- troffenen Landesauftragsverwaltungen würdigen diesen Arbeitsstand. Die endgültige Fassung der Untersuchung wird erst noch erstellt. Erst nach Prüfung der endgülti- gen Eignungsabschätzung und nach Abstimmung mit den betroffenen Ländern wird der Bund voraussichtlich im Herbst 2012 über den Fortgang der Studie und ihre geeignete Kommunikation sowie über die weiteren Schritte zur Realisierung der Elbquerung entscheiden. Die Veröffentlichung eines Entwurfsstands ist unüblich und erfolgte daher auch nicht bei der Eignungsabschät- zung durch das BMVBS zur A 20. 186. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 1 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 1 Befragung der Bundesregierung TOP 2 Fragestunde ZP 2 Aktuelle Stunde zur Forderung von SPD und Grünen zu Tempo 30 in Städten Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718600000

Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich be-
grüße Sie herzlich.

Vor Aufrufen unseres Zusatzpunktes 1 habe ich Ihnen
bekannt zu geben, dass die Fraktionen CDU/CSU und
Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilt haben, dass die Kolle-
gen Helmut Brandt und Wolfgang Bosbach als ordentli-
ches Mitglied bzw. als stellvertretendes Mitglied des
Vermittlungsausschusses ausscheiden. Die bisher als
stellvertretendes Mitglied berufene Kollegin Britta
Haßelmann soll als neues ordentliches Mitglied be-
stimmt werden. Ihre Stellvertretung soll die Kollegin
Renate Künast übernehmen. Als neuer Stellvertreter des
Kollegen Volker Beck ist der Kollege Jürgen Trittin be-
nannt worden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
auch deshalb besonders zu begrüßen, weil damit eine
lang schwebende Frage offensichtlich einvernehmlich
gelöst ist. Damit sind die Kollegen Britta Haßelmann als
ordentliches Mitglied und die Kollegen Renate Künast
und Jürgen Trittin als stellvertretende Mitglieder im Ver-
mittlungsausschuss bestimmt.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-
gesordnung um die Abgabe einer Regierungserklärung
durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am
Donnerstag und Freitag dieser Woche zu erweitern.
Dieser Tagesordnungspunkt soll jetzt sofort als Erstes
aufgerufen werden. – Auch dazu darf ich Ihr Einver-
ständnis feststellen. Dann ist das so beschlossen.

Somit rufe ich jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zum Europäischen Rat am 28./29. Juni 2012 in
Brüssel

Zur Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat ist interfraktio-
nell vereinbart, dass die Aussprache im Anschluss an die
Regierungserklärung eineinhalb Stunden betragen soll. –
Das ist einvernehmlich.

Dann darf ich hiermit das Wort zur Abgabe einer Re-
gierungserklärung der Bundeskanzlerin erteilen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1718600100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die Bewältigung der euro-
päischen Staatsschuldenkrise bestimmt seit mehr als
zwei Jahren die Agenda der Europäischen Räte. Dies gilt
auch für den morgen beginnenden Gipfel.

Weil ich die Erwartungen und Hoffnungen kenne, die
sich auch auf diesen Gipfel richten, wiederhole ich
gleich zu Beginn noch einmal, was nicht oft genug ge-
sagt werden kann: Es gibt keine schnellen, und es gibt
keine einfachen Lösungen. Es gibt nicht die eine Zauber-
formel oder den einen Befreiungsschlag, mit dem die
Staatsschuldenkrise ein für alle Mal überwunden werden
kann. Nein, wenn es uns gelingen soll, die Krise dauer-
haft zu überwinden, dann gibt es nur die Möglichkeit,
diese Herausforderungen als einen Prozess aufeinander-
folgender Schritte und Maßnahmen zu verstehen, der das
Problem im Übrigen an der Wurzel packt. Alles andere
ist von vornherein zum Scheitern verurteilt; bestenfalls
ist es Augenwischerei.

Unser Wegweiser aus der Krise kann deshalb unver-
ändert einzig die schonungslose Analyse ihrer Ursachen
sein: Das ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit eini-
ger Euro-Staaten, das sind grundlegende Fehler in der
Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion, und
das ist natürlich die massive Staatsverschuldung. Diese
Probleme sind hausgemacht, und diese hausgemachten
Probleme müssen wir lösen, ohne Wenn und Aber. Dazu
ist es unumgänglich, nichts zu versprechen, was wir
nicht halten können, und konsequent das umzusetzen,
was wir beschlossen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Ergebnis eines solchen Handelns ist Verlässlich-
keit, und Verlässlichkeit ist die Voraussetzung für Ver-
trauen. Dieses hohe Gut „Vertrauen“ ist seit Gründung der
Wirtschafts- und Währungsunion nur zu oft mit Füßen ge-
treten worden. Um dieses Vertrauen wiederzugewinnen





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


oder überhaupt erst zu schaffen, hat die Bundesregierung
von Anfang an dafür gearbeitet, die Wirtschafts- und
Währungsunion stark und dauerhaft tragfähig zu machen.

Erstens. Wir arbeiten dafür, den Teufelskreis aus
Schuldenmachen und Regelverstößen zu durchbrechen
und einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die Mitglied-
staaten der Euro-Zone dauerhaft zu soliden Staatsfinan-
zen verpflichtet. Dazu wurde der Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt gestärkt. Der Fiskalvertrag wurde im März
dieses Jahres unterzeichnet. Übermorgen steht er hier
und im Bundesrat zur Abstimmung.

Zweitens. Die Bundesregierung hat sich dafür einge-
setzt, einen permanenten Krisenbewältigungsmechanis-
mus zu schaffen, um zukünftige Gefahren für die Stabili-
tät der Euro-Zone wirksam abwehren zu können. Auch
über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM,
der so bald wie möglich an die Stelle des temporären
Rettungsschirms treten soll, wird übermorgen im Bun-
destag und im Bundesrat abgestimmt.

Drittens. Die Bundesregierung setzt sich für die Stär-
kung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Die Wettbewerbsfä-
higkeit zu stärken, das ist die Voraussetzung für nachhal-
tiges Wachstum. Diesem Ziel diente bereits der im März
letzten Jahres beschlossene Euro-Plus-Pakt, und diesem
Ziel dienten die Beratungen bei allen Europäischen Rä-
ten in diesem Jahr über die Frage, wie wir Wachstum
und vor allen Dingen Arbeitsplätze schaffen können,
ohne dass dies auf Pump geschieht.

Konsolidierung und nachhaltiges Wachstum bedingen
einander. Auf Dauer ist das eine nicht ohne das andere
zu haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ging und es geht also nicht um Sparen um des Spa-
rens willen, sondern darum, Spielräume für eine nach-
haltige Haushaltspolitik zurückzugewinnen, für eine
Haushaltspolitik, die nicht auf Kosten kommender Ge-
nerationen gemacht wird. Darüber – das haben die inten-
siven und konstruktiven Gespräche der letzten Wochen
gezeigt – besteht inzwischen auch breiter und fraktions-
übergreifender Konsens in diesem Hause. Dafür danke
ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Deutschland gibt sowohl mit einer am Ergebnis orien-
tierten Diskussionskultur als auch mit dem Inhalt der Be-
schlüsse, die wir vorhin im Kabinett verabschiedet ha-
ben und die wir am Freitag im Bundestag und im
Bundesrat beschließen werden, ein starkes Signal nach
innen wie nach außen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist ein Signal der Entschlossenheit und der Geschlos-
senheit, die europäische Staatsschuldenkrise zu überwin-
den, und zwar nachhaltig. Genau darum, um Nachhaltig-
keit, hat es zu gehen, nicht um Strohfeuer.

Wenn wir morgen in Brüssel dem Fiskalvertrag einen
kraftvollen Pakt für Wachstum und Beschäftigung an die
Seite stellen, dann werden deshalb ganz oben auf der
Wachstumsagenda auch weiterhin die Strukturreformen

der Mitgliedstaaten für mehr Wettbewerbsfähigkeit ste-
hen. Sie sind der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum.

Vieles ist schon auf den Weg gebracht worden. Erste
Erfolge sind in einer Reihe von Mitgliedstaaten zu ver-
zeichnen. Dies gilt insbesondere für die Programmländer
Irland und Portugal, die eindrucksvoll bestätigen, wie
der Ansatz aus Konsolidierung und Strukturreformen,
flankiert durch solidarische europäische Unterstützung,
gelingen kann.

Italien hat mit Mario Monti den Weg hin zu soliden
öffentlichen Finanzen, Wachstum, Beschäftigung und
Wettbewerbsfähigkeit eingeschlagen. Spanien hat mit
Mariano Rajoy und seiner Regierung im letzten halben
Jahr wichtige Reformen auf den Weg gebracht. Es ist
richtig, dass er für die Herausforderungen im Banken-
sektor, die im Übrigen auf Fehlentwicklungen im Immo-
bilienbereich in den letzten 10 bis 15 Jahren beruhen,
jetzt auf die europäischen Hilfsinstrumente zurückgreift,
die ja genau für diesen Zweck geschaffen wurden.

Meine Damen und Herren, es steht völlig außer Zwei-
fel: Alle Mitgliedstaaten, auch Deutschland, müssen ihre
Hausaufgaben machen, die ihnen die Europäische Kom-
mission – zum ersten Mal im Übrigen im Rahmen des
neuen Stabilitätspakts – in ihren Länderberichten aufge-
geben hat.

Dies werden wir beim Europäischen Rat zusammen
mit den Partnern noch einmal bekräftigen. Ich möchte
der Kommission ausdrücklich für die sehr ehrlichen und
sehr spezifischen Berichte danken. Auf dieser Grundlage
kann die gezielte europäische Unterstützung und Förde-
rung nationaler Maßnahmen erfolgen.

Ein gutes Beispiel dafür, wie beides ineinandergreifen
kann, ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Ich werde auf dem Rat dafür eintreten, dass sich alle
Mitgliedstaaten verbindlich verpflichten, jedem Jugend-
lichen binnen weniger Monate nach Schulabschluss oder
Jobverlust ein hochwertiges Angebot für eine neue Ar-
beitsstelle, eine Aus- oder Weiterbildung oder ein Prakti-
kum zu machen.

Zudem sollen befristete Einstellungszuschüsse aus
dem Europäischen Sozialfonds finanziert werden kön-
nen. Damit sollen für Unternehmen Anreize gesetzt wer-
den, Jugendliche auszubilden oder einzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Darüber hinaus sollten wir junge Menschen bei der
Arbeitsuche in anderen EU-Mitgliedstaaten unterstüt-
zen. „Dein erster EURES-Arbeitsplatz“ – so heißt die
Initiative des Europäischen Portals für berufliche Mobi-
lität, die genau das leisten will und die wir erweitern und
finanziell aufstocken sollten. Die Bundesarbeitsministe-
rin wird sich auf europäischer Ebene intensiv dafür ein-
setzen, dass wir neben dem Binnenmarkt auch mehr Mo-
bilität auf den Arbeitsmärkten bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Außerdem werde ich mich beim Europäischen Rat
weiterhin dafür starkmachen, EU-Finanzmittel insge-





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


samt stärker zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit
und Wachstum einzusetzen.

Dazu gehört zum einen, noch nicht abgerufene Mittel
aus den europäischen Strukturfonds – das könnten noch
etwa 65 Milliarden Euro sein – rasch und gezielt für In-
vestitionen einzusetzen, die ganz besonders Wachstum
und Beschäftigung fördern. Laut Kommission konnten
bis Mai bereits circa 7,3 Milliarden Euro für die Verbes-
serung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendli-
che und für einen verbesserten Zugang kleiner und mitt-
lerer Unternehmen zu Finanzmitteln mobilisiert werden.
Die Kommission schätzt, dass davon mindestens
460 000 Jugendliche und 56 000 kleine und mittlere Un-
ternehmen profitieren würden.

Um EU-Finanzmittel stärker zur Förderung von Wett-
bewerbsfähigkeit und Wachstum einzusetzen, gehört
zum anderen auch, das Eigenkapital der Europäischen
Investitionsbank um 10 Milliarden Euro aufzustocken.
Damit könnten, so die Europäische Kommission, in den
nächsten vier Jahren Kredite in Höhe von insgesamt
60 Milliarden Euro zusätzlich gewährt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schließlich gehört auch die Pilotphase zu der Projekt-
anleiheninitiative dazu. Sie muss zügig begonnen wer-
den. Wenn es geeignete Projekte gibt, können wir sie bis
2013 aufstocken. Mit einer Absicherung von 1 Milliarde
Euro aus dem EU-Haushalt könnten, so die Kommis-
sion, Investitionen in Höhe von bis zu 5 Milliarden Euro
mobilisiert werden.

Insgesamt geht es bei den von mir dargestellten Maß-
nahmen um 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eu-
ropäischen Union oder, anders gesagt, um etwa 130 Mil-
liarden Euro, die wir zusätzlich in Wachstum investieren
können. Das ist ein starkes Signal.

Der Gedanke von Wachstum und Beschäftigung muss
uns darüber hinaus in den Verhandlungen über den
nächsten EU-Finanzrahmen leiten; denn auch auf euro-
päischer Ebene müssen wir dazu kommen, Wege zu fin-
den, wie begrenzte Ressourcen am sinnvollsten einge-
setzt werden können. Dazu hat Deutschland zusammen
mit gleichgesinnten Mitgliedstaaten eine Debatte unter
der Überschrift „Better spending“ eingefordert. Ziel ist
es also, den EU-Haushalt 2014 bis 2020, der immerhin
ein Volumen von rund 1 000 Milliarden Euro haben
wird, eindeutig auf die Förderung von Wachstum und
Beschäftigung auszurichten.

Meine Damen und Herren, neben dem Pakt für
Wachstum und Beschäftigung wird ein weiterer Schwer-
punkt des Europäischen Rates die Finanzstabilität im
Euro-Raum sein. Die Ratifikation des ESM-Vertrags in
den Euro-Staaten ist weit fortgeschritten. Die Situation
in Spanien zeigt, wie wichtig es ist, auch den Banken-
sektor verstärkt in den Blick zu nehmen und Anste-
ckungsgefahren zwischen Banken und Staatsfinanzen zu
verringern. Zu diesem Zweck brauchen wir eine glaub-
würdige europäische Bankenaufsicht, die objektiv agiert
und auf nationale Belange keine Rücksicht nimmt.

Zumindest die systemrelevanten Banken sollten künf-
tig einer verstärkten gemeinsamen Aufsicht unterliegen.
Hierzu müssen wir einen konkreten Fahrplan entwickeln
und bald die ersten Schritte gehen.

Die Verhandlungen über europäische Gesetzgebungs-
vorhaben, die bereits auf dem Tisch liegen, sollten be-
schleunigt werden. Diese betreffen die Sanierung und
die geordnete Abwicklung von Kreditinstituten und die
Verbesserung der nationalen Einlagensicherung zuguns-
ten von Kleinanlegern und Sparern.

Die Bundesregierung wird sich darüber hinaus für
weitere Schritte der Finanzmarktregulierung einsetzen,
unter anderem zur Reduzierung der Systemrelevanz gro-
ßer Finanzmarktakteure und zur Regulierung der Schat-
tenbanken; das war auch Thema auf dem G-20-Gipfel in
Los Cabos.

Wir sind uns darüber hinaus fraktionsübergreifend ei-
nig, die Einführung einer Finanztransaktionsteuer weiter
voranzutreiben. Ich freue mich, dass beim Finanzminis-
terrat in der letzten Woche die nötige Zahl von mindes-
tens neun Mitgliedstaaten erreicht wurde


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Joachim Spatz [FDP])


– der Beifall gilt dem Finanzminister; ich bedanke mich
in seinem Namen –,


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


um für dieses Anliegen eine sogenannte verstärkte Zu-
sammenarbeit auf den Weg zu bringen. Heute haben wir
im Kabinett beschlossen, den dazu erforderlichen Antrag
zu stellen. Wir erwarten, dass die Europäische Kommis-
sion die erforderlichen Schritte einleitet, damit das euro-
päische Gesetzgebungsverfahren möglichst bis Ende
dieses Jahres abgeschlossen werden kann. Uns leitet die
Überzeugung, dass der Finanzsektor einen angemesse-
nen Anteil zur Bewältigung der Kosten der Finanzkrise
leisten muss. Die Finanztransaktionsteuer wird genau zu
diesem Zwecke erhoben werden.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt
des Rates wird die Entwicklung der Wirtschafts- und
Währungsunion sein. Die Staatsschuldenkrise zeigt uns
täglich, dass Fehlentwicklungen in einem Land der
Euro-Zone die Euro-Zone als Ganzes in Schwierigkeiten
bringen können. Sie zeigt uns auch, dass nationale Ant-
worten nicht ausreichen, um die Stabilität des Euro-
Raums zu sichern. Länder eines gemeinsamen Wäh-
rungsraums müssen fest entschlossen sein, gemeinsam
vereinbarte Regeln einzuhalten und darauf hinzuarbei-
ten, ihre jeweilige Wettbewerbsfähigkeit schrittweise an-
zugleichen, und zwar nicht am Mittelmaß ausgerichtet,
sondern an den jeweils Besten in Europa oder im welt-
weiten Maßstab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich bin fest davon über-
zeugt: Es geht dabei um etwas sehr, sehr Grundsätzli-





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


ches. Wir leben in sehr entscheidenden Monaten für die
Zukunft Europas. In dieser Krise geht es um nicht mehr
und nicht weniger als um die Frage, ob wir auch in Zu-
kunft in Europa in Wohlstand leben können – angesichts
eines sich weltweit völlig verändernden Wettbewerbs.
Die Schwellenländer sind motiviert. Wie wir diese Frage
im Zusammenhang mit der Lösung der Staatsschulden-
krise beantworten, davon hängt das Leben künftiger Ge-
nerationen in ganz entscheidendem Maße ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vor diesem Hintergrund müssen wir uns anschauen,
was seit der Einführung des Euros geschehen ist. Die
Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der Mitglied-
staaten der Euro-Zone haben sich zum Teil über viele
Jahre vergrößert, und die Kriterien, die wir uns mit dem
Stabilitäts- und Wachstumspakt selbst gegeben haben,
wurden immer wieder aufgeweicht. Es zeigte und zeigt
sich immer wieder, dass es bislang keinerlei Möglichkei-
ten in der Währungsunion gibt, durch Eingriffe in natio-
nales Handeln die Einhaltung der selbst gesetzten Maß-
stäbe durchzusetzen. Das genau sind die Fehler, die bei
der Einführung des Euro gemacht wurden, weil die Wirt-
schafts- und Währungsunion nicht, wie ursprünglich ge-
plant, mit einer politischen Union kombiniert wurde.
Das hat uns inzwischen weltweit viel Vertrauen gekostet,
Vertrauen von Investoren, die in europäische Staatsanlei-
hen investieren sollten. Dieses Vertrauen muss jetzt
mühsam wiedergewonnen werden, und dies geht nur,
wenn wir die Versäumnisse der Vergangenheit beheben
und so die Nachhaltigkeit und Funktionsfähigkeit der
Währungsunion sichern. Die Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion muss eine Stabilitätsunion werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden beim Europäischen Rat einen Arbeitsplan
aufstellen und eine Arbeitsmethode entwickeln, wie wir
die Versäumnisse der Vergangenheit überwinden kön-
nen. Ausgangspunkt unserer Diskussion wird ein Bericht
sein, den der Präsident des Rates zusammen mit dem
Präsidenten der Kommission, dem Vorsitzenden der
Euro-Gruppe und dem Präsidenten der Europäischen
Zentralbank den Staats- und Regierungschefs übersandt
hat. Dem Parlament liegt dieser Bericht vor.

Um es klar zu sagen: Ich teile die in diesem Bericht
niedergelegte Auffassung, dass vier Bausteine für eine
zukünftige Zusammenarbeit in einer stabilen Währungs-
union wesentlich sind: erstens die integrierte Zusam-
menarbeit der systemrelevanten Finanzinstitute, zwei-
tens eine integrierte Fiskalpolitik, drittens ein Rahmen
für eine integrierte Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik
und viertens die demokratische Legitimation einer sol-
chen verstärkten Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten
der Euro-Zone, was ja bekanntlich im Augenblick nur
17 von 27 sind.

Ich sage auch: Diese vier Bausteine gehören eng zu-
sammen. Sie entfalten nur gemeinsam ihre Wirkung.
Aber ebenso klar sage ich: Ich widerspreche entschie-
den, dass im Bericht vorrangig der Vergemeinschaftung
das Wort geredet wird und erst an zweiter Stelle – und

das auch noch sehr unpräzise – mehr Kontrolle und ein-
klagbare Verpflichtungen genannt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Somit stehen Haftung und Kontrolle in diesem Bericht in
einem klaren Missverhältnis.

Damit, so fürchte ich, wird auf dem Rat insgesamt
wieder viel zu viel über alle möglichen Ideen für eine ge-
meinschaftliche Haftung und viel zu wenig über verbes-
serte Kontrollen und Strukturmaßnahmen gesprochen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ganz abgesehen davon, dass Instrumente wie Euro-
Bonds, Euro-Bills, Schuldentilgungsfonds und vieles
mehr in Deutschland schon verfassungsrechtlich nicht
gehen, halte ich sie auch ökonomisch für falsch und kon-
traproduktiv.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Kontrolle und Haftung dürfen nicht in einem Miss-
verhältnis zueinander stehen. Kontrolle und Haftung
müssen Hand in Hand gehen. Gemeinsame Haftung
kann erst dann stattfinden, wenn ausreichende Kontrolle
gesichert ist. Ich erinnere nur daran, dass weder Bund
und Länder in Deutschland noch Staaten wie Amerika
oder Kanada eine gesamtschuldnerische Haftung für ihre
aufgenommenen Anleihen kennen. Vielmehr brauchen
wir, um eine Stabilitätsunion zu entwickeln, mehr
Durchgriffsrechte der europäischen Ebene, wenn Haus-
haltsregeln verletzt werden. Dazu verabschieden wir als
ersten Schritt am Freitag den Fiskalpakt.

Ich habe es hier schon früher gesagt und wiederhole
es noch einmal: Ich hätte mir gewünscht, dass schon frü-
her bei Nichteinhaltung des Stabilitätspakts ein Eingriff
in nationale Haushalte möglich ist. Auch brauchen wir
eine größere Verbindlichkeit in den Bereichen, die im
Euro-Plus-Pakt und in der Agenda 2020 angesprochen
sind, angefangen bei den schon oft versprochenen Aus-
gaben für Forschung und Innovation aller Mitgliedstaa-
ten bis hin zu einer Angleichung der Lohnstückkosten.
Ich werde deshalb in Brüssel ausloten, ob andere Mit-
gliedstaaten bereit sind, einen solchen Weg inklusive
notwendiger Vertragsänderungen zu gehen.

Ich werde aber auch deutlich machen: Die Zeit
drängt. Die Welt wartet auf unsere Entscheidungen.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Wohl wahr!)


Die Welt will verstehen – ich habe das in Los Cabos im-
mer wieder gemerkt –: Wohin geht diese Europäische
Union, insbesondere die Euro-Gruppe? Was ist die
Struktur, in der sie verlässlich arbeiten kann?

Dabei steht für mich im Übrigen außer Frage, dass es
zur Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit im Euro-
Raum über die bekannten Struktur- und Kohäsionsfonds
der 27 Mitgliedstaaten hinaus sicher auch unter den 17
noch stärkerer Mittel der Solidarität bedarf. Zum Bei-
spiel könnte man sich vorstellen, dass Einnahmen aus
der Finanztransaktionsteuer genau dafür verwendet wer-
den. Euro-Bonds oder, wie es im Bericht heißt, die Emis-





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


sion gemeinsamer Schuldtitel halte ich jedoch für den
falschen Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es bedarf anderer Mechanismen, die an die Verbesse-
rung der Wettbewerbsfähigkeit streng gekoppelt sein
müssen.

Eine Währungsunion wird den Menschen in Europa
nur dann dienen, wenn wirklich alle Kräfte dafür einge-
setzt werden, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Nur wenn wir die besten Produkte herstellen und die
besten Dienstleistungen anbieten, werden wir auch dau-
erhafte Arbeitsplätze für die Menschen schaffen können.
Davon bin ich zutiefst überzeugt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich mache mir keine Illu-
sionen. Ich erwarte in Brüssel kontroverse Diskussionen.
Einmal mehr werden sich dabei viele Augen auf
Deutschland richten. Doch ich wiederhole hier und heute
das, was ich in diesem Haus zuletzt am 14. Juni 2012 ge-
sagt habe:

… Deutschland ist Wirtschaftsmotor, und … Stabi-
litätsanker in Europa. …

Auch Deutschlands Stärke ist nicht unendlich; auch
Deutschlands Kräfte sind nicht unbegrenzt.

Auch Deutschlands Kräfte dürfen wir nicht überschät-
zen.

Wenn wir das beherzigen, dann können Deutschlands
Kräfte für unser Land und für Europa ihre volle Wirkung
entfalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Beherzigen wir das nicht, dann wäre alles, was wir pla-
nen, verabreden, umsetzen, am Ende nichts wert, weil
klar wäre, dass es Deutschland überforderte, und das
wiederum hätte unabsehbare Folgen für Deutschland
und Europa. Das werden wir nicht zulassen.

Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, dass wir der
Währungsunion ein stabiles Fundament geben. Die Feh-
ler der Vergangenheit dürfen auf keinen Fall wiederholt
werden. Gleiche Zinssätze durch Euro-Bonds politisch
zu erzwingen, nachdem sie schon bei den Märkten nicht
gut gewirkt haben, das wäre die Wiederholung eines al-
ten Fehlers und nicht die richtige Lehre aus den Erfah-
rungen.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Stattdessen werde ich mich auf dem Rat dafür einsetzen,
dass wir einen Zeitplan und eine Arbeitsmethode für die
aufgeworfenen Fragestellungen verabschieden. Dies
sollte angesichts der schwierigen Situation so anspruchs-
voll wie glaubwürdig sein. Unsere Arbeiten müssen die-
jenigen überzeugen, die das Vertrauen in die Euro-Zone
verloren haben – nicht durch Augenwischerei und
Scheinlösungen, sondern indem wir die Ursachen der
Krise bekämpfen. Das meine ich, wenn ich von mehr
Europa spreche.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin
überzeugt, dass mehr Europa, so verstanden, eine zwin-
gende Voraussetzung ist, um unser europäisches Wirt-
schafts- und Gesellschaftsmodell zum Wohle unserer
Bürgerinnen und Bürger im globalen Wettbewerb auf
Dauer zu behaupten. Wir müssen uns jetzt aufmachen,
das nachzuholen, was vor 20 Jahren bei der Gründung
der Wirtschafts- und Währungsunion durch den Vertrag
von Maastricht noch nicht möglich war: die Wirtschafts-
und Währungsunion politisch zu vollenden. Dafür wird
die ganze Bundesregierung, dafür werde ich aus Über-
zeugung arbeiten, auch auf dem morgigen Europäischen
Rat. Ich lade Sie ein, dabei mitzutun.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718600200

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen

den nicht enden wollenden Beifall der Koalitionsfraktio-
nen zu Protokoll.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


– Ich bedanke mich für die Bestätigung meiner Proto-
kollnotiz.

Ich eröffne nun die Aussprache und erteile als Erstem
dem Kollegen Franz-Walter Steinmeier für die SPD-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Rede ID: ID1718600300

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regie-

rungsfraktionen, machen Sie sich ruhig Mut. Er könnte
in den nächsten Monaten nötig sein.


(Beifall bei der SPD)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Zwei Regierungserklärungen in einer Woche, Sitzungen
und Sondersitzungen der Fraktionen, notwendige Zwei-
drittelmehrheiten, Sondersitzungen des Bundesrates,
möglicherweise weitere Sondersitzungen des Deutschen
Bundestages über den Sommer hinweg – Frau Merkel,
es geht in Europa eben nicht nur um Wachstumsraten,
sondern jeder spürt: Es geht in Europa ums Ganze. Die-
sem Ernst der Lage müssen Sie sich stellen und den Leu-
ten in Deutschland reinen Wein einschenken. Das ist
Aufgabe einer Kanzlerin.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe Sie eben sagen hören, es gebe keinen wirk-
lich zuverlässigen Weg aus der Krise. Vor sechs Mona-
ten, am 14. Dezember 2011, haben Sie – das würde ich
Ihnen gerne in Erinnerung rufen – sich an dieses Pult ge-
stellt und mit großem Stolz verkündet – ich zitiere –:

Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten
Wochen die Weichen für dieses neue Europa ge-
stellt, für ein Europa der Stabilität, der Solidarität
und des Vertrauens.





Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)


Frau Merkel, ich weiß nicht, ob Sie das damals selbst
geglaubt haben. Aber eines weiß ich ganz gewiss: Von
einem Europa der Stabilität, der Solidarität und des Ver-
trauens sind wir heute weiter entfernt denn je.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach! Das ist jetzt aber peinlich!)


Das hat auch mit Ihnen und Ihrer Regierung zu tun,
Frau Merkel: mit der Mischung aus einer Fehldiagnose
von Krisenursachen und darauf gegründeter Schulmeis-
terei.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum stimmen Sie denn dann zu? Sie haben immer zugestimmt!)


Sie waren bisher nicht Teil der Lösung, sondern Sie
waren und sind Teil des Problems. Das ist die ganze
Wahrheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die SPD hat immer zugestimmt!)


Vielleicht haben Sie ja im Dezember letzten Jahres
wirklich geglaubt, dass der Scheitelpunkt der Krise be-
reits überschritten ist. Vielleicht dachten Sie damals
tatsächlich: Wenn wir den Fiskalpakt auf den Weg brin-
gen und alle gemeinsam sparen, dann kehren in Europa
wieder Ruhe und Ordnung ein. – Das war damals blau-
äugig. Heute sind Sie durch die harte ökonomische Rea-
lität in Europa schlicht und einfach überholt worden.
Griechenland, Irland und Portugal sind unter dem Ret-
tungsschirm. Spanien und Zypern klopfen an. Griechen-
land wartet wieder vor der Tür. Die Krise schlägt doch in
Wahrheit eine Schneise der Verwüstung durch ganz Eu-
ropa, und es ist kein Ende in Sicht. Die Krise erreicht
auch uns.

Wir haben Ihnen nicht nur von diesem Pult aus, son-
dern immer wieder auch öffentlich gesagt: Konsolidie-
rung ist ganz ohne Zweifel notwendig. Aber wir schaf-
fen das nicht alleine durch Sparen. Wir müssen in
Europa auch für Wachstum sorgen. Das ist unsere eigene
deutsche Erfahrung. – Sie wollten das nicht hören. Aber
ich sage Ihnen: Ihre Politik ist gescheitert, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil das so ist, hätten wir von der SPD es uns leicht
machen können.


(Zurufe von der FDP: „Hätten“? – Was? Habt ihr doch! – Lachen bei Abgeordneten der FDP)


– Ich würde an Ihrer Stelle nicht lachen.


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das stimmt! Mir würde das Lachen im Halse stecken bleiben! – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: In der Tat!)


Wir hätten es uns, wie gesagt, leicht machen und sagen
können: Eine Regierung, die uns nach der Vereinbarung
über den Fiskalpakt auf der europäischen Ebene zehn
Wochen lang nicht zu Gesprächen einlädt, sondern erst
das Ergebnis der nordrhein-westfälischen Landtagswahl
abwartet,


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Richtig!)


eine Regierung, mit der wir seit über zwei Jahren zuver-
lässig die Erfahrung machen, dass sie zunächst alles
Mögliche verhindert, um es sechs oder acht Wochen spä-
ter dann doch zu machen, hat kein Vertrauen und keine
Unterstützung verdient.


(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Richtig! Das hättet ihr sagen müssen!)


Viele unserer Abgeordneten haben gesagt: Lasst sie doch
zusehen, wie sie in der Regierung zurechtkommen. –
Das kann ich dem einen oder anderen nicht einmal ver-
denken.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Es geht jetzt doch nicht um uns!)


– Es geht eben nicht um Sie; genau. Darum haben wir
nicht nach diesem verständlichen Reflex gehandelt, son-
dern sind einen schwereren Weg gegangen. Wir sind
– anders als die Linkspartei, die hier in einer solchen Si-
tuation fröhliche Zurufe macht –


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So fröhlich sind die aber nicht!)


einen schweren Weg gegangen. Wir haben in harten
Verhandlungen Ton und Stoßrichtung der europäischen
Debatte verändert.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was? Das ist nicht Ihr Ernst!)


Die reine Austeritätspolitik ist vom Tisch. Konsolidie-
rung und Wachstum, das ist der neue Zweiklang. Ihn
gäbe es nicht ohne Sozialdemokraten, auch nicht in die-
sem Parlament.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach! Alles Luftblasen!)


Ich sage noch einmal in Richtung der rechten Seite
dieses Parlaments: Ein Fiskalpakt allein, wie Sie ihn ur-
sprünglich verhandelt haben, hätte in diesem Parlament
keine Chance auf eine Zweidrittelmehrheit. Machen Sie
sich das immer wieder klar!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die ergänzenden Wachstumsimpulse, neue Instrumente
wie Projektanleihen, die Stärkung der Europäischen
Investitionsbank und auch das Sofortprogramm gegen
Jugendarbeitslosigkeit sowie die Transaktionsteuer
machen dieses Paket doch erst zustimmungsfähig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)


Das waren unsere Forderungen, und wir haben uns damit
durchgesetzt. Deshalb danke ich allen in meiner Frak-
tion, die geholfen haben, das zu verhandeln.


(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Glauben Sie das eigentlich selbst?)


Wir haben gestern in der Fraktionssitzung ausführlich
über das Verhandlungsergebnis diskutiert. Eine große
Mehrheit in meiner Fraktion steht hinter den erreichten
Vereinbarungen. Wenn der Europäische Rat diesem Ver-
handlungsergebnis folgt, dann werde ich meiner Frak-
tion am Freitag empfehlen können, dem Fiskalpakt und
dem ESM zuzustimmen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Vielen in meiner
Fraktion fällt die Zustimmung zu diesem Gesetz-
gebungspaket nicht leicht, vor allen Dingen wegen der
nicht ganz leichten verfassungsrechtlichen Fragen, die
sich stellen. Wir haben diese verfassungsrechtlichen Fra-
gen in mehreren Fraktionssitzungen hintereinander aus-
führlich miteinander diskutiert, und wir haben versucht,
so weit wie irgend möglich Antworten auf die Fragen zu
geben. Vielleicht haben wir nicht jeden überzeugt; aber
das ist eben auch eine Folge der Rechtskonstruktion für
diesen Fiskalpakt, die ja ursächlich auf die Vorschläge
dieser Regierung zurückgeht. Der Pakt ist nämlich als
ein völkerrechtlicher Vertrag neben und außerhalb des
europäischen Institutionensystems konzipiert, und das
führt uns eben ganz ohne Zweifel auf schwieriges juristi-
sches Terrain.

Deshalb sage ich an dieser Stelle und mit Absicht
heute: Das muss eine absolute Ausnahme bleiben. Hal-
ten Sie sich in Zukunft an geltendes europäisches Recht!
Andernfalls entsteht ein Flickenteppich, mit dem wir in
Zukunft umzugehen nicht mehr in der Lage sind. Das ist
die schlichte Wahrheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann hätten Sie nie eine Transaktionsteuer gekriegt! Mannomann!)


– Herr Kauder, ich darf kurz zur Aufklärung beitra-
gen: Die verstärkte Zusammenarbeit gehört zu den aner-
kannten europäischen Instrumentarien. Das ist nichts
Neues, sondern im europäischen Recht verankert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zweiter Appell. Frau Merkel, es kann nicht sein, dass
das Nachdenken über die Zukunft der Europäischen
Union und über die weitere Ausgestaltung der europäi-
schen Integration allein Exekutivvertretern obliegt. Das
ist ein gefährlicher Weg für uns alle und durch den Deut-
schen Bundestag nicht hinzunehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb ist mein Appell: Wenn Arbeitsgruppen beauf-
tragt werden, müssen Vertreter der Parlamente hinzuge-
zogen werden.

Der morgige Gipfel mag ein Zwischenschritt auf dem
Weg zur Lösung der Krise sein. Vielleicht ist er ein not-
wendiger Schritt, aber ich sage Ihnen voraus – und Sie
sehen es ja nicht anders –: Ein Ausweg aus der Krise
wird dort nicht gefunden. Die Turbulenzen auf den
Finanzmärkten werden nicht zu Ende sein. Das ist ja in
der Tat auch der Grund, weshalb Sie schon jetzt weiter-
reichende Beschlüsse für die Zukunft ankündigen.

Weil Sie eben die Verhandler und die Autoren solcher
Papiere auf der Brüsseler Ebene gelobt haben, sage ich
Ihnen: Auf den Brüsseler Fluren spricht sich etwas ganz
anderes herum. Da wird eine ganz andere Geschichte er-
zählt. Es wird nämlich gesagt: Statt Van Rompuy dabei
zu unterstützen, mutige Integrationsschritte nach vorne
zu gehen, hat Berlin im Vorfeld schon den Rotstift ange-
setzt, und über die Hälfte des Textes, den Van Rompuy
entworfen hat, ist dem schon zum Opfer gefallen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Deshalb ist es etwas heuchlerisch, wenn Sie sagen, die
Reformkommission habe gute Arbeit geleistet. Das wird
hier bei anderer Gelegenheit, wenn wir die Texte ken-
nen, noch zur Sprache kommen.

Heute und zum Schluss sage ich Ihnen: Unsere Er-
wartung an diese Regierung und an Sie, Frau Bundes-
kanzlerin, ist: Sorgen Sie dafür, dass das Verhandlungs-
ergebnis verbindlich in die Ergebnisse des Europäischen
Rates eingehen wird. Nur dann wird die Zweidrittel-
mehrheit hier im Deutschen Bundestag zu erreichen
sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718600400

Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Brüderle für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1718600500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Beim bevorstehenden Europäischen Rat am 28./
29. Juni werden Entscheidungen getroffen, um das
wirtschaftliche Wachstum in Europa zu stimulieren.
Die Maßnahmen sind mit Blick auf die Südländer
der Europäischen Union richtig, um deren Abglei-
ten in eine Rezession zu verhindern oder abzumil-
dern. Die Stärkung der Europäischen Investitions-
bank, die Bündelung von Strukturfonds und die
diskutierten Projektanleihen werden aber das
grundlegende Problem nicht beheben: Die meisten
europäischen Volkswirtschaften sind international
nicht wettbewerbsfähig.

Die Konjunkturprogramme werden nur zeitlich
begrenzt helfen, jedoch keines der strukturellen
Probleme lösen. Die Bundeskanzlerin ist daher gut
beraten, auf dem Gipfel im Gegenzug auf weitere
Reformen in den Mitgliedstaaten zu bestehen.





Rainer Brüderle


(A) (C)



(D)(B)


Europa braucht eine mutige Reformagenda, um die
Haushalte zu konsolidieren, die Wettbewerbsfähig-
keit zu erhöhen und damit Arbeitsplätze zu schaf-
fen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Nachhaltiges Wachstum wird durch Strukturrefor-
men erzielt.

Ich habe eigentlich erwartet, dass jetzt die SPD in
Jubelstürme ausbricht. Es rührt sich jedoch keine Hand.
Ich habe bisher ungekürzt und unverändert Ihren
Altkanzler Gerhard Schröder zitiert.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich hätte hier wohl den kompletten Text aus dem Han-
delsblatt vom letzten Freitag vortragen können, Sie hät-
ten es nicht gemerkt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Doch, ich habe es gelesen!)


Sie haben nicht einmal die Botschaft verstanden,


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wir haben Sie nicht verstanden!)


die volkswirtschaftliche nicht und die politische nicht.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie haben die Pointe versaut!)


Der Ratschlag an die Kanzlerin ist in Wahrheit ein Warn-
schuss an die eigenen Reihen: Der SPD würde gut zu
Gesicht stehen, nicht den Job der französischen Sozialis-
ten zu machen. Das ist Schröders Warnschuss.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Müntefering hat vor ein paar Wochen den Anfang ge-
macht. Er fordert von der SPD-Führung quasi mehr
Schröder und weniger Hollande. Uns müssen Schröder
und Müntefering nicht von der Steigerung der Wett-
bewerbsfähigkeit überzeugen. Wir sind Sachwalter in
Fortsetzung der Agendapolitik, von der sich Herr
Gabriel verabschiedet hat.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Ihre Sachverwaltung lässt zu wünschen übrig!)


Die christlich-liberale Koalition drängt auf Struktur-
reformen. Wir mahnen es bei unseren Partnern an. Wir
haben viel durchgesetzt: Stichwort „Six-Pack“, Stich-
wort „Fiskalpakt“. Viele internationale Beobachter sa-
gen: So viel deutsche soziale Marktwirtschaft war in der
EU noch nie.


(Lachen des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])


Da klingt auch ein wenig alte Befürchtung mit. Das soll-
ten wir nicht vergessen. Aber es wird von uns Führung
erwartet. Es ist gut und richtig, dass die deutsche Stabili-
tätskultur europäisiert wird. Jedes Wachstum braucht ein
Fundament. Schulden sind kein Fundament für eine gute
wirtschaftliche Entwicklung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Fundamente sind Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität.

Herr Steinmeier hat zu Recht darauf hingewiesen: Die
Schuldenkrise ist eine Bewährungsprobe für unsere par-
lamentarische Demokratie in Deutschland. Im Moment
haben viele Menschen den Eindruck, Italiener, Spanier,
Franzosen wollen vor allem Deutsche anzapfen. Wir sol-
len für spanische Schrottimmobilien zahlen. Wir sollen
den Franzosen die Rente mit 60 finanzieren.


(Widerspruch bei der SPD)


Wir sollen die Italiener im Allgemeinen finanzieren. Das
ist das Stimmungsbild vieler in Deutschland. Das muss
man einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Die Grünen führen eine ganz andere Debatte. Am
Wochenende konnte man das fast greifen: Sie sind in der
Europafrage tief gespalten.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Wir Liberale haben zu dieser Frage einen Mitgliederent-
scheid durchgeführt. Das war ein Kraftakt. Sie reden von
Basisdemokratie, trauen sich so etwas selber aber nicht
zu. Sie halten nur Sonntagsreden, wir haben es gemacht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Grünen haben den Schuldentilgungsfonds, der ihr
Hauptanliegen war, in den Verhandlungen nicht durch-
setzen können. Das schmerzt sie, aber jeder musste Krö-
ten schlucken. In Deutschland und in Europa haben sich
alle politischen Kräfte bewegen müssen. Ihre Idee, alte
Schulden aus Griechenland, Spanien und Italien mit
deutschen Steuergeldern zu tilgen, ist der Bevölkerung
nicht vermittelbar, verfassungsrechtlich nicht konform
und nicht zulässig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: Unfug!)


Ich verstehe nicht, weshalb die Grünen sich diese Idee
auf die Fahnen geschrieben haben. Sonst reden die Grü-
nen von Nachhaltigkeit und Verursacherprinzip. Bei der
Vergemeinschaftung von Schulden ist davon nichts zu
hören. Mit einem Schuldensozialismus ist niemandem
gedient.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Gleiche gilt für die sogenannte Bankenunion, ein
schönes, aber gefährliches Wort. Wir haben noch eine ei-
nigermaßen funktionierende Einlagensicherung bei den
Sparkassen, den Genossenschaftsbanken und den priva-
ten Banken. Wenn andere Mitgliedstaaten sich anstren-
gen wollen, auf unser Niveau zu kommen, ist das in Ord-
nung.


(Johannes Kahrs [SPD]: Auf Ihr Niveau?)


Bislang versteht man das in Europa unter Harmonisie-
rung. Aber Harmonisierung kann nicht heißen, andere
für die eigenen Probleme zahlen zu lassen. Es ist nicht
vermittelbar, dass die deutsche Oma mit ihrem Sparbuch





Rainer Brüderle


(A) (C)



(D)(B)


für die Schulden von Investmentbankern in anderen Län-
dern haften soll. Das geht nicht an.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist ja ganz unfassbar!)


Manchmal habe ich den Wunsch, dass unsere Partner
vielleicht mehr Fantasie in Hinsicht auf die Struktur-
reformen als bezüglich der Verteilung von Finanzgeld in
Europa verwenden sollten. Gerhard Schröder hat voll-
kommen recht: Man kann in den Süden Geld hinein-
schütten, aber mehr als ein kleines Strohfeuer wird man
damit nicht entfachen können. Die Mitgliedstaaten im
Süden müssen wirkliche Strukturreformen anpacken. Da
ist Schröder voll und ganz zuzustimmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht um drei Dinge: erstens Wettbewerbsfähigkeit,
zweitens Wettbewerbsfähigkeit und drittens Wettbe-
werbsfähigkeit.


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Was anderes können Sie nicht!)


Wir Deutsche sind in hohem Maße solidarisch. Unsere
direkten und indirekten Haftungsrisiken belaufen sich
nach vielen Schätzungen auf die Größenordnung von
700 Milliarden Euro. Das ist zweimal die Größe des
Bundeshaushaltes. Uns kann keiner vorwerfen, wir seien
nicht solidarisch und wir würden nichts tun. Wir sind be-
reit, Spanien zu helfen. Auch Zypern erwartet von uns
Solidarität. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße.
Strukturreformen in diesen Ländern sind unabdingbar.
Das gilt auch für unsere griechischen Freunde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Weitere Unterstützung für Griechenland kann es nur
geben, wenn sich die Hellenen an die Vorgaben der
Troika halten. Von getroffenen Vereinbarungen darf man
nicht abrücken. Jetzt haben Van Rompuy, Barroso,
Draghi und Juncker Vorschläge für eine politische Union
gemacht. Ob darin die vier Muskeltiere die Zukunft Eu-
ropas sehen, muss sich noch erweisen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Musketiere, nicht Muskeltiere!)


Nur, mehr Europa darf nicht weniger Demokratie be-
deuten. Eine Eurokratur ist nicht unser Ziel. Europa
muss von den Bürgern getragen werden. Wir brauchen
ein verständliches Recht. Wir brauchen ein gutes Recht.
Wir müssen Defizite ausgleichen. Es ist nicht in Ord-
nung, dass Malta bei der Europäischen Zentralbank das
gleiche Stimmgewicht hat wie die Bundesrepublik
Deutschland. Es ist nicht in Ordnung, dass in Europa
nicht gilt: One man oder one woman, one vote. Auch das
muss sich ein Stück weit ändern, wenn Europa eine Er-
folgsstory sein soll.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber entscheidend ist: Damit Europa eine Erfolgs-
story wird, müssen wir es schaffen, die Herzen der Men-

schen zu erreichen. Davon sind wir noch ein Stück ent-
fernt. Daran müssen wir alle arbeiten. Europa darf nicht
das Projekt von einigen politischen Eliten sein, sondern
es muss das Projekt der Menschen sein und in den Her-
zen der Menschen ankommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Setzen! Sechs! – Günter Gloser [SPD]: Reaktionär! – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das Niveau war wirklich unterirdisch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718600600

Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718600700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

deskanzlerin, Griechenland ist im fünften Jahr der Re-
zession am wirtschaftlichen Abgrund, und der Bevölke-
rung droht Armut. Zypern stellt als fünftes Land einen
Antrag an den Rettungsschirm. Es ist nämlich von der
Krise in Griechenland mit betroffen.

Portugal und Irland sind ebenfalls in der Rezession,
und zwar dank der Spardiktate. Italien schlittert gerade
in eine schlimme Krise. Spanien ist ebenfalls in der Re-
zession, und es droht ein Kollaps der Banken. Deshalb
hat Spanien ebenfalls einen Antrag an den Rettungs-
schirm gestellt.

Aber gestern – das will ich Ihnen erzählen – war der
Konzernbetriebsratsvorsitzende von Iveco, einer Firma
in Ulm, bei mir. Er hat mir erzählt, dass diese Firma Lkw
nach Italien und Spanien verkauft. Da Italien und Spa-
nien immer weniger Geld haben, werden dort immer we-
niger Lkw gekauft. Deshalb hat Iveco mitgeteilt, sie
müssten jetzt 670 Beschäftigte und 100 Azubis entlas-
sen. Das ist ihr Plan.

Nun hat der Betriebsrat Folgendes erfahren: Iveco
will in seine Firma, die es in Spanien hat, investieren,
und die spanische Regierung hat zugesagt, dass sie dafür
500 Millionen Euro bekommen.

Jetzt müssen Sie den deutschen Steuerzahlerinnen
und Steuerzahlern Folgendes erklären: Wir zahlen Geld,
um den Rettungsschirm aufzustocken. Das sind Steuer-
gelder der Bürgerinnen und Bürger. Spanien sagt, es sei
pleite. Darum braucht Spanien dringend Geld. Aber
dann bezahlen sie 500 Millionen Euro, um hier 670 Ar-
beitsplätze und 100 Azubistellen abzubauen. Das ist
doch wohl nicht zu fassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir dürfen uns von den Unternehmen in Europa nicht
länger so vorführen und veralbern lassen.


(Zuruf von der SPD: Gysi steigt ins Bett von Brüderle!)


80 Jahre nach der letzten großen Wirtschaftskrise wur-
den Lehren daraus nicht beherzigt.





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)


Ich sage auch Ihnen, Herr Brüderle: Schulden lassen
sich weder mit Ausgabenkürzungen bei Renten, Gesund-
heit und Investitionen noch mit Lohnsenkungen und der
Erhöhung von Verbrauchsteuern à la Reichskanzler
Heinrich Brüning bekämpfen. Denn diese Politik be-
schleunigt den wirtschaftlichen Niedergang und erhöht
die Verschuldung.


(Beifall bei der LINKEN)


EU-Kommissar Barnier hat gesagt, dass schon
4 500 Milliarden Euro für die Bankenrettung ausgege-
ben worden sind: eine unvorstellbare Summe. Deshalb
bleibe ich dabei: Ihr Begriff „Staatsschuldenkrise“ ist
falsch; es ist eine Bankenkrise. Die Staaten sind nur des-
halb so hoch verschuldet, weil sie permanent die Banken
und Hedgefonds retten.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber es kommt noch eine neue Dimension der Krise
auf uns zu. Bis 2014 braucht Spanien 350 Milliarden
Euro und Italien 670 Milliarden Euro, nur um die alten
Schulden abzulösen. Woher soll das Geld kommen?

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die Euro-
päische Zentralbank zu 27 Prozent von den deutschen
Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt wird. Ich
bleibe bei meinem Beispiel – ich muss es wiederholen –:
Die Europäische Zentralbank hat den großen privaten
Banken in Europa 1 Billion Euro zur Verfügung gestellt:
als Darlehen für drei Jahre zu 1 Prozent Zinsen. Die
Staaten, die das Geld brauchen, bekommen es jetzt von
diesen Banken. Das heißt, wir vergeben an die großen
privaten Banken Staatsgeld zu 1 Prozent, und dann ver-
langen diese von Spanien und Italien 6 Prozent Zinsen
für das Geld, das sie ihnen geben.

Erklären Sie doch einmal der Bevölkerung, warum
wir nicht direkt ein Darlehen an Spanien oder Italien ver-
geben!


(Beifall bei der LINKEN)


Warum müssen wir dazwischen noch die Großaktionäre
der privaten Banken reich machen, und zwar zulasten
der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die die Diffe-
renz bezahlen müssen?


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das kann man nicht erklären, weil das Beispiel falsch ist!)


Die Mehrheit der anderen Staaten der Euro-Zone ist
zu einer Politik, wie sie von der Bundesregierung und
Frau Merkel vorgegeben wird, nicht mehr bereit: weder
die französische noch die italienische noch die spanische
Regierung.

Jetzt habe ich eine Frage an die Bundeskanzlerin und
an den Bundesfinanzminister. Es ist mir sehr ernst. Sie
wollen doch, dass der Fiskalvertrag in diesem Jahr in
Kraft tritt. Dann würde er ab 1. Januar 2013 gelten.
Wenn Sie das wollen, dann erklären Sie mir Folgendes:
Im Fiskalvertrag steht, dass die Schulden eines Staates
auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt sind.
Unsere Schulden liegen heute bei 81,2 Prozent der Wirt-
schaftsleistung. Dann müssen wir – das besagt der Ver-

trag – 20 Jahre lang pro Jahr 5 Prozent der überschießen-
den Verschuldung abbauen. Das wären zurzeit etwa
25 Milliarden Euro. Ferner regelt der Vertrag, dass die
Neuverschuldung nur bei 0,5 Prozent des Bruttoinlands-
produkts liegen darf. Das wären zurzeit 12,5 Milliarden
Euro. Nun erklären Sie doch einmal, Herr Bundesfinanz-
minister Schäuble, weshalb Sie dann für 2013 den Ent-
wurf eines Haushaltsplans mit einer Neuverschuldung
von 18,8 Milliarden Euro vorlegen. Glauben Sie nicht
daran, dass der Vertrag in Kraft tritt? Hoffen Sie auf ei-
nen Erfolg der Linken beim Bundesverfassungsgericht?


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Oder wollen Sie ernsthaft, dass der Vertrag in Kraft tritt,
und gleich mit einer Vertragsverletzung beginnen? Die
Folgen wären dann übrigens verbindliche, von der EU-
Kommission festzusetzende Sanktionen, die wir eben-
falls bezahlen müssten. Aber Deutschland kann doch
nicht den Vertrag in Kraft setzen wollen und sich gleich
von Beginn an mit einer Verletzung abfinden.

Meine zweite Frage. Wenn wir dann jährlich etwa
25 Milliarden Euro an Schulden abbauen müssen: Nichts
davon ist in Ihrem Haushaltsplan vorgesehen. Können
Sie der Bevölkerung einmal erklären, wie Sie die
25 Milliarden Euro eigentlich einsparen wollen? Was
wollen Sie denn kürzen: die Zuschläge zur Rente,
Hartz IV? Was haben Sie vor? Oder wollen Sie Steuern
erhöhen, vielleicht die Mehrwertsteuer? Ich finde, die
Bundesregierung ist verpflichtet, vor Beschlussfassung
am Freitag der Bevölkerung Auskunft zu geben, wie die
25 Milliarden Euro im nächsten Jahr eingespart werden
sollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich wundere mich – das sage ich ganz klar – über SPD
und Grüne, dass sie diese Frage noch nie gestellt haben.
Bevor Sie Ja zum Fiskalvertrag gesagt haben, hätten Sie
doch fragen müssen: Wo und wie wollt ihr im nächsten
Jahr die 25 Milliarden Euro einsparen? – Wir wissen es
nicht. Kein Mensch weiß es. Das geht überhaupt nicht.
Das ist ein Ja zu einer dunklen Zukunft ohne Auskunft.


(Beifall bei der LINKEN)


Übrigens gibt der Multimilliardär und König der
Hedgefonds Soros dem Euro noch drei Monate


(Widerspruch bei der FDP)


– den lieben Sie doch –, Christine Lagarde, die Chefin
des Internationalen Währungsfonds, weniger als drei
Monate. Wenn Griechenland aus dem Euro fällt, dann
– das sage ich Ihnen – wird auch Portugal herausfallen.
Dann ist der Euro bald tot. Das würde die deutsche Ex-
portwirtschaft so schwer treffen, dass auch wir dann in
eine schwere Krise gerieten.

Nun sagen Sie, Herr Brüderle, dass Sie den Schulden-
sozialismus ablehnen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur den Schuldensozialismus, den Sozialismus überhaupt! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Kommunismus!)






Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)


Jetzt muss ich Ihnen einmal etwas über den Sozialismus
erklären. Passen Sie einmal auf!


(Rainer Brüderle [FDP]: Nein!)


– Doch, doch! – In Wirklichkeit haften wir längst für die
Schulden. Das sind unsere Steuergelder in der EZB. Sie
erzählen Unsinn. Es gibt schon längst eine Schuldenhaf-
tung. Aber davon abgesehen werde ich Ihnen jetzt be-
weisen, dass Sie alle Sozialistinnen und Sozialisten sind,
auch wenn Sie das nicht wissen, egal ob Sie der FDP, der
Union, den Grünen oder der SPD angehören.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur ihr nicht!)


– Zu uns komme ich noch. – Sie alle sind Sozialistinnen
und Sozialisten. Wissen Sie auch, warum? Sozialismus
heißt, man will vergemeinschaften. Was Sie vergemein-
schaften, sind die Schulden der Banken und Hedgefonds.
Diese Schulden dürfen immer alle Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler zahlen. Wir sind die Einzigen, die zu-
geben, Sozialistinnen und Sozialisten zu sein. Aber wir
wollen gerne die Banken vergesellschaften und damit
den Profit vergemeinschaften. Das ist der gravierende
Unterschied zwischen Ihren und unseren Sozialismus-
vorstellungen.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Gysi, die Banken haben doch keinen Profit mehr!)


– Die Deutsche Bank hat gerade einen dicken Profit ge-
macht, nachdem Sie so viel Geld hineingesteckt haben.
Das stimmt gar nicht, was Sie da erzählen.

Was wir wirklich brauchen, wenn wir die Krise be-
wältigen wollen, ist natürlich eine einmalige Millionärs-
abgabe in ganz Europa.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


– Sie wollen, dass die Reichen nie etwas bezahlen müs-
sen. Sie kürzen das Elterngeld der Hartz-IV-Empfänge-
rinnen und -empfänger oder – besser gesagt – streichen
es. Führen Sie doch einmal eine Millionärsabgabe in Eu-
ropa ein! Die haben von der Krise profitiert, nicht die an-
deren.


(Beifall bei der LINKEN)


Dann brauchen wir selbstverständlich eine jährliche
Vermögensteuer in Deutschland. Darf ich Ihnen etwas
sagen? Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in
Deutschland haben ein Geldvermögen von 3 Billionen
Euro. Unsere gesamten Staatsschulden belaufen sich auf
2 Billionen Euro. Selbst wenn wir das direkt miteinander
verrechneten, behielten die reichsten 10 Prozent noch
immer 1 Billion Euro. Das fordern wir gar nicht. Aber
dass die Betreffenden eine angemessene Steuer zahlen,
ist so etwas von selbstverständlich, dass ich mich wirk-
lich wundere, wie sehr Sie sich dagegen wehren, nur
weil es sich hier um die Lobbyisten handelt, auf die Sie
Wert legen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen noch etwas. Zu Beginn der Krise gab
es 720 000 Vermögensmillionäre in Deutschland. Jetzt

gibt es 951 000. Deren Zahl nimmt also zu. Die Armut
wächst, und auch der Reichtum wächst. Keinen zusätzli-
chen Euro Steuern verlangen Sie von ihnen. Das ist so
ungerecht, dass Sie das nicht durchhalten werden.

Nun haben aber SPD und Grüne zwei Bedingungen
gestellt. Die eine Bedingung war die Einführung der Fi-
nanztransaktionsteuer, die zweite Bedingung war die
Forderung nach Maßnahmen zur Steigerung des Wachs-
tums. Ich komme zunächst zur Finanztransaktionsteuer.
Wenn ich den Bundesfinanzminister richtig verstanden
habe, dann sagt er, dass die Einführung nicht vor 2014
stattfinden wird. Das geht noch langsamer als die Fertig-
stellung des neuen Flughafens von Berlin, stelle ich nur
fest.

Aber – jetzt kommt der eigentliche Punkt – das ist
doch gar keine Finanztransaktionsteuer, es ist höchstens
eine Börsenumsatzsteuer; denn nach den bisherigen Vor-
gaben fehlen zwei Dinge: der Derivatehandel und der
Hochfrequenzhandel.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


Um das zu erklären: Dabei sitzt man an einem Computer
und schiebt die Millionen hin und her. Nun hat der öster-
reichische Ökonom Stephan Schulmeister ausgerechnet,
dass die kleine Börsenumsatzsteuer, wenn sie, so wie
von der EU-Kommission geplant, kommt, in Deutsch-
land 2 Milliarden Euro einbringt. Wenn aber der Deriva-
tehandel und der Hochfrequenzhandel hinzukämen, hät-
ten wir Mehreinnahmen von 27 Milliarden Euro.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)


Warum lassen Sie sich denn mit 2 Milliarden Euro ab-
speisen, wenn es auch 27 Milliarden Euro sein können?


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Wachstumspaket sage ich Ihnen Folgendes: Es
geht um 130 Milliarden Euro; das hat die Bundeskanzle-
rin gerade gesagt. Es wird aber kein Euro zusätzlich be-
reitgestellt, sondern es werden die von der EU schon ein-
geplanten Gelder nur umgewidmet. Im Kern haben Sie
diesbezüglich nichts erreicht.

Ich sage Ihnen eines: Der Zerfall des Euro gefährdet
die europäische Integration. Wir brauchen einen völlig
neuen Ansatz mit einer Angleichung von Steuern, Löh-
nen und Sozialleistungen auf hohem Niveau, mit einer
Abkopplung von den privaten Finanzmärkten, mit einer
Rückkehr zum Primat der Politik, mit mehr Sozialstaat
statt seiner Demontage und mit mehr Demokratie.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718600800

Herr Kollege.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718600900

Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. – Durch den Fis-

kalpakt gibt der Bundestag Befugnisse des Bundestages
ab, aber nicht etwa an das Europäische Parlament, son-
dern an die EU-Kommission und damit an Regierungen.
Schon das ist undemokratisch. Wir stehen vor einem





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)


Scheideweg: entweder ein Europa mit strammem Spar-
korsett, also unsozial, mit Fiskaldiktatur und weniger
Demokratie oder ein solidarisches Europa mit deutlich
mehr demokratischen Mitwirkungs- und Entscheidungs-
rechten der Bürgerinnen und Bürger. Am Freitag werden
Sie es entscheiden.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1718601000

Das Wort erhält nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1718601100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir stehen in diesen Tagen und Wochen vor wirklich
historischen Weichenstellungen in Europa. Wir werden
am Freitag den dauerhaften Europäischen Stabilisie-
rungsmechanismus, den dauerhaften Rettungsschirm
ESM, und in Verbindung damit den Fiskalvertrag verab-
schieden. Wenn wir ein bisschen zurückdenken, dann
wird uns, glaube ich, schon deutlich, dass niemand von
uns zu Beginn dieser Diskussion gedacht hat, dass es ge-
lingt, auf europäischer Ebene 25 Staaten dazu zu bewe-
gen, in ihren nationalen Verfassungen Schuldenbremsen
zu verankern und sich damit nach dem Beispiel Deutsch-
lands stabilitätskonform zu verhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es geht nicht nur um die Verankerung dieser Schul-
denbremsen, sondern es sind damit auch die automati-
schen Sanktionen, die Möglichkeit, Klage vor dem Euro-
päischen Gerichtshof zu erheben, und vieles andere
mehr verbunden. Das trägt die Handschrift Deutsch-
lands, die Handschrift unserer Bundeskanzlerin und un-
seres Finanzministers. Dafür danke ich herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist die Grundlage für eine Stabilitätskultur in Eu-
ropa. Ich weiß natürlich auch, dass solides Haushalten
alleine nicht alles ist; aber ohne solides Haushalten,
meine Damen und Herren, ist alles nichts. Denn das ist
die Grundlage für das Vertrauen der Finanzmärkte. Das
ist die Grundlage für ein dauerhaftes, nachhaltiges
Wachstum der Wirtschaft und für dauerhafte Stabilität.
Ohne solides Haushalten ist das alles nichts. Ohne soli-
des Haushalten stellt man die Glaubwürdigkeit des eige-
nen Landes infrage und verspielt damit auch die Glaub-
würdigkeit auf den Märkten mit all den Konsequenzen,
die wir kennen.

Herr Steinmeier, Sie sagen, das alles sei nicht erfolg-
reich gewesen. Ich möchte daran erinnern, dass Ihr „soli-
des Haushalten“ oder, besser gesagt, Ihr nicht solides
Haushalten


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Was denn nun?)


während der Zeit, in der Sie Verantwortung hatten, die
Ursache dafür war, dass wir jetzt in Europa diese
Schwierigkeiten haben.


(Unruhe bei der SPD)


Sie haben nämlich die Kriterien, die einmal vereinbart
waren, nicht eingehalten und damit dafür gesorgt, dass
sich auch andere Länder leichtfertig verhalten haben.
Das war und ist eine nicht ganz unwesentliche Ursache
für die Schwierigkeiten, die wir heute haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Wir sagen, dass Solidarität nur in Verbindung mit So-
lidität gesehen werden kann. Deshalb haben wir uns bei
all den Rettungsaktionen in den vergangenen Monaten
immer an die Grundphilosophie gehalten: Unterstützung
ja, Hilfe ja, Solidarität ja – aber nur in Verbindung mit
Solidität, mit dem Einhalten der Bedingungen bzw. Auf-
lagen, sparsam zu haushalten, und mit Strukturreformen,
um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Das war
und ist die Grundphilosophie, die auch weiterhin trägt
und erfolgreich ist.

Schauen Sie zum Beispiel auf die Länder Irland und
Portugal. Da sehen Sie an der Haushaltssituation, der
wirtschaftlichen Entwicklung, der Entwicklung der
Lohnstückkosten und der Leistungsbilanzüberschüsse,
dass diese Philosophie erfolgreich und richtig ist. Wir
alle wissen, dass dies nicht von heute auf morgen geht,
dass sich die Erfolge nicht von heute auf morgen einstel-
len können. Der Weg aber ist richtig. Das, was bisher er-
reicht wurde, macht deutlich, dass wir auf dem richtigen
Weg sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, wir wissen auch – das ist
übrigens keine neue Erkenntnis –, dass zu solidem Haus-
halten bzw. zu einem Konsolidierungskurs der öffentli-
chen Haushalte natürlich auch Wachstumsimpulse gehö-
ren. Das ist nichts Neues. Diese Erkenntnis ist übrigens
auch auf den vergangenen europäischen Gipfeltreffen
immer Thema gewesen, und sie wird zu guter Letzt bei
der Entscheidung des europäischen Gipfels morgen und
übermorgen mit berücksichtigt werden. Wir haben uns
darüber fraktionsübergreifend intensiv auseinanderge-
setzt.

Ich finde, es ist richtig, dass mit den Maßnahmen zur
Erhöhung des Kapitals der Europäischen Investitions-
bank und mit den Maßnahmen bezüglich der Projektan-
leihen, aber auch mit denen zur Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit und zur Stärkung der Strukturfonds
Akzente gesetzt werden. Mindestens genauso wichtig ist
aber das, was verhindert wurde. Es wurde nämlich eine
schuldenfinanzierte Ausgabenprogrammatik verhindert.
Es wurde verhindert, dass durch Schulden finanzierte
Ausgabenprogramme – andere wollten das – getätigt
werden.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was ist denn mit dem Betreuungsgeld?)






Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)


Mindestens genauso wichtig ist die Erkenntnis, dass
die eigentlichen Wachstumsimpulse nicht aus kurzfristi-
gen Programmen erwachsen, sondern von grundlegen-
den Strukturreformen am Arbeitsmarkt, in der Steuer-
politik, in der Sozialpolitik und im Verwaltungsbereich
herrühren. Dort werden die Grundlagen für nachhaltiges
und dauerhaftes Wachstum geschaffen. Deshalb darf da-
bei nicht nachgelassen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt nach wie vor eine lebhafte Diskussion über
eine Vergemeinschaftung von Haftung und von Schul-
den. Eigentlich hatte man gedacht, das sei schon erle-
digt. Diese Diskussion wurde nicht zuletzt durch den
Bericht von Van Rompuy angefacht, den die Bundes-
kanzlerin angesprochen hat. Alles, was mit Euro-Bonds,
mit Euro-Bills, mit Schuldentilgungsfonds verbunden
ist, führt uns aber nicht weiter, sondern führt uns in eine
Sackgasse.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn über die notwendige Angleichung der Zinssätze
– das ist ja meistens die Begründung dafür – diskutiert
wird, dann muss man sich meines Erachtens zunächst
einmal die Frage stellen: Warum sind die Zinssätze un-
terschiedlich? Sie sind doch deshalb unterschiedlich,
weil die Bonität in den Ländern unterschiedlich ist und
weil die Politik dort bei der Haushaltskonsolidierung,
der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit versagt hat.
Die Unterschiede sind die Konsequenzen aus einem
Fehlverhalten im politischen Handeln – und dies muss
korrigiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In dem Moment, wo man durch die Vergemeinschaf-
tung von Schulden, durch die Angleichung der Zinssätze
diese Unterschiede nivelliert, nimmt man den Ländern
jeglichen Druck, sich haushaltspolitisch solide zu ver-
halten, Strukturen zu verändern, sich wieder wettbe-
werbsfähig aufzustellen, Reformen durchzuführen und
zu sparen. All dies ist aber dringend notwendig, um dau-
erhaft und langfristig Stabilität und Wachstum zu gene-
rieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ganz abgesehen davon werden durch eine Verge-
meinschaftung von Schulden – ich sage es einmal ganz
platt – deutsche Interessen verraten,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und zwar deshalb, weil dann wir, die deutschen Steuer-
zahler, höhere Zinsen bezahlen müssten, als wir sonst
bezahlen, und das konterkariert die Leistung dieses Lan-
des, die Leistung der Menschen in diesem Land. Deshalb
werden wir aus diesen ökonomischen und politischen
Gründen bei einer Vergemeinschaftung von Schulden
nicht mitmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt eine Diskussion über eine weitere Vertiefung
der Europäischen Union. Ich glaube, dass wir darüber
ernsthaft, ausgiebig und verantwortungsvoll diskutieren
müssen, weil wir alle Lehren aus der Krise der vergange-
nen Monate ziehen müssen. Das berührt auch die Frage:
Müssen wir Strukturen verändern? Was müssen wir ver-
ändern?

Ich sage Ja zu einer Vertiefung, die mehr Koordinie-
rung der Wirtschafts- und Finanzpolitik bedeutet. Ich
sage Ja zu verbindlichen Vorgaben. Ich sage aber auch Ja
zur Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben. Ein ganz
wesentlicher Fehler der letzten Jahre war nämlich, dass
zwar Vorgaben gemacht und Vereinbarungen getroffen
wurden, dass diese aber nicht eingehalten wurden. Es
geht um die Einhaltung dieser Vorgaben, um ihre Kon-
trolle und die entsprechende Aufsicht, es geht um die
Verbindlichkeit dieser Vorgaben sowie um die notwendi-
gen Konsequenzen daraus. Das ist die erste Aufgabe, die
wir zu erfüllen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage Ja zur Verbesserung und Stärkung des Funda-
ments unseres europäischen Hauses.

Aber alles, was mit Vergemeinschaftung von Schul-
den, mit Vergemeinschaftung von Risiken, mit Verge-
meinschaftung von Haftung zu tun hat, trägt nichts zur
Lösung der aktuellen Probleme bei; das muss klar sein.
Verantwortung für das eigene Handeln und damit auch
Haftung für das eigene Handeln müssen gegeben sein.
Es kann nicht sein, dass die deutschen Sparer mit ihren
Einlagen für das Fehlverhalten von Banken in anderen
Ländern haften müssen. Das werden wir nicht zulassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auch der Bericht, der vorhin angesprochen wurde,
beinhaltet meines Erachtens ein Ungleichgewicht zwi-
schen verbindlichen Vorgaben, zwischen Kontrolle und
Aufsicht auf der einen Seite und Vergemeinschaftung
von Haftung auf der anderen Seite. Meines Erachtens
müsste es umgekehrt sein: Der Schwerpunkt müsste im
Bereich der eigenen Verantwortung und im Bereich von
verbindlichen Vorgaben, Kontrolle und Aufsicht sein.

Noch etwas ist mir bei diesem Bericht aufgefallen,
meine Damen und Herren. Das ist die Frage: Müssen wir
zuerst bei Institutionen und Kompetenzverlagerungen
ansetzen? Ist das die erste Priorität?


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Es wird großer Wert auf Kompetenzverlagerungen und
auf Institutionen gelegt. Meine Vision von Europa ist
nicht ein Europa der Institutionen, sondern ein Europa
der Menschen, ein Europa, in dem die demokratische
Legitimität erkennbar und immer auch Richtschnur un-
seres Handelns ist.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiß das Herr Friedrich schon?)


Dafür haben wir noch viel zu tun.





Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)



(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718601200

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Priska Hinz das Wort.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Kanzlerin fährt zum Gipfel und muss für diesen Gipfel
bei ihrer Politik eine Kurskorrektur vornehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ganz und gar nicht!)


Der Weg der einseitigen Sparpolitik geht zu Ende. Zwei
Jahre Ideologie, dass nämlich Wettbewerbsfähigkeit nur
durch ein Spardiktat erreicht werden kann, gehen jetzt zu
Ende, und das ist richtig so. Wir haben dazu beigetragen,
dass dieser Weg endlich zu Ende geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schulden sind nicht mit Schulden zu bekämpfen. Das
ist völlig klar.


(Zustimmung des Abg. Joachim Spatz [FDP])


Ich bin Haushälterin; deswegen weiß ich, wovon ich
spreche.


(Joachim Spatz [FDP]: Das gilt auch für andere Leute!)


Strukturreformen und Haushaltsdisziplin sind notwen-
dig, aber die Konsolidierung von Haushalten und Staa-
ten, die in der Krise sind, muss auch mit gezielten Inves-
titionen begleitet werden, weil Arbeitslosigkeit und
Unternehmenspleiten zu sozialen Verwerfungen und
nicht zu wirtschaftlicher Gesundung führen, meine
Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben es in den Verhandlungen zum Fiskalver-
trag geschafft, ein Investitionsprogramm durchzusetzen,
das schon lange auf der Tagesordnung hätte stehen müs-
sen. Investitionen in nachhaltige Wachstumsbereiche, in
den Netzbereich können jetzt endlich stattfinden, und
das ist für die Krisenstaaten auch dringend notwendig,
weil Sparen allein nicht hilft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben bei diesen Verhandlungen aber auch wei-
tere Reformen durchgesetzt. So soll es im Wege der
verstärkten Zusammenarbeit endlich eine Finanztrans-
aktionsteuer geben. Damit sollen jetzt Finanzprodukte
besteuert werden und Finanzjongleure und Spekulanten
endlich an den Kosten der Krise beteiligt werden.

Herr Gysi, wenn Sie den Fortgang der Verhandlungen
nicht richtig verfolgt haben


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war nicht da!)


und hier mit einem alten Dokument auftauchen, dann tut
es mir leid.


(Rainer Brüderle [FDP]: Er ist gar nicht mehr da!)


Eigentlich müssten Sie diesem Verhandlungsergebnis
zustimmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist gut, dass der Teil der Koalition, der seit mindes-
tens drei Jahren nur eine politische Botschaft kennt,
nämlich „Steuersenkung, Steuersenkung, Steuersen-
kung“, jetzt endlich eine Kehrtwende machen muss. Die
Kanzlerin hat offenbar begriffen, dass sie ihre Verant-
wortung wahrnehmen und sich – gemeinsam mit uns –
über ihren Koalitionspartner hinwegsetzen muss.


(Lachen bei Abgeordneten der FDP)


An dieser Stelle danke ich den grünen Verhandlungsleu-
ten – der Kollege der SPD hat denen aufseiten der SPD
seinen Dank ausgesprochen – dafür, dass sie dies durch-
gesetzt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Langsam wird nun ein Rahmen um den Fiskalvertrag
gebaut, damit die Schlagseite der Krisenpolitik beseitigt
wird und das Ganze endlich wieder ins Lot gerät, meine
Damen und Herren.


(Holger Krestel [FDP]: Wenn Ihre Kollegen dafür zustimmen, dürfen sie den bauen!)


Aber welche Entscheidung brauchen wir jetzt eigentlich
für Europa, neben den Anbauten an den Fiskalvertrag,
über die wir verhandelt haben? Frau Bundeskanzlerin,
wie viel Druck von der Opposition und anderen europäi-
schen Staaten brauchen Sie eigentlich noch, um sich
endlich auf weitere notwendige Reformen einzulassen?
Den langen Beifall heute haben Sie doch nur bekommen,
weil Sie wieder mantraartig gesagt haben: Euro-Bonds,
Euro-Bills, gemeinschaftliche Anleihen wird es nicht ge-
ben.


(Patrick Döring [FDP]: Was wollen Sie denn?)


Dann haben Sie heute Morgen auch noch Ihre Lebens-
zeit damit verknüpft. Ich frage Sie: Was ist das denn für
eine Art von Politik?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, wir wünschen Ihnen ein sehr
langes Leben;


(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


aber Sie sollten es wirklich nicht an die Einführung von
Euro-Bonds knüpfen.





Priska Hinz (Herborn)



(A) (C)



(D)(B)



(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Angesichts der Tatsache, dass Sie Ihre roten Linien oft
überschritten haben, wünschen wir Ihnen etwas Besseres
als das, was Sie sich anscheinend selber wünschen.

Schauen Sie sich doch jetzt den Vorschlag der soge-
nannten Big Four an, der auf dem Tisch liegt. Dazu ge-
hört ein Altschuldentilgungsfonds, um den Zinsdruck zu
senken.


(Patrick Döring [FDP]: Das machen wir ja nicht!)


Das ist jetzt notwendig. Jetzt kommen Spanien und Zy-
pern unter den Rettungsschirm, Italien wankt, und wir
brauchen einen Altschuldentilgungsfonds, um den Zins-
druck in diesen Staaten zu lindern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Nein!)


Das sind noch keine gemeinsamen Anleihen wie Euro-
Bonds. Vielmehr bürgen die Staaten für ihren Teil der
Schuldentilgung. Trotzdem müssen sie natürlich Struk-
turreformen vornehmen. Aber beides gehört zusammen,
und das müssen Sie bitte endlich einmal verstehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie müssen diese Kurskorrektur vornehmen.

Ein weiterer Vorschlag liegt auf dem Tisch: die soge-
nannte Bankenunion, die Sie nicht so nennen wollen, mit
Bankenrestrukturierungsregelungen und einer integrier-
ten Aufsicht. Wir brauchen auch einen Schuldenpakt für
Europa, um einen Steuerwettbewerb zu verhindern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
wir wissen: Europa funktioniert nur mit Solidität und So-
lidarität; das ist auch Ihr Credo. Aber neben der Solidi-
tät, die wir am Freitag einführen, muss es auch endlich
die Solidarität geben. Deswegen werden wir Sie beim
Altschuldentilgungsfonds weiter treiben; wir werden
nicht nachlassen. Wir haben jetzt die Big Four an unserer
Seite, und Sie werden sehen: Wir werden Sie auch noch
zu dieser Kurskorrektur zwingen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718601300

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Joachim Spatz

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1718601400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Hinz, Ihre Rede sei Ihnen nachgesehen.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie arrogant!)


Wenn sie dazu dient, dass die Grünen am Freitag mit
überwältigender Mehrheit zustimmen, dann hat sie ihren
Zweck erfüllt.

Meine Damen und Herren, es ist schon bezeichnend,
dass diejenigen, die sonst immer die Grenzen des
Wachstums wie ein Mantra vor sich hertragen, jetzt die
Jünger nachhaltigen Wachstums sind.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])


Herzlich willkommen im Klub, meine Damen und Her-
ren!

Europa – das wird immer wieder gesagt – ist der
Garant für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand
auf unserem Kontinent. Aber ich glaube, wir müssen
dieser Erkenntnis, die auf die Bürgerinnen und Bürger
wahrscheinlich keine besondere Anziehungskraft mehr
ausübt, weil sie schon zu selbstverständlich geworden
ist, auch noch hinzufügen, was die Zukunftsvision dieses
Europas ist. Da reicht ein Blick auf die Landkarte, um zu
sehen, dass jeder einzelne Mitgliedstaat – das gilt auch
für Deutschland, das in absehbarer Zeit nur noch 1 Pro-
zent der Weltbevölkerung stellen wird – diese Stabili-
täts-, Sicherheits- und Wohlstandsleistung nicht alleine
erbringen kann. Deshalb sind wir dazu verurteilt, ge-
meinsam Erfolg zu haben. Aber den gemeinsamen Er-
folg erreichen wir sicher nicht mit falschen Rezepten.
Deshalb ist der Weg der Solidität, den die Bundesregie-
rung gegangen ist und für den sie in Europa einsteht, in
Wirklichkeit ohne realistische Alternative. Ich bin der
Bundesregierung dankbar, dass sie auf den Dreiklang
von Wachstumsstimulation, Solidarität, die wir durch
den ESM gewähren, und Solidität, die wir allen anderen
abverlangen müssen, besteht. Dies ist der richtige Weg.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich hatte mir eigentlich
vorgenommen, heute keine Schärfe in die Debatte zu
bringen. Aber wenn derjenige, der beim Verletzen des al-
ten Stabi-Pakts und bei der Aufnahme Griechenlands in
die Euro-Zone im Kanzleramt saß, heute auf die Kanzle-
rin zeigt und sie als Teil des Problems bezeichnet, dann
muss ich sagen: Es zeigen mindestens drei Finger auf ihn
zurück.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist schon sehr mutig, hier die Bemühungen der
Bundesregierung im Hinblick auf den Dreiklang von
Wachstum, Solidarität und Solidität, den wir gegen
große Widerstände durchgesetzt haben, zu kritisieren. Es
ist schon sehr mutig, einen solchen Vorwurf zu machen,
wenn man dafür verantwortlich ist, dass der alte Stabili-
tätspakt gescheitert ist.


(Zuruf von der FDP: So ist es!)


Wir werden noch viel Gelegenheit haben – die Kanz-
lerin hat die Ausrichtung des europäischen Haushaltes
angesprochen, der aktuell verhandelt wird –, diese
Schwerpunkte im Hinblick auf nachhaltiges Wachstum
zu unterstützen. Ich bin gespannt, wie mutig Deutsch-





Joachim Spatz


(A) (C)



(D)(B)


land vorangeht, bei gleichzeitiger Beschränkung der
Einnahmen in der Europäischen Union. Diese neuen,
mutigen Weichenstellungen führen zu einer größeren
Unterstützung für transnationale Netze in den Bereichen
Verkehr, Telekommunikation, Elektrizität und Energie-
versorgung sowie zu mehr Förderung für Forschung,
Wissenschaft und Bildung. Dies steht im Gegensatz zu
den alten Haushalten. Ich bin gespannt, wie entschieden
die Mitstreiter vorangehen. Wir sind auf jeden Fall an
der Seite derer, die das tun, und das alles, ohne dass
mehr Geld nach Europa fließt. Auch die europäische
Ebene muss zur Konsolidierung unserer Haushalte bei-
tragen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Es kann nicht funktionieren, wenn die Kommunen und
Bundesländer sich anstrengen müssen, aber auf der euro-
päischen Ebene Wunschkonzert gespielt wird. Das wird
nicht funktionieren.

Es muss hier ein Stück weit die Quadratur des Kreises
gelingen: neue Prioritätensetzung in Richtung nachhalti-
ges Wachstum und mehr Beschäftigung bei gleichzeiti-
ger Haushaltsdisziplin. Jeder ist aufgefordert, an dieser
Stelle mitzuhelfen. In dieser Woche werden wir unserer
historischen Verantwortung gerecht, an die wirklichen
Ursachen der Krise heranzugehen und dem Dreiklang
aus Solidarität, Solidität und Wachstumsstimulation
Geltung zu verschaffen, indem wir dem ESM und dem
Fiskalpakt zustimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718601500

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege

Joachim Poß.


(Beifall bei der SPD)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1718601600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Merkel, Sie haben vorhin beim Verle-
sen Ihrer Erklärung vergessen, an einigen Stellen hinzu-
zufügen: Copyright SPD und Grüne.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Viele Punkte, die Sie zum Thema Wachstum erwähnt
haben, gehen eindeutig auf die Vorschläge von uns zu-
rück, die in den Gesprächen, die wir mit Ihnen geführt
haben, und im Schreiben unseres Fraktionsvorsitzenden
Steinmeier und der Fraktionsvorsitzenden der Grünen
Gegenstand waren. Für die deutsche Bevölkerung wäre
es hilfreich gewesen, wenn Sie deutlich gemacht hätten,
wie Sie sich auf uns zubewegt haben. Es ist doch so: Sie
bewegen sich und sind flexibel, und zwar immer dann,
wenn Sie unter Druck geraten, sehr geehrte Frau Merkel.
Offenkundig sind Sie jetzt unter Druck geraten. Das war
gut so, damit wir in Europa wie auch in Deutschland
nicht im Nirwana der Austerität landen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben dafür gesorgt, dass wir eine realistische
Perspektive zur Einführung einer Finanztransaktion-
steuer bekommen haben, nachdem zweieinhalb Jahre in
dieser Frage von der schwarz-gelben Koalition nur
getrickst und getäuscht wurde. Jetzt gibt es endlich
Klarheit. Dies ist keine freiwillige Klarheit, sondern sie
entstand durch den Druck, den wir hier im Parlament
entfaltet haben. Das haben aber auch außerhalb des Par-
laments viele kirchliche und andere Gruppen getan, die
sich gesellschaftlich engagiert haben und die man hier
nicht vergessen sollte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang, Frau Merkel, wäre es viel-
leicht gut, wenn Sie unter anderem mit Ihrer guten Be-
kannten Frau Lagarde die Punkte erörtern würden, die
Sie bis jetzt immer noch tabuisieren. Es gibt neben Frau
Lagarde vom Internationalen Währungsfonds kaum ei-
nen anerkannten Ökonomen auf der Welt,


(Zuruf von der FDP: Dann müssen Sie Herrn Trittin fragen!)


der nicht sagt: Wir brauchen in dieser Frage eine Lö-
sung.

Das heißt doch nicht, dass man unbedingt irgendwel-
chen Vorschlägen folgen müsste. Das Ganze darf aber
nicht von vornherein tabuisiert werden. Man muss doch
darüber diskutieren können, was denn wirklich im deut-
schen Interesse und im Interesse der deutschen Arbeits-
plätze liegt, und darüber, welche Lösungen dabei helfen,
unseren Standort zu stabilisieren.

Ich glaube, Sie bewegen sich unter dem Druck von
FDP und einigen anderen auf dem Holzpfad. Ihnen man-
gelt es an Mut, Frau Merkel. Anstatt die Dinge offensiv
anzupacken, ducken Sie sich weg, weil es im Zuge die-
ser Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland unan-
genehm werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718601700

Kollege Poß, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung des Kollegen Schlecht?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1718601800

Ja, gerne.


(Zuruf von der SPD: Nicht schon wieder!)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718601900

Herr Kollege, Sie haben vorhin gesagt, mit dieser Re-

gelung würde man das Nirwana der Austerität verlassen.
Können Sie bitte einmal erklären, in welcher Weise eu-
ropaweit aufgelegte Kürzungsprogramme in Höhe von
600 oder 700 Milliarden Euro – aus meiner Sicht ist das
das Nirwana der Austerität – mit dem sogenannten
Wachstumspakt zusammenpassen, der sich in einer Grö-
ßenordnung von 120 oder 130 Milliarden Euro bewegt?





Michael Schlecht


(A) (C)



(D)(B)


Dieser Wachstumspakt an sich ist bereits kritikwürdig,
darauf will ich jetzt aber gar nicht eingehen.

Zweite Frage. In der Regelung zur Finanztransaktion-
steuer steht die wunderbare Formulierung, es müsse „auf
die Realwirtschaft Rücksicht genommen werden“. Kön-
nen Sie mir bitte erklären, wie eine Finanztransaktion-
steuer funktionieren soll, die die Realwirtschaft nicht be-
rührt? Das ist für mich in der Tat ein Mysterium.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1718602000

Sehr geehrter Herr Kollege, ich kann jetzt natürlich

nicht all Ihre Mysterien bearbeiten. Das wäre bei Ihnen
auch wirklich zeitraubend, wenn ich Ihre Äußerung rich-
tig beurteile.


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich gehe jedoch davon aus, dass wir das Ganze im
Rahmen der Gesetzgebungsarbeit im wahrsten Sinne des
Wortes bearbeiten werden. Ebenso haben wir gesagt,
dass wir auch auf andere Dinge Rücksicht nehmen. Vie-
les wird in puncto negativer Effekte der Finanztransak-
tionsteuer falsch in die Welt gesetzt, wie beispielsweise
im Zusammenhang mit den berühmten Riester-Sparern.
Übrigens hat Herr Gysi heute Morgen erwähnt, dass bei-
spielsweise Derivate der vereinbarten Transaktionsteuer
gar nicht unterfallen würden. Das ist schlicht falsch. Ich
fordere Herrn Gysi auf, diese falsche Behauptung nicht
weiter zu verbreiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben die Derivate in unserem Text ausdrücklich er-
wähnt.

Zum zweiten Aspekt Ihrer Frage, Herr Kollege
Schlecht. Die Sache mit der Austerität ist doch offen-
kundig. Die Regierung, die wie Frau Merkel der Öffent-
lichkeit gegenüber bisher den Eindruck erweckt hat – je-
denfalls hat die ganze Welt sie so verstanden; vielleicht
wurde sie in den letzten Wochen aber auch immer miss-
verstanden, und alle anderen waren dumm –, dass sie
ausdrücklich und ausschließlich auf Haushaltskonsoli-
dierung setzt, musste nun aufgrund der Gespräche mit
der Opposition eine Reihe beachtlicher Wachstumsini-
tiativen in ihr Papier aufnehmen. Das bedeutet eine Än-
derung der Philosophie.


(Beifall bei der SPD)


Dazu haben wir aus der Opposition heraus beigetra-
gen. Ich denke, dass die Grünen und auch die SPD allen
Anlass haben, das für den richtigen Weg zu halten. Wir
wollen nicht, dass durch überzogene Austeritätspro-
gramme in Europa das Wachstum beeinträchtigt wird, so
wie es passiert ist. Davon wollen wir weg; denn das ist
der falsche Weg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zur Finanztransaktionsteuer habe ich mich bereits ge-
äußert. Es ist Ihnen offenbar entgangen, was ich dazu ge-
sagt habe. Aber Sie können ja noch eine Frage nachset-
zen. Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin gut beraten

wäre, sich den Rat ihrer Freundin Lagarde zu Herzen zu
nehmen und mit ihr und anderen anerkannten Ökonomen
in der ganzen Welt eine wichtige Frage zu erörtern, die
es jetzt zu erörtern gilt: Wie kommen wir bei der Frage
der „alten“ Verschuldung zu einer Lösung, und wie kön-
nen wir das mit dem Gedanken der Schuldentilgung ver-
knüpfen? Ich bitte Sie herzlich, das Thema nicht von
vornherein von der Tagesordnung zu nehmen; denn da-
mit würden Sie den Weg zu anderen Lösungen in der Eu-
ropäischen Union und der Euro-Zone verbauen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718602100

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Meister für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1718602200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch

wenn der Kollege Steinmeier schon gegangen ist,
möchte ich ihm von dieser Stelle ein ganz herzliches
Dankeschön zurufen; denn er hat in dieser Woche, in der
wesentliche Entscheidungen zum Fiskalvertrag und zum
ESM anstehen, klar formuliert, dass auch die Opposition
zu ihrer europapolitischen Verantwortung steht und die
anstehenden Entscheidungen mittragen wird. Das ist ein
gutes Zeichen. Es zeigt, dass unser Parlament in einer so
wichtigen Frage handlungsfähig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lieber Herr Poß, Sie haben eben das Thema Wachstum
angesprochen. Ich beschäftige mich mit diesem Thema
schon seit 2004. Ich stelle fest, dass wir eine Diskussion
über Stabilität und Wachstum schon einmal geführt ha-
ben. Damals ging es um die Frage, ob der Stabilitätsver-
trag von Maastricht nicht durch eine Wachstumskom-
ponente hätte ergänzt werden müssen. Wir haben 2004
heftigst über diese Frage gestritten. Das Resultat war,
dass der Stabilitätsvertrag aufgeweicht wurde. Diese Auf-
weichung des Stabilitätsvertrages hat uns die Probleme
beschert, über die wir heute diskutieren. Wir sollten nicht
noch einmal denselben Fehler machen und unter dem
Stichwort „Wachstum“ über eine Aufweichung des Stabi-
litätsvertrages diskutieren.


(Beifall des Abg. Joachim Spatz [FDP])


Wir wollen Wachstum, aber nur auf dem Fundament ei-
ner klaren Stabilitätskultur.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sollten mit der Legendenbildung aufhören, dass
wir erst seit heute, seit einigen Tagen oder Wochen über
das Thema Wachstum in Europa diskutieren. Ich erin-
nere daran: Für die Jahre 2000 bis 2010 wurde die Lissa-
bon-Strategie vereinbart. Sie ist krachend gescheitert.
Europa sollte der dynamischste, wettbewerbsfähigste
und wachstumsstärkste Kontinent der Erde werden. Was
ist dabei herausgekommen? Nichts! Das Problem ist
nicht etwa, dass wir nicht über Wachstum diskutieren





Dr. Michael Meister


(A) (C)



(D)(B)


oder wir uns nicht auf Maßnahmen verständigen, wie
Wachstum erzeugt werden soll. Das Problem ist, dass
wir mehr Verbindlichkeit in der Umsetzung brauchen.
Das, was wir verabreden, muss auch umgesetzt werden.
Wir wollen Wachstum, und jetzt geht es darum, zu orga-
nisieren, dass die Verantwortung, die wir tragen, auch
wahrgenommen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte an dieser Stelle unserer Bundeskanzlerin
Danke sagen. Sie hat nicht nur betont, dass wir nachhal-
tiges Wachstum brauchen, sie hat auch unter dem Stich-
wort „Euro plus“ ausgeführt, dass wir Verfahren organi-
sieren wollen, die gewährleisten, dass jeder seine
Verantwortung wahrnimmt. Wir in Deutschland wissen
aus Erfahrung, dass es nicht leicht ist, Arbeitsmärkte fle-
xibler zu gestalten, Sozialsysteme zu reformieren und
Steuersysteme zu verändern. Deshalb ist es wichtig, dass
wir für mehr Verbindlichkeit sorgen und nicht nur ein-
fach nach Wachstum rufen.

Wir als Union gehören nicht zum Fanclub des Club of
Rome. Wir haben nie bezweifelt, dass wir unseren Wohl-
stand nur dann halten können, wenn wir auf dieser Welt
Wachstum organisieren. Ich wundere mich manchmal
über einzelne Redebeiträge. 30 bis 40 Jahre lang haben
wir gehört, dass wir kein Wachstum mehr brauchen. Nun
wird plötzlich so getan, als sei Wachstum die einzige Lö-
sung für die großen Probleme, vor denen wir stehen.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Genau! Richtig!)


Liebe Freunde, wir führen eine Diskussion vor dem
Hintergrund einer vergemeinschafteten Geldpolitik. Eine
Antwort darauf muss sein, dass wir in Europa mehr ge-
meinsame Verantwortung in der Fiskalpolitik überneh-
men. Es ist aus meiner Sicht vernünftig, mit dieser Dis-
kussion jetzt zu beginnen. Ein Diskussionsvorschlag
liegt vor. Nun kann über die richtige Agenda gesprochen
werden. Es geht um die Frage: Was muss in diesem Kon-
text getan werden?

Ich möchte mich dafür bedanken, dass auf der
Agenda „Mehr Demokratie für Europa“ steht. Als Parla-
mentarier sage ich: Das ist auch richtig so. Bisher haben
wir im Deutschen Bundestag bei allen zu ergreifenden
Maßnahmen versucht, Legitimation und Kontrolle im
Deutschen Bundestag zu verankern, aber das kann doch
auf Dauer nicht tragen. Deshalb müssen wir dringend
miteinander darüber sprechen, wie wir Legitimation und
Kontrolle in Europa verankern können. Ich wünsche da-
bei viel Erfolg; denn diejenigen, die das Thema auf die
Agenda gesetzt haben, sind keine Parlamentarier. Diese
Aufgabe muss im Interesse der Demokratie in Europa
angegangen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ein weiterer Punkt. Alle rufen: Mehr Europa, mehr
fiskalpolitische Union! – Ja, aber nun sind wir an einem
kritischen Punkt angelangt. Es reicht nicht, zu sagen:
Wir wollen mehr Europa. Vielmehr werden wir darüber
diskutieren müssen, wie dieses Europa aussehen soll.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ein demokratisches Europa!)


An dieser Stelle halte ich einen konstruktiven Streit für
sinnvoll. Wir müssen tatsächlich darüber diskutieren,
wie dieses Europa aussehen soll.

Dazu sagen wir erstens: Da wir gesagt haben, dass wir
es uns in Zukunft aus ordnungspolitischen Gründen
nicht erlauben können, dass systemrelevante Banken
durch Steuergelder gerettet werden müssen, haben wir
vor gut einem Jahr in Deutschland das Restrukturie-
rungsgesetz beschlossen. Zu dem Vorschlag, dieses deut-
sche Modell nach Europa zu exportieren, sage ich aus-
drücklich: Ja, das ist ein vernünftiger Vorschlag. Diesen
Weg sollten wir so schnell wie möglich gemeinsam ge-
hen.

Zweitens sagen wir – das haben wir im Zusammen-
hang mit der Hypo Real Estate gelernt –: Wir brauchen
mehr gemeinsame Aufsicht bei systemrelevanten Ban-
ken in Europa. Wir haben selbst erfahren, dass das ein
vernünftiger Vorschlag ist. Die Lernkurve der EBA, die
wir geschaffen haben, zeigt nach oben. Sie ist für die ge-
samte EU zuständig, nicht nur für die Euro-Zone. Des-
halb ist aus meiner Sicht an dieser Stelle ein Hinweis auf
die Europäische Zentralbank vernünftig. Ich traue dieser
Instanz zu, eine vernünftige Finanzkontrolle in Europa
aufzubauen. Wir müssen allerdings ähnlich wie bei der
Bundesbank darauf achten, dass die geldpolitische Unab-
hängigkeit dieser Institution gewahrt bleibt. Wir dürfen
diesen neuen Auftrag nicht dazu nutzen, die geldpoliti-
sche Unabhängigkeit der Zentralbank infrage zu stellen.

Etwas ganz anderes ist es, wenn gefordert wird, die
Einlagensicherung zusammenzuführen. Wenn wir die
Einlagensicherung zusammenführen, dann ist das ein
Stück weit die Einführung der Umlagefinanzierung
durch die Hintertür, ohne dass die Kompetenzen in einer
Hand liegen. Lediglich die Haftung würde vergemein-
schaftet. Deshalb bin ich der Meinung: An dieser Stelle
sollten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein klares Nein
formulieren. Keine gemeinsame Einlagensicherung!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Genau! Erklären Sie erst einmal wieder, was Sie alles nicht wollen!)


Ich finde die Frage, über welche Banken wir eigent-
lich reden, sehr spannend. Darüber sollten wir einmal
diskutieren. Reden wir über die systemrelevanten Ban-
ken? Reden wir über die grenzüberschreitend tätigen
Banken? Reden wir über alle Banken? Reden wir über in
Schieflage geratene Banken? Ich glaube, auch diese
Frage müssen wir beantworten. Wir sollten vielleicht mit
dem Punkt „systemrelevant“ starten, weil das der wirk-
lich gefährliche Aspekt ist. Dann müssen wir uns überle-
gen, ob man irgendeinen Mechanismus etablieren kann,
damit sich die europäische Aufsicht einschalten kann,
wenn an anderer Stelle ein Problem auftaucht; siehe Spa-
nien. Das wäre vielleicht ein vernünftiger Vorschlag.
Ansonsten bin ich ein Anhänger des Subsidiaritätsge-
dankens. Nicht jede Sparkasse und nicht jede Volksbank
in Deutschland muss von einer zentralen europäischen
Aufsicht beaufsichtigt werden. Das kann auch der natio-





Dr. Michael Meister


(A) (C)



(D)(B)


nale Aufseher in vernünftiger Weise tun, wenn er seine
Verantwortung wahrnimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Frau Kollegin Hinz, die unsere Verantwortung im
Zusammenhang mit der Frage der gemeinsamen Haftung
angesprochen hat, möchte ich sagen: Ich persönlich halte
es am heutigen Tage für verantwortungslos, eine ge-
meinsame Haftung der europäischen Steuerbürger für
die Schulden aller Euro-Staaten einzufordern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das hat keiner gemacht!)


Auf dem Fundament, das wir heute haben, ist das verant-
wortungslos. Deshalb werden wir diesen Weg nicht mit-
gehen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Am heutigen Tage“!)


Wir lassen uns von Ihnen auch nicht in ein verantwor-
tungsloses Handeln in dieser Frage treiben. Das wäre le-
diglich ein Anreiz, mehr zu konsumieren, weniger diszi-
pliniert zu leben und in die falsche Richtung zu gehen.

Ich verdeutliche Ihnen das am deutschen Länderfi-
nanzausgleich. Dort haben wir ein Transfersystem ohne
Anreize. Jetzt schauen Sie sich einmal die letzten
60 Jahre an: Nur ein Bundesland hat es geschafft, vom
Empfänger zum Zahler zu werden. Alle anderen haben
entweder den Status quo gehalten oder wurden vom Zah-
ler zum Empfänger. Diese Geschichte zeigt, dass mit ei-
nem solchen System falsche Anreize gesetzt werden.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das fordert doch überhaupt niemand! – Zuruf der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ein solches System führt dazu, dass man sich in die
Hängematte legt und nichts tut. Was wir in Europa brau-
chen, sind mehr gemeinsame Anstrengungen. Wir brau-
chen das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen,
damit die Europäische Union, damit das Euro-Land vo-
rankommt. Wir dürfen keine Anreize setzen, die dazu
führen, dass sich jeder ausruht und gleichzeitig auf den
Nachbarn schaut, hoffend, dass dieser im Zweifelsfall
hilft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zum Abschluss: Hier wird über Maßnahmen disku-
tiert. Aus meiner Sicht leidet die Debatte manchmal da-
runter, dass vergessen wird, dabei auf die Zeitschiene zu
verweisen. Es gibt einige Dinge, die man kurzfristig tun
kann, andere, die mittelfristig angelegt sind, und wieder
andere, die langfristig angelegt sind. Ich glaube, es wäre
sinnvoll, wenn man sich jenseits der Frage, was auf der
Agenda steht, darauf verständigt, in welchen Zeitabläu-
fen die einzelnen Projekte angegangen und wie sie abge-
schlossen werden sollen. Ich glaube, das, was wir errei-
chen müssen, ist nicht neues Recht in Europa – das ist
nur ein kleiner Teil des Ganzen –, was wir vor allem be-
nötigen, ist das Vertrauen der Menschen in Europa. Auch

die Investoren jenseits Europas müssen darauf vertrauen
können, dass wir diese Regeln auch leben.

Ich möchte Herrn Poß an dieser Stelle sagen: Wir ha-
ben Anfang des vergangenen Jahrzehnts ein wirklich
schlechtes Beispiel gegeben. Wir haben eine Rechtsge-
meinschaft in der EU, und wir als Deutsche haben als
Erste dazu aufgerufen, das Recht zu brechen.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist eine Legende! Ohne die Veränderung des Pakts hätten wir die Konjunkturpakete nicht auflegen können, Herr Meister!)


Wenn wir das in dieser Weise leben, dann können wir
noch so oft neue Vereinbarungen treffen – solange wir
diese nicht verinnerlichen und leben, werden sie nicht
funktionieren. Deshalb kann ich nur appellieren: Es
reicht nicht, neue Vereinbarungen zu treffen, sondern wir
müssen das Vereinbarte auch selbst vorbildhaft vorleben.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718602300

Der Kollege Manuel Sarrazin hat für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718602400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

möchte versuchen, einen anderen Aspekt in die Debatte
einzubringen. Die Kanzlerin hat gerade von einer scho-
nungslosen Analyse der Krise gesprochen. Ich finde es
bemerkenswert, Frau Bundeskanzlerin, dass in dieser
schonungslosen Analyse die Herausforderungen, die be-
züglich nationaler und europäischer Demokratie vor uns
liegen, schlichtweg nicht vorgekommen sind. In der letz-
ten Woche gab es ein Urteil des Bundesverfassungsge-
richts. Im Feuilleton der FAZ trug ein Artikel zu dem
Thema folgende Überschrift: „Anatomie einer Hinterge-
hung“. Nicht diejenigen in diesem Haus, die am lautes-
ten schreien – also die Linkspartei –, und auch nicht die-
jenigen, die am dicksten mit Stabilität auftragen – also
die Koalition –, haben der Bundesregierung die Schran-
ken aufgezeigt, sondern nur die Grünen haben sich ge-
gen diese Hintergehung gewehrt, für die demokratischen
Rechte des Bundestages gekämpft, und wir haben diesen
Kampf gewonnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Bundeskanzlerin, vor diesem Hintergrund hätte
ich zum einen erwartet, dass Sie darstellen, dass Sie uns
dankbar sind, dass wir mögliche verfassungsrechtliche
Probleme hinsichtlich der Rechte des Bundestages, die
der Fiskalvertrag hätte aufwerfen können, durch unsere
Klage abgebogen haben. Zum anderen hätte ich erwartet,
dass Sie jetzt endlich deutlich machen, dass sich in Eu-
ropa etwas verändert und dass jetzt die Zeit ist, darüber
zu reden, wie wir diese Institutionen, die gerade an- und
zugebaut werden, in das europäische Haus eingliedern
und mit europäischer Demokratie in Verbindung bringen
können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)


Ich erwarte von Ihnen, dass Sie endlich für einen eu-
ropäischen Konvent streiten und nicht nur fragen, ob
sein Ergebnis am Ende – wir kennen es noch nicht – per
Volksabstimmung oder anders legitimiert werden soll.
Ich erwarte, dass Sie endlich dafür einstehen, dass die
Debatte darüber, wie der nächste Integrationsschritt aus-
sehen soll, öffentlich und transparent mit den Menschen,
mit den Sozialpartnern und mit der Zivilgesellschaft ge-
führt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])


In dieser Frage ist die Form sehr wichtig. Der Grund-
satz parlamentarischer Öffentlichkeit, den das Verfas-
sungsgericht zu einer der Grundlagen des Urteils ge-
macht hat, sollte uns auch bei dem Weg zu mehr Europa
anleiten. Deswegen möchte ich Sie sehr bitten: Sie wis-
sen, dass wir die Integrationsschritte meistens unterstüt-
zen. Aber wir wollen nicht plump einen Blankoscheck
geben. Der europäischen Demokratie könnte nichts
Schlechteres passieren, als dass diese nächsten Integra-
tionsschritte genauso aufs Tapet kommen wie der Fiskal-
vertrag. Wir müssen jetzt den Stil ändern, weg von den
Methoden Ihrer Politik der letzten zwei Jahre und zurück
zur Gemeinschaftsmethode und zur öffentlichen Debatte
von Anfang an über den nächsten Schritt. Dafür ist nur
ein europäischer Konvent mit vorgelagerter öffentlicher
Debatte geeignet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Kanzlerin, zu dieser Debatte über Euro-Bonds
und Haftung haben Sie angekündigt: Euro-Bonds wird
es nicht geben, solange ich lebe. Ich habe heute im Haus-
haltsausschuss der Einführung des ESM zugestimmt.
Auch in dessen Rahmen werden europäische Anleihen
emittiert. Da habe ich Angst um Ihre Gesundheit bekom-
men.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben vorhin die Projektanleihen von 1 Milliarde
Euro genannt. Da dachte ich schon – ich möchte Ihnen
persönlich wirklich nichts Böses –:


(Rainer Brüderle [FDP]: Das ist sehr glaubwürdig!)


Kann ich da mitgehen, oder muss ich mir Sorgen ma-
chen?


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Den Unterschied werden Sie nie verstehen!)


– Kollege Fricke, wissen Sie, die Modelle von Euro-
Bonds, die wir hier vertreten, sehen klar gemeinschaftli-
che Haftung vor,


(Otto Fricke [FDP]: Ja, aber gemeinschaftlich!)


aber sie sind mit so strengen Regeln durchsetzt, dass ich
verstehe, warum Sie dagegen sind; denn Sie wollen im
nationalen Haushalt mit Ihrem Gewurschtel weiterma-
chen, siehe Betreuungsgeld.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Sie werden es nie verstehen!)


Mir ist Folgendes aufgefallen: Ich bin 1982 geboren.


(Zuruf von der FDP: Sieht man gar nicht!)


1998 war ich 16 Jahre alt. Ich dachte mir, wenn Helmut
noch einmal gewinnt, dann muss ich auswandern. Im Fe-
bruar war ein Artikel von Helmut Kohl in der Bild-Zei-
tung. Ich muss sagen: Jeder Satz stimmte. Bei der Über-
schrift heute: „Keine Euro-Bonds, solange ich lebe“,
habe ich wieder an den Bild-Zeitungsartikel von Helmut
Kohl gedacht. Dort steht:

Meine Vision für Europa war und bleibt die Vision
der Gründerväter Europas: Es ist die Vision des ge-
einten Europas, das heißt eines immer engeren Mit-
einanders auf unserem Kontinent.


(Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Wie in Deutschland!)


Dagegen stellen Sie die Aussage: „Keine Euro-Bonds,
solange ich lebe!“

Vielleicht ist das Problem der deutschen Europapoli-
tik komplett beschrieben,


(Patrick Döring [FDP]: Unser Grundgesetz gilt schon auch noch!)


wenn man diese beiden Sätze nebeneinanderstellt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Nicht zu viel Helmut Kohl zitieren! Das ist schwierig!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718602500

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Michael

Stübgen das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Stübgen (CDU):
Rede ID: ID1718602600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäi-
sche Rat tagt am Donnerstag und Freitag dieser Woche.
Wie fast alle Europäischen Räte in den vergangenen
zweieinhalb Jahren wird er sich im Schwerpunkt mit den
Fragen der Stabilisierung der Euro-Zone beschäftigen.
Aber es besteht auch das Vorhaben, Ideen für die Zu-
kunft, wie die Europäische Union den Herausforderun-
gen der Zukunft besser gewachsen sein kann, zu entwer-
fen und zu beschließen. Von den Big Four, den vier
Präsidenten, ist – das ist vorhin schon genannt worden –
die Losung ausgegeben worden: Wir brauchen mehr eu-
ropäische Integration. Allerdings kann ich mich des Ein-
drucks nicht erwehren, dass diejenigen, die im Moment





Michael Stübgen


(A) (C)



(D)(B)


am lautesten nach mehr Integration rufen, am wenigsten
Interesse daran haben,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


die Ursachen der Verschuldungskrise in ihren Ländern
an der Wurzel zu bekämpfen. Das ist menschlich nach-
vollziehbar.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, das ist menschlich nicht nachvollziehbar!)


Die Flucht nach vorn ist auf jeden Fall ein bequemer
Weg.

Eines muss dabei aber klar sein: Mit der Flucht nach
vorn bleiben die Probleme und deren Ursachen die glei-
chen. Das gilt für die Haushaltsdefizite, das gilt für die
Staatsverschuldung, das gilt vor allem für mangelnde
Wettbewerbsfähigkeit, und das gilt auch für zu geringes
Wachstum in vielen Euro-Ländern.

Ich will es noch deutlicher formulieren: Wer der Auf-
fassung ist, dass man nur ausreichend Geld braucht, um
Wachstum zu generieren, dass man nur Schulden verge-
meinschaften muss, um niedrigere Zinsen zu haben, dass
ein europäischer Schuldentilgungsfonds von der Rück-
zahlung der eigenen Schulden entbindet


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sagt das einer?)


und dass eine europäische Einlagensicherung irgendwie
alle Banken am Leben lässt, auch wenn sie kein Ge-
schäftsmodell haben, das wettbewerbsfähig ist, auch
wenn sie Opfer ihrer eigenen Spekulationen geworden
sind, der begeht ökonomisch und politisch einen ver-
hängnisvollen Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Am Dienstag haben wir im Bundestag die Vorschläge
der vier Präsidenten zugestellt bekommen. Trotz Aner-
kennung der Tatsache, dass die Definition der vier Bau-
steine durch die Präsidenten richtig ist, muss ich aber
feststellen, dass sich die Präsidenten mit ihren Vorschlä-
gen leider weitgehend auf dem Holzweg befinden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)


Ich will nur zwei Dinge ansprechen. Das erste ist der
sogenannte integrierte Finanzrahmen. Die Europäische
Union soll sich dafür einsetzen, eine wirkungsvolle eu-
ropäische Bankenaufsicht mit Durchgriffsrechten umzu-
setzen – in der Tat absolut notwendig. Wir alle wissen,
dass die bisherigen Strukturen nicht funktionieren.
Gleichzeitig soll ein europäisches Einlagensicherungs-
system geschaffen werden – mit dem Ergebnis, dass zum
Beispiel die Sparkassen in Deutschland für waghalsige
Finanzierungen ihrer spanischen Kollegen haften müs-
sen, ohne sie verhindern zu können.

Zweitens möchte ich den sogenannten integrierten
Haushaltsrahmen ansprechen. Nach Auffassung der vier
Präsidenten soll eine gesamtschuldnerische Haftung ein-
geführt werden, ein sogenannter europäischer Schulden-
tilgungsfonds. Wir wissen mittlerweile, wie er ausgestat-
tet werden muss: Die gesamtschuldnerische Haftung soll
einen Umfang von 2,3 Billionen Euro – ich sage es noch
einmal: 2 300 Milliarden Euro – haben.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das wissen wir aber nicht erst seit jetzt, sondern das wissen wir schon ein bisschen länger!)


Das Europäische Parlament ist in der vergangenen Wo-
che noch einen Schritt weiter gegangen. Es forderte zu-
sätzlich zu diesem europäischen Schuldentilgungsfonds
die Einführung von Stabilitätsanleihen in Höhe von
1 Prozent des Bruttonationalproduktes der EU 27. Das
macht im Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre
mehr als 1 Billion Euro aus.

Ich glaube, ich brauche hier nicht weiter zu vertiefen,
was es im Hinblick auf die Bonität Deutschlands bedeu-
ten würde, wenn Deutschland innerhalb kurzer Zeit – zu-
sätzlich zu allen Bürgschaften, die wir übernommen ha-
ben, und zusätzlich zu den Staatsschulden, die wir
haben – für einen Betrag von insgesamt mehr als 3 Bil-
lionen Euro gesamtschuldnerisch haften müsste.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was reden Sie denn da?)


Wir würden damit keine Probleme lösen. Wir würden
aber innerhalb kürzester Zeit Zinsen wie Spanien zahlen
müssen. Innerhalb kürzester Zeit wäre Deutschland dann
auch nicht mehr in der Lage, Ländern, die gerade
Schwierigkeiten haben, zu helfen.


(Otto Fricke [FDP]: Genau! Das verstehen die Grünen aber nicht!)


Das ist das Problem in Bezug auf die konkreten Vor-
schläge der vier Präsidenten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa ist
nicht reif für die Visionen der Präsidenten. Wenn wir
noch einen Beleg dafür brauchen, dann müssen wir uns
nur anschauen, wie sich verschiedene Länder und ver-
schiedene Regierungen der Euro-Zone in den letzten
Monaten aufgestellt haben. Wir wissen heute: Trotz des
Griechenland-I-Pakets, trotz des Griechenland-II-Pakets,
das über die EFSF finanziert wurde, und trotz einer mas-
siven Schuldenentlastung in Höhe von über 100 Milliar-
den Euro hat Griechenland bis heute leider immer noch
nicht den Willen und den Mut aufgebracht, die unbe-
dingt notwendigen strukturellen Reformen im Land in
ausreichendem Maße anzugehen.

Die Regierungen von Spanien und Zypern haben sich
in den letzten Wochen nahezu ausschließlich damit be-
schäftigt, für ihre Banken Geld aus den Sicherungsin-
strumenten, dem ESM oder der EFSF, zu bekommen.
Gleichzeitig haben sie aber alles versucht – ihre gesamte
Energie haben sie hier hineingesteckt –, um dafür zu sor-
gen, dass damit möglichst keine Haftung und keine ein-
zuhaltenden Konditionen verbunden sind. Der Minister-
präsident von Italien beschäftigt sich mehr damit, die
Einführung von Euro-Bonds einzufordern und durchzu-
setzen als damit, das strukturelle Defizit in seinem Land
zu bekämpfen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Der hat Ihre Ratschläge gerade nötig!)






Michael Stübgen


(A) (C)



(D)(B)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind
nicht reif für die Vergemeinschaftung von Schulden. Wir
dürfen nicht der Versuchung erliegen, den zweiten
Schritt vor dem ersten zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Um es mit einem Bild zu sagen: Wir müssen unser Fahr-
zeug erst reparieren, bevor wir auf die Autobahn fahren
können. Die Reparaturarbeiten sind hier im Bundestag in
vollem Gange.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sie reparieren gar nichts!)


Ich freue mich, dass wir am Freitag mit Zustimmung
von vier Fraktionen sehr wichtige Reparaturinstrumente
für Europa beschließen werden;


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Na, na! Da wäre ich mir noch nicht so sicher!)


dann geht es um den ESM und seine Begleitgesetze und
um den Fiskalpakt. Darüber hinaus – auch das wird von
vier Fraktionen unterstützt – setzt sich Deutschland da-
für ein, dass die Europäische Investitionsbank rekapitali-
siert wird. Außerdem werden 10 Milliarden Euro für
Projektanleihen bereitgestellt – einige halten sie auch
schon für Euro-Bonds; wir nennen sie aber Projektanlei-
hen, weil sie klar definiert sind –, und im Rahmen der
verstärkten Zusammenarbeit setzen wir uns für die Ein-
führung einer Finanztransaktionsteuer ein. Ich glaube,
dies sind die richtigen Ansätze. Diese Ansätze sollte der
Europäische Rat in den nächsten beiden Tagen beraten.
Am Ende sollte er zu positiven Ergebnissen kommen,
damit Europa wieder gesunden kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718602700

Das Wort hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1718602800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für den Teil meiner
Fraktion sprechen, der heute noch nicht so weit ist, zu
sagen: Wir stimmen am Freitag bei der Abstimmung
über ESM und Fiskalpakt mit Ja. – Unsere Bedenken
und Einwände beziehen sich auf den Aspekt von Demo-
kratie und Verfassung und auf die Fragen der Wirt-
schafts- und Sozialpolitik in Europa. Sie wurden bisher
leider weder in den Ausschüssen noch in dieser Plenar-
debatte wirklich entkräftet. Ich will deutlich machen:
Was unsere Bedenken betrifft, geht es nicht in erster Li-
nie darum, ob einzelne Personen so oder so abstimmen.
Vielmehr gehen diese Bedenken quer durch alle Reihen.
Sie plagen uns alle.

Auch diejenigen, die heute noch nicht zustimmen
können, halten Solidarität in Europa und gemeinsames
Handeln für zwingend geboten. Auch diejenigen, die

noch nicht dabei sind, sind der Meinung, dass wir, die
Sozialdemokraten und die Grünen, mit dem Pakt für
Wachstum und Beschäftigung viel erreicht haben, um
die falsche Regierungspolitik zu korrigieren.

Wir haben die Finanztransaktionsteuer eingebracht,
für Wachstum geworben und über die Länder die Haus-
halte der Kommunen in den Blick genommen. Weder bei
der Bundesregierung noch bei der EU sehen wir aber ein
Abrücken von ihrer verheerenden Politik.

Die Arbeitslosigkeit erreicht tagtäglich neue Höchst-
stände und Rekorde in Europa, das Wachstum bricht ein.
Das wird sich auch auf die Exporte Deutschlands und
auf die Wettbewerbsfähigkeit von Arbeitsplätzen in
Deutschland auswirken. Wenn wir an unserer Südgrenze
erst einmal mexikanische Verhältnisse haben, dann wird
sich der Druck auf die Arbeits- und Sozialbedingungen
in Deutschland verschärfen. Als Antwort darauf hören
wir heute, dass die Dosis der gescheiterten Rezepte er-
höht werden soll.

Frau Merkel tut so, als ginge es ums Sparen. In Wirk-
lichkeit reißt ihre Politik aber immer größere Löcher,
weil das blinde Sparen die EU zu einer Rezessionsge-
meinschaft macht. Hinsichtlich der Konsolidierung hebt
der Fiskalpakt eben ausdrücklich nicht auf Haushalts-
konsolidierung ab, sondern nur auf die Beschränkung
der Ausgabenseite. Das kann man zum Beispiel in Art. 3
Abs. 1 des Fiskalpakts nachlesen. Deswegen wird die
ganze Situation durch diese Politik verschärft.

Frau Merkel tut so, als spreche Europa Deutsch. Das
hat jedenfalls Herr Kauder so gesagt. Was war denn un-
ser Weg hier in der Bundesrepublik Deutschland aus der
Krise? Zusammen mit den Gewerkschaften und den Be-
triebsräten wurde Kurzarbeit auf der Basis gesicherter
Tarifautonomie vereinbart. Es gab zwei Konjunkturpa-
kete in Höhe von insgesamt ungefähr 2 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts und einen Rettungsschirm, den
Sie jetzt wieder aufgelegt haben, von rund einem Viertel
des Bruttoinlandprodukts. Das hat Entschlossenheit ge-
zeigt und dazu geführt, dass die Spekulation und die Ar-
beitslosigkeit bei uns nicht in die Höhe geschossen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das hat uns durch die Krise gebracht und Wachstum und
Beschäftigung gesichert.

Frau Merkel geht jetzt sogar so weit, hier Mindest-
löhne zu fordern und die Tarifparteien zu höheren Lohn-
abschlüssen zu ermuntern. In der Europäischen Union
setzen Sie aber genau das Gegenteil von dem durch,
nämlich Lohnsenkungen allenthalben, Sozialabbau, ein
Aufbrechen des Flächentarifvertrags, den Abbau von
Arbeitnehmerrechten und massive Kürzungen von öf-
fentlichen Investitionen. Das ist genau das Gegenteil von
dem, was uns hier den Erfolg gebracht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierung,
das ist die internationale Strategie des Neoliberalismus,
die Strategie der Zocker und Umverteiler.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Klaus Barthel


(A) (C)



(D)(B)


Eine Vergemeinschaftung gibt es schon längst – nur eben
nicht bei der Haftung, sodass diejenigen, die das Geld
haben und die an der Krise verdient haben, herangezo-
gen werden könnten, sondern eine Vergemeinschaftung
des Sozialabbaus. Die Lasten werden bei den Arbeitneh-
mern, bei den Rentnern und bei den Jugendlichen abge-
laden. Sie bezahlen die Zeche gemeinschaftlich.

Deswegen fehlt uns der Aspekt der Einnahmeseite,
zum Beispiel die Bekämpfung der Kapitalflucht, wirk-
same Maßnahmen für Wachstum, die nicht durch die
verschärften Regeln des Fiskalpakts aufgezehrt werden,
und soziale Mindeststandards bei Löhnen und sozialen
Leistungen, damit es nicht zu dem kommt, was wir jetzt
in Griechenland so bitter erleben, dass nämlich die Men-
schen vor den Türen der Krankenhäuser und Apotheken
stehen und keine Behandlungen und Medikamente mehr
bekommen, weil Sie in die Regeln für Griechenland hi-
neingeschrieben haben, dass die Gesundheitsausgaben
höchstens 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen
dürfen. Hier muss eine grundlegende Korrektur erfol-
gen!


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718602900

Kollege Barthel, achten Sie bitte auf die Zeit.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1718603000

Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin. – Die fal-

schen Regeln, die Sie jetzt schon durchgesetzt haben,
dürfen nicht per Fiskalpakt völkerrechtlich in Beton ge-
gossen und verewigt werden. Das können Sie in Ihren
Unterlagen selber nachlesen. Ich bin sehr gespannt, wie
Sie da einmal herauskommen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603100

Das Wort hat der Kollege Norbert Brackmann für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1718603200

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! In der heutigen Debatte wurde so oft von Krise
und Problemen gesprochen, dass ich zunächst einmal er-
wähnen möchte, welch ein Erfolgsmodell Europa nicht
nur an sich, sondern auch für die Menschen ist.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sehr gut!)


8 Prozent der Weltbevölkerung – so viele sind wir
nämlich in Europa – erwirtschaften 25 Prozent des BIPs.
50 Prozent der Sozialleistungen auf der ganzen Welt ste-
hen den Menschen in Europa zur Verfügung. Dies ist ein
weltweites Erfolgsprojekt für die Menschen in Europa.
Das ist wichtig zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Über dieses Erfolgsmodell diskutieren wir, weil es in
Europa unterschiedliche Entwicklungen gibt. Einige
Staaten haben das Problem einer besonders hohen
Staatsverschuldung und gleichzeitig einer besonders
hohen Arbeitslosigkeit. Beispielsweise hat Spanien eine
Arbeitslosenquote von 25 Prozent. Daneben gibt es Staa-
ten wie zum Beispiel Deutschland, die eine vergleichs-
weise geringe Verschuldung und eine extrem geringe Ar-
beitslosigkeit – im Mai waren noch 2,86 Millionen
Menschen arbeitslos – haben. Das ist doch eindeutig ein
Hinweis darauf, dass eine solide Politik mit wenig
Schulden zu einer geringen Arbeitslosigkeit und eine un-
solide Politik eben zu dem Gegenteil führt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe heute die Rezepte gehört, mit denen man die
Sucht nach Geld – es ist ja eine süße Droge, Geld vom
Kreditmarkt aufzunehmen –, die Nöte, die es in einigen
Staaten Europas gibt, bekämpft. Das ist ja fast so, als
würde man – vorhin wurde ja gefordert, die Zinsen zu
senken –, weil Drogensüchtige Probleme haben, den
Kauf der Drogen zu finanzieren, nun eine Sammelbestel-
lung aufgeben, um Rabatte auf die Gemeinschaftsbestel-
lung zu bekommen. Diese Rezepte führen nicht dazu,
Drogensüchtige von ihrer Droge wegzubekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es muss auch anders gehen. Herr Barthel, Sie haben
vorhin darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in unserer Gesellschaft betroffen sind.
Sie reden hier immer sehr abstrakt von: „Wir müssen
helfen!“ Aber wir leisten uns doch keine Bundesdrucke-
rei, die im Keller ganz eifrig Geld druckt. Weshalb sind
wir denn in dieser günstigen Lage? Vergleichen Sie doch
einmal die Entwicklung der Lohnstückkosten von 2000
bis 2012 in Deutschland. In Deutschland sind die Lohn-
stückkosten in diesen Jahren um durchschnittlich
0,7 Prozent gestiegen, während die Steigerung in Europa
in diesem Zeitraum bei durchschnittlich 1,7 Prozent lag.
Dadurch haben die deutschen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer den Wohlstand erwirtschaftet, von dem
wir heute alle gemeinsam profitieren, der Sicherheit für
die Zukunft bietet. Es sind die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in Deutschland, mit deren erwirtschafte-
tem Geld Sie Gemeinschaftsanleihen finanzieren wollen.
Das müssen Sie denen auch beibringen. Diese Ehrlich-
keit muss man Ihnen abverlangen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen aber gar nicht so weit nach Europa gu-
cken. Zu Beginn der Legislaturperiode im Jahre 2009
haben wir hier im Hause darüber diskutiert, wie wir mit
den finanziellen Rahmendaten klarkommen. Sie haben
uns vorgeworfen, als wir damals das Sparpaket aufgelegt
haben, wir würden Deutschlands Zukunft kaputtsparen.
Wir haben Ihnen schon damals gesagt, dass es darauf an-
kommt, durch intelligentes Sparen Wachstum zu schaf-
fen und die Ausgaben zu begrenzen.


(Zurufe von der SPD: Blödes Sparen!)






Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)


Den Erfolg sehen Sie heute an den Ergebnissen, die ich
Ihnen vorhin vorgetragen habe. Die politische Inkonsis-
tenz, zum einen von einem „blöden“ Sparen zu sprechen
und zum anderen uns vorzuwerfen, wir würden nicht ge-
nug sparen, kann man sich nur leisten, wenn man in der
Opposition sitzt und hoffen kann, dass die Meinungs-
äußerungen nicht über zwei Jahre verfolgt werden. Dies
können und werden wir uns nicht leisten, weil wir eine
geradlinige Politik für die Menschen in Deutschland ma-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Klar ist: Es ist ein schwieriger Weg, den wir in
Deutschland einschlagen. Aber wenn wir die Entbehrun-
gen, die wir den deutschen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern zugemutet haben, auch allen anderen in
Europa zumuten, dann wird sich dieser Weg lohnen.
Dann werden wir am Ende sehen, dass Stabilität und
Wachstum unverzichtbare Bedingungen für Wohlstand
sind. Ihn werden wir nur so sichern.

Die real existierenden Menschen in Deutschland
schauen auf unsere Bundeskanzlerin. Ich kann ihr von
diesem Pult nur zurufen: Sehr geehrte Frau Bundeskanz-
lerin, viel Erfolg auf dem Europäischen Rat morgen und
übermorgen. Dann werden wir am Freitag sehen, welche
Ergebnisse wir haben. Sie werden gut sein.


(Joachim Poß [SPD]: „Und ein langes Leben“, hätten Sie noch dazusagen müssen!)


Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603300

Der Kollege Michael Roth hat nun für die SPD Frak-

tion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1718603400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute im Laufe der Debatte war viel vom Sparen die
Rede: Sparen bei Sozialleistungen, Sparen bei den
Löhnen. Es gibt aber auch ein Sparprogramm für die De-
mokratie in Europa. Verantwortlich für dieses Sparpro-
gramm sind diese Bundesregierung und diese Bundes-
kanzlerin.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundeskanzlerin hat mit der viel gepriesenen
Unionsmethode ein Europa der Regierungen, ein Europa
der Hinterzimmer zusammengebastelt. Sie hat das Euro-
päische Parlament geschwächt. Sie hat die Gemein-
schaftsinstitutionen geschwächt. Sie hat damit der parla-
mentarischen Demokratie in der Europäischen Union
einen Bärendienst erwiesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie hat abermals einen Verfassungsbruch vollzogen.
Spätestens seit dem jüngsten Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts wissen wir: Sie tritt nicht nur die Rechte
der parlamentarischen Institutionen in Brüssel mit Fü-
ßen, sondern sie ignoriert auch die parlamentarischen
Rechte des Deutschen Bundestages. Hier müssen wir
uns auflehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb glaube ich Ihnen auch nicht, Frau Bundes-
kanzlerin, sehr geehrte Damen und Herren der Bundes-
regierung, dass Sie für ein demokratischeres und solida-
rischeres Europa eintreten. An den Taten wollen wir Sie
messen. Ihre Taten sind aber derart mickrig und un-
glaubwürdig, dass Sie darüber lieber schweigen sollten.

Was ist aber jetzt in dieser schwierigen Stunde zu tun?
Ich sehe im Wesentlichen zwei große Aufgaben für uns
gemeinsam: Erste Aufgabe. Wenn wir über neue Zustän-
digkeiten in Europa reden, sehe ich in den Augen vieler
Kolleginnen und Kollegen Angst und Unsicherheit. Wir
müssen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern deut-
lich machen: Mehr Europa ist kein Machtverlust für uns.
Wir gewinnen neue politische Handlungsfähigkeiten.
Wir gewinnen politische Gestaltungskraft in einer globa-
lisierten Welt zurück, in der die Nationalstaaten alter
Prägung dies nicht mehr zu leisten vermögen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht also nicht um weniger Demokratie. Es geht um
mehr Handlungsfähigkeit.

Zweite Aufgabe. Lassen Sie uns endlich ein Europa
der Parlamente schaffen. Wir rennen doch den Urteilen
aus Karlsruhe immer nur hinterher. Warum nutzen wir
nicht endlich einmal diese Stunde und warten nicht da-
rauf, was uns Gerichte mit auf den Weg geben? Warum
überlegen wir nicht: Wie können wir eine parlamentari-
sche Demokratie in Europa zukunftsfest machen? Da er-
öffnet uns beispielsweise der Fiskalvertrag mit Art. 13
eine Option.

Wir dürfen uns nicht einbilden, dass parlamentarische
Demokratie nur vom Europäischen Parlament oder von
den nationalen Parlamenten jeweils alleine gesichert
werden kann. Wir brauchen eine neue Partnerschaft der
Parlamente in Europa. Wir müssen das gemeinsam erle-
digen, sonst schaffen wir das nicht. Insofern hoffe ich,
dass wir in Europa nicht nur eine Wirtschaftsregierung,
sondern auch ein Wirtschaftsparlament etablieren, das
die Entscheidungen der Regierungen und der Staats- und
Regierungschefs abzusichern versucht, auch im Dialog
mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Deshalb kämpft die deutsche Sozialdemokratie eben
nicht nur für ein Wachstumsprogramm für Beschäfti-
gung; wir kämpfen auch für ein Wachstumsprogramm
für mehr Demokratie in Europa. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, kämpfen Sie alle mit!

Zum Schluss noch eine herzliche Bitte: Der Ton
macht die Musik. Vor dem Hintergrund, dass heute ein
Bundesverkehrsminister in der Presse erst einmal 1 Mil-
liarde Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur fordert,





Michael Roth (Heringen)



(A) (C)



(D)(B)


statt den Griechen Geld hinterherzuwerfen, und Kolle-
ginnen und Kollegen davon sprechen, dass Südeuropäer
in der Hängematte liegen, oder Abgeordnete und Bürge-
rinnen und Bürger in Europa als Drogensüchtige be-
zeichnen, bitte ich uns alle um Mäßigung. So werden wir
kein solidarisches Europa schaffen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern bitte ich Sie alle: Machen Sie es besser! Re-
den Sie verantwortungsbewusster, und bauen Sie keine
Feindbilder auf! Wir müssen Feindbilder überwinden.
Wir brauchen mehr Kooperation und Solidarität. Dazu
fordere ich Sie auf.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603500

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettsitzung mitgeteilt: 9. Bericht zur Lage der Aus-
länderinnen und Ausländer in Deutschland.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Beauftragte der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration, Frau Dr. Maria Böhmer,
bitte.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Heute Vormittag wurde der Bericht
der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integra-
tion über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland dem Bundeskabinett vorgelegt. Anschlie-
ßend konnte ich ihn dem Bundestagspräsidenten überge-
ben. In guter Tradition wollen wir diesen Bericht im Ple-
num debattieren. Deshalb darf ich heute eine kleine
Einstimmung darauf geben.

Der Bericht hat eine Kernbotschaft: Die jungen Mi-
grantinnen und Migranten, die Schülerinnen und Schü-
ler, holen auf. Es hat sich im Berichtszeitraum vom
Frühjahr 2010 bis zum Frühjahr 2012 in der Integration
so viel bewegt wie noch nie zuvor. Das lässt sich anhand
von etlichen Daten nachvollziehen. Es lässt sich aber
auch daran nachvollziehen, dass wir durch wichtige ge-
setzliche Änderungen die Teilhabechancen verbessert
haben. Ich nenne dafür stellvertretend das Gesetz zur
Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen
und das Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche.

Zu den Bereichen, in denen wir mit großen gemeinsa-
men Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen
und vielen Partnern im gesellschaftlichen Bereich voran-
gekommen sind, gehören Sprache, Bildung, Ausbildung
und Arbeitsmarkt.

Wir wissen aber auch, dass Integration nicht statisch
ist. Integration verändert sich ständig. Wir stehen vor

neuen Herausforderungen. Wenn wir für diese Heraus-
forderungen gut gerüstet sein wollen, dann müssen wir
von der nachholenden Integration zu einer vorausschau-
enden Integrationspolitik kommen.

In den vergangenen Jahren haben wir die Versäum-
nisse der vergangenen Jahrzehnte aufholen müssen. Aus
den Fehlern der Vergangenheit haben wir Schlussfolge-
rungen gezogen. In den letzten sieben Jahren haben wir
mit Maßnahmen der nachholenden Integration gerade im
Bereich der Sprachförderung bei Kindern angesetzt. Ich
bin sehr froh, dass ich mit diesem Lagebericht zeigen
kann, dass wir fast überall in Deutschland flächende-
ckende Angebote zur Sprachförderung im Kindergarten
haben. Das wirkt sich auch im schulischen Bereich aus;
die schulischen Ergebnisse verbessern sich. Was den An-
teil der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher an-
geht, zeichnet sich bei Kindern aus Zuwanderungsfami-
lien ein deutlicher Rückgang ab. Es gibt Verbesserungen
bei den mittleren Bildungsabschlüssen. Hier befinden
sich Kinder aus Zuwanderungsfamilien in etwa im
Gleichstand mit deutschen Kindern. Es gibt des Weiteren
eine klare Verbesserung bei denjenigen, die einen Hoch-
schulabschluss oder einen Fachhochschulabschluss an-
streben. Das sind positive Botschaften.

Ich will aber nicht unerwähnt lassen, dass der Ab-
stand zwischen denjenigen, die aus Zuwanderungsfami-
lien kommen, und denjenigen, die aus urdeutschen Fa-
milien kommen, weiterhin gegeben ist. Das heißt, wir
dürfen nicht nachlassen. Aber wir wissen, dass wir den
richtigen Weg eingeschlagen haben. Deshalb wollen wir
alle Kräfte verstärkt anspannen. Dafür steht der Natio-
nale Aktionsplan Integration, der unter Mitarbeit der Mi-
granten selbst erarbeitet und im Januar gemeinsam von
Bund, Ländern, Kommunen und gesellschaftlichen
Gruppen verabschiedet wurde. Er enthält klare Zielvor-
stellungen und sieht überprüfbare Maßnahmen vor. Die-
ser Aktionsplan wird uns weiter voranbringen.

Ich will einen Punkt ansprechen, der mich immer wie-
der besonders umtreibt und der von entscheidender Be-
deutung für die Teilhabechancen von Menschen in unse-
rem Land ist: die Ausbildung bzw. die berufliche
Qualifizierung. Die Ausbildungsbeteiligungsquote aus-
ländischer Jugendlicher liegt nach wie vor dramatisch
unter der deutscher Jugendlicher. Zwar ist die Ausbil-
dungsbeteiligungsquote ausländischer Jugendlicher von
31,4 Prozent auf 33,5 Prozent im Jahr 2010 gestiegen.
Aber bei den deutschen Jugendlichen beträgt sie
65,4 Prozent. Angesichts der Arbeitsmarktsituation in
Deutschland wissen wir, dass man nur mit einem guten
Bildungsabschluss und einer guten beruflichen Qualifi-
kation – ob eine Ausbildung im Rahmen des dualen Sys-
tems oder ein Hochschulabschluss – eine echte Chance
auf dem Arbeitsmarkt hat. Deshalb müssen wir alles da-
ransetzen, dass Jugendliche aus Zuwanderungsfamilien
gut qualifiziert sind. Das ist Thema des Nationalen Aus-
bildungspaktes. Hier üben wir den Schulterschluss mit
Wirtschaft und Gewerkschaften. Das muss auch ein
Schwerpunktthema für die Zukunft sein.

Ich will diese kurze Einstimmung auf das Thema mit
dem Hinweis auf einen Ansatz schließen, den die Wirt-





Beauftragte der Bundesregierung Dr. Maria Böhmer


(A) (C)



(D)(B)


schaft zunehmend verfolgt. Wir sind der Meinung: Viel-
falt ist ein Gewinn. Das findet immer mehr Resonanz bei
den Unternehmen. Die Unternehmen erkennen: Wenn
sie international wettbewerbsfähig sein wollen, müssen
sie Diversity praktizieren und Menschen unterschiedli-
cher Herkunft als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ge-
winnen. Somit können sie im Exportbereich besser
punkten und sich im Inland eher neue Kundenkreise er-
schließen. Viele Unternehmen haben die Charta der
Vielfalt unterzeichnet. Mehr als 6,5 Millionen Menschen
sind von der Charta erfasst.

Dazu gehört auch die Vorbildfunktion des öffentli-
chen Dienstes. Hier stellen wir die Weichen mit dem Na-
tionalen Aktionsplan Integration. Wir haben die Kampa-
gne „Meine Stadt. Mein Land. Meine Aufgabe.“
gestartet. Ich finde es richtungsweisend, dass das Bun-
desinnenministerium die Internetseite „wir sind bund“
geschaltet hat. Damit senden wir das klare Signal aus:
Ihr seid willkommen; wir wollen euch; die Türen stehen
offen; geht durch diese Türen. – Das heißt für mich, den
Paradigmenwechsel hin zu einer Willkommenskultur in
unserem Land zu vollziehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603600

Herzlichen Dank. – Ich bitte nun, zunächst Fragen zu

dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berich-
tet wurde.

Zur ersten Frage hat die Kollegin Ulla Jelpke das
Wort.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603700

Danke, Frau Böhmer. – Wir haben erst in der letzten

Woche im Innenausschuss darüber diskutiert. Uns Abge-
ordneten liegt der Lagebericht erst seit heute Morgen vor.
Das heißt, ich kann mich auf ihn nicht konkret beziehen.
Aber ich möchte darauf hinweisen, dass Menschen mit
Migrationshintergrund im Vergleich zu Deutschen über-
all – ob es nun um die Schulabbrecherquote, die Ausbil-
dungssituation, Armut oder prekäre Beschäftigung geht –
doppelt so stark benachteiligt sind. Ich möchte mich be-
sonders auf einen Bereich beziehen, den Sie ebenfalls an-
gesprochen haben, nämlich die Integrationskurse. Ich
weiß, dass sich seit 2010 durch die Einsparungen die Si-
tuation bei den Integrationskursen verschlechtert hat. Das
betrifft zum Beispiel die Teilzeitkurse; aber auch die Zahl
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist um 20 Prozent
eingebrochen.

Sie haben die Fortschritte bei der Integration positiv
bewertet, sind aber an den Einsparungen mitbeteiligt ge-
wesen. Meine Frage lautet: Was wollen Sie tun, um der
negativen Entwicklung etwas entgegenzusetzen?

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Frau Kollegin Jelpke, zunächst möchte ich festhalten,
dass das dunkle Bild, das Sie malen, nicht der Wirklich-

keit entspricht. Wir haben erhebliche Fortschritte zu ver-
zeichnen. Das ist nicht nur eine Aussage der Bundesre-
gierung; sondern auch der Wissenschaftler, die den
Zweiten Integrationsindikatorenbericht Anfang des Jah-
res präsentiert haben. Sie haben von maßgeblichen Fort-
schritten gesprochen, gerade im Bereich der Sprachförde-
rung, der frühkindlichen Bildung, der Bildungssituation
insgesamt, aber auch der Ausbildung. Gleichwohl habe
ich hier gesagt, dass wir noch lange nicht zufrieden sein
können. Der Trend ist positiv. Die Aufholjagd – so nenne
ich es einmal – vollzieht sich momentan.

Sie sagen, die Einsparungen gingen zulasten der Aus-
länder. Wir hatten die große Sorge, dass sich die Wirt-
schafts- und Finanzkrise sehr negativ auf die Beschäfti-
gung von Ausländern auswirken würde. Wir haben aber
einen Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Ausländern von
über 200 000 Personen. Ich finde, das ist eine deutliche
Entwicklung, die sich sehen lassen kann. Die soll man
auch nicht schlechtreden, sondern man soll den Men-
schen Mut machen und zeigen, dass sie in diesem Land
vorankommen können.

Jetzt zu den Integrationskursen, die ich übrigens nicht
angesprochen habe. Ich greife aber dieses Thema natür-
lich gerne auf. Wir konnten gerade dem einmillionsten
Teilnahmeberechtigten gratulieren. Mehr als 500 000
Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben den Kurs mit
Erfolg besucht. Das sind Erfolgszahlen! Ich war immer
dankbar, dass dieses Hohe Haus, wenn es um die Finanz-
mittel für die Integrationskurse ging, die notwendigen
Mittel bereitgestellt hat. Mein Vertrauen ist bei keiner
Haushaltsberatung enttäuscht worden. Ich möchte allen
Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich dafür danken;
denn dies waren gute Investitionen. Ich bin mir sicher,
dass wir das auch in Zukunft gemeinsam so halten wer-
den.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718603800

Bevor ich dem Kollegen Frieser für die nächste Frage

das Wort gebe, ein Hinweis sowohl an die Kolleginnen
und Kollegen als auch an Frau Böhmer: Wir haben uns
in den letzten Monaten neue Regeln für die Fragestunde
und die Regierungsbefragung gegeben. Um die Fragen
und Antworten auf jeweils eine Minute zu beschränken,
haben wir ein technisches Hilfsmittel geschaffen. Wenn
an den Anzeigetafeln die Farbe Rot aufleuchtet, dann ist
die Minute abgelaufen. Ich bitte alle, diesen Hinweis zu
beherzigen. Das gilt für die Fragenden, aber auch die
Antwortenden haben die Möglichkeit, die Zeit einzuhal-
ten.

Kollege Frieser, Sie haben das Wort.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1718603900

Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank. – Ich hoffe,

dass der Inhalt der Fragen und auch der Antworten im-
mer so simplifizierbar ist, dass er in den Zeitrahmen von
einer Minute passt.

Frau Staatsministerin, herzlichen Dank für die Vor-
lage. – Dies ist ein wuchtig Ding, wie man in Deutsch-
land sagt, mit sehr viel Inhalt. Ich danke Ihnen auch für
den Hinweis, dass die Tendenzen, die der Integrations-





Michael Frieser


(A) (C)



(D)(B)


indikatorenbericht angedeutet hat, bestätigt werden und
wir uns auf allen messbaren Feldern in die richtige Rich-
tung bewegen. Alle Zahlen deuten in die richtige Rich-
tung, wobei man anmerken muss, dass nicht alles in der
Integrationspolitik messbar ist.

Es gibt natürlich noch viele Fragen, die uns alle mitei-
nander besorgen. Wir sehen immer noch, dass die Politik
Nachholbedarf hat, was die Ausbildungschancen von
Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Land
betrifft. Wir sollten in unseren Bemühungen nicht nach-
lassen. Meine Frage betrifft den Zugang zu den Ausbil-
dungschancen. Inwieweit können wir in dieser Hinsicht
noch eine Schippe drauflegen? Welche Erfahrungen gibt
es in Bezug auf die Perspektive eines Berufsabschlusses
und die notwendige Einbeziehung der Eltern? Es geht
nämlich nicht nur um die Jugendlichen allein, sondern
auch um die Eltern.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege Frieser. – Ich
glaube, dass die Frage, wie wir Eltern einbeziehen kön-
nen, von entscheidender Bedeutung ist. Wir haben ge-
merkt, dass vielen Eltern, die nach Deutschland gekom-
men sind, das deutsche Schulsystem von seiner Struktur
her fremd ist. Auch die Bedeutung der Schule und vor
allen Dingen der beruflichen Qualifikation ist ihnen
nicht vertraut. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern-
arbeit in der Schule anders gestaltet wird. Ein Gedanken-
austausch, den ich mit der Kultusministerkonferenz
hatte, zeigte, dass diese Botschaft in den Schulen ange-
kommen ist.

Wir machen ein Zweites, um die Erfüllung dieser
Aufgabe zu unterstützen: Die Integrationskurse, von de-
nen eben die Rede war, können jetzt verstärkt auch im
schulischen Bereich stattfinden, sodass Eltern ihre
Kenntnisse der deutschen Sprache verbessern, aber auch
Informationen über unser Schulsystem erhalten können.
Dieser Austausch ist für die Zukunft ganz entscheidend.

Ich darf noch hinzufügen, dass jetzt im Rahmen des
Nationalen Ausbildungspaktes Elternkonferenzen durch-
geführt werden, die großen Zuspruch finden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718604000

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Sascha

Raabe.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718604100

Ich habe eine Frage an die Bundesregierung. – Minis-

ter Niebel war in Paraguay. – Wir sind jetzt bei „sonsti-
gen Themen“, nicht?

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Nein.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718604200

Noch nicht? – Ich hatte mich für „sonstige Themen“

angemeldet. Dann ist das ein Missverständnis.


(Serkan Tören [FDP]: Die Opposition schläft wieder mal! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Böhmer, was ist mit Paraguay? Raus damit! – Michael Frieser [CDU/CSU]: Migrationshintergrund in Paraguay! Das wäre was!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718604300

Dann stellen wir das zurück. – Jetzt kommt die Kolle-

gin Ewa Klamt von der CDU/CSU-Fraktion.


Ewa Klamt (CDU):
Rede ID: ID1718604400

Danke, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, Sie

haben die positive Entwicklung geschildert, die wir
– Gott sei Dank! – bei der frühkindlichen Bildung, aber
auch bei Bildungsabschlüssen erleben. Sie haben aber
auch gesagt, dass, wenn wir auf die Ausbildung schauen,
doch noch eine Diskrepanz besteht. Gibt es, weil sich
jetzt die Bildungsabschlüsse verbessert haben, da Hoff-
nung? Kann man das quantifizieren? Wir hatten ja bei
den ausländischen Jugendlichen eine sehr hohe Zahl von
Schulabbrechern. Können Sie sagen, um wie viel Pro-
zent sich das verbessert hat? Denn das ließe die Hoff-
nung zu, dass immer mehr Jugendliche in Ausbildungs-
berufe kommen.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Wir haben Daten vorlegen können, aus denen hervor-
geht, dass der Anteil ausländischer Jugendlicher, die die
Schule ohne Abschluss verlassen, deutlich zurückgegan-
gen ist; und zwar um 39 Prozent. Bei den deutschen Ju-
gendlichen sind es 38 Prozent. Es handelt sich also fast
um einen Gleichklang. Es gibt aber immer noch einen
Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Ju-
gendlichen. Ich fände es spannend, Zahlen von Jugendli-
chen mit Migrationshintergrund zu erhalten. Die können
wir aber nur bedingt erlangen; denn die Schulstatistiken
unterscheiden nur zwischen deutschen und ausländi-
schen Schülerinnen und Schülern. Wenn wir erfassen
könnten, wie es bei Jugendlichen bzw. Schülern mit Mi-
grationshintergrund aussieht, wären diese Daten – das
könnte ich mir vorstellen – wahrscheinlich noch wesent-
lich besser. Wir sehen nämlich, dass sich bei der zweiten
Generation der Migranten die Bildungsergebnisse deut-
lich verbessern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718604500

Die nächste Frage stellt der Kollege Mehmet Kilic

von den Grünen.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718604600

Herr Vorsitzender, vielen Dank. – Sehr geehrte Frau

Staatsministerin, Bildung ist das Fundament aller gesell-
schaftlichen Entwicklungen. Deshalb legen wir gemein-
sam – gerade auch im Hinblick auf Integration – großen
Wert auf Bildung. Daher frage ich: Trifft es zu, dass
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an
deutschen Schulen durchgängig – wegen des Migra-
tionshintergrunds oder auch wegen des sozialen Hinter-
grunds – beim Zugang zum jeweils nächsthöheren Bil-





Memet Kilic


(A) (C)



(D)(B)


dungsabschnitt benachteiligt werden? Wenn ja, stellt
dies aus Sicht der Bundesbeauftragten eine Form von
Diskriminierung dar? Wie wird diese Form der Benach-
teiligung in Ihrem Lagebericht thematisiert? Was tut die
Bundesregierung gegen diese Form der Diskriminie-
rung?

Auch zur Einbürgerung habe ich eine Frage. Dabei
geht es um rechtliche und politische Integration, die eine
Brücke baut. Ist es zutreffend, dass die Einbürgerungs-
zahl seit Ihrem Amtsantritt um 20 Prozent gesunken ist?
Wenn ja, was wollen Sie dagegen tun? Ich meine nicht
nur Appelle. Möchten Sie auch strukturell – beispiels-
weise im Hinblick auf die Hinnahme von Mehrstaatlich-
keit oder die Erleichterung der Einbürgerung – etwas
verbessern, damit sich mehr Migrantinnen und Migran-
ten einbürgern lassen?

Vielen Dank.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Herr Präsident, das waren jetzt zwei Fragen. Soll ich
sie zusammen beantworten oder in zwei Teilen? Ich
frage das allein wegen des Zeitbudgets.


(Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war immerhin eine Minute!)


Ich gehe einmal davon aus, dass ich zur Beantwortung
der beiden Fragen jeweils eine Minute Zeit habe.

Benachteiligung von Kindern in der Schule: Ich kann
das so nicht nachvollziehen. Es gibt sicherlich immer
subjektive Eindrücke. Auch mir sind Einzelfälle be-
kannt, in denen Eltern zu mir kommen und sagen: Aber
mein Junge, mein Mädchen ist benachteiligt worden. –
Das wird dann auf die Zuwanderung der Eltern zurück-
geführt. Wenn man nachfasst und mit der Schulleitung
oder den Lehrkräften spricht, stellt sich meistens ein sehr
differenziertes Bild heraus. Umso wichtiger ist es, un-
mittelbar mit den Eltern über die Elternarbeit Kontakt zu
haben, sie mitzunehmen, wenn es um Schule geht, ihnen
auch zu erklären, worauf es ankommt. Manches Mal ha-
ben wir den Eindruck, dass die Eltern, wenn keine schu-
lischen Empfehlungen gegeben werden, sondern sie
selbst entscheiden können, viel zögerlicher sind, ihr
Kind auf eine weiterführende Schule zu schicken. Inso-
fern stellt sich die Situation sogar umgekehrt dar. Aber
ich finde, wenn es Einzelfälle gibt, dann muss man je-
dem von ihnen nachgehen.

Das Zweite, was Sie angesprochen haben, ist die Ein-
bürgerung. Lieber Herr Kilic, ich habe in diesem Lage-
bericht feststellen können, dass die Einbürgerungszahlen
wieder nach oben gegangen sind. Wir verzeichnen weit
über 100 000 Einbürgerungen. Dass die Zahlen schwan-
ken, ist ganz normal. Wir hatten vor einiger Zeit einen
großen Einbürgerungsschub. Jetzt sind wir wieder auf
einem guten Niveau. Ich werbe immer auch für die Ein-
bürgerung; denn ich meine: Wenn jemand einwandert,
dann soll er bitte die vollen Rechte und Pflichten erwer-
ben. Wir müssen auch deutlich machen, dass es bei der
Einbürgerung, dem Erwerb der deutschen Staatsbürger-
schaft, mitnichten nur darum geht, dass man Visafreiheit

hat und einfach in ein anderes Land reisen kann. Viel-
mehr ist der große Pluspunkt der deutschen Staatsbür-
gerschaft: Man kann wählen, und man kann gewählt
werden.

Ich möchte Ihnen hier eines sagen: Ich bin nicht für
das kommunale Wahlrecht. Auch wenn Sie dieses
Thema jetzt nicht angesprochen haben, will ich es von
meiner Seite in dieser Deutlichkeit ansprechen, wie ich
es heute auch der Presse gegenüber getan habe. Ich
finde, man darf nicht auf halber Strecke stehen bleiben,
sondern man muss den Einwanderern die vollen staats-
bürgerlichen Rechte geben, und das heißt die deutsche
Staatsbürgerschaft. Dafür werde ich mit großer Intensität
weiterhin werben.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718604700

Die nächste Frage hat jetzt der Kollege Rüdiger Veit.


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1718604800

Verehrte Frau Staatsministerin, liebe Frau Kollegin

Böhmer, zunächst einmal Ihnen und Ihren Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern herzlichen Dank für dieses um-
fangreiche, immerhin 728 Seiten lange Werk, das in der
Kürze der Zeit von mir nur punktuell hat zur Kenntnis
genommen werden können. Ich möchte jetzt eigentlich
gar nicht mit bohrenden Fragen in Sie dringen, sondern
möchte Sie bitten, noch zu zwei Punkten ergänzend et-
was zu sagen.

Das eine sind die praktischen Probleme – vielleicht
sind es auch keine Probleme – im Zusammenhang mit
der Umsetzung der sogenannten Optionslösung bei den
18- bis 23-Jährigen. Vielleicht könnten Sie uns dazu
noch ein wenig sagen, auch dazu, was Sie zu tun planen.

Das Zweite ist die Frage der stichtagsunabhängigen
Bleiberechtsregelung für Jugendliche, die überwiegend
hier in Deutschland aufgewachsen sind. Da würde mich
interessieren, welche Erfahrungen und Zahlen Sie uns
hierzu liefern können und ob Sie mit mir der Auffassung
sind, dass wir über diese gesetzliche Neuregelung hinaus
weitere Maßnahmen brauchen, um zu einer stichtags-
unabhängigen Altfallregelung zu kommen.

Danke sehr.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Ganz herzlichen Dank. – Um mit dem letzten Punkt
zu beginnen: Ich glaube, es ist von allen hier als große
Anerkennung von Integrationsleistungen empfunden
und sehr unterstützt worden, dass wir im Hinblick auf
Jugendliche, die sich gut integriert haben, die in
Deutschland die Schule besucht haben und eine Ausbil-
dung absolvieren, gesagt haben: Wir wollen ein von den
Eltern unabhängiges, stichtagsunabhängiges Bleibe-
recht schaffen. Ich finde, das ist ein Signal gerade gegen-
über diesen Jugendlichen, aber auch gegenüber den Mit-
schülerinnen und Mitschülern, den Freunden, die damit
sehen: Integration und das Hier-Ankommen in Deutsch-
land werden anerkannt.





Beauftragte der Bundesregierung Dr. Maria Böhmer


(A) (C)



(D)(B)


Ich wäre sehr erleichtert, wenn wir den nächsten
Schritt vollziehen könnten. Ich sehe mich einig mit ei-
nem Beschluss der Integrationsministerkonferenz. Die
Integrationsministerkonferenz hat sich für ein stich-
tagsunabhängiges Bleiberecht ausgesprochen. Ich habe
dies durchaus begrüßt.

Zu dem, was Sie zu dem Optionsverfahren angespro-
chen haben: Ein Punkt ist höchst erfreulich: Bei der Eva-
luierung des Optionsverfahrens haben wir feststellen
können, dass sich 98 Prozent derer, die optieren mussten,
für die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft
entschieden haben. Ein besseres Ergebnis kann man sich
kaum vorstellen: Nur noch 2 Prozentpunkte fehlen uns
an 100 Prozent.

Aber ich sehe, dass größere Zahlen auf uns zukom-
men und Informationsbedarf besteht. Sie sehen: Ich habe
eine Informationsbroschüre in der Hand, die ich jetzt an
die Jugendlichen, aber auch an die Eltern verteilen lasse,
um über die Regelungen des Optionsrechts aufzuklären.
An manchen Stellen können wir sicherlich etwas verein-
fachen, damit es leichter gelingt, die Bürokratie gemin-
dert wird, die Entscheidung aber für Deutschland aus-
fällt.


(Rüdiger Veit [SPD]: Danke sehr!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718604900

Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für diese ausführ-

liche Antwort. – Das Fragerecht hat als Nächste die Kol-
legin Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718605000

Frau Böhmer, ich möchte an die Frage zu den Integra-

tionskursen anknüpfen, die ich vorhin gestellt habe. Sie
haben mir hier Schwarzmalerei vorgeworfen. Was ich
gesagt habe, wird aber beispielsweise von den Lehrkräf-
ten geteilt, die dort unterrichten. Soweit mir bekannt ist,
haben Sie sich früher einmal dafür eingesetzt, dass die
Lehrkräfte besser bezahlt werden. Ich frage: Was ist da-
raus geworden? Meinen Sie, dass es der Qualität von In-
tegrationskursen dient, wenn Menschen unterrichten, die
auf Hartz-IV-Niveau bezahlt werden?

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Frau Kollegin Jelpke, das ist völlig richtig: Wer gute
Arbeit leisten soll, soll auch gut honoriert werden. Es
geht uns um einen entsprechenden Qualitätsstandard bei
den Kursen. Sie wissen, dass das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge prüfen wird, ob Dumpinglöhne ge-
zahlt werden, und dass man danach die Berechtigung für
das Durchführen von Integrationskursen aussprechen
wird oder eben nicht. Schwarze Schafe dürfen die Bil-
dungsmaßnahme „Integrationskurse“ dann nicht durch-
führen. Das halte ich auch für richtig.

Ich habe mit vielen Lehrkräften gesprochen. Es gibt
Kursträger – jetzt nenne ich einmal die Volkshochschu-
len –, die ordentlich bezahlen und bei denen ich davon
ausgehe, dass der Unterricht gut läuft. Das zeigen uns

auch die Ergebnisse. Aber wenn der eine oder andere die
Situation ausnutzt, muss man die Rote Karte zeigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718605100

Nächster Fragesteller ist der Kollege Josef Winkler.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Böhmer, eine
Nachfrage zu der Antwort zum Optionsmodell, die Sie
gerade gegeben haben. Sie haben gesagt, 98 Prozent de-
rer, die sich zurückgemeldet hätten, hätten sich für die
deutsche Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Da würde
mich noch interessieren, wie viele sich nicht zurückge-
meldet haben, weil denen, die sich dauerhaft nicht zu-
rückmelden, automatisch die deutsche Staatsangehörig-
keit entzogen werden wird. – Das wäre der erste Teil.

Der zweite Teil: In dem Zweiten Integrationsindikato-
renbericht, den wir in der Sitzung des Innenausschusses
am 13. Juni miteinander diskutiert haben, war an zwei
Stellen die Rede davon, dass Forscher festgestellt haben:
Es reicht erwiesenermaßen aus, einen ausländisch klin-
genden Namen zu haben, um beim Übergang von der
Schule in die Ausbildung bei gleicher Qualifikation und
gleich guter Benotung gegenüber denen benachteiligt zu
werden, die einen deutsch klingenden Namen haben.
Wie wird das in dem Lagebericht aufgegriffen? Welche
Maßnahmen werden Sie dagegen ergreifen?

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Ich beginne mit der Evaluierung des Optionsverfah-
rens. „Rückmeldung“ hieß in dem Fall: Es ist keine Ge-
samtschau, sondern es ist die Zahl der Rückmeldungen
im Rahmen dieses Optionsverfahrens. Die Zahlen kann
ich Ihnen aber gerne geben – ich habe sie jetzt nicht prä-
sent –; das ist kein Problem.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ordnung!)


Ich weiß sehr wohl, dass wir ab 2018 eine etwas an-
dere Situation haben werden. Dann wird eine viel grö-
ßere Zahl von Jugendlichen vor der Frage stehen, ob sie
sich für die Beibehaltung der deutschen Staatsbürger-
schaft entscheiden. Ich hoffe, sie tun es. Aber das wird
nicht ohne Information geschehen können. Es wird sich
um weit über 40 000 Jugendliche im Jahr handeln. Jetzt
sind es ungefähr 4 000 Jugendliche pro Jahr. Das macht
schon einen Unterschied.

Der Unterschied liegt auch darin begründet, dass jetzt
Jugendliche und junge Menschen optieren, bei denen
sich auch die Eltern dafür entschieden haben. Wir wer-
den es zukünftig also mit einer etwas anders strukturier-
ten Gruppe zu tun haben. Deshalb müssen wir uns jetzt
überlegen: Wie erreichen wir diese Jugendlichen? Das
zu beantworten, ist nicht nur eine Aufgabe des Bundes,
sondern selbstverständlich auch der Länder. Hier merke
ich, dass die Länder bei der Information unterschiedlich
vorgehen. Aber ich glaube, es ist wichtig, sehr frühzeitig
zu informieren. Deshalb gibt es von unserer Seite eine





Beauftragte der Bundesregierung Dr. Maria Böhmer


(A) (C)



(D)(B)


Broschüre, in der wir die Regelungen in einfacher, klarer
Sprache erläutern. Ich habe aber die Vorstellung, dass
man die Beratung vor Ort verbessern und dort viel mehr
anbieten muss.

Zu Ihrer nächsten Frage: Benachteiligung von Jugend-
lichen bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle, vor
allen Dingen beim Erhalt eines Ausbildungsvertrags. Es
stimmt leider, dass es an dieser Stelle immer noch Diskri-
minierungsfälle gibt, obwohl wir das Problem gemeinsam
nach außen hin verdeutlicht haben. Wenn ich „gemein-
sam“ sage, dann meine ich die Antidiskriminierungsstelle
und viele andere, die in diesem Bereich engagiert sind.
Hier muss man ganz klar sagen, dass eine solche Diskri-
minierung nicht sein darf. Wir haben die rechtliche
Grundlage, um dagegen vorzugehen; aber Sie wissen ge-
nauso wie ich, dass manch einer zögert, seine Ansprüche
rechtlich geltend zu machen. Deshalb halte ich einen an-
deren Ansatz für zielführend: über Diversitystrategien,
über die Charta der Vielfalt, über den Nationalen Ak-
tionsplan, bei dem wir die Unternehmen unmittelbar ein-
binden und sie dazu bewegen, diesen Jugendlichen eine
Chance zu geben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718605200

Danke. – Jetzt haben wir wieder eine Frage des Kolle-

gen Michael Frieser.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1718605300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsminister,

der Diskurs zum Thema Integrationskurse – die Sprache
ist eigentlich das wichtigste Element – gibt auch die Ge-
legenheit, nach den Erfahrungen mit vorintegrativen
Maßnahmen zu fragen. Es geht um unseren Ansatz, der
oftmals diskutiert und auch kritisiert wurde, zu fragen:
An welcher Stelle können wir damit rechnen, Effekte da-
mit zu erzielen, dass Menschen bereits in ihrem Heimat-
land an die deutsche Sprache herangeführt werden? –
Gibt es Erkenntnisse, die auf einen Erfolg dieses Ansat-
zes hindeuten und zeigen, dass er in die richtige Rich-
tung weist?

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Ich habe eben gesagt: Um für die Zukunft gerüstet zu
sein, brauchen wir einen Paradigmenwechsel, weg von
der nachholenden, hin zur vorausschauenden Integra-
tionspolitik. Hier ist das Element der vorbereitenden In-
tegration von entscheidender Bedeutung. Die Erfahrun-
gen, die wir mit dem Spracherwerb im Herkunftsland
beim Ehegattennachzug sammeln konnten, sind sehr
positiv: Die Integration bei uns gelingt viel schneller und
besser. Als ich bei meinem letzten Aufenthalt in der Tür-
kei einen Vorintegrationskurs besucht habe, der über das
Sprachangebot hinausging und auf freiwilliger Basis
stattfand – mit Unterstützung von Organisationen für
türkischstämmige Migranten hier in Deutschland –, habe
ich an den Reaktionen der Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer, aber auch an den Erfahrungen der Lehrkräfte ge-
merkt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind ganz
anders darauf eingestellt, nach Deutschland zu kommen.

Sie bereiten sich nicht nur sprachlich vor, sondern wis-
sen dann auch etwas über unser Sozialsystem, unsere
Demokratie und unsere politische Verfasstheit. Das ist
eine ganz andere Ausgangssituation.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718605400

Eine weitere Frage der Kollegin Ulla Jelpke.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718605500

Frau Böhmer, wir wissen seit zwei Jahren, seit dem

Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass das
Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig ist; die
Bundesregierung hat es in der Antwort auf eine Kleine
Anfrage zugegeben. Ich würde gerne wissen, was Sie in
diesen zwei Jahren getan haben, damit dieser Zustand
aufgehoben wird.

Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Ich habe mich sehr intensiv mit dieser Frage befasst.
Ich bin der Meinung, dass die Leistungen hier nicht auf
dem Stand bleiben können, auf dem sie sind. Ich habe
mich an die Bundesarbeitsministerin gewandt. Wir ha-
ben es zudem in der Integrationsministerkonferenz nicht
nur einmal erörtert; auf Arbeitsebene geschieht das ge-
nauso. Ich bin der Meinung: Hier muss sich etwas än-
dern.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Und wann?)


– Da müssen Sie die Bundesarbeitsministerin fragen.
Wie Sie wissen, warten wir jetzt auf die Entscheidung
des Gerichts.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718605600

Vielen Dank. – Jetzt kommt die wohl letzte Frage,

vom Kollegen Josef Winkler. – Herr Winkler, wollen Sie
fragen?


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kilic hat sich noch gemeldet!)


– Herr Kilic.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718605700

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Sehr geehrte Frau

Staatsministerin, der diskriminierungsfreie Zugang zum
Arbeitsmarkt gehört zum Schutzbereich des Art. 2 unse-
res Grundgesetzes, der lautet: Die Individuen sollen sich
nach ihren Fähigkeiten entfalten können, und der Staat
schützt dieses Recht der Individuen. – Deshalb die
Frage: Ist es zutreffend, dass ausgerechnet höher qualifi-
zierte Menschen mit Migrationshintergrund am Arbeits-
markt immer noch deutlich größere Probleme haben als
vergleichbare Personen ohne Migrationshintergrund?
Dies steht auf Seite 14 des Berichts. Wenn ja, stellt dies
aus Sicht der Beauftragten eine Form der Diskriminie-
rung dar? Wie wird diese Form der Benachteiligung in
Ihrem Lagebericht thematisiert? Was tut die Bundes-
regierung gegen diese Form der Diskriminierung?






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration:

Wenn ich dieses Thema nicht für extrem wichtig ge-
halten hätte, dann hätten wir es nicht im Lagebericht auf-
gegriffen. Diskriminierung darf nicht sein. Darin sind
wir uns absolut einig. Deshalb muss man es thematisie-
ren, muss es in den Blick rücken, und nicht nur in Ein-
zelfällen, sondern generell. In unserem Land haben wir
dazu eine entsprechende Gesetzgebung. Wie ich bereits
sagte: Das eine ist, gegen Diskriminierung vorzugehen.
Dafür gibt es beim Bund eine Stelle. Frau Lüders und ich
sowie meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten
eng zusammen. Wir geben individuelle Unterstützung
und Ratschläge. Dies gilt auch für die Leiterin der Anti-
diskriminierungsstelle, Frau Lüders. Aber es ist auch
wichtig, den Unternehmen deutlich zu machen: Jeman-
den als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter mit einem Zuwan-
derungshintergrund zu gewinnen, bedeutet für ein Unter-
nehmen einen enormen Pluspunkt. Das muss sich in den
Köpfen der Personalentscheider festsetzen. Sie müssen
aber auch entsprechend handeln. Das bedeutet, dass wir
Vorbilder brauchen. Die Mitglieder der Charta der Viel-
falt und die vielen Menschen, die die Charta der Vielfalt
unterschrieben haben, gehen in dieser Frage voran. Ich
unterstütze das Projekt mit Preisen. Dies gilt auch für
den Ausbildungsbereich. Ich habe mich bewusst dem öf-
fentlichen Dienst zugewandt, weil wir natürlich auch
dort die Chancen verbessern wollen. Ich sehe, dass wir
mit Strategien der Werbung und Aufklärung vorankom-
men können. Sich gegen Diskriminierung zu wehren und
Diversity voranzubringen – das sind die beiden Seiten
einer Medaille, die an dieser Stelle meines Erachtens er-
folgversprechend sind. Dies zeigt auch die Resonanz in
der Öffentlichkeit.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718605800

Jetzt: Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen

Kabinettssitzung? – Herr Raabe, haben Sie sich hierzu
gemeldet? – Herr Raabe, bitte schön.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718605900

Danke, Herr Präsident, dass ich die Gelegenheit be-

komme, nachdem unsere dringlichen Fragen zu dem
Komplex Paraguay mit dem Argument abgelehnt wur-
den, es gebe nicht genug öffentliches Interesse bzw. Auf-
merksamkeit der Medien. Das verwundert sehr, weil uns
heute im Ausschuss die Kollegen der FDP gesagt haben,
dass Minister Niebel sogar persönlich in den Fraktionen
von CDU/CSU und FDP dazu Stellung genommen hat.
Zumindest dort scheint es also Thema gewesen zu sein.

Ich frage nach der Haltung der Bundesregierung in
diesem Fall, weil es dazu Uneinigkeit gibt. Der Entwick-
lungsminister ist nach dem putschartigen Amtswechsel
nach Paraguay gefahren und hat als erster Staatsgast die
Hand des neuen Präsidenten geschüttelt und ihm finan-
zielle Unterstützung zugesichert und damit den An-
schein einer Anerkennung des neuen Präsidenten durch
Deutschland erweckt. Gleichzeitig haben alle anderen
lateinamerikanischen Staaten ihre Botschafter abgezo-
gen. Der neue Präsident wurde vom Mercosur-Treffen
ausgeladen. In Lateinamerika herrscht Entsetzen über

die Lage in Paraguay. Der Minister aber sagt, er glaubt
und findet: Das ist alles rechtmäßig abgelaufen. – Einen
Tag später hat sich das Auswärtige Amt von dieser Pein-
lichkeit des Ministers Niebel distanziert, aber auch nicht
in eindeutigen Worten. Ich frage jetzt: Wie ist die Hal-
tung der Bundesregierung zu diesem Vorgang in Para-
guay? Finden Sie nicht auch, wenn man gute Regie-
rungsführung und Demokratie einfordert, dann sollte
man einen solchen putschartigen Machtwechsel nicht
vorschnell unterstützen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718606000

Frau Staatsministerin Pieper wird antworten.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1718606100


Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Abgeordneter,
die Meinung der Bundesregierung zu den Vorgängen in
Paraguay ist einheitlich; das will ich ausdrücklich beto-
nen. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass
die Bundesregierung in dieser Woche mit ihren Partnern
in der Europäischen Union Informationen und Einschät-
zungen zur Situation in Paraguay austauschen wird.
Diese ist für uns besorgniserregend. Wir werden in der
Europäischen Union gemeinsam eine Bewertung der Er-
eignisse vornehmen und möglicherweise auch Konse-
quenzen zu ziehen haben.

In der Tat ist es so, dass das Parlament in Paraguay
Präsident Fernando Lugo mit großer Mehrheit seines
Amtes enthoben hat. Dies lässt die Verfassung zu. An
der Durchführung – das haben Sie bereits erwähnt – und
dem eingeschlagenen Verfahren haben die Nachbarstaa-
ten, insbesondere Paraguays Partner im Mercosur wie
Argentinien, Brasilien und Uruguay, Kritik geübt. Dort
wird von einer Verweigerung rechtlichen Gehörs und in
diesem Zusammenhang von einem Bruch der demokrati-
schen Ordnung gesprochen.

Auch die Hohe Vertreterin der Europäischen Union
für Außen- und Sicherheitspolitik Lady Ashton hat die
Entwicklung mit großer Sorge zur Kenntnis genommen
und in dem Zusammenhang zu Respekt vor dem demo-
kratischen Volkswillen aufgerufen. Wir sind angesichts
dieser Ereignisse in der Tat besorgt.

Ich will aber noch einmal darauf hinweisen, dass der
Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Dirk
Niebel den Besuch in Paraguay am 23. Juni seit langem
geplant hatte. Er hat selbst zum Ausdruck gebracht, dass
er aus Paraguay lediglich den ersten Eindruck mitge-
nommen hat, dass der Amtswechsel nach den Regeln der
Verfassung abgelaufen sei.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718606200

Wir haben eine weitere Frage des Kollegen Niema

Movassat von den Linken.


Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718606300

Danke, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin Pieper

hat gerade die Reaktion von Catherine Ashton sowie die
der Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten auf den
Putsch in Paraguay dargestellt. Sie hat aber nicht gesagt,





Niema Movassat


(A) (C)



(D)(B)


ob sie die Kritik, die seitens der lateinamerikanischen
Staaten an diesem Putsch besteht, teilt. Wenn man diese
Kritik teilt: Wäre es dann nicht vernünftig gewesen, wie
die lateinamerikanischen Staaten zunächst die Botschaf-
ter zurückzubeordern und Konsultationen zu führen, be-
vor ein Minister der Bundesrepublik Deutschland nach
Paraguay reist und die Hand des Putschisten schüttelt?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718606400

Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718606500


Danke schön, Herr Präsident. – Herr Movassat, wie
die Kollegin Pieper gerade sagte: Minister Niebel hatte
die Reise lange geplant; ebenso war der Gesprächster-
min mit dem damaligen Vizepräsidenten Franco verein-
bart. Der Minister sah es für wichtig an, diesen vorgese-
henen Besuch durchzuführen, weil es darum ging,
bereits begonnene Projekte der ländlichen Entwicklung,
der Armutsbekämpfung und auch der Bildung mit neuen
Zusagen in Höhe von etwa 8 Millionen Euro zu verse-
hen. Dies ist für die Menschen vor Ort sehr wichtig.

Der Minister hat in dem Gespräch mit Herrn Franco
deutlich gemacht, dass er das Votum der jeweiligen Ver-
fassungsorgane zur Kenntnis genommen hat. Es gab ja
ein breites Votum für das Amtsenthebungsverfahren. In
der Kritik stand wohl die Eile, mit der dieses Verfahren
durchgezogen wurde. Das hat Herr Bundesminister
Niebel in dem Gespräch mit Herrn Franco kritisiert. Er
hat auch angemahnt, dass die jetzt im Amt befindliche
Regierung alles tun müsse, um für Frieden und dafür zu
sorgen, dass die Verhältnisse geklärt werden. Das geht
aus seiner Pressemitteilung hervor.

Es war also ein sehr konstruktives Gespräch. Es ging
überhaupt nicht um die Anerkennung von Regierungen;
denn eine solche Anerkennung erfolgt nur gegenüber
Staaten. Wie gesagt: Es war ein sehr lange geplanter Be-
such, der wichtig war gerade für die ärmsten Menschen
vor Ort.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718606600

Wir haben noch eine Frage der Kollegin Heike

Hänsel, ebenfalls von der Fraktion Die Linke.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718606700

Danke schön, Herr Präsident. – Meine Frage geht

auch zum Thema Herr Niebel in Paraguay: Kann sich die
Bundesregierung nicht vorstellen, dass das Ganze ein
außenpolitischer Affront ist? Dieses Bild ging um die
Welt: Herr Niebel schüttelt dem De-facto-Präsidenten
kurz nach einem Staatsstreich als erster europäischer
Staatsgast die Hand. Das war durchaus als Symbol zu
verstehen. Wir wissen ganz genau, welches Signal man
mit einem solchen Bild aussendet.

Meine Frage: Gab es eine Rücksprache mit dem
Auswärtigen Amt, bevor Minister Niebel den De-facto-
Präsidenten Franco getroffen hat, und was hat das Aus-
wärtige Amt Herrn Niebel geraten, wie er sich verhalten

soll? Hat Herr Niebel versucht, ein Treffen mit dem ab-
gesetzten Präsidenten Lugo zu arrangieren, um sich ein
Bild von der Lage machen zu können?

Sie sagen, dass Sie Mittel für die ländliche Entwick-
lung zur Verfügung stellen wollen. Wie schätzen Sie die
Situation ein, dass mit dem De-facto-Präsidenten Franco
wieder jene Kräfte an die Macht kommen, nämlich die
Großgrundbesitzer, die sich seit Jahren gegen Landrefor-
men für die ländliche Entwicklung und gegen die Armut
in Paraguay stemmen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718606800

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718606900


Frau Kollegin, innerhalb der Bundesregierung gibt es
hier keinerlei Dissens. Vielmehr gab es einen ständigen
Austausch zwischen dem Außenministerium, dem BMZ
und Minister Niebel, und zwar auch schon vor dem
Termin.

Es ging nicht um Symbolpolitik. Es ging auch nicht
darum, uns als Deutsche zu Richtern in diesem Verfah-
ren aufzuschwingen. Ich betone noch einmal: Es gab ei-
nen Termin, den Minister Niebel seinerzeit mit dem
Landwirtschaftsminister, der für wichtige laufende
Projekte zuständig war, vereinbart hatte. Er hat sich ent-
schieden, diesen Besuch zu absolvieren, und hat inten-
sive Gespräche geführt. Er hat keinesfalls irgendwelche
Entscheidungen vorweggenommen. Wie gesagt: In der
Pressemitteilung war von einem ersten Eindruck die
Rede. Die Entscheidungen im Abgeordnetenhaus und
auch im Senat – diese Entscheidungen sind mit großer
Mehrheit zustande gekommen – hat Herr Niebel zur
Kenntnis genommen. Das war der erste Eindruck. Alle
weiteren Entwicklungen müssen wir beobachten; das hat
Frau Staatsministerin Pieper eben ausgeführt. Wir wer-
den uns als Bundesregierung auf EU-Ebene in Kürze im
Detail abstimmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607000

Es gibt noch eine Frage des Kollegen Josef Winkler.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Präsident. – Auch ich möchte noch
einmal nachfragen: War der Bundesminister des Aus-
wärtigen vor dem Termin des Bundesministers Niebel
mit dem neu gewählten Staatspräsidenten in Paraguay
über diesen Termin informiert? Ja oder Nein?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607100

Frau Staatsministerin Pieper, bitte.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1718607200


Ich will klarstellen, dass dem Auswärtigen Amt die
Termine auch der Auslandsreisen der einzelnen Bundes-
minister bekannt sind. Wir stellen unsere Kapazitäten für





Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) (C)



(D)(B)


Auskünfte jederzeit zur Verfügung. Das gilt übrigens
nicht nur für die Regierung, sondern selbstverständlich
auch für den Deutschen Bundestag und seine Abgeord-
neten.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darf ich dazu eine Nachfrage stellen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607300

Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Ich habe mir
schon fast gedacht, dass die Terminplanung bekannt ist.
Aber es hat sich doch eine Veränderung der dienstlichen
Position von Herrn Franco ergeben. Der ursprünglich in
der Terminliste vorgesehene Termin war, soweit ich
weiß, mit Herrn Vizepräsidenten Franco vereinbart; der
eigentliche Termin fand aber dann mit dem Präsidenten
Franco statt. Ich frage noch einmal: War der Bundes-
außenminister – und nicht das Amt – darüber informiert,
dass der Termin stattfinden soll, obwohl eine Positions-
veränderung von Vizepräsident zu Präsident stattgefun-
den hat?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1718607400


Wir waren über die Reise von Bundesminister Niebel
informiert. Sie können davon ausgehen, dass der Bun-
desregierung bewusst ist, dass in dieser Region, insbe-
sondere in Paraguay, viel in Bewegung ist und wir das
auch mit Sorge sehen. Dass wir – das hat Frau Kopp
schon gesagt – nicht mit Präsidenten, sondern mit einzel-
nen Staaten Kontakt haben, dürfte Ihnen bekannt sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607500

Wir haben bereits das Doppelte der vorgesehenen Zeit

in Anspruch genommen. Deswegen muss ich die Regie-
rungsbefragung jetzt beenden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

– Drucksache 17/10051 –

Ich rufe die Fragen auf Drucksache 17/10051, die
mündlich beantwortet werden, in der üblichen Reihen-
folge auf.

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zur Verfügung.

Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
sollen schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Ute Vogt auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorkommen von

Formationswasser und Lösungszutritten im Endlager Konrad
im Hinblick auf mögliche Korrosionen der Atommüllfässer
und die dadurch verursachte Freisetzung von Radionukliden

in die Biosphäre, und wie soll ein weiterer Wasserzutritt, zum
Beispiel über die darüber liegenden Tonschichten, langfristig
verhindert werden?

Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718607600


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin
Ute Vogt, das Vorkommen von Formationswässern im
Endlager Konrad wurde in Langzeitsicherheitsanalysen
des Endlagers selbstverständlich berücksichtigt. Hierbei
wurde angenommen, dass unmittelbar nach Verschluss
des Endlagers Konrad Formationswässer an die endgela-
gerten radioaktiven Abfälle gelangen und Radionuklide
aus den konditionierten Abfällen in die Formationswäs-
ser übertreten, sich zunächst im Bereich des Grubenge-
bäudes ausbreiten und dann aus dem Bereich des Endla-
gers über die Geosphäre bis in die Biosphäre
transportiert werden. Eine Zerstörung der Abfallgebinde
wurde dabei unterstellt; von einer etwaigen Rückhalte-
wirkung der Abfallverpackungen bzw. Containerwand-
lungen für Radionuklide wurde kein Kredit genommen.
Die Langzeitsicherheitsanalysen zeigen, dass Einträge in
das oberflächennahe Grundwasser frühestens nach
300 000 Jahren auftreten können und dabei höchstens zu
einer zusätzlichen Strahlenexposition führen können, die
im Schwankungsbereich der natürlichen Strahlenexposi-
tion liegt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607700

Gibt es Nachfragen, Frau Vogt?


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1718607800

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718607900

Bitte schön.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1718608000

Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden,

dass eine Korrosion dieser Behälter in Kauf genommen
wird bzw. zwangsläufige Folge ist, und können Sie uns
sagen, seit wann dieser Lösungsmittelzutritt und Wasser-
zutritt, über den jetzt auch öffentlich diskutiert worden
ist, der Bundesregierung bekannt ist?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718608100


Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich sagen, dass wir
bei der Langzeitsicherungsanalyse den Extremfall unter-
stellt haben. Das ist auch unsere Verpflichtung. Wir stel-
len Ihnen sehr gerne Informationen darüber zur Verfü-
gung, wie das im Analyseverfahren ausgesehen hat.

Auf die zweite Frage kann ich Ihnen jetzt keine Ant-
wort geben. Die Information, seit wann uns das bekannt
ist, reiche ich Ihnen nach. Ich kann Ihnen nur so viel sa-
gen: Zurzeit werden etwa 16 Kubikmeter Wasser täglich
aufgefangen.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718608200

Weitere Nachfrage, Frau Vogt?


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1718608300

Ja. – Ich wüsste gerne, wo das Wasser entsorgt wird.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718608400


Das Wasser wird kontinuierlich überwacht und in
Wassertanks sowie in Pumpsümpfen unter Tage gesam-
melt. Einen Teil nutzen die Bergleute zur Staubbekämp-
fung und zur Fahrbahnpflege unter Tage. Der Rest wird
über Tage abgeleitet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718608500

Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Vogt auf:

Hält die Bundesregierung weiterhin an der geplanten Inbe-
triebnahme des Endlagers Konrad ab 2019 fest, oder hält sie
weitere Untersuchungen im Hinblick auf einen möglichen
Wassereintritt und gegebenenfalls weitere Sicherungsmaßnah-
men für erforderlich?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718608600


Wir halten weiter an der geplanten Inbetriebnahme
des Endlagers Konrad fest.

Zum zweiten Teil der Frage: Aufgrund der bereits als
abdeckend betrachteten Berücksichtigung des Vorkom-
mens von Formationswässern sind weitere Betrachtun-
gen bzw. Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718608700

Eine Nachfrage, Frau Vogt?


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1718608800

Ja. – Frau Staatssekretärin, gehen Sie nach wie vor

davon aus, dass das Lager ab 2019 tatsächlich in Betrieb
gehen kann, und sind Sie der Meinung, dass es ausrei-
chend groß ist, um den vorhandenen schwach- und mit-
telradioaktiven Müll aufzunehmen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718608900


Ja und ja.


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1718609000

Danke schön. Ich habe keine weiteren Fragen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718609100

Bitte schön, Frau Menzner.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718609200

Danke schön. – Ich habe an dieser Stelle noch eine

Nachfrage. Wie wir alle wissen, Frau Staatssekretärin,
befinden sich das Lager Asse und das geplante Lager
Schacht Konrad in enger räumlicher Nähe zueinander.
Die gleichen Bürgerinnen und Bürger, die von der Asse

betroffen sind, werden auch von Konrad betroffen sein.
Sie haben jetzt erfahren, dass es über Jahrzehnte man-
gelnde Transparenz bezüglich der Asse gegeben hat. Hat
das Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung und
die Handlungsoptionen der Bundesregierung?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718609300


Das hat keine Auswirkungen. Ich weise in diesem Zu-
sammenhang darauf hin, dass es signifikante Unter-
schiede zwischen dem Endlager Konrad und der Asse
gibt. Die beiden Standorte – das wissen Sie, Frau
Menzner – weisen unterschiedliche Wirtsgesteine auf,
die bergbauliche Ausgangssituation ist unterschiedlich,
die geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten
sind unterschiedlich. Der entscheidende Unterschied
zwischen beiden ist – ich habe dies im Zusammenhang
mit der Frage bezüglich der Formationswässer eben aus-
geführt –, dass für Konrad ein Langzeitsicherheitsnach-
weis vor Inbetriebnahme vorliegt, was bei der Asse defi-
nitiv nicht der Fall gewesen ist. Sie wissen, dass wir bei
Konrad sehr lange Verfahren hinter uns haben, auch im
Rahmen der Planfeststellung. Es gab gerichtliche Ent-
scheidungen zu Konrad. Wir sind jetzt so weit, dass die
Genehmigungen dafür vorliegen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718609400

Vielen Dank. – Die Fragen 5 und 6 des Kollegen

Marco Bülow sollen schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen dann zur Frage 7 der Kollegin Cornelia
Behm:

Wird die Bundesregierung angesichts des enormen Hand-
lungsbedarfs, den der Auenzustandsbericht des Bundesamtes
für Naturschutz ausweist, ein Auenschutzprogramm auflegen,
um die zu mehr als 80 Prozent zerstörten oder gefährdeten
Auen zu schützen, und welche Maßnahmen wird die Bundes-
regierung an den Brandenburger Bundeswasserstraßen ergrei-
fen, um die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenricht-
linie voranzutreiben?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718609500


Sehr geehrte Kollegin Behm, mit dem Auenzustands-
bericht hat die Bundesregierung die Datengrundlage für
eine wirksame Auenentwicklung vorgelegt, für die alle
Gebietskörperschaften, vor allem die Länder und
Gemeinden als Flächeneigentümer und Träger der Pla-
nungshoheit, verantwortlich sind. Aufgrund der verfas-
sungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden ist ein paralleles eigenständiges
Auenschutzprogramm nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung fördert allerdings im Rahmen
des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“ Modell-
projekte, mit denen die Auenentwicklung in Deutsch-
land vorangetrieben werden soll. Zur Umsetzung der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie haben die Bun-
desländer Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenpro-
gramme erarbeitet, die sich in der Umsetzung befinden.
Diese schließen – ich vermute, dies ist Ihr Hauptinte-





Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) (C)



(D)(B)


resse – die Bundeswasserstraßen in Brandenburg mit
ein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718609600

Nachfrage, Frau Behm?


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718609700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-

tung der Frage. – Ich muss sagen: Es war wirklich eine
große Leistung, diesen Auenzustandsbericht zu erstellen.
Man hat festgestellt, dass der Bund mit im Boot ist und
gemeinsam mit den Ländern Maßnahmen zur Umset-
zung formulieren muss. Bei diesem Thema kann man ja
nicht an Landesgrenzen haltmachen.

Da ein wesentliches Ziel im Zusammenhang mit dem
Auenschutzprogramm die Umsetzung der Wasserrah-
menrichtlinie bis 2015 ist, frage ich: Können Sie sagen,
wann genau das Ziel, die Umsetzung der Wasserrahmen-
richtlinie, erreicht wird? Welchen Stand der Umsetzung
haben wir in Bezug auf die Auen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718609800


Wir haben Sachverständigengutachten in Auftrag ge-
geben. Die Sachverständigen sollen sich den Zustand ge-
nau anschauen, und zwar auch im Hinblick auf die Wirk-
samkeit von Maßnahmen, die von den Bundesländern
umgesetzt wurden. Wir erwarten die Ergebnisse Ende
dieses Jahres. Wir haben sie zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht; aber wir werden Sie sehr zeitnah darüber un-
terrichten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718609900

Weitere Nachfrage, Frau Behm?


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718610000

Ja. – Im Fazit des Auenzustandsberichts wird darauf

hingewiesen, dass Bund und Länder gemeinsam ein Pla-
nungs- und Finanzierungsinstrument erarbeiten sollen.
Können Sie solch ein Instrument schon vorlegen? Gibt
es schon etwas, mit dem man sich ein einheitliches Bild
davon machen kann, wann die Defizite, die wir in Bezug
auf den Zustand der Auen an deutschen Flüssen haben,
aufgearbeitet sein werden?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718610100


Wir bereiten zurzeit die Fortschreibung des Auenzu-
standsberichtes vor. Wir hoffen, dass wir damit – zusam-
men mit dem Sachverständigengutachten – zum Jahres-
ende fertig werden.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718610200

Vielen Dank.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718610300

Bitte schön, Frau Kurth.

Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Staatssekretärin, meine Vorrednerin hat bereits
gesagt, dass der Auenzustandsbericht eine große Leis-
tung war, dass wichtige Daten darin enthalten sind. Im
Ausblick wird klargemacht, dass dringender Handlungs-
bedarf besteht, und Sie haben eben gesagt, dass Sie an
der Fertigstellung der Fortschreibung arbeiten. Meine
Frage ist: Können wir von Ihnen mit dieser Fortschrei-
bung eine Benennung der Schwerpunkträume erwarten,
bzw. wann können wir sie erwarten? Wir wollen sie ja
beispielhaft herausnehmen, um die notwendigen defi-
nierten Maßnahmen umzusetzen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718610400


Zu den Beispielräumen kann ich Ihnen zum jetzigen
Zeitpunkt noch nichts sagen. Das werden wir zum Ende
des Jahres, wenn die Fortschreibung und die Sachver-
ständigengutachten vorliegen, besprechen.

Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Aber Sie haben im Blick, dass die Schwerpunkträume
benannt werden müssen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718610500


Ja.


(Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Danke schön!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718610600

Wir kommen jetzt zur Frage 8 des Kollegen

Dr. Matthias Miersch:
Wie beurteilt die Bundesregierung rechtlich und politisch

den Vorstoß vom Bundesminister für Wirtschaft und Techno-
logie, Dr. Philipp Rösler, zur Beschleunigung des Stromlei-
tungsbaus an die Flora-Fauna-Habitat- und die Vogelschutz-
Richtlinie ranzugehen, sowie den Vorschlag, „beim Durch-
queren von Schutzgebieten einen Teil der EU-Regeln auf Zeit
außer Kraft setzen“ zu können, Frankfurter Allgemeine Zei-
tung, 14. Juni 2012?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718610700


Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Miersch, die Bundes-
regierung betont, dass die Energiewende und der Netz-
ausbau in Deutschland mit dem Ziel und dem rechtlichen
Rahmen, die Natur zu erhalten und zu schützen, verein-
bar sind.

Die Natura-2000-Richtlinie – das sind die von Ihnen
erwähnte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und die Vogel-
schutzrichtlinie der Europäischen Union – sieht keine
generellen Ausnahmemöglichkeiten für bestimmte Vor-
habetypen wie zum Beispiel den Netzausbau vor. Auch
für Vorhaben des Netzausbaus ist es obligatorisch, eine
Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, soweit europäi-





Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) (C)



(D)(B)


sche Schutzgebiete erheblich beeinträchtigt werden kön-
nen. Ferner ist die Vereinbarkeit auch solcher Vorhaben
mit den artenschutzrechtlichen Schutz- und Ausnahme-
regelungen zu prüfen.

Damit kommt allerdings dem Naturschutz kein abso-
luter Vorrang zu. Das europäische Naturschutzrecht sieht
Instrumente vor, um Naturschutz und Infrastrukturpla-
nung miteinander zu verbinden. Sind Vorhaben mit er-
heblichen Beeinträchtigungen verbunden, können diese
bei vorliegenden zwingenden Gründen des überwiegen-
den öffentlichen Interesses ausnahmsweise zugelassen
werden. Ausnahmegründe können die menschliche Ge-
sundheit, die öffentliche Sicherheit und Gründe sozialer
und wirtschaftlicher Art sein. Dementsprechend enthält
das Netzausbaubeschleunigungsgesetz aus dem letzten
Jahr in § 1 die ausdrückliche Regelung, dass die Reali-
sierung der Stromleitungen, die in den Geltungsbereich
dieses Gesetzes fallen, aus Gründen eines überragenden
öffentlichen Interesses erforderlich ist. Diese Ausnahme-
tatbestände lassen grundsätzlich einen Ausgleich der Be-
lange der biologischen Vielfalt mit den Projektinteressen
zu.

Die praktische Anwendung der umweltrechtlichen
Regelungen führte in der Vergangenheit jedoch mitunter
zu Verzögerungen bei notwendigen Netzausbauvorha-
ben, insbesondere wenn naturschutzrechtliche Aspekte
nicht rechtzeitig im Verfahren berücksichtigt wurden.
Wir setzen uns dafür ein, dass in der praktischen Anwen-
dung die Möglichkeiten der Natura-2000-Richtlinie zur
Lösung von Interessenkonflikten zwischen Netzausbau
und Naturschutz effektiv und pragmatisch genutzt und
ausgebaut werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718610800

Nachfrage, Kollege Miersch?


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718610900

Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die ausführli-

che Beantwortung meiner Frage. – Ich möchte noch
eine, möglicherweise auch eine zweite Nachfrage stel-
len. Gehe ich richtig in der Annahme, dass die Bundesre-
gierung in Brüssel keine Bestrebungen unternimmt, an
die Rechtsgrundlagen, die Herr Dr. Rösler in seinem In-
terview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ge-
nannt hat, heranzugehen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718611000


Ich habe vorhin schon sehr ausführlich erläutert, dass
wir der Auffassung sind, dass wir uns in dem geltenden
Rechtsrahmen sehr gut bewegen können. Sie wissen,
dass das Bundesamt für Naturschutz bereits bei der Erar-
beitung der Bundesnetzplanung, die gerade vorgestellt
wurde, mit im Boot gesessen hat und von Anfang an da-
bei gewesen ist, um auf Risiken im Bereich des Umwelt-
und insbesondere des Naturschutzes hinzuweisen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718611100

Eine weitere Nachfrage, Kollege Miersch?


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718611200

Eine letzte Nachfrage: Wäre es zu viel verlangt, wenn

das Bundesumweltministerium dem Bundeswirtschafts-
minister die Rechtslage erklärt, damit solche Interviews
zukünftig möglicherweise in einem sachlichen Zusam-
menhang abgefasst werden?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718611300


Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundes-
umweltministerium stehen, wie Sie wissen, in einem ste-
tigen guten und konstruktiven Austausch über alle Fra-
gen der Energiewende und des Netzausbaus.


(Beifall der Abg. Dr. Maria Flachsbarth [CDU/ CSU] – Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das Ministerium oder der Minister? – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Vielen Dank!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718611400

Vielen Dank. Das musste ja noch einmal bestätigt

werden.

Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Dirk Becker und
die Frage 11 des Kollegen Oliver Krischer werden
schriftlich beantwortet.

Nun rufe ich die Frage 12 der Kollegin Dr. Valerie
Wilms auf:

Wie bewertet die Bundesregierung den Nachhaltigkeits-
gipfel Rio+20, und welche Schlussfolgerungen leitet sie da-
raus für das eigene Handeln ab?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718611500


Sehr geehrte Frau Dr. Wilms, ich werde mich bemü-
hen, die Zeit einzuhalten. Ich sage das, weil Sie eine sehr
umfassende Frage gestellt haben, die zu abendfüllenden
Diskussionen führen könnte.

Aus Sicht der Bundesregierung sind in Rio durchaus
wichtige Weichenstellungen vorgenommen worden, auch
wenn bei weitem nicht alle Zielsetzungen der EU durch-
gesetzt werden konnten. Wir begrüßen, dass die Staaten-
gemeinschaft in Rio erstmals anerkannt hat, dass die
Green Economy ein wichtiges Mittel zur Erreichung
nachhaltiger Entwicklung ist, und beschlossen hat, uni-
versell gültige Nachhaltigkeitsziele ausarbeiten zu lassen.
Bald 8 Milliarden Menschen werden nur dann ein men-
schenwürdiges Leben führen können, wenn der Übergang
zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise weltweit voran-
getrieben und mit den kostbaren und endlichen Ressour-
cen des Planeten wesentlich sorgsamer umgegangen wird
als bisher.

Auch die Vereinten Nationen müssen für diese Heraus-
forderungen wesentlich besser aufgestellt werden. Die
Bundesregierung begrüßt daher, dass in Rio beschlossen
wurde, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen
durch die Einführung der universellen Mitgliedschaft und
eine Verbesserung der Finanzierung zu stärken und auf-
zuwerten und die seit einiger Zeit ineffizient arbeitende





Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) (C)



(D)(B)


Nachhaltigkeitskommission der Vereinten Nationen
durch ein höherrangiges UN-Nachhaltigkeitsforum zu er-
setzen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat darüber hi-
naus, unseren Anregungen folgend, in Rio angekündigt,
einen Special Representative for Future Generations ein-
zusetzen. Damit wird diesem zentralen Politikfeld ein
Gesicht gegeben.

Es kommt jetzt darauf an, die Entscheidungen von
Rio mit Leben zu füllen. Wir werden uns an der Konkre-
tisierung der Beschlüsse der Rio-Konferenz maßgeblich
beteiligen. Ein Kernbereich unserer nationalen Anstren-
gungen, was das Themenspektrum der Rio-Konferenz
betrifft, ist im Übrigen die Umsetzung der Beschlüsse
zur Energiewende.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718611600

Eine Nachfrage, Frau Kollegin Wilms?


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718611700

Ja; herzlichen Dank. – Ich habe zwei Nachfragen,

Frau Staatssekretärin.

Sie haben eben sehr schön beschrieben, was auch
Herr Altmaier in Rio betont hat. Er hat ja versucht, den
deutschen Begriff „Energiewende“ in den englischen
Sprachgebrauch einzuführen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718611800


Ja. Er sprach von der „Energy-Wende“.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718611900

Sie haben auch geschildert, wie die Situation global

ist. Ich möchte ein bisschen präziser werden. Meine ganz
harte Frage lautet: Welche konkreten Schritte unter-
nimmt die Bundesregierung, um nachhaltigkeitswidrige
Subventionen in Deutschland abzubauen? Ich denke
zum Beispiel an das Thema Dienstwagenbesteuerung.
Wann ist hier mit Vorschlägen der Bundesregierung zu
rechnen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718612000


Das Thema Dienstwagenbesteuerung betrifft weniger
mich als vielmehr den Kollegen, der zu meiner Linken
sitzt


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja auch nur ein Beispiel!)


und der gleich sicherlich noch das eine oder andere dazu
sagen wird.

Ich nenne Ihnen im Hinblick auf das Thema Dienstwa-
genbesteuerung einen kleinen Aspekt, der aus unserer
Sicht wichtig ist: Wie Sie wissen, arbeiten wir gemeinsam
mit dem Verkehrsministerium daran, bei der Dienstwa-
genbesteuerung eine Änderung vorzunehmen, die ge-
währleistet, dass Elektrofahrzeuge einen anderen Stellen-

wert bekommen bzw. in anderem Umfang berücksichtigt
werden, als es bisher der Fall ist.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wann?)


Das ist vielleicht nicht das, was Sie sich heute wünschen.
Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, Frau
Dr. Wilms.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718612100

Ihre zweite Nachfrage. – Bitte schön.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718612200

Vielen Dank, Herr Präsident. – Eben ging es mir um

nachhaltigkeitswidrige Subventionen. Jetzt frage ich Sie
nach dem Gegenteil: Welche konkreten Schritte unter-
nimmt die Bundesregierung im Hinblick auf nachhaltig-
keitsfördernde Maßnahmen? Was haben Sie sich hier
vorgenommen? Ich könnte mir da durchaus die eine oder
andere Maßnahme vorstellen.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718612300


Frau Dr. Wilms, entscheidend sind für uns alle Maß-
nahmen – sie stehen auch im Fokus unseres politischen
Handelns –, die dazu beitragen, die Energiewende zu be-
wältigen, und uns helfen, unsere Ziele zügig zu errei-
chen. Wie Sie wissen, haben wir uns vorgenommen, den
Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten
Stromversorgung bis 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen.
Das ist unser Ziel. Hierauf richten wir unser politisches
Handeln aus. Wenn wir das schaffen, haben wir einen
großen Schritt getan, um die CO2-Emissionen zu redu-
zieren.

Eine andere Frage ist, wie wir es schaffen, strengere
CO2-Minderungsziele auf europäischer Ebene zu errei-
chen. Darüber diskutieren wir im Umweltausschuss hin-
länglich, und zwar zu Recht.

Mit diesen zwei Punkten konnte ich vielleicht deut-
lich machen, woran wir in Deutschland ganz konkret ar-
beiten, um ein Stück weit mehr Nachhaltigkeit zu schaf-
fen.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718612400

Vielen Dank.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718612500

Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Dr. Valerie Wilms

auf:
Was unternimmt die Bundesregierung, um weltweite,

messbare Nachhaltigkeitsziele zu implementieren, und ab
wann sollten diese Ziele ihrer Meinung nach gelten?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718612600


Wir haben uns verpflichtet und gesagt, dass wir den
Prozess der Ausarbeitung der Nachhaltigkeitsziele aktiv
mitgestalten wollen. Das hat Peter Altmaier schon mehr-





Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) (C)



(D)(B)


fach betont. Ziel ist, dass diese Nachhaltigkeitsziele ab
dem Jahr 2015 gelten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718612700

Ihre Nachfrage, bitte schön.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718612800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich versuche, dazu et-

was Präziseres bei Ihnen herauszulocken: Wie wird die
Bundesregierung die kommende Generalversammlung
der Vereinten Nationen im September nutzen, um da
weiterzukommen und den Stein ins Rollen zu bringen?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718612900


Wie Sie wissen, nutzen wir alle Formen von Veran-
staltungen und Versammlungen – sei es auf europäischer
Ebene, sei es auf globaler Ebene –, um die Nachhaltig-
keitsthemen voranzubringen. Jetzt wird es in erster Linie
darum gehen, bei dem, was in Rio in den Bereichen
Energie, Wasser, Ressourceneffizienz, nachhaltige Land-
nutzung, Biodiversität und Meeresschutz vereinbart
wurde, voranzukommen, wobei wir im Laufe des Jahres
noch zwei weitere Konferenzen haben werden, nämlich
speziell zur biologischen Vielfalt und zu weiteren CO2-
Minderungen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718613000

Weitere Nachfrage?


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718613100

Ja, gerne. Herzlichen Dank. – Ich habe noch eine

Nachfrage. Schauen wir uns doch einmal die EU-Sub-
ventionspolitik an. Da gibt es so tolle Sachen wie künst-
liche Skipisten in Dänemark, auf Bornholm, und kaum
befahrene Straßen in Portugal, die durch die EU-Sub-
ventionspolitik gefördert werden. Was unternimmt die
Bundesregierung, um die EU-Subventionspolitik auf die
Nachhaltigkeitsziele auszurichten?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718613200


Zurzeit wird der EU-Haushalt neu verhandelt, wie Sie
wissen. Inwieweit das Teil der Diskussionen sein wird,
wird man in den nächsten Wochen sehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718613300

Ich rufe die Frage 14 der Kollegin Waltraud Wolff

auf:
Wie steht die Bundesregierung zur stofflichen Verwertung

von Klärschlamm angesichts der Tatsache, dass das Umwelt-
bundesamt in seiner Broschüre „Klärschlammentsorgung in
der Bundesrepublik Deutschland“ diese ablehnt, weil die Ge-
fahr, dass Schadstoffe in den Nahrungskreislauf gelangen,
nicht ausgeschlossen werden kann?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718613400


Liebe Kollegin Waltraud Wolff! Das Umweltbundes-
amt spricht sich in der Broschüre zur Klärschlammver-
wertung dafür aus, sukzessive auf die landwirtschaftli-
che Klärschlammverwertung zu verzichten, Verfahren
zur Rückgewinnung von Phosphaten aus Abwasser und
Klärschlamm weiterzuentwickeln und diese Verfahren
innerhalb von 20 Jahren flächendeckend einzuführen.

Unbestritten ist derzeit, dass schadstoffarme kommu-
nale Klärschlämme einen Beitrag zur Nährstoffversor-
gung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen leisten können.
Die Bundesregierung hält die Verwertung von Klär-
schlämmen zu Düngezwecken daher für vertretbar, so-
fern diese nur gering mit Schadstoffen belastet sind. In
diesem Sinne enthält das am 29. Februar 2012 durch das
Bundeskabinett beschlossene Deutsche Ressourceneffi-
zienzprogramm unter anderem den Prüfauftrag – ich darf
zitieren –:

Die landwirtschaftliche und landbauliche Verwer-
tung unbedenklicher Klärschlämme sollte weiter
genutzt und ausgebaut werden, da Phosphat so ef-
fektiv dem Kreislauf zugeführt werden kann.

Voraussetzung für eine geringe Schadstoffbelastung
kommunaler Klärschlämme ist die Einhaltung der quali-
tativen Anforderungen der Klärschlammverordnung. Im
Zuge der in Vorbereitung befindlichen Novelle zur Klär-
schlammverordnung werden unter Vorsorgeaspekten die
Anforderungen an die landwirtschaftliche Klärschlamm-
verwertung nochmals verschärft.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718613500

Nachfrage, bitte.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1718613600

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,

das Umweltbundesamt hat Bedenken geäußert, dass hier
Schadstoffe in die Nahrungsmittel gelangen können. Sie
und ich wissen, dass in der Landwirtschaft immer wieder
darum gerungen wird, dass Klärschlämme zur Düngung
auf die Felder ausgebracht werden. Deshalb meine
Nachfrage: Wer kontrolliert die Klärschlämme? Und wie
lautet die Definition von „unbedenklichen Klärschläm-
men“?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718613700


Frau Kollegin, Sie haben völlig recht, wir diskutieren
schon seit geraumer Zeit über dieses Thema. Unsere De-
finition der unbedenklichen Klärschlämme habe ich Ih-
nen gerade mitgeteilt. Derzeit bereiten wir eine Novelle
der Klärschlammverordnung vor, die in Kürze in die Ab-
stimmungsprozesse gehen soll. Da wird es eine Reihe
weiterer Präzisierungen geben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718613800

Bitte schön.






(A) (C)



(D)(B)



Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1718613900

Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Wenn wir da-

von ausgehen müssen, dass es zu möglichen Schadstof-
fen in Lebensmitteln kommt, dann stellt sich natürlich
die Frage: Wie wollen Sie in der Zeit, bis Ihre Novelle
greift – Sie haben vorhin von einem Zeitraum von
20 Jahren gesprochen, bis so etwas umgesetzt werden
kann –, garantieren, dass keine solche Schadstoffe in Le-
bensmitteln sind? Denn die Bundesregierung hat sich ja
Lebensmittelqualität in höchster Form auf die Fahnen
geschrieben.

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718614000


Ich erwarte von denjenigen, die die Klärschlämme
nutzen, auf die Felder bringen, eine Kontrolle der Klär-
schlämme, auch was den Schadstoffgehalt angeht. Die in
der Klärschlammverordnung festgelegten Schadstoff-
und Kontrollmechanismen verhindern, dass Klärschlämme
mit hohen Belastungen auf die Felder ausgebracht wer-
den.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718614100

Dann kommen wir zur Frage 15 der Kollegin

Waltraud Wolff, die sich mit der Rücknahme von Altarz-
neimitteln beschäftigt.

Welche Maßnahmen zur Rücknahme von Altarzneimitteln
wird die Bundesregierung ergreifen angesichts des vom Um-
weltbundesamt festgestellten Übergangs von Schadstoffen in
den Nahrungskreislauf, besonders durch neue Abbauprodukte
von Arzneimitteln?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718614200


Nach Auffassung der Bundesregierung sollten Altarz-
neimittel vorzugsweise über den Hausmüll und keines-
falls über die Toilette oder andere Abwasserpfade ent-
sorgt werden. Bei der Entsorgung der Altarzneimittel ist,
wie ohnehin bei der Aufbewahrung von Arznei, darauf
zu achten, dass diese nicht in die Hände Unbefugter ge-
langen.

Für die Umwelt bestehen aus Sicht der Bundesregie-
rung hinsichtlich der Entsorgung mit den Restabfällen
keine Bedenken, da Siedlungsabfälle seit dem 1. Juni
2005 nur noch nach thermischer oder mechanisch-biolo-
gischer Vorbehandlung abgelagert werden dürfen. Durch
diese Vorbehandlung werden die gegebenenfalls in Rest-
abfällen enthaltenen Reaktionspotenziale zerstört oder
inaktiviert.

Auch auf Deponien bestehen durch Ablagerung von
Medikamentenresten im Blick auf das Grundwasser
keine Gefahren. Aufwändige Deponieabdichtungssys-
teme und Sickerwassererfassung sorgen dafür, dass
Schadstoffe aufgehalten werden, sollten sich diese trotz
der Vorbehandlungsmaßnahmen noch in den abgelager-
ten Abfällen befinden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718614300

Eine Nachfrage?


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1718614400

Ja, Herr Präsident, eine Nachfrage. – Frau Staats-

sekretärin, wie kontrolliert die Bundesregierung an die-
ser Stelle Deponien? Wenn nicht über eine thermische
Behandlung eine Vernichtung erfolgt, dann kann ja das
Grundwasser betroffen sein. Bezüglich der Abdichtung
von Deponien gibt es ja immer wieder Skandale. Wie
können Sie die Kontrollen gewährleisten?

Ur
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1718614500


Ich habe ja vorhin gesagt, dass die Schritte, wie ver-
fahren werden soll, verpflichtend sind. Wenn böser Wille
oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, dann muss dies natür-
lich durch spezielle Kontrollen herausgefunden werden.
Das erfolgt dann auch entsprechend. Aber es besteht na-
türlich die Verpflichtung, so zu verfahren, wie es gesetz-
lich vorgeschrieben ist.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1718614600

Vielen Dank.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718614700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung der Frage 16 steht der Parlamentarische Staatsse-
kretär Thomas Rachel zur Verfügung.

Ich rufe Frage 16 der Kollegin Marianne Schieder
auf:

Welches sind die nächsten Themen, die im Rahmen des
Bürgerdialogs Zukunftstechnologien des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung, BMBF, bearbeitet werden
sollen, und aus welchen Gründen findet nach Ende der Dia-
loge zur Hightechmedizin und zu Energietechnologien aktuell
kein Dialog statt?

T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1718614800


Herr Präsident! Frau Kollegin Schieder, ab Sommer
2011 wurden mit Bezug auf aktuelle Themen zwei Bür-
gerdialoge, dieses Mal sogar parallel, durchgeführt. Der
nächste Bürgerdialog wird im Themenfeld des kommen-
den Wissenschaftsjahres beim Thema demografischer
Wandel angesiedelt sein und im Herbst 2012 beginnen.
Im Übrigen hat das BMBF im Februar 2012 mit der Ini-
tiative „ZukunftsWerkStadt“ eine weitere, auf den Dia-
log mit Bürgerinnen und Bürgern zielende Maßnahme
gestartet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718614900

Eine Nachfrage, Frau Schieder? – Nein.

Gut, dann kommen wir zu weiteren Fragen aus die-
sem Geschäftsbereich. Hier steht der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Beantwortung zur
Verfügung. Weil Herr Brase nicht anwesend ist, werden
die Fragen 17 und 18 gemäß unserer Geschäftsordnung
behandelt.





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Michael
Gerdes:

Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung in der
Ausgestaltung der gemeinsamen Förderinitiative von Bund
und Ländern zur Förderung der Lehrerausbildung sicherstel-
len, dass eine möglichst allen Lehramtstudierenden zugute-
kommende flächendeckende Verbesserung der Ausbildung er-
reicht wird?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718615000


Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Gerdes, zu Ihrer
Frage ist zu sagen, dass die Bundesministerin einen ho-
hen Wert auf die hervorragende Ausbildung von Lehrern
legt und deshalb in der Kultusministerkonferenz – die
wesentliche Verantwortung für die Ausbildung von Leh-
rern und für die Schulbildung liegt bei den Ländern –
eine solche Initiative vorgeschlagen hat.

Die Länder waren von dieser Initiative begeistert. Wir
haben jetzt einen Prozess organisiert, in dessen Rahmen
die Kultusministerkonferenz am 8. März ein Eckpunkte-
papier beschlossen hat, wie eine solche Initiative grob
aussehen könnte. Auf der Grundlage dieses Eckpunkte-
papiers ist jetzt eine Staatssekretärsarbeitsgruppe einge-
richtet worden, die der GWK bis zum November 2012
den Entwurf einer Bund-Länder-Vereinbarung nach
Art. 91 b Grundgesetz vorlegen soll. Da diese Staatsse-
kretärsarbeitsgruppe noch kein Ergebnis vorgelegt hat,
kann man über die Details, die alle noch in der Verhand-
lung sind, momentan wenig sagen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718615100

Eine Nachfrage, bitte.


Michael Gerdes (SPD):
Rede ID: ID1718615200

Ich gehe also recht in der Annahme: Die Verantwor-

tung ist jetzt auf die Länder übertragen worden. Meine
Frage ist jetzt: Welche Rolle spielt der Bund noch? Sie
haben gerade gesagt, dass noch keine konkreten Ergeb-
nisse der Arbeitsgruppe vorliegen. Werden Sie uns da-
rüber zeitnah unterrichten?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718615300


Immer wenn wir neue Erkenntnisse haben, werde ich
Sie gerne darüber unterrichten, weil uns am Herzen liegt,
dass diese Initiative breit getragen wird. Sie haben die
Anhörung im Deutschen Bundestag zu diesem Thema
gehört und dabei gemerkt, dass alle, die in Deutschland
mit der Lehrerausbildung zu tun haben, diese von uns
gestartete Qualitätsoffensive befürworten und sagen:
Das darf jetzt nicht scheitern. – Der Bund arbeitet in die-
ser Staatssekretärsarbeitsgruppe mit den Ländern ge-
meinsam.

Im Hinblick auf Ihre Frage, wie wir für eine flächen-
deckende Verteilung sorgen wollen, haben in der Anhö-
rung alle sehr deutlich gesagt: Hier muss ein wettbe-
werbliches Verfahren zum Tragen kommen. Das heißt,
es wird am Ende nichts nützen, wenn wir flächende-
ckend wie mit einer Gießkanne alle 120 Standorte bedie-
nen, ohne dass profilierte Konzepte vorliegen. Das Glei-

che gilt, wenn wir nicht alle fördern, sondern nur einen
kleinen Teil. Ich glaube, es sind sich alle einig, dass wir
einen erheblichen Anteil der Fachbereiche an Pädagogi-
schen Hochschulen und Universitäten fördern wollen. Es
wird eine Ausstrahlungswirkung dahin gehend geben,
dass wir mit diesen Best-Practice-Beispielen in der Lage
sind, die Qualität der Lehrerbildung in Deutschland ins-
gesamt zu verbessern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718615400

Weitere Nachfrage? – Nein. Dann kommen wir zur

nächsten Frage des Kollegen Gerdes. Die Fragen 17 und
18 des Kollegen Brase, der zwischenzeitlich in den Saal
gekommen ist, rufe ich anschließend auf.

Ich rufe Frage 20 des Kollegen Michael Gerdes auf:
An welcher Stelle hat die Bundesregierung in welcher

Höhe im Bundeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzpla-
nung bisher Vorsorge getroffen, um die geplante gemeinsame
Förderinitiative von Bund und Ländern zur Förderung der
Lehrerausbildung auszufinanzieren?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718615500


Lieber Herr Kollege, wir haben darüber gesprochen,
welche Größenordnung für eine solche Initiative unge-
fähr sinnvoll sein könnte. Wir haben aber hinsichtlich
der Finanzierung weder über die Bund-Länder-Vertei-
lung noch abschließend über die Anzahl der beteiligten
Hochschulen und die damit zusammenhängenden Sum-
men gesprochen, sodass dieses Thema derzeit nicht etat-
reif ist. Sobald über die Finanzverteilung zwischen Bund
und Ländern ein Einvernehmen gefunden worden ist,
werden wir die Finanzierung für den Bundeshaushalt an-
melden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718615600

Nachfrage? – Nein, keine. Herr Staatssekretär, wenn

Sie nichts dagegen haben, rufe ich jetzt die Fragen des
Kollegen Brase auf.

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718615700


Gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718615800

Wir kommen jetzt zunächst zur Frage 17 des Kolle-

gen Willi Brase:
Welche konzeptionellen Ziele verfolgt die Bundesregie-

rung in den Gesprächen mit den Ländern in der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz über eine gemeinsame Förderinitia-
tive zur Förderung der Lehrerausbildung auch im Hinblick auf
die Verstärkung der Praxisorientierung, der Eignung der Stu-
dienbewerberinnen und -bewerber, der Berücksichtigung der
Anforderungen einer inklusiven Bildung sowie der entspre-
chenden Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom
8. März 2012?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718615900


Ich verweise an dieser Stelle auch auf das, was ich
eben gesagt habe, nämlich dass eine Staatssekretärsar-
beitsgruppe im Einvernehmen mit den Ländern jetzt das





Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) (C)



(D)(B)


Thema erarbeiten soll. Insofern stehen alle Überlegun-
gen unter Vorbehalt.

Aber schon der Eckwertebeschluss der KMK sieht
vor, dass wir zum einen eine stärkere Einbindung der
Lehrerbildung in die Universitäten erreichen wollen. Wir
sind uns darüber einig, dass nicht nur gezielt entspre-
chende Fachbereiche, sondern Universitäten mit einem
Gesamtkonzept gefördert werden sollen, wodurch wir
eine verbesserte Verzahnung mit den Fachdidaktiken er-
reichen wollen.

Ziel der Initiative soll zum anderen sein, dass wir Pro-
bleme lösen, die im länderübergreifenden Bereich lie-
gen, und zwar durch die verbesserte wechselseitige
Anerkennung der Lehrerausbildung und die Vereinheitli-
chung von Prinzipien und Curricula.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718616000

Nachfrage, Kollege Brase.


Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1718616100

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich bin leider etwas

zu spät gekommen. – Herr Staatssekretär, ist mit diesem
Vorhaben auch ein flächendeckender Ansatz verbunden,
sodass es nicht nur in Form von Einzelprojekten für ein-
zelne Bundesländer erfolgt, sondern dass letztlich alle
16 Bundesländer etwas von der notwendigen Verbesse-
rung der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer haben?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718616200


Lieber Herr Kollege Brase, am Ende wird das Kon-
zept von der Arbeitsgruppe erarbeitet. Dem will ich
nicht vorgreifen, aber Ihre Sorge vielleicht schon dahin
gehend zerstreuen, dass wir uns heute schon relativ einig
darüber sind, dass dies eine große Initiative werden soll,
die in der Breite wirkt. Es geht also nicht nur darum,
drei, vier oder acht Standorte zu fördern. Dabei war viel-
leicht die anfängliche Bezeichnung Exzellenzinitiative,
die den Gedanken nahelegt, dass es sich vielleicht um
wenige Leuchttürme handelt, etwas irreführend.

Der Ansatz verfolgt vielmehr das Ziel, in der Breite
etwas für die Lehrerbildung in Deutschland zu erreichen.
Deshalb gehe ich davon aus, dass am Ende ein Drittel
der Hochschulen oder mehr – wir haben insgesamt
120 pädagogische Hochschulen oder Fachbereiche in
Deutschland – von einem solchen Programm profitiert
und dass wir damit auch eine gute Flächendeckung in
Deutschland erreichen können.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718616300

Weitere Nachfrage, Herr Brase? – Das ist nicht der

Fall.

Dann kommen wir zu Frage 18:
Durch welches Auswahlverfahren sollen nach der Vorstel-

lung der Bundesregierung die Projekte bestimmt werden, die
durch die geplante gemeinsame Förderinitiative von Bund
und Ländern zur Förderung der Lehrerausbildung gefördert
werden sollen?

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1718616400


Auch darüber ist noch nicht befunden. Aber die Bun-
desregierung hat große Sympathie für das, was auch in
der Anhörung gefordert worden ist, nämlich dass eine
Expertenjury sich mit den Anträgen befasst, die von den
einzelnen Hochschulen erarbeitet werden, sodass wir
den Bottom-up-Ansatz haben, dass Hochschulen mit
konkreten Plänen und Initiativen für sich die Exzellenz
in der Lehrerbildung definieren und dann durch eine
fachliche Bewertung daraus die entsprechende Anzahl
erarbeitet wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718616500

Nachfrage, Herr Brase? – Nein. Vielen Dank, Herr

Staatssekretär.

Die Fragen 21 und 22 des Kollegen Swen Schulz, die
Frage 23 des Kollegen Oliver Kaczmarek, die Frage 24
des Kollegen Kai Gehring, die Fragen 25 und 26 des
Kollegen René Röspel und die Frage 27 des Kollegen
Klaus Hagemann sollen schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Hier steht uns wiederum die Parlamentari-
sche Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Beantwortung
zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Dr. Sascha Raabe
auf, die sich wiederum mit dem schon viel zitierten Tep-
pich befasst:

Wie ist der Name des Teppichherstellers und wie der des
Händlers, bei dem Bundesminister Dirk Niebel den Teppich in
der deutschen Botschaft in Kabul erworben hat, und kann er
auch ohne offensichtlich nicht vorhandene Zertifikate und
Siegel definitiv ausschließen, dass der Teppich mit Kinder-
arbeit oder unter Verletzung internationaler Standards wie den
Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation,
ILO, hergestellt wurde?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718616600


Herr Präsident, herzlichen Dank. – Sehr geehrter Herr
Kollege Raabe, Sie sind im letzten Moment hereinge-
huscht und nicht auf dem Teppich angeflogen gekom-
men.

Ich antworte Ihnen auf Ihre Frage, dass es sich bei
diesem Kaufvorgang um einen ausschließlich privaten
Kauf des Bundesministers Dirk Niebel handelt. Die
Bundesregierung kann – das werden Sie sicherlich ver-
stehen – keinen zwingenden parlamentarischen Aus-
kunftsanspruch im Zusammenhang mit Ihrer Frage nach
den beiden Namen erkennen. Im Übrigen verweise ich
darauf, dass es hier um den Schutz der Persönlichkeit
und möglicherweise auch um Sicherheitsaspekte geht.

Auf den zweiten Teil Ihrer Frage antworte ich, dass
sich Bundesminister Dirk Niebel von der deutschen Bot-
schaft in Kabul einen als vertrauenswürdig und zuverläs-
sig bekannten Händler hat empfehlen lassen. Bundes-
minister Niebel und der Bundesregierung insgesamt





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)


liegen keine Hinweise auf eine Verletzung von Sozial-
und Umweltstandards oder von ILO-Arbeitsnormen vor.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718616700

Ihre erste Nachfrage, Kollege Raabe.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718616800

Frau Staatssekretärin, Ihre Eingangsbemerkung haben

Sie schon fast dadurch widerlegt, dass Sie in Ihrer Ant-
wort auf den zweiten Teil meiner Frage gesagt haben,
dass der Teppich in der Botschaft ausgewählt wurde. Sie
sagten zuerst, es habe sich um einen privaten Kauf ge-
handelt. Wenn ich im Ausland einkaufe, dann gehe ich
normalerweise nicht zur deutschen Botschaft, lasse mir
dorthin 38 oder 40 Teppiche – ich glaube, um so viele
hat es sich gehandelt – bringen und auslegen und dann
den gekauften Teppich mit dem Bundesnachsendedienst
auf Staatskosten und mit einem Staatsflugzeug bringen.
Ich glaube, dass es sich um einen halboffiziellen Vor-
gang handelt hat, wenn ein Entwicklungsminister in ei-
ner deutschen Botschaft einen Teppich erwirbt und ihn
dann auf Staatskosten transportieren lässt.

Ich komme nun zu einer Nachfrage betreffend die
Kinderarbeit, die Sie bereits versucht haben zu beant-
worten. Es ist schon etwas anderes, ob eine Privatperson
oder der Entwicklungsminister, der auch für Entwick-
lungsprojekte zuständig ist, zum Beispiel für die Zertifi-
zierung von Teppichen, dort einen Teppich kauft. Es gibt
das GoodWeave-Siegel – als Nachfolgesiegel des Rug-
mark-Siegels –, das mit Mitteln der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit gefördert wird. Es gibt in Afgha-
nistan einen großen Händler, der zertifiziert arbeitet. Ich
glaube, es wäre angebracht gewesen, wenn der Entwick-
lungsminister einen fair gehandelten und anständig her-
gestellten Teppich bei einem entsprechenden Händler
oder Hersteller gekauft hätte. Ich hätte mir gewünscht,
dass sich der Minister nicht auf die Worte irgendeines
Botschaftsmitarbeiters verlassen hätte, sondern auf ein
Zertifikat. Vor dem Hintergrund, dass wir solche Zertifi-
kate fördern wollen, gibt der Minister den Bürgerinnen
und Bürgern ein schlechtes Vorbild, wenn er einkauft,
wie er gerade lustig ist, ohne daran zu denken, dass der
Teppich vielleicht unter ganz brutalen Arbeitsbedingun-
gen hergestellt wurde. Kinderarbeit ist leider sehr oft un-
trennbar mit der Herstellung von Teppichen verbunden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718616900

Kommen Sie bitte zu Ihrer Frage.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718617000

Denn je kleiner die Knoten sind, desto besser können

es Kinder machen. Deswegen frage ich Sie noch einmal,
warum der Minister nicht bei dem besagten zertifizierten
Händler in Afghanistan eingekauft hat. Er müsste als
Entwicklungsminister doch wissen, dass es dort jeman-
den gibt, den wir unterstützen.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718617100


Herr Kollege Raabe, es ist so, dass der Minister, wenn
er unterwegs ist, auch einmal eine Besorgung machen
können muss. Den privaten Kauf eines Teppichs würde
man keinem Minister nach Abschluss seiner offiziellen
Reise verwehren wollen. Aber es ist einem Minister
nicht ohne Weiteres möglich, erst recht nicht in Afgha-
nistan – wer vor Ort gewesen ist, weiß das –, einfach ir-
gendwo einzukaufen. Das verbietet die Sicherheitslage.
Deshalb ist der Minister diesen ungewöhnlichen Weg
gegangen. Darüber haben wir, glaube ich, schon hinrei-
chend diskutiert.

Die Bundesregierung weiß gar nicht, ob der Teppich
ein Siegel trägt oder nicht. Insofern führen wir hier eine
hypothetische Debatte. Es ist aber davon auszugehen,
dass sowohl beim Minister als auch in der deutschen
Botschaft ausreichend Sensibilität vorhanden ist, wenn
es um die Frage geht, was oder wen man empfehlen
kann.

Gehen Sie bitte davon aus, dass der Minister alles ver-
sucht hat, die erwähnten Standards anzulegen und nach
diesen Kriterien einzukaufen. Ich finde, aus Sicht der
Bundesregierung sollte es damit gut sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718617200

Eine weitere Nachfrage. Aber bitte keinen Kommen-

tar, sondern eine Frage.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718617300

Kein Kommentar. – Ich habe nur die Bitte, dass Sie

den Minister fragen und mir die Antwort schriftlich ge-
ben; denn Sie sagten, die Bundesregierung wisse nicht,
ob der Teppich ein Siegel getragen habe.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718617400

Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Raabe:

Kann Bundesminister Dirk Niebel definitiv ausschließen,
dass es sich bei dem von ihm in Kabul gekauften Teppich um
afghanisches Kulturgut handelte, das nicht oder nur mit ge-
sonderter Genehmigung hätte ausgeführt werden dürfen, und
bleibt er angesichts der gegenteiligen Darstellungen des Bun-
desnachrichtendienstes, BND, bei seiner Aussage, es habe vor
dem Transport keine Festlegungen zwischen dem BND und
dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, BMZ, dahin gehend gegeben, dass alle For-
malitäten der Einfuhr des Teppichs unmittelbar durch das
BMZ zu regeln seien?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718617500


Ich antworte Ihnen auf Teil eins Ihrer Frage, dass
nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnis-
sen ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei dem
Teppich um afghanisches Kulturgut handelte. Deshalb
musste dieser auch nicht mit einer gesonderten Geneh-
migung ausgeführt werden. Was Teil zwei Ihrer Frage
betrifft: Der Bundesregierung liegen keine neuen Aussa-
gen des Bundesministers vor.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718617600

Nachfrage?


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718617700

Der zweite Teil meiner Frage bezieht sich sehr stark

darauf, wer für die Formalitäten bei der Einfuhr zustän-
dig war. Das hat vor dem Hintergrund Bedeutung, dass
wir heute lesen konnten, dass die Staatsanwaltschaft
kein Strafverfahren einleiten möchte. Der Kollege
Döring hat neulich in der Aktuellen Stunde hier gesagt,
dass sich streng genommen nicht Minister Niebel der
Steuerhinterziehung strafbar gemacht habe, sondern der
Präsident des Bundesnachrichtendienstes, weil er den
Teppich transportiert habe. Ich fand es sehr dreist, dass
man das ausgerechnet dem armen Herr Schindler in die
Schuhe schieben möchte. Deshalb ist die Frage zu den
Absprachen schon wichtig.

Sie sagten, es gebe keine neuen Erkenntnisse. Wir
hatten letzten Freitag eine Gremiensitzung, in der Herr
Schindler anwesend war, Herr Minister Niebel aber
nicht. Jetzt ist er aus Brasilien zurück. Vielleicht hatten
Sie Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Wer war denn
nach Ansicht des Ministers für die Entrichtung der Ein-
fuhrumsatzsteuer zuständig, Herr Schindler oder er? Wer
war für die Zollformalitäten zuständig? Welche Abspra-
chen gab es?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718617800


Herr Kollege Raabe, ich bin ständig in sehr intensi-
vem Austausch mit dem Minister. Bei der Frage, die Sie
eben angesprochen haben, muss man zwischen der juris-
tischen und der alltäglichen Auslegung unterscheiden.
Was die alltägliche Auslegung betrifft, also wer die Ein-
fuhrumsatzsteuer bezahlen muss und wie es mit der Ver-
zollung aussieht, hat der Minister ganz klar gesagt, dass
er es versäumt habe, diese Dinge in die Wege zu leiten.
Dafür hat er sich während der Aktuellen Stunde hier im
Deutschen Bundestag in aller Form entschuldigt. Ich
glaube, dass an der Stelle Klarheit geschaffen worden
ist.

Noch einmal: Dazu, dass es Absprachen über den
Transport zwischen Herrn Schindler und dem Minister
Niebel gegeben haben soll, sagt der Minister nach wie
vor, es habe keinerlei Kontaktaufnahme mit ihm im Vor-
feld gegeben. Sie wissen, dass das geheim tagende Parla-
mentarische Kontrollgremium am vergangenen Freitag
diese Fragen mit Herrn Schindler erörtert hat. Ich nehme
an, dass dies zur Zufriedenheit erörtert werden konnte
und alle Fragen beantwortet wurden. Mir jedenfalls ist
nichts anderes bekannt. Das zeigen auch die Pressever-
lautbarungen, die danach erfolgt sind.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat in der Tat heute
mitgeteilt, dass sie nach einer einwöchigen Prüfung von
Ermittlungen absieht. Sie hat mitgeteilt – ich zitiere das
ausdrücklich, um nicht neue Verwirrungen zu stiften –:
Die Vorprüfungen haben keine ausreichenden tatsächli-
chen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren
Straftat ergeben. § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung. –

Ich finde, das ist auch eine wichtige Klarstellung. Im
Übrigen hat der Minister ganz klar gesagt, dass er nie-
mandem irgendeine Schuld zuschiebt. Er hat gesagt, wie
er die Dinge sieht, und dem ist nichts hinzuzufügen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718617900

Gibt es eine weitere Nachfrage?


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718618000

Ja, es stimmt. Das war Herr Döring, der das getan hat,

und nicht der Minister. – Meine Nachfrage bezieht sich
auf den zitierten Einstellungsbescheid. Der Minister
hatte hier damals im Parlament gesagt, dass er die Steuer
nachträglich entrichten möchte. Es hört sich jetzt in dem
Zitat der Staatsanwaltschaft so ein bisschen an, als hätte
er das nicht nachträglich zu machen. Ich gehe aber da-
von aus, Frau Staatssekretärin, dass er das noch nach-
träglich versteuern muss.

Die Staatsanwaltschaft sagt, das sei kein Straftatbe-
stand. Gedenkt die Bundesregierung für den Fall, dass
Normalbürger, die bis zu einer gewissen Bagatellgrenze
– das könnten ungefähr 1 000 Euro sein – Steuern hinter-
ziehen, ein Gesetz zu erlassen, nach dem das kein
Straftatbestand ist? Werden aus dem, was die Staatsan-
waltschaft sagt, Konsequenzen gezogen?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718618100


Sie sprechen von einer Straftat, die ich nicht erkennen
kann, Herr Kollege Raabe. Wir befinden uns jetzt, finde
ich, juristisch auf einem Feld, auf dem ich Sie bitte, in
aller Vorsicht zu sprechen.

Ich will noch einmal ausdrücklich betonen, dass der
Minister erklärt hat, dass er allem nachkommt, was nötig
ist. Meines Wissens hat er alle notwendigen Formalitä-
ten eingeleitet bzw. erledigt, soweit es schon erledigt
sein kann. Ich glaube, wir müssen uns da keine Sorgen
machen. Die Bundesregierung hat meines Wissens kei-
nerlei Gesetz in Vorbereitung, um irgendwelche Fälle
abzuwenden. Ich glaube, dazu besteht kein Anlass.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718618200

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ich rufe die Fra-

gen 30 bis 32 – dabei handelt es sich um zwei Fragen der
Kollegin Karin Roth (Esslingen) von der SPD sowie um
eine Frage der Kollegin Dr. Bärbel Kofler von der SPD –
auf. Sie sollen schriftlich beantwortet werden.

Die Fragen 33 und 34 des Kollegen Bollmann, die aus
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie kommen, werden gemäß der Ge-
schäftsordnung behandelt, da der Kollege nicht anwe-
send ist.

Die Fragen 35 und 36 des Kollegen Frank Schwabe
sollen wiederum schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen dann zur Frage 37 des Abgeordneten
Dr. Matthias Miersch, der anwesend ist:

Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß von Bun-
deswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler, den Rechtsweg





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)



(Bundesverwaltungsgericht)

2012)?

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Ernst Burgbacher zur Verfügung. Es geht um
die Verkürzung des Rechtsweges zur Beschleunigung
beim Stromleitungsbau. – Bitte schön, Herr Staatssekre-
tär.

E
Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1718618300


Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrter Herr Kol-
lege Dr. Miersch, die Bundesregierung hat bereits in
dem Regierungsentwurf zum Gesetz zur Neuregelung
energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011
im Zusammenhang mit der Einführung des Verfahrens
zur Annahme des Bundesbedarfsplans gemäß § 12 e
Energiewirtschaftsgesetz in der diesbezüglichen Begrün-
dung auf die Möglichkeit einer erst- und letztinstanz-
lichen Rechtswegzuweisung für konkrete Höchstspan-
nungsleitungen an das Bundesverwaltungsgericht
hingewiesen.

Die Rechtswegverkürzung ist eine wesentliche Mög-
lichkeit, die Genehmigungsverfahren für Netzausbau-
projekte zu beschleunigen. Eine vergleichbare Regelung
besteht bereits gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zum Aus-
bau von Energieleitungen, dem EnLAG, für die dort ge-
regelten Prioritätenvorhaben. Das ist insofern nichts
Neues, sondern die konsequente Fortsetzung des bisheri-
gen Verfahrens.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718618400

Eine Nachfrage, Herr Miersch?


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718618500

Vielen Dank. – Plant die Bundesregierung, dann auch

in dieser Form entsprechende Kapazitäten beim Bundes-
verwaltungsgericht vorzusehen?

E
Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1718618600


Herr Kollege Miersch, dafür gibt es bisher keine An-
haltspunkte. Wir befinden uns – das wissen Sie – in ei-
nem schwierigen Prozess, was den Netzausbau betrifft.
Wir müssen jetzt jegliche Vorsorge treffen, und wir wol-
len das, von dem ich gerade sprach, jetzt umsetzen. Wir
gehen nicht davon aus, dass da größere Kapazitäten not-
wendig sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718618700

Eine weitere Nachfrage? – Bitte.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718618800

Sie wissen, wie teilweise vor Ort debattiert wird und

dass die Fragen der Transparenz, aber auch der mögli-
chen Überprüfbarkeit für viele Bürgerinnen und Bürger
sicherlich ein ganz wichtiges Signal des Vertrauens sein
können. Können Sie sich vorstellen, dass diese Ankündi-
gung des Bundeswirtschaftsministers eher das Gegenteil

– nämlich Misstrauen – bei den betroffenen Bevölke-
rungsgruppen hervorrufen wird?

E
Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1718618900


Nein, das glaube ich überhaupt nicht; denn wir wer-
den das Bürgerbeteiligungsverfahren stärken. Das ist
völlig klar; das haben wir auch in allen Gesprächen ge-
sagt. Wir wollen die Bürger nicht ausschließen.

Aber, Herr Kollege Dr. Miersch, wir brauchen eine
Beschleunigung des Prozesses; denn der Netzausbau ist
unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir eines der
drei ganz zentralen Ziele, nämlich Energiesicherheit, er-
reichen können. Das sind wir den Bürgerinnen und Bür-
gern dieser Republik schuldig.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1718619000

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Hinsichtlich der

restlichen Fragen wird verfahren, wie in der Geschäfts-
ordnung vorgesehen, soweit die Fragesteller nicht anwe-
send sind.1)

Ich beende damit die Fragestunde.

Ich unterbreche die Sitzung. Sie wird um 17.05 Uhr
zur Abhandlung der Aktuellen Stunde wiedereröffnet.
Die Sitzung ist unterbrochen.


(Unterbrechung von 16.30 bis 17.05 Uhr)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718619100

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene

Sitzung ist wieder eröffnet.

Wie vereinbart – es ist 17.05 Uhr –, rufe ich jetzt den
Zusatzpunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP

Forderung von SPD und Grünen zu Tempo 30
in Städten

Erster Redner in der Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Gero Storjohann.
Bitte schön, Herr Kollege.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1718619200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Straßenverkehrs-Ordnung sollte Tempo 30
als neue zulässige Höchstgeschwindigkeit in Städ-
ten festgeschrieben werden.

So Sören Bartol, der verkehrspolitische Sprecher der
SPD, gegenüber der Welt am Sonntag. Seine Fraktions-
kollegin Kirstin Lühmann glaubt – so die Welt am Sonn-
tag im Artikel weiter –,

1) Das gilt für die Fragen 46, 79, 82, 83 und 88 bis 94.





Gero Storjohann


(A) (C)



(D)(B)


dass Tempo 30 für gleichmäßig fließenden Verkehr
sorge, „der im Übrigen Aggressionen mindert und
Aufmerksamkeit steigert“.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das sind die Fakten, Kollege!)


Der Abgeordnete Hofreiter von den Grünen hat dem
gleich seinen Stempel aufgedrückt und das als „moderne
Verkehrspolitik“ bezeichnet.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Recht hat er!)


Das war der Stand am Sonntag letzter Woche: Die
SPD will Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindig-
keit. Doch scheinbar hatten die Verkehrspolitiker ihre
Ideen nicht mit der Fraktionsführung abgestimmt; denn
Fraktionschef Gabriel brauchte nur zwei Tage, um auf
Twitter festzustellen:

… solche Fragen sollten Bundespolitiker lieber den
Kommunalpolitikern überlassen. Die können das
besser beurteilen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Gabriel hat weiter ausgeführt, er sei „viele Jahre Kom-
munalpolitiker“ gewesen, und deshalb sei er „sicher,
dass so etwas vor Ort besser entschieden werden kann
als zentral von Berlin aus.“ – Ich verstehe gar nicht, wa-
rum er unbedingt Bundespolitiker werden wollte.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


War das nun eine Zurechtweisung oder eine Zustim-
mung von Herrn Gabriel?


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Na, na, nicht so scharf!)


– Der Kollege Hacker hat es gerade erkannt: Es ist eher
eine Zustimmung.

Auch Fraktionschef Steinmeier meldete sich zu Wort.
Er sagte gegenüber bild.de:

Es bleibt dabei, Tempo 30 kommt nur da, wo es die
Bürgerinnen und Bürger vor Ort für richtig halten.


(Sören Bartol [SPD]: Kluger Mann!)


Die SPD will kein generelles Tempo 30.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Sehr weise!)


Jetzt haben wir noch den Verkehrsminister aus dem
Saarland. Heiko Maas führte aus:

Ein generelles Tempolimit innerorts auf 30 kann
keine Antwort sein, ein solcher Vorschlag findet
nicht meine Unterstützung … Deshalb kann ich mir
nicht vorstellen, dass ein solcher Vorschlag am
Ende im SPD-Wahlprogramm stehen wird.

Tja, liebe SPD, was gilt nun? Das sollten Sie uns
schon einmal genauer erklären. Deswegen findet heute
auch die Aktuelle Stunde statt. Können sich Bürger
wirklich darauf verlassen, dass eine Stimme für die SPD

bei der nächsten Wahl gleichzeitig eine Stimme für
Schneckentempo und Staugefahr ist?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist doch Unsinn! – Sören Bartol [SPD]: Bleiben Sie doch sachlich!)


Die Haltung der CDU/CSU ist hier verhältnismäßig
klar. Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer, heute
auch bei dieser Debatte dabei – wunderbar! –, hat gleich
gesagt, mit ihm sei Tempo 30 als innerörtliche Regel-
geschwindigkeit nicht zu machen. Da hat er die volle
Unterstützung der Koalition, insbesondere der CDU/
CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Immerhin einmal!)


Rot und Grün wollen also den Bürgerinnen und Bür-
gern das Autofahren verleiden; wir wollen eher Mobili-
tät ermöglichen und nicht behindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gerade die Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf,
dass sie ihren Arbeitsplatz in kurzer Zeit erreichen und
nicht behindert werden.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das wollen wir doch! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das wollen wir!)


– Dann sind wir uns ja einmal einig; dann können Sie
das nachher alles klarstellen.

Dort, wo es sinnvoll ist, gibt es bereits Tempo-30-
Zonen, aus besonders gutem Grund vor Schulen und
Kindergärten und in reinen Wohnquartieren. Das ist
Stand der Technik und allgemein anerkannt. Die CDU/
CSU spricht sich aber für eine erhöhte Kontrolldichte
aus, gerade im innerörtlichen Bereich, wo die Unfälle
passieren. Wenn einige wenige die Geschwindigkeits-
regeln nicht einhalten, müssen wir das Entsprechende
tun, um sie zu fassen. Die Kollegen von Rot und Grün
wissen ganz genau, dass Verkehrsregeln von Bürgerin-
nen und Bürgern dann besonders befolgt werden, wenn
sie nachvollziehbar sind. Wenn diese Regeln nicht nach-
vollziehbar sind, dann werden sie eher übertreten; und
dann sind die gefährdet, die glauben, dass sich die ande-
ren Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Für die willkürliche Verlangsamung des Innenstadtver-
kehrs und für Schneckentempo auf dem Weg zur Arbeit
gibt es kein Verständnis in der Bevölkerung.


(Zuruf von der SPD: Quatsch!)


Sollte die SPD bei ihrer Idee, die Verpflichtung auf
30 km/h in allen Städten und Gemeinden in ihr Wahlpro-
gramm zu schreiben, bleiben, dann – da bin ich mir
ziemlich sicher – wird es ein eindeutiges Votum der
Wähler in Deutschland geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718619300

Vielen Dank, Kollege Gero Storjohann. – Nächster

Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist der
bereits erwähnte Kollege Sören Bartol. Bitte schön,
Kollege Sören Bartol.


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1718619400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir von der SPD wollen eine sachliche Dis-
kussion darüber führen, wie wir Verkehrssicherheit erhö-
hen und wie wir unsere Straßen in den Innenstädten si-
cherer für Fußgänger, Radfahrer und auch für Autofahrer
selber machen. Leider geht dieses Anliegen schon zu
Beginn der Debatte in der Aufregung komplett unter, die
von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Union und der FDP, auch durch bewusste Missverständ-
nisse noch geschürt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben uns eingehend mit dem Thema Verkehrs-
sicherheit beschäftigt, haben mit Experten der Unfallver-
sicherer, der Deutschen Verkehrswacht und des Deut-
schen Verkehrssicherheitsrates gesprochen. Ein Ergebnis
dieser Gespräche war es, den Vorschlag zu prüfen – ich
betone noch einmal, damit auch Sie es verstehen: zu prü-
fen –,


(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hat Ihr Vorsitzender das auch schon verstanden?)


ob auf dem nachgeordneten Straßennetz in geschlosse-
nen Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit
auf Tempo 30 gesenkt werden sollte. Bei dieser Prüfung
kann es sinnvollerweise nur um das nachgeordnete Stra-
ßennetz gehen, nicht um die Hauptverkehrsstraßen.

Außerdem haben wir uns sehr intensiv mit den Vor-
schlägen des Wissenschaftlichen Beirates des Bundes-
verkehrsministeriums auseinandergesetzt, einem Gre-
mium, das von Bundesminister Peter Ramsauer
eingesetzt wurde und damit eigentlich unverdächtig ist,
ein Think Tank der SPD zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe bisher von
Ihnen – auch von Ihnen, Kollege Storjohann – kein ein-
ziges vorurteilsfreies Argument gehört. Sie verweigern
sich doch alle einer sachlichen Diskussion.


(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So wie Ihr Vorsitzender!)


Sie schüren lediglich die Emotionen der Menschen, die
das Auto für das tägliche Leben, für den täglichen Be-
darf brauchen.

Nehmen Sie bitte einmal folgende Fakten zur Kennt-
nis:

Erstens. In den allermeisten Städten und Gemeinden
ist Tempo 30 auf vielen Straßen längst Realität. In Mün-
chen gilt auf 80 Prozent der Straßen Tempo 30.


(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Warum wollen Sie das dann denn einführen?)


In Nürnberg gab es im Rahmen der Kampagne „Nürn-
berg steigt auf“ die Debatte um Tempo 30. In Bremen
betrifft es 70 Prozent aller Straßen. Der Aufwand für die
Beschilderung ist immens, den Flickenteppich von
Tempo-30-Zonen versteht niemand mehr.

Zweitens. Tausende Eltern von kleinen Kindern, äl-
tere Menschen, aber auch Menschen mit Behinderungen
fordern in den Gemeinden eine Begrenzung der Ge-
schwindigkeit für Autos: vor Schulen, vor Kindergärten,
vor Altenheimen. Gemeindevertreter aller Parteien – ich
betone: aller Parteien – wollen vor Ort das Tempo des
Verkehrs verringern, um am Ende Menschenleben zu
schützen.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das lassen Sie doch vor Ort entscheiden!)


Drittens. Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist die Zahl
der Verkehrstoten im vergangenen Jahr wieder gestie-
gen. Auf unseren Straßen in Deutschland kamen 4 002
Menschen ums Leben. Das können wir doch in diesem
Haus nicht ignorieren. Ich finde: Jeder Tote ist an dieser
Stelle ein Toter zu viel. Das muss man einmal so deutlich
sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Viertens. Der Bremsweg eines Autos mit 30 km/h ist
ungefähr um die Hälfte kürzer als der Bremsweg eines
Autos mit 50 km/h. Prallt ein Fahrzeug mit 50 km/h ge-
gen einen Kinderwagen, dann ist das Kind tot, obwohl
der Fahrer es vielleicht noch bemerkt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Auch mit 20!)


Fährt es nur 30 km/h, dann könnte es das vielleicht noch
überleben, weil man es geschafft hat, vorher zu bremsen.
Auch darüber sollte man nachdenken.

Mit Blick auf diese Fakten sind meine Forderungen,
sachlich und nüchtern gesprochen, sehr klar: Ich will
erstens, dass in unseren Städten und Gemeinden in Zu-
kunft weniger Menschen im Straßenverkehr sterben.
Zweitens will ich eine einfache, verständliche Beschil-
derung in unseren Gemeinden und drittens, dass unsere
Vertreter in den Stadt- und Gemeinderäten ordentlich
entscheiden und den Verkehr vor Ort sicherer machen
können. Dazu brauchen sie vernünftige Instrumente, die
auch funktionieren.

Welcher Weg der beste sein kann, müssen wir Ver-
kehrspolitiker sachlich diskutieren; diese Aufgabe haben
wir in unseren Fraktionen übernommen. Dieses Thema
darf man nicht populistisch aufladen


(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Bild-Zeitung!)


und am besten noch am Stammtisch diskutieren. Ich
wiederhole: Es gilt das, was Frank-Walter Steinmeier be-
reits gesagt hat – danke übrigens dem Kollegen
Storjohann, dass er so sauber zitiert hat –:

… Tempo 30 kommt nur da, wo es die Bürgerinnen
und Bürger vor Ort für richtig halten.

Und das gilt!





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)



(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch jetzt schon so!)


Danke.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718619500

Vielen Dank, Kollege Sören Bartol. – Nächste Redne-

rin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
FDP unsere Kollegin Petra Müller. Bitte schön, Frau
Kollegin Petra Müller.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Gib Gummi!)



Petra Müller (FDP):
Rede ID: ID1718619600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Verkehrssicherheit ist für uns alle ein wichtiges Thema.
Sie haben es richtig gesagt, Kollege Bartol: Verkehrs-
sicherheit entscheidet über Menschenleben. Deswegen
sind wir uns in diesem Hause und auch im Ausschuss bei
entsprechenden Themen oftmals einig. Häufig werden
Anträge sogar fraktionsübergreifend verabschiedet.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber lange her!)


Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Oppo-
sition, wenn Sie generell und dogmatisch Tempo 30 in
den Städten fordern,


(Sören Bartol [SPD]: Das ist doch Quatsch! – Gustav Herzog [SPD]: Sie können nicht lesen, geschweige denn verstehen!)


unabhängig von örtlichen Gegebenheiten, als Bundesge-
setz übergestülpt, entgegen jahrzehntelanger Praxis,
trotz Widerspruchs der Fachverbände –


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zählen Sie mal die Fachverbände auf! ADAC? Automobilindustrie? – Gustav Herzog [SPD]: Zählen Sie sie einmal auf!)


dann ist es mit dem Konsens vorbei. Tut mir leid.

Tempo 30 an sensiblen Stellen wie Kindergärten,
Schulen oder Wohngebieten wird heute so oft wie mög-
lich angewendet, und zwar dort, wo es nötig ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Entschieden wird dort, wo darüber entschieden werden
sollte, nämlich in den Kommunen. Wenn Sie jetzt den
Flickenteppich beklagen, dann sage ich Ihnen: Dieser
Flickenteppich führt zur Aufmerksamkeit im Verkehr,
jawohl!


(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Entscheidung darüber, wo Tempo 30 angesagt ist,
gehört jedenfalls in die Kommunen.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das können sie aber im Moment nicht!)


Das hält die FDP für ein bewährtes System. Wir sehen
an dieser Stelle überhaupt keinen Handlungsbedarf und
auch keinen Regulierungsbedarf.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Was Sie wollen, ist teuer, bürokratisch, ist eine zentra-
listische Regelung, die ohne jeden Mehrwert ist. Das
machen wir nicht mit! Es wird uns nicht gelingen, ein-
fach so den Verkehr in den Kommunen zu regeln. Au-
ßerdem würden sich die Kommunen massiv dagegen
wehren. Vorhin haben wir all die Zitate von den Kolle-
gen in der SPD gehört, die in puncto Verkehrssicherheit
mit Ihnen nicht einer Meinung sind.

Die Akzeptanz von Regelungen ist für uns ein wichti-
ger Punkt. Ich sage Ihnen eines: Die Autofahrer würden
sich massiv dagegen wehren, wenn man ihnen eine sol-
che Regelung überstülpte. Ein Autofahrer ist nämlich
immer nur dann ein guter Autofahrer, wenn er die Regel
akzeptiert und versteht. Darum geht es doch. In diesem
Zusammenhang ist das Stichwort Eigenverantwortung
zu nennen. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft
sagt: Autofahrer halten sich dann an Vorschriften, wenn
sie für sie nachvollziehbar sind.


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Autofahrer sind auch manchmal Fußgänger!)


Das stimmt, das ist richtig, und dem ist nichts mehr hin-
zuzufügen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie verbessern die Verkehrssicherheit nicht, wenn Sie
die Akzeptanz von Verkehrsregeln schwächen. Sie ver-
bessern die Verkehrssicherheit nicht, wenn Sie den Ver-
kehrsfluss hemmen. Sie verbessern die Verkehrssicher-
heit nicht, wenn Sie Staus fördern, die Verkehrswege
verlängern oder die Autofahrer behindern. So einfach ist
das. Das wollen wir in der Koalition nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kollegin Lühmann sagt, Tempo 30 würde Aggressio-
nen mindern. Da muss ich Sie wirklich fragen, liebe Kol-
legin, ob Sie sich vorstellen, dass sämtliche deutschen
Straßen voller aggressiver Autofahrerinnen – das sage
ich ganz bewusst – und Autofahrer sind? Sie zeichnen
ein Bild von einem ständig wütenden, konstant aggressiv
rasenden Menschen. Das ist doch nicht die Realität auf
den deutschen Straßen.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Müssen Sie nicht selber lachen? – Sören Bartol [SPD]: Niveaulos!)


Das ist doch nicht das Leben. Sie stellen die Bürger un-
ter Generalverdacht. Wir von der Koalition hingegen ha-
ben Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb
werden wir Ihrem Vorhaben nicht zustimmen.

Ich werde den Satz, den Herr Gabriel auf Twitter ver-
öffentlicht hat, nicht noch einmal zitieren, sonst wird er
noch zum Dauerbrenner in dieser Aktuellen Stunde.
Aber Herr Steinmeier hat sich zu diesem Thema geäu-
ßert, und übrigens auch Heiko Maas kann sich nicht vor-





Petra Müller (Aachen)



(A) (C)



(D)(B)


stellen, eine solche Forderung zukünftig im Wahlpro-
gramm der SPD unterzubringen.


(Zurufe von der SPD)


Das kann ich nur unterschreiben, und ich hätte nie ge-
dacht, dass ich einmal das unterschreiben würde, was
Heiko Maas sagt. Der Städte- und Gemeindebund nennt
Ihre Vorschläge „Gängelung“ und „Bevormundung“. Al-
les richtig, alles gut.

Ich schlage Ihnen vor: Treffen Sie sich zu einer inter-
nen Besprechung am Runden Tisch. Unterhalten Sie sich
darüber, wie Sie sich Ihre künftige Verkehrspolitik vor-
stellen. Ich hätte nichts dagegen, die FDP würde das be-
grüßen; wir brauchten uns dann über dieses Thema nicht
mehr zu unterhalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718619700

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Nächster Red-

ner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die
Linke unser Kollege Herbert Behrens. Bitte schön, Kol-
lege Herbert Behrens.


(Beifall bei der LINKEN)



Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718619800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Tempo 30 ist sicherer, leiser und sauberer. Was wollen
wir uns als Bewohnerinnen und Bewohnern von Städten
und Dörfern mehr wünschen? Darauf muss unser Um-
gang mit dem Verkehr abzielen. Wenn es ein Instrument
gibt, durch das diese drei Kriterien erfüllt werden kön-
nen, nämlich sicherer, sauberer und leiser zu sein, dann
sollten wir es sofort nutzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Storjohann, wir wissen, dass Sie in Ihrer Frak-
tion für das Thema Verkehrssicherheit verantwortlich
sind. Das Thema Verkehrssicherheit spielte bisher eine
sehr ungeordnete Rolle, was ich bedauere; denn
Tempo 30 spielt beim Thema Verkehrssicherheit eine
entscheidende Rolle.

Der Vorstoß der SPD und der Grünen deckt sich mit
dem Vorstoß der Linken, den wir schon vor längerer Zeit
gemacht haben. Wir wollen eben, dass die Lebensquali-
tät in den Dörfern und Städten insgesamt besser wird.
Was kann da besser sein als die Reduzierung der Ge-
schwindigkeit? Wir wissen doch selber: Wenn wir als
Fußgänger oder Radfahrer unterwegs sind, dann empfin-
den wir schnelle Autos als störend; denn wir sind sehr
unsicher, wenn wir hohen Geschwindigkeiten ausgesetzt
sind. Wir wissen aber auch, dass durchaus unterschiedli-
che Herzen in unserer Brust schlagen. Wären wir auf der
gleichen Strecke als Autofahrer unterwegs, würden wir
möglicherweise mit Ungeduld darauf warten, wieder
schneller fahren zu können.

Die eben genannten Zahlen belegen, dass Tempo-30-
Zonen in großen Städten weit verbreitet sind; denn ge-
rade dort, wo Menschen auf engem Raum wohnen, wol-

len sie möglichst ruhig leben. Deshalb sind sie an ihre
kommunale Vertretung herangetreten, um anzufragen,
ob sich die Geschwindigkeit nicht reduzieren lässt.

Nun weiß ich als Kommunalpolitiker gut, wie unend-
lich schwierig es ist, Tempo-30-Zonen einzurichten.
Lassen Sie mich als konkretes Beispiel eine Schule in
Osterholz-Scharmbeck nennen, die an einer Kreisstraße
liegt. Es ist sehr schwierig, sich mit der Kreisverwaltung
ins Benehmen zu setzen, damit es dort zu einer Ge-
schwindigkeitsbegrenzung kommt. In dieser Straße gibt
es zwar merkwürdige Baumaßnahmen, um zwanghaft
eine erhöhte Verkehrsaufmerksamkeit zu erzielen, aber
ich empfinde diese baulichen Maßnahmen als eher stö-
rend. Sie machen den Verkehr eher unsicherer als siche-
rer.

Wenn ich als Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger
weiß, dass in meiner Stadt Tempo 30 herrscht, dann kann
ich mich darauf einstellen, egal mit welchem Verkehrs-
träger ich unterwegs bin.

Wir können auch von einer höheren Sicherheit ausge-
hen, wenn die Differenz zwischen Fußgängern und Au-
tos nicht mehr 45 Kilometer pro Stunde beträgt, sondern
nur noch 25 Kilometer pro Stunde. Es führt zu einem an-
deren Miteinander in den Städten und Dörfern, wenn es
uns gelingt, eine erhöhte Verkehrssicherheit durch Tem-
poreduzierung zu erreichen.

Der Verkehr wird leiser werden. Verkehrsexperten ha-
ben ausgerechnet: Eine Reduzierung des Tempos von
50 km/h auf 30 km/h würde die Geräuschemission um
3 dB (A) verringern. Die Zahl klingt niedrig, aber das
entspricht der Halbierung der akustischen Belastung
durch Verkehrslärm. Das ist nicht zu unterschätzen. Wir
wollen in den Städten neben der Sicherheit doch auch
mehr Lebensqualität. Wir sollten darum den entspre-
chenden Vorschlag, der hier von Grünen und SPD noch
einmal neu aufgegriffen worden ist, prüfen und ernst
nehmen.

Es ist doch nicht so, dass nun per Dekret vorgeschrie-
ben werden soll, dass ab sofort flächendeckend innerorts
nur noch 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden darf.
Das ist doch gar nicht Sinn und Zweck unserer Forde-
rung. Unser Grundsatz lautet: Tempo 30 innerorts. Über-
all dort, wo wir feststellen, dass das Tempo zu gering ist,
weil wir es zum Beispiel mit Ausfallstraßen zu tun ha-
ben, dann darf natürlich schneller gefahren werden. Es
geht doch nicht darum, dass wir schnelle Straßen künst-
lich langsamer machen wollen, so wie wir im Moment
Straßen langsamer machen, wenn wir eine Tempo-30-
Zone einrichten.

Insbesondere mit Blick auf die Kommunalpolitik, die
hier schon erwähnt worden ist, kann ich nur sagen: Für
die Kommunen ist es teuer, umständlich und oft nur mit
großen Zeitverzögerungen möglich, eine Tempo-30-
Zone einzurichten. Auch der Städtetag hat diesbezüglich
leider hohe Hürden eingezogen.

Tempo 30 ist auch sauberer. Wir werden es dann
– dieser These stimme ich zu – mit einem flüssigeren
Verkehrsfluss zu tun haben. Dann wissen wir nämlich,
dass wir es mit großflächigen Tempo-30-Zonen zu tun





Herbert Behrens


(A) (C)



(D)(B)


haben, und durch entsprechende Maßnahmen können
wir dafür sorgen, dass der Verkehr noch flüssiger läuft.
Was ist an dem jetzigen Modell schneller? Wir dürfen
zwar 50 km/h fahren, fahren laut Messungen in der Re-
alität in Berlin aber nur 32 km/h im Durchschnitt. In
München sind es nur 27 km/h, die ich im Durchschnitt
fahre, obwohl ich 50 km/h fahren dürfte. Das hat mit
Stausituationen zu tun, die dadurch entstehen, dass der
Verkehr nicht flüssig läuft, weil man an Ampeln abbrem-
sen und wieder beschleunigen muss.

Ich denke, um die Wohnqualität zu verbessern, müs-
sen wir zu einer Temporeduzierung kommen. Das wer-
den wir nicht per Dekret verordnen, sondern wir werden
darüber mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren
haben; denn sie entscheiden letztendlich darüber, wie si-
cher und sauber die Stadt sein soll, in der sie leben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718619900

Vielen Dank, Kollege Herbert Behrens. – Nächster

Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen Kollege Stephan Kühn. Bitte
schön, Kollege Stephan Kühn.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718620000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir for-

dern Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, weil dadurch
die Verkehrssicherheit verbessert und Lärm und Abgase
reduziert werden können.

Frau Kollegin Müller, wenn man sich anschaut, was
die Fachverbände dazu sagen, stellt man fest, dass sie
ziemlich geschlossen dafür sind. Der Deutsche Ver-
kehrssicherheitsrat hat sich dafür ausgesprochen. Auch
Polizeivertreter und der Wissenschaftliche Beirat beim
BMVBS sagen uns: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit
ist richtig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf
Tempo 30 reduziert – das ist schon gesagt worden – den
Straßenlärm um 2 bis 3 Dezibel. Eine Verringerung um
3 Dezibel wird vom Menschen wie eine Halbierung der
Verkehrsmenge wahrgenommen. Dementsprechend kön-
nen wir die Lebensqualität der Menschen in unseren
Städten durch eine Temporeduzierung verbessern, und
nebenbei verringern wir den Ausstoß an Luftschadstof-
fen.

Niedrigere Geschwindigkeiten innerhalb von Ort-
schaften verbessern die Situation für Fußgänger und
Radfahrer, insbesondere für Kinder, ältere Menschen
und Menschen mit Behinderungen. Es ist leider so, dass
Unfälle von Fußgängern und Radfahrern mit motorisier-
ten Verkehrsteilnehmern bei 50 km/h sehr oft tödlich en-
den. Tempo 30 könnte Leben retten; das ist schon gesagt
worden. Im letzten Jahr sind im Stadtverkehr – das ist
die traurige Wirklichkeit – 1 200 Menschen gestorben.
Das ist eine Zunahme um 10 Prozent im Vergleich zum

Jahr 2010. Das sollte uns alles andere als zufriedenstel-
len. Wir sollten alles tun, um diese hohe Zahl getöteter
Verkehrsteilnehmer deutlich zu reduzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In diesem Zusammenhang ist eine Langzeitstudie aus
London interessant. Sie kam zu dem Ergebnis, dass
durch die Einführung einer Geschwindigkeitsbegren-
zung auf 32 km/h die Zahl der geschwindigkeitsbeding-
ten Unfälle um 42 Prozent gesenkt werden konnte. Der
stärkste Rückgang wurde bei den Unfällen mit Kindern
verzeichnet. Eine sehr interessante Studie!

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie von der Koalition
heute substanzielle Vorschläge einbringen, wie Sie die
Verkehrssicherheit in unseren Städten verbessern wollen.
Leider haben wir dazu gar nichts gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch im Nationalen Verkehrssicherheitsprogramm fin-
den wir außer Appellen und Kampagnen wenig.

Daran, dass Verkehrsminister Ramsauer Tempo 30
mit der Begründung ablehnt, dass er Mobilität ermögli-
chen und nicht verhindern will, wird deutlich, dass er un-
ter Mobilität nur die Mobilität der Autofahrer versteht;
denn Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit würde diejeni-
gen stärken, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs
sind. Fahrradfahrer könnten wieder sicherer auf den
Straßen unterwegs sein, weil sie vom Autofahrer früher
wahrgenommen und aufgrund dessen zum Beispiel nicht
mit einem zu geringen Abstand überholt würden.

Die Verlängerung der Fahrtzeit bei Einführung einer
Regelgeschwindigkeit von Tempo 30 liegt im Sekunden-
bereich. Sie wissen alle, dass die Durchschnittsge-
schwindigkeit im Stadtverkehr bei ungefähr 20 km/h
liegt. Das ist die Realität.

Der Flickenteppich ist angesprochen worden. Auf-
grund der jetzt gültigen Rechtslage haben wir im Haupt-
verkehrsnetz einen ständigen Wechsel zwischen
Tempo 30 und Tempo 50: 200 Meter Tempo 30, weil
dort eine Schule ist, dann wieder Tempo 50, und dann
kommt wieder eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus
Gründen des Lärmschutzes.

Dieser Flickenteppich trägt nicht zu einer Verbesse-
rung des Verkehrsflusses bei; im Gegenteil. Er lässt bei-
spielweise auch nicht die Optimierung von Ampelschal-
tungen zu. Mit der Einführung von Tempo 30 als
Regelgeschwindigkeit könnten der beschriebene Wech-
sel vermieden und der Verkehrsfluss optimiert werden,
weil die Ampelschaltungen verbessert werden könnten.

Sie haben hier ein Schreckgespenst gezeichnet: Alle
Autofahrer wären zum Schleichen verdammt, weil auf
allen Straßen Tempo 30 gelten würde. Dies entbehrt jeg-
licher Grundlage. Wir haben klargemacht, dass es um
Regelgeschwindigkeit und nicht um Höchstgeschwin-
digkeit geht. Es geht also um eine Umkehr des Regel-
Ausnahme-Verhältnisses. Die Beweislast wird umge-
kehrt: Heute muss das Vorschreiben von Tempo 30 be-





Stephan Kühn


(A) (C)



(D)(B)


gründet werden und das Vorschreiben von Tempo 50
nicht. Dies wollen wir ändern. Dadurch wäre es für die
Kommunen leichter, Tempo 30 anzuordnen. Das würde
Bürokratie abbauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es würde übrigens auch dazu führen, dass die Entschei-
dungen für die Bürgerinnen und Bürger transparenter
wären.

Es geht also nicht um die Verhinderung von Tempo 50,
sondern um die Ermöglichung von Tempo 30. Trotz alle-
dem würde auf den meisten Hauptverkehrsstraßen wei-
terhin Tempo 50 gelten. Ich kann nur darum bitten, dass
wir die Diskussion versachlichen. Sie haben heute dazu
leider keinen Beitrag geleistet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718620100

Vielen Dank, Kollege Stephan Kühn. – Nächster Red-

ner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Bundesregie-
rung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas
Scheuer. Bitte schön, Kollege Dr. Andreas Scheuer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1718620200


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Bartol, das war ja ein wirklich toller Ver-
such, uns davon in Kenntnis zu setzen, dass Sie den Vor-
schlag, ein Tempolimit von 30 km/h in Städten einzufüh-
ren, gerade noch prüfen.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung prüft auch immer sehr viel!)


– Herr Kollege Kühn, die Prüfung hatte schon in der Zeit
von Rot-Grün im Jahr 2000 begonnen. – Herr Kollege
Bartol, Sie prüfen mittlerweile sehr lange; Herr Kühn hat
eine Steilvorlage geliefert. Damals war dieser Vorschlag
von den Kolleginnen und Kollegen der Grünen vorge-
bracht worden, und er wurde dann von der Spitze der
SPD torpediert. Jetzt machen Sie diesen Vorschlag er-
neut.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Besser spät als nie!)


Es ist eine alte Kamelle und nicht zeitgemäß. Die Argu-
mente sind auch völlig an den Haaren herbeigezogen.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich klar sein,
dass die Union und die FDP für Freiheit und Eigenver-
antwortung stehen


(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und Rot-Grün und Linkspartei für Gängelung, Limitie-
rung und Verbote.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben das Beispiel München erwähnt, wo auf
80 Prozent der Straßen Tempo 30 gilt. Dort lebt ein
SPD-Politiker als Oberbürgermeister vor, wie er die Bür-
gerinnen und Bürger gängelt.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Deshalb ist er auch gewählt worden!)


Zum besseren Verkehrsfluss in München führt das defi-
nitiv nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Wenn Sie die Städte als den Ort der meisten Unfälle
hervorheben, möchte ich auf unsere Berichte zur Ver-
kehrssicherheit verweisen. Landstraßen sind sehr unfall-
trächtig, dort sind die meisten Verkehrstoten zu bekla-
gen. Deswegen hat der Bundesminister eine „Aktion
Landstraße“ gestartet. Da wollen wir ansetzen. Ich danke
Bundesminister Ramsauer dafür, dass er den Haushalts-
titel für die Verkehrssicherheit erhöht hat; der Titel ist
jetzt auf Rekordniveau. Damit sagen wir Ja zu einer ver-
besserten Verkehrssicherheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Wir haben eine Steigerung von 10 Prozent bei den Verkehrstoten!)


Wenn Sie, Herr Kollege Kühn, das nationale Ver-
kehrssicherheitsprogramm zitieren, sage ich: Ja, wir ha-
ben jetzt eine politische Leitung im Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die sich inhalt-
lich und konzeptionell mit der Verkehrssicherheit be-
schäftigt. Es geht dabei um die Aktionsfelder Mensch,
Infrastruktur und Fahrzeugtechnik. Dort werden auch
sehr gute Vorschläge für den Stadtverkehr gemacht.

Lieber Kollege Bartol, die SPD muss ja sehr viel Ver-
trauen in ihre SPD-Kommunalpolitiker haben, wenn Sie
von oben dirigistisch festlegen wollen, dass nur noch
Tempo 30 in den Kommunen gelten soll.


(Sören Bartol [SPD]: Wer sagt denn das?)


Sie wollen Ihren Kommunalpolitikern befehlen, was sie
im Bereich Stadtverkehr tun sollen.


(Gustav Herzog [SPD]: Wie kann man nur so einen Unsinn reden?)


Ich glaube, das ist der falsche Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Union schätzt die politische Eigenständigkeit der
Kommunalpolitiker. Diese können situationsbedingt ent-
scheiden, wo sie Tempo 30 vorschreiben, zum Beispiel
vor Kindergärten, vor Spielplätzen und in beruhigten
Zonen in Wohngebieten. Sie können das bestens selbst
entscheiden. Dazu brauchen sie nicht den Deutschen
Bundestag.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer


(A) (C)



(D)(B)


Zu den Punkten Bürokratie oder finanzieller Aufwand
kann ich nur sagen: Wenn Sie zwischen den Hauptstra-
ßen – rechtlich muss zunächst einmal definiert werden,
was Hauptstraßen sind – und den beruhigten Zonen, in
denen nach Ihrem Modell generell Tempo 30 gelten soll,
wechseln wollen, brauchen Sie neue Schilder und haben
einen entsprechenden Aufwand für die Umschilderung.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie beweisen gerade, warum der Wechsel in Bayern nötig ist!)


Solch ein Schild kostet ungefähr 300 Euro. Multiplizie-
ren Sie das einmal!

Wir wollen einen anderen Weg gehen. Wir wollen die
Kommunen mit Aktionen gegen den Schilderwald moti-
vieren, die Schilder herunterzunehmen und Regelungen
zu finden, die für die Bürgerinnen und Bürger transpa-
renter sind. Dann ist es für die Verkehrsteilnehmer einfa-
cher, nachzuvollziehen, welches Tempo sie fahren sol-
len. Außerdem werden durch die Entschilderung unserer
Innenstädte Kosten eingespart.

Wir gehen also einen ganz anderen Weg: Abbau des
Schilderwaldes, und die Kommunalpolitik soll selbst
entscheiden, wo eine Tempo-30-Zonen-Regelung gelten
soll.

Die SPD tut sich ja immer als die Kommunalpartei
hervor. Sie möchte suggerieren, dass die Bürgerinnen
und Bürger für die Tempo-30-Regelung sind. Ich nehme
etwas anderes wahr. Ich glaube, dass eine mangelnde
Akzeptanz durch die Verkehrsteilnehmer die Verkehrs-
sicherheit in den Innenstädten sogar untergräbt, weil je-
der für sich entscheidet, wie schnell er auf den Straßen
fährt. Ich glaube, dieser Vorstoß geht ins Leere. Die
SPD-Spitze hat schon in diese Richtung argumentiert.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin war heute
zum Thema Berliner Flughafen im Deutschen Bundes-
tag. Er fährt – es sei ihm vergönnt, weil unsere politi-
schen Mandatsträger für die Automobilindustrie eine
Werbebotschaft senden – ein großvolumiges Fahrzeug,
einen BMW 750 Li.


(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Reden und Handeln, meine Damen und Herren! 407 PS,
das ist der Beitrag des Regierenden Bürgermeisters für
den Vorschlag der Tempo-30-Zonen-Regelung.


(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von der SPD: Was fahren Sie für ein Auto?)


Aus den Vorlagen, die Sie uns im BMVBS hinterlas-
sen haben, haben wir viel herausstreichen müssen. Ich
glaube, aus der Debatte kommt heraus: Die Union und
die FDP wollen nicht Verkehre verhindern, sondern sie
wollen sie intelligent koordinieren. Dazu brauchen wir
die Kommunalpolitik, die immer fähig ist, vor Ort die
besten Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger zu fin-
den. Damit sagen die Kommunalpolitiker Ja zu ihrer ei-
genen Verantwortung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718620300

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Nächste Rednerin

in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der So-
zialdemokraten Frau Kollegin Kirsten Lühmann. Bitte
schön, Frau Kollegin Lühmann.


(Beifall bei der SPD)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1718620400

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!

Sehr verehrte Zuhörende! In meinem Wahlkreis in Celle
haben wir gerade eine Diskussion darüber, ob in einem
Straßenabschnitt in der Innenstadt Tempo 30 kommen
soll. Die Bürger und Bürgerinnen sind dafür. Die Kom-
mune ist dafür. Jetzt gibt es eine Vorlage, die sich an
geltendem Recht orientiert. Wie sieht diese Straße dann
aus? Nach jetziger Rechtslage werden die ersten
500 Meter Tempo 30 nachts – aus Lärmschutzgründen –
sein. Die nächste Strecke wird Tempo 50 sein. Danach
wird – aus Verkehrssicherheitsgründen – eine Strecke
Tempo 30 tagsüber folgen. Liebe Herren und Damen,
wir sind uns wohl einig: So eine Situation ist sowohl für
die Anwohnenden als auch für die Verkehrsteilnehmen-
den absolut indiskutabel.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Die Kommune kann das entscheiden, wenn sie das so will!)


Ich wollte einmal genau wissen, wie die rechtlichen
Voraussetzungen aussehen, und habe ein Gutachten beim
Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages
in Auftrag gegeben. Das war nicht ganz einfach. Auch
das BMVBS hat sich schwergetan. So viel zu der Aus-
sage: Das ist doch ganz einfach, die Kommunen können
das doch locker machen.

Wie sieht es denn nun aus? In der Straßenverkehrs-
Ordnung gibt es viele Möglichkeiten, die Geschwindig-
keit zu reduzieren. Ich habe unter anderem gefunden:
Tempo 30 kann angeordnet werden, um die Flüssigkeit
und Leichtigkeit des Verkehrs zu fördern.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Das heißt, der Gesetzgeber geht nicht von Staus und
Schneckentempo aus, sondern der Gesetzgeber geht da-
von aus, dass Tempo 30 die Flüssigkeit des Verkehrs so-
gar fördern kann. Ich denke, da können wir ihm zustim-
men.


(Judith Skudelny [FDP]: Ach! Wenn es nach Ihnen ginge, müssten wir wahrscheinlich auf jeder Autobahn Tempo 30 machen!)


Aber: Wenn eine Kommune Tempo 30 einführen will,
muss sie viele andere Rechtsgebiete beachten, zum Bei-
spiel die Bundes-Immissionsschutzverordnungen, die
Lärmminderungspläne der EU und die Luftreinhaltungs-
pläne der EU. Ich will damit sagen: Das ist ein sehr kom-
plexes Rechtsgebiet.


(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das alles trauen wir den Kommunen zu!)






Kirsten Lühmann


(A) (C)



(D)(B)


Das zeigen die vielen Urteile, in denen die Anordnung
von Tempo 30 durch Kommunen zurückgenommen
wurde.

Insbesondere bei höherklassifizierten Straßen gibt es
Probleme. Wer sieht, wie sich Kreisstraßen, Landesstra-
ßen und Bundesstraßen teilweise durch enge Innenstädte
schlängeln, und wer erlebt, wie lange der Bau von
Ortsumgehungen dauert, der wird mir zustimmen: Unser
Ziel muss es sein, dafür zu sorgen, dass die Kommunen
schnell und frei entscheiden können: Wo kommt
Tempo 30 und wo nicht?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Götz [CDU/CSU]: Ja! Das sollten sie sowieso generell können!)


Auch im Aktionsplan „Verkehrssicherheit“ der EU
wird in Punkt 54 vorgeschlagen: In Wohngebieten und
auf einspurigen Straßen ohne Fahrradwege ist Tempo 30
vorzuschreiben. – Dem, meine Herren und Damen, ha-
ben sogar die Abgeordneten von Union und FDP im Eu-
ropaparlament zugestimmt.


(Sören Bartol [SPD]: Hört! Hört! – Martin Burkert [SPD]: Oh! Man glaubt es kaum! – Gustav Herzog [SPD]: Und hier sitzen die Kleingeister!)


Aber so weit wollen wir von der SPD gar nicht gehen,
liebe Koalition.

In unserem Antrag zum Thema Verkehrssicherheit
heißt es:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf … zu prüfen, ob innerhalb geschlossener
Ortschaften – mit Ausnahme der Hauptverkehrs-
adern – die zulässige Höchstgeschwindigkeit
grundsätzlich auf Tempo 30 gesenkt wird.

Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. Wer ihn lesen will
– er enthält nämlich noch viele andere gute Vorschlä-
ge –: Sie finden ihn auf Drucksache 17/5772.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Also, ich wäre ja generell für Schrittgeschwindigkeit!)


Eines erstaunt mich – jetzt richte ich mich an die Ab-
geordneten der Koalition, die dem Verkehrsausschuss
angehören; wenn die Kollegen und Kolleginnen, die un-
serem Ausschuss nicht angehören, nicht jeden Antrag,
den wir dort behandeln, lesen, kann ich das verstehen –:
Weil wir im Verkehrsausschuss erst vor wenigen Mona-
ten über den eben von mir zitierten Antrag diskutiert ha-
ben, wissen alle Ausschussmitglieder, was die SPD zum
Thema Tempo 30 fordert. Sie wissen auch, dass es sich
um einen Prüfauftrag handelt und dass es in unserem
Antrag heißt: „mit Ausnahme der Hauptverkehrsadern“.
Trotzdem verbreiten Sie weiter ein sinnentstellend ver-
kürztes Zitat; das haben Sie auch heute Morgen getan.


(Sören Bartol [SPD]: Pfui! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So wie Ihr Herr Gabriel!)


Das, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist unanständig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Götz [CDU/CSU]: Ach ja? Was sagt denn der Herr Gabriel dazu? – Petra Müller [Aachen] [FDP]: Wir sagen doch nur das, was Ihr Herr Gabriel und Ihr Herr Steinmeier auch gesagt haben!)


Zusammenfassend stelle ich fest: Wir wollen, dass die
Entscheidungsgewalt vor Ort ausgeübt wird. Die Situa-
tion stellt sich zurzeit allerdings schwierig dar. Es geht
um die Fragen: Wie können wir die Situation optimie-
ren? Wie können wir die Regelungen entbürokratisie-
ren? Wie können wir den Kommunen die Handlungs-
kompetenz geben? Es gibt zwei Möglichkeiten:
Entweder belässt man die Regelgeschwindigkeit bei
50 km/h, vereinfacht aber die Ausnahmen, oder man
macht Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit; es ist so-
wieso einfacher, Ausnahmen nach oben vorzunehmen.
Vielleicht gibt es ja auch eine dritte Möglichkeit, über
die wir noch nicht diskutiert haben.

Wir als Bundestag haben die Verantwortung, im Inte-
resse der Kommunen zu handeln und die Entscheidungs-
kompetenz vor Ort zu stärken. Lassen Sie uns diese Auf-
gabe endlich ernst nehmen! Lassen Sie uns vorurteilsfrei
prüfen, welche Regelung die sinnvollste ist, und zwar für
die Menschen in den Kraftfahrzeugen und für die Men-
schen außerhalb der Kraftfahrzeuge.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718620500

Vielen Dank, Frau Kollegin Lühmann. – Nächster

Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege
Werner Simmling. Bitte schön, Kollege Werner
Simmling.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Werner Simmling (FDP):
Rede ID: ID1718620600

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Heute geht es um das Thema
Tempo 30 in Städten. Lassen Sie mich mit einem Zitat
des Chefs der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer
Wendt, beginnen: Das ist „eine Schlafmützenregelung“,
sagte dieser zu den Vorschlägen rot-grüner Verkehrspoli-
tiker, die Geschwindigkeit innerorts per Gesetz auf
30 km/h begrenzen zu wollen.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder nicht verstanden! – Gegenruf der Abg. Kirsten Lühmann [SPD]: Tja! Ich habe es versucht!)


Eigentlich ist damit bereits alles gesagt.

Aber im Ernst: Der Vorschlag, mit dem uns unsere
Kollegen, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-
Fraktion, Sören Bartol, und der Vorsitzende des Ver-
kehrsausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Anton
Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen – er ist leider nicht
hier –, überraschten, hatte es in sich; denn dieser Ge-





Werner Simmling


(A) (C)



(D)(B)


danke war wohl zumindest innerhalb der Fraktion der
SPD nicht abgestimmt.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Haben Sie mir eigentlich zugehört? – Gegenruf des Abg. Gustav Herzog [SPD]: Die Rede war schon geschrieben!)


– Ja. Ich habe Ihnen gut zugehört. – Der Aufschrei von
Sigmar Gabriel, von Frank-Walter Steinmeier und vom
Präsidenten des Deutschen Städtetages und Münchener
Oberbürgermeister, Christian Ude, um nur einige zu nen-
nen, kam postwendend und war nicht zu überhören. Alle
drei erinnerten sich wohl sofort an den fatalen Fehlstart
unserer Kollegin Renate Künast als Bürgermeisterkandi-
datin in Berlin, die mit genau diesem Thema, Tempo 30,
in Berlin punkten wollte, damit die halbe Stadt ver-
schreckte und krachend einbrach. Der Wahlsieg war ver-
spielt.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben doch 4 Prozent zugelegt!)


Seit dem 1. September 1957, also seit bald 55 Jahren,
gilt Tempo 50 in den Städten. Dieses Tempolimit gilt
nicht nur für Autos – hier wird immer nur von Autos ge-
sprochen –, sondern auch für Straßenbahnen und Busse.
In vielen Wohngebieten und vor Schulen, Kindergärten
und Kliniken gilt schon lange Tempo 30. Die Entschei-
dung, wo in Zukunft Tempo 30 zu gelten hat, sollte dem-
nach dort gefällt werden, wo sie hingehört, nämlich in
den Kommunen und nicht im Bundestag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Kirsten Lühmann [SPD]: Ja, genau!)


– Ja, genau so ist es.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Dazu müssen wir aber auch die Regelungen schaffen! Dazu müssen wir ihnen die Möglichkeiten geben!)


Uns ist es ein großes Anliegen, die Verkehrssicherheit
in Deutschland weiter zu erhöhen.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Na ja!)


Die Erfolge der vergangenen 40 Jahre sind ermutigend.
Hatten wir 1970 noch 19 193 Getötete im Straßenver-
kehr zu beklagen, so ist die Zahl bis 2010 auf 3 648 Ge-
tötete zurückgegangen. Innerorts ist die Zahl der Getöte-
ten von 8 494 auf 1 261 in 2008 zurückgegangen.


(Sören Bartol [SPD]: Und 2011, Herr Kollege? Die 2011er-Zahlen noch!)


In beiden Straßenkategorien ist die Zahl der Verkehrsto-
ten also um etwa 85 Prozent zurückgegangen – und das
bei einer gleichzeitigen Verdreifachung der Zahl der
Kraftfahrzeuge im genannten Zeitraum von rund 15 Mil-
lionen auf beinahe 50 Millionen.


(Sören Bartol [SPD]: Aber nennen Sie doch einmal die 2011er-Zahlen!)


– Mit einer kurzfristigen Betrachtung können Sie alles
begründen.


(Sören Bartol [SPD]: So reden Sie über zusätzliche Verkehrstote!)


Trotz dieses Erfolgs ist die Anzahl der Getöteten im
Straßenverkehr


(Kirsten Lühmann [SPD]: Aktuelle Zahlen wären gut!)


– hören Sie doch einmal zu – leider noch immer viel zu
hoch. Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Maß-
nahmen dort ansetzen, wo wir die Verkehrssicherheit tat-
sächlich weiter erhöhen können, und keine Scheinmaß-
nahmen verfügen, die im Zweifel sogar – auch das
wurde schon gesagt – zu einer Verschlechterung der Ver-
kehrssicherheit führen könnten, weil sie für die Ver-
kehrsteilnehmer nicht nachzuvollziehen sind und damit
zum Übertreten reizen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Kirsten Lühmann [SPD]: Sagen Sie das mal Ihren Kollegen im Europäischen Parlament! Die sehen das anders!)


Die Ausweisung von großflächigen innerstädtischen
Fußgängerzonen, gut ausgebaute Gehwege, bessere und
übersichtlichere Straßen, mehr Radwege, aber auch eine
weitere Verbesserung der Kraftfahrzeugtechnik, zum
Beispiel durch weitere Fahrerassistenzsysteme, und
nicht zuletzt die Intensivierung der Verkehrsschulung
und ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein aller
Verkehrsteilnehmer sind die Stellschrauben, die eine
weitere Erhöhung der Verkehrssicherheit bewirken.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das alles spricht aber nicht gegen Tempo 30!)


Meine Damen und Herren, lassen Sie uns also dort
gemeinsam tätig werden und nicht im Boulevard mit
populistischer Regelungswut Menschen zu gängeln ver-
suchen. Viele Umfragen auf regionaler Ebene haben ge-
zeigt, dass die Bürger mit der derzeitigen Regelung sehr
zufrieden sind – das Beispiel Berlin zeigt es –, die sich
bereits über eine lange Zeit bewährt hat.

Die Entscheidung über Tempo 30 soll auch in Zu-
kunft dort getroffen werden, wo sie hingehört, nämlich
auf regionaler Ebene; denn was vor Ort entschieden
wird, findet auch die Akzeptanz der Betroffenen. Dafür
braucht es keine gesetzliche Vorgabe vom Bund. Hier
haben die Kollegen Gabriel und Steinmeier ausnahms-
weise einmal recht gehabt.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718620700

Vielen Dank, Kollege Werner Simmling. – Nächster

Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser
Kollege Hans-Joachim Hacker. Bitte schön, Kollege
Hans-Joachim Hacker.


(Beifall bei der SPD)



Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1718620800

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren,
die uns zuhören und zusehen! Was für eine Aufregung
und was für eine abstruse Argumentation aus der Koali-





Hans-Joachim Hacker


(A) (C)



(D)(B)


tion zu diesem Thema! Das ist nicht nachzuvollziehen.
Sie negieren völlig die Bedeutung der Straßenverkehrs-
Ordnung als Regelinstrumentarium, das wir auszugestal-
ten haben.

Herr Bundesminister Ramsauer, die Bundesregierung
verfolgt mit ihrem Verkehrssicherheitskonzept ein ambi-
tioniertes Ziel. Sie haben sich vorgenommen – darin
bekommen Sie in der Gesellschaft ja große Unterstüt-
zung –, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Pro-
zent zu reduzieren. Über die Statistik ist hier bereits viel
gesagt worden. Das will ich nicht noch einmal wiederho-
len.

Es ist auch schon erwähnt worden, dass wir im letzten
Jahr trotz aller Maßnahmen – ich nenne auch die Ehren-
amtler – wieder einen Anstieg zu verzeichnen hatten: auf
4 002 Getötete. Das sind genau 4 002 zu viel. Wir müs-
sen schon die Frage stellen, wie wir darauf reagieren und
welche Maßnahmen wir einleiten, um das ambitionierte
Ziel, das hier alle vertreten, zu erreichen.

Es gibt im Straßenverkehr unterschiedliche Risiko-
gruppen. Dazu zählen insbesondere Jugendliche von
18 bis 24 Jahren. Darüber hinaus gibt es unterschiedli-
che Risikobereiche.

Einer dieser Risikobereiche, der von vielen zum Teil
ausgeblendet wird, sind innerstädtische Verkehre. In
meinem Land Mecklenburg-Vorpommern haben sich im
Jahre 2011 mehr als die Hälfte, nämlich 59 Prozent, der
Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden und schwer-
wiegendem Sachschaden innerhalb von Ortschaften ereig-
net. 59 Prozent! Auf den Autobahnen sind es 7,5 Prozent.
Hier müssen wir ansetzen. Jemand, der hier angesetzt
hat, ist der Wissenschaftliche Beirat Ihres Ministeriums,
Herr Ramsauer. Dieser Beirat hat einen Katalog von
Maßnahmen vorgelegt. Eine Maßnahme ist die Einfüh-
rung einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h. Ich
finde, das sollten Sie ernsthaft prüfen und nicht einfach
abtun.

Ich will deutlich sagen: Eine Regelgeschwindigkeit
von 30 km/h wäre doch kein Dogma, sondern nur die
Umkehrung der Regelgeschwindigkeitsregelung in der
Straßenverkehrs-Ordnung. Wo ist da das Problem, Frau
Müller? Es gibt doch gar kein Problem. Ich frage Sie:
Warum sollten wir, wenn uns 17 Professoren einen sol-
chen Vorschlag vorlegen, diesen nicht ernsthaft prüfen,
Herr Ramsauer?

Was die Bewertung angeht, stehen wir, die Verkehrs-
politiker von Bündnis 90/Die Grünen und SPD, und die
17 Professoren nicht alleine da. Ich zitiere den Präsi-
denten des Deutschen Verkehrssicherheitsrat, Walter
Eichendorf. Er hat vor wenigen Tagen erklärt, dass
Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten eine
sinnvolle Maßnahme wäre. Die Sicherheit der Radfahrer
und Fußgänger würde sich erheblich erhöhen, so der
DVR-Präsident.

Als ehrenamtliches Mitglied der Deutschen Verkehrs-
wacht sage ich: Viele Ehrenamtler sehen das genauso.
Lieber Herr Storjohann, ich weiß, dass auch Sie Ehren-
amtler in der Verkehrswacht sind. Fragen Sie doch ein-

mal Ihre Ehrenamtler in Schleswig-Holstein, was die
dazu sagen.


(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Haben wir schon!)


Ich kenne deren Meinung. Ich lade Sie zu einer Diskus-
sion nach Mecklenburg-Vorpommern ein. Da können Sie
sich von diesen guten Argumenten überzeugen.

Unverdächtig ist doch auch der Bundesvorsitzende
der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut. Dieser
erklärte kürzlich, am 18. Juni, in einem Interview mit der
Schweriner Volkszeitung:

Schon seit Jahren empfehlen uns Verkehrssicher-
heitsexperten, dass 30 als Höchstgeschwindigkeit die
Regel sein sollte und nicht 50. Viel spricht dafür. Wir
sollten diesen Vorschlag weiterverfolgen. … Nicht
angepasste Geschwindigkeit ist generell eine der
Hauptursachen von Unfällen. Geringere Geschwin-
digkeit bedeutet kürzere Bremswege, weniger Un-
fälle und damit mehr Verkehrssicherheit für alle.

Die seitens der Koalition hier vorgetragenen Zitate
haben Sie sich, glaube ich, vom Mond geholt, oder Sie
haben nur Halbzitate gebracht.


(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Internet! – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Internet reicht! Bis zum Mond muss man da gar nicht!)


Die Zitate, die ich aufgeführt habe, können Sie nachle-
sen. Ich lege Ihnen ans Herz, das zu tun.

Ich möchte neben der Verkehrssicherheit noch einen
zweiten Bereich ansprechen, die Lärmbelästigung. In der
Stadt Ludwigslust in meinem Wahlkreis bemüht sich
eine Bürgerinitiative seit Monaten darum, die Lärmbe-
lästigung zu reduzieren. Die Stadt wird von mehreren
Durchgangsstraßen durchzogen. Wegen der Regelung in
der Straßenverkehrs-Ordnung gibt es die Notwendigkeit,
dass jede einzelne Maßnahme im Detail begründet wer-
den muss. Es fällt den dortigen Verkehrsbehörden
schwer, eine solche Begründung für eine Regelge-
schwindigkeit von 30 km/h zu finden.


(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Der politische Wille!)


Von daher müssen wir hier die Rahmenbedingungen
schaffen. Ich spreche jetzt den Herrn Bundesbauminister
an: Herr Ramsauer, wir warten noch auf eine Lieferung
von Ihnen, nämlich die Baurechtsnovelle. Hiermit sind
Sie schon ein Dreivierteljahr im Verzug.


(Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister: Das liegt im Kabinett!)


– Ja, ja, aber die sollte ja schon im vergangenen Jahr im
Plenum sein. Wir sind der Deutsche Bundestag und nicht
das Kabinett. – Darin wollen Sie doch die Innenstädte
stärken, Herr Ramsauer, mit unserem Zutun, Herr Götz.
Wäre nicht eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h ein
deutliches Zeichen für eine solche Innenstadtstärkung?


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das war aber nicht im Baugesetzbuch!)






Hans-Joachim Hacker


(A) (C)



(D)(B)


Bitte liefern Sie die Baurechtsnovelle. Wir diskutieren
dann über diese Frage.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718620900

Herr Kollege Hacker, als Verkehrspolitiker wissen Sie

das Signal Rot zu deuten.


(Heiterkeit)



Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1718621000

Das Signal des Präsidenten kann ich sehr gut deuten. –

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere
an die Koalition: Greifen Sie die Idee auf, diese Vor-
schläge ernsthaft zu prüfen. Ich glaube, wir haben einen
guten Grund, diese Fragen in den nächsten Wochen wei-
ter zu diskutieren.

Vielen Dank, Herr Präsident.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718621100

Vielen Dank, Kollege Hans-Joachim Hacker. –

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Daniela
Ludwig. Bitte schön, Frau Kollegin Ludwig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1718621200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Kollege Hacker, die Zitate Ihres Parteivorsit-
zenden müssen wir nicht vom Mond holen. Wenn Sie Ih-
ren Vorsitzenden aber auf selbigen geschossen haben,
nehmen wir das hiermit zur Kenntnis. So viel dazu.


(Sören Bartol [SPD]: Sind Sie sein FacebookFreund?)


Wenn wir schon bei den Zitaten sind: Der Wissen-
schaftliche Beirat im nun von Peter Ramsauer geführten
Haus hat die generelle Empfehlung für Tempo-30-Zonen
schon unter dem Vorgänger Herrn Tiefensee ausgespro-
chen. Herr Tiefensee ist dann in eine intensive Prüfung
mit sich selbst und vermutlich auch mit Ihnen zu diesem
Thema gegangen. Das Ergebnis kennen wir, sonst hätten
Sie diese Forderung nicht mehr stellen müssen: keine
Übernahme der Empfehlung.

Jetzt nehmen wir für uns genauso wie Herr Tiefensee
in Anspruch, dass auch wir prüfen und auch wir zu ei-
nem anderen Ergebnis als der Wissenschaftliche Beirat
in seiner Empfehlung kommen. Darüber können wir uns
hier diskursartig austauschen. Damit habe ich kein Pro-
blem. Aber wenn man uns, nur weil wir zu einem ande-
ren Ergebnis kommen – warum, sage ich gleich –, in die-
ser Sache unterstellt, wir hätten ein Problem mit der
Verkehrssicherheit, wir seien gegen Verkehrssicherheit
und wir wollten keine Maßnahmen zur Erhöhung der
Verkehrssicherheit einleiten, finde ich das der Sache, um
es einmal vorsichtig auszudrücken, nicht zuträglich;
denn wir haben in dieser Legislaturperiode unter Peter
Ramsauer mit der Arbeitsgruppe Verkehr sowohl der

FDP- wie auch der CDU/CSU-Fraktion eindrücklich das
Gegenteil bewiesen.

Zu den Themen Föderalismus und Subsidiarität und
die Frage, wer über Tempo-30-Zonen entscheidet, ist
viel gesagt worden. Das war sicherlich auch ein Grund,
warum sich Ihr Kollege, der früher Oberbürgermeister
war, gegen diese Empfehlung ausgesprochen hat; denn
er weiß genauso gut wie wir alle hier, dass vor Ort am
besten entschieden werden kann, auf welchen Straßen
die Signalwirkung – das meine ich jetzt wirklich ganz
ernst – einer Tempo-30-Zone dringend gebraucht wird.
Das sind tatsächlich die Straßen, die Sie, Frau Kollegin
Lühmann – da bin ich voll bei Ihnen –, beschrieben ha-
ben, also die Straßen, auf denen im Prinzip die gefährde-
ten Verkehrsteilnehmer unterwegs sind: kleine Kinder,
Schüler, Kindergartenkinder, ältere Herrschaften.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber das ist nicht nur vor Schulen, das ist beispielsweise auch der Schulweg!)


Das sind aber auch die Straßen, in denen wir vor Lärm
ganz besonders schützen wollen: Straßen in dichten
Wohngebieten, vor Krankenhäusern und Seniorenhei-
men.

An solchen Orten hat das Tempo-30-Schild eine
Signalwirkung; denn der Verkehrsteilnehmer merkt:
Achtung, hier muss ich entweder aufpassen oder ich
muss in dieser Gegend etwas leiser sein. – Diese Signal-
wirkung – sie ist mir sehr wichtig – würde durch eine
Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses kom-
plett verloren gehen.


(Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Sehr richtig!)


Aus diesem Grunde wollen wir diese Umkehrung nicht.
Nehmen Sie das einfach einmal als eines unserer Argu-
mente an. Darüber können wir uns dann an anderer
Stelle gerne auseinandersetzen. Aber das ist zunächst
einmal unsere Meinung, und an der halten wir fest.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube tatsächlich, dass über die Einrichtung einer
Tempo-30-Zone am besten vor Ort entschieden werden
kann, weil es – das ist meine persönliche Empfindung;
auch ich bin wie die meisten von uns kommunalpolitisch
tätig – funktioniert: Wenn man eine Tempo-30-Zone ein-
richten will, kann man das gut begründen, und man be-
kommt sie dann auch da, wo man sie will.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Aber kein Streckenverbot!)


Alles andere spricht nur für die Regelgeschwindigkeit
von 50 km/h. Diese Regelgeschwindigkeit ist nicht per
se verkehrsgefährdend, weil nicht jeder Autofahrer
aggressiv ist und es darauf anlegt, irgendjemanden in
Gefahr zu bringen. Die meisten Autofahrer sind verant-
wortungsbewusst unterwegs und können ihre Geschwin-
digkeit einschätzen.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber das ist doch auch eine andere Verkehrskultur, die wir dann haben, wenn wir langsamer und rücksichtsvoller fahren!)






Daniela Ludwig


(A) (C)



(D)(B)


Da, wo es gefährlicher ist, fahren sie langsamer, weil wir
dort ein Tempo-30-Schild aufstellen.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Wenn wir das dürfen! Aber das dürfen wir ja nicht!)


So schwierig ist das nicht. Deswegen bleibe ich
schlicht und ergreifend dabei: Die Regelung ist so, wie
sie jetzt ist, gut. Sie hat sich bewährt. Ich werde jetzt
keine Zitate anführen, weder von Ihrer Seite noch von
unserer Seite. Die Kommunalpolitik hat in letzter Zeit
deutlich signalisiert, was sie von diesem Vorschlag hält,
nämlich nicht allzu viel. Deswegen wäre ich sehr froh,
wenn wir es bei der jetzigen Regelung belassen könnten.

Lassen Sie das die Kommunen entscheiden. Sie sind
am nächsten dran. Es macht wenig Sinn, hier den Bun-
desgesetzgeber zu bemühen.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Die Kommunen können es aber nicht!)


– Sie können das sehr wohl; denn die Tatsache, dass es
zu der Einrichtung von Tempo-30-Zonen gekommen ist,
ist ein Beweis dafür, dass es funktioniert.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718621300

Vielen Dank, Kollegin Daniela Ludwig. – Nächster

Redner für die Fraktion der CDU/CSU Kollege Peter
Götz. Bitte schön, Kollege Peter Götz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1718621400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht in die-
ser Debatte nicht um die Frage, ob Tempo 30 sinnvoll ist
oder nicht. Es geht darum, wer die Entscheidung darüber
zu treffen hat:


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)


ob wir hier in Berlin oder ob die Kommunen dies zu ent-
scheiden haben.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen, dass es der Bund ist!)


Gegen Tempo-30-Zonen ist grundsätzlich nichts
einzuwenden, aber bitte nur dort, wo diese notwen-
dig sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dies sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeige-
werkschaft, Rainer Wendt, in einer Erklärung gegenüber
der Augsburger Allgemeinen, Herr Kollege Hacker. Die
Erfahrung zeige – so Rainer Wendt weiter –, dass Auto-
fahrer sich an Verkehrsvorschriften hielten, wenn diese
für sie nachvollziehbar seien. Recht hat er. Genau des-
halb lehnen wir die von Rot-Grün geplante bundesweite
Gängelung der Autofahrer ab.

Wir haben in Deutschland gut funktionierende
Tempo-30-Zonen in Wohngebieten.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden von Strecken!)


Mit einem bundesweiten Tempo 30 schwächen Sie diese
massiv; denn Verkehr ist wie Wasser. Er sucht sich bei
genereller Geschwindigkeitsbegrenzung den kürzesten
Weg.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht ja nicht um generelle Geschwindigkeitsbegrenzung!)


Ob das dann ein Beitrag zur Verkehrssicherheit wird,
Herr Kollege Bartol, wage ich zu bezweifeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber es gibt noch weitere Gründe, die gegen ein ge-
nerelles Tempolimit in den Städten sprechen.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das fordert auch keiner!)


Im Gegensatz zu Ihnen in der Opposition wollen wir,
dass die Menschen vor Ort ihre Heimat selbst gestalten
können. Dazu gehören auf der einen Seite die notwendi-
gen finanziellen Spielräume der Kommunen, die wir
gerade in dieser Legislaturperiode mit der Übernahme
der Kosten für die Grundsicherung im Alter, um nur ein
Beispiel zu nennen, erheblich verbessert haben. Dazu
gehört aber auch die kommunale Planungshoheit der
Städte und Gemeinden.

Die Verantwortlichen in den Kommunen wissen mit
Sicherheit besser, was für ihre Stadt gut ist und was
nicht. Sie setzen sich täglich mit den Bürgern auseinan-
der und sollten deshalb selbst entscheiden können, wo
sie eine Tempo-30-Zone für richtig halten und wo nicht.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig! Das wollen wir ja gerade! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Die dürfen das aber nicht!)


Wir als Kommunalpartei halten die sachgerechten
Entscheidungen, die an Ort und Stelle getroffen werden,
allemal für besser.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig!)


Gerade beim innerörtlichen Verkehr lässt sich das
sehr gut ablesen. Es gibt hervorragend funktionierende,
von den Kommunen eingeführte Tempo-30-Zonen. Wir
haben – das wurde vorhin bereits gesagt – Geschwindig-
keitsbegrenzungen vor Schulen, Kindergärten und
Senioreneinrichtungen. In vielen Kommunen gibt es
Spielstraßen mit Tempo 7, also Schrittgeschwindigkeit,
sowie Fußgängerzonen, und das alles, ohne dass der
Deutsche Bundestag irgendwann damit befasst wurde.

Die ganze Palette der Verkehrsgestaltung ist ein wich-
tiger Bestandteil der kommunalen Planungshoheit, der in
kommunaler Verantwortung bestens aufgehoben ist.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Und warum dürfen es die Celler dann nicht?)






Peter Götz


(A) (C)



(D)(B)


Nicht hierhin, sondern dorthin gehört das Thema. Wir
nennen das Subsidiarität. Wir wollen, dass auf Bundes-
ebene nur das geregelt wird, was vor Ort nicht eigenver-
antwortlich entschieden werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kirsten Lühmann [SPD]: Die wollen, aber können nicht!)


Wir halten zentralistische Vorgaben des Deutschen Bun-
destages für die Gestaltung unserer Städte für falsch.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch, dass es falsch ist! Sie singen nicht das Hohelied der kommunalen Selbstverwaltung! Sie regeln auch Tempo 50 und geben es den Kommunen nicht frei!)


Frau Lühmann, heute früh haben Sie im Unteraus-
schuss Kommunalpolitik noch das Hohelied der kommu-
nalen Selbstverwaltung gesungen. Aber dann, wenn es
konkret wird, hat man das Gefühl, dass genau das Ge-
genteil passiert. Ich betrachte dies als scheinheilig.

Die zusätzlichen sachlichen Gründe, die gegen eine
generelle Einführung von Tempo 30 sprechen,


(Kirsten Lühmann [SPD]: Die will gar keiner! – Sören Bartol [SPD]: Wer fordert denn das generelle Tempolimit? Niemand!)


wie die Verdrängung des Verkehrs in Wohngebiete, hö-
here Umweltbelastung durch zusätzliche Stopps bei
Rechts-vor-links-Verkehr oder die mit einer generellen
Regelung verbundene Scheinsicherheit für Radfahrer
und Fußgänger, wurden von den Vorrednern bereits an-
gesprochen.

Lassen Sie deshalb im Sinne von Bürgernähe und
kommunaler Selbstverwaltung die Städte und Gemein-
den selbst entscheiden, ob und wo sie in ihrem Stadt-
gebiet Tempo 30 gut finden und wo nicht. Verschonen
Sie die Menschen in unserem Land mit Ihren ideologisch
geprägten zentralistischen Verwirrspielchen und populis-
tischen Forderungen!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts verstanden!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718621500

Vielen Dank, Kollege Peter Götz. – Nächster Redner

für die Fraktion der CDU/CSU Kollege Volkmar Vogel.
Bitte schön, Kollege Volkmar Vogel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Kirsten Lühmann [SPD]: Reden Sie jetzt mal zu unseren Forderungen?)



Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1718621600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen wir doch das ganze Geeiere, die Ausreden, die
Erklärungen und die Dementis der Kollegen von SPD
und Grünen einmal beiseite. Am Ende dieser Debatte

wird eines klar: Rot-Grün will nicht nur Tempo 130 auf
den Autobahnen. Rot-Grün will auch Tempo 30 in allen
Städten unseres Landes. Damit das hier ganz klar gesagt
wird: Für mich ist das ein Angriff auf die Mobilität in
unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Es wird auch klar: Am liebsten würde Rot-Grün den
Individualverkehr ganz abschaffen, aber nicht nur das.
Es kommt noch dicker – Peter Götz hat es gerade aus-
führlich dargelegt –: Es wird die zentralistische Absicht
verfolgt, die Selbstbestimmung der Kommunen auch in
diesem Punkt einzuschränken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Mein Gott! Das ist die ganz große Keule!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grü-
nen, die Städte sind doch heute keine mittelalterlichen
Bollwerke mehr, mit vier Stadttoren und von einer Stadt-
mauer umgeben. Moderne Städte von heute haben eine
Dienstleistungsfunktion für ihr Umland. Große Städte
haben eine Metropolfunktion auch überregional. Wenn
uns das bewusst ist, dann muss uns auch klar sein, dass
Städte nur dann eine Chance haben, wenn sie frequen-
tiert werden können. Damit sie frequentiert werden kön-
nen, brauchen wir zügig fließenden Verkehr und schnelle
Verbindungen. Da hilft uns Tempo 30 mit dem dann zu
erwartenden Schleichverkehr im gesamten Stadtgebiet
überhaupt nicht.

Das Thema Verkehrssicherheit berührt uns alle. Hier
macht es sich keiner von uns leicht. Die Ergebnisse
der letzten Jahre beweisen: Unsere Politik mit Gero
Storjohann als unserem verkehrspolitischen Sprecher ist
erfolgreich. Die Verkehrsstatistiken belegen das.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte deutlich sagen: Das Problem, vor dem wir
in den Städten stehen, ist nicht Tempo 50, sondern es
sind diejenigen, die sich nicht an Tempo 50 halten und
durch die Städte rasen. Das bedarf hohen Kontrollauf-
wands sowie Aufklärung und Beratung der Verkehrsteil-
nehmer. Tempo 50 ist richtig. Aber es gibt durchaus
Zonen, in denen diese Geschwindigkeit gesenkt werden
muss – darauf haben meine Vorredner schon hingewie-
sen –: vor Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und
sozialen Einrichtungen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist 50 nicht auch unzulässig zentralistisch?)


Aber die Kommunen bestimmen selbst, wo Tempo-30-
Zonen eingerichtet werden sollen. Sie haben schon jetzt
die Instrumente dafür.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Nein, haben Sie nicht! Reden Sie einmal mit denen!)


Aus unserer Sicht sind Tempo-30-Zonen in Wohnquar-
tieren, wo es richtig und wichtig ist, den Verkehr zu
beruhigen, besonders geeignet.





Volkmar Vogel (Kleinsaara)



(A) (C)



(D)(B)


Zur Umwelt. Wir alle sind Autofahrer. Was passiert
denn bei Tempo 30? Wir zuckeln hochtourig und im
Schleichgang durch die Stadt. Das führt am Ende dazu,
dass die Schadstoffbelastung nicht sinkt, sondern steigt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eines darlegen:
Die Argumente von SPD und Grünen widersprechen
sich auch in sich. Wenn Sie behaupten, dass Tempo 30
die Städte leiser, sauberer und für die Menschen sicherer
macht, dann kann ich nicht verstehen, warum Sie, wenn
es um Entlastungsprojekte – auch im Schienenbereich –
geht, die dafür sorgen, dass der überregionale Schwer-
lastverkehr in den Städten verringert wird, Probleme se-
hen und der Meinung sind, dass wir keine Umgehungs-
straßen brauchen.

Ich will es ganz deutlich sagen: Umgehungsstraßen
sind an erster Stelle für die Menschen gedacht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Wer hat denn etwas anderes gesagt?)


Sie entlasten unsere Städte und sorgen für mehr Sicher-
heit, nicht nur auf der Umgehungsstraße selbst, sondern
auch in den Innenstädten, sowohl für Fußgänger und
Radfahrer als auch für andere Verkehrsteilnehmer. Sie
sorgen außerdem dafür, dass der Schadstoffausstoß in
vertretbaren Grenzen bleibt.

Wir, CDU/CSU und FDP, wollen Mobilität. Mobilität
ist ein wichtiger Wachstumsfaktor in unserem Land. Die
Bürger wollen und die Bürger müssen heutzutage mobil
sein. Unsere Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass den Bür-
gern das möglich ist. Verkehrssicherheit, Ökologie und
Mobilität müssen keine Gegensätze sein. Die Kommu-
nen gestalten in ihren Orten die notwendigen Regelun-
gen dazu selbst. CDU, CSU und FDP sind die Bürger-
parteien und die Kommunalparteien. Dabei bleibt es.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kirsten Lühmann [SPD]: Dann gebt den Kommunen doch endlich die Möglichkeit!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718621700

Vielen Dank, Kollege Volkmar Vogel.

Letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die
Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Patrick Schnieder.
Bitte schön, Kollege Patrick Schnieder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Patrick Schnieder (CDU):
Rede ID: ID1718621800

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die

Debatte heute im Rahmen der Aktuellen Stunde offen-
bart doch einige besondere Befindlichkeiten und nötigt
zu interessanten Feststellungen. Erstens. Ich bin erstaunt
darüber, mit welchem Aufwand Sie, meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen von der SPD, versuchen, aus einem
zunächst einmal ernstgemeinten Vorschlag jetzt nur noch
einen Prüfungsauftrag zu machen. Sie tun so, als ob man
das einfach einmal nebenbei überlegen und in die
Debatte werfen kann.


(Sören Bartol [SPD]: Sie müssen unsere Anträge richtig lesen!)


Sie, lieber Herr Bartol, zeihen uns des falschen
Verständnisses dessen, was Sie vorgeschlagen haben.
Zugleich ist Ihr Vorschlag eine Anklage gegen Ihren ei-
genen Parteivorsitzenden und Ihren eigenen Fraktions-
chef hier im Bundestag; denn sie haben das genauso wie
wir verstanden und Ihnen gesagt, dass das ein Vorschlag
ist, der nicht machbar ist. Das müssen Sie zur Kenntnis
nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich stelle zugleich sehr interessiert fest, dass es doch
eigentlich nicht darum geht, dass wir Tempo 30 dort an-
ordnen, wo es die Sicherheit oder der Lärmschutz erfor-
dern. Das können wir. Sie selbst haben die Zahlen
genannt. In einigen Städten, auch in Großstädten, ist auf
70 bis 80 Prozent der Verkehrswege Tempo 30 angeord-
net. Interessant ist die Denke, die hier präsentiert wird.
Es geht nämlich um das Verständnis von Verkehrspolitik
und um das allgemeine Politikverständnis, das Sie mit
diesem Vorschlag an den Tag gelegt haben.

Zunächst einmal scheren Sie alles über einen Kamm.
Vollkommen undifferenziert soll überall zunächst einmal
Tempo 30 gelten. Wir wollen da, wo es möglich ist, flüs-
sigen Verkehr garantieren. Wir wollen keine Schleich-
verkehre in den Städten. Wir wollen aber da, wo es die
Sicherheit gebietet, die Einrichtung von Tempo-30-
Zonen ermöglichen. Wenn Sie auf den Deutschen
Städte- und Gemeindebund gehört hätten, dann hätten
Sie festgestellt, dass wir gar nicht in der Lage sind,
Tempo 30 überall dort zu kontrollieren, wo Sie es gerne
anordnen würden. Der Kollege Volkmar Vogel hat zu
Recht gesagt, dass das tatsächlich gefahrene Tempo ent-
scheidend ist, und nicht das, das angeordnet wird, aber
nicht durchgesetzt werden kann.

Zweitens. Sie offenbaren ein mittlerweile schon be-
kanntes Verständnis von Verkehrspolitik, vor allem was
Straßenverkehr und Individualverkehr angeht. Sie behin-
dern, Sie verhindern, Sie erschweren und Sie verzögern
Projekte des Infrastrukturneubaus.


(Widerspruch bei der SPD)


Sie wollen jetzt über eine solche Regelung Verkehre er-
schweren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Die Regierung ist der größte Verhinderer!)


– Lieber Herr Bartol, überall dort, wo Sie mit den Grü-
nen zusammen regieren, in Nordrhein-Westfalen, in
Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und jetzt auch
in Schleswig-Holstein, verhindern Sie Verkehrsinfra-
strukturinvestitionen. Sie wollen Verkehre auf den
Straßen verhindern. Der Vorschlag, den Sie hier gemacht
haben, geht in dieselbe Richtung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Deshalb hat der Verkehrsminister vollkommen recht:
Wir wollen Mobilität ermöglichen und Mobilität fördern –





Patrick Schnieder


(A) (C)



(D)(B)


in den Städten und überall da, wo wir flüssige Verkehre
wollen und brauchen.

Drittens. Auf Ihr Politikverständnis ist schon einge-
gangen worden. Ich möchte das zusammenfassen. Sie
stehen mit Ihrem Vorschlag für Zentralismus und Bevor-
mundung. Wir wollen Subsidiarität. Wir wollen keine
Bestrafung oder Erziehungsmaßnahmen für Autofahrer,
sondern wir wollen, dass die Menschen vor Ort entschei-
den, wie die Situation dort zu bewerten ist und welche
Schlüsse zu ziehen sind. Unsere Gemeinden vor Ort
wissen am besten, wo sie Tempo-30-Zonen einzurichten
haben und wo nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von
der SPD und den Grünen, mein Appell und meine Bitte:
Wenden Sie sich doch bitte Themen zu, bei denen wir
Mobilität und Verkehrspolitik voranbringen und nicht
Mobilität verhindern. Wenden Sie sich doch nicht den
Bremserthemen zu, sondern den Themen, mit denen wir

die Zukunft für unser Land gut gestalten können und die
uns voranbringen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718621900

Vielen Dank, Kollege Patrick Schnieder.

Damit sind wir nicht nur am Schluss unserer Aktuel-
len Stunde, sondern auch am Schluss unserer heutigen
Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 28. Juni 2012,
9 Uhr, ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist ge-
schlossen.